Für Elisa von w-shine ================================================================================ Kapitel 1: Für Elisa -------------------- Für Elisa Das Geräusch ihrer rhythmischen Flügelschläge riss ihn aus seinen Gedanken. Sein Kopf ruckte herum und er starrte auf den kleinen Vogel, der in seinem Käfig herum flatterte. „Was willst du denn schon wieder, Mira?“ Er konnte Vögel nicht leiden, eigentlich hasste er sie schon fast, aber er spürte diese merkwürdige Verantwortung dem Federball gegenüber. Wie als Antwort flatterte der gelbe Kanarienvogel noch einmal in seinem Käfig auf und ab und tschilpte anklagend. „Was willst du denn?!“ Genervt betrachtete er das Drahtgestell und entdeckte, dass kein Futter mehr vorhanden war. „Verflucht.“ Er konnte nicht genau sagen, wann er das letzte Mal etwas hinein gelegt hatte, aber aufgrund der Tatsache, dass die Portion sehr groß gewesen und sie jetzt verschwunden war, musste es wirklich lange her sein. Ein unangenehmes Schuldgefühl schlich sich in ihm hoch. Er mochte Vögel wirklich nicht. Eigentlich hatte er auch Mira niemals haben wollen, aber er war überredet worden. „Aber was sollen wir denn machen? Sollen wir den armen Vogel wieder hinaus in die Kälte setzen?“ Seine Antwort wäre „Ja“ gewesen, aber als er mit den großen blauen Augen angesehen worden war, war ihm dieses einzelne Wort nicht über die Lippen gekommen. Er hatte immer alles getan, damit die Augen und die dazu gehörige Person strahlten – er hatte immer alles für Elisa getan. Und jetzt hatte er diesen Vogel am Hals. Bloß weil er ihnen damals an einem frostigen Wintertag zugeflogen war und sie es nicht über das Herz bringen konnte, ihn wieder fliegen zu lassen. Er selbst hatte Zettel aufgehängt, dass er den kleinen gelben Kanarienvogel hatte, doch niemand hatte sich gemeldet. Es wunderte ihn nicht. Sicherlich hatte auch ihr früherer Besitzer Mira nicht haben wollen, aber Elisa hatte sich sofort verliebt. Und was tat man nicht alles aus Liebe. Er wusste es nur zu gut. Knurrig lief er in die Küche und holte etwas Vogelfutter aus dem Küchenschrank. Es war fast alle. Nicht auch das noch. Da musste er nachher tatsächlich noch los gehen und Neues holen. Noch grummeliger lief er wieder zurück und schmiss die Körner in den Käfig. Sollte Mira nun ruhig sein. Er ließ sich wieder in seinen Sessel fallen und dabei fiel sein Blick auf das Foto, das auf dem Schrank stand. Es zeigte eine junge Frau mit langen braunen Haaren und großen blauen Augen, die ihm fröhlich entgegen lächelte – Elisa. „Mira nervt.“ „Sie kann gar nicht nerven. Sie ist nur ein Vogel, der fröhlich durch seinen Käfig flattert.“ Das waren die Worte gewesen, die sie immer zu ihm gesagt hatte, die ihn immer dazu gebracht hatten, innerlich die Augen zu verdrehen. „Ich weiß, dass du Vögel nicht so gerne magst, aber sie ist doch so süß.“ Was auch immer sie an dem Flatterviech niedlich fand, hatte sich ihm nie erschlossen, er hatte es eher süß gefunden, wie sie immer entzückt vor dem Käfig gestanden und hinein gesehen hatte. Er blickte noch einmal herüber zu Mira, die auf das Futter zu tapste und plötzlich, als ob sie merkte, dass er zu ihr schaute, zu ihm sah. Er hatte das merkwürdige Gefühl, dass sie ihm mitteilen wollte, dass er nicht so negativ sein sollte. „Es tut mir schrecklich leid, dass ich so schlecht drauf bin, aber mein Leben war in den letzten Wochen nicht gerade schön.“ Sie tschilpte und seltsamerweise klang es fast aufmunternd für ihn. Langsam schlich sich eine Träne aus seinem Augenwinkel. Er sah wieder zu dem Bild hinüber. „Ich vermisse dich…“ „Bitte versprich mir, dass du gut auf Mira aufpassen wirst, wenn ich nicht mehr da bin.“ Er hatte es ihr versprochen, als er an ihrer Seite an dem Krankenhausbett gesessen hatte, in diesem Moment hätte er wahrscheinlich alles versprochen, um das Lächeln zu bewahren. Nun waren er und Mira alleine – und wenn er ehrlich war, wäre er Elisa vielleicht sogar gefolgt, würde es den kleinen Vogel nicht geben. „Keine Sorge, Mira, wir schaffen das schon.“ Er würde sich, so gut er konnte, um den kleinen Kanarienvogel kümmern. Für Elisa. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)