120 Days of horror von DoctorMcCoy ================================================================================ Kapitel 1: Wieder atmen ----------------------- Titel: Wieder atmen Charaktere: Dean Genre: Drama Spoiler: 4x10 Wieder atmen Es war ungewohnt, wieder zu atmen. Dean musste sich immer noch darauf konzentrieren, als ob es eine enorme Kraftanstrengung war. Dabei war es für Menschen doch nur eine Gewohnheit. Etwas, worauf man eigentlich kaum achtete. Doch Dean spürte jeden einzelnen Atemzug, nahm ihn wahr, kostete ihn voll aus. Unten hatte er irgendwann aufgehört zu atmen, zumindest hatte er es versucht. Er wollte diese Qualen, all diese Erlebnisse nicht mit ‚Leben’ in Verbindung bringen. Anwesend sein, reichte vollkommen aus. Das war schon genug gewesen. So hatte er sich irgendwann geweigert, zu atmen, da er ja sowieso tot gewesen war, nur noch seine Strafe bis in alle Ewigkeit abzusitzen hatte. Jetzt, wieder auf der Erde zu sein und wieder zu atmen, war merkwürdig. Dean fühlte sich noch längst nicht so, als ob er wieder leben würde. Die Erinnerungen waren noch immer viel zu real. Es wirkte fast so, als ob das Leben nur ein Traum war, eine Wunschvorstellung, die er sich dort unten in der Hölle zusammenreimte. Dass seine Gedanken ihn einen Streich zu spielen gedachten. Dean fiel es schwer zu glauben und das in jedweder Hinsicht. Denn er glaubte nicht an Engel, hatte es noch nie getan. Und wenn es keine Engel gab, musste er immer noch in der Hölle sitzen. Nur darauf wartend, dass Alistair ihm sein neues Opfer brachte. Dean würde dann der armen Seele in die Augen sehen, die Luft anhalten und mit seiner Arbeit beginnen. Es fühlte sich besser an, wenn er nicht geatmet hatte. Es fühlte sich dann manchmal sogar so an, als ob er gar nicht richtig dort gewesen wäre. Doch Dean wusste selber, dass dies nur ein Trugbild gewesen war. Er war dort gewesen, hatte all diese schlimmen Dinge getan und konnte es auch nicht mehr rückgängig machen. Deshalb fiel es ihm auch so schwer zu glauben, dass er jetzt wieder auf der Erde war, denn er hatte es nicht verdient, gerettet zu werden. Die Seelen, die er gequält hatte, dann schon vielmehr. Diese Menschen hätten es verdient. Aber nicht er. Wie sollte er sich so nun auf dieser Welt zurecht finden? Einer Welt, die gut und böse so vernachlässigte? Mit einem Gott, der einem Folterer die Erlösung brachte. Wenn es überhaupt eine Erlösung war. Hatte er sich unten schon schlecht gefühlt, so ging es ihm hier oben noch tausendmal schlimmer. Er sah in die Augen seinen Bruders, der froh war, dass Dean wieder hier war, nichts ahnend, was Dean dort unten getan hatte. Wenn er es wüsste, was würde er sagen? Er würde es vermutlich verstehen, Dean sagen, dass er keine andere Wahl gehabt hatte. Doch Dean wusste es besser. Er hatte eine Entscheidung getroffen gehabt, die man nicht rückgängig machen konnte. Eine Entscheidung, die er mit jedem weiteren Tag bereut hatte, die er aber nicht ändern wollte, denn foltern war nur halb so schlimm wie gefoltert zu werden. Und diese Erkenntnis war es, die Dean so erschütterte. Dass er lieber andere Menschen leiden sah, als selbst Schmerzen zu ertragen. Er mochte vielleicht jetzt wieder auf der Erde sein, doch die Schuld blieb und somit war die Hölle ständig um ihn herum. Es gab keine Erlösung, es gab keine Wiedergutmachung. Es war so, wie es war. Aber wenn er die Luft in seinen Lungen spürte, die klare, reine Luft, konnte er manchmal daran glauben, dass es anders sein könnte. Dass die Hölle nicht immer präsent sein musste, dass es Situationen gab, in denen er alles vergessen konnte. Dass er frei sein konnte, wenn er wollte. Dass er die Möglichkeit hatte, wieder unbeschwert atmen zu können. Wieder unbeschwert leben zu können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)