puzzle von Erdnuss91 (where hope grows, miracles blossom) ================================================================================ Kapitel 4: Freunde ------------------ Gelangweilt spiele ich mit Koron in Kais Wohnzimmer. Ich frage mich, ob Kai bald wieder kommt? So lange werden sie wohl doch nicht ohne Sänger proben oder? Vielleicht hätte ich ihn nicht darum beten sollen mich nach Hause zu fahren. Aber es ging auch nicht anders, mich hätte nichts und niemand mehr in den Proberaum bekommen. Warum musste auch Born und Screw zusammen den Proberaum stürmen? Aber wenigstens bin ich nicht panisch raus gerannt, auch wenn mir danach war. Seufzend lege ich Korons Spielzeug weg und lege mich auf die Couch. Ich fühle mich immer noch ziemlich ausgelaugt und das flaue Gefühl in meiner Magengegend will einfach nicht verschwinden. Kai meint, dass es die Aufregung ist. Aber warum habe ich plötzlich wieso viel Angst vor anderen Menschen? Warum habe ich Angst vor den Leuten, die mich mögen? Warum kann ich nicht einfach wieder wie vorher sein? Seit der letzten Tour habe ich immer mehr das Gefühl wieder depressiv zu werden oder es schon zu sein. Auch Ryouga meint, dass ich ganz schön komisch zur Zeit bin. Und noch schweigsamer als ohnehin schon. Gähnend reibe ich mir über die Augen und frage mich, ob ich noch dünner geworden bin. Manchmal frage ich mich, ob ich wirklich das Richtige tue. Möchte ich wirklich Sänger sein? Möchte ich wirklich mit dieser Band zusammen alt werden? Seufzend schließe ich die Augen, die ganze Grübelei bringt mich auch nicht vorwärts. Ich möchte so schnell wie möglich wieder gesund werden, damit ich Kai nicht noch länger auf der Geldtasche liege. Als ich wieder aufwache, liegt eine Bettdecke auf mir und auf dem Wohnzimmertisch steht dampfender Tee. Ist Kai etwa schon wieder da? Aber seit wann hat Kai solche braunen Haaren? Wenn mich nicht alles täuscht, dann ist das Ryouga und nicht Kai, aber was macht dieser hier? Er blättert ganz gelangweilt in der neuen Shoxx herum und schenkt mir keine Beachtung. „Ryou-chan?“, frage ich mit heiser klingender Stimme. Direkt dreht er sich um und lächelt mich an. Ich mag sein Lächeln und seine Art und wie er mich die ganze Zeit behandelt. Es fällt mir leicht auf ihn zuzugehen und mit ihm über alles zu sprechen und ich habe ihn auch sehr gerne um mich herum. „Guten Morgen! Endlich bist du wieder wach, ich wollte dich heute unbedingt wiedersehen, aber du warst ja plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Kai meinte, dass ich dich etwas ablenken soll und jetzt bin ich hier. Aber um ehrlich zu sein, weiß ich gar nicht was wir machen sollen. Sonst gehen wir ja auch immer nur in irgendein Restaurant und ich glaube kaum, dass du heute überhaupt noch irgendwo hingehen willst“, erzählt mir Ryouga. Kopfschüttelnd ziehe ich die Bettdecke bis zum Kinn und frage mich, warum ich Ryouga überhaupt so vertraue. Er ist der einzige Kouhai, der mir zur Zeit so unglaublich nahe steht und den ich gerne in meiner Nähe habe. Dabei ist er ganz anders als ich. Er ist viel zu offen und ihm fällt es unglaublich leicht mit anderen zu interagieren. Er ist viel perverser und fasst gerne Leute an, wie zum Beispiel Kifumi. Man könnte fast meinen Ryouga wäre schwul, so wie er immer Kifumi behandelt, dabei ist er auch höchst interessiert an Frauen. Ich werde aus ihm einfach nicht schlau, aber das muss ich ja auch nicht. Unerwartet steht er auf und setzt sich neben die Couch auf den Boden. Lächelnd streicht er mir über die Haare. Eigentlich mag ich es absolut gar nicht so behandelt zu werden, aber bei Ryouga habe ich da gar kein Problem mit. Er ist immer so unglaublich sanft. Seufzend schließe ich die Augen und ignoriere Ryougas besorgten Blick. „Möchtest du noch etwas schlafen? Oder sollen wir uns etwas zu Essen bestellen?“, bietet mit Ryouga an. Lächelnd öffne ich die Augen und rappele mich etwas auf, stütze mich auf meinen Unterarmen ab. „Essen klingt nicht schlecht. Such was gutes aus und bestelle es, ja? Ich bin gleich wieder da“, meine ich. Schnell stehe ich auf und gehe mich in Kais Schlafzimmer umziehen. Endlich in bequemeren und wärmeren Sachen gehe ich zurück ins Wohnzimmer, wo Ryouga mich erst einmal geschockt mustert. Ich habe die Kleidung richtig herum an, oder? Und ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich so schlimm darin aussehe. „Mist! Byou hatte doch Recht, es ist eine wandelnde Leiche“, meint Ryouga immer noch geschockt. „Wer oder was ist hier eine Leiche?“, hake ich stirnrunzelnd nach. „Du! Mir ist das eben gar nicht so aufgefallen, dass du immer noch leichenblass bist und immer noch ziemlich dunkle Augenringe hast. Da muss man sich ja Sorgen um dich machen“, erklärt mir Ryouga. „Warum zum Teufel redet ihr über mich? Habt ihr sonst keine Themen mehr?“, erwidere ich sauer. Warum müssen die ausgerechnet über mich reden? „Byou hatte mir von der Party bei Kai erzählt und da wollte Rui wissen, was mit dir los ist. Ich habe ihnen nur gesagt, dass du wahrscheinlich nur überarbeitet bist und eigentlich gar nicht so krank aussiehst. Was hätte ich sonst sagen sollen? Es ist ja nicht gerade so, als würdest du mit irgendwem über deine verdammten Probleme reden! Und glaub mir, Rui und Byou machen sich ernsthaft Sorgen um dich“, staucht mich Ryouga zusammen. Seit wann kann er so beängstigend sein? Ich fühle mich jetzt noch viel kleiner, als ohnehin schon. War das seine Absicht? Kopfschüttelnd umarme ich ihn und drücke ihn fest an mich. Ich weiß selbst, dass sie nur besorgt sind. Aber die Erinnerungen kann mir niemand nehmen. Deshalb rede ich nicht. Es würde einfach nichts verändern. Zu oft habe ich dieses schon versucht. Zu oft wurde ich dazu gezwungen diesen Vorfall genau zu beschreiben. Ich musste es allen sagen, dem Arzt, den Lehrern, meinen Eltern, der Polizei und dem Richter. Und noch heute verfolgen mich die Bilder. Ich kann immer noch ihre Finger an mir spüren. Ryouga legt ganz sanft seine Arme um mich, streicht ganz zaghaft über meinen Rücken. „Wenn du reden willst, dann kannst du gerne zu einem von uns kommen. Wir mögen dich nicht wegen deinem Geld, sondern wegen deinem Charakter. Ich weiß nicht warum du momentan so bist, aber ich würde dir wirklich sehr gerne helfen. Byou bestimmt auch und auch wenn du Rui die ganze Zeit so schlecht behandelt hast, er hilft dir bestimmt auch sehr gerne. Du musst nur endlich hinter deiner Mauer hervor kommen. Lange macht dein Körper diese Talfahrt gewiss nicht mehr mit“, redet Rouga mit ruhiger und gefasster Stimme auf mich ein. Hat er Recht? Können mir die anderen wirklich helfen? Kann man Körper wirklich nicht mehr? Bin ich wirklich schon am Ende des Weges angekommen? Es stimmt schon, dass ich immer erschöpfter werde und viel zu viel schlafe, aber fühlt sich so sterben an? Plötzlich hebt mich Ryouga hoch und vor Schreck klammere ich mich an ihn. Was hat er vor? Ganz vorsichtig setzt er mich auf dem Sofa ab und tätschelt mir den Kopf. „Trink etwas, ja? Du musst nicht da drüber reden, aber versuch einfach weiter zu leben, ja?“, meint er lächelnd. Nickend lasse ich ihn los und trinke etwas von dem Tee. Ich möchte mich nicht vor der Vergangenheit verstecken. Aber was soll ich sonst tun? Was passiert, wenn die Presse von den Gerichtsverhandlungen von damals erfährt? Werden mich dann immer noch alle lieben? Ich bin deshalb eine riesige Gefahr für die Band. Aber wie soll ich sie vor dem Sturm beschützen? Sie ist doch alles, was ich habe. Werden meine sogenannten Freunde noch bei mir bleiben, wenn die Band nicht mehr ist? Wie viele von ihnen sind bei mir, nur wegen dem Geld? Den Chancen, die sie durch mich bekommen? Wie viele von ihnen sind echt und wie viele sind falsch? Seufzend stelle ich die Tasse zurück auf den Tisch und lege den Kopf in den Nacken. Warum lasse ich nicht einfach alles auf mich zukommen? Ich kann die Vergangenheit nicht ungeschehen machen. Das Management wird uns schon vor der Presse beschützen, immerhin sind wir mittlerweile ganz schön erfolgreich. Ich darf noch nicht aufgeben, noch ist es zu früh dafür. Nachdenklich mustere ich Ryouga und frage: „Was würdest du tun, wenn ich die Band verlasse?“ Geschockt starrt er mich an, ringt um Fassung, ehe er mir mit zittriger Stimme antwortet: „Du willst mich alleine lassen? Aber, wer lädt mich dann immer zum Essen ein? Und Ruki! Du kannst mich doch nicht bei diesen ganzen Spinnern alleine lassen. Nachher erschlägt mich Shou noch mit einem Gummihammer oder Keiyuu quält mich zu Tode! Und nachher probiert Byou noch seine ganzen versauten Fantasien an mir aus!“ Bei letzterem muss ich anfangen zu lachen. Ich verzweifle, dass Ryouga sich überhaupt dagegen wehren würde. Die beiden sind absolut pervers und mit Rui zusammen... Ich frage mich immer, warum die drei überhaupt so pervers sind. Die kann man zusammen nicht an die Öffentlichkeit lassen! Mit Tränen in den Augen guckt mich Ryouga fassungslos an. „Du willst nicht ernsthaft aussteigen, oder? Ich brauch doch meinen geliebten Ru-chan, der mich bemuttert und der mir immer zuhört, auch wenn ich stundenlang Monologe führe. Der Rest der Spinner ist mir egal!“, bettelt Ryouga weiter. Er würde ernsthaft Kifumi für mich aufgeben? Bin ich ihm wirklich so viel wert? „Also Keiyuu würde dich gerne haben, aber wahrscheinlich redet er dich dann in Grund und Boden und wahrscheinlich musst du dann sein Chaos aufräumen. Es ist ein Wunder, dass er in dem Durcheinander überhaupt noch irgendetwas findet“, stelle ich lachend fest. Plötzlich schließt mich Ryouga in seine Arme und drückt mich ganz fest an sich. Wenn mich nicht alles täuscht, dann weint er gerade, oder? Seine Atmung ist total unregelmäßig, ich höre zwar kein Schluchzen, aber das ist auch alles. „Verlass mich bitte nicht“, haucht er in mein Ohr und fängt heftig an zu zittern. Ich habe ihn gerade ganz schön verletzt oder? Und nur mit einer simplen Frage. Ich bedeute ihm scheinbar wirklich sehr, sehr viel. Er meint ja selbst, dass ich wie ein großer Bruder für ihn und eine Art Vorbild. Er ist gerne mit mir zusammen. Seufzend schmiege ich mich etwas an ihn und streiche ihn über den Rücken. Er hört ganz langsam auf zu zittern und auch seine Atmung beruhigt sich wieder. Ob ich mich entschuldigen soll? Immerhin wollte ich das ganze ja nicht. Er löst sich vorsichtig von mir wischt sich mit dem Pulloverärmel über sein Gesicht. Er sieht ganz schön verheult aus. Aber immer noch sehr schön. „Verletzt du dich eigentlich selbst, Ruki? Irgendwie versuchst du doch deine seelischen Schmerzen loszuwerden, oder? Aber wie?“, fragt Ryouga. Ich schüttle den Kopf. Auf was will er hinaus? Warum sollte ich mir selbst weh tun, davon wird die Situation doch auch nicht besser, oder? Außerdem macht es das ganze doch nur noch schlimmer, da man am Ende ja feststellt, dass nichts in der Lage ist einem die seelische Schmerzen zu nehmen. Ich habe mir damals nachdem Zwischenfall versucht die Arterie am Bein zu durchtrennen. Ohne Erfolg. Die Ärzte haben gemeint, dass ich nur knapp alles verfehlt habe. Ich musste sehr lange Tabletten nehmen deshalb. Aber ich war wie ausgewechselt. Ich konnte mich nicht vor mir selbst beschützen. Es ging nicht. Aber ich verletzte mich nicht. Ich lebte weiter. Wie ein Roboter, die Zahnräder der Zeit hörten sich nicht auf zudrehen. Ich zerbrach innerlich, ich gab einfach auf. Ich gab mich den Dämonen hin, die mir das alles angetan haben. Aber ich richtete die Wut nicht auf mich selbst. Ich habe mir ein neues Leben aufgebaut, habe die Wut an meinem Schlagzeug ausgelassen. Und es half. Ich habe mich selbst wiedergefunden und ich habe gelernt weiter zu leben. Ryouga mustert mich ganz nachdenklich und kaut auf seiner Unterlippe herum. Er glaubt mir nicht, was auch sein gutes Recht ist. Manchmal weiß ich selbst nicht mehr, was wahr ist und was nicht. Aber wäre die Wahrheit nicht schmerzhafter wie eine Lüge? Ich kann ihnen schlecht sagen, dass mir mein Leben vollkommen egal ist. Dann könnt ich nämlich genauso gut vom nächsten Hochhaus springen, wenn mir das Leben so vollkommen egal ist. Behutsam nimmt er meinen Arm und schiebt den Ärmel bis zum Ellenbogen hoch. Als er das ganze auch am anderen Arm macht, fange ich zu zittern an. Ohne es zu wollen muss ich an damals denken. An den beißenden Gestank in der Schultoilette. An ihr Grinsen. Ich muss würgen, als ich an das denke, was sie als Knebel benutzt haben. Panisch hört Ryouga auf und hilft mir aufzustehen. Warum holt mich die Vergangenheit immer wieder ein? Mit rasselndem Atem gehe ich ein paar Mal im Zimmer auf und ab, immer wieder an Ryouga vorbei und versuche so den Anflug einer Panikattacke abzuwimmeln. Erst nach einer Zeit registriere ich, dass er gar nicht mehr im selben Raum ist. Hab ich ihn vergrault? Habe ich ihn doch zu sehr verletzt? Als sich mein Herzschlag einigermaßen normalisiert hat, setze ich mich auf die Couch und trinke den Rest vom Tee. Seufzend stehe ich auf und mache mich auf die Suche nach meinem Schützling. Wenn es mir wieder besser geht, dann sollte ich mich bei ihm bedanken. Ryouga sitzt in der Küche am Tisch und starrt das Essen an. Er ist ziemlich blass und man sieht ihm an, dass ich ihm einen ordentlichen Schrecken eingejagt habe. Was aber auch nicht verwunderlich ist. Er bemerkt mich gar nicht. Jetzt habe ich erst recht Gewissensbisse. Warum musste ich ihn da mit reinziehen? Bestimmt bereut er es überhaupt hergekommen zu sein. Seufzend stelle ich mich hinter ihn und umarme ihn, lege meinen Kopf auf seinem ab. Er versteift sich kurz, aber dann legt er seine Hände auf meine. „Wir sollten essen, bevor es kalt wird“, meint Ryouga. Ich lasse von ihm ab und setze mich ihm gegenüber. Mir geht es wieder ein ganzes Stück besser, auch wenn ich wegen eben wieder ziemlich müde bin. Aber ich bin bereit für eine neue Runde. Ich bin bereit morgen wieder zur Arbeit zu gehen und mein Bestes zu geben. Schweigend beginnen wir mit dem Essen und ich merke, dass es Ryouga ganz schön Nahe geht. Wie kann ich ihm diese Angst bloß wieder nehmen? Lächelnd frage ich ihn: „Magst du vielleicht die Nacht hierbleiben? Ich würde gerne ein paar lustige Geschichten von dir hören, das muntert mich bestimmt wieder auf. Außerdem erlebt ihr immer so lustige Sachen und Byou will mir nicht erzählen, warum ihr zwei letztens Ärger bekommen habt.“ Er erwidert mein Lächeln und unterdrückt ein Lachen. Ich bin froh ihn zu haben. Ich bin dankbar dafür, dass Kai ausgerechnet ihn vorbei geschickt hat. Kai ist bestimmt gerade selbst bei irgendwem und lässt es sich gut gehen. Ich kann es ihm nicht verübeln, immerhin bin ich zur Zeit nicht gerade einfach, oder? Außerdem meint er es ja nur gut. Ansonsten hätte er nicht Ryouga vorbei geschickt. Ich sollte mich nicht der Vergangenheit unterwerfen. Hier in der Gegenwart werde ich geliebt und gebraucht. Ich darf einfach nicht aufgeben. Noch nicht. ---------------- Hoffentlich habe ich bald wieder einen eigenen Internetanschluss =_= Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)