Stay (Faraway, So Close!) von Jessa_ ([Itachi/Sasuke- Centric]) ================================================================================ Kapitel 28: Save the Children ----------------------------- Kapitel 28: Save the Children Who's willing to try, who's willing to try To save a world, to save a world That's destined to die, that is destined to die Am Freitag begann der Tag für Sasuke und Itachi erst spät. Sehr spät – es war schon nach ein Uhr am Mittag, als sie sich beide, fast gleichzeitig aus ihren Schlafstädten kämpfen. Itachis Kaffee dampfte noch, als er mit der Tasse ins Wohnzimmer ging und sah, wie Sasuke die Decke ordentlich zusammenlegte. „Guten Morgen, Itachi“, sagte dieser höflich, fummelte immer noch an der Decke herum, bevor er sie ordentlich über die Seitenlehne der Couch legte und nach dem Kissen griff, auf dem er schlief, um es aufzuschütteln. „Na, ich würde eher Mittag sagen, Dornröschen.“ Itachi konnte beobachten, wie sich die Augenbrauen Sasukes nachdenkend zusammenzogen. Höchstwahrscheinlich ohne dass der Junge das realisierte, denn sonst würde er es bestimmt unterdrücken. „Dorn- Dornröschen?“, wiederholte er fragend, schien sich dann zu erinnern, worum es in dem Märchen ging und wer dieses besagte Dornröschen war. „Oh… entschuldige. Ich… ich hab zu lange geschlafen?“ „Nein, keine Sorge. Bin selbst grad erst aufgestanden“, tat Itachi das sofort ab. Solche Witze, solche Äußerungen waren also doch noch unangebracht, denn Sasuke konnte sie noch nicht als das wahrnehmen, was sie waren – Unbedeutsames Gequatsche. Er konnte nicht sehen, dass Itachi ihn Dornröschen genannt hatte, um witzig zu sein; er sah nur die Kritik dahinter. Dornröschen schlief hundert Jahre lang, Synonym für Langschläfer, und dann dachte Sasuke eben er habe zu lange geschlafen. Eine natürliche Reaktion für einen Jungen, der so unsicher und von der Vergangenheit gebeutelt war wie Sasuke. Als auch das Kissen ordentlich an seinem Platz lag, blickte Sasuke auf und schaute auf die Tasse in Itachis Hand. „Ich hätte dir… Kaffee machen können“, merkte der Jugendliche leise an und senkte seine Augen wieder nieder. Itachi nahm einen Schluck, lehnte sich mit dem Ellbogen gegen den Schrank, neben dem er stand und schaute aus dem Fenster, bevor er sich grinsend an Sasuke wandte. „Ich trink so viel Kaffee am Tag, dass du mir heute bestimmt noch mal einen machen kannst und außerdem haben wir beide gleich genug Schnippelarbeit für das Essen heute Abend.“ „Okay“, meinte Sasuke dann und wollte fragen, was Itachi denn vorhatte zu kochen, aber er wollte auch nicht unhöflich sein und den Älteren schon gleich nach dem Aufstehen so voll texten. Nur weil Itachi sich in den letzten Tagen anständig und interessiert mit ihm unterhalten hatte, hieß das nicht, dass er es immer tun würde und dass es ihm in Wirklichkeit nicht auf die Nerven ging. „Och Gott, wir haben gestern Nacht vergessen den DVD-Player auszumachen. Hat dich das Blinken nicht gestört?“, fragte der Ältere nach, stellte die Tasse auf dem halbhohe Schränkchen ab und ging zu dem Gerät um es auszuschalten. „Nein, ich hab es gar nicht bemerkt. Entschuldige“, hänge Sasuke sofort an, aus Sorge Itachi gab ihm die Schuld, dass sie beide nicht daran gedacht hatten. Das wäre schade, schließlich hatte Sasuke den gestrigen Abend als ein sehr gutes Ereignis in Erinnerung und glaubte auch noch in ein paar Wochen, wenn er wieder auf der Straße war, könne er daran zurückdenken. Das Wissen, das Itachi einst da gewesen war um mit ihm Zeit zu verbringen, würde ihm Kraft geben. Vielleicht nicht so viel, wie die Erinnerungen an seinen Vater, aber die verblassten mit der Zeit immer mehr, sodass Sasuke fürchtete er könne sich bald gar nicht mehr an ihn erinnern – er hatte ja noch nicht einmal ein Foto von ihm; die waren alle noch in dem Haus, wo seine Mutter wohnte, wo einst sein Zuhause und das seines Vaters gewesen war. Gerade deswegen – weil die Erinnerungen ohne Fotoalben und Erzählungen anderer Menschen die seinen Vater gekannt hatten, verblassten – glaubte Sasuke, ein paar neue, schöne Erinnerungen könnten ihm gut tun. So wollte er nicht, dass er nun in Itachis Augen schuldig war und so eine Erinnerung im Nachhinein weniger schön war. Früher, bei seiner Mutter – nachdem sein Vater gestorben war – da war Sasuke immer an allem Schuld gewesen. Selbst für die Dinge, für die er nichts gekonnt hatte. „Und die DVD liegt auch noch drin, klasse. Wo war ich mit meinen Gedanken?“, drang Itachis fragende Stimme wieder an seine Ohren. Augenscheinlich wurde ihm keine Schuld gegeben. Itachi fragte sich, wo er selbst wohl mit seinen Gedanken gewesen war. Er sah es als seine Schuld an, seinen Fehler nicht als Sasukes; das ließ den Jungen entspannter sein. Er beobachtete den Älteren dabei, wie dieser die DVD aus dem Player holte und in die Hülle steckte, die er in den Schrank räumte, während er sich an den Abend zurückerinnerte. Sie hatten es sich auf dem Sofa bequem gemacht, nachdem Itachi ihm von dem Besuch der Freunde, dem geplanten Weihnachtseinkauf und dem Adventsessen bei Itachis Eltern erzählt hatte. Im Fernsehen lief zuerst eine Sendung, die er schauen wollte. Dort wurden mehrer Größen der modernen Musikgeschichte beschrieben und interviewt. Sasuke kannte die Sendung nicht und einige der Leute, um die es ging, kannte er auch nicht. Andere natürlich schon – es hatte sogar welche gegeben, die er mochte. Auch wenn er nie die Möglichkeit hatte, wie andere Jugendliche mit einem Mp3-Player Musik zu hören, hatte er Bands, die er mochte. Er lebte a nicht auf dem Mond, sondern war nur obdachlos – er war nicht völlig unwissend, was solche Dinge wie Musik und Politik und das Geschehen im eigenen Land betraf. Weil Itachi nach der einen Sendung, die irgendwann um zehn Uhr abends oder so geendet hatte, noch nicht müde war, entschied Itachi einen Film mit seinem Lieblingsschauspieler zu sehen, obwohl sie schon vor der Sendung einen Film geschaut hatten, den Kakashi Itachi vor kurzem empfohlen hatte und der wirklich lustig gewesen war.. The Wicker Man. Gut, der Film war vielleicht teilweise ein wenig heftig und Sasuke waren schon einige Dinge zugestoßen, aber er würde den Film ohne weiteres vertragen. Sie, Iruka, Kakashi und er, hatten ihn mit Irukas damals dreizehnjähriger Nichte im Kino angesehen. Und Sasuke hatte den Film vertragen, sogar das fragwürdige Ende, dass Itachi nie gemocht hatte. Wer mag schon, wenn der vom Lieblingsschauspieler gespielte Charakter im Film stirbt? Doch leider war es im Film, den sie danach angesehen hatten, und dessen DVD Itachi vorhin aus der Hülle geholt hatte, genauso gewesen, das der von Cage dargestellte Charakter am Ende verstarb, dennoch mochte Itachi dieses Ende lieber. Dort siegten wenigstens irgendwie die Guten. Sasuke sah, wie Itachi wieder seinen Kaffee nahm in die Küche ging, nachdem er ihm bedeutet hatte, mitzukommen. Dort stellte Itachi die Tasse wieder auf dem Tisch ab und machte sich daran, ein paar Brötchen in den Ofen zu schieben und Aufschnitt, sowie Besteck und Brettchen auf den Tisch zu tun. „Trinken?“, bot er Sasuke fragend an und dieser nickte leicht. Sasuke war froh, dass Itachi ihn fragte; das war immer noch besser, als selber darum bitten. Auch wenn er wirklich wusste, dass er nicht mal mehr drum bitten musste, sondern es sich eigentlich nehmen durfte, ohne überhaupt zu fragen. Dennoch hätte er, wenn Itachi nicht wach gewesen wäre, gewartet, bis der Durst wirklich schlimm geworden wäre. Sich einfach etwas nehmen – Nein, das mochte er nicht. Er tat ja nichts dafür. Und außerdem wollte er wirklich nicht, dass all das was in dieser Wohnung vorhanden war – leckere Getränke, gutes Essen, ein warmes Bett, eine Dusche, der Fernseher, DVDs… – für ihn zur Normalität wurden, denn das waren sie nicht. Schon in wenigen Tagen würde er wieder auf der Straße leben und nichts mehr von alle dem zu Verfügung haben. Sasuke setzte sich an den Tisch, merkte erst als der Ältere die Brötchen aus dem Ofen nahm und auf einen Teller legte, dass er Itachi hätte seine Hilfe anbieten müssen. „Möchtest du Tomaten? Ich habe vorgestern extra welche vom Einkaufen mitgebracht. Du mochtest die doch so gern. Erinnerst du dich? Bei ersten Frühstück hier.“ „Ja“, murmelte Sasuke, meinte eher das Erinnern und dass er Tomatem mochte, als das er welche haben wollte. Natürlich, er wollte schon welche haben, denn er mochte Tomaten wirklich gerne, aber er hätte nie so einfach ja gesagt. Er wusste natürlich, das frische Tomaten, vor allem die kleinen, guten Cocktailtomaten, die Itachi gekauft hatte, teurer waren als eine Scheibe Käse aus dem Paket. Itachi gab Sasuke ein Glas von dem roten Saft und setzte sich, die Tomaten in einer kleinen Schüssel auf dem Tisch abstellend, auch hin. Er nahm sich ein Brötchen, schnitt es und belegte es, bevor er hinein biss und sah, dass Sasuke, wie so oft, noch nicht angefangen hatte, während er schon zum zweiten Mal abbiss. „Hey“, versuchte Itachi Sasukes Aufmerksamkeit zu bekommen. „Iss ruhig.“ „Ja…“, murmelte der Junge, griff nach einem Brötchen, legte es auf seinem Teller ab, schnitt es durch und belegte es, ohne es zu buttern, mit einer Scheibe Käse. „Keine original Kerrygoldbutter…?“, scherzte Itachi mit einem Grinsen. „Das Gold der grünen Insel.“ „Ich… ich mochte Butter nie gerne…“, traute sich der Jugendliche zu sagen und trank einen Schluck Saft. „Sagst du das jetzt nur?“, hakte Itachi nach und schallte sich selber als dumm. Sasuke würde jetzt sicher glauben, er würde ihm unterstellen er log, dabei wollte der Ältere nur sicher stellen, dass Sasuke nicht die Dinge nicht annahm, weil er glaubte, dabei zu viel zu verwenden, schließlich war Itachi schon aufgefallen, dass Sasuke immer versuchte, die Dinge zu nehmen, die er am Billigsten glaubte. „Nein“, murmelte Sasuke und schaute auf den Tisch. „Ist wirklich so.“ „Dann ist okay… und Hey, Sasuke“, meinte Itachi. „Du musst nicht immer den Blick senken, okay?“ Sasuke nickte, obwohl er genau wusste, dass er sich das nicht abtrainieren konnte, genauso wenig wie das Stottern und Stocken, das manchmal in seiner Stimme war, oder wie das Nägel knabbern. Es passierte einfach, weil er sich schämte, weil er nervös war, weil so oft da ein Gefühl in ihm war, dass ihn sich nicht gut fühlen lies. Sie aßen schweigend und Itachis goss Sasuke noch einmal von dem Saft nach, bevor dieser sich überwand etwas zu sagen. „Itachi… ich… ich weiß, dass ich nicht fragen sollte, aber… werden… werden deine Freunde nichts dagegen haben, das ich hier bin?“ „Du kennst Kakashi, Iruka und Shizune doch. Warum sollten sie was dagegen haben?“, stellte Itachi die Gegenfrage. „Ich… ich meine Pein und Konan.“ „Gott, Sasuke“, hörte der Junge schon Itachis Stimme und wollte sich augenblicklich entschuldigen so zu nerven, als der Ältere schon weiter sprach und ihn somit nicht mal zu Wort kommen lies: „Es wird sie nicht stören, davon bin ich überzeugt. Und wenn doch… dann müssen sie gehen.“ Sasuke Augen weiteten sich. Itachi würde… Itachi würde für ihn seine Freunde fortschicken? Für ihn? Was war er denn schon? Im Gegensatz zu Itachis Freunden war er ein Nichts. Itachi konnte doch nicht ehrlich der Meinung sein, eher seine Freunde wegzuschicken – ja dann praktisch schon rauszuschmeißen – als ihn, den unnützen Straßenjungen, den er aufgelesen hatte. Deswegen schüttelte Sasuke unbewusst den Kopf und sagte leise: „Das… ich meine ich… kann dann gehen, wenn ich störe… ich …“ „Hör auf, Sasuke“, meinte Itachi jedoch nur und trank einen Schluck Kaffee. Sasuke wollte nicht aufhören. Er wollte klar stellen, dass es nicht nötig war, dass Itachi seine Freund statt seiner fort schicken würde. Das es nicht richtig war, weil die viel mehr wert waren und weil die Itachi viel mehr bedeuten mussten. Sasuke wollte nicht der Grund für einen möglichen Streit sein, nur weil Itachi Mitleid mit ihm hatte. Aber Sasuke hörte auf. Er würde sich nie trauen, gegen Itachi zu sprechen. Stattdessen schwieg er und schaute bedrückt auf seinen Teller, der nach dem ersten Brötchen leer geblieben war. Seufzend schaute Itachi zu Sasuke und fragte sie wahrscheinlich zum hundertsten Mal, was in dem Kopf Sasukes vorging. Was, wollte er fragen, was geht in deinem kleinen Köpflein vor? Was denkst du? Worüber zerbrichst du dir den Schädel? Aber er fragte es nicht. Er sagte sanft: „Hör mal, Sasuke“, weil er wusste, dass er sanft sein musste, denn wenn er zu herrisch klang oder die falschen Worte wählte, würde Sasuke sich wieder sonst was denken. Und das konnte Sasuke gut. Denken. Nachdenken. Nachgrübeln. „Sie sind meine Freunde“, erklärte der Student weiterhin mit so sanfter Stimme, wie nur möglich: „Und das schon seit Jahren. Sie wissen, dass ich stur bin und mich nicht von meinen Entscheidungen abringen lasse. Kakashi, Iruka und Shizune wussten dass und sie alle haben meine Entscheidung dich hier her zu holen, akzeptiert. Sie haben kein böses Wort über dich gesagt. Keins, auch nicht, als du nicht dabei warst. Glaub mir das.“ Itachi machte eine kleine Pause und sah, wie sich die Augen des Jungen wieder weiteten. Hatte er erwartet, Itachis Freunde würden hinter seinem Rücken über ihn lästern? Ja, wahrscheinlich hatte der arme Junge das wirklich gedacht. „Konan ist ein sehr gutherziger Mensch und sie bemuttert die Leute gerne ein bisschen. Trotzdem: Du wirst sie bestimmt mögen und sie dich auch, also keine Angst, okay? Es wird nicht dazu kommen, das jemand gehen muss. Vertrau mir.“ Itachi wusste, das Vertrauen für Sasuke unheimlich viel verlangt war, aber er hoffte, hoffte sososehr, dass Sasuke in der kurzen, aber dennoch für ihn so lange wirkenden Zeit, doch ein wenig Vertrauen zu ihm aufgebaut hatte. Ein wenig Glauben gewonnen hatte, in Itachi und vielleicht in sich selber, sodass er irgendwann auch wirklich wieder Vertrauen konnte. In andere Menschen, die ihm gutes wollten und auch in sich selber. Dass er irgendwann herausfand – denn er war clever, er hatte die Intelligenz dazu – wie klug und wertvoll er wirklich war. Das er nicht wertlos war; kein dummer Straßenbengel. Dass er gewollt war und dass es sogar Menschen gab, die ihm helfen wollten, auch wenn sie noch keinen Plan hatten, wie. Der gute Wille war da. Das war er bei Itachi unweigerlich. ~~ Sasuke vermischte noch den letzten selbst gemachten Dip, als es zum zweiten Mal an der Tür klingelte. Itachi war gerade damit fertig geworden, die Käsehäppchen auf einer Platte anzurichten und ging deswegen zur Tür um zu öffnen. Konan grinste ihn mit lilarotlich geschminken Lippen an, umarmte ihn zur Begrüßung, während Pein ihm die freie Hand zum schütteln reichte. In der anderen hielt er den Maxi-Cosi, samt grinsendem Baby. Obwohl Itachi die kleine Familie erst vor ein paar Tagen gesehen hat, schien der kleine Kerl seine Grimasse perfektioniert zu haben, sodass der Student nun mit Leichtigkeit ein richtiges Grinsen erkennen konnte. Er hockte sich kurz hinunter, grinste auf und hielt dem Baby seine Hand hin, von der sofort ein Finger gegriffen wurde. Der kleine Yahiko zog einmal drang, schien es aber schon wieder uninteressant zu finden und entließ Itachis Finger in die Freiheit, woraufhin sich dieser erhob und samt den Eltern in die Küche ging, wo Sasuke noch an der Theke stand und den Dip zu dem ganzen anderen Kleinigkeiten, die sie vorbereitet hatten, auf die Ablage stellte. „Itachi?“, machte Konan fragend, als ihr Blick auf den Jungen fiel. Sie küsste Shizune, die schon vor ein paar Minuten gekommen war, zur Begrüßung auf die Wange, während sie auf eine Antwort des Älteren wartete. „Das ist Sasuke“, sagte der jedoch nur schlicht, ganz locker, ganz so, als würde er nicht einen Fremden vorstellen, sondern seinen kleinen Bruder. „Oh, okay. Hallo, Sasuke, ich bin Konan“, fing sich die junge Mutter dann aber schon, erkannte die Kleidung, die Itachi im Geschäft gekauft hatte, am Leib des Jungen. Sie hielt dem Jugendlichen die Hand hin und stellte fest, dass der Händedruck des Jungen nicht besonders kräftig, aber durchaus höflich war, genauso wie sein leiser Gruß. Sie machte Platz, damit auch Pein, Sasuke begrüßen konnte, nachdem dieser Shizune kurz die Hand geschüttelt hatte. Nun hielt er sie auch dem Jugendlichen hin. Sasuke zögerte. Nicht lange, aber ein bisschen tat er es schon. Fremden Männern die Hand zu schütteln, stellte er fest, kostete ihm einiges an Überwindung. Aber er tat es, nur kurz, mit einem leisen: „Guten Abend“, bevor sich die Hände wieder lösten. Konan setzte sich neben Shizune auf einen der vier Küchenstühle, Pein nahm den gegenüber und stellte den Maxi-Cosi neben sich auf den Boden. Sasukes Blick viel auf den kleinen Jungen darin, der immer noch grinste und nun die Arme nach vorne streckte und immer wieder leicht gurgelnde Geräusche von sich gab, die Shizune vor Verzückung fast quietschen ließen. Sasuke sah, wie sie aufstand und sich zu dem Baby hinunter hockte. „Er ist so putzig!“, sagte sie aus, grinste zuerst zu Konan hoch und dann zu Itachi, bevor sie leicht den Bauch des Babys kitzelte. „Nun schmeichle ihm nicht zu sehr“, feixte Konan. „Sonst hab ich nachher zwei so eingebildete Stümper zu Hause.“ Sie grinste zu ihrem Ehemann, der nur mit der Zunge schnalzte und Itachi einen Blick zu warf, der genau sagte, dass seine geliebte Frau mal wieder großen Müll quatschte. Itachi beobachtete die vier Freunde. Wie sie miteinander umgingen, schon jetzt spaßten und irgendwie kam er sich somit auch schon jetzt fehl am Platz vor. Unsicher schaute er zu Itachi, merkte, dass dessen Blick nicht auf seinen Freunden oder dem Baby lag, sondern auf ihm. Deswegen versuchte Sasuke sofort seinen unsicheren Blick zu überspielen, merkte dass es ihm nicht gelang und schaute zu Boden, als die Türglocke wieder ertönte. „Bin sofort wieder da“, hörte er noch Itachis Stimme, bevor dieser in den Flur ging und dann, nach wenigen Minuten, mit Kakashi und Iruka, zurück in die Küche kam, die nun schon etwas überfüllt wirkte, weswegen Itachi, nachdem Kakashi und Iruka alle begrüßt hatte, vorschlug, ins Wohnzimmer zu gehen. Er nahm Gläser aus dem Schrank, bat Sasuke und Shizune ein paar Getränke mitzubringen, bevor sie sich zusammen auf den Weg in den anderen Raum machten. Kakashi nahm sofort das Sofa in Beschlag, zog seinen Lebensgefährten neben sich und legte einen Arm um ihn, während Shizune sich neben Iruka setzte und Pein mit einem der beiden Sessel vorlieb nahm. Die Decke und das Kissen, das Itachi Sasuke zum Schlafen gegeben hatte, lagen für den Abend in Itachis Schlafzimmer, während eine große Wolldecke neben dem Sofa auf dem Boden ausgebreitet war, wo Konan sich mit ihrem Baby, das sie zwischenzeitlich aus dem Maxi-Cosi geholt hatte, niederließ; war froh, dass Itachi daran gedacht hatte, denn ihr Kind die ganze Zeit in dem Tragekorb zu lassen, fand sie nicht gut. Itachi stellte die Gläser vor seine Gäste auf den Tisch und setzte sich dann in den zweiten Sessel. Auf dem Sofa war, neben Kakashi, noch etwas Platz, doch Sasuke blieb erstmal stehen, konnte sich – so gern er auch wollte, um Itachi nicht in Peinlichkeiten zu bringen – nicht neben ein Paar setzten, dass sich gerade so innig miteinander benahm. Die streichelnde Hand Irukas auf Kakashis Bein und der Arm des Älteren um die Schulter des Braunhaarigen irritierte Sasuke, obwohl es eigentlich etwas völlig Normales war. Sasuke biss sich auf die Unterlippe, wusste dass er nicht so lange dort rum stehen konnte, wenn er keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte, als er die Stimme Konans hörte. „Hey, magst du dich nicht mit auf die Decke setzten? Ich glaube mein Kleiner findet dich interessant.“ Sie lacht leise und harmonisch, während sie auf ihren Sohn zeigte, der Sasuke interessiert beobachtete. Der Teenager nicht nur zögerlich, schritt dann auf die Decke zu und setzte sich, so weit weg wie möglich von Konan nieder. Er wollte ihr nicht auf die Pelle rühren oder ihrem Kind zu nahe kommen. Auch wenn sie ihm selbst angeboten hatte sich auf die Decke zu setzten, weil ihr Kind ihn beobachtete, hieß das noch nicht, dass sie es guthieß, wenn er mit dem Jungen sprach oder ihn berührte. Es gab solche und solche Eltern. Seiner Mutter war generell alles egal gewesen, aber um besorgt zu wirken, hatte sie nie gewollt, das er mit Fremden sprach, als sein Vater noch lebte, während dieser eher lockerer war, aber eh immer besser auf ihn aufgepasst hatte und sich diese Lockerheit so auch hatte erlauben können. „Nun, Shizune. Erzähl uns von deinem Abenteuer“, verlangte Kakashi feixend. Sie boxte ihm gegen den Oberarm, erzählte dann aber doch mit Begeisterung: „Es war großartig. Schon allein das Land. Es ist überwältigend. Du steigst aus diesem Helikopter, mit dem sie dich von der großen Stadt in den Busch bringen und du sieht eine völlig neue Welt.“ Sasuke blickte auf seinen Schoss. Sein Vater hatte auch immer von neuen Welten gesprochen, wenn er von den Ländern erzählt hatte, in die er gereist war. Als er dann nach Irland gekommen war, in ein ihm damals noch fremdes Land mit einer zwar nicht mehr ganz so häufig gesprochenen Sprache, die ihm fremd war, fühlte er sich dennoch sofort zuhause. Es war nicht, weil er die Iren eben doch verstand, weil sie hauptsächlich Englisch, seine Muttersprache, sprachen, sondern überhaupt. Weil er sich in das Land verliebt hatte, auf den ersten Blick, noch bevor er Sasukes Mutter kennen gelernt hatte, in die er sich danach verliebt hatte. Die Liebe zu diesem Land verstand Sasuke. Es war ein großartiges Land. Er mochte es sehr, wahrscheinlich vor allem weil sein Vater zu Lebzeiten immer davon geschwärmt hatte. Auch davon, wie stolz er sei, dass sein Sohn als Ire aufwuchs, auch wenn er ihm die Sprache nicht beibringen konnte. Er hatte geglaubt, sein Sohn würde die Sprache eh später in der Schule lernen, doch bevor es dazu kommen konnte, das Irisch überhaupt angeboten wurde – meistens ab dem Schulwechsel zur weiterführenden Schule – starb sein Vater und seine Mutter schickte ihn auf eine viel billigere, weiterführende Schule, an der noch nicht mal Irisch angeboten wurde. Ganz in seinen Gedanken versunken, verfolgte Sasuke nicht das weitere Gespräch der Erwachsenen und schreckte erst auf, als er eine kleine Hand an seinem Finger spürte, die sich daran fest krallte. Er schaute zu Seite und stellte fest, dass der kleine Junge zu ihm hingekrabbelt war, nun bäuchlings auf der Decke lag und gespannt auf den Finger in seinem Klammergriff starrte. Sasuke hörte erneut Konans Lachen und blickte auf. „Entschuldigung“, murmelte dieser und versuchte halbherzig seinen Finger zu lösen, was ihm nicht gelang, da er dem Kind nicht wehtun wollte. Konan schüttelte verwundert den Kopf und fragte wohlwollend nach: „Warum entschuldigst du dich denn?“ Sasuke schluckte und blickte zu Itachi, der mit überschlagenen Beinen im Sessel saß und mit Pein und Iruka über Rugby, einen Sport in dem die irische Nationalmannschaft recht talentiert war, sprach. Itachi schaute zu Sasuke, der sich auf der Decke niedergelassen hatte und nun, da der kleine Yahiko seinen Finger gefasst hatte und Konan bei der Entschuldigung nachhakte, so unsicher wirkte. Obwohl Itachi sich seinerseits unterhalten hatte, achtete er auch auf Sasuke. Er hatte ihn den Abend mit seinen Freunden ausgesetzt, also musste er auch aufpassen, dass es Sasuke nicht überforderte und nun war solch ein Moment gekommen, in denen er sich zuvor geschworen hatte, einzugreifen. Also blickte er Iruka und Pein entschuldigend an, dass er das Gespräch so abrupt beendete und ging hinter Sasuke in die Hocke. Er legte dem Jungen eine Hand auf die Schulter, lächelte Konan zu und sagte, ohne Kritik an Sasuke zu üben: „Das weiß er wahrscheinlich selber nicht.“ Sasuke jedoch wurde rot, schämte sich augenblicklich, obwohl er wusste, das Itachi die Situation nur hatte entschärfen wollen. Er kam sich plötzlich so dumm vor, als würde Itachi denken, er würde solche Sprüche, wie Entschuldigung, es tut mir Leid oder es ist meine Schuld, die man so oft von ihm hörte, einfach so in den Raum schmeißen, weil es ihm Spaß machte. Aber genauso wie sein ewiges Nägelknabbern und das Ausweichen der Blicke wenn es brenzlig wurde, war etwas Wahres hinter seinen Worten. Er sagte sie nicht einfach nur so. Er meinte sie; meinte sie vollkommen ernst, auch wenn er nachher nicht erklären konnte, wofür sie galten. Ganz in seinen Gedanken versunken, war es wieder Konans Sohn, der seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Er klammerte nicht mehr an dem Finger sondern krabbelte umständlich auf Sasukes Schoss, sodass er nun bäuchlings halb auf den Beinen des Teenagers lag. Sasuke glaubte die Position musste total ungemütlich sein und für ein Baby nicht besonders gut, weswegen Sasuke zuerst zu Konan blickte und hoffte sie würde ihr Kind von seinem Schoß nehmen. Er war doch ein Fremder, wieso schien sie das so locker zu nehmen, wie ihr kleiner Sohn sich annäherte. Als Sasuke merkte das die junge Mutter nichts tat, sondern nur auf ihr Kind blickte und dann mal wieder in den Raum, fasste Sasuke den Entschluss, selber zu handeln und griff unsicher unter die Achseln des Kindes, bevor er es, gestärkt von dem Druck Itachis Hand auf seiner Schulter, auf seinen Schoß setzte, wo es wohl hingewollt hatte. Anschließend, den Jungen vorsichtig festhaltend, blickte er sofort zu Konan, doch ihr Lächeln signalisierte ihm, dass alles in bester Ordnung war, sodass er das Kind erstmal nicht von seinem Schoß setzte. Itachi unterdessen stand auf und setzte sich wieder in den Sessel, um sein Gespräch mit Pein und Iruka wieder aufzunehmen, die jetzt schon beim Fußball waren und bei der vergangenen WM, für die Irland sich nicht einmal qualifiziert hatte. Gut, in dem Sport waren sie dann wohl nicht so talentiert. „Er heißt übrigens Yahiko“, sagte Konan nebenbei, griff in ihre Handtasche und holte ein Packung Butterkekse heraus, die sie Sasuke entgegen hielt. „Die liebt er, vor allem seit er seine ersten Zähnchen hat.“ Sasuke nickte, als Zeichen dass er zuhörte und nahm einen Keks aus der Packung, die er dem Jungen entgegen hielt. Doch statt danach zu greifen, machte er nur den Mund auf und wartete scheinbar, dass der Keks, von Sasukes Hand gesteuert, angeflogen kam. Während der kleine Kerl dann eben so an dem Butterkeks knabberte, beobachtete Sasuke den Jungen. Er war wirklich unheimlich niedlich. Kleinkinder und Babys hatte Sasuke schon immer gemocht, aber so richtig eins auf dem Arm oder auf dem Schoß gehabt, hatte er noch nie. Irgendwie, fand er, traf einen dann eine heftige Welle Unschuld. Denn nichts, wirklich nichts, strahlten so kleine Menschen mehr aus, als das. Sie wussten noch nicht mal, in was für eine Welt sie eigentlich hinein geboren waren. „Wie alt ist er?“, fragte Sasuke so leise, dass nur Konan ihn hören konnte. Das fragte er sich schon, seit der Kleine auf ihn zugekrabbelt war. Schließlich schien er schon sehr aktiv und konnte auch schon relativ aufrecht sitzen. Er hatte Zähne, grinste und gab Laute von sich, aber Sasuke wusste gar nicht, ab welchem Alter Kinder so etwas überhaupt konnten. Noch vor dem ersten Lebensjahr? Bestimmt. Logisch, der Kleine war doch auch noch kein Jahr alt, bestimmt nicht. „In paar Tagen zehn Monate“, antwortete Konan und strich ihrem Kind über die dunklen Haare. „Schon fast erwachsen, huh?“ ~~ Der Abend mit Itachis Freunden, der zunächst für Sasuke alles anders als entspannt gewirkt hatte, wurde doch noch schön, obwohl der Teenager sich sehr zurück hielt. Mit Konan hatte er ein wenig geredet, unverfängliches, meistens etwas über ihren Sohn, der nachher fast durchs ganze Wohnzimmer gekrabbelt war, nur um hinterm Sofa einzuschlafen, sodass Konan ihn hatte aufsammeln und auf die Decke legen musste, wo er dann weiter vor sich hinschlummerte. Shizune hatte Sasuke auch einmal angesprochen, ihn gefragt, wie es ihm denn ginge, aber weil er merkte, dass sie eher gehemmt war mit ihm zu sprechen – wahrscheinlich nach den Dingen die vorgefallen waren – antwortete er nur kurz. Es ginge ihm besser, hatte er gesagt und gewusst, dass sie sich nicht vor ihm ekelte, sondern nur nicht wusste, wie sie nun mit ihm umgehen sollte. Kakashi war weniger gehemmt mit ihm zu sprechen. Nachdem er gemerkt hatte, das Sasuke ihm die Sache mit dem Konfrontieren und mit dem Anschreien nicht übel nahm, hatte er ihn in ein kleines Gespräch verwickelt, auch etwas ganz unverfängliches; wahrscheinlich wollte er vor den Freunden nichts über Sasukes Vergangenheit und den einen Abend sagen. Über Sport hatten sie gesprochen, ein wenig über Politik und über die Schule, in der er als Sport-, Politik- und Mathelehrer unterrichtete. Meistens hatte Kakashi geredet, aber hin und wieder gab Sasuke kurze, schüchterne und leise Antworten, die den Älteren aber wohl durchaus zu genügen schienen. Auch Iruka und sogar Pein, der zunächst aufgrund seiner Größe, den viele Piercings und den härteren Gesichtszügen leicht bedrohlich auf ihn gewirkt hatte, hatten ein paar Worte mit ihm gewechselt. Nicht so etwas banales, wie übers Wetter, aber auch nichts Weltbewegendes. Irgendwas daher Gesagtes, Alltägliches. Itachi hatte am häufigsten mit ihm gesprochen, hatte ihn gefragt, ob alles in Ordnung sei, ob er sich wohl fühlte; hatte sich einfach vergewissert, dass es ihm gut ging. Er hatte auch versucht ihn in Gespräche einzubeziehen, aber meistens hatte Sasuke mehr zugehört, als selbst etwas beizutragen. Er war es eben nicht gewohnt in einer Runde mit Erwachsenen zu sitzen, mit Leuten, die nicht seine Freunde waren und dabei nicht verletzt zu werden. Solche Abende hatte es bei ihm daheim nicht gegeben. Sobald Freunde zu Besuch waren und ganz speziell dieser eine Freund, Kabuto, der beste Freund, dann wurde es für Sasuke schier unerträglich. Schreckliche Abende hatte er mit den Freunden seiner Mutter verlebt. Und da wurde er ganz bestimmt nicht in den Smalltalk mit einbezogen. Doch nun war der Abend vorbei. Kakashi und Iruka verabschiedeten sich als Letzte. Schon eine Stunde zuvor, knapp nach elf, waren Pein und Konan, wegen ihrem Baby gefahren, dass unbedingt ins Bettchen musste. Shizune war fast gleich nach ihnen gefahren, morgen hatte wohl eine entfernte Tante oder so was Geburtstag, die sie unbedingt sehen wollte, nach dem Jahr in Afrika. „Wir sehen uns dann am zweiten Weihnachtstag. Bringst du Sasuke mit?“, wollte Kakashi an der Tür wissen. Sasuke war noch im Wohnzimmer, räumte das letzte Besteck zusammen, um es später in die Küche zu bringen. „Ja, ich denke schon.“ „Gut. Bis dann und…“, setzte Kakashi an, nahm Irukas Hand, sprach aber nicht weiter. „Und was?“ „Pass auf ihn auf.“ Itachi konnte Kakashis Blick nicht deuten. Irgendwas Sorgenvolles lag in ihm, aber mit Vertrauen in ihn, in Itachi. Ein Blick der sagte, dass Kakashi den Jungen gut leiden konnte. „Ich glaube er ist ziemlich intelligent“, sprach der Silbergrauhaarige dann leise weiter, hörte sich ein bisschen an, wie der Lehrer der er war, aber auch wie jemand, der sich wirklich kümmerte. „Wahrscheinlich wurde er nur nie gefördert. Ich schätze… unter anderen Umständen, könnte aus ihm wirklich was werden und es ist schade, dass niemand ihm die Chance gibt.“ „Ich versuch, was ich kann“, sagte Itachi leise, merkte selbst nicht, dass sein Gesichtsausdruck dem von Kakashi ähnelte. Bedauern, sorge und das Wissen, dass dieser junge Kerl in seinem Wohnzimmer, nicht dumm war. Mit Sicherheit nicht. „Ich weiß“, antwortete Kakashi, grinste wohlwollend, zog seinen Schal ein wenig hoch und wandte sich, immer noch Irukas Hand haltend ab. „Das rechne ich dir hoch an, Itachi.“ Der Student schloss die Tür hinter seinen Freunden und blieb kurz im Flur stehen, als Sasuke auch schon die Wohnzimmertür öffnete und beladen mit dem letzten Geschirr in die Küche ging, wo er es neben der Spüle zum Rest stellte. Itachi seufzte. War doch ganz schön was zusammen gekommen, aber das war ihm klar gewesen, als er entschieden hatte, lieber etwas Büffetähnliches zu machen, anstatt etwas Warmes. War im Endeffekt auch gut gewesen, seine Freunde waren begeistert. Waren sie aber immer wenn er kochte, dass konnte er, sagten sie. Das konnte er wirklich und deswegen sollte er sich kein ganzes Leben lang Zeit lassen, seinen Traum vom Restaurant auf dem Wasser, seinem Bootsrestaurant, wahr zu machen. Itachi sah, wie Sasuke gähnte, dann aber schon nach dem Wasserhahn griff, um mit dem Abwasch anzufangen. Sie mussten es schließlich mit Hand machen, die Spülmaschine war noch voll von den Dingen, die sie zur Zubereitung gebraucht hatten. „Lass schon, Sasuke“, sagte Itachi ruhig und lehnte sich gegen den Esstisch. „Du bist müde, geh schlafen.“ „Ich… ich kann dir noch helfen“, murmelte der Jugendliche, doch Itachi schüttelte gutmütig den Kopf. „Na komm“, sagte er und lächelte leicht. „Geh dich umziehen und dann schon mal ins Wohnzimmer. Ich trink noch `nen Kaffee und hol dir die Decke.“ „Oh… okay“, murmelte der Junge, ging zur seinem Rucksack im Flur, nahm eine von seinen alten Boxershorts und ein altes, aber ebenso frisch gewaschenes, T-Shirt raus, ging damit ins Bad um sich umzuziehen und um die Zähne eilig zu putzen. Die zusammengelegten Klamotten, die Itachi gekauft hatte, legte er nicht in seinen Rucksack, sondern in die Tüte daneben; das erschien ihm richtiger. Nachdem er das getan hatte, ging er ins Wohnzimmer und setzte sich dort aufs Sofa. Er wartete, bis Itachi nach wenigen Minuten, mit der Decke auf dem Arm, rein kam und die aufs Sofa ablegte. „Ist das wirklich in Ordnung… ich kann dir…“, fing Sasuke an, stoppte jedoch, auf Grund Itachis stummer Verneinung. „Mach dir keinen Kopf. Das bisschen Abwasch schaff ich schon.“ Auf ein bekräftigendes Nicken seitens Itachi, legte Sasuke sich, den Kopf auf dem Kissen gebettet, aufs Sofa und zog die Decke über sich. Der Student wollte sich schon abwenden, war schon fast bei der Tür, als er Sasukes zögerliche Stimme hörte. „Itachi…“, sagte er nur, doch der Ältere wusste genau, dass da mehr kommen würde, weswegen er zurück ging und sich auf die Lehne des Sessels setzte. „Was ist los, Sasuke?“, fragte er nach, als nach wenigen Sekunden nichts kam. „Ich… Ich…“, stotterte der Jungen und meinte dann leise, den Kopf weiter ins Kissen vergrabend, sodass fast nur noch ein Auge und die halbe Lippe zu sehen war: „Ist schon gut… entschuldige.“ „Du wolltest doch was sagen.“ Itachi wusste nicht, ob es richtig war, nicht nachzugeben, die Worte hören zu wollen, aber vielleicht war es richtig. Vielleicht tat er das richtige. Ein Versuch… war es wert, glaubte er. „Es ist nur so…“, murmelte Sasuke dann leise: „Ich hab ein schlechtes Gewissen… weil ich dir nicht helfe.“ „Das ist quatsch, ehrlich. Das musst du nicht haben.“ Itachi sah, wie Sasuke die Augen schloss und dann durchs Kissen gedämpft sagte: „Meine Mutter… – sie hat mir oft… ein schlechtes Gewissen gemacht.“ Er stoppte kurz und sprach dann weiter: „Wenn ich zu müde war, um ihre Flaschen wegzuräumen oder wenn ich… wenn ich mit der Schule beschäftigt war und deswegen nicht… deswegen nicht für sie und ihre Freunde kochen konnte… oder so was.“ „Du hast also den ganzen Haushalt geschmissen?“, wollte Itachi wissen. „Ja… ja, irgendwie schon und deswegen… deswegen erscheint es mir… mir so falsch, dich alles machen zu lassen, wo ich… wo ich doch helfen könnte.“ „Danke, aber… es meine Wohnung, mein Geschirr und du bist nicht mein Diener, sondern mein Gast.“ „Ich bin… ein dreckiger Straßenbengel, den du aufgenommen hast“, antwortete Sasuke in dem Ton, indem er einst, am Küchentisch, das erste und einzige Mal ‚Scheiße’ in seiner Wohnung gesagt hatte, was Itachi als ein Anfang gesehen hatte. Der Anfang davon, dass Sasuke vertrauen zu ihm aufbaute, denn da hatte er ihm gestanden, dass seine Mutter in Wirklichkeit noch am Leben war. Dennoch seufzte Itachi leise und sagte mit Nachdruck: „Mach dich nicht selber runter.“ Sie schwiegen einige Zeit, doch Itachi konnte nicht einfach gehen. Er wusste, dass Sasuke nicht alles gesagt hatte, was er hatte sagen wollen. Das da noch was war, was ihn Überwindung kostete. Vielleicht wollte er erzählen, brauchte jemanden der zuhörte, wusste nur noch nicht, ob Itachi wirklich der richtige dafür war, obwohl er als einziger seit langer Zeit so schien. „Weißt du…“, ertönte dann doch Sasukes immer noch gedämpfte Stimme: „Ich hab einmal Nein gesagt, hab gesagt… dass ich den Abwasch nicht mache, dass die den doch selbst machen sollen und dann… hat der Kerl mein Bett kaputt gehauen und meine… meine Matratze. Und mich… hat er solange ge-geprügelt, bis ich doch den Abwasch gemacht hab’.“ Sasuke erinnerte sich noch genau an diesen Tag und an die Wochen danach. Er hatte auf dem Boden schlafen müssen, was ihn nicht vor nächtlichen Übergriffen Kabutos bewahrt hatte. Nur einmal hatte er auf dem Sofa schlafen dürfen. Das war an einem Tag, wo es ihm wirklich richtig dreckig ging, obwohl Kabuto schon seit drei Tagen nicht da gewesen war. Trotzdem war er müde von der Arbeit in der Wohnung, ausgelaugt von der Schule und den vielen Arbeiten zu der Zeit und den Job, den seine Mutter für ihn besorgt hatte, damit er auch mal was Geld beisteuerte, wenn er schon noch unnütz zur Schule ging. Und erkältet war er gewesen, hatte hohes Fieber und vielleicht, so glaubte er, hatte seine Mutter sogar ein ganz klein wenig Sorge um ihn, nur ein bisschen, minimal, aber auf jeden Fall lies sie ihn auf dem Sofa schlafen. Nur die Nachbarin, die Sturm geklingelt hatte, hatte ihn gestört, als diese hinein polterte und motzte, dass der Putzdienst des Hausflurs nicht gemacht wurden sei. Seine Mutter entschuldigte das natürlich damit, dass es Sasukes Aufgabe gewesen sei, der das wohl wissend ignoriert hatte, dabei hatte er wirklich keine Zeit gehabt und keine Kraft dazu. Zuerst motzte die Nachbarin weiter; sie hatte ihre Mutter noch nie leiden können, aber dann sah sie Sasuke auf dem Sofa ins Gesicht und hörte, wie seine Mutter sagte, er würde das gleich noch machen. An die Worte der Nachbarin konnte er sich noch genau erinnern – sie hatte selber Kinder, das wusste er; vielleicht schienen sie ihm deswegen so bedeutend. „Ihr Sohn ist krank, es ist spät und morgen ist Schule. Ich versteh sie nicht, Frau Nakano. Mein Mann wird es machen, aber nicht für sie, sondern für ihr Kind.“ Und ein paar Tage später meldete sich das Jugendamt telefonisch und vereinbarte einen Termin mit seiner Mutter, um mal mit ihr und ihrem Sohn zu reden. Unter Androhung von heftigen Prügeln und mit ein paar Schlägen hatte Kabuto, der dann doch wieder gekommen war, ihm klar gemacht, er solle bloß nichts Falsches sagen. Hatte er nicht und so hatte sich auch nichts geändert, obwohl die Mitarbeiterin des Jugendamts ein paar weitere Tage später vorbei kommen wollte, um sich die Wohnung anzusehen. Nur deswegen hatte Sasuke dann, von dem Erbe seines Vaters, dass seine Mutter verwaltete – drauf machte – ein neues Bett und ein paar frische Klamotten bekommen. An dem Tag, als die Mitarbeiterin kam, hatte sie sogar für ihn gekocht, um so gut wie möglich rüber zu kommen. Sie hatte gelacht und Kabuto war nicht da gewesen, einen ganzen Tag lang nicht und seine Mutter ihn an die Frau erinnert, die sich einst um ihr Kind gekümmert hatte, weil sie einen Mann, seinen Vater, sehr liebte. An diesem Tag hatte er gehofft, es würde sich etwas ändern. An diesem Tag, hatte er sogar dran geglaubt, aber am Nächsten war alles wieder genauso, wie es immer gewesen war und seine Mutter, musste er feststellen, war eigentlich an dem Tag gestorben, an dem das Auto seines Vaters, samt ihm selber, auf dem Heimweg über die Autobahn, von zwei Lastern zerquetscht wurde. „Ich hab Mama… trotzdem noch lieb“, murmelte Sasuke dann undeutlich ins Kissen und spürte, dass eine Träne auf dieses tropfte. Er spürte Itachis Hand auf seinem Rücken und die Wärme, die damit kam. Instinktiv wusste Itachi, dass Sasuke fertig war. Das er mehr nicht erzählen konnte, nicht heute, aber dass, was er erzählt hatte, zeigte, dass er Vertrauen entwickelte und das bedeutete Itachi etwas. Aber er wusste, dass er nicht darauf erwidern konnte. Mitleidsbekundungen brachten diesem Jugendlichen nichts, seine tröstende Hand dagegen vielleicht schon ein bisschen was. „Schlaf gut, Junge“, sagte er deswegen, zog die Decke grade und strich kurz über dessen Schopf. Er wollte derjenige sein, der Sasuke die Chance gab, die er verdiente zu bekommen. Die Chance, von der Kakashi gesprochen hatte. Denn in diesem Moment Sasukes Verletztheit, sah er auch, wie stark und stolz Sasuke eigentlich war. Als Itachi dann das Licht im Wohnzimmer ausmachte und nur der fast unmerkbare Lichtstrahl durch eine Ritze der Jalousie hinein schien, wusste Itachi, dass er Sasuke nicht mit seinen Sorgen allein lies, dass er sich nicht aus der Situation geflüchtet hatte, obwohl er vielleicht auf Außenstehende so wirken mochte. Er hatte getan, was in seiner Macht gestanden hatte und mehr… mehr verlangte Sasuke gar nicht. to be continued by Jessa_ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)