Erlösung von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 4: Hölle ---------------- „Stricke des Todes hatten mich umfangen, und Ängste der Hölle hatten mich getroffen; ich kam in Jammer und Not“. Psalm 116, Lutherbibel 1912. Jacks Vater war ein gläubiger Christ der immer darauf Bedacht war, seinen Sohn Gottes Worte mit eiserner Disziplin beizubringen. „Vermeide Untaten und schlechtes Benehmen, dann wirst du nie in die Tiefen der Hölle geworfen“, pflegte er stets zu sagen. Jack musste fast schmunzeln... Wie falsch er doch damit lag. Inmitten dieses Krankenhauses war die Unterwelt aus den Tiefen gebrochen und zeigte ihr hässliches, furchterregendes Gesicht. Jack klammerte sich am Türrahmen des Cafes´ fest, Schwindel und Übelkeit kündigten nahe Ohnmacht an. Die Luft war mit purem Benzingeruch verseucht, als ob ein Tanklaster ausgelaufen wäre. Die einst Eierschalen Weißen Wände des Brookhavens waren durch rostige, gitterartige Strukturen ersetzt worden, an denen eine nur allzu bekannte, rote Flüssigkeit klebte. Dahinter schlängelten sich ein Gewirr aus kaputten Eisenrohren und dampfenden Ventilen hoch bis zur Decke. Die Temperatur stieg schlagartig auf eine schwellende Hitze an, Schweißperlen formten winzige, transparente Kugeln auf Jacks Stirn. Er löste den Griff von der Holzverkleidung, die nun nicht mehr aus Holz bestand, sondern aus alten, mit Öl und teilweise Blut verschmierten Metallplatten. Tagträumerei? Halluzinationen? Er wollte nur schnell wieder aufwachen. „D.... ddy?“. Die weit entfernte Stimme trieb Jack ein paar Schritte weiter auf den düsteren Flur, der auf unheimliche Art und Weise an eine ausrangierte Fabrikhalle erinnerte. Hier und da hingen schwach leuchtende Glühbirnen an einem gräulichen Kabel von oben herab. „Da.. y!“ Das ohrenbetäubende knattern von Maschinen, die wie reparaturbedürftige Traktor Motoren klangen, stürzte alles in ein akustisches Chaos. Jack versuchte, nach der Stimme zu lauschen, etwas in der Dunkelheit zu erkennen. Tatsächlich glaubte er einen kleinen Schatten vorbei huschen zu sehen. „Halt, warte!“ Sein Ruf wurde vom Lärm verschluckt. Trotzdem kam eine deutliche Antwort zurück. „Daddy, schnell!“ Braune Zöpfe, blaues Kleid, der Schatten nahm eine Form an... Amanda. Jack jagte dem Mädchen hinterher. Obgleich dies nur eine weitere Wahnvorstellung war, von der er Dr. Albert berichten konnte, er wollte sie wieder sehen. Nur ein einziges Mal. Väterliche Instinkte siegten über Logik und Vernunft. Amanda bog zur linken Seite ab und verschwand hinter einer halb geöffneten Fahrstuhltür. Jack presste sich durch den schmalen Spalt. Von hier aus konnte sie nicht mehr weglaufen oder? Doch der Schatten seiner geliebten Tochter hatte sich wie in Rauch aufgelöst. Das passierte immer... in seinen Träumen. Er tat wirklich alles Menschenmögliche um wieder mit ihr vereint zu werden... doch letztendlich blieb er allein zurück und Amanda wurde getötet, entführt, oder wie in diesem Fall vom Erdboden verschluckt. Mit einem Knall verschloss sich die Automatiktür. Jack fiel auf, das der quadratische Aufzug auf der unteren Seite mit groben Metallmaschen versehen war, durch die er das schier endlose Loch unter seinen Füßen erkennen konnte. Ein kräftiger Ruck brachte die Kabine in Bewegung. Mit rasender Geschwindigkeit ging es nach unten - in tiefstes Schwarz. Jack knallte durch die Wucht auf den Rücken. Das kurzfristige, flaue Gefühl, dass man bei Aufzugfahrten üblicherweise erfuhr, wurde zu unerträglichen Qual. Eingeweide drückten sich zusammen, das Gehirn schleuderte ungehindert im Schädel, machte den Kopf seltsam leicht. Scharfer Wind säuselte an Jacks Ohren vorbei, er konnte nur erahnen, wann der Fahrstuhl am Boden zerschellen würde. Doch Kontakt zum steinharten Grund blieb aus. Eiskalte Nässe durchdrang die Kleidung, gelangte zur Haut. Ein gewaltiger Stoß tauchte seinen gesamten Körper unter Wasser. Reflexartig holte Jack tief nach Luft, als der unerträgliche Druck nachließ und er musste zugleich aufstoßen, als nur Wasser seinen Hals herunterlief. Der nicht gebrochene Arm schoss nach oben, versuchte irgend einen Halt zu finden. Die Aufzugwände waren das einzige, dass er blind ertastete. Wie ein Käfig, ein Sarg, aus dem es kein Entkommen gab. Die Lunge schrie nach Sauerstoff, signalisierte einen zunehmend kritischen Zustand. Jack stieß sich mit den Beinen von den Metallmaschen ab und dockte an die Aufzugdecke an. Akribisch schlug die linke Hand gegen die glatte Fläche, um eine Lücke, einen Ausweg zu finden. Tatsächlich stand Jack unverschämtes Glück zur Seite, als er gegen eine kleine Luke trommelte, die nach oben hinweg aufklappte. Mit dem Kopf zuerst verließ er das elende Gefängnis und tauchte an der Wasseroberfläche auf. Schwer keuchend rang er nach der Benzingefüllten Luft, die gerade dazu ausreichte, um einen drohenden Kollaps zu vermeiden. Dunkelheit verschleierte die Sicht. Nach dem Trial and Error Prinzip erwischte Jack einen niedrigen Vorsprung, an dem er sich hochhieven konnte. Vollkommen kraftlos brach der Mann auf den erneut festen Boden zusammen. Erbrochenes bahnte sich den Weg durch zusammengebissene Zähne. Zitternde Finger streiften das durchnässte Haar zurück. Ein Schrei hallte durch das schwarze Nichts, in dem er sich befand. Sein eigener Schrei. Frust, Angst, Verwirrung, Trauer, die Emotionen kochten über. Eine geballte Faust traf den Grund. „Wach auf, wach auf, wach auf!“ Jack wiederholte die zwei einfachen Wort wieder und wieder. Wie einen Zauberspruch, der beim aufwachen aus diesen höllischen Albtraum helfen würde. Die Situation war unbegreiflich, unwahrscheinlich, unmöglich. Kein halbwegs denkender Mensch würde diese Geschichte für real halten. Jack war verrückt geworden, ein Fall für die Zwangsjacke... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)