Time Changed Everything von Riafya (HP/LV) ================================================================================ Kapitel 39: Did You Ever Regret It? ----------------------------------- Hallo ihr Lieben! Heute gibt es wieder ein neues Kapitel von Time Changed Everything. Ich persönlich mag es ganz gerne, aber ich habe das Gefühl, dass ihr es eventuell anders sehen werdet. Wie auch immer, ich möchte mich an dieser Stelle ganz besonders bei meiner Beta bedanken, sowie allen Kommischreibern und Lesern. Über 400 Kommis... Ihr seid wundervoll. 3 ________________________________________ Did You Ever Regret It? Das erste Mal, dass Harry seinen Bruder wieder außerhalb des Krankenflügels zu Gesicht bekam, war in der nächsten Stunde Verteidigung gegen die dunklen Künste. Er saß bereits auf seinem üblichen Platz in der ersten Reihe, als er mit Neville hereinkam. Ein paar andere Slytherin hatten sich um ihn versammelt und plauderten mit ihm, während sie Ronald Weasley böse Blicke zuwarfen, der abwesend auf seinem eigenen Platz saß und auf einem Stück Pergament herum kritzelte. „Es fällt mir schwer, das zuzugeben“, murmelte Neville. „Aber es tut gut, ihn wiederzusehen. Nach diesem Duell ist er wirklich in meiner Achtung gestiegen.“ Das aus dem Mund des Auserwählten zu hören, hatte einen gewissen Stellenwert. Immerhin hatte er nie einen Hehl aus seiner Abneigung gegenüber den Blonden gemacht. Aber offenbar folgte auch er der Lebensweisheit „Die Feinde meiner Feinde sind meine Freunde“. //Wenn er doch nur die ganze Geschichte kennen würde...// Doch das tat er nicht und Harry würde sie ihm nicht erzählen. Er hatte kein Recht darauf, Dracos und Hermiones Geheimnisse auszuplaudern, auch wenn ihn das mit Weasley beunruhigte. Er konnte nur hoffen, dass es seine Freundin nicht eines Tages umbringen würde, dass sie sich jetzt dazu entschieden hatte, zu schweigen. Die Slytherins verabschiedeten sich von Draco, als sie Harry näherkommen sahen und gingen zu ihren eigenen Tischen zurück, während der Potter sich auf seinem Platz niederließ. Aus den Augenwinkeln konnte er sehen, wie sein Bruder ihn anstarrte, doch er tat so, als würde er es nicht wahrnehmen. Schließlich hielt er es nicht mehr aus und sagte: „Und?“ Harry drehte sich zu ihm um und hob eine Augenbraue. „Und was?“ „Kein Willkommensgruß?“, wurde der Slytherin also etwas präziser. „Keine Umarmung? Kein Ich freue mich, dass du wieder da bist, geliebter Bruder?“ „Warum sollte ich irgendetwas davon tun?“, entgegnete der Schwarzhaarige. „Ich hatte dir immerhin gesagt, dass ich dich heute wieder neben mir sitzen sehen möchte. Auch wenn es mich etwas überrascht, dass du meiner Bitte gefolgt bist.“ Da in diesem Moment Remus den Raum betrat, konnte er ihm nicht mehr antworten, aber allein ein Blick auf sein Gesicht genügte, um zu erkennen, dass ihn diese Worte verärgert hatten. Der Unterricht begann so, als hätte es die letzte Stunde nie gegeben und dafür war die Klasse dankbar. Sie hatten das Duell in den letzten Tagen so oft durchgekaut, dass es bald nicht mehr interessant war. „Wir fangen heute mit einem neuen Thema an“, erklärte der Werwolf und drehte sich zur Tafel um, um es anzuschreiben. Harry seufzte und begann, gelangweilt etwas auf sein Pergament zu kritzeln. Erst als das Geräusch von Kreide auf der Tafel verschwand, fiel ihm auf, dass er selbst ein „T“ geschrieben hatte. Mit gerunzelter Stirn starrte er es an und hätte dabei fast die nächsten Worte seines Lehrers verpasst. „Eigentlich ist das ein Thema, das man normalerweise niemals vor dem letzten Schuljahr anschneidet, doch der Schulleiter meinte, dass es wichtig wäre, ab sofort früher damit zu beginnen.“ Remus klang nicht sonderlich zufrieden damit und Harry musste ihm zustimmen. Wenn etwas an ihrem Schulsystem Sinn machte, dann der Lehrplan. Es gab keinen Grund, daran herumzubasteln. Eilig übermalte er das „T“ mit ein paar energischen Strichen. „Aus diesem Grund beschäftigen wir uns diese Stunde mit einem der wohl seltensten Phänomene in unserer Welt: dem Tempus Amicus.“ Beinahe hätte er seine Feder fallen lassen, konnte sich aber in letzter Minute noch beherrschen. Das sollte doch wohl ein Witz sein, oder? Langsam blickte er auf und sah, dass tatsächlich diese beiden Worte an der Tafel standen. Außerdem hatte sich eine beinahe unheimliche Stille über die Klasse gelegt, bei der alle Slytherins gespannt, alle Dumbledoreanhänger beunruhigt und alle Muggelgeborenen verwirrt wirkten. Kein Wunder. Dumbledore war sehr gut darin gewesen, sie schlecht zu machen. Ein weiterer Grund, warum er den Mann nicht verstand. Wenn er so wenig von ihnen hielt, warum wollte er unbedingt Harry auf seine Seite ziehen? //Vielleicht hat es nichts damit zu tun, dass er wenig von dir hält. Es ist nur seine Art, die anderen vor dir zu beschützen.// Beschützen. Natürlich. Weil er ein Monster war. Er spürte, wie ihm langsam übel wurde. Diese Stunde würde äußerst unangenehm werden. „Also“, sprach Remus tapfer weiter und ließ seinen Blick über die Klasse schweifen. „Kann uns irgendjemand erklären, was ein Tempus Amicus ist?“ Nein, konnten sie nicht. Selbst Draco hatte keine Ahnung, was genau sie waren. Nur, dass sie existierten und dass sie das beste wären, was dem dunklen Lord in diesem Krieg passieren konnte. Niemand redete über ihre Geheimnisse, da alles, was normale Menschen über sie wussten, nur Gerüchte waren. Harry wusste auch nur mehr, da sein Unterbewusstsein ihn seit jeher zu diesem Thema gezogen hatte. Ansonsten hätte auch er nicht den blassesten Schimmer, was es mit ihnen auf sich hatte. Wäre es zu auffällig, wenn er so tat, als wüsste er nichts? „Niemand?“, fragte der Werwolf nicht überrascht und wandte sich seinem Patenkind zu. „Harry?“ Er atmetet tief durch, ehe er mit seinem üblichen, gelangweilten Tonfall antwortete: „Tempus Amicus, auch Geliebte der Zeit genannt und allgemein mit TA abgekürzt, sind Menschen mit katalytischen Fähigkeiten. Das bedeutet, ihre bloße Anwesenheit ist in der Lage, die Magie aller in ihrer Umgebung sowohl positiv als auch negativ zu beeinflussen. Dadurch werden sie besonders in Kriegszeiten sehr gerne für militärische Zwecke missbraucht.“ So wie auch ihn alle für ihre Zwecke missbrauchen wollten. Er ließ seinen Blick wieder auf das durchgestrichene „T“ schweifen und konnte nur schwer ein Seufzen unterdrücken. Warum musste nur alles so kompliziert sein? Und warum hatte sich Tom immer noch nicht gemeldet? Er bemerkte, wie Draco ihn von der Seite her besorgt musterte. Offenbar war sein Verhalten doch zu auffällig. Hoffentlich würde er es auf Liebeskummer schieben und nicht... //Liebeskummer? Seit wann liebst du ihn denn?// Klappe! „Sehr gut!“, rief Remus begeistert. „Zehn Punkte für Ravenclaw! Ja, Neville?“ „Warum sind sie so gefürchtet, Sir? So wie Harry das erklärt hat, scheinen sie ja ziemlich gut zu sein.“ Unwillkürlich spürte er eine tiefe Zuneigung für seinen besten Freund in sich aufsteigen. Genau, sie waren nicht schlecht! Nur, weil das einmal irgendein Idiot beschlossen hatten, bedeutete es nicht... „Es stimmt, dass die meisten ihnen Unrecht tun. Sie sind Menschen, genauso wie wir alle und haben dieselben Gefühle, Bedürfnisse und Träume. Nichtsdestotrotz ändert das nichts daran, dass sie sehr gefährlich sein können. Ein Tempus Amicus ist, sobald er gelernt hat, seine Fähigkeiten zu beherrschen, ein brillanter Manipulator, sogar besser, als Legilimentiker oder Empathen. Diese können eure Gedanken lesen und sie sogar bis zu einem gewissen Punkt kontrollieren, doch nur durch geschickte Manipulation, die jeder mit etwas Verstand durchschauen kann. Ein Tempus Amicus dagegen kontrolliert Gefühle. Sie können einen dazu zwingen zu lieben und zu hassen. Sie können jeden zu ihren willenlosen Sklaven machen und derjenige würde es nicht einmal bemerken. Es ist sehr riskant, sich mit ihnen einzulassen, da man nie wissen kann, was sie mit einem anrichten können. Jedoch sollte man das nicht verallgemeinern. Es kommt immer auf den Charakter der einzelnen Person an, wie sie mit ihren Fähigkeiten umgehen. Allerdings war es in der Vergangenheit oft zu beobachten, dass sie dazu neigen, sich einem dunklen Lord anzuschließen, was ein weiterer Faktor für ihren schlechten Ruf sein könnte.“ Um Harry herum brach aufgeregtes Getuschel aus. Auch Draco beugte sich zu ihm hinüber und flüsterte: „Gut, dass wir keinen in der Schule haben. Der würde sich sicher noch mehr in den Mittelpunkt schieben, als Longbottom.“ Obwohl Harry wusste, dass es als Scherz gemeint war, verzog er keine Miene, sondern starrte weiterhin schweigend auf sein „T“, das ihm auf einmal seltsam tröstend vorkam. Tom hatte keine Angst davor, dass er ihn manipulierte. Er akzeptierte stumm die Verbindung, die zwischen ihnen war und versuchte, das beste daraus zu machen. Wenigstens einer. Ob Lucius und Lily ihn deshalb immer auf Abstand gehalten hatten? Da sie fürchtete, ihre Gefühle zu ihm wären nicht echt gewesen? //Musst du das wirklich noch fragen?// Natürlich nicht. Ansonsten hätte er nicht so eine Angst davor, dass Narcissa oder Draco davon erfuhren. Er wusste nicht, was er tun sollte, wenn auch sie ihn nur noch als Monster sahen. //Vielleicht werden sie das nicht tun. James, Tom und Severus haben es auch nicht getan.// Genauso wenig wie Felice, Luna und Regulus. Aber das war nicht weiter verwunderlich. Die drei steckten zu tief in der Sache mit drin, als dass sie ihn für irgendetwas verurteilen konnten, wofür er nicht verantwortlich war. Was er sich niemals gewünscht hatte. „Allerdings“, sagte Remus schließlich und brachte damit wieder Ruhe in die Klasse, „müsst ihr euch keine Sorgen machen. Es kommt äußerst selten vor, dass einer geboren wird und in der Regel halten sie sich nicht in der Öffentlichkeit auf. Normalerweise treffen sie bereits früh auf denjenigen, den sie später einmal unterstützen werden und dieser Person liegt viel daran, ihre Existenz so geheim wie möglich zu halten.“ „Warum?“, fragte Anthony Goldstein, der in jedem Unterricht für seine dummen Fragen bekannt war. Obwohl diese alles andere als dumm war. „Weil es die einfachste Methode ist, sie vor dem Feind zu schützen. Eines müsst ihr nämlich unbedingt immer im Hinterkopf haben, wenn ihr über sie redet: Egal, für welche Seite sie sich entscheiden mögen, diese wird immer siegen.“ Denn die Zeit war auf ihrer Seite und manchmal sogar das Schicksal. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Harry war froh, als die Stunde endlich zu Ende war und er sprang als einer der ersten auf, um den Raum zu verlassen. Jedoch nicht, ohne missmutig mitzubekommen, wie Remus Anthony versicherte, dass sie das nächste Mal noch einmal über dieses Thema reden würden. Entweder würde er sich an dem Tag krankmelden oder das erste Mal seit seinem vierten Schuljahr schwänzen. Damals hatte er es getan, um Neville bei seiner Vorbereitung auf die Dritte Aufgabe zu unterstützen. Darum waren die Lehrer sehr verständnisvoll gewesen und hatten ihn straflos davonkommen lassen. Wenn er es dieses Mal tat, würde er wahrscheinlich Remus enttäuschen und ihn dazu zwingen, ihm Nachsitzen auf zu brummen, doch das kümmerte ihn wenig. Noch eine Stunde in dieser Klasse mit dieser Thematik würde er nicht überleben! Es tat weh, geliebte Menschen so abfällig über das reden zu hören, was er war. Natürlich wussten weder Remus, noch Draco, noch Neville, dass sie ihn damit indirekt beleidigten, aber... Aber... Jemand griff nach seinem Arm und brachte ihn zum Stillstand. Er hatte sich bereits ein gutes Stück von dem Klassenzimmer entfernt und befand sich nun in einem Korridor, wo nur wenig Verkehr herrschte. Und jemand war ihm gefolgt. Langsam wandte er sich um und sah in das besorgte Gesicht seines Bruders. „Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte er leise und ließ seinen Arm wieder los. „Du warst schon in der Stunde so seltsam...“ „Mir geht es gut“, entgegnete er und wusste, dass ihm nicht geglaubt wurde. „Ich denke, ich brauche nur etwas frische Luft.“ Draco nickte langsam, während er zu überlegen schien, ob er weiter nachhaken sollte, oder nicht. Letztendlich entschied er sich dafür: „Ich habe gesehen, was du auf das Pergament gekritzelt hat. Du hast den Buchstaben ziemlich niedergeschlagen angesehen.“ Er sah sich kurz unsicher um, ehe er noch leiser fortfuhr: „Ich weiß, dass du nicht willst, dass wir uns in dein Leben einmischen, aber ist zwischen dir und ihm irgendetwas vorgefallen?“ Obwohl es unfair war, besonders wenn man an ihr letztes, längeres Gespräch dachte, ging er auf Abwehr: „Wen meinst du mit ihm?“ Dracos Augen verengten sich. „Ich bin weder dumm noch blind! Ich habe gesehen, wie du ihn ansiehst und ich kenne dich gut genug, um zu wissen, was es bedeutet. Ihr beide... ich verstehe es nicht, aber ihr habt etwas am laufen und... wenn es dich so sehr runterzieht, dass sogar ich es bemerke, kann ich mir einfach nur Sorgen machen, verstehst du?“ Er war mit jedem Wort leiser geworden und senkte nun verlegen den Blick. Merlin, war das rührend! Harry lächelte leicht und klopfte ihm auf die Schulter. „Danke, dass du ein Auge auf mich hast, aber in dieser Hinsicht ist alles in Ordnung. Du musst dir also keine Sorgen machen. Mir... ist nur plötzlich etwas übel geworden. Aber sobald ich etwas frische Luft geschnappt habe, geht es mir wieder besser.“ Draco sah ihn forschend an, ehe er zögernd nickte. „Na gut. Soll ich dich begleiten?“ Für einen Moment zog er es tatsächlich in Betracht, doch dann schüttelte er mit dem Kopf. „Ich möchte eine Weile meine Ruhe haben. Wir sehen uns. Und duelliere dich nicht wieder mit Weasley, nur weil ich einen Moment nicht da bin.“ „Hey!“, protestierte Draco. „Was soll das schon wieder heißen?“ Harry lachte nur als Antwort und machte sich auf den Weg nach draußen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Eigentlich hatte er auf die Ländereien gehen wollen, doch letztendlich entschied er sich für den besten Ort in ganz Hogwarts: den Astronomieturm. Wahrscheinlich ging jeder irgendwann dorthin, um sich vor der Welt zu verstecken oder einfach den Blick über die Schule zu genießen. Noch war es recht kühl hier oben. Der Frühling begann zwar langsam, von der Welt Besitz zu ergreifen, aber noch dominierten die letzte Reste des Winters. Aber wenigstens lag kein Schnee mehr und es hatte in den vergangenen Tagen schon öfter geregnet. Heute schien die Sonne. Vorsichtig ging Harry an den Rand des Turmes und ließ sich daran nieder, sodass seine Füße über den Abgrund baumelten. Zwar gab es ein Geländer, doch es war leicht, hier herunterzustürzen. Tatsächlich war das in der Vergangenheit so oft vorgekommen, dass es offiziell verboten war, alleine hier hinaufzukommen. Nicht, dass sich jemand daran halten würde, aber es war immer besser, das im Hinterkopf zu halten, wenn man hier oben war. Da sich jeder irgendwann einmal hierher zurückzog, galt das ungeschriebene Gesetz, jeden in Ruhe zu lassen, der vor einem hier oben Zuflucht gesucht hatte. Deshalb konnte Harry davon ausgehen, eine Weile seine Ruhe zu haben, bis Neville auf die Idee kam, nach ihm zu suchen und mit ihm über Verschwörungstheorien oder die Hausaufgaben zu sprechen. Neville... es kam ihm so vor – und er wusste, dass auch sein Freund es spürte – dass sie sich immer weiter voneinander entfernten. Wahrscheinlich hing es mit seinen immer stärker werdenden... Gefühlen für Tom zusammen. Zwar wollte er es nicht wahrhaben, doch nicht einmal er konnte verdrängen, dass jedes neue Zusammentreffen in ihm den Wunsch größer werden ließ, dass er nicht der dunkle Lord wäre, sondern einfach... Tom. //Aber er ist der dunkle Lord. Daran kann niemand etwas ändern. Erst recht du nicht.// Wollte er es überhaupt? Nein. Denn das war etwas, was diesen Mann ausmachte. Wenn er jemanden einen Teil seiner... Liebe schenkte, wollte er alles an ihm akzeptieren. Egal, was es war. Merlin, er hörte sich wie ein verliebtes Schulmädchen an! Doch zurück zu Neville. So sehr er es auch glauben wollte, diese immer größere Entfernung zwischen ihnen ging nicht nur von ihm selbst aus. Sein Freund war in letzter Zeit abwesend geworden. Nachdenklich. Und vorsichtiger als früher. Er erzählte ihm nicht mehr alles. Es war fast so, als hätte er jemand anderes gefunden, den er mit seinen Sorgen belasten konnte. Nur... wen? Wer bitte schön sollte es geschafft haben, sein Vertrauen zu gewinnen? //Bist du etwa eifersüchtig?// Vielleicht. Dennoch ging ihn nicht dieses schwarze Notizbuch aus den Kopf, in das Neville so eifrig hineingeschrieben hatte. Seufzend ließ er seine Schultern sinken und starrte hinüber zum Großen See, der wie ein grauer Teppich inmitten des matschigen Grüns wirkte. Ein paar vereinzelte Gestalten schlenderte oder rannten über die Ländereien und unten vor seiner Hütte grub Hagrid ein Beet um. Ein friedlicher Anblick. Hier war es leicht zu vergessen, wie die Welt außerhalb von Hogwarts aussah. Das Schwingen von Flügeln holte ihn aus seinen Gedanken und als er sich umdrehte, entdeckte er Toms Schneeeule, die ihm auch vor dem Zaubertrankwettbewerb einen Brief gebracht hatte. Sie landete direkt neben ihn und hielt ihm ein Bein hin, an dem ein weiterer Brief, sowie eine neue, rote Rose hing. Sofort spürte er, wie ein Grinsen auf seinem Gesicht erschien. Wie sollte er denn das jetzt interpretieren? Vorsichtig nahm er dem Vogel die beiden Gaben ab und betrachtete für einen Augenblick die Blume, ehe er sich Toms Nachricht zuwandte. Es tat unerwartet gut, diese Handschrift wiederzusehen, weshalb er sie zunächst schweigend betrachtete, bevor er sich auf die Worte konzentrierte. Mein liebes Wunderkind, ich hoffe, du fühlst dich wohl und alles verläuft zur Zeit zu deiner Zufriedenheit. Ich gebe zu, dass es sehr trist ohne dich ist, weshalb ich mich glücklich schätzen würde, dich während deiner Osterferien in meinem Haus begrüßen zu dürfen. Narcissa teilte mir mit, dass sie ursprünglich vorhatte, dich zu sich einzuladen, doch da ich annehme, dass dies nicht unbedingt deinen Interessen entsprechen dürfte, habe ich mir erlaubt, vorzuschlagen, dich bei mir unterkommen zu lassen. Selbstverständlich steht es dir frei, abzulehnen, aber es wäre mir dennoch eine Freude. Sobald du darüber nachgedacht hast, kannst du mir deine Entscheidung durch Hedwig zukommen lassen. Sie ist eine sehr intelligente Eule, weshalb ich glaube, dass ihr beide euch verstehen werdet. In der Hoffnung, bald von dir zu hören, TMR. „Hedwig also...“, flüsterte Harry und spähte zu der Eule hinüber, die ihn abwartend musterte. Vorsichtig streckte er seine Hand aus und strich über ihr Gefieder, während er hinter sich langsame Schritte hörte. Doch er drehte sich nicht um. Wenn es Neville war, würde er gleich etwas sagen und alle anderen Schüler würden ihn in Ruhe lassen. Natürlich bestand auch die Möglichkeit, dass es sich um einen Lehrer handelte, aber die ließen ihn in der Regel solche geringfügigen Vergehen gegen die Schulordnung durchgehen. Manchmal war es eben doch praktisch, ein Musterschüler zu sein. „Was für eine bezaubernde Eule“, sagte eine Stimme und die Person, die sich ihm genähert hatte, stellte sich neben ihn, lehnte sich ans Geländer und spähte über die Ländereien. Harry lächelte, während er damit fortfuhr, ihre Federn zu streicheln. „Das stimmt, Sir. Sie ist einzigartig.“ „So wie jedes Lebewesen“, sinnierte Albus Dumbledore, bevor sich Schweigen zwischen ihnen ausbreitete. Die Stille zwischen ihnen war überraschend angenehm, ein Gefühl, das er normalerweise nicht mit diesem Menschen in Verbindung brachte. //So hätte es sein sollen//, dachte er. //Und so wäre es auch gewesen, wenn ich nicht bei Narcissa und Lucius aufgewachsen wäre. Wir hätten uns gut verstanden. Doch es sollte nicht sein.// Es innerlich bedauernd unterbrach Harry den friedlichen Augenblick zwischen ihnen: „Wollen Sie etwas bestimmtes von mir oder sind Sie nur hier, um die Aussicht zu genießen?“ Dumbledore gluckste leise. „Es ist immer eine Freude, mit dir zu sprechen, Harry. Von daher bräuchte ich keinen Grund, um deine Gesellschaft zu suchen. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass vielleicht du etwas mit mir zu besprechen hast.“ Da hatte er allerdings Recht. Der heutige Unterricht bei Remus lieferte mehr als genug Gründe, um sich bei ihm zu beschweren. Trotzdem tat er es nicht. Stattdessen ließ er seinen Blick auf Toms Rose gleiten, die er zwischen sich und Hedwig auf den Boden gelegt hatte und fragte: „Wie ist es, sich auf einen dunklen Lord einzulassen?“ Das brachte den Schulleiter zum Lachen, doch es war ein trauriges, freudloses Lachen. Genauso wie bei Draco und Fenrir. „Wie es ist, sich auf einen dunklen Lord einzulassen?“, wiederholte er die Frage. „Es ist unglaublich, Harry. Es ist, als würdest du das erste Mal in deinem Leben atmen können. Alles scheint besser, schöner, einfacher. Es ist eine Erfahrung, die nur wenige jemals machen. Ein Geschenk.“ „Sie haben es also niemals bereut?“ „Die Zeit, die ich mit ihm verbracht habe? Nein. Ich habe nur bereut, dass ich erst zu spät erkannt habe, was er war.“ Dumbledore drehte sich zu dem Schüler um und ihre Blicke trafen sich. „Tom ist immer ein sehr einsamer Mensch gewesen. Er weiß, dass man anderen Menschen nicht vertrauen kann, da sie alle eine Schwachstelle haben, für die sie ihn verraten würden. Darum hat er eine unsichtbare Mauer zwischen sich und dem Rest der Welt errichtet, um sich selbst zu beschützen.“ Er seufzte leise und sah wieder über die Ländereien. Harry folgte seinem Beispiel und beobachte Hagrid dabei, wie er seinem Hund – Fang, wenn er sich recht erinnerte – ein Fleischstück zuwarf, bevor er damit fortfuhr, das Beet umzugraben. „Es gibt nur eine handvoll Personen, die es geschafft haben, seine Mauer zu durchbrechen“, fuhr Dumbledore fort. „Diese haben alles von ihm bekommen, was er ihnen geben konnte. Auch du wirst alles von ihm bekommen, was er hat, Harry. Seine Besitztümer, sein Herz, sein Leben, selbst seine Seele. Aber im Gegenzug wird er von dir erwarten, dass auch du ihm alles gibst.“ Hedwig schuhute leise, weshalb er damit fortfuhr, sie zu streicheln – wann hatte er eigentlich damit aufgehört? „Wollten Sie nicht eigentlich verhindern, dass ich mich auf ihn einlasse?“ „Eigentlich schon“, gab der alte Mann zu, doch er klang bereits wieder fröhlicher als zuvor. „Aber vielleicht ist es ganz gut so. Vielleicht wirst du in der Lage sein, ihn im Zaum zu halten und zu verhindern, dass dieser Krieg, den wir alle spüren können, tatsächlich ausbricht. Immerhin bist du der Tempus Amicus.“ Der Tempus Amicus. Nicht ein, sondern der. Wirklich sehr ermutigend. „Ich habe es mir nicht ausgesucht“, flüsterte er und zog seine Hand von Hedwig zurück um sie stattdessen neben sich auf den Boden sinken zu lassen. Dabei streifte er die Rose, die daraufhin leise raschelte. „Ich weiß“, erwiderte Dumbledore sanft. „Niemand hat es sich ausgesucht. Es wird nicht leicht werden, Harry. Du wirst dein Leben oft verfluchen und dich in Situationen wiederfinden, die unüberwindbar wirken. Aber du bist nicht umsonst, was du bist. Es gibt einen Grund, warum die Zeit gerade dich erwählt hat und an diesem Wissen musst du immer festhalten, wenn du nicht weiterweißt. Dann wirst du all das irgendwie schaffen können.“ „Ja, vielleicht haben Sie da Recht“, murmelte er und griff nach dem Brief und der Rose. „Vielen Dank für das Gespräch.“ „Keine Ursache“, entgegnete der Schulleiter munter, sah ihn jedoch nicht an. „Wie ich bereits erwähnte, ist es immer eine Freude, mit dir zu sprechen.“ Harry schüttelte nur mit dem Kopf und stand auf. Sofort stieß Hedwig sich vom Boden ab und setzte sich auf seine Schulter. „Ich habe Sie wirklich gemocht, wissen Sie? Wenn ich bei meinen Eltern geblieben wäre, hätte ich mich sicher ohne Bedenken für Sie entschieden.“ „Oh, Harry“, sagte er glucksend. „Das hättest du nicht getan. Etwas in dir hätte dich immer zu Tom gezogen. In dem Szenario wäre es für ihn nur um einiges schwerer gewesen, dich zu überzeugen.“ Langsam drehte er sich nun doch zu ihm um und lächelte. „Pass auf dich auf, mein Junge. Um unser aller Willen.“ „Ich werde mir Mühe geben, Professor“, versprach er und machte sich auf dem Weg zur Treppe, um wieder hinabzusteigen. „Und hören Sie endlich damit auf, mich so zu nennen.“ Ein amüsiertes Glucksen folgte ihm, während er eine Stufe nach der anderen nahm. Dabei dachte über die Einladung des dunklen Lords nach. Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, Hogwarts über Ostern zu verlassen. Zwar hatten sowohl Lily und James, als auch Remus, Severus und Neville ihm angeboten, bei ihnen diese Zeit zu verbringen, aber er hatte immer abgelehnt. //Ich sollte auch diese Einladung ablehnen//, dachte er. //Das wirst du aber nicht//, entgegnete sein Verstand. //Du wirst sie annehmen, denn...// Er vermisste Tom. Und diese Erkenntnis war mehr als frustrierend. „Warum muss es ausgerechnet er sein?“, fragte er Hedwig. „Warum dieser egoistische, selbstverliebte, besitzergreifende Stalker?“ Als Antwort zupfte sie sanft mit ihrem Schnabel an seinem Ohrläppchen. ____________________________________________ So, das war es auch schon wieder für heute. Nächstes Mal kommt der dunkle Lord wieder vor. Und wer sitzt da plötzlich vor seinem Schreibtisch? Liebe Grüße, Ayako Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)