Für Rum und Ähre von _Kima_ ("Erdnuss, Captain!") ================================================================================ Kapitel 26: Julia ----------------- Irgendein betrunkener Seebär hatte Julia in ihrer Jugendzeit einmal etwas offenbart, dass sie nie vergessen würde – weil es einfach zu viel Wahrheit enthielt: Wenn man denkt, es kann nicht mehr schlimmer kommen, kommt es schlimmer. Diese Feststellung bewahrheitete sich auch in dieser Situation: Nicht nur, dass die Dirty Lust ihnen so dicht im Nacken saß, dass Julia beinahe glaubte, Deathblow Blaines Parfüm zu riechen, nein, es begann auch noch zu regnen, als hätte Davy Jones persönlich beschlossen, dieser Begegnung etwas mehr Stimmung zu verleihen. Während der Regen ihr ins Gesicht peitschte, stürzte Julia an die Reling der Steuerbordseite und kniff die Augen zusammen, um im Unwetter besser sehen zu können. Sie erkannte die Besatzung der Dirty Lust, die an Deck des gegnerischen Schiffes herumlief, und auch den Bastard, der sich ihr Captain schimpfte. „Blaine!“, brüllte Julia gegen den Sturm an, „Ihr werdet den Tag bereuen, an dem Ihr beschlossen habt, Euch mit mir anzulegen!!“ Der Wind zerzauste ihr das Haar und riss ihr den Hut vom Kopf, doch das war zweitrangig – denn in eben diesem Moment löste sich ein Schuss und sie wurde von Marcia, die plötzlich neben ihr auftauchte, zur Seite gerissen. „Weniger reden“, hörte sie ihre Schwester rufen, „mehr bewegen!“ Julia entwand ihren Arm Marcias Griff, zückte ihre eigene Pistole und schrie: „Johnson, Feuer!!“ Im gleichen Moment wie mehrere Kanonenschüsse auf der Mari(an)ne abgefeuert wurden, zielte Julia auf die dunkle Gestalt, von der sie vermutete, dass es Blaine war, und schoss. Die Gestalt tauchte jedoch in Deckung und man konnte unmöglich sagen, ob sie ihn nun getroffen hatte oder nicht. Den einzigen Vorteil, den die Mari(an)ne der Dirty Lust momentan gegenüber hatte, war ihre Feuerkraft. Julia selbst hatte sich während ihrer Zeit auf dem anderen Schiff davon überzeugen können, dass die Dirty Lust lediglich über eine Kanone verfügte – und die konnte Blaine momentan nicht wirklich helfen. „Abbott!“, brüllte Julia ihrem Steuermann zu, „Seht zu, dass sie uns nicht zu nahe kommen! Wir können uns keinen Mann-gegen-Mann-Kampf leisten!!“ „Aye, Captain!“, hörte sie die dumpfe Antwort und der leichte Ruck, der durch das Schiff fuhr, sagte ihr, dass sie gerade wendeten. Das war auch gut so, denn in eben diesem Moment segelte eine Gewehrkugel direkt an ihnen vorbei, dorthin, wo sich die Mari(an)ne nur Sekunden zuvor befunden hatte. „Feuer!“, schrie Julia wieder, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass Johnson mit einiger Hilfe die Kanonen nachgeladen hatte. Wenn sie Glück hatten, waren sie noch in Schussposition und könnten einen Treffer landen…! Mit einem ohrenbetäubenden Krachen schossen die vier Kanonenkugeln auf die Dirty Lust zu und als Julia sah, welchen Schaden sie anrichteten, hätte sie Johnson umarmen können: eine der Kugeln brach den Mast des gegnerischen Schiffes entzwei und eine andere traf es am Heck. Doch Blaine schien beschlossen zu haben, mit einem großen Knall unterzugehen – im wahrsten Sinne des Wortes. Eine letzte Kugel wurde abgefeuert – und waren das Gewehrschüsse, die sie da hörte? Julia war sich bei all dem Lärm nicht mehr sicher – die das Heck der Mari(an)ne mit einer solchen Wucht traf, dass sie auf der anderen Seite wieder austrat. Julia schwankte und hielt sich reflexartig an der Reling fest, um nicht hinzufallen, dann dämmerte ihr plötzlich, was der Treffer für sie hätte bedeuten können. „Abbott!!“, japste Julia entsetzt auf und rannte, Marcias Proteste ignorierend, aufs Oberdeck, um sich zu vergewissern, dass ihrem Steuermann nichts passiert war. Er hatte eine Platzwunde am Kopf und wirkte etwas benebelt – bei Davy Jones, er schien einen schweren Schlag auf den Kopf bekommen zu haben! – doch er hielt das Steuerrad mit einer eisernen Entschlossenheit fest. Als er sie erblickte, rief er: „Macht Euch keine Sorgen, Captain! Ich bringe uns hier raus.“ Klatschnass, wie sie war, nickte Julia, hin- und hergerissen zwischen Erleichterung, dass er noch lebte, und Sorge um den Zustand ihres Schiffs, und lief zurück aufs Deck. Sie entfernten sich schnell von der Dirty Lust, die nun ohne Mast und zu allem Überfluss auch noch sinkend, zurückblieb. Die Seeschlacht war offensichtlich vorbei, doch Julia hatte keine Zeit, sich darüber zu freuen. „Blunt!“, sprach sie einen der Männer an, die dem sich langsam entfernenden gegnerischen Schiff nachsahen, „Geht unter Deck und schaut nach, wie groß der Schaden ist! Ich will nicht an Land gehen, nur um dann festzustellen, dass mir mein Schiff weggesunken ist.“ „Aye, aye!“, nickte der Mann und eilte davon, um ihren Befehl auszuführen. Der Regenschauer ließ nach – Davy Jones hatte offensichtlich das Interesse an ihnen verloren. Die Mannschaft versammelte sich langsam um sie herum und sie betrachtete jedes einzelne Crewmitglied genau. Es gab keine Verluste, wenn man von Abbotts Platzwunde und dem von einem umherfliegenden Holzstück durchbohrten Oberschenkel eines anderen Mannes absah. Erleichtert stieß Julia leise die Luft aus, die sie ohne es zu merken angehalten hatte, und sagte: „Gute Arbeit, Gentlemen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)