Gamer's Day   von Ninjagirl
                            (RL? Ich kenn' nur AFK)
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                              Kapitel 1: Uprising
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Willkommen zu meiner Geschichte Gamer's Day.
Ich benutze ab und zu Zocker-Jargon und habe hoffentlich sämtliche
'Fachbegriffe' am Ende des Kapitels geklärt, also springt gern während des
Lesens dorthin, falls Fragen aufkommen. Für sonstige Fragen bin ich per ENS
erreichbar. 
Für konstruktive Kritik und jegliche Art von sinnvollen Kommentaren bin ich
immer zu haben :D
Love, NiN
(Claimer: Figuren und Geschehnisse sind mein geistiges Eigentum, Ähnlichkeiten
mit anderen Geschichten sind reiner Zufall und nicht beabsichtigt.)

"Bruderherz!! Komm runter, das Essen ist fertig."
Er seufzte und schaltete seinen Bildschirm aus, nur für den Fall dass sie
später hereinkam. Sophie redete ständig etwas von Stromsparen und dass er doch
seinen Computer ausschalten solle wenn er das Zimmer verließ. Nun, so hatte es
wenigstens den Anschein. Er stand auf und trabte die Treppe herunter in die
Küche. Sophie war gerade dabei, einen Auflauf aus dem Ofen zu holen und summte
dabei ein Kinderlied.
"Hast du bald eine Klausur?" fragte er und sie lächelte schuldbewusst und
nickte. Wenn Sophie lernen müsste begann sie, zu kochen und zu backen, je mehr
Lernstoff, desto aufwendiger ihre Kreationen. Nun, ihr Bruder würde sich nicht
beschweren, so kam er regelmäßig am Semesterende zu meisterlichem Abendessen
und wunderschönen Torten. 
"Hier," sie drückte ihm einen Teller in die Hand und tat ihnen beiden von dem
dampfenden Auflauf auf, bevor sie ihn ins Wohnzimmer schob, wo sie die
Nachrichten sehen wollte. "Was hast du heute so gemacht?" fragte sie während
eines Berichtes über jugendliche Schläger in Berlins Innenstadt.
Er zuckte die Schultern. "Dies und das." Also nichts, dachte sie, aber sagte
nichts. Sie hatten sich schon oft genug über sein zielloses In-den-Tag-leben
gestritten, sie hatten es beide satt, aber das änderte nichts an seinem
Verhalten.
"Ach Benni," sagte sie und strich ihm sorgenvoll über den Kopf. Er verdrehte
die Augen, weil er schon wusste, was kommen würde. "Du hast dein Abi jetzt seit
einem Monat und noch nichtmal einen Zivi-Platz... Ich kann nicht immer alles
für dich machen, Kleiner."
"Jaja, Miss Perfect. Morgen möchte ich eine Lasagne, okay?"
"Hey, ich bin kein Restaurant, in dem man bestellt was man will. Such dir lieber
eine Freundin, die das macht." Er verdrehte wieder die Augen und stand
schließlich auf, als er fertig war. Sie hielt ihm ihren leeren Teller hin und
lächelte zuckersüß. 
"Jaja," murrte er, nahm ihren Teller und brachte beide in die Küche, dann
trottete er die Treppe wieder nach oben, ging ins Bad und betrachtete sein
deprimiertes Spiegelbild. "Ich bin schwul," vertraute er ihm an, doch die Person
im Spiegel sah nur resigniert zurück - zu oft hatte sie das schon hören
müssen. Es war auch nicht so, als ob er ein riesiges Geheimnis daraus machte -
online zumindest. Sophie wusste nichts von seinen Vorlieben, vermutlich wollte
sie nichts lieber, als eine kleine Nichte oder einen Neffen, wo sie schon keine
anderen Verwandten mehr hatten. Doch er verdankte seiner Schwester so viel, dass
er sie nicht enttäuschen wollte. 
Deprimiert stützte er sich auf den Rand des Waschbeckes, stellte das Wasser an
und wusch sich mit einer Hand das Gesicht. Schließlich ging er in sein Zimmer,
schloss die Tür und setzte sich an den PC. 
Seine Gilde wartete bereits. 
[Gilde] [Flaxx]: bin wieder da
[Gilde] [Ninufjell]: wb, dann kanns ja losgehen
Er loggte sich im Teamspeak ein, setzte das Headset auf und hörte zu, wie seine
Ingame-Freunde sich unterhielten. 
"So Leute, seid ihr alle vorbereitet? Dann gehts los, wer da ist portet bitte,
wer einen Port braucht, schreibt ein Plus in den Channel." Es funktionierte
alles reibungslos, bald betraten sie zu zehnt die Eiskronenzitadelle und
stellten sich den Monstern, die ihnen entgegentraten. Alles hörte auf Bens
Kommando, er war der Leiter der Gruppe.
Sie verbrachten vier Stunden in der Zitadelle und kamen gut voran, weiter als in
der Vorwoche und gegen elf hörten sie auf, mit dem Versprechen, zwei Tage
später weiterzumachen. Ben und sein Vize waren die letzten, die im Teamspeak
waren.
"Flaxx, was ist los? Du warst heute irgendwie unkonzentriert." 
Er musste lächeln. Ben hatte vor zwei Jahren das Spiel World of Warcraft für
sich entdeckt. Es hatte seinem Abi nicht gerade gutgetan, aber bestanden hatte
er schließlich trotzdem. Im Spiel hatte er Marcus kennengelernt, der offen
zugegeben hatte, schwul zu sein und der es ihm leichtgemacht hatte, es sich
selbst einzugestehen. Zusammen hatten sie ihre eigene Gilde gegründet: Gaymers,
eine Zusammenkunft schwuler Zocker. Die Gilde war für ihn wie eine zweite
Familie, die ihn mit all seinen Fehlern annahm und akzeptierte. 
Er hatte Marcus zum Vize-Leiter gemacht, schließlich war es ihrer beider Idee
gewesen und gemeinsam führten sie die anderen durch den Inhalt des Spiels. Ben
und er kannten sich mittlerweile wirklich gut, also wunderte es ihn auch nicht,
dass der andere merkte, wenn er sich anders verhielt.
"Tut mir leid, es ist nicht wichtig," erwiderte er auf die Frage.
"Jetzt sag schon. Aber erzähl mir nicht, es geht um Ninu..."
"Was denn nun? Soll ichs dir erzählen oder nicht?"
"Ach Ben..." seufzte der andere. Ninu war Mitglied ihrer Gilde und chattete
häufiger mit Ben. Marcus wusste, dass Ben sich mit Vorliebe schnell und heftig
verknallte und dabei selten guten Geschmack bewies. Schon vorher hatte er sich
in ein Gildenmitglied verliebt, wurde abgewiesen und Marcus hatte den
Herzensbrecher aus der Gilde geworfen, um es Ben einfacher zu machen. "Ninu ist
ein Idiot."
"Nein, er ist wirklich nett," widersprach Ben, bevor er herzhaft gähnte.
"Vielleicht treffen wir uns mal."
"Wenn ihr das tut, komme ich auch mit." Ben rollte die Augen. Marcus redete
ständig etwas davon, wie einfach es für irgendwelche Freaks wäre, sich im
Internet an unschuldige Kids ranzumachen. 
"Marc, ich bin achtzehn, ich kann auf mich selbst aufpassen. Ich geh dann
schlafen, mach's gut." Marcus verabschiedete sich von ihm und Ben schaltete den
PC aus. 
Er legte sich hin und schaltete seinen Fernseher ein, bevor er die Augen
schloss. 
~x~
"Beeeennischatz, schlaf nicht zu lange!" flötete seine Schwester, als sie am
Morgen in sein Zimmer kam. Sie lief zu ihm, drückte ihm einen Kuss auf die
Stirn und schaltete den Fernseher aus. Ben knurrte und zog sich sein Kissen
übers Gesicht, während sie ihn nochmal aufforderte, nicht den ganzen Tag zu
verschlafen. Über den Fernseher sagte sie nichts. Stromsparen hin oder her,
Sophie wusste, dass ihren Bruder schreckliche Alpträume plagten, wenn nicht
irgendetwas im Zimmer genug Geräusche verursachte um ihn abzulenken. "Ich
bringe dir heute Abend etwas zu essen mit. Sieh nachher mal in die Küche, da
liegen ein paar Prospekte. Bis später!"
Ein einziger Redeschwall und Ben fühlte sich überschwemmt, da war sie auch
schon aus dem Haus. Er nahm das Kissen vom Gesicht, drehte sich um und schlief
nach Sekunden wieder ein. Es war schließlich früher Nachmittag, als er wieder
aufwachte. Er stand auf und ging in die Küche, um lustlos ein paar Cornflakes
zu essen, dort fiel sein Blick auf die Flyer und Broschüren auf der
Spülmaschine. Verschiedene Unis, Studiengänge, Ausbildungsprofile. Er seufzte,
schob die Flyer etwas durcheinander damit Sophie dachte, er hätte sie sich
angesehen und ging dann nach oben.
Ben sah sich in seinem Zimmer um. Er wusste nicht, was er tun sollte, also
schaltete er den PC an. Er beschloss, sich eine Weile im Internet über WoW zu
informieren, ging ein paar Foren durch und las die neusten Artikel auf
buffed.de. Tatsächlich fand er ein paar neue Taktiken zur Eiskronenzitadelle,
die sie am Vortag begangen hatten und las einige neue Tips zu seiner Spielfigur,
einem Heiler, die meisten fand er allerdings wenig hilfreich. 
Als er schließlich nicht mehr wusste, womit er sich sonst beschäftigen sollte,
loggte er sich ein. Flaxx hieß sein Charakter, er hatte ihn unbewusst nach
einer Schwulenbar in seiner Nähe benannt, obwohl er nie dort gewesen war aus
Angst, er könne Bekannte sehen und sie würden seine Schwester ins Bild setzen.

Bens Miene hellte sich auf als er Ninufjells Namen las. Sein jetziger Schwarm
stammte auch aus Berlin, genauso wie Marcus und zwei weitere Gildenmitglieder.
Er hatte keinen von ihnen je getroffen, auch wenn er gelegentlich Lust dazu
hatte, endlich mal mit jemandem Zeit zu verbringen, der seine Leidenschaft für
die Online-Welt verstand und teilte. 
 [Ninufjell] flüstert: flaxx :) wie steht's, kannst du mir gerade helfen? uns
fehlt ein heal
[Flaxx] flüstert: klar, kein problem, lad mich einfach ein
Ben erhielt eine Gruppeneinladung und kurz darauf einen Port zu den anderen
vieren, die sich schnell durch eine Instanz kämpfen wollten. Ben war ein guter
Heiler, auf ihn war Verlass und er wusste, was er tat. Wäre er außerhalb des
Spiels in irgendetwas genauso gut, dann könnte er damit wahrscheinlich gut sein
Geld verdienen. Sophie würde das vermutlich nicht gern hören, dachte er
grinsend. 
 [Flaxx] flüstert: hey, sag mal, wollen wir uns nicht mal treffen?
[Ninufjell] flüstert: eine lan-party?? das wäre echt cool :D
Ben starrte die Antwort des anderen an. LAN-Party? Wie kam er denn darauf? Er
seufzte und dachte, dass er jetzt unmöglich sagen konnte, dass er mit dem
anderen auf ein Date wollte. 
 [Flaxx] flüstert: ja, genau, lan-party... wie wärs am freitag?
[Ninufjell] flüstert: klar, gern!! 
Ben gab dem anderen seine Adresse und sah auf den Kalender an seiner Tür.
Freitag war in drei Tagen. Er würde Sophie fragen müssen. Dann dachte er
grinsend, dass sie ihnen vielleicht etwas Extravagantes kochen würde, denn am
Montag hatte sie ihre Histologie-Prüfung, eins ihrer stoffreichsten Fächer. 
Um drei spielte er immer noch und hatte Ninu bei diversen anderen Aufgaben
geholfen, bevor er dazu übergegangen war, sich durch tägliche Quests ein paar
Gold zu verdienen. Als er gerade eine Quest abgab loggte sich Marcus ein. 
 [Flaxx] flüstert: na, wie liefs auf arbeit?
[Jeno] flüstert: frag nicht -.- die neuen sind da und ich muss sie anlernen
Marcus hatte seine Ausbildung in einer Konstruktionswerkstatt vor einem
dreiviertel Jahr abgeschlossen und war der Liebling seines Chefs, vermutlich
weil dieser nicht wusste, dass sein ehemaliger Lehrling im eigenen Revier jagte.
Dank seiner Sonderstellung wurde Marcus die Aufsicht über die neuen Lehrlinge
übertragen, die ihn regelmäßig dazu trieben, sich die Haare zu raufen, sofern
Ben das beurteilen konnte. 
 [Flaxx] flüstert: skype?
[Jeno] flüstert: okay, ruf du an
Er wartete eine Minute, bis der andere sich in dem Internettelefonie-Programm
eingeloggt hatte, dann rief er an. 
"Ich werde Ninu am Freitag treffen," sprudelte es aus ihm hervor, nachdem sie
sich begrüßt hatten.
"Oh wow, du hast meinen Tag gerade noch miserabler gemacht," erwiderte Marcus
und Ben biss sich auf die Lippe.
"Maaarc, hör endlich auf damit. Er ist in Ordnung, ich verspreche es! Wir
kennen ihn aus dem TS und ich hab schon oft genug mit ihm geschrieben, also hör
auf dir ins Hemd zu machen. Außerdem ist meine Schwester da, wenn er herkommt,
er wird mich also schon nicht abschlachten."
"Ihr trefft euch bei dir? Du gehst aber ganz schön ran, Ben."
"Nein nein, eigentlich wollte ich das gar nicht, aber er dachte, ich will eine
LAN-Party machen."
"Ahja. Tolle Party, zu zweit. Na dann viel Spaß." Marcus klang sauer und Ben
verdrehte die Augen. Der andere führte sich manchmal wirklich auf wie sein
Wachhund. 
"Ist ja gut. Komm du auch, okay?"
"Was?" kam die verdutzte Nachfrage von der anderen Seite.
"Du hast mich schon verstanden. Dann kannst du dich selbst davon überzeugen,
dass er kein Arsch ist und wirst nicht mehr nerven, wenn ich ihn danach nochmal
treffe, okay?"
Marcus überlegte eine Weile, aber schließlich überwog seine Sorge seine
anderen Bedenken. Ben konnte nicht verstehen, warum der andere so misstrauisch
war, vor allem weil ihm ja auch nichts versicherte, dass er, Ben, kein
Massenmörder war und sich gerade zwei Opfer in seine Wohnung holte. Der Gedanke
war zu interessant um ihn nicht zu teilen, also erzählte er ihn Marcus.
Der andere lachte. "Oh bitte, Ben, du wärst viel zu faul, um dir selbst die
Finger schmutzig zu machen."
"Hey," meinte dieser beleidigt und legte spontan auf. Sie schrieben sich ingame
und er entschuldigte sich bei Marcus, rief allerdings nicht noch einmal an. Zu
sehr war er damit beschäftigt, sich auszumalen, was passieren könnte, wenn
Ninu bei ihm war. Vielleicht würde er auf dem Bett liegen und an Bens Laptop
spielen, Ben könnte sich neben ihn legen und zusehen und ganz unauffällig auf
Tuchfühlung gehen. Er befriedigte sich selbst zu diesem Gedanken und keuchte
heiser bei seinem Höhepunkt. Nachdem er sämtliche benutzten Taschentücher
entsorgt hatte schrieb er Ninu wieder an und chattete eine Weile mit ihm. Mit
jeder Nachricht freute er sich mehr auf den Freitag.
~x~
"BEEEENNIIIIII" schallte die Stimme seiner Schwester durchs Haus. Er sah
überrascht auf die Uhr. Schon um sechs? Er hatte nichts getan außer zu zocken,
erkannte er schuldbewusst. Er schaltete wie automatisch den Bildschirm aus und
lief nach unten, um Sophie zu begrüßen. Sie umarmte ihn fröhlich und hielt
ihm eine Tüte mit Essensresten aus dem Restaurant, in dem sie jobbte, hin. 
"Hier, Hühnchen und Reis. Ich habe nicht viel Zeit, eigentlich müsste ich
schon seit zwei Stunden lernen." Ben nahm das Essen an sich, packte es aus,
häufte es auf einen Teller und stellte diesen in die Mikrowelle, während seine
Schwester etwas über ihren Tag erzählte. Sie studierte Veterinärmedizin und
hatte heute gleich zwei Ethologie-Vorlesungen gehabt, weil ihre vorige
ausgefallen war. Dementsprechend war sie doppelt so genervt wie sonst, doch
ihren Bruder fasste sie wie immer mit Samthandschuhen an.
"Hast du dir die Sachen angesehen?" fragte sie und deutete auf die Broschüren
der verschiedenen Unis. Ben verzog den Mund. Sollte er ehrlich sein oder ihr
keinen Grund zur Sorge geben? Er entschied sich für letzteres. 
"Ja, hab ich, aber ich weiß noch nicht genau..."
"Weißt du, wenn du den ganzen Tag am PC sitzt wäre Informatik vielleicht was
für dich..."
Ben zog eine Grimasse, die sie nicht sehen konnte und erwiderte nur: "Mal
sehen."
Sophie musterte ihn besorgt. Sie stand vor ihm und war einen halben Kopf kleiner
als er, doch das änderte nichts an ihrer autoritären Art. Er verdankte ihr
seinen legeren Lebensstil, denn sie kümmerte sich um alles - um ihrer beider
Waisenrente, Kindergeld, Studium und dann jobbte sie auch noch, um sich ab und
zu etwas leisten zu können. Er seufzte innerlich und dachte, er solle sich auch
mal erkenntlich zeigen. Aber der Gedanke an Studium oder Arbeit war wie ein Dorn
in seinem Fleisch. Er hatte sich schon so sehr an seine Freizeit gewöhnt.
"Am Freitag wollen zwei Freunde vorbeikommen," meinte er, während er den Teller
aus der Mikrowelle nahm.
"Freunde? Aus der Schule?"
"Nein, ich habe sie online kennengelernt. Sie sind beide sehr nett, wir wollen
etwas zusammen spielen." Sophie sah so unbegeistert aus, dass Ben hinzufügte:
"Am Samstag wollte ich dann zu dieser Abi-Messe gehen, in der sich die Unis
vorstellen." Gab es am Wochenende überhaupt so eine Messe? Er hoffte es stark,
denn sonst würde er vermutlich bald im Fegefeuer brennen, sollte Sophie ihn
beim Lügen erwischen.
Sie seufzte. "Also gut. Ihr könnt euch Pizza bestellen, oder? Ich muss das
ganze Wochenende lernen."
"Klar, kein Problem."
Sie strich ihm noch über die Schulter, dann ging sie hoch und verschanzte sich
in ihrem Zimmer, um sich in den Büchern zu vergraben und diverse
Nervenstränge, Muskeln und Ansatz und Verläufe von Adern auswendig zu pauken.
Sophie war Bens perfektes Frauenbild: sie war selbstständig, wusste wieviel sie
sich zutrauen konnte und zeigte ihm nie, wenn es ihr schlecht ging - ganz im
Gegenteil, sie war stattdessen immer für ihn da, wenn er sie brauchte. Und
auch, wenn er sie nicht brauchte.
Mit dem Teller in der Hand lief er nach oben und setzte sein Gespräch mit Ninu
fort, während er dem anderen bei Aufgaben half. 
~x~
Es klingelte. 
Ben schoss in die Höhe und war am Fuß der Treppe bevor seine Schwester auch
nur ihre Tür geöffnet hatte. "IST FÜR MICH!" rief er nach oben und sprintete
zum Eingang. Vor der Tür blieb er stehen, richtete seine Haare und öffnete
schwungvoll.
Vor ihm stand ein gutaussehender Junge mit kurzen dunkelblonden Haaren und
grinste ihn an. 
Genau in dem Moment fiel Ben ein, dass er weder von Marcus noch von Ninu
überhaupt eine Beschreibung hatte und somit nicht wusste, wen der beiden er vor
sich hatte. Er umarmte ihn und zog ihn ins Haus, während er überlegte, welcher
er sein konnte.
"Wow, schöne Wohnung, Ben. Ich schätze, deine Schwester ist die Haushaltsfee?"
sagte der andere, während er sich mit großen Augen umsah. 
"Jep. Komm, hierlang geht es in mein Zimmer, Marc."
Es war doch einfach gewesen. Nicht nur die markante ruhige Stimme, die ihm so
vertraut war, hatten den anderen verraten. Ninu kannte seinen richtigen Namen
gar nicht - ebensowenig wusste Ben, wie Ninu wirklich hieß. 
Im Zimmer angekommen setzte Marc seinen Rucksack ab und sah sich auch hier
neugierig um. Ben fühlte sich etwas beklemmt, jetzt wo sie sich das erste Mal
von Angesicht zu Angesicht sahen und vorher schon so viel miteinander geteilt
hatten. Ben fand, der andere sah unverkennbar schwul aus. Nicht sein Verhalten
allerdings, sondern Kleinigkeiten wie die gepflegten Hände und das sorgfältig
gegelte kurze Haar. 
"Wer war dran?" rief Sophie aus ihrem Zimmer. Marc und Ben sahen sich an und der
Gast lief auf den Flur. Ben folgte ihm verwirrt.
Sophie stand ebenfalls auf dem Flur und Marcus ging zu ihr, um ihr die Hand zu
schütteln. "Ich bin Marcus, ein Freund von Ben." Ben beobachtete seine
Schwester angespannt. Sein Freund schrie praktisch SCHWUL, ob sie etwas vermuten
würde? Doch sie schüttelte nur lächelnd seine Hand und zwinkerte dann Ben zu
mit den Worten: "Ich wusste gar nicht, dass du so nette Freunde hast,
Bruderherz." Dann war sie auch schon wieder in ihrem Zimmer, vergraben unter
seitenweise Lernmaterial.
Die beiden Jungen gingen wieder in Bens Zimmer und Marcus packte seinen Laptop
aus. "Kann ich mein Notebook neben dir aufbauen?" fragte er mit Blick auf den
Schreibtisch. Ben nickte nur und sah von seinem Bett aus zu, wie Marcus sich
vorbereitete. Er stellte seinen Laptop an den Platz neben Bens Arbeitsplatz,
steckte seine Maus an, sogar ein Mousepad hatte er mitgebracht. Er brachte ein
Netzteil zum Vorschein und einen Verteiler.
"Du hast wirklich an alles gedacht, oder?" 
Marcus grinste und Ben dachte, dass er sich den anderen genau so immer
vorgestellt hatte. Fröhlich, angenehm. "Naja, irgendwie muss ich mich doch
beschäftigen, während du dem anderen Nerd schöne Augen machst." 
Es klingelte wieder und Ben sprang aus dem Zimmer und die Treppe herunter, was
Marcus nur kritisch beobachtete. Der andere schien sich da wirklich in etwas
hineinzusteigern. Gut, dass er hier war um aufzupassen.
Ben öffnete derweil die Tür und umarmte auch seinen neuen Gast stürmisch. 
"Hey, ich bin Nico," sagte der andere Junge und auch Ben stellte sich vor. Ninu
- oder Nico - sah ebenfalls gut aus, er hatte mittellange schwarze Haare, die
sein Gesicht einrahmten und ihm in die Augen fielen. Ben dachte flüchtig, wie
ungewöhnlich es war, einen Gamer kennenzulernen, der wirklich gut aussah. Und
jetzt waren sogar zwei von der Sorte in seinem Haus. 
"Mein Zimmer ist oben, Marc ist schon da. Komm."
Oben angekommen begrüßten sich auch Marcus und Nico, der neu Angekommene
machte sich nicht die Mühe, Sophie begrüßen zu gehen, doch Ben fiel es nicht
auf. 
"Du kannst meinen Laptop nehmen. Er ist nicht der beste, aber es sollte gehen."
"Danke. Hey, du kannst mir gleich mal helfen mit der Skillung von meinem
Twink."
"Klar, gerne."
Marcus sah den beiden zu und schüttelte den Kopf, bevor er sich an den
Schreibtisch setzte und sein Notebook hochfuhr. Er lauschte aufmerksam, wie Ben
dem anderen Jungen etwas zu Heilern und im Speziellen zu Priestern erklärte,
wie man Talentpunkte verteilen sollte, welche Fähigkeiten man auf welche Tasten
verteilen sollte. Man merkte, dass ein Fachmann sprach und Ben wurde in ihrer
Gilde sehr geschätzt für sein Wissen. Marcus hatte nicht erwartet, dass das
Zimmer seines Gildenleiters so aufgeräumt wäre und dass er so aufgeschlossen
ihnen gegenüber war. 
Tatsächlich hatte Ben den ganzen Tag fieberhaft damit verbracht, endlich
Ordnung in sein wohlgeordnetes Chaos zu bringen. In den Wochen zuvor hatte er
durch den Raum balancieren müssen auf den wenigen, immer kleiner werdenden
Flecken freien Fußbodens. Nicht, dass ihn das gestört hatte, aber um jemanden
rumzukriegen war es schon praktisch, das Bett überhaupt sehen zu können.
Sophie kam mit einem Teller ins Zimmer. "Hier, Jungs, nicht die Vitamine
vergessen." Sie stellte ihn bei Marcus ab und dieser sah, dass sie Obst für die
Zocker aufgeschnitten hatte. Ihr Blick fiel derweil auf Nico und sie streckte
ihm die Hand entgegen. "Hi, ich bin Sophie, die wunderbare Schwester dieses
Engels."
"Nico," stellte sich dieser vor und lächelte so blendend, dass es den
Geschwistern den Atem verschlug und Marcus schlecht wurde. Genau vor solchen
Jungen hatte er Ben beschützen wollen - Playboys.
Als Sophie die Tür wieder hinter sich geschlossen hatte, pfiff Nico leise.
"Deine Schwester ist nicht von schlechten Eltern."
Ben sah ihn pikiert an und meinte: "Wir haben die gleichen Eltern. Und nein, sie
waren nicht schlecht." Nico schien nicht mitzubekommen, dass er seinen Gastgeber
verärgert hatte. Dieser stand schließlich auf und setzte sich an seinen PC, um
sie wie die beiden anderen einzuloggen.
Sie erledigten ein paar der täglichen Gruppenaufgaben gemeinsam, bevor Ben
online Pizza bestellte.
 [Jeno] flüstert: und, ist er dein traumprinz?
[Flaxx] flüstert: er ist toll, oder? :) 
Marcus sah zu ihm rüber und verdrehte die Augen. 
 [Jeno] flüstert: soll ich euch nachher alleine lassen?
[Flaxx] flüstert: würdest du das? :D du bist ein schatz!!
[Jeno] flüstert: jaja, ich weiß. aber erst will ich meine pizza ;P
Ben sah ihn an und schenkte ihm ein breites Lächeln. 
Die drei Jungen unterhielten sich ganz gut, doch es war auffällig, wie häufig
Nico nach Bens Schwester fragte. Ben schien es nicht mitzubekommen, also würde
Marcus nichts sagen. Der andere schien manchmal einfach auf die harte Tour
lernen zu müssen. Als sie gerade dabei waren, zwei verschiedene Bosstaktiken
für Naxxramas zu diskutieren, klingelte es an der Tür. Ben sprang auf, nahm
sein Portmonee und ging hinunter, um die Pizza in Empfang zu nehmen. Als Marcus
merkte, dass der andere keine Anstalten machte, beim Tragen der Kartons zu
helfen folgte er Ben und bot ihm Hilfe an. 
Oben angekommen griff er sich einen der Kartons und deutete auf Sophies Zimmer.
"Falls du mich suchst, ich unterhalte mich mit deiner Schwester." Damit ging er
auf die geschlossene Tür zu und klopfte. Marcus war nie die Art Mensch, die
viel Berührungsängste hatte. Nicht ingame und auch nicht off. Für ihn war es
ein Leichtes gewesen, Ben von seiner Homosexualität zu erzählen, er hatte nie 
ein großes Geheimnis daraus gemacht. Zumal sein Gaydar heftigst aufgeblinkt
hatte bei dem Namen 'Flaxx'...
Sophie öffnete die Tür. Sie hatte mehrmals 'Herein' gerufen, doch Marcus war
zu sehr in seine Gedanken vertieft gewesen, mit der Hand noch zum Klopfen
erhoben. "Ja?" fragte sie überrascht. 
Marcus lächelte entschuldigend. "Hey... ich hab da einen Freund, der überlegt,
Tiermedizin zu studieren und Ben meinte, ich könne dir ein paar Fragen
stellen," erklärte er. Puh, ein Glück hörte er dem anderen immer aufmerksam
zu, wenn sie schrieben oder telefonierten.
"Klar, komm rein. Meine Gage ist ein Stück Pizza." Er grinste. Langsam verstand
Marcus, warum Ben im Spiel so charismatisch sein konnte. Vermutlich hatte er
sich das von seiner Schwester abgeguckt. Er betrat das Zimmer und sah sich auch
hier um. Fremde Wohnungen faszinierten ihn ohne Ende, er sah gern, was Menschen
mit ihrer Umgebung verband. Sophie hatte im Moment drei riesige Wälzer auf dem
Boden verteilt, dazwischen, darüber und darum eine Masse an Blättern, auf
denen verschiedene Knochen, Gelenke, Muskelpartien abgebildet waren, bunt
eingefärbt und beschriftet. Bens Schwester schob einige Blätter von ihrer
Couch und machte Marcus Platz.
"Tut mir leid wegen der Unordnung. Ich hab am Montag eine Prüfung und du ahnst
nicht, wie gerne ich gerade Creme brulée und Pasta machen würde," sagte sie
mit einem entschuldigenden Lächeln.
Sie unterhielten sich wirklich gut, noch eine von Marcus' Stärken. Er
interessierte sich für alles, konnte hunderte Fragen stellen und es wurde ihm
nie langweilig, auch wenn es keinen Freund gab, der diese Fachrichtung studieren
wollte. Geschickt lenkte er das Gespräch in andere Richtungen, wie ihren Bruder
und wie sie gemeinsam ihre Freizeit verbrachten.
"Als Veti hat man keine Freizeit," lachte sie. "Besonders nicht, wenn man
nebenbei jobben geht. Es tut mir etwas leid wegen Benni, dass ich so wenig Zeit
für ihn habe, aber zum Glück hat er ja Freunde wie dich, da sorge ich mich
etwas weniger. Es wäre aber toll, wenn du ihn davon überzeugen würdest, dass
er sich endlich mal um seine Zukunft kümmert." 
Sie zwinkerte und er erwiderte: "Ich werde mich bemühen." In dem Moment hörte
er, wie die Haustür geräuschvoll zuknallte. Sie sahen sich überrascht an und
Marcus stand auf und meinte: "Keine Sorge, ich kümmer mich drum."
Er ging in Bens Zimmer und sah den anderen auf dem Bett sitzen, er wirkte
ziemlich geschockt und starrte Marcus an. 
"Hmm, ich würde sagen, du musst deine Taktik nochmal überdenken. Normalerweise
läuft man beim Rummachen nicht davon."
Bens Blick verdunkelte sich und er verzog den Mund. "Wirklich lustig, Meister."
Marcus setzte sich neben ihn und wartete. Offensichtlich hatte Nico seine Sachen
gegriffen und war gegangen, nichts war mehr von ihm zu sehen. "Er sagt, er ist
gar nicht schwul," meinte Ben schließlich.
Der andere hob eine Augenbraue. "Wow... das ist das erste Mal, dass ein Hetero
behauptet, zu uns zu gehören." Er sprach nicht weiter, obwohl er gern noch mehr
über den anderen gesagt hatte. Dass er Ben nur ausgenutzt hatte und nie selbst
etwas beitragen wollte. "Du und deine dämliche rosarote Brille," sagte er nur.
Er legte den Arm um den anderen und zog ihn zu sich, um ihn zu trösten.
"Aber er war doch so nett, und hat gemeint ich wäre ein toller Typ und
intelligent und... und..."
Marcus lehnte den Kopf an Bens Schulter. "Das bist du auch alles," flüsterte
er. "Du bist nett, du bist toll. Intelligent, humorvoll, bodenständig, schön,
sympathisch, aufgeschlossen und verdammt süß, wenn du traurig bist."
Ben sah auf und sie schauten sich an. "Was...?"
"Soll ich noch mehr aufzählen?" Er lächelte den anderen an und drückte seine
Nase gegen Bens Wange. Bens Atem kitzelte ihn und er musste grinsen. "Tut mir
leid, dass das mit Ninu nichts geworden ist. Sollen wir erst chatten oder
verliebst du dich einfach gleich in mich?"
Ben musste lachen. "Und wie soll ich das meiner Schwester erklären?"
"Ich hab es ihr schon erzählt. Auch, dass wir heute zusammenkommen."
Grinsend drückte er dem anderen einen Kuss auf die Nase und zog ihn in eine
Umarmung.


~~~
The end.
~~~


Es folgen: Begriffsklärungen.
Gilde:  Zusammenrottung von Spielern, meist dazu da um gemeinsam zu raiden.
Raidinstanz:  Ort mit anspruchsvollen Monstern (genannt Bosse), oft ist für
solche Bosse eine komplizierte Taktik nötig. Genannte Raidinstanzen hier:
Eiskronenzitadelle, Naxxramas (Eiskronenzitadelle ist im aktuellen WoW-Content
die schwierigste, am wenigsten durchgespielte Instanz, Stand 06'2010)
Port:  Sind zwei Leute bereits bei der Instanz angekommen können sie gemeinsam
auf einen großen Stein (genannt Portstein) klicken und ausgewählte
Gruppenmitglieder zu sich befördern, das nennt sich porten.
Teamspeak: kurz TS, 'Telefonkonferenz' via Internet für beliebig viele (bis ca.
50) Leute, wird gern für MMORPGs genutzt, um sich über Taktiken zu beraten und
Raids zu koordinieren.
Heiler: Figur in WoW, die Zauber besitzt, mit der sie andere Figuren heilen
kann. Heiler halten die Gruppe am Leben und sind essenziell. (Auf Gruppen von
fünf Spielern kommt immer 1 Heiler) (auch heal genannt) Priester sind eine der
Klassen, die heilen können.
Quest: Aufgabe, bei deren Abschluss man Erfahrung oder Geld (bzw. in WoW Gold)
erhält.
Talentpunkte: Man hat meist verschiedene Möglichkeiten der Spezialisierung zur
Auswahl, z.B. können Priester heilen oder Schaden austeilen. Spezialisiert wird
sich durch verschiedene 'Talentbäume' , so gibt es zum Beispiel einen Schadens-
und einen Heilbaum und je nachdem wieviele Punkte man in welchem Baum vergibt,
so spezialisiert man sich auch. (z.B. für Heiler: alle Talentpunkte gehen in
den Heilbaum :) )

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