Percy Jackson und die Erbinnen der göttlichen Magie von Taja ================================================================================ Kapitel 5: Wir machen einen unfreiwilligen Waldspaziergang ---------------------------------------------------------- „Taja!“ Eine undeutliche Stimme verdrängte den dicken Wattenebel aus meinem Gehirn und forderte mein Bewusstsein auf, mal wieder was für seine Lohnsteuerkarte zu tun. Allerdings brachte das auch die Anwesenheit des Schmerzes wieder, der sich anscheinend schon bis in die kleinste Ecke meines Körpers gefressen hatte und nun wie ein wildes Tier in meinen Muskeln und Eingeweiden wütete. So hatte ich das mit Liegen und Schlafen nun echt nicht gemeint. Ich wollte eigentlich gar nicht meine Augen aufschlagen, denn ich konnte mir gut vorstellen, dass selbst das kurze Heben eines Augenlids mit unvorstellbaren Qualen verbunden sein musste, so wie sich der Rest meines Körpers anfühlte, auch wenn ich mich nicht bewegte. Doch leider hatten die Personen um mich herum anscheinend keine Ahnung, wie zermatscht mein Körper war und dementsprechend auch kein Mitleid mit mir. Fast pustete es mir den Schädel weg, als er unsanft angehoben wurde. Etwas leicht Feuchtes drängte auf Einlass in meinen Mund, doch obwohl ich den Geruch von Popcorn eigentlich gern mochte, hatte ich absolut keinen Appetit. Wer will schon essen, wenn sich der ganze Körper anfühlte wie durchgekaut und wieder ausgespuckt? Aber es gab kein Erbarmen. Irgendwer presste meinen Kiefer auf und schaufelte das nach Popcorn riechende Zeug in mich hinein. Ich hätte denjenigen am Liebsten erschlagen, denn mein Kiefer war auch so schon kurz vorm Brechen und sich halb benommen etwas herunterwürgen zu müssen, war echt mies, auch wenn es eine Puddingartige Konsistenz hatte. Oder vielleicht auch gerade deswegen, denn ich mochte solche glibberigen Sachen nicht. Meine Kehle brannte, als ich das seltsame Zeug dann doch schluckte, nur um nicht zu ersticken. Von schwerem Husten gebeutelt, kam ich wieder zu mir. Statt meiner vorgenommenen Beschwerde über die unsanfte Behandlung kam allerdings nur ein trockenes Würgen über meine Lippen. Ich hatte beim Flugzeugabsturz echt gedacht, der Tag könnte nicht mehr schlimmer werden, doch ich hatte mich ziemlich getäuscht. Mein Körper war nun wirklich schrottreif. Ich schlug meine Augen auf, versuchte mich unter Tantalusqualen aufzurichten und musste feststellen, dass es doch gar nicht so qualvoll war, wie gedacht. Ich wusste nicht, mit was ich da gerade gefüttert worden war, aber anscheinend hatte es etwas von einer magischen Bohne aus Dragon Ball, denn ich fühlte mich mit einem Male erstaunlich besser. „Taja!“ Dennoch tat es etwas weh, als Nicky mir vor lauter Erleichterung um den Hals fiel. „Nicht so fest, du brichst mir noch die eben geheilten Rippen.“, knurrte ich leicht benommen. „Tut mir leid, Maus.“ Erst jetzt merkte ich, wie verdammt blass und sorgenvoll sie aussah. Mich hatte es wohl doch genauso schwer erwischt gehabt, wie ich es im ersten Moment vermutet hatte. „Geht es bei dir wieder?“ Ein Schatten trat heran, der sich der Stimme nach als Annabeth entpuppte. Meine Sprache war noch nicht richtig wieder aus dem Schlaf erwacht, sodass ich nur nicken konnte. „Gut. Seetanghirn steht auch schon wieder, nur Blackjack und Kid hat es ziemlich erwischt. Wir haben nicht mehr genug Ambrosia um beide vollständig zu heilen.“ Ihr Blick war von Sorge gezeichnet. Das wiederum machte mir Sorgen. Ambrosia war die Speise der Götter und hatte auf angehende Heroen einen heilenden Effekt. Das ich das Zeug überlebt hatte, war also nur ein weiterer Punkt der mir zu Denken geben sollte, den ich allerdings gewaltsam in die hintere Ecke meines Gehirns verbannte, denn wir hatten vorerst andere Probleme. Anscheinend war ich nicht die Einzige, die es vom Himmel gepustet hatte. Meinem Denkapparat fehlten ein paar Erinnerungen bevor es schwarz geworden war, aber ich war mir sicher, dass ich eigentlich oben in der Luft auf einem Pferderücken sein und nicht zermatscht auf dem Waldboden kleben sollte. „Was war denn los?“, brachte ich mühsam heraus. Nicky sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an: „Du und Percy seid anscheinend abgeschossen worden. Es hat keiner was Genaues gesehen, aber plötzlich seid ihr abgestürzt, weil eure Pegasusse getroffen wurden.“ Ich störte mich ausnahmsweise mal nicht daran, dass meine Freundin den falschen Plural benutzte, sondern war mit ihrer Aussage beschäftigt. Langsam kamen die Erinnerungen bruchstückhaft zurück. Ich hatte erst mitbekommen, dass etwas nichts stimmte, als der Gaul getrudelt hatte. An einen Angriff konnte ich mich allerdings nicht erinnern. Auch wenn Kid mir mit seinen Sprüchen die ganze Zeit ziemlich auf den Nerv gegangen war, so machte ich mir nun doch Sorgen, dass ihm bei unserer unfreiwilligen Kontaktaufnahme mit dem Erdboden etwas Schlimmes zugestoßen sein konnte. Ich rappelte mich auf und sah mich um. Die Bäume hatten zum Glück nicht so dicht gestanden, dass es uns hätte mehrfach aufspießen können, dennoch sah es um mich herum aus, als wäre eine Bulldozerarmada hier spazieren gefahren. Die Flügel der Pegasi hatten ordentlich Platz eingenommen und taten es auch jetzt noch, denn die beiden Verletzten lagen immer noch auf dem Boden rum. ‚Au ! Auuu ! Aua ! Hey Ziegenbock, sei bisschen vorsichtiger, ich will meine prächtigen Schwingen gern noch dran haben, wenn du fertig bist.’ Kid meckerte schon wieder, also konnte es ihm wohl nicht so schlecht gehen. Sein linker Flügel sah allerdings wirklich nicht gut aus. Zahlreiche Federn lagen lose am Boden und ein unschönes Loch mitten im Flügel, das Grover gerade versuchte zu verbinden, sprang einem ins Auge. Da Kid aber bei jeder kleinen Berührung zu zappeln begann, hatte Grover kaum eine Chance fertig zu werden. Percy saß ein Stück entfernt neben Blackjack, dessen Hinterlauf bandagiert war. Beide sahen mitgenommen aus. Aber vermutlich gab ich kein viel frischeres Bild ab. „Was machen wir jetzt?“ Nicky tauchte neben mir auf. „Wir sollten schleunigst zusehen, dass wir hier weg kommen. Ich habe ein sehr ungutes Gefühl.“ Auch Annabeth tauchte urplötzlich vor uns auf und das wörtlich gemeint, denn sie hatte sich mit Hilfe ihrer Tarnbaseballkappe unsichtbar gemacht und sich umgesehen. „Ja, ich auch. Es riecht nicht gut.“ Grover hatte den Pegasusflügel anscheinend doch noch gebändigt und kam nun zu uns. Er war schon die ganze Zeit ein ziemliches Nervenbündel, doch nun wirkte er wie ein verängstigtes Kaninchen auf Speed. Wenn ich eins noch aus den Bänden wusste, dann dass Satyrn Ungeheuer riechen können, wie die uns Halbblute. Es war also überhaupt kein gutes Zeichen, dass es für ihn nicht gut roch. Zu mal für Satyrn der Wald eigentlich das so ziemlich himmlischste Aroma versprühen sollte, was es geben konnte. Annabeth hatte also Recht. Wir mussten ganz schleunigst die Kurve kratzen. Nur gab es zwei entscheidende Probleme. Zum Einen hatten wir zwei verwundete Pegasi, die sicher nicht so schnell wieder fliegen können würden und zum Anderen wussten wir nicht wohin, denn wir waren in einem Wald herunter gekommen, wo wieder mal jeder Baum aussah wie der Andere. Gut, für mich als Botanikerin gab es da schon diverse Unterschiede, aber trotzdem war es hier mit Orientierung etwas kompliziert. „Annabeth, du und Grover nehmt am Besten jeweils eins der Mädchen mit auf euer Pegasus und bringt sie im Camp in Sicherheit. Ich pass solang auf die Beiden hier auf. Ihr könnt mir dann ja etwas Hilfe schicken.“, verkündete Percy seinen Plan. Allerdings nahm Annabeth den nicht gerade begeistert an: „Du hast wohl wirklich Seetang im Hirn! Wir werden dich hier sicher nicht allein mit zwei wehrlosen Pegasi lassen, wenn womöglich eine Horde Monster in der Umgebung herumschleicht.“ Aber der mutige Hauptcharakter lächelte nur, griff in die Tasche seiner Jacke und wenige Augenblicke später, leuchtete eine bronzene Klinge im sonst recht düsteren Forst: „Ich weiß mich schon zu verteidigen.“ Wie er da so in Heldenpose mit seinem Schwert Anaklusmos, auf deutsch Springflut, in der Hand dastand, wirkte er schon ziemlich imposant, auch wenn man ihn sonst wohl eher für einen ganz normalen, wie ich mich erinnerte, 14 jährigen Teenager gehalten hätte. Mit seinem schwarzen Haar und den meergrünen, leuchtenden Augen sogar einen ziemlich Süßen, wie ich zugeben musste, doch das spielte jetzt keine Rolle. Seine Freundin ließ sich jedenfalls nicht beeindrucken: „Kommt nicht in Frage. Du weißt ganz genau, dass ER nur darauf wartet dich allein anzutreffen, um dich in die Finger zu bekommen!“ Obwohl Annabeth tunlichst Namen vermied, denn die hatten immer Macht, konnte ich mir vorstellen, wer mit dem Personalpronomen gemeint war. Chronos – einstiger Anführer der Titanen, Vater des Zeus und der Hälfte der olympischen Zwölf, machthungriger Irrer, der eigentlich für alle Ewigkeit zerstückelt in den unendlichen Tiefen des Tartaros, der Abfallgrube der Götter, liegen sollte. Doch leider hatte er irgendwie ein paar finstere Schergen um sich versammeln können, von denen Luke sich als Obermacker aufspielte. Die versuchten ihn zu allem Übel in einem protzigen goldenen Sarg wiederzubeleben. Und das leider auch noch mit zunehmendem Erfolg. Noch war er nicht gänzlich wiedererstarkt, doch mit jedem Halbblut, das sich seiner unheilvollen Gang anschloss, wuchs seine zerstörerische Macht. Und Percy war ein sehr mächtiges Halbblut, da er zum Einen der Sohn eines der großen Drei war und dazu zu seinem Leidwesen auch vermutlich noch von einer alten Prophezeiung auserkoren war, mit seiner Entscheidung für oder gegen die amtierenden Götter mal eben das Schicksal der Welt zu beeinflussen. Dass Chronos Percy deshalb nur zu gern in seiner Mannschaft haben wollte, war nur logisch. Doch leider beließ er es nicht bei „Komm auf die Dunkle Seite, wir haben Kekse“- Anwerbeversuchen, sondern schickte gleich mal Hordenweise Monster um Percy zu ‚überzeugen’, dass er es bei Großvater Chronos am Besten hatte. Percy zog Gefahr also praktisch an, sodass es nur nachvollziehbar war, dass Annabeth ihn nicht alleine lassen wollte. Außerdem hatte er von Natur aus die Neigung sich mit unüberlegten Handlungen in Schwierigkeiten zu bringen. „Aber es ist wichtiger die beiden Neuen in Sicherheit zu bringen. Ich komm schon klar.“ Ja, das war eindeutig Percy Jackson. Immer zuerst um seine Freunde besorgt, auch wenn ihm eine Ungeheuerarmee an den Fersen klebte, die seinen Tod wollte. Auch wenn ich wusste, dass er schon ne Menge unfreiwilliger Kampferfahrungen gesammelt hatte und sicher einigen Monstern problemlos den Gar ausmachen konnte, behagte auch mir der Gedanke nicht, ihn allein zurück zu lassen. „Vergiss es!“ Annabeth wirkte regelrecht erzürnt, aber vermutlich nur aus Sorge um ihn. „Ich schaff das schon.“ „Nein!“ „Aber sicher!“ „Ihr streitet euch ja wie ein altes Ehepaar.“, warf Nicky grinsend in den Disput der beiden Halbblute ein. Den Gedanken hatte ich auch schon gehabt, nur hatte ich mich zurückgehalten ihn auszuposaunen, da ich Percys Gefühle gegenüber Annabeth kannte und ihn das mit Sicherheit in Verlegenheit bringen würde. Nicky wusste eigentlich auch was Sache war, aber ja. Wie nicht anders zu erwarten war, verstummten beide. Während Annabeth nur genervt die Augen verdrehte, lief Percy ziemlich rot an, was er zu vertuschen versuchte, indem er plötzlich Blackjacks Verletzung noch einmal einer genaueren Untersuchung unterzog. Aber zumindest war Ruhe eingekehrt. Lösung hatten wir allerdings immer noch keine. „Grover, würdest du bei Percy bleiben? Dann kann ich die Mädchen notfalls verteidigen, wenn wir noch mal angegriffen werden und du kannst zumindest aufpassen, dass er keinen Quatsch macht.“ Annabeth hatte die kurze Pause zum Grübeln genutzt und natürlich einen Plan entworfen, wie es sich für eine Tochter der Athene gehörte. Bei diesen Worten erstarrte Grover geradezu angstvoll. „Ehm, Annabeth, wäre es nicht besser, du bleibst hier und ich fliege mit den Mädchen ins Camp?“ Vor lauter Nervosität hörte sich Grover wie eine meckernde Ziege an. Es sah ganz so aus, als würde er nichts sehnlicher wollen, als hier weg zu kommen. Annabeth schien diesen Gedanken abzuwägen. Grover hatte sich zwar auch tapfer durch alle bisherigen Abenteuer geschlagen, aber im Kämpfen war er nicht gerade der Talentierteste, zu mal er nicht mehr als eine Panflöte zu seiner und unserer Verteidigung besaß und nur mit schiefen Interpretationen von irgendwelchen Charthits würde er sicher nicht alle Monster platt machen können. Allerdings hatte Grover es auch schon geschafft Percy mehr oder weniger heil im Camp abzuliefern und sich für einige Monate allein auf die große Pan-Suche gemacht, die zwar auch nur dazu geführt hatte, dass Percy ihn aus den Fängen eines Zyklopen retten musste, aber ja. Dennoch hatte er schon seinen Mann- eh Bock- gestanden und so konnte man ihm schon etwas zutrauen. „Von mir aus. Aber sei wachsam. Wenn irgendetwas passiert, versteckt euch und kontaktiert notfalls Chiron. Etwas Wasser werdet ihr schon finden.“ Schließlich stimmte sie dem Vorschlag zu. Ich hatte dazu allerdings eine andere Meinung: „Und was ist mit Kid und Blackjack? Wenn ihr angegriffen werdet, könnt ihr kaum kämpfen und sie gleichzeitig im Auge behalten. Zumindest eine von uns sollte hier bleiben und euch Rückendeckung geben. Grover und Nicky können ja ins Camp fliegen und Hilfe holen.“ Ja ich weiß, gerade eben hatte ich mich noch mit jeder Faser meines Körpers geweigert, die ganze Sache als real zu akzeptieren, doch nun, da ich allmählich begriff, dass dies hier im Grunde das Abenteuer war, auf was ich schon seit Jahren wartete, wollte ich mich nicht so einfach wegschicken lassen. Nicky in Sicherheit zu schaffen, hatte für mich dabei aber trotzdem höchste Priorität. Doch ich hatte die Rechnung natürlich ohne meine liebe Freundin gemacht, denn die hatte genauso wenig Lust, sich etwas entgehen zu lassen: „Wie wäre es denn, wenn wir einfach alle hier bleiben, die Pegasusse sich wieder aufraffen und wir einfach langsam zum Ziel laufen? Ich weiß ja nicht, wie viele Horrorfilme ihr schon gesehen habt, aber es ist doch immer so, dass die Leute eigentlich nur angegriffen und getötet werden, sobald sie sich aufteilen, oder?“ Grover gefiel diese Variante so ganz und gar nicht: „Aber…aber, sollte nicht vielleicht wenigstens Einer Hilfe holen?“ Annabeth war ganz und gar nicht dumm und so entging ihr natürlich ebenso wenig, dass ihr Ziegenkumpel schleunigst die Kurve kratzen wollte: „Gut, Grover dann flieg du zurück ins Camp. Alleine solltest du schnell genug sein, um einem Angriff zu entgehen. Verständige bitte Chiron. Vielleicht kann er uns Argus mit einem Transporter für die beiden Verletzten schicken. Wir versuchen in der Zwischenzeit so weit es geht in Richtung Camp zu laufen.“ Kaum stand nun unser Schlachtplan, schwang sich Grover auf sein Pegasus und war im Nu davon. Etwas verwirrt schaute ich dem Satyr nach. Irgendwie benahm er sich merkwürdig. Auch Annabeth entschwand keinen Augenblick später, da sie unsichtbar die Gegend nach potenziellen Gefahren sondieren wollte. Der klägliche Rest half den beiden verletzten Pferden auf die Hufe. Kid hatte es zwar nur den Flügel demoliert, dennoch jammerte er bei jedem Schritt, als hätte er sich alle Knochen gebrochen. Blackjack, der ja wirklich eine Laufbehinderung hatte, nahm sich ein Beispiel an seinem heroischen Reiter und biss die Kauleiste zusammen. So spazierten wir immer und immer weiter durch den Forst. Wir kamen zwar nur langsam voran, aber wir kamen voran. Ab und zu schwang sich auch Annabeths Pegasus auf die Flügel um zu erkunden, ob wir noch in etwa die richtige Richtung hatten, denn einen Kompass hatte natürlich niemand mal eben einstecken, MacGuyver war leider auch nicht da um uns eine „Wie bastel ich einen Kompass aus einer Haarnadel und Socken“-Lehrstunde zu geben und auch an einem Hexenhaus kamen wir nicht vorbei, an dem wir hätten nach dem Weg fragen können. So liefen und humpelten wir auf gut Glück durch einen ziemlich düsteren Nadelwald und hofften vielleicht irgendwann mal an eine Straße zu kommen, an der man sich besser orientieren konnte. Aber für eine ganze Weile begleiteten uns nur Bäume, nichts als Bäume und abermals Bäume. Oder zumindest fast. Während ich Kid ein wenig führte, damit er sich bei seinem theatralischen Gebärden auf dem unebenen Untergrund nicht noch tatsächlich die Beine brach, schaute ich mich eine Weile lang um und versuchte die am Boden wachsende Flora ein wenig näher zu bestimmen. Da die Nadelbäume erstaunlich mächtig waren und dichte Kronen hatten, kam nur sehr wenig Licht nach unten durch, was sowohl für eine ziemlich düstere Atmosphäre, die geradezu eine Paradiesszenerie für unerwartete Monsterangriffe war, als auch für ziemlich spärlichen Unterbewuchs sorgte. Aber auch davon erkannte ich nur ziemlich wenig, was mich ein wenig enttäuschte, denn ich hätte mich irgendwie gern mit etwas Vertrauten umgeben, während ich mit zwei fremden Teenagern und vier fremden Pegasi in einem fremden Wald eines fremden Landes spazieren ging und uns vermutlich noch viel fremdere Monster belauerten. Aber da die Pflänzchen nicht für Ablenkung sorgten, musste ich mir wohl selber welche verschaffen. Es gab da nämlich noch eine Frage, die mir zu schaffen machte. Also trieb ich Kid ein wenig an, um zu Percy aufzuschließen, der die Führung unserer kleinen Invalidentruppe übernommen hatte. „Percy? Kann ich dich mal was fragen?“, sprach ich ihn leise an. Die hinkenden Pferde und unsere nicht ans Schleichen gewöhnten Schritte waren zwar so schon nicht gerade geräuschlos, aber in der sonstigen Tonarmut des Waldes wollte ich durch lautes Reden nicht unangenehm auffallen. „Klar, was gibt’s denn? „Es ist zwar nicht gerade überlebensnotwendig, aber ich wollte wissen, was mit Grover los ist. Er wirkte so, wie soll ich es sagen, gehetzt?“ Grover war noch nie der Ausgeglichenste gewesen, aber so extrem nervös war er nicht beschrieben wurden und dass er geradezu darum gebettelt hatte, seine Freunde allein lassen zu können, hatte mich nun wirklich sehr verwundet. Der Satyr war zwar nicht immer eine Hilfe in allen Kämpfen gewesen, aber das hatte ihn noch nie daran gehindert seinen Freunden beizustehen. Auf meine Frage hin, seufzte Percy erst einmal. Er sah auch nicht gerade glücklich aus, als er zögerlich antwortete: „Naja, Grover geht es seit einiger Zeit nicht so gut. Ich weiß ja nicht wie weit ihr euch auskennt, aber vor ein paar Monaten hat er einige Male Kaffee getrunken und daraufhin Pan gehört. Es ist ja sein Lebensziel den vermissten Waldgott zu finden, deshalb war er natürlich total aufgeregt und seither…“ „Lass mich raten, trinkt er nur noch Kaffee?“ Ich konnte mich noch gut dran erinnern, wie das Buch geendet hatte. Grover hatte sämtliche Satyrn im Lager mit seinem „Trinkt Kaffee und ihr hört Pan“-Wahn angesteckt und dann angeblich noch mal Pan gehört, der ihn um Hilfe gebeten hatte. Aber das war vor fünf Monaten gewesen und ich hatte eigentlich angenommen, dass es sich mit dem Kaffeegeflüster langsam mal gegeben hatte. Percy nickte deprimiert: „Ja leider. Er schläft und isst kaum noch, sondern trinkt nur noch dieses eklige Gesöff. Er ist das reinste Nervenbündel und wartet nur darauf, was ihm die Kaffeebohnen als nächstes erzählen. Am Liebsten wäre er sofort wegen Pan losgestürzt, aber Chiron hat sämtlichen Satyrn Ausgangsverbot erteilt, weil es viel zu gefährlich ist, solang wir nicht wissen was Chronos als nächstes plant. Die Monsterangriffe haben sich in den letzten beiden Monaten auch immer mehr verstärkt. Wir brauchen also jede Unterstützung. Also sitzt er praktisch auf glühenden Kohlen und trinkt deshalb nur noch mehr Kaffee. Langsam glaub ich durch seine Ader fließ gar kein Blut mehr, sondern Kaffee.“ „Oh je, wirklich so schlimm?“, hakte Nicky nach, die das Gespräch natürlich ebenso verfolgt hatte. „Ja leider. Früher hat er sich Dosen als Snack mitgenommen, heute kippt er sich die braune Brühe rein und lässt die Verpackung unbeachtet. Nicht mal Enchiladas interessieren ihn mehr. Außerdem ist er furchtbar schreckhaft geworden.“ Percy klang so traurig, dass ich richtig Mitleid bekam. Immerhin war Grover sein bester Freund und wenn der Ziegenknabe schon keinen Hunger auf Enchiladas, seiner absoluten Lieblingsspeise, und Verpackungen hatte- nur zur Erklärung, aus irgendeinem Grund fressen Satyrn alles mögliche an Kunststoff, vermutlich um die Umwelt zu entlasten- musste es ziemlich ernst sein. „Wollte er deshalb auch so schnell von hier weg?“, erkundigte ich mich noch mal genauer, woraufhin Percy nickte. „Sein Espressovorrat war aufgebraucht und ohne wenigstens eine Dose innerhalb von einer Stunde dreht er völlig durch.“ „Ihr müsst ihn einfach mal auf Entzug setzen, sonst macht er sich ja noch fertig.“, schlug Nicky vor. Der Junge zog die Augenbrauen hoch und seufzte: „Die Idee hatte Annabeth auch schon. Aber er ist danach gleich ganz zusammengebrochen und lag zwei Tage wie ein apathischer Zitteraal herum. Außerdem schafft er es auch immer wieder irgendwie heimlich an das Zeug zu kommen. Es hat sich fast schon ne Kaffe-Mafia im Camp gebildet. Ich hab’s zwar noch nicht gesehen, aber ich hab das Gefühl die Steel-Brüder stecken dahinter.“ Schmugglerei war bei Kindern des Schutzgottes der Langfinger ja nun auch nicht abwegig und dass es bei den Satyrn einen reißenden Absatzmarkt gab, war ebenso logisch, denn ohne das koffeinhaltige Gebräu könnten sie ja vermutlich Pans nächsten Anruf verpassen. Ich hatte zwar keine Ahnung warum Pan ausgerechnet durch hochkonzentrierten Kaffee plaudern musste, es sei denn natürlich er saß auf ner Kaffeeplantage als lebendiger Düngerspender fest, wurde bei Starbucks zu Zwangsarbeit genötigt oder klemmte irgendwo in einer Kaffeemühle, aber das war wohl zunächst unser geringstes Problem. Percy fiel nämlich gerade noch etwas anderes auf: „Sagt mal, wie lang ist es her, dass Annabeth das letzte Mal hier war?“ Das Mädchen mit der unsichtbar machenden Yankees Baseballmütze hatte uns aller paar Minuten etwas zu geflüstert, um die Lage zu checken. Doch nun waren bereits zehn Minuten ohne einen Statusbericht vergangen, wie mir ein Blick auf die Uhr verriet. Besorgt sah sich Percy um. Doch im schattigen Zwielicht der Bäume war nicht die kleinste Bewegung zu erkennen oder zu hören. Letzteres war etwas, was mich dann doch stutzig machte. Natürlich, ein Wald war keine Partymeile und man erwartete nur etwas Rascheln der Nadeln im Wind, hier und da einen knackenden Ast, ein grunzendes Wildschwein oder ein paar lieblich zwitschernde Vögel, aber hier war nichts davon. Nicht mal ein einziger verirrter Piepmatz gab einen Laut von sich. Es herrschte praktisch Totenstille. Nicht gut. Gar nicht gut. Auch Percy und Nicky hatten mein Lauschen nach Nichts bemerkt. Als uns drei klar wurde, dass irgendetwas nicht stimmen konnte, blieben wir automatisch stehen. ‚Ach na endlich ne Pause! Ich dachte schon wir wollen einen Marathon laufen. Und das mit meiner Verletzung.’, beklagte sich Kid mal wieder in einem übertrieben erschöpften Tonfall. Doch keiner von uns hatte den Nerv dem Hypochonder die Meinung zu geigen. Dazu lauschten wir alle Drei viel zu gespannt in die Stille. „Annabeth!“ Percys Ruf war nicht mehr als ein Flüstern, das auch vom Wind hätte kommen können, wenn Wind gewesen wäre. Der hatte sich nämlich auch schon klammheimlich aus dem Staub gemacht, was die ganze Umgebung nur noch lebloser machte. Nichts geschah. Wir warteten eine Weile, doch von unserer Späherin fehlte jedes Lebenszeichen. Auf Percys Gesicht breiteten sich tiefe Sorgenfalten aus. „Vielleicht ist sie einfach nur etwas weiter entfernt und kann uns nicht hören.“, wisperte ich Percy zu, bevor ich ebenfalls leise nach Annabeth rief. Doch wieder herrschte nichts als gähnende Stille. „Annabeth!“ Nicht nur Nickys ziemlich grauenvolle Aussprache des „th“ ließ mich zusammen zucken, sondern auch die Tatsache, dass sie es fast in normaler Lautstärke herausposaunt hatte. Vermutlich hatte sich meine Freundin nur versehentlich in der Lautstärkereglung ihrer Stimme vergriffen, das passierte ihr ab und an, doch ich hoffte ganz stark, dass ihr Ruf für die potenziellen Monster in der Umgebung nicht wie ein „Hier gibt’s Futter“-Riesenleuchtpfeil war. „Bei Hades Turnhose, ich bin nicht taub! Hört auf so einen Krach zu machen, hier schleicht etwas herum.“, zischte es plötzlich ganz nah bei uns. Ich wusste zwar nicht, was Percy und Konsorten immer mit der Sportunterwäsche des Chefs der Unterwelt hatten, aber Fluchen war wahrscheinlich auch nicht einfach, wenn es mehrere Götter gab, denen man aber um, äh Zeus Willen, ja nicht auf den Schlips treten durfte, wenn man sich noch auf dem Olymp blicken lassen wollte. Aber ich war froh Annabeth raunende Stimme zu hören. Zumindest hatten unsere Gegner ihr Abendmahl noch nicht begonnen. Percy sah auch gleich viel entspannter aus, auch wenn er versuchte sich das nicht anmerken zu lassen: „Hast du etwas gesehen?“ Annabeth setzte ihr Baseballcappi ab und wurde wieder sichtbar, sodass uns ihr Kopfschütteln nicht entging: „Nein, ich hab nur etwas gehört. Ich bin nicht nah genug heran gekommen, aber es scheinen entweder mehrere zu sein oder etwas Großes. Jedenfalls ist es in der Nähe und da ihr ja dummerweise stehen geblieben seid, hat es wohl schon aufgeholt. Ich denke wir sind aber sowieso zu langsam, also werden wir uns früher oder später einem Kampf stellen müssen. Hier ist es aber nicht gerade geeignet, also lasst uns weiter gehen und einen besseren Ort mit Verteidigungsmöglichkeiten suchen.“ Die Tochter der Athene war ganz in ihrem Element. Mit einem kundigen Blick hatte Annabeth die Umgebung sondiert und schnell einen groben Schlachtplan entwickelt, dem keiner etwas zu ergänzen hatte. Alles war besser als hier herumstehen, denn mittlerweile legte sich das Schweigen des Waldes wie eine viel zu dicke Steppdecke über unser Gemüt und mit dem Wissen, dass da tatsächlich etwas hinter uns her war, wurde das Ganze echt ziemlich unheimlich. Auf meiner Haut fühlte ich eine seltsame Spannung, so als wäre mir die Epidermis plötzlich zu eng. In Anbetracht dessen, dass uns wohl in Kürze ein Kampf gegen weitere mythische Wesen bevorstand, kehrte auch das flaue Gefühl in der Magengegend zurück. Ich hoffe echt, dass Percy und Annabeth gut im Training standen. Nicky und ich waren zwar eigentlich Karatekas, aber leider ziemlich aus der Übung und ich für meinen Teil hatte ja schon erlebt, wie sich mein Angsthase von Körper einem Monster gegenüber verhielt. Vermutlich wäre es doch ratsam gewesen mit Grover mit zufliegen. Doch nun war es zu spät um die abenteuerlustige Stimme in meinem Kopf für ihren Vorschlag zu rügen und ich wollte die beiden Verletzten auch nicht im Stich lassen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als auf das zu warten, was da kommen sollte. Und das kam plötzlich ziemlich rasch. Mit einem Male war die Stille unter dem Nadeldach gar nicht mehr so still. Nadeln knirschten, Äste barsten und das aus mehreren Richtungen. Die Jagd war anscheinend eröffnet und wir waren die bemitleidenswerte Beute. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)