Das Gemälde des Sterbenden Knaben von Glasmond (Sequenz xx) ================================================================================ Kapitel 9: Kapitel 4 (Teil 3) ----------------------------- Gerade, als er sich nach Leonardos Befinden erkundigen wollte, öffnete sich die Tür und Salaj höchstpersönlich betrat den Raum. Er registrierte Ezio und lächelte ihn unschuldig an. Ezio wollte ihn ankotzen. Dann wand er sich Leonardo zu. „Da seid ihr ja, Maestro Da Vinci. Ich habe lange auf euch gewartet… Ich dachte, ich sollte euch um Mitternacht abholen?“ „Mi dispiace. Ich habe Ezio hier getroffen, und wir haben uns wohl etwas verquatscht. Ich komme sofort.“ Erwiderte Leonardo und hob seinen Koffer auf. „Ezio, du bleibst wohl noch etwas bei Francesca, nicht? Ich möchte sie ungern allein lassen.“ Ezio nickte, ließ den Blick aber nicht von Salaj ab. „Gut. Schön. Wegen dem Gemälde für deinen Onkel … komm einfach die Tage nochmal vorbei. Oder soll ich doch mit nach Monteriggioni kommen? Ich weiß nicht so recht. Natürlich müsste Salaj mitkommen.“ Salaj lächelte Ezio weiterhin an. Ezio dachte fieberhaft nach. Ja, er wollte Leonardo bei sich haben. Bei sich zu Hause, bei seinen Liebsten, in Sicherheit. Aber er würde damit auch einen Feind ins Haus holen und somit seine gesamte Familie gefährden. Das konnte er nicht riskieren. Langsam schüttelte er den Kopf. „Nein. Ich denke, das Bild wird in deiner vertrauten Umgebung besser werden als bei mir zu Hause.“ Leonardo nickte. „Danke für dein Verständnis. Wenn ich das Bild beendet habe werde ich dich aber sicherlich besuchen kommen. Und jetzt gehab dich wohl, mein Freund.“ Sagte er und räusperte sich. Es klang als würde er ein schmerzhaftes Husten unterdrücken. Dann verließ er den Raum. „Ich komme sofort nach, Maestro.“ Sagte Salaj lächelnd und fixierte Ezio. „Nur einen Moment.“ Ezio ging langsam um das Bett herum und stellte sich schützend vor die bewusstlose Dirne, bereit den Jungen jederzeit zu töten. „Was willst du, verdammt nochmal? Wie bist du hier reingekommen?“ zischte er, sich an das Hausverbot von Teodora erinnernd. Mörderisch funkelte er Salaj an, und wenn blicke töten könnten, würde er auf der Stelle in die Hölle fahren. „Das sagte ich dir bereits, Ezio Auditore. Du sollst ihn in Ruhe lassen. Ich finde es nicht besonders amüsant dich hier mit ihm anzutreffen.“ entgegnete der Junge fröhlich und verschränkte seine Arme hinter seinem Rücken. „Das Hausverbot ist leicht zu umgehen, wenn man weiß, wie. Nicht nur du kannst ungesehen durch Mengen streifen, Assassine. Und jetzt hör mir zu.“ Er ging auf Ezio zu und blieb vor ihm stehen. „Wenn du mich umbringst, wird Leonardo von einem meiner Verbündeten getötet werden, auf der Stelle. Versuch’s ruhig, wenn du dich traust. Zudem hab ich mir noch etwas Schönes einfallen lassen, extra für dich. Ich schätze, du hast seinen jämmerlichen Zustand bemerkt?“ Ezio begriff in Sekundenbruchteilen. „Gift“ keuchte er. „Genau. Und ich bin jetzt schon ein bisschen spät dran mit dem Gegengift, aber was soll‘s. Nur ich kenne die Rezeptur, die den Ausbruch des Gifts verhindert, und wenn ich sie Leonardo nicht tagtäglich verabreiche würde er innerhalb eines Tages zugrunde gehen. Wie du siehst wäre es äußerst unklug mich zu auszulöschen.“ „Du widerlicher Drecksack! Was willst du von ihm?!“ widerholte er. „Nur ein paar Kleinigkeiten. Er soll mir etwas entziffern, mir Pläne skizzieren. Und mir Informationen liefern. Er besitzt eine außerordentliche Fähigkeit. Er kann Zusammenhänge zwischen Informationen erkennen, weißt du. Das macht sein Genie aus. Und dann, mein Freund, bin ich auch schon wieder weg. Und wer weiß, wenn du Glück hast und brav bist lebt er dann noch.“ Mit diesen Worten machte er kehrt und schritt durch die Tür. Ezio blieb noch eine Weile vor dem Bett stehen. Er war fassungslos. Er fühlte sich schwach und hilflos. Leonardo verkehrte mit dem Teufel und war sich dessen nicht einmal bewusst. Was konnte er tun? Zuerst würde er seinen Freund in Sicherheit bringen müssen, an einen unbekannten Ort. Dann Salaj ausfindig machen und ihm sein Gegenmittel stehlen. Oder vielleicht die Rezeptur für das Gegengift in seinen persönlichen Hab und Gut finden… Und danach ihn umbringen. Nein. Erst foltern, dann umbringen. Ezio fasste sich an den Kopf und zügelte sich. Solche Gedanken waren nicht gut für Geist und Seele. Leonardo würde ihn vielleicht auf ewig hassen, aber das würde Ezio in Kauf nehmen. Hinter ihm regte sich etwas und Ezio drehte sich um. Francesca erwachte gerade aus ihrer Ohnmacht und sie stöhnte leiste. Er ging zu ihr und setzte sich neben sie aufs Bett. „Wie geht es Euch?“ fragte er. Sie blickte sich im Zimmer um, etwas konfus, dann sah sie Ezio an. „Mir ist ein wenig schwindelig, Signore. Wo ist Maestro da Vinci?“ „Er musste gehen.“ Entgegnete Ezio und biss die Zähne zusammen. „Ihr habt lang geschlafen.“ „Oh“ machte sie und wurde ein wenig rot. „Es freut mich, dass ihr wohlauf seid. Ruht euch noch ein wenig aus. Ich schätze, euer Körper hat unlängst Hochleistungen vollbracht.“ sagte er und bemühte sich um ein Lächeln. Sie wurde noch etwas röter, kicherte und vergrub ihr Gesicht unter der Decke. Ezio strich ihr durchs Haar und verließ dann das Zimmer. Er würde nicht mehr untätig herumsitzen. Er würde etwas unternehmen. Ezio war gerade im Aufenthaltsraum angekommen und wollte ein paar Worte mit Teodora wechseln als es gewaltig an der Tür hämmerte. „Wieder ein unzufriedener Freier!“ rief eine der Dirnen aus. „Lasst ihn nicht rein!“ Gerade als er dachte das Hämmern wäre etwas unüblich für einen normalen Freier barst die Tür in zwei Teile. Ezio spürte die gewaltige Gefahr, und die Ereignisse überschlugen sich. Wie von einem Instinkt aus einem früheren Leben geleitet blieb die Zeit für Ezio fast gänzlich still. An seiner linken flog ein Stück der Eichentür vorbei und traf einen Freier an der Schläfe, wohlmöglich tödlich. Zu seiner Rechten zog Teodora mehrere Wurfmesser unter ihrem Rock hervor und zielte. Die Dirnen schrien und liefen panisch in die oberen Stockwerke und durch den Hintereingang hinaus. Anna und eine weitere Dirne standen geschockt hinter dem Diwan neben der Tür, zu ängstlich um zu flüchten. Und in der Tür stand einer der massiven Männer der letzten Verfolgungsjagt. Sie hatten ihn gefunden. Die trüben Augen fixierten ihn, und sein Mund verzog sich zu einem unkoordinierten Grinsen. Dann traf ein Wurfmesser seine Schulter, ein weiteres seinen Hals. Der Koloss zuckte kurz zusammen, ging dann aber auf Ezio zu und riss dabei wütend einen Tisch in die Luft als wäre er aus Papier. Zwei weitere Riesen folgten ihm durch die Tür. Einer der beiden ging in Richtung des Nebenzimmers, in welchem Ezios demolierte Rüstung aufbewahrt wurde und hielt dort nach ihm ausschau. Das alles passierte in wenigen Sekundenbruchteilen. „Bitte, geh!“ Schrie Teodora in Angst um ihre Mädchen Ezio zu. Ja, sie waren hinter ihm her. Er musste sie fortschaffen. Er musste das Bordell so schnell wie möglich verlassen. „He“ rief Ezio und warf dem Größten der Dreien eine Vase an den Kopf. Sie zerschellte wie eine Seifenblase und hinterließ in etwa auch so viel Schaden. „Stört es euch eigentlich sehr, dass eure Mutter gleichzeitig eure Schwester ist?“ Ezio wusste nicht genau ob sich die Kerle angegriffen fühlten – er wusste eigentlich nicht einmal ob sie seine Sprache verstanden – aber zumindest der, der das Zimmer mit seiner Rüstung darin betreten wollte machte auf der Stelle kehrt und folgte dem Klang seiner Stimme. Ein weiterer der Kerle stand plötzlich neben ihm. Er musste durch die Hintertür hereingekommen sein. Ezio, der gerade noch so mutig ungehobelte Worte von sich gab, stieß einen grenzfemininen Schrei aus und wich gerade noch der Faust des Mannes aus. Sofort stürmte er durch den Hintereingang hinaus und sah gerade noch wie Teodora sich über eine verwundete Dirne beugte. Die vier Männer folgten ihm. Ezio lief durch verzweigte Gassen, darauf bedacht keine Zivilisten in Gefahr zu bringen. Die Männer folgten ihm unaufhaltsam und wirkten noch zielstrebiger als beim letzten Mal. Ezio würde diesmal nicht so leicht fliehen können. Aber das hatte er so wie so nicht vor, er wollte ihnen den Garaus machen. Nur wie? Er sprang über ein paar Pfosten und überquerte so einen schmalen Kanal. Die Kolosse folgten ihm. Nur mit seinem versteckten Dolch und seiner Pistole im Armschutz würde es schwer werden, aber er musste es versuchen. Auf der anderen Seite angekommen bog er rasch in eine Straße ab, außer Sichtweise der Verfolger. Er drehte sich sofort um und lud seine Pistole. Einen Atemzug später kam auch schon der erste der Monstren um die Ecke. Ezio hob die Hand, packte ihm am Hals und schoss ihm direkt in den Kehlkopf. Der Mann ging ein paar Schritte weiter ohne zu realisieren dass ihm etwas Wichtiges geraubt wurde: Die Luft. Dann strauchelte er. Zu Boden ging er aber nicht deshalb, sondern dadurch dass einer seine Gefährten ihm eine Axt in die Schulter schlug. Schockiert über diesen Anblick blieb Ezio eine Sekunde zu lang stehen – und wurde von derselben Axt, die immer noch in der Schulter des Verwundeten Mannes steckte, quer über Schulter und Brust verletzt. Er keuchte auf und sprang zurück. Sofort färbte sich sein Hemd rot. Der Schnitt fühlte sich nicht sehr tief an, aber er tat höllisch weh. Ein Aufschrei des Riesen, der lautstark seine Axt aus seinem ehemaligen Kollegen (oder Bruders oder Onkels oder alles zusammen) zog, trieb ihn zur Besinnung und dazu, weiter zu laufen. Er rannte in eine schmale Gasse, doch der Schmerz in seiner Brust schnürte ihm die Luft ab. Er würde nicht länger davonlaufen können. Sein Sichtfeld färbte sich bereits schwarz als sich am Himmel seine Rettung offenbarte. Er nahm seine letzten Kräfte zusammen und lief ein paar Schritte an einer Hausmauer hinauf, ging in die Knie, drückte sich ab und sprang auf einen Lastenträger, welcher zentral in der Gasse hing und schwere Baumaterialien trug. Er wartete noch einen Augenblick bis alle drei Männer in der Gasse waren, dann schnitt er zwei der Seile durch und hielt sich am Tragenden Balken fest, an welchem die Seile befestigt waren. Der Lastenträger kippte, und die schweren Bretter rutschten herab, direkt auf seine Verfolger zu. Keine Zeit mehr kehrt zu machen und eingekeilt von beiden Hausmauern traf sie die volle Wucht der Bretter. Die scharfen Kanten durchtrennten verschiedene Gliedmaßen und schnitten tief ins Fleisch, das Gewicht und die Gewalt des Aufpralls brachen hörbar Knochen. Einer von ihnen brüllte noch wie ein wildes Tier auf, dann wurde es ruhig und nur noch das Blut rauschte in Ezios Ohren. Er wollte sich zuerst am Balken entlanghangeln, doch seine Kräfte waren erschöpft und er musste sich fallen lassen. Unsanft kam er auf dem Boden auf. Er keuchte, hielt sich die Wunde und ging zu dem Berg aus Gliedmaßen, Brettern und Blut. Schwach schob er einen der Balken zur Seite und wandte sofort den Blick ab. Der Aufprall hatte dem ersten der Männer die Visage weggeputzt. Er testete, ob dieser noch atmete, und schob ihn dann zur Seite. Etwas versetzt unter ihm kam der Arm eines weiteren Riesen zum Vorschein. Ezio griff danach und fühlte den Puls. Auch dieser Mann war tot. Allein der letzte, für dessen Ausgrabung Ezio viel länger brauchte, war noch am Leben. Er kniete sich neben ihn und hielt sachte seinen großen Kopf. „Sprich mit mir“, Sagte Ezio atemlos, „Verstehst du meine Sprache?“ Der Riese schien ihn anzusehen, und Ezio meinte festzustellen dass in seinen Augen ein neuer Glanz innewohnte, der ihn menschlicher machte. „Es ist vorbei. Deine Seele wird nun ruhen. Sag mir, warum ihr hinter mir her wart.“ Er versuchte zu sprechen, doch nur Blut und unverständliche Laute rannen aus seinem Mund. Ezio lauschte. „Bitte. Sag es mir. Hat Salaj etwas damit zu tun?“ Die Lippen des Riesen zuckten und er schien immer ein und das Selbe zu wiederholen, doch Ezio verstand ihn nicht. Dann aber drangen schwach die Worte des Mannes an sein Ohr und lösten in ihm beklemmende Gefühle aus. „Bitte töte mich“ war es was der Verwundete von ihm verlangte. Die Art, wie der Mann ihn anflehte, wie er es sagte, und sein Gesichtsausdruck dazu ließen Ezios Herz stehen bleiben. Die Pein, die dieser Mann fühlte, war nicht nur körperlicher Schmerz. Es war etwas viel tieferes, was weder Ezio noch er selbst zu begreifen schienen. „Requiesquat in Pace“ sagte Ezio, legte seine Hand auf seine Brust und lies die Klinge direkt in sein Herz fahren. Einen Atemzug später war der Mann tot. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)