Seven Ways to Perdition von NejiTen-Schreiber ([NejiTen]) ================================================================================ Kapitel 5: Invidia/Neid ----------------------- Unglücklich wird man durch die Betrachtung dessen, was einem fehlt - glücklich nur durch das, woran man sich erfreut. *1 Neji Hyuuga war Arzt. Und als wäre das nicht schon eine Glanzleistung an sich, so kam bei ihm noch hinzu, dass er nicht nur ein Arzt, sondern ein ziemlich genialer, allwissender Arzt war. Tenten beineidete ihn darum. Ihr größter Wunsch war es immer gewesen Ärztin zu werden. Doch mit ihrem zweier Durchschnitt, wurde sie noch nicht einmal zum Medizinstudium zugelassen. Wahrscheinlich hatten sie sich köstlich über sie amüsiert, als sie sich beworben hatte. Sie war eben nur durchschnittlich. Nicht schlechter, aber eben auch nicht besser. Und anstatt Ärztin zu werden war sie nun eine einfache Arzthelferin. Nicht gerade das, was sie sich erträumt hatte. Zwar sprach sie auch mit Patienten, aber drehten sich diese Gespräche doch eher um Termine, als um Krankheiten. Natürlich durfte sie die Patienten auch versorgen, aber während Neji Hyuuga operieren durfte, klebte sie hinterher lediglich ein Pflaster auf die Wunde. Nicht gerade das, was man anspruchsvoll nennen konnte. Eigentlich sollte sie zufrieden sein. Sie hatte eine nette Arbeit – was in diesen Zeiten ja nicht gerade selbst verständlich war -, einen netten Chef, eine nette Wohnung und einen netten Freund. Aber „nett“ alleine war ihr eben nicht gut genug. Frustriert blickte sie auf den Computer vor sich. Auf die Technik konnte man sich heute auch nicht mehr wirklich verlassen. Konnte dieses verdammte Ding nicht einmal das tun, was sie ihm sagte? Wie schwer konnte es schon sein ein simples Rezept auszudrucken? Sie fluchte unterdrückt und warf dem Drucker einen mörderischen Blick zu. Nach einigen Verwünschungen und Klicken später, war endlich ein Geräusch seitens des Druckers zu vernehmen. „Na endlich!“, stieß Tenten erleichtert aus und entnahm das frisch gedruckte Rezept und legte es auf den Thresen, damit Doktor Hyuuga es unterschreiben konnte, wenn er aus dem Behandlungszimmer kam. Dann warf Tenten einen Blick auf ihren PC um festzustellen, dass sie gleich Feierabend hatte, was ein Segen war. Die ganze Zeit vor einem Computer zu sitzen konnte sehr belastend sein. Vor allem für jemanden wie Tenten, die sich lieber körperlich betätigte, als die ganze Zeit zu sitzen. Sie hatte bereits mit dem Aufräumen begonnen, als Neji Hyuuga aus dem Behandlungsraum trat. Er sah wie immer fantastisch aus, selbst nach einem langen Arbeitstag. Hätte es mit der Karriere als Arzt nicht geklappt, hätte er auch als Model arbeiten können. Tenten schenkte ihm ein schüchternes Lächeln, als er auf sie zutrat. „War das der letzte Patient, Tenten?“ „Ja, Dr. Hyuuga. Wenn Sie aber bitte noch dieses Rezept unterschreiben würden? Die Dame wartet noch darauf.“ „Natürlich.“ Er lehnte sich über den Thresen und setzte seine perfekte Unterschrift auf das Papier. „Sitzt Frau Nekoi noch im Wartezimmer?“ Tenten nickte. „Dann werde ich es ihr selber bringen. Du und Sakura könnt schon mal Schluss machen.“ „Danke.“ Tenten schenkte ihm ein warmes Lächeln und machte sich daran ihre Sachen aufzuräumen. Gerade als sie die letzten Utensilien in ihrer Tasche verstaut hatte, ging die Tür auf. Tenten wollte gerade sagen, dass sie bereits geschlossen hatten, als sie erkannte WER dort stand. „Kiba!“, rief sie erfreut, sprang auf und warf sich in die Arme ihres Freundes. „Hey!“, antwortete er mit einem schelmischen Grinsen auf den Lippen. „Da freut sich aber jemand mich zu sehen!“ „Klar freu ich mich!“ „Bist du hier fertig?“ „Ja, bin ich.“ „Dann können wir ja gehen.“ Tenten nickte, löste sich von ihrem Freund und angelte schnell nach ihrer Tasche. ~*~ Neji beobachtete die beiden, wie sie die Praxis verließen. Wie immer wenn er die beiden zusammen sah, versetzte es ihm einen Stich. Sie schienen glücklich zu sein. Tenten lachte fröhlich, als drei der Hunde die ihr Freund mitgebracht hatte an ihr hochsprangen. Ihr Freund war ein Hundetrainer. »Was für ein Beruf«, dachte Neji sich nur abfällig, doch im Grunde wusste er, dass er eifersüchtig war. Kiba hatte alles, was er nicht hatte. Freizeit, Spaß und eine wunderschöne Freundin. Man sollte meinen, dass Neji sich mit seinem Leben glücklich schätzen konnte. Er war renommierter Arzt und verdiente als solcher nicht gerade wenig. Außerdem stand ihm das Erbe seines Vaters von mehreren Millionen zur Verfügung. Doch mehr als sein Geld und seine Arbeit hatte er nicht. Sicher verschaffte ihm seine Tätigkeit eine gewisse Befriedigung, aber als glücklich konnte er sich dennoch nicht bezeichnen. Er hatte sein ganzes Leben für seine Karriere hingegeben. Das Medizinstudium war langwierig und anstrengend gewesen. Doch er hatte es geschafft sogar als Jahrgangsbester abzuschneiden. Sein Vater wäre stolz auf ihn gewesen. Er hatte immer gewollt, dass sein Sohn Arzt wurde und Neji hatte ihm diesen letzten Wunsch erfüllt, obwohl er eigentlich immer hatte Pilot werden wollen. Hoch über den Wolken zu fliegen hatte ihn schon immer in einen kleinen Rausch versetzt. Doch seine Arbeit ließ es nicht zu, dass er oft flog. Als Arzt wurde der Tag von den Patienten bestimmt. Hausbesuche, zahlreiche Untersuchungen und Gespräche waren an der Tagesordnung. Obwohl für die Gespräche in dem hektischen Alltag auch kaum noch Zeit war. Er war gefangen in einem goldenen Käfig, aus dem er nicht ausbrechen konnte. Für ihn kam es nicht infrage seinen Beruf aufzugeben und sich mit dem Geld seines Vaters ein schönes Leben zu machen. Außerdem konnte Geld alleine auch nicht glücklich machen. Eigentlich war Neji vorher nie aufgefallen, dass in seinem Leben etwas Wesentliches fehlte. Während seines Studiums hatte er kaum Zeit gehabt darüber nachzudenken. Selbst als er für eine zeitlang im Krankenhaus praktiziert hatte, war ihm nicht aufgefallen wie eintönig sein Leben eigentlich war. Doch dann hatte er seine eigene Praxis gegründet und war Tenten begegnet. Sie war offen, extrovertiert, fröhlich und warmherzig und damit das genaue Gegenteil von ihm. Erst durch sie hatte er gemerkt, dass ihm die Freude am Leben fehlte. Er machte niemals Dinge einfach nur so zum Vergnügen. Im Gegenteil: Sein Tag war von morgens bis abends genau geplant. Tenten hingegen lebte in den Tag hinein. Zwar hatte sie feste Arbeitszeiten, doch was nach der Arbeit kam wusste sie nie so genau. Neji beneidete sie um ihre Freiheit. Und er bewunderte sie für ihre Offenherzigkeit. „Dr. Hyuuga, ich gehe dann auch mal“, riss Sakura ihn aus seinen Gedanken. Er drehte sich zu ihr um. „Ist gut.“ „Schönen Feierabend!“, rief sie ihm noch zu, bevor sie verschwand. Sakura war ebenso wie Tenten sehr offenherzig. Dennoch hatte sie eine ganz andere Art. Ehrlich gesagt war sie ihm ein wenig zu aufdringlich, doch sie kam gut mit seinen Patienten zurecht. Sie hatte eine zeitlang als Krankenschwester gearbeitet, konnte aber der Belastung, der man als solcher ausgesetzt war, nicht mehr standhalten. Das ganze Heben ging doch ziemlich auf die Rückenmuskulatur. Aus diesem Grund hatte sie ihn gebeten bei ihm arbeiten zu dürfen, als er nach der Zeit im Krankenhaus verkündet hatte eine dermatologische Praxis zu eröffnen. Durch Sakura war er dann auch auf Tenten gestoßen. Die beiden hatten zusammen in einer WG gewohnt und Sakura hatte ihm Tenten empfohlen. Für Neji war das praktisch gewesen. So brauchte er nicht lange zu suchen und konnte sicher sein, dass sich seine beiden Helferinnen vertrugen und sich nicht die ganze Zeit anzickten. Denn das war etwas, was er überhaupt nicht leiden konnte. Und Tenten hatte sich wirklich als Glücksgriff herausgestellt – in mehr als einer Hinsicht. Ihre Warmherzigkeit und gleichzeitige Ruhe wirkend wohltuend auf ihn. Egal wie gestresst er aus dem Behandlungszimmer kam, sobald sie ihr warmes Lächeln auf ihn richtete fiel alles von ihm ab. »Neji, du benimmst dich wie ein verliebter Trottel. Das ist gar nicht deine Art.« Neji schüttelte den Kopf. Er war nicht verliebt. Das konnte gar nicht sein, schließlich wusste er nicht einmal wirklich was Liebe war. Außerdem hatte er keine Lust auf diesen ganzen Beziehungsblödsinn. Wenn er schon nicht wirklich frei war, wollte er wenigstens unabhängig bleiben. Außerdem hatte er gar keine Zeit für Liebe, Romantik und den ganzen Kram. Das vernebelte einem nur das Gehirn, lenkte einen ab. Und wenn er bei seiner Arbeit abgelenkt war, würden sich seine Patienten bedanken. Seine Klienten wären sicherlich nicht erfreut, wenn er anstatt eines Muttermals ganze Hautabschnitte entfernte, weil er über eine Frau nachdachte. Frauen brachten sowieso nur Ärger und waren äußerst nervig. Das behauptete zumindest sein Freund Shikamaru. Und Neji glaubte ihm, schließlich war Shikamaru einer der intelligentesten Leute, die er kannte. Er sollte endlich aufhören über Tenten nachzudenken. Sie war seine Arzthelferin. Nicht mehr und nicht weniger. ~*~ Frustriert fuhr Tenten sich mit ihrer Hand durch die Haare. Momentan lief aber auch nichts wie geplant. Sie hatte mal wieder Streit mir ihrem Computer bei der Arbeit und mit Kiba lief es momentan auch nicht gerade rosig. Sie stritten sich momentan ständig. Sei es, weil einer seiner Hunde mal wieder ihre Schuhe zerkaut oder auf ihren Teppich gepinkelt hatte, oder weil er ihr von irgendeiner Prominenten vorschwärmte, dessen Köter er gerade erzog. War sie Kiba denn nicht genug? Musste er noch mit diesen Societyladys flirten? Was hatten die, was sie nicht hatten? Obwohl, diese Frage war leicht zu beantworten: Geld, Geld, Geld und einen traumhaft weiblichen Körper, den sie mit zahlreichen überteuerten Cremes pflegen konnten. Und natürlich zogen sie sich auch viel besser an, als sie selbst. Tenten lief am liebsten in Schlabberklamotten rum, vor allem zu Hause. Die Ladys von Welt hingegen zwängten sich in enge Designerkleider, um ihre Figur besser zu betonen. Aber Kiba hatte doch gewusst auf wen er sich eingelassen hatte. Das sie nun mal nicht so ein Modepüppchen war. Und er hatte auch immer behauptet, dass es das war, was er an ihr liebte. Doch liebte er sie nun überhaupt noch? Sie unternahmen kaum noch etwas zusammen und wenn sie sich trafen, endete das Ganze in einem handfesten Streit. Es war zum Mäuse melken. Außerdem hatte sie oft das Gefühl, dass er sogar seine Hunde mehr liebte, als sie. „Verdammt, verdammt, verdammt!“ Tenten haute frustriert mit ihrer Hand auf die Tastatur. Der Computer gab ein protestierendes Piepen von sich. „Scheißteil“, grummelte Tenten und starrte mit finsterer Miene auf den Bildschirm. „Tenten!“, erklang eine missbilligende Stimme. Rasch fuhr Tentens Kopf hoch und sie blickte in die Augen ihres Chefs. „Hör auf so finster zu gucken, du vergraulst noch alle Patienten!“ Schuldbewusst zuckte Tenten zusammen. „Es tut mir Leid, Doktor. Ich habe eine kleine Konfrontation mit dem PC.“ „Das sehe ich.“ Neji schritt zu ihr und sah über ihre Schulter. Durch die plötzliche Nähe konnte Tenten seinen Duft riechen und inhalierte diesen genüsslich. Kiba stank meistens nach Hund. Neji stattdessen roch frisch und sauber. Doch warum verglich sie plötzlich Neji mit Kiba? Sie schalt sich innerlich selbst und versuchte sich zu konzentrieren. Neji hatte währenddessen mit den Fingern zu der Tastatur gegriffen und tippte irgendetwas mit rasender Geschwindigkeit ein. Kurz darauf zeigte der Computer an, dass das Dokument gedruckt wurde. Einen Moment später hörte man dann auch schon den Drucker laufen. Tenten war beeindruckt, schämte sich aber auch, dass sie das nicht selber auf die Reihe bekommen hatte. „Öhm, danke“, sagte sie kleinlaut. „Bitte. Du hättest das auch geschafft, wenn du dich ein bisschen mehr konzentrieren würdest.“ Aufgrund seiner barschen Stimme zuckte Tenten erneut zusammen. „Entschuldigung.“ „Ich muss mich auf dich verlassen können, Tenten. Träumen kannst du Zuhause mit deinem Freund.“ „Es läuft grade nicht so gut mit meinem Freund“, rutschte es Tenten heraus. Neji hob anlässlich dieser Verkündung eine Augenbraue und wandte sich von ihr ab. „Private Probleme sollten ihren Job nicht belasten“, antwortete er kühl. „Ich weiß. Ich werde mich bessern“, murmelte Tenten und starrte auf ihren PC, während Neji sich zu seinem nächsten Patienten begab. Sie fühlte sich wie ein Häufchen Elend. Konnte sie denn nichts richtig machen? Nun war Neji auch noch sauer auf sie. ~*~ Neji verfluchte sich selbst. Warum war er so barsch mit Tenten umgegangen? Jeder konnte schließlich mal einen schlechten Tag haben. Aber wenn er es sich recht überlegte, war Tenten auch schon seit mehreren Tagen etwas geistesabwesend. So kannte er sie gar nicht. Wahrscheinlich lag es an ihrem Freund, sie hatte eben so etwas angedeutet. Was hatte der Idiot bloß angestellt? Doch das ging ihn wirklich nichts an. Tentens Privatleben gehörte nur ihr, darin hatte er nichts verloren. Dennoch konnte er nicht damit aufhören Kiba zu verwünschen, da er Tenten zu unglücklich machte. Wusste dieser Kerl nicht, was er an ihr hatte? Er hatte sie überhaupt nicht verdient, wenn er sie nicht wertschätzen konnte. Überhaupt, was wollte sie von ihrem Hundeheini? Er konnte ihr nichts bieten. Im Gegensatz zu ihm selbst. »Neji, was denkst du wieder für einen Mist? Was willst du ihr schon bieten können? Du hast doch nichts als deine Arbeit. Du könntest sie niemals glücklich machen. Sie ist nicht deine Liga.« Trotz dieser wahren Gedanken konnte er es nicht verhindern, dass ein Teil von ihm sich darüber freute, dass es zwischen Kiba und Tenten momentan nicht so gut lief. Diese Freude war absolut irrational, dennoch konnte er nichts dagegen machen. Das Einzige, was ihm blieb, war sich in die Arbeit zu stürzen. ~*~ Sakura stellte eine dampfende Tasse Tee vor Tenten ab. „Danke“, schniefte diese. Sakura zog einen Stuhl zu sich und setzte sich zu Tenten. „Und nun erzähl mal.“ „Da gibt es nichts mehr zu erzählen. Du weißt ja schon alles. Das Einzige was neu ist, ist, dass ich mich von ihm getrennt habe.“ „Aber irgendwas muss doch den Ausschlag gegeben haben.“ „Ja. Er hat eine von seinen Tussis geküsst.“ „Was? Er hat dich betrogen?“ „Ja, aber er fasst es nicht so auf. Meinte es sei doch nur ein Dankeschönkuss gewesen für seine Arbeit! Das ich nicht lache! Als ob ich es tolerieren würde, dass so eine Tussi ihre Lippen auf seine presst!“ „Und er hat sich nicht dagegen gewehrt?“ „Wo denkst du hin, er ist schließlich ein Mann. Ihm hat’s doch gefallen. Außerdem küsst sie besser als ich.“ „Wie kommst du darauf?“ „Weil er es mir gesagt hat.“ „Was für ein Schwein!“, rief Sakura aus. Tenten lachte und weinte gleichzeitig. „Das habe ich mir auch gedacht. Aber es war eh langsam fällig. Wir haben uns auseinander gelebt. Er hat einfach das gemacht, was ich nicht konnte. Den Schlussstrich gezogen.“ „Das hätte er aber auch auf eine andere Art machen können. Außerdem hast DU ihn verlassen.“ „Schon. Aber er hat es provoziert, indem er mir das so locker gesagt hat. Er hatte wohl einfach die Nase voll von mir. Aber ich bin ja auch nichts Besonderes.“ „Jetzt hör aber auf! Du bist eine hübsche und intelligente junge Frau. Wenn er das nicht sieht, ist das seine Schuld.“ „Ich bin weder hübsch noch intelligent, Sakura. In bin höchstens annehmbar. Und wäre ich intelligent, würde ich jetzt in meiner eigenen Praxis stehen und nicht in einer arbeiten.“ „Das hat doch nichts mit Intelligenz zu tun! Auch ein einfacher Bauarbeiter kann intelligent sein. Meinst du, bloß weil man nicht studiert hat, ist man blöd? Intelligenz hat etwas mit Leistungsfähigkeit zu tun. Und Leistungen kann man auf verschiedenen Gebieten erbringen.“ „Das ist ja das Problem. Es gibt kein Gebiet, in dem ich außergewöhnlich gut bin. Ich bin einfach durchschnittlich.“ „So ein Quatsch. Aber davon mal abgesehen, was ist schlimm daran durchschnittlich zu sein? Willst du so ein Genie wie Hyuuga sein? Der hat es doch auch nicht einfach. Ich glaube als Normalo wie du und ich ist das Leben viel einfacher.“ „Meins fühlt sich nicht gerade einfach an.“ „Das liegt daran, dass du so voller Zweifel bist. Tenten, wenn die anderen nicht an dich glauben, musst zumindest du an dich selbst glauben!“ „Hat das nicht mal Pierce Brosnan gesagt?“ Sakura grinste. „Ein toller Kerl, findest du nicht auch?“ „Hm.“ „Aber zurück zu Kiba. Ich finde es gut, dass ihr euch getrennt habt. Ihr passt nicht zueinander. Und sei mal ehrlich: hast du ihn jemals richtig geliebt?“ „Ich dachte, dass ich ihn lieben würde. Was fast das Gleiche ist.“ „Nein, das ist es absolut nicht. Eine Schwärmerei ist wie ein Blatt, das im Winter von den Zweigen fällt. Liebe ist ein ewig lebender Baum.“ „Du bist ja richtig poetisch heute Morgen!“ Sakura lachte. „Und das, obwohl ich so ein Morgenmuffel bin!“ Tenten stimmte in Sakuras Lachen ein. Als wieder Stille herrschte, seufzte Tenten. Sakura sah ihre Freundin prüfend an. „Es ist nicht nur die Sache mit Kiba die dich belastet, oder?“ „Nein“, antwortete Tenten ehrlich und wunderte sich wieder einmal darüber, wie gut Sakura sie kannte. „Was ist es dann?“ „Na ja, wie du bemerkt hast, läuft es auf der Arbeit momentan auch nicht so gut. Ich bekomme einfach nichts gebacken. Neji ist auch schon wütend auf mich.“ „Aha!“, stieß Sakura aus, was Tenten zusammenzucken ließ. „Wieso aha?“ „Jetzt weiß ich, wo der Schuh drückt.“ Sakura beugte sich zu Tenten vor. „So, und jetzt sei mal ehrlich zu dir selbst. Ich werde dir jetzt zwei Fragen stellen und du wirst beide wahrheitsgemäß beantworten, versprichst du mir das?“ Tenten runzelte skeptisch die Stirn, nickte jedoch. Sie konnte ja eh nichts vor Sakura verstecken. „Also – wie lange ist es jetzt her, dass ich dich zu Nejis Praxis geschleift habe und du dein Vorstellungsgespräch hattest?“ Verwundert über diese Frage war Tenten erstmal sprachlos. Damit hätte sie jetzt nicht gerechnet. Sie warf einen Blick auf die Uhr und überlegte einen Moment, bevor sie antwortete. „3 Jahre, 4 Monate, 2 Wochen und schätzungsweise 58 Stunden, wieso?“ „Und wie lange bist du jetzt schon in unseren Chef verliebt?“ Tenten wurde schlagartig rot. „Ich – ähm…“ „Nun?“, harkte Sakura nach. Tenten atmete sie einmal tief durch und antwortete: „3 Jahre, 4 Monate, 2 Wochen und schätzungsweise 57 Stunden und 59 Minuten.“ „Ich wusste es!“, rief Sakura aus und lehnte sich zu Tenten vor. „Und, was gedenkst du zu unternehmen?“ „Gar nichts.“ „Ach, Tenten.“ „Wieso, was soll ich denn unternehmen? Die ganze Sache ist absolut aussichtslos. Hast du dir Neji schon mal angeguckt?“ „Ich sehe ihn fast jeden Tag, genauso wie du.“ „Du weißt, wie ich das gemeint hab. Er sieht nicht nur irre gut aus, er ist auch noch erfolgreich und reich. Und er ist höflich, freundlich, ehrgeizig und mitfühlend.“ „Reden wir von dem gleichen Neji? Mitfühlend? Er ist doch ein totaler Eisblock!“ „Ist er nicht!“, sagte Tenten entschieden. „Das behaupten die Leute nur, weil sie so oberflächlich sind. In sich drin ist Neji ein äußerst liebenswürdiger Mensch, der sich gut um seine Patienten kümmert. Er weiß was er will und setzt sich dafür ein.“ Sakura grinste. „Du bist wirklich rettungslos verliebt. Und es ist an der Zeit, ihn das wissen zu lassen.“ „Spinnst du? Er wird mich auslachen! Er ist viel zu gut für mich!“ „Papperlapapp! Rede nicht so einen Unsinn. Ihr würdet euch perfekt ergänzen.“ Tenten wollte gerade zu einer Erwiderung ansetzen, als Sakura mahnend die Hand hob. „Widersprich mir nicht! Ich kenne dich und ich kenne ihn. Außerdem kann ich die Sache objektiver betrachten, als du. Und ich sage, ihr seid füreinander geschaffen.“ Tenten seufzte. „Selbst wenn es so wäre – und du hast mich nicht davon überzeugt – dann ist es immer noch so, dass ich mich gerade von meinem Freund getrennt habe. Wenn ich ihm jetzt meine Liebe gestehe, denkt er doch, dass ich mich gleich an den Nächstbesten ranschmeiße. Außerdem ist er mein Chef. Das ganze würde nur unser Arbeitsverhältnis belasten.“ „Oder verbessern. Dann wäre endlich diese elektrische Spannung raus, die zwischen euch herrscht. Selbst ein paar der Patienten haben das schon mitbekommen.“ Tenten klappte die Kinnlade herunter. „Wie bitte?“ „Du hast mich schon richtig verstanden. Und glaub mir, es würde euch beiden gut tun. Du brauchst ja nicht sofort zu ihm zu rennen. Aber tu mir den Gefallen und denk mal darüber nach, okay?“ „Okay.“ ~*~ Ruhelos wanderte Tenten auf und ab. Immer wieder musste sie an das Gespräch mit Sakura zurückdenken. Mittlerweile lag dieses zwar schon über einen Monat zurück, doch sie hatte immer noch jedes Wort im Ohr. Sollte sie Neji wirklich ihre Liebe gestehen? Es stand so viel auf dem Spiel. Aber wenn sie nichts tat, dann bewegte sich nichts. Weder nach vorne, noch zurück. Sie würde immer auf der gleichen Stelle treten. Aber war das nicht besser, als ein Schritt zurück? Auch wenn es nicht ihr Traumberuf war, verrichtete sie ihre Arbeit doch gerne. Erst in letzter Zeit war ihr bewusst geworden, was für ein Glück sie hatte. Andere Menschen hatten nicht so viel Glück. Man brauchte nur einen Blick in die Zeitung zu werfen oder sich umzuhören. Viele hatten Angst ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Und viele Chefs nutzten das gnadenlos aus. Doch Neji war so fair wie eh und je. Er honorierte die Leistung anderer. Zwar sang er keine Lobeshymnen, zeigte einem aber doch seinen Respekt, wenn man sich anstrengte. Wie konnte man so einen Mensch nicht lieben? Doch sollte sie es ihn wirklich wissen lassen? Und wenn ja, wie? In dieser Beziehung war sie viel zu schüchtern, um es ihm einfach direkt ins Gesicht sagen zu können. Wie so oft wenn sie frustriert war, raufte sich Tenten ihre Haare. Wie konnte sie sich überhaupt sicher sein, dass sie ihn liebte? Bei Kiba dachte sie ja auch, dass sie ihn geliebt hätte. Sakuras poetische Worte mit dem Blatt und dem Baum fielen ihr wieder ein. Und auf einmal wusste sie, wie sie Neji ihre Liebe gestehen könnte. Es war kitschig, leichtsinnig und feige. Doch es war der einzige Weg. Entschlossen ging sie auf ihren Schreibtisch zu und griff nach Zettel und Papier. Dann begann sie ihre Seele auf das Papier zu bannen. ~*~ Nejis letzte Patientin wollte einfach nicht gehen. Zumindest nicht, bevor sie ihm ihre Lebensgeschichte erzählt hatte. Und sie war schon über 80 Jahre alt, es konnte also länger dauern. Genervt und um Ruhe bemüht, nickte Neji hin und wieder verständnisvoll. Wenn er seine Kundschaft nicht vergraulen wollte, durfte er sie nicht unterbrechen, geschweige denn einfach hinauskomplimentieren. Innerlich stellte er sich schon darauf ein, das Behandlungszimmer erst sehr viel später zu verlassen, als es klopfte. Seine Rettung. „Ja?“, sagte er, erleichtert. Tenten steckte ihren Kopf hinein. Sie war ungewöhnlich rot. „Doktor Hyuuga, ich mache nun Feierabend. Ich habe ihnen noch ein paar Papiere auf den Thresen gelegt. Es wäre nett, wenn sie sich diese einmal durchsehen würden.“ Täuschte er sich, oder wurde ihre Gesichtsfarbe bei diesen Worten noch ein wenig dunkler? Aber vielleicht kam das einfach nur von der Hektik, weil sie nach Hause wollte. Er nickte ihr zu. „Danke, Tenten.“ Damit verschwand Tenten auch wieder und schloss die Tür, doch Neji öffnete diese sofort wieder. „Es tut mir sehr Leid, Frau Matsuyama, aber wie sie gehört haben, wartet noch eine Menge Papierkram auf mich.“ Er dankte Tenten innerlich für diese Ausrede und es gelang ihm auch tatsächlich die alte Dame loszuwerden. Er atmete auf. Dann wandte er sich mit mürrischem Blick den Papieren zu. Er hasste Papierkram. Er warf einen Blick auf das oberste Blatt. Der Unterschied Vor mir fließt ein Bach, stetig und still, Doch ich wünschte, ich wäre am Meer. Wäre genauso wild und frei. Es weht eine leichte Briese, so wie der Wind es will, Doch in meinem Traum fegte ein Tornado vorbei. Neji stutzte. Was sollte das? Das waren eindeutig keine Krankenunterlagen. Das war ein Gedicht. Und noch dazu keins, was er kannte. Er runzelte die Stirn. Hatte sich Tenten vertan? Sie hatte sicherlich aus Versehen private und dienstliche Papiere vermischt. Also sollte er das hier nicht lesen. Doch er war zu neugierig und las auch die nächsten Strophen des Gedichts. Ich kann beobachten, wie die Glut des Feuers langsam erlischt, Doch ich ersehne mir ein wärmendes, loderndes Feuer. Ich fühle mich, wie ein Wartender am Bahnhof, der seinen Zug nicht erwischt, Doch ich erhoffe mir ein Ticket für den nächsten Shinkansen*, sei es auch noch so teuer. In meinem Traum trank ich von dem Wasser, das nie mehr durstig macht. In meinem Traum gab Gottes heiliger Atem mir die Kraft. Genauso schnell wie ein Blitz, wurde das Feuer in mir entfacht. Mein Herz war genauso gefangen, wie ein Straftäter in Haft. Kannst du nun den Unterschied erkennen, zwischen Wirklichkeit und Traum? Zwischen Schwärmerei und Liebe? Ich sag’s dir: Die Schwärmerei ist das Blatt, das im Winter herunterfällt, die Liebe der ewig lebende Baum. Hatte Tenten das selber verfasst? Ich verstand es nicht. Ich griff zu dem nächsten Blatt. Noch ein Gedicht. Konnte das wirklich Zufall sein? Höre nur genau zu Wolken, so weiß wie der Schnee. Die Nacht, so schwarz wie die stürmische See. Der Tag und die Nacht wechseln sich ab. Dazwischen ist nichts, nichts, was ich hab’. Gut gegen Böse, schwarz gegen weiß. Hat nicht alles seinen Preis? Dunkel gegen hell, Liebe gegen Hass. Gibt es jemanden, auf den ich mich voll und ganz verlass‘? Der Verstand kämpft hartnäckig gegen das Herz, Menschen betäuben ihren Schmerz. Schwarzer Kaffe, weißes Ei, Gefangen im selben Eintagsbrei. Aber es ist nicht alles schwarz und weiß. Nicht alles, hat seinen Preis. Es gibt mehr Farben auf dieser Welt, Weise Entscheidungen, die man fällt. Rot, blau und grün, Sind die Farben der Liebe, der Treue und der Hoffnung. Gefühle, die in jedem blüh’n. Es gibt nicht nur richtig und falsch, sondern auch den Mittelweg. Es gibt einen Weg über die stürmische See, eine Brücke, einen Steg. Der Weg ist nicht immer einfach zu gehen, Doch er ist zu überstehen. Glaube nur immer fest daran, es ist nicht alles schwarz und weiß, oder grau in grau. Das Herz weiß was es tut, es ist schlau. Wollte sie ihm mit den Gedichten etwa etwas sagen? Er erinnerte sich daran, wie rot sie gewesen war, als sie das Behandlungszimmer betrat. War es also tatsächlich Absicht, dass diese Gedichte hier lagen? Sollte er sie lesen? Fast schon begierig griff er nach dem nächsten Blatt. Und was er dort las, lies seinen Atem stocken. Erlöse mich! Du besuchst mich in jedem Traum, in jeder Nacht, Bis die Sonne am Morgen erwacht. Du bist der Gedanke mit dem ich aufwache Und das Funkeln in meinen Augen, wenn ich lache. Du bist der, den ich sehen will. Meine Augen stehen auf der Suche nach dir niemals still. Ich kann mich nicht satt sehen an dir, Denn du erweckst die Sehnsucht in mir. Doch ich habe Angst darüber mit dir zu sprechen, Denn ich fürchte mein Herz würde zerbrechen, Wenn du sagen würdest, das du mich nicht liebst Und mich einfach von dir schiebst. Deshalb erlöse mich von meinem Schmerz, Denn er bricht mir das Herz. Bitte gib mir einen Hinweis auf deine Gefühle, Damit ich mich nicht selber die ganze Zeit belüge. Falls du mich lieben solltest, dann gib mir ein Zeichen Und ich werde niemals mehr von deiner Seite weichen. Denn meine Liebe für dich ist grenzenlos Und sie wird dich beschützen, wie ein rettendes Floß. Doch wenn du mich nicht liebst, dann verschwinde bitte aus meinen Gedanken Und bring meine Gefühle für dich nicht mehr ins Wanken. Wenn du mich nicht liebst, dann bitte erlöse mich, Denn im Moment gibt es nur noch dich. Wenn die beiden vorherigen Gedichte auch kryptisch waren, war dieses sehr eindeutig. Doch konnte das sein? Sollten diese Gedichte ihre Gefühle für ihn widerspiegeln? Das konnte nicht ihr Ernst sein. Bis vor wenigen Monaten war sie doch noch mit Kiba glücklich gewesen und jetzt schrieb sie ihm in diesem Gedicht, dass sie ihn schon immer liebte? Doch dann fiel ihm wieder das erste Gedicht ins Auge. „Der Unterschied.“ Wollte sie ihm damit etwa sagen, dass die Sache mit Kiba nur eine Schwärmerei war, sie sich aber ernstlich in ihn verliebt hatte? Oder interpretierte er nur das hinein, was er gerne hören wollte? Er musste es herausfinden. Und dafür gab es nur einen Weg: er musste mit Tenten sprechen. Darüber, was diese Gedichte bedeuteten. Und auch darüber, was sie für ihn bedeuteten. Denn vielleicht konnte es wirklich sein, dass obwohl sie so unterschiedlich wie Tag und Nacht waren, sie doch eines gemeinsam hatten: ihre Liebe zueinander. ~*~*~*~*~ *1 Aus: Jenseits des Regenbogens * Shinkansen ist ein Hochgeschwindigkeitszug in Japan. So wie bei uns der ICE. Ich hoffe, diese etwas seichte Geschichte hat euch gefallen und die Gedichte und der Schluss waren nicht zu kitschig! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)