Hanging By A Moment von SarahSunshine (Naruto OS-Sammlung | NEU: Neji x Hanabi) ================================================================================ Kapitel 1: You're not alone --------------------------- Es war ein kühler Frühlingsmorgen in Konohagakure. Der Himmel war grau. Wahrscheinlich würde es in kürzester Zeit anfangen zu regnen. Die Straßen waren leer. Keine Menschenseele war auf dem Weg. Niemand machte Besorgungen und keine Kinder spielten auf der Straße. Es war trist. Einsam. Traurig. Um die Ecke kam eine junge Frau mit langen blonden Haaren. Sie trug ein schwarzes Kleid und hatte zwei wunderschöne Blumensträuße in der Hand. Ihr Blick war starr auf den Boden gerichtet, während sie einen Fuß vor den anderen setzte. Ihr Weg führte sie durch ein paar Straßen, bis sie den Friedhof ihres Heimatdorfes erreichte. An den Toren blieb sie einen Augenblick stehen. Ihre einst so glänzenden türkisen Augen waren leer und traurig, spiegelten nur noch Schmerz und Leere wider. Unter ihnen zeichneten sich dunkle Augenringe ab. Die einst so junge, lebenslustige Frau wirkte müde und schwach. Sie atmete aus. Ihr Atem wurde zu einer blassen Wolke, verdunste gleich wieder. Langsam betrat sie die Ruhestätte vieler heldenhafter Shinobi, vieler unschuldiger Zivilisten, aber auch vieler glücklichen, alten Anwohnern, die ihre letzte Ruhe an diesem Ort fanden. Wie automatisch trugen ihre Beine sie zu einem bestimmten Grab. Sie machte halt und kniete sich auf das, vom Morgentau befeuchteten, Gras. „Asuma-sensei…“, flüsterte sie leise, „Es tut mir leid.“ Ihre Stimme war gebrochen und schwach. Ihre Lippen begannen zu beben und schon kurz darauf durchbrach ein herzzerreißendes Schluchzen die Stille auf dem Friedhof. Der Blondine liefen unzählige Tränen über die blassen Wangen. Sie legte die Blumen auf dem Grab ihres früheren Lehrers ab und stand dann auf. „Ich war einfach zu schwach…“ Der ganze Körper der jungen Frau zitterte. Sie umklammerte den anderen Blumenstrauß mit ihren dünnen Fingern und ging ein paar Gräber weiter. Ihre traurigen Augen fuhren über die Inschrift des noch gar nicht so alten Grabes. Nara Shikamaru „Warum…?“, hauchte sie atemlos und fiel auf die Knie, „Warum musstest du sterben?!“ Sie krallte ihre Hände ins feuchte Gras, welches sie mit ihren Tränen tränkte. „Warum konnte ich dich nicht beschützen?!“ Ihre Hand ballte sich zu einer Faust. Sie schlug mehrfach hart auf den Boden. „Ich war einfach zu schwach… und du… Du musstest dafür gerade stehen…“ Sie hob ihr Haupt und las sich erneut die Inschrift des Grabsteins durch. Plötzlich spürte sie etwas Kaltes, Nasses auf ihrer Nasenspitze. Daraufhin schaute sie gen Himmel. Die grauen Wolken brachen auf und erfrischten die Welt mit dicken, schweren Regentropfen. Eine Weile starrte Ino bloß in den Himmel. Der Regen wurde immer stärker. Er durchnässte ihr Kleid, ihre Haare. Sie war so in ihre Trauer vertieft, dass sie gar nicht merkte, wie sich ihr jemand näherte. Erst als der Regen nicht mehr auf sie traf, da ein schwarzer Regenschirm über ihr aufgespannt wurde, realisierte sie die andere Person. Das schokobraune Haar und die dunklen Augen, die ihr so vertraut waren. Der stämmige, junge Mann kniete sich neben sie und legte einen Arm um ihren zarten, bebenden Körper. „Was machst du hier, im Regen, alleine?“, fragte er sanft. So sanft, wie sie es noch nie wirklich von ihm gehört hatte. „Ach Choji!“, rief sie aus und warf sich gegen seine Brust. Er war der Einzige, der von ihrem Team noch übergeblieben war. „Es ist alles meine Schuld! Nur meintwegen ist er gestorben!“ Der Braunhaarige drückte sie fester gegen sich und strich über ihren nassen Rücken. „Es ist nicht deine Schuld, Ino. Shikamaru ist im Kampf gestorben. Wir konnten nichts mehr für ihn tun…“ Sie schluchzte in sein schwarzes Oberteil. „Aber er ist nur meinetwegen…“ „Scht!“ Choji sah den Blumenstrauß, der neben dem Grab seines ehemaligen besten Freundes lag, und nahm ihn in die Hand. „Shikamaru ist heldenhaft von uns gegangen. Für sein Dorf, seine Freunde. Um uns zu schützen. Und ich bin mir sicher, er würde nicht wollen, dass du dich so gehen lässt.“ Er drückte sie leicht von sich und schaute ihr in die Augen. Dann führte er ihre Hand zu dem Blumenstrauß. Gemeinsam mit seiner umschloss er diesen und legte ihn auf dem Stein ab. Dann hob er sie auf die Füße, streichelte ihr sanft die Tränen von der Wange, welche mittlerweile durch den Regen und das Weinen gerötet waren. „Wir werden ihn nie vergessen“, flüsterte er und zog sie in eine Umarmung. Ino schmiegte sich an seinen warmen Körper und schloss ihre Augen. Shikamaru, ihr bester Freund, ihr Teammitglied, ihr Retter. Sie würden ihn niemals vergessen. „Und jetzt lass uns gehen. Nicht, dass du noch krank wirst.“ Der Akimichi legte seinen Arm um sie und zog sie langsam auf die Tore des Friedhofes zu. Als sie diese durchschritten, drehte Ino sich noch einmal um. Sie schloss ihre Augen und sah ihr Team vor sich. Damals, als sie gerade zusammen gekommen waren. Jung und unschuldig. „Choji?“, hauchte sie leise und blickte zu ihm auf. Er schaute sie an und vermittelte ihr, dass sie seine Aufmerksamkeit hatte. „Danke.“ ____________________________________________________________________________ © Kapitel 2: Our Fortune ---------------------- Die Sonne in Konohagakure war gerade am Untergehen und tauchte das Dorf in ein wundervolles Orange. Schon wenige Minuten später erstrahlte ein Stadtteil durch viele Lampignons, auf denen kleine weiß-rote Fächer abgebildet waren. Durch die erleuchteten Straßen, auf denen noch einige Kinder spielten oder Erwachsene den Weg kehrten, ging ein braunhaariger, großer Mann mittleren Alters – Fugaku Uchiha. Die Leute, die ihm entgegen kamen, lächelten und begrüßten ihn. Er grüßte zurück, manchmal nur mit einem Nicken und manchmal mit einem freundlichen Lächeln. Sein Weg führte ihn schließlich zu einem großen, imposanten Haus - seinem Haus. Einen Moment lang blieb er einfach dort stehen, musterte sein Heim, bis plötzlich Babygeschrei durch die Fenster nach außen drang. Sein sonst so ernstes Gesicht war geziert mit einem weichen Lächeln. Er betrat sein Heim und entledigte sich seiner Schuhe. Zielstrebig ging er durch sein Haus und schob die Flügeltüren zu einem ganz bestimmten Raum auf. Dort saß eine zierliche Gestalt – Mikoto Uchiha, mit einem weißen Bündel im Arm, auf dem Bett. Er ging auf sie zu und legte seine Hand auf ihre Schulter, woraufhin sie lächelnd aufblickte. „Na, hatte der Kleine wieder Hunger?“, fragte er und hauchte der Frau zur Begrüßung einen Kuss auf die Schläfe. Die Dunkelhaarige nickte und strich dem Baby, das sie in ihren Armen hielt, über den Kopf, an dem sich bereits die schwarzen Haare, die in seiner Familie weitergegeben wurden, abzeichneten. Es hatte seine kleinen Patschehändchen auf der Brust der Frau abgelegt, während es gierig an seiner Futterquelle saugte. Als es genug davon hatte und den Mann sah, quietschte das Baby freudig auf. „Willst du ihn nehmen?“, fragte sie ihren Mann lächelnd, während sie ihr gemeinsames Kind ein wenig hin und her wog. Seine Augen ruhten einen Moment auf dem kleinen Wurm, dann stand er auf und nahm es seiner Frau ab. In seinen Armen wirkte das Baby noch kleiner als in denen seiner Mutter. In der Zwischenzeit zog Mikoto sich ihre Kleidung wieder über. Fugaku stellte sich mit seinem Sohn ans Fenster und beobachtete, wie die Sonne am Horizont immer mehr versank. Ein niedliches Gähnen entfloh seinem Sohn. Er steckte seinen kleinen Daumen in seinen Mund und nuckelte daran herum. Seine Augen fielen müde zu und wenig später war er dann auch schon eingeschlafen, sodass Fugaku ihn in sein Kinderbett legen konnte, das nur einen Raum weiter stand. Nach dem Abendessen saß Fugaku Uchiha auf der Veranda und schaute in die Sterne. Sein Blick war jedoch nicht verträumt, was bei vielen anderen wahrscheinlich der Fall gewesen wäre, so schön wie die Sterne an diesem Abend leuchteten, nein, sein Blick war nachdenklich und angestrengt. Seine Frau kümmerte sich in der Küche um den Abwasch. Als sie fertig war, ging sie zu ihm und legte ihre Hand auf seine Schulter. Er blickte zu ihr hoch, woraufhin sie sich lächelnd neben ihn setzte. „Worüber denkst du nach?“ Ihre Stimme war gutmütig und sanft, was ihn gleichzeitig dazu verführte, sie anzulächeln. Ein Lächeln, das kaum jemand zu sehen bekam. Natürlich lächelte er, wenn er zufrieden war. Und jeder Außenstehende hatte dieses zufriedene Lächeln schon einmal gesehen, aber das Lächeln, was er ihr schenkte, war weich und ernst gemeint. „Ist nicht so wichtig“, erwiderte er und wandte seinen Blick wieder zum Himmel. „Die Sterne sind wunderschön heute Nacht, findest du nicht auch?“ Die Schwarzhaarige lehnte ihren Kopf an die Schulter ihres Mannes und genoss den Anblick des funkelnden Himmels. Nach einer Weile standen die beiden auf, damit sie ins Haus gehen konnten. Mikoto war noch immer ein wenig mitgenommen von der erst kürzlichen Geburt, weshalb sie sich bettfertig machte und schließlich auch im Schlafzimmer verschwand. Fugaku folgte ihr wenig später, als er jedoch Schritte hörte, horchte er auf. Sein Weg führte ihn in das Zimmer, wo sein kleines Baby lag und eigentlich tief und fest schlummern musste. Er stellte sich an das kleine Gitterbettchen und beobachtete das Schauspiel, das sich ihm bot. „Was machst du hier, Itachi? Du solltest doch schon im Bett liegen.“ „Ich wollte Sasuke gute Nacht sagen.“ Fugaku strich seinem Ältesten über den Kopf und nickte. „Dann mach das und ab ins Bett.“ Itachi nickte und griff mit seiner Hand in das Gitterbettchen. „Gute Nacht, Sasuke“, flüsterte er leise. Sasuke umgriff mit seinen kleinen Patschehänden Itachis Finger und quietschte glücklich auf. Ein Lächeln schlich sich auf die Lippen aller Anwesenden. „Geh jetzt, Itachi. Du musst morgen immerhin fit sein.“ „Ja, Vater.“ Itachi verbeugte sich leicht vor dem Familienoberhaupt und verließ dann den Raum. Fugaku hob Sasuke aus dem Gitterbett und wog ihn einen Moment in seinen Armen hin und her. „Du solltest auch schlafen, Sasuke.“ Doch der kleine Uchiha dachte gar nicht daran. Er hob seine dünnen Ärmchen und lachte zufrieden auf. Das Familienoberhaupt ging mit seinem Sohn zusammen aus dem Raum und setzte sich gemeinsam mit ihm auf die Veranda. Die Sterne spiegelten sich in Sasukes kleinen, schwarzen Äuglein wieder. Er wurde auf der Stelle ganz ruhig und blickte bloß in den dunklen Himmel. Dann führte er seinen kleinen Daumen wieder an seine Lippen, damit er daran nuckeln konnte. Es dauerte nicht lange, da war der kleine Wurm schon wieder eingeschlafen. Lächelnd strich Fugaku ihm über die Nasenspitze und stand dann auf, um ihn zurück in sein Bettchen zu bringen und sich dann zu seiner Frau zu legen. Sie drehte sich zu ihm und schaute ihn verschlafen an. „Die Jungs schlafen jetzt“, erklärte er und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Schön“, antwortete sie müde und schloss ihre Augen wieder, um weiter zu schlafen. Und so ging ein weiterer Tag im Hause Uchiha zu Ende. ____________________________________________________________________________ © Kapitel 3: Summerafternoon -------------------------- „Weil ich dich liebe…“ Es waren nun schon mehrere Wochen vergangen, seit Hinata Hyuuga ihrer großen Liebe ihre Gefühle gestanden hatte. Sie wollte ihn beschützen, ihn retten, ihm helfen. Doch sie hatte es nicht geschafft und wäre dabei selber fast gestorben. Es waren schreckliche Erlebnisse gewesen, als Pain es fast geschafft hatte, ihr noch so kurzes Leben zu beenden. Doch Sakura hatte sie gerettet, ihre Wunden geheilt. Allerdings war da eine Wunde, die konnte die Medic-nin nicht heilen, und das war die in ihrem Herzen. Auch nachdem der Kampf beendet und gewonnen war, Naruto von allen als Held gefeiert wurde, war Hinata nicht wichtig gewesen. Für den jungen Uzumaki zählte niemand anders als Sasuke Uchiha. Und die Hyuuga hatte weder die Kraft noch den Mut, Naruto noch mal so gegenüberzutreten, wie sie es dieses eine Mal getan hatte. Sie kurierte sich aus – so gut, wie es im zum Großteil zerstörten Konoha möglich war. Und fast jeden Tag verbrachte sie draußen, unter der dicken Eiche, die ihr immer Schutz und Ruhe geboten hatte, wenn sie ungestört sein und nachdenken wollte – und so auch an jenem Tag. Vorerst sollte sie sich von den Vorkommnissen des Kampfes erholen, weshalb sie in einem hellgelben Sommerkleid auf der Wiese saß und ihre Gedanken schweifen ließ. Doch dieses Mal konnte sie nicht lange alleine sein. „Hinata.“ Die Stimme, die ihren Namen aussprach, kannte die junge Hyuuga - Erbin zu gut. „Hallo, Kiba. Was tust du hier?“, fragte sie und schaute zu ihrem braunhaarigen Teamkollegen auf. Er stand ganz alleine vor ihr. Normalerweise war Akamaru immer an seiner Seite, aber dieses Mal schien es nicht so, als wäre sein Gefährte in der Nähe. „Du schirmst dich ab“, sagte er fest und ging in die Hocke, um mit seiner Freundin auf einer Höhe zu sein, „das ist nicht gut für dich.“ Die einzigartigen Augen der jungen Kunoichi weiteten sich. In all den Jahren, in denen die beiden – und natürlich auch Shino – als Team fungierten, kannte Kiba Inuzuka sie sehr gut – wahrscheinlich sehr viel besser, als sie dachte. Aber das Einzige, was sie auf seine Aussage tat, war, ihren Kopf wegzudrehen. Er hatte recht und das wusste sie, aber sie wollte es nicht einsehen. Einmal war sie über ihren Schatten gesprungen und dann wurde es einfach übergangen. Konnte er sich nicht denken, wie weh ihr das tat?! „Gehen wir ein Stück spazieren?“ Kiba ging aus der Hocke wieder in den Stand und hielt seiner blauhaarigen Teamkollegin die Hand hin. Sie zögerte jedoch einen Moment und wusste nicht wirklich, was sie davon halten sollte. Dennoch legte sie ihre zierliche, blasse Hand in seine und ließ sich von ihm auf die Füße ziehen. Vielleicht war das der erste Schritt in Richtung Neuanfang? Schweigend gingen die beiden Teenager nebeneinander her. Hinata folgte ihrem Freund einfach. Dabei fiel ihr nicht auf, dass dieser eine bestimmte Richtung einzuschlagen schien. Seit Konoha so mitgenommen war, gab es nicht mehr viele schöne Orte, an denen man einfach mal unbeschwert die Zeit genießen konnte. Vieles wurde zerstört und nicht mehr betretbar. Doch es gab einen Ort, der heil geblieben war. Ein kleiner See im Osten, an der Grenze des Dorfes. Hinata achtete gar nicht so wirklich auf den Weg, was dazu führte, dass sie einen Stein übersah und ungeschickt darüber stolperte. Die Reflexe von Kiba hingegen waren gut genug ausgeprägt, dass er sie festhalten und vor einem unangenehmen Aufprall auf den Boden bewahren konnte. „D-Danke“, murmelte sie und senkte ihren Blick. Sie war ab und zu etwas tollpatschig und schämte sich dafür. Es war schwer, den Idealen ihres Vaters gerecht zu werden und da machte ihr jeder noch so kleine Fehler doch zu schaffen, dabei bemühte sie sich immer wieder und steigerte sich eigentlich auch. „Ist schon okay.“ Und so hob Hinata das erste Mal ihren Kopf und entdeckte die schöne Landschaft. Sie kamen aus dem kleinen Waldweg zu einer freien Grünfläche, dessen Highlight der See in der Mitte war. In den hellvioletten Augen der Hyuuga zeichnete sich ein kleines Funkeln ab, als sie diesen idyllischen Ort betrachtete. Es faszinierte sie so sehr, dass sie nicht mal einen Ton von sich gab. Aber die Begeisterung war ihr ins Gesicht geschrieben. „Ein Stückchen müssen wir noch gehen“, meinte Kiba dann und schmunzelte. Wenigstens schien sie der Anblick von ihren trüben Gedanken abzulenken. Er führte sie bis zu einer rot - weiß karierten Decke, auf der ein kleines Körbchen stand. Die Blauhaarige kniete sich auf das Tuch und musterte alles noch einmal ganz genau. Doch bevor sie fragen konnte, fing Kiba an zu reden: „Ich wollte dich einfach überraschen. Du bist in letzter Zeit immer so in dich gekehrt und du sollst mal wieder lächeln. Es ist Sommer und wunderschönes Wetter. Also hör bitte auf, Trübsal zu blasen.“ Die Züge von Hinata wurden weicher, als sie ohnehin schon waren. Sie lächelte ihn sanft an. Dass er sich so um sie sorgte und für sie da sein wollte. Dafür war sie ihm sehr dankbar. Er war eben ein wahrer Freund. „Was hast du denn alles da?“, fragte sie dann und deutete auf den kleinen, braunen Korb. Angesprochener setzte sich im Schneidersitz auf die Decke und holte den Inhalt heraus. Zwischen dem Obst und den Getränken war noch ein kleiner Beutel, den die Hyuuga neugierig musterte. Kiba schien sie ziemlich auf die Probe zu stellen, da er das kleine Extrapaket erst zuletzt raus nahm. Er löste die Schleife und öffnete die Box. „Du hast mir Zimtrollen mitgebracht“, meinte Hinata gerührt. „Danke, Kiba.“ Er wusste, dass sie ihr schmeckten. Er wusste es und wollte ihr eine Freude machen. Und das gelang ihm. Gemeinsam aßen sie das Obst und die Zimtrollen. Sie redeten über alte Zeiten, über alte Missionen. Sie lachten und genossen das Beisammensein. „Kiba? Wo ist eigentlich Akamaru?“ Langsam wunderte es sie doch, dass sein Hund noch nicht aufgetaucht war. Vielleicht ging es ihm ja nicht gut oder er war verletzt. Doch der Braunhaarige wusste, dass ihr auffallen würde, dass sein treuer Gefährte nicht bei ihm war. Und auf den Moment, in dem sie ihn darauf ansprach, hatte er gewartet. Kiba feuchtete seine Lippen an und pfiff dann in einer Tonhöhe, die für Hinata nicht hörbar war. Kurz darauf kam Geraschel aus dem Wald und Akamaru lief den beiden mit einer großen Pflanze im Maul entgegen. Er wuselte um sie herum, als er angekommen war, und legte sein Mitbringsel vor Hinata ab. Es war eine Sonnenblume. Die Hyuuga blickte zu ihrem Freund und lächelte. Anscheinend war das ebenso geplant gewesen, wie das kleine Picknick. Dann erwartete Akamaru aber ebenfalls Lob für seine schwerfällige Arbeit und bellte auf. Hinata kraulte ihn hinter den Ohren und wuschelte durch sein weiches Fell. Er legte sich neben den beiden auf die Wiese, um die Sonne auf seinen Rücken scheinen zu lassen. „Du hast dir die ganze Mühe für mich gemacht?“, fragte sie leise und blickte zu Akamaru. Er brummte leise, während er vor sich hin döste. „Mhm~“, machte Kiba als Antwort und ließ sich auf den Rücken fallen. Er verschränkte seine Arme hinter seinem Kopf und blickte in den Himmel, an dem sich mittlerweile einige Wolken angesammelt hatten. „Bestimmt wünschst du dir jetzt, dass ich Naruto wäre und dass er das alles für dich getan hätte, stimmt’s?“ Erschrocken schaute die Blauhaarige ihren Teamkollegen an. Er hatte seinen Blick zur Seite gewandt. Und eine Wolke verdunkelte die Sonne, woraufhin die drei in einen kühlen Schatten gehüllt wurden. „K-Kiba? Was sagst du da?“, erwiderte sie leise „D-das stimmt nicht. Ich find’s schön mit dir.“ Nur langsam neigte er seinen Kopf wieder zu ihr. Die beiden schauten einander eine ganze Weile einfach nur an, bis ein kühler, nasser Tropfen auf die Wange des Inuzukas fiel. Binnen weniger Minuten setzte ein starker Regenfall ein. So schnell sie konnten packten sie die Sachen in den Korb zurück, schnappten sich die Decke und liefen zu den Bäumen, unter denen sie Schutz suchten. Akamaru schüttelte sein Fell aus und Hinata schlang ihre Arme um ihren Oberkörper. Natürlich bemerkte Kiba, dass sie eine Gänsehaut hatte und zitterte. Er öffnete seine Jacke und streifte sie von seinem Oberkörper, damit er ihr die über die Schultern legen konnte, doch sie ging daraufhin einen Schritt von ihm weg. Seine Worte hatten sie getroffen, und wenn er sich bei ihr unwohl oder nicht erwünscht fühlte, wollte sie sich ihm auch nicht aufzwingen. „Hinata…“ „Nein! Lass mich… Wenn du denkst, ich will nicht mit dir zusammen sein, dann denk das… Ich dachte, du würdest mich besser kennen…“ Ein grelles Licht erschien, gefolgt von einem tiefen Donnergrollen. Hinata zuckte zusammen. Ein Gewitter machte die ganze Situation auch nicht leichter. Plötzlich spürte sie zwei warme Hände auf ihren Schultern. Kiba zog die Hyuuga – Erbin an seine Brust und legte seine Arme um ihren Körper. Sie schnappte erschrocken nach Luft und er konnte hören, wie ihr Herz schneller schlug. „Hinata… Ich weiß, wie du dich fühlst… Ich weiß, wie es ist, wenn die Liebe nicht erwidert wird…“, flüsterte er in ihr Ohr. Seine Hände fuhren langsam über ihre schlanken Arme und dann drehte er ihren Körper zu seinem um. Sie schaute ihm in die Augen und ohne, dass er noch ein Wort sagen musste, verstand sie, was er damit sagen wollte. „K-Kiba… du…“ „Vielleicht fühlst du dich nicht bereit, dich von ihm zu lösen – noch nicht. Ich weiß, dass du dich irgendwann neu verlieben wirst. Und ich werde da sein und auf dich warten…“ ‚Und solange werde ich für uns beide lieben.’ Seinen Gedanken schloss er mit einem schwachen Kuss auf die weichen Lippen von Hinata. Dabei legte er ihr seine Jacke über die Schultern. Sie schaute in seine braunen Augen und wollte etwas sagen, doch er legte seinen Zeigefinger auf die Stelle, die er eben noch geküsst hatte, und schüttelte seinen Kopf. „Wir bringen dich jetzt nach Hause…“, flüsterte er und deutete Akamaru an, zu ihm zu kommen. Er half Hinata, aufzusteigen und setzte sich vor sie auf seinen Hund. Die Wolken hatten sich mittlerweile verzogen und der Himmel zeigte sich wieder in seinem wundervollen Blau. Hinata hielt sich an dem Braunhaarigen fest und blickte nach oben. Wahrscheinlich würde sie noch ein bisschen brauchen, um das alles zu verstehen, aber ihr Griff festigte sich und sie hauchte ein leises „Danke“ in den Wind. ____________________________________________________________________________ Soooooooo. An mein Wichtelkind: Ich hoffe die Geschichte hat dir zugesagt, auch wenn die beiden nicht direkt ein Paar geworden sind. © Kapitel 4: Dreaming ------------------- Es war mitten in der Nacht in Konohagakure. Alle Lichter waren erloschen. Kein Mensch war noch auf den Straßen. Nicht ein Stern war an dem rabenschwarzen Himmel zu erkennen. Es war stürmisch. Die Baumkronen wehten hin und her. Einzelne Äste klapperten an das ein oder andere Fenster. Eines der vielen Fenster war leicht geöffnet. Der Wind wehte die Vorhänge beiseite. Zum Vorschein kam ein junges Mädchen mit rosa Haaren, das seelenruhig unter ihrer Decke lag – sie schlief. Der Wind machte ihr nichts aus. Ihre Gardinen wurden wieder vor die Glasscheibe geweht. Somit war der Blick auf sie nicht mehr gewährt. Doch schon wenige Minuten später kam erneut ein Windzug auf. Dieses Mal erschien aus dem Nichts eine Silhouette vor dem Fenster. Eine Person in einem dunklen Mantel. Die Kapuze verdeckte fast sein ganzes Gesicht. Nur seine Augen waren noch sichtbar und blitzten auf, als er das junge Mädchen sah. Ein leises Knacken ertönte. Kurz darauf sprang ein Schatten lautlos in den Raum. Mit wenigen Schritten trat er näher an das Bett heran. Der Wind trieb die dunklen Wolken voran. Für einen Augenblick wurde der weiße Vollmond enthüllt. Er strahlte durch das Fenster in den Raum. Die blasse Haut des jungen Mädchens schimmerte in dem Licht. Sie wirkte wie aus Porzellan. So makellos perfekt. Eine der rosa Ponysträhnen verirrte sich in das Gesicht der Kunoichi, als sie sich auf die Seite drehte. Der Unbekannte fuhr mit den Fingern sanft durch das weiche Haar. Seine Berührungen waren nur ein leichter Hauch, dennoch konnte sie es spüren. Der Schlaf ließ sie los. Sie kniff ihre Augen kurz zusammen und hob die Lider dann langsam an. Die vermummte Person tauchte in ihrem Sichtfeld auf. Ihre Lippen öffneten sich und sie wollte etwas sagen, doch dann fanden seine Finger Platz auf ihrem Mund. „Schh~“, machte er leise. Langsam rutschte er etwas vor und schaute in die wunderschönen smaragdgrünen Augen. Mit einer zärtlichen Bewegung strich er über die weichen Lippen. Seine Finger rutschten zu ihrem Kinn, das er anhob. Er führte ihr Gesicht näher an seines und beugte sich gleichzeitig zu ihr herab. Ihre Lippen trafen sich, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick. Es folgte ein tiefer Blick in die Augen des jeweils anderen. „Sa-“, als die Rosahaarige wieder begann reden zu wollen, verschloss er ihre Lippen erneut mit einem Kuss. Ihre Augenlider fielen hinab. Sie bewegte ihre weichen Lippen sanft gegen seine. Noch während des Kusses legte er sich neben sie und sie drehte sich zu ihm. Dabei rutschte die Kapuze von seinem Kopf. Er schlang seinen Arm um ihren zierlichen Körper, um sie dichter an sich zu drücken. Als sie sich wieder voneinander lösten, legte das Mädchen ihre Hand auf die Wange ihres Besuchers. Sie streichelte mit ihrem Daumen lieblich über die helle Haut. Dann lehnte sie sich an seine Brust, atmete seinen Geruch ein, verlor sich vollkommen in seiner Nähe, schlief in seinem Arm wieder ein. Am nächsten Morgen war sie alleine. Ihr Zimmer sah noch genauso aus, wie am Vorabend. Alles stand an seinem Platz. Es waren keine Spuren eines unbekannten Besuchers zu erkennen. Nur langsam schlug sie ihre Augen auf. „Sasori!“ Doch dann saß sie mit einem Mal kerzengerade im Bett. Sie strich über die Bettseite, auf der ihr Besucher eigentlich hätte liegen müssen. Doch es sah nicht so aus, als sei jemand bei ihr gewesen. Sie fuhr sich durch ihre Haare, strich mit ihrem Daumen über ihre Unterlippe. „Nur ein Traum?“, murmelte sie kaum hörbar. Dabei war alles so real gewesen. Die Berührungen, die Küsse, die Nähe. Ihr Blick fiel aus dem Fenster. Mittlerweile waren schon einige Menschen auf den Straßen unterwegs. Die Sonne schickte ein paar Lichtstrahlen durch die Wolkendecke auf die Erde. Sie seufzte. Und weit entfernt, in einer dichten Baumkrone, stand ein junger Mann mit rotem Haar und einem dunklen Mantel über den Schultern. Sein Blick war auf das Dorf gerichtet, das er immer wieder – mitten in der Nacht – besuchte. Betrat, ohne die Furcht erwischt zu werden – nur, um sie zu sehen. Langsam löste er sich jedoch in Luft auf. Vielleicht war es ein Traum, ein Wunsch? Oder aber doch Realität? ____________________________________________________________________________ © Für . Dein Wunsch. Mein Dankeschön an dich. Du hattest nichts Konkretes gewollt. Und ich hoffe diese kleine Eingebung gefällt dir. Ich hab dich sehr lieb Kapitel 5: Die Wege des Lebens ------------------------------ Die Sonne erhob sich langsam über den Kronen der Bäume und tauchte Konohagakure in ein seichtes Rot. Noch war es in dem kleinen Dorf ruhig. Die Menschen lagen in ihren Betten – sie schliefen tief und fest. Bald würden die Ersten sich erheben, frühstücken und auf die Straßen gehen, wo Händler ihre Stände aufbauen würden. Die Ninjas des Dorfes waren allerdings schon auf den Beinen. Während einige von einer Mission zurückkehrten, waren vier von ihnen auf dem Weg zum Haus der Hokage. Neji und Tenten standen bereits vor der Tür, als sie ihren Teamkameraden mit ihrem ehemaligen Sensei entdeckten, wie sie auf sie zukamen – auf den Händen. »Ihr kommt zu spät«, maulte Tenten mit verschränkten Armen, »Was soll Tsunade nun schon wieder denken?« »Mach dir darum keinen Kopf, Tenten!«, rief Lee voller Elan, »Die Zeit, die wir hier verloren haben, holen wir auf, indem wir doppelt so schnell laufen wie sonst!« »Genau, Lee!«, stimmte der Ältere, neben dem Schwarzhaarigen, zu. Seufzend schüttelte die Chunin ihren Kopf. »Ihr werdet euch nie ändern.« Da das Team mit den beiden Knallköpfen Lee und Gai komplett war, konnten sie gemeinsam das Büro der Hokage betreten. Die junge Kunoichi mit den braunen Pandazöpfen seufzte enttäuscht auf, als sie das Oberhaupt des Dorfes, schlafend auf dem Schreibtisch vorfand. Und diese Frau hatte sie sich zum Vorbild genommen? Irgendwie unvorstellbar. Aber man durfte ja nicht nur eine Seite des Menschen betrachten, sondern sollte auch die anderen in Augenschein nehmen. Und eine andere Seite von Tsunade war der Respekt und die Stärke, die sie sich vermacht hatte – schließlich nannte man sie nicht umsonst eine der legendären Sannin. Ein Räuspern seitens Neji ließ die Hokage aus ihrem Schlaf erwachen. Sie gähnte und rieb ihre müden Augen. »Ihr habt uns rufen lassen, Hokage-sama.« »Ja, genau. Ich habe einen Auftrag für euch, der höchste Präzision verlangt.« Schließlich hatte sie das Byakugan mit Bedacht in Kombination mit starkem Taijutsu für diese Mission ausgewählt. »Im Windwald, nähe Sunagakure, befinden sich abtrünnige Ninja, die den Handel zwischen den Ländern unmöglich machen. Sie haben Eskorten von beiden Seiten angegriffen und schwer verletzt. Wir haben erfahren, dass die Angreifer sich unsichtbar machen können, wodurch sie einen großen Vorteil haben. Deswegen ist das Byakugan bei dieser Mission überaus wichtig. Eure Aufgabe ist es, die Verbrecher auszuschalten, komme, was wolle. Ist das verstanden?« »Hai, Hokage-sama. Wir werden Sie nicht enttäuschen.« Daraufhin nickten die Teammitglieder sich zu und verschwanden aus dem Büro, um sich auf den Weg zum Windwald zu machen. Vor dem Tor von Konoha blieben die vier noch einmal stehen. Jeder ganz in seinen Gedanken versunken, rief die Zeit in Erinnerung, als sie damals noch Genin waren. Und nun wurden sie erwachsen. Doch sie waren nicht nur ein Team gewesen, sondern auch Freunde und Rivalen. Ein Lächeln beschlich die ganze Gruppe, als die Sonne ihnen ins Gesicht schien. »Also dann! Auf geht’s! «, rief Gai und erstreckte seine Faust in die Höhe. Die drei Jüngeren nickten und sprangen auf die Bäume, um sich schneller fortbewegen zu können. Alleine der Weg nach Sunagakure benötigte drei Tage, bis zum Windwald würden sie also auch gute zwei Tage brauchen. »Tenten! Neji! Los, wir ziehen unser Tempo an!«, rief Lee ihnen von vorne zu. Und schon war er schneller unterwegs. Die Braunhaarige schüttelte seufzend ihren Kopf. »Ich hätte es wissen müssen.« Ihr Teamkollege belächelte die Situation. Gai und Lee waren eben schon immer so gewesen. »Na los, sonst laufen sie uns noch weg.« Tenten nickte, woraufhin auch die beiden ihr Tempo beschleunigten. Zwischenzeitlich hielte das Team in einem kleinen Dorf an, damit sie etwas Essen und sich stärken konnten. In einem Restaurant, inmitten des belebten Wohngebietes, nahmen sie Platz und studierten die Karte. »Meint ihr, wir sollten noch mal genauer über unsere Mission reden?«, warf Lee ein, nachdem die Kellnerin ihre Bestellung aufgenommen hatte. Neji und Tenten blickten zu ihm, während ihr ehemaliger Lehrer aus dem Fenster schaute. »Du meinst eine Strategie?«, fragte Neji nach und ließ seinen Blick kurz schweifen. »Genau.« »Wir wissen nicht viel über unseren Gegner«, sprach die Kunoichi an, »Also ist es schwer sich darauf vorzubereiten, wie sie kämpfen und wie wir dagegen lenken wollen. Das Einzige, was wir wissen, ist die Tatsache, dass sie sich unsichtbar machen können.« »Tenten hat Recht.« Alle drei machten ein nachdenkliches Gesicht. »Aber Neji hat das Byakugan. Und Tsunade hat gesagt, dass das ein wichtiger Faktor ist. Also machen wir es so: Neji kann die Positionen der Gegner ausmachen und Tenten und ich werden sie dann fertig machen.« Die beiden anderen Mitglieder schmunzelten über den Elan von Lee. »Es ist auf jeden Fall eine erste Idee.« Das Essen der Ninjas wurde von der Kellnerin auf ihrem Tisch abgestellt. Sie nahmen ihre Stäbchen zur Hand und begannen ihre Nahrung zu verschlingen. Nach dem Essen schlenderten die heranwachsenden Ninja aus Konohagakure durch die Straßen des kleinen Dorfes, das sie besuchten. Lampions erhellten die Wege. Es war ein schöner Anblick, aber lange konnten Neji, Tenten und Lee ihn nicht genießen, da sie nicht vorhatten, die Nacht in dem Dorf zu verbringen. Nur noch eine halbe Stunde genossen sie die freie Zeit, dann machten sie sich wieder auf den Weg zu ihrem Ziel. »Ich hätte gerne in dem Hotel geschlafen«, murmelte Tenten und richtete ihr Stirnband, bevor sie losliefen. Doch ihre Aussage blieb unkommentiert. ›Typisch Männer‹, dachte sie sich und strafte jeden ihrer Mitstreiter mit einem bösen Blick, ›Immer müssen sie die ganz Harten sein und draußen schlafen.‹ Manchmal fühlte Tenten sich als Frau hintergangen von ihren Kollegen. »Wir sollten Rast machen und schlafen. Es ist schon spät«, sagte Neji, als sie in einem dichteren Waldteil ankamen. Dort waren sie geschützter und konnten wenigstens ein bisschen zur Ruhe kommen. Der Ninja schaute sich einen Moment lang um, aktivierte sein Bluterbe und inspizierte die Umgebung. Es dürfte niemand Feindliches in der Nähe sein. Tenten breitete bereits ihre Decke aus und legte ihre Ausrüstung ab. »Sollen wir uns mit der Nachtwache abwechseln?«, erkundigte sie sich und blickte ihre Kameraden an. »Ich denke, wir brauchen keine Nachtwache. Hier scheint es ziemlich ruhig zu sein«, antwortete Neji und ging an seiner Kollegin vorbei, um sich an einen Baum zu setzen. »Neji hat Recht. Ihr solltet euch jetzt ausruhen, damit wir Morgen tatkräftig weiter können!« Gai grinste sein typisches Grinsen und zeigte seinen ehemaligen Schüler den Daumen nach oben. »Du hast so recht, Gai-sensei!« Lee war sofort von dem Älteren mitgerissen und ahmte seine Pose nach. Darüber konnten Tenten und Neji – mal wieder – nur den Kopf schütteln. Die Nacht verlief ruhig. Die Ninja konnten sich erholen und neue Kraft für den weiteren Weg tanken. Als die Sonne am Morgen begann zu dämmern, erwachten die Teenager langsam aus ihrem traumlosen Schlaf. Auch ihr Teamleiter war bereits wach. Nach einer kleinen morgendlichen Stärkung machten sich alle bereit, um weiterzureisen. Sie legten ihre Waffen an und packten ihre restlichen Sachen ein. »Also dann, weiter geht’s!« Diesmal liefen sie nonstop zu ihrem Ziel. »Dort hinten beginnt der Windwald«, erklärte Gai und wurde langsamer. Das Team sollte sich noch absprechen, bevor sie handelten. »Ich würde sagen, wir bleiben Lee’s Plan vorerst treu«, meinte Tenten, als die Gruppe sich zusammensetzte, »Neji kann unsere Gegner durch ihr Chakra aufspüren und uns dirigieren.« »Was sagst du dazu, Neji?«, fragte der Ältere nach, um sicherzugehen, dass es keine Bedenken seinerseits mehr gab. »Ich denke, es sollte klappen.« Gai warf einen Blick in die Runde und nickte. »Passt trotzdem auf. Wir wissen nicht, was für Waffen unsere Gegner besitzen.« »Verstanden«, erwiderte das Team und machte sich dann auf den Weg durch den Windwald. Behutsam und leise schlichen sie sich durch das Gestrüpp. Neji Hyuuga hatte bereits sein Byakugan aktiviert und ging voran, um seinen Mitgliedern andeuten zu können, wenn er etwas sah. Fast den halben Wald lang, fiel ihm nichts auf. Keine unbekannten Chakren. Doch dann stoppte er abrupt und so auch seine Teammitglieder. »Siehst du was?«, fragte Lee und schaute gebannt in die Richtung, in die auch Neji blickte. »Es ist nur schwach, aber ich sehe mehrere Chakren. Anscheinend haben sie gerade eine Versammlung, oder so etwas in der Art.« Schweigend beobachtete der Braunhaarige, bis ihre Gegner sich wohl wieder trennten. Auf sein Zeichen hin, ging das Team weiter nach vorne. »Einer kommt näher«, warnte Neji seine Kollegen. »Lee fünfundvierzig Grad Westen.« Der Angesprochene nickte und ging dem Gesagten nach. Ein unsichtbarer Shuriken verletzte ihn an der Wange, dennoch konnte der Ninja seinem Gegner einen heftigen Tritt verpassen, woraufhin dieser hart auf dem Boden aufkam. Seine Konzentration ließ nach, was sein Unsichtbarkeitsjutsu sich auflösen ließ. »Wer seid ihr? Und was wollt ihr?!« Ihm fielen die Stirnbänder auf, woraufhin er leicht in Panik geriet. Gai packte ihn am Arm und hielt ihn fest. »Wir stellen die Fragen, mein Freund.« Doch er bekam nichts mehr aus dem Jungen heraus, da dieser versuchte zu fliehen und der Jonin damit dazu gezwungen war, ihn bewusstlos zu schlagen. Knackende Äste, raschelnde Baumkronen. »Tenten, Lee.« Die beiden horchten auf und blickten zu ihrem Teamkollegen. »Wir sind umzingelt«, erklärte er, woraufhin sowohl die Kunoichi als auch der Wirbelwind von Konoha in Kampfposition gingen. »Wir haben euren Freund!«, rief Neji ihren Feinden zu. Raues Lachen ertönte aus mehreren Ecken des Waldes. »Er war bloß ein Köder, damit wir euch einkesseln können. Und jetzt habt ihr ein großes Problem.« »Denkt ihr wirklich, wir lassen uns so leicht einschüchtern?«, lachte Lee auffordernd, »Na los! Kommt her!« Das Geräusch von geworfenen Waffen ertönte, woraufhin der Ninja einen Sprung in die Luft vollführte und Nejis Anweisungen folgte, um seinen Gegner vom Baum auf den Boden zu katapultieren. »Nehmt eure Ohren und Instinkte zur Hilfe. So haben wir sie schnell beseitigt«, sagte Neji. Tenten nickte und holte eine ihrer etlichen Schriftrollen hervor, um ihre Waffen zu beschwören. Sie verband sie mit einem kaum sichtbaren Chakrafaden und begann dann sie auf mehrere Baumkronen zu werfen. Schmerzensschreie ertönten, die Tenten in den Vermutungen der Positionen ihrer Gegner bestätigten. Und auch Gai beteiligte sich erfolgreich an dem Kampf. Er und Lee gaben ein hervorragendes Zweiergespann ab. »Das ist das Byakugan«, sagte einer der versteckten Nuke-nin, als er die Truppe musterte, wie sie einen nach den anderen seiner Männer angriffen und außer Gefecht setzten. Doch ihre Gruppe war größer, als die Konohaninja wohl dachten. »Du meinst das berühmte Kekkei Genkai der Hyuugafamilie? Dann haben wir keine Chance. Er kann alles sehen«, flüsterte einer seiner Partner. »Nicht ganz. Dieses Bluterbe hat auch einen Nachteil. Es gibt einen blinden Punkt. Einen Punkt, den er nicht sehen kann. Der tote Winkel. Wir müssen nur herausfinden, wo sich dieser befindet.« Während Neji seine Kollegen weiter dirigierte und sie die feindlichen Ninja nach und nach ausschalteten, bemerkte er nicht – vermutete er nicht mal – was aus dem Hinterhalt geschah. Mehrere Waffen wurden auf ihn zugeworfen, die Tenten erfolgreich abwehrte. Da die Verteidigung Nejis sie allerdings ablenkte, wurde sie im nächsten Moment von einem der Gegner getroffen und gegen einen Baum geschleudert. »Tenten!«, riefen direkt beide ihrer Mitstreiter. Lee eilte zu ihr und half ihr wieder auf die Beine. »Mir geht’s gut, keine Sorge«, murmelte sie. Kurz darauf wurden die beiden auch schon wieder in einen Kampf verwickelt. Ihre Widersacher trennten sie voneinander. Während Lee seinem Gegner mit Schlägen und Tritten zusetzte, beschwor die Kunoichi mehrere Waffen aus ihren Schriftrollen, die sie mit hoher Geschwindigkeit auf ihren Feind warf. Dieser ging blutüberströmt und stöhnend zu Boden. Sofort schaute die Braunhaarige sich um und bemerkte, wie weit sie von den anderen entfernt war. Blitzschnell sprintete sie los. Aus dem Hinterhalt nutzten der Anführer und sein Lakai die ungeschützte Deckung von Neji, um ihren Bogen aufzuspannen und einen Pfeil auf ihn zuzuschleudern. Tenten kam gerade in die Nähe ihres Kollegen, als sie das spitze Metall in einer Baumkrone aufblitzen sah. Doch viel zu schnell wurde der Pfeil abgefeuert. »Neji!«, rief sie noch, in der Hoffnung irgendwie verhindern zu können, dass er getroffen wurde. Doch ihr Gebet wurde nicht erhört und das Wurfgeschoss bohrte sich durch die Schulter des Braunhaarigen. Er biss seine Zähne aufeinander, versuchte den Schmerz runterzuschlucken. Seine Teamkollegin kam auf ihn zugelaufen. »Neji…« Ihr Blick schweifte auf die Wunde an seiner Schulter. Zittrig bewegte ihre Hand sich auf den Pfeil zu. »Nicht…«, brachte er leise hervor. Seine Sicht begann zu verschwimmen, er machte einen unsicheren Schritt nach hinten. Sofort eilte Tenten zu ihm, damit sie ihn stützen konnte. »Was ist passiert?«, wollte Lee wissen, der gemeinsam mit Gai ebenfalls auf die beiden zu kam. »Sie sind plötzlich verschwunden«, fügte der Ältere noch hinzu. »Neji wurde angegriffen. Wir müssen irgendwo hin, wo wir geschützt sind. Er muss versorgt werden«, sagte Tenten panisch. Die Gruppe verzog sich unter eine große Baumwurzel. »Wir müssen den Pfeil rausziehen, Neji«, sagte Gai und schaute den Jonin streng an. Neji wusste es. Er blickte in die Runde und deutete auf Tenten. Sie als Frau würde wohl das sanfteste Händchen haben. Die Kunoichi nickte und stellte sich hinter ihn. Mit fester Hand griff sie den Stiel des Pfeils. Die Andere legte sie auf seine Schulter. »Bereit?«, fragte sie unsicher nach. Der Braunhaarige nickte, wandte seinen Blick allerdings ab. Tenten zog den Pfeil mit einem Ruck heraus. Der Hyuuga stieß einen Schmerzensschrei aus. »Tut mir leid«, flüsterte die junge Kämpferin. Sie schnitt Nejis Oberteil mit einem Kunai auf, damit sie die Wunde notdürftig versorgen konnte. »Kannst du laufen? Wir sollten dich nach Suna bringen, damit ein Medic-nin dich versorgen kann.« Lee stimmte ihr zu. Der Jonin stand auf und wollte seinem Team beweisen, dass er fit genug war, um zu laufen. Doch nach wenigen Schritten wurde ihm schwindelig. Gai und Lee fingen ihn auf. »Was sollen wir jetzt tun?«, fragte Tenten und stützte ihren Kollegen, sodass dieser sich setzen konnte. »Irgendwas stimmt nicht«, murmelte Neji leise, mehr zu sich selbst, und schaute auf seine Hände. Während seine Teammitglieder darüber diskutierten, wie es weitergehen sollte, aktivierte der Ninja sein Kekkei Genkai. Es bereitete ihm Schmerzen, als die Adern an seinen Augen sich hervorhoben und seine Sicht besser und klarer wurde. Er sah das Chakra durch seinen Körper fließen, doch als er näher hinsah, bemerkte er rote und lilafarbene Streifen durch seine Blutbahnen kriechen. »Gift«, hauchte er leise. Der Schmerz, der durch das Byakugan aufkam, wurde stärker. Neji stöhnte auf und deaktivierte sein Bluterbe wieder. Als die Anderen seine Geräusche vernahmen, drehten sie sich zu dem Jonin. »Es ist Gift…« Vor Schreck weiteten die Konohanin ihre Augen. Gift bedeutete weniger Zeit. »Wir brauchen Tsunade«, sagte Tenten und blickte unsicher zu Neji. »Ich laufe nach Konoha und hole sie!«, meinte Lee und war drauf und dran direkt loszulaufen. »Warte, Lee! Das würde vier Tage dauern! Wir müssen Neji irgendwie nach Hause bringen«, warf Tenten ein. Sie hockte sich neben ihren Kollegen. »Dann müssen wir ihn tragen«, schlug Lee vor. Normalerweise hätten sowohl Tenten als auch Neji Lee für idiotisch abgestempelt, aber diesmal war es wohl die einzige Möglichkeit. »Macht ihn reisebereit. Ich komme gleich wieder«, sagte die braunhaarige Kunoichi und erhob sich. Schnurstracks verließ sie das sichere Versteck. Sofort rannte sie zurück zum Ort des Kampfes. »Wo seid ihr?!«, rief sie in die Baumkronen. Mit geschlossenen Augen konzentrierte sie sich auf die Umgebung. Sobald das kleinste Geräusch seinen Weg in ihre Gehörgänge fand, zückte sie ihre Waffe und warf sie blitzschnell in die Richtung, aus der sie den Laut vernahm. Sie nahm immer mehr Geräusche wahr. Ihre Feinde kamen auf sie zu, das verrieten ihre Ninjainstinkte ihr. Sie griff nach mehreren Schriftrollen, aus denen sie Unmengen von Waffen beschwor, um sie auf ihre Gegner abzufeuern. »Hey, hey, die junge Dame hat richtig was hinter den Ohren, huh?«, hörte sie jemanden nonchalant sagen. Sie hielt in ihren Bewegungen inne. Um sie herum lagen die verletzten, wenn nicht schon getöteten, Männer, der Bande. Jemand trat auf sie zu. Sein Jutsu löste sich langsam auf. »Wie geht’s deinem Freund? Hat das Gift schon Wirkung gezeigt?« Sofort bezog Tenten Kampfstellung und zückte ihre Waffen. »Na, na. Du willst doch nicht frech werden.« Die Kunoichi ließ sich nicht von den Worten ihres Gegenübers beeindrucken. Sie sprang in die Lüfte und öffnete die große Schriftrolle von ihrem Rücken. Mit atemberaubender Schnelligkeit beschwor sie einen ganzen Regen von Shuriken, die sie auf ihre Gegner hinabstürzen ließ. Jedes der kleinen Wurfmesser war mit einer dünnen Chakraschnur verbunden. Somit zog Tenten ihre Waffen einmal zurück und schleuderte sie erneut auf ihre Gegner. Geschmeidig landete die Braunhaarige wieder auf ihren Füßen. Behutsam ging sie auf den Boss der Bande zu und versicherte sich seines Todes. »Neji…« Sofort kam ihr ihr Kollege wieder in den Sinn und sie sprintete zurück. Die Männer ihres Teams waren bereits startklar und warteten nur noch auf ihre Kollegin. »Was hast du gemacht?«, wollte Neji wissen, als sie neben ihm zum Halt kam. »Nur etwas erledigt«, erwiderte sie, »Können wir dann los?« Gai und Lee nickten. Neji hatte als Erstes Platz auf Gais Rücken gefunden – hatte dabei also nicht viel Mitspracherecht. Sofort machten die Ninja sich auf den Weg. Sie wussten weder, wie schnell das Gift wirkte, noch, wie oft sie pausieren mussten. Das Einzige, was sie wussten, war, dass sie so schnell wie es ging zurück nach Konoha mussten. Nach wenigen Stunden wurde es schon wieder dunkel. Die Gruppe hielt in einem dichten Waldstück an. »Laufen wir weiter? Wir können keine Zeit verschwenden«, sagte Tenten und blickte zu Neji. Er war blass und seine Atmung schien langsam schwerer zu gehen. Gai und Lee nickten. Ihnen blieb nicht viel übrig. Aber bald mussten sie auch Pause machen, damit sie wenigstens wieder ein bisschen Luft schnappen konnten. Außerdem mussten sie auch tauschen. Gai konnte Neji nicht die ganze Zeit tragen. Nachdem sie noch ein ganzes Stück gelaufen waren, hielt die Gruppe an. »Wir müssen eine Pause machen«, sagte ihr ehemaliger Lehrer streng, »Wenn wir uns ausruhen, dann holen wir die Zeit auch schnell wieder auf.« »Okay… ihr könnt euch ausruhen. Ich kümmere mich solange um Neji«, sagte Tenten und stützte ihn gegen einen Baum. »Ich hab hier in der Nähe einen kleinen Fluss gesehen. Ich bring dir was zu trinken. Bin gleich wieder da«, flüsterte die Braunhaarige leise und machte sich auf den Weg. Sie beeilte sich. An dem Fluss tränkte sie ein Tuch mit Wasser und füllte eine Flasche auf. Als sie wieder bei ihrem Kollegen war, kniete sie sich neben ihn. Sanft strich sie als Erstes den Schweiß von seiner Stirn. Dann setzte sie die Falsche an seinen Lippen und hob sie an, damit er etwas davon trinken konnte. Ein bisschen von dem Wasser, floss an seinem Mundwinkel herunter. Sie wischte es weg und stellte die Flasche wieder beiseite. »Wie geht’s dir?«, wollte sie wissen. Ihre haselnussbraunen Augen musterten das blasse Gesicht von dem Hyuuga. Er zwang sich ein Lächeln auf. »Sehr gut«, antwortete er heiser. Doch das beruhigte Tenten nicht gerade. So konnte sie nichts über seinen Zustand aussagen. Zumal sie nicht mal wussten, wie schnell das Gift sich verbreitete. Nach einer Stunde, in der Gai und Lee sich ausgeruht hatten, machte sich das Team wieder auf den Weg. Diesmal musste Neji auf dem Rücken seines gleichaltrigen Kameraden Platz nehmen. Die vier machten sich sofort auf den weiteren Weg. Die Sonne erstreckte sich langsam über den Wäldern. Aus dem Augenwinkel blickte Lee zu seinem Kollegen, dessen Augen geschlossen waren. »Neji. Wir sind bald da. Halte durch. Immerhin… muss ich dich doch noch in einem Kampf besiegen«, sagte Lee, woraufhin der Angesprochene seine Augenlider anhob. »Du wirst eh verlieren.« Der Schwarzhaarige lachte. »Das werden wir sehen, Neji.« Ein trockenes Lachen entwich Nejis Kehle, doch dann hustete er plötzlich Blut. Ein Teil von Lees Weste sog dem dunklen Lebenssaft auf. »Was ist passiert?!«, fragte Tenten hysterisch. »Ich weiß es nicht«, erwiderte Lee fast genauso panisch. Die Gruppe erreichte das Dorf, in dem sie noch zuvor gegessen hatten. »Wir können ihn nicht weiter den Strapazen der Reise aussetzen«, sagte die Frau im Bunde. Sie besuchten das Dorf aufs Neue und suchten in einem der Hotels Zuflucht. Der Jonin wurde auf das Bett gelegt. »Er ist so blass…« Als sie den notdürftigen Verband abnahmen, entdeckten sie blaue Adern, die sich von der kleinen runden Wunde entlang schlängelten. »Das ist kein gutes Zeichen, oder?«, fragte die Brünette und schaute zu ihrem Lehrer. Er musterte die Verletzung. »Das Gift breitet sich immer weiter aus.« »Neji, hör zu, du gibst jetzt nicht auf, hast du mich verstanden?!«, schrie Tenten ihm fast entgegen, »Du bist einer der stärksten Ninja in unserem Dorf. Du lässt dich doch nicht von so ein bisschen Gift umbringen.« Wasser sammelte sich in den sonst so leuchtenden braunen Augen der Kunocihi. Lee wollte auf sie zugehen und ihr seine Hand auf die Schulter legen, doch Gai hielt ihn zurück. »Gai-sensei…« Der Jüngere schaute verwirrt zu seinem Lehrmeister. »Lee, hör mir zu. Du musst nach Konoha und Tsunade holen, sofort.« »Verstanden.« Der Chunin warf einen letzten Blick auf seine Teamkollegen und sprintete dann sofort nach Konohagakure. Im Dorf versteckt hinter den Blättern ahnte keiner etwas von der Unruhe, die auf sie zukommen würde. Viele Bürger waren auf den Straßen unterwegs. So auch Sakura Haruno. Die rosahaarige Kunoichi erledigte gerade ein paar Einkäufe, als Lee ihr entgegengestürmt kam. »Sakura-chan, du musst mir helfen«, sagte er und atmete schwer. Sakura zog ihre Augenbraue in die Höhe. »Was ist los?« »Wo ist Tsunade-sama? Wir brauchen ihre Hilfe. Neji… Er ist vergiftet worden«, erklärte der Chunin und schnappte erst mal wieder nach Luft. »Was? Wo ist er?« »In einem kleinen Dorf, etwas weiter weg von hier.« Sakura fuhr sich durch die Haare. »Ich wusste doch, dass etwas passiert. Immer wenn Tsunade nicht da ist…« »Was meinst du damit: ›Sie ist nicht da‹?« »Hör zu, wir gehen jetzt zu mir und ich hol meine Ausrüstung, und dann bringst du mich zu Neji, verstanden?« Sakura konnte gerade so mit Lees Geschwindigkeit mithalten. Dennoch dauerte es seine Zeit, bis sie in dem Dorf angekommen waren. Sehr in Eile liefen sie in das Hotel, hoch ins Zimmer wo der Konohanin lag. Tenten blickte verwirrt zu den beiden. »Wo ist Tsunade-sama?« »Tsunade ist verhindert. Ich kümmere mich um Neji«, erklärte die Rosahaarige und ging ums Bett herum. Nejis Körper war sehr blass. Außerdem zitterte er. Ob vor Kälte oder Schmerz konnte sie nicht sagen. »Geh bitte zur Seite, Tenten.« Sakura beugte sich vor, um den Jonin zu untersuchen. Sie tastete mehrere Stellen an seinem Oberkörper ab und konnte eine schnelle Diagnose stellen. »Ihr müsst mir jetzt helfen. Das Gift hat sich bereits in seinem kompletten Körper ausgebreitet. Das Gröbste werde ich rausholen. Aber dann muss er nach Konoha. Hier habe ich nicht alle Mittel für eine vollständige Regeneration. Und jetzt müsst ihr ihn festhalten.« Aus ihrer Tasche holte Sakura mehrere Utensilien, die sie zusammenmischte. »Neji? Kannst du mich hören? Ich werde jetzt einen Großteil von dem Gift aus deinem Körper entfernen. Das könnte schmerzhaft werden.« Neji wirkte total benommen. Die Rosahaarige hoffte, dass ihre Worte dennoch zu ihm durchgedrungen waren. Die Medic-nin begann mit der Prozedur. Ihre Hand fixierte einen Punkt, aus dem sie das Gift rausziehen wollte. Gai hielt die Beine von Neji fest, während Tenten Sakura gegenüber stand und ihn an der Schulter und am Arm aufs Bett drückte, das Gleiche Tat Lee auf der anderen Seite. »Ich fange jetzt an.« Sakuras Hand glühte grün auf. Das Gesicht ihres Patienten verzog sich. Er versuchte anscheinend krampfhaft den Schmerz nicht rauszulassen. Doch dann konnte er es nicht mehr aushalten und schrie auf. Tenten zuckte direkt zusammen. »Du darfst ihn jetzt nicht loslassen, Tenten«, sagte Sakura, als sie bemerkte, dass ihr Griff lockerer wurde. Die Braunhaarige nickte und verstärkte ihren Griff wieder. Die Rosahaarige führte an mehreren Stellen die gleiche Prozedur durch. Und jedes Mal aufs Neue schrie Neji vor Schmerz auf. Doch plötzlich begann er ungleichmäßig und schwer zu atmen. »Sakura, was ist los?«, wollte Lee wissen. »Er kollabiert.« »W-was?« »Tenten, du darfst nicht loslassen!«, schrie Sakura ihr entgegen, als sie von der Schulter ihres Kollegen abließ. Der Jonin wandte sich Sakura entgegen, so dass sie keinen richtigen Halt mehr auf seinem Oberkörper hatte. »Lee schnell, drück ihn zurück!« Der Schwarzhaarige nickte und stellte sich an das Kopfende, um Neji an seinen Schultern direkt zurückzudrücken. Nachdem das Gröbste aus seinem Körper entfernt wurde, verband Sakura die Wunde. »Wir müssen jetzt so schnell wie möglich nach Konoha.« Gai nahm seinen ehemaligen Schüler wieder auf den Rücken und die Gruppe sprintete direkt los. Als sie in Konoha ankamen, war ihr erster Halt das Krankenhaus. Sakura trommelte ein paar Leute zusammen, die Neji entgegennahmen und in einen der OP’s brachten. »Ab hier müsst ihr warten. Ich kümmere mich um alles«, sagte die Rosahaarige und lief den anderen Ärzten hinterher. Tenten, Lee und Gai setzten sich auf eine der Bänke im Flur. Ungeduldig tippte die Braunhaarige mit ihrem Fuß auf den Boden. Die Zeit verging einfach schleppend langsam. Aber als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte, schreckte sie auf. »Tenten. Mach dir keine Sorgen. Neji ist stark und Sakura-chan ist eine gute Medic-nin«, versuchte Lee sie aufzubauen und lächelte ihr zu. »Danke, Lee«, flüsterte sie leise. Nach einer gefühlten Ewigkeit ging die Leuchte des OP’s wieder aus. Gebannt schauten alle aus dem Team zur Tür. Sakura trat heraus und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Wir haben das Gift neutralisiert. Er wird wieder gesund.« Erleichterung machte sich in allen dreien breit. Sie waren unglaublich froh darüber, dass ihr Teamkollege wieder auf die Beine kommen würde. »Aber die nächsten Tage braucht er Bettruhe.« Tenten ging auf die Rosahaarige zu und nahm sie in den Arm. »Danke, Sakura.« Eine Woche nach diesem turbulenten Auftrag, befand Neji sich noch immer im Krankenhaus, damit er sich laut Sakura auch ja ausruhte und nicht auf die Idee kam zu trainieren oder Ähnliches. Wenigstens konnte er den Luxus eines Einzelzimmers genießen, wo er seine Ruhe hatte. Es klopfte an seiner Tür und seine braunhaarige Kollegin trat ein. »Tenten, es ist schon zehn Uhr abends. Was machst du noch hier?«, fragte der Jonin und zog seine Augenbrauen zusammen. »Ich wollte dich überraschen. Komm wir machen einen kleinen Ausflug.« Sie stellte sich neben ihn und legte ihre Hände auf seinen Unterarm. »Na los, komm schon. Oder hast du Angst vor Sakura? Die hat schon Feierabend und Tsunade ist auch nicht im Krankenhaus.« Seufzend ließ er sich überreden und schlug die Decke zur Seite. Die Kunoichi brachte ihren Kollegen und Freund aufs Dach des Krankenhauses, wo sie eine Decke für die beiden ausgebreitet hatte. »Heute ist der Sternenhimmel so schön, und ich dachte, wir schauen es uns gemeinsam an«, sagte sie und deutete auf den dunklen Himmel, der mit vielen kleinen, leuchtenden Sternen benetzt war. »Das ist süß von dir.« Tenten legte ihren Arm um Nejis Taille und ging mit ihm zu der Decke. »Ich bin so froh, dass es dir wieder besser geht«, sagte sie leise und schaute zu ihm auf. Er lehnte seine Stirn gegen ihre und schloss einen Moment seine Augen. »Ich lass mich eben nicht von ein bisschen Gift unterkriegen.« Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen, bevor sie sich trafen und einen lieblichen Kuss austauschten. Was viele nicht wussten, war, dass die beiden Ninja mehr als Freundschaft füreinander empfanden und das schon seit mehreren Monaten. Und das war bisher das größte Hindernis, das ihnen das Leben schwer machte. Doch wenn sie das schon überwinden konnten, werden sie auch andere Dinge überwinden können. ____________________________________________________________________________ © Kapitel 6: Summer Secret ------------------------ Summer Secret – Naruto x Ino Hawaii. Ein weißer Sandstrand, wunderschönes klares Wasser, Sonne pur und einfach nur Entspannung! Genau das war es, was Ino Yamanaka sich unter diesem kleinen Urlaub, den sie in einer guten Stunde antreten würde, vorstellte. Vor ihren Augen hatte sie ein genaues Bild, was auch kein Wunder war, da sie vor einem mannshohen Plakat stand, das ihr genau dieses Bild bot und ihrer Vorstellungskraft so noch ein bisschen auf die Sprünge half. Sie war bereits total hibbelig, als sie einfach nur mit ihrer Freundin am Flughafen stand und darauf wartete, dass sie gemeinsam in das Flugzeug steigen konnten. Neben der Tatsache, dass sie einen traumhaften Kurzurlaub vor sich hatte, war es das erste Mal für die junge Frau, dass sie so einen Vogel besteigen würde. „Ich bin so aufgeregt, Sakura!“ Die Begeisterung stand ihr auf jeden Fall ins Gesicht geschrieben. Das entging ihrer Freundin nicht. Sakura Haruno, welche übrigens die besagte beste Freundin war, hatte diese kleine Reise von ihrem Verlobten geschenkt bekommen. Für einige mochte das wohl klingen, als würde er sie damit los werden wollen, aber dem war nicht so. Sasuke Uchiha wusste, dass seine Verlobte schon immer einmal nach Hawaii wollte. Da er aber aus beruflichen Gründen keine Zeit hatte, mit ihr zu fliegen, hatte sie sich dafür entschieden, Ino mitzunehmen. Die war sofort von ihrer Idee begeistert gewesen. Ein Nein wäre sicher nie über die Lippen der Blondine gekommen, wenn es um dieses traumhafte Reiseziel ging. Während die Zeit des Wartens quälend langsam davon schritt, sahen die beiden Frauen sich interessiert in dem überteuerten Duty-free-Shop am Gate um. Auch wenn sie nichts kaufen wollten, war es wenigstens ein kleiner Langeweilekiller. Mit Zeitschriften eingedeckt, betraten sie gemeinsam das Flugzeug. Ino bettelte regelrecht um den Platz am Fenster, den Sakura ihr auch so überlassen hätte. Da es so gesehen ihr Jungfernflug war, sollte sie das genießen können. Wenige Stunden später standen die beiden mit ihren Koffern an der edlen Rezeption des Hotels und warteten auf ihre Zimmerschlüssel. Schon alleine die große Eingangshalle war überwältigend mit der großen Kuppel, den Mamorböden und den eleganten Kronleuchtern. Es gab mehreren Sitzmöglichkeiten, einen direkten Ausgang in eine hoteleigene Bar, mehrere Aufzüge, die in die höheren Stockwerke führte. Aber was hätte sie bei einem Fünf-Sterne-Hotel sonst erwarten sollen? „Hey, Ino. Kommst du?“ Die Blondine war so sehr damit beschäftigt, sich umzusehen und sich alles einzuprägen, dass sie gar nicht gemerkt hatte, dass ihre Freundin bereits alles abgeklärt hatte. Samt ihrer Koffer stiegen sie in einen der Lifte und fuhren bis in den achten Stock nach oben, wo sich ihr Zimmer befand. Auch dieses war überaus luxuriös ausgestattet. Riesengroßer Wohnraum, eine Minibar, ein großes Badezimmer und ein Balkon mit der herrlichsten Aussicht auf das Meer. Da es schon recht spät und die Sonne bereits untergegangen war, konnten sie die Lichter auf den Straßen bewundern. Alles war bunt und hübsch anzusehen. Im nächsten Moment klopfte es an der Tür und ein Page brachte ihnen das Abendessen aufs Zimmer. Bei dem Anblick fingen Inos meerblaue Augen direkt an zu glänzen. „Also daran könnte ich mich glatt gewöhnen“, sagte sie lachend, als sie sich gemeinsam mit ihrer Freundin über das Essen hermachte. Der erste Abend in ihrem trauten Heim für die nächsten Tage verlief noch recht ruhig. Sowohl Sakura als auch Ino waren von der Anreise müde, weshalb sie sich den Abend nur noch mit ein paar Kartenspielen versüßten und dann schlafen gingen. Schließlich wollten sie Kraft tanken, um das Hotel und seine Vorzüge in den folgenden Tagen erforschen und auskosten zu können. * Ein neuer Tag brach im Hotel an und die beiden jungen Frauen hatten sich bereits am frühen Morgen vor dem Frühstück zwei Liegen am Pool reservieren lassen. In so einem Luxushotel war es kein Wunder, dass der braungebrannte Pooljunge ihnen schon beinahe aus Selbstverständlichkeit die besten Plätze reserviert hatte. Mit einem frisch gepressten Orangensanft – Ino wollte schließlich ihre Figur halten – in der einen und einem Buch in der anderen Hand spazierte die hübsche Blondine an den Liegen vorbei, bis sie ihre Freundin entdeckte. „Habe ich schon einmal erwähnt, dass ich deinen Schatzi für das hier knutschen könnte?“, fragte sie grinsend, als sie sich setzte. Sakura war gerade dabei, sich einzucremen, als sie die Worte ihrer Freundin vernahm. „Ja, das hast du schon mehrfach gesagt“, antwortete sie mit einem angehauchten Grinsen auf den Lippen. „Ich denke, es wird reichen, wenn du dich bei ihm bedankst.“ Natürlich würde Ino ihn niemals wirklich abknutschen. Das meinte sie ja nur im übertragenen Sinn, aber das wusste Sakura sicherlich. „Schon irgendwelche Wünsche für demnächst?“, erkundigte sich die Rosahaarige, als ihre Freundin Platz genommen hatte und damit anfing, sich ebenfalls einzucremen. „Also ich wäre auf jeden Fall dafür, dass wir morgen an den Strand gehen. Heute Abend ist irgend so eine Tanzshow hier auf der Showbühne. Außerdem finde ich, dass wir den Wellnessbereich im Hotel mal austesten sollten. Vielleicht kann man hier in der Nähe auch gut shoppen gehen? Was meinst du? So ein hübscher Kokusnussbikini und ein Palmenblätterrock würden mir doch bestimmt stehen.“ Lachend ließ Ino sich auf den Rücken fallen und streckte sich der wärmenden Sonne entgegen. Dass sie schon bestimmte Pläne und Vorstellungen hatte, war Sakura klar. Auch wenn sie noch keine vierundzwanzig Stunden dort waren, hatte ihre Freundin sich bereits über jegliche Aktivitäten im Hotel erkundigt. Während Ino sich sonnte, wollte Sakura im Pool ein paar Runden drehen, um sich zu erfrischen. Was sie dabei nicht bemerkte, war, dass sie beobachtet wurde. Ein Mann mit sonnengebräunter Haut und goldblondem Haar sah ihr fasziniert zu, wie sie die Stufen ins Wasser stieg und zu schwimmen begann. Seine tiefen blauen Augen folgten jede ihrer Bewegungen. Was ihm bei ihrem Anblick als erstes ins Auge stach war, war wohl glasklar, oder? Rosafarbene Haare. Eine außergewöhnliche und nicht alltägliche Haarfarbe wie er fand. Und doch kam sie ihm merkwürdig bekannt vor. Neben den beiden Frauen gab es natürlich noch etliche andere Gäste, die ihre Urlaubszeit am Pool verbrachten. Unter diesen befanden sich auch Naruto Uzumaki, welcher übrigens gerade dabei war, Sakura anzustarren, und Kiba Inuzuka. Die beiden hatten mehr Glück als Geld, und hatten diese kleine Reise bei einem Gewinnspiel ergattern können. Demnach genossen sie diesen Luxus so gut es ihnen möglich war. Neben der Entspannung und der Sonne hatten sie vor allem ein Ziel: Frauen. Sie wollten flirten, flirten und nochmals flirten. Immerhin liefen genug hübscher Damen in diesem Hotel rum, also warum nicht ihr Glück versuchen? Die Frage war nur, ob sie sich auch wirklich die richtigen Frauen herauspickten. Als Ino bemerkte, wie dieser Typ, der zwei Liegen weiter sein Revier aufgeschlagen hatte, seiner Freundin hinterher geierte, griff sie nach ihrer Sonnenbrille, um sie von ihren Augen zu ziehen, und musterte ihn kurz verdächtig. „Hey, Blondie!“ Er reagierte weder auf das Rufen, noch auf ein Pfeifen, noch auf sonstige Versuche der jungen Frau, auf sich aufmerksam zu machen. Das ließ ihren Geduldsfaden schon mal gehörig dünn werden. Sie mochte es ganz und gar nicht, nicht beachtet zu werden, oder wenn jemand nicht antwortete. Ungeduldig wie sie war hätte sie am liebsten ihre Sonnencreme, ihre Zeitschrift oder irgendeinen anderen Gegenstand, der ihr zwischen die Finger gekommen wäre, nach ihm geworfen. Sie bemerkte gar nicht, dass in seinen beiden Ohren Kopfhörer steckten, die ihn sein gesamtes Umfeld gar nicht wahrnehmen ließen, außer nun mal diese rosahaarige Frau. Doch schon im nächsten Augenblick war sein Sichtfeld versperrt. Das Erste, was er zu sehen bekam, waren zwei straffe, schöne Oberschenkel, die er definitiv nicht zuordnen konnte. Langsam wanderte sein Blick weiter über den flachen Bauch, zu dem vollen Busen, der verpackt in einen schwarzen Bikini war, und blieb da beinahe stehen, wenn er nicht im letzten Moment noch in das Gesicht der Fremden gesehen hätte. Er zog die Kopfhörer aus seinen Ohren und sah sie erwartungsvoll an. „Schön, deine Aufmerksamkeit zu haben, Blondie“, sagte Ino bissig und beugte sich zu ihm vor. Das versprach ihm einen noch viel besseren Ausblick auf ihre Brüste. „Hör auf, meine Freundin anzugaffen. Die ist schon vergeben, also Chance verspielt. Übrigens sind meine Augen nicht dort!“ Als sie bemerkt, dass seine Augen auf ihre Oberweite gerichtet waren, musste sie ihn einfach darauf hinweisen. Doch der Angesprochene war nicht in der Verfassung, auf die Vorwürfe der jungen Frau zu reagieren. Er war vollkommen perplex. So etwas war ihm noch nie passiert. Noch bevor er eine Entschuldigung oder etwas in der Art stammeln konnte, hatte sich Ino schon wieder umgedreht. Sie schlenderte zurück zur Liege, wo sie ihre Flipflops abstellte und sich streckte. Sie ging zum Beckenrand und schenkte dem Blonden keinen weiteren Blick mehr, sondern machte einen eleganten Kopfsprung in das kühle Wasser. „Hey, Naruto!“ Vollkommen aus seiner Trance gerissen, neigte sich der Angesprochene zu seinem Freund, der mit zwei Gläsern Cola in den Händen zu ihm kam. Selbst in diesem Moment realisierte er noch nicht ganz, was sich eben vor seinen Augen abgespielt hatte. „Wer war denn die heiße Braut? Die seh’ ich hier zum ersten Mal.“ „Das wüsste ich auch gerne…“, murmelte Naruto und sah immer noch ein wenig bedröppelt aus der Wäsche. Er nahm den Becher mit dem kühlen Getränk an sich und drehte sich dann wieder zum Pool, wo er sich nach den beiden Damen umsah. Sie hatte gesagt ‚ihre Freundin’. Hieß das vielleicht, die beiden wären ein Paar? Das Bild, was sich in diesem Moment vor seinem geistigen Auge abbildete war jedenfalls nicht jugendfrei. Er schüttelte seinen Kopf. „Du wirst es nicht glauben. Dieser Typ da glotzt dich schon die ganze Zeit an“, erklärte Ino genervt als sie ihre Freundin im Becken gefunden hatte. Sakura lachte nur über die weiteren Erzählungen. „Du hast ihm dann aber auch nur eine gute Vorlage gegeben, dir auf den Busen zu starren, Ino.“ Wo sie Recht hatte, hatte sie nun einmal Recht. Das sah ihre Freundin auch schnell ein. Es war wohl ein Fehler gewesen, sich so direkt zu ihm vorzubeugen. Aber sie glaubte nicht, dass sie sich so schnell wiedersehen würden – wie sehr sie sich da doch irren sollte. Noch am selben Abend sollten die beiden sich über den Weg laufen, wenn auch mehr oder weniger durch einen kleinen Unfall. Nach dem Abendessen sahen Ino und Sakura sich die Tanzshow an. Sie saßen auf der großen Hotelterrasse und tranken nebenbei ihre Fruchtcocktails. „Also, morgen früh gehen wir an den Strand und nachmittags dann in die Sauna und zur Massage.“ Das waren jedenfalls die Pläne von Ino. Aber Sakura schloss sich ihr selbstverständlich an. Immerhin machten sie diesen Urlaub ja gemeinsam. „Ich hol mir noch einen von diesen Cocktails, willst du auch?“ „Danke, ich hab noch.“ Ino stand auf und machte sich auf den Weg zur Bar, wo sie ihr frisch gepresstes und gemischtes Getränk holen würde. Sie stellte sich in die Schlage und summt während des Wartens die Musik der Show mit, als sich plötzlich ein Arm um ihren Körper legte. „Hey Schnecke, Lust auf ein bisschen Lambada?“ Sie war schon nach diesem Spruch abgeneigt, überhaupt auf diesen Menschen einzugehen, aber sie wies ihn lieber ab, bevor noch ein dummer Spruch kommen würde und noch einer und noch einer. Sie musterte den Braunhaarigen einen kleinen Moment. Er grinste vor sich hin und schien bereits mehr intus zu haben als er vertrug. „Kein Interesse, Schätzchen. Versuch’s bei den kleinen Mädchen, bei denen solche Sprüche ziehen“, sagte sie und nahm seinen Arm von ihren Schultern. Doch damit war es nicht getan, denn er ließ sich so schnell nicht abwimmeln. „Komm schon, Baby. Ein Tanz, hm?“ Seine Hand kam ihrem Allerwertesten gefährlich nahe und sie sah ihm bereits angriffslustig in die Augen. Bevor er ihr an den Arsch grabschen konnte, griff sie nach seinem Arm und drehte diesen gekonnt auf seinen Rücken, so dass er vor Schmerz aufstöhnte. „Pass auf, wo deine Griffel landen“, knurrte sie. „Hey! Hey! Ganz ruhig!“, rief eine Stimme und kam auf die beiden zugelaufen. „Ich entschuldige mich für meinen Kumpel. Er hat wohl schon ein bisschen zu tief ins Glas geguckt.“ Das war der Kerl vom Pool. Die beiden gehörten also zusammen. Da hatte der Topf wohl seinen Deckel gefunden. „Hn.“ Ino ließ ihn los, sodass er einen Schritt nach vorne stolperte. „Blöde Zicke“, knurrte er daraufhin, was ein böser Fehler war. Denn mit scharfem Blick drehte sich die Blondine daraufhin wieder zu ihm. „Kiba. Wir sollten gehen.“ Kaum gesagt, schon getan. Das war wohl besser für die beiden. Nach dieser stressigen Begegnung war Ino froh, sich wieder auf ihren Sessel fallen lassen zu können. Ihre Freundin legte ihr Handy gerade wieder auf den Tisch zurück. „Na, hat er dich schon vermisst?“, fragte sie grinsend. Daraufhin bildete sich ein Lächeln auf dem Gesicht von Sakura ab. „Ein bisschen vielleicht.“ „Ich beneide dich wirklich um ihn. Warum kommen bei mir eigentlich immer nur besoffene oder dumme Kerle an?“ „Du findest schon noch den Richtigen, Ino.“ Auf weitere Männerbegegnungen konnte sie nach dem ersten erfolgreichen Tag im Hotel allerdings gerne verzichten. * Vom nächsten Tag am Strand erhoffte sich die junge Frau jedenfalls etwas mehr Ruhe und Entspannung. Der Sand war unheimlich weich und fühlte sich einfach nur gut an, sodass sie am liebsten die Promenade die ganze Zeit rauf und runter gegangen wäre. Während sie sich einem Strandspaziergang widmete, saß Sakura auf der Strandliege und simste ihrem Verlobten bereits wieder. Sie wollte ihm einfach nur sagen, wie schön es war und dass sie ihn gerne bei sich hätte. Als er gerade eine Antwort geschickt hatte, stellte sich allerdings jemand direkt in die Sonne und warf einen Schatten auf sie, was sie aufsehen ließ. „Hallo.“ Es war Naruto, der da vor ihr stand und sie grinsend begrüßte. „Hallo?“ Im Gegensatz zu ihrer Freundin hatte Sakura dem jungen Mann, der sie wohl die ganze Zeit angeglotzt hatte, nicht direkt gesehen, weshalb sie sein Gesicht nicht zuordnen konnte. „Du bist Sakura, richtig? Sakura Haruno?“, fragte er. „Sakura Haruno Uchiha in Spe, aber ja das bin ich. Kennen wir uns irgendwo her?“ Wie schon erwähnt, sie konnte sein Gesicht nicht zuordnen. „Du erkennst mich bestimmt nicht. Ich bin Naruto, Naruto Uzumaki. Wir waren im selben Kindergarten. Und zusammen in der ersten Klasse. Ich war damals total in dich verknallt“, gestand er und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. In diesem Moment machte es ‚Klick’ bei Sakura. „Ja! Ich erinnere mich!“ Mit einem Eis in der Hand spazierte Ino zurück zu ihrer Freundin. Als sie diesen unverschämten Typen schon wieder entdeckte, verengte sie ihre Augen einen Moment. „Hey!“ Kaum hörten sie ihre Stimme, sahen sowohl Naruto als auch Sakura zu der Blondine, die angestampft kam. „Ich hab dir doch gesagt, du sollst meine Freundin in Ruhe lassen! Sie ist schon vergeben!“ „Entspann dich, Ino. Wir kennen uns“, erklärte Sakura lachend. „Ino, das ist Naruto Uzumaki. Ich kenne ihn noch von früher. Wir waren zusammen im Kindergarten. Und Naruto, das ist Ino Yamanaka, meine temperamentvolle, beste Freundin.“ „Freut mich, Ino.“ Naruto trat ihr aufgeschlossen gegenüber und hielt ihr seine Hand hin. „Wie geht’s deinem unsensiblen Grabscher-Freund?“ „Du meinst Kiba? Der lässt sich gerade seinen Kater wegmassieren.“ „Aha.“ Man sah Ino an, dass sie nicht sehr überzeugt von Naruto war. „Na ja, ich muss dann auch mal wieder. Wir sehen uns bestimmt noch mal. Sakura, freut mich, dich nach so langer Zeit mal wieder gesehen zu haben.“ Die Angesprochene winkte zum Abschied und sah ihm lächelnd nach. Am Nachmittag lagen Sakura und Ino auf den Massagetischen des Wellnessbereichs und ließen sich ordentlich durchkneten. Das Hotel hatte nicht zu wenig versprochen, was ihren Service anging. Die Atmosphäre stimmte, die Massage stimmte, die Entspannung stimmte. Inos Erwartungen wurden bei Weitem übertroffen. „Wollen wir uns heute Abend an die Strandbar setzen?“, fragte Sakura irgendwann als sie alleine waren. „Können wir gerne machen“, erwiderte Ino, die die Ruhe selbst war. Und das nur durch eine kleine Massage. Da konnte man mal sehen, was das für Wunder wirken konnte. Die beiden Freundinnen saßen am Abend gemeinsam an der Strandbar und beobachteten den Sonnenuntergang. Diesen schönen Anblick musste die Yamanaka mit ihrer Digitalkamera festhalten. Sie stand auf, um einen besseren Bildausschnitt wählen zu können und machte dann diesen Schnappschuss. Als sie die Kamera heruntergenommen hatte, sah sie der Sonne sehnsüchtig entgegen. Ein Moment, in dem sie sich wünschte, einen Mann an ihrer Seite zu haben, der diese Aussicht mit ihr genießen konnte. Aber sie kam schnell aus ihrer Traumwelt zurück und setzte sich wieder an den Tisch. Einer der Kellner kam herum und stellte einen Cocktail vor Inos Nase ab. Fragend sah sie den Mann an. „Das ist von dem blonden Mann an der Bar“, erklärte er, woraufhin Ino sich umdrehte. Das war doch Naruto. Sie sah ihn nur kurz an und wandte sich dann wieder an ihre Freundin. „Ein Sex on the Beach, huh?“, murmelte sie und musterte den Cocktail, „Meinst du, ich soll das als zweideutige Anspielung verstehen?“, fragte sie und zog skeptisch ihre Augenbrauen zusammen. „Ich denke, du sollst es als nett gemeinte Geste verstehen.“ „Du scheinst ja sehr überzeugt von diesem Naruto zu sein“, quittierte Ino die Aussage ihrer Freundin. Ob da etwas im Busch war? War Sakura die Beschwerden der Blondine vielleicht leid und wollte sie jetzt verkuppeln? „Sei nicht so eine Schwarzseherin, Ino. Das passt nicht zu dir“, lachte die Rosahaarige nur. Die bekanntlich gute Miene zum bösen Spiel. Außer einiger kleiner Cocktails geschah an diesem Abend aber nichts Erwähnenswertes mehr. So kam Ino auch auf den Schluss, dass sie sich das vielleicht nur eingebildet hatte. Selbst wenn Naruto möglicherweise Interesse an ihr hatte, beruhte das nicht auf Gegenseitigkeit und Sakura hatte ihre Finger da ganz sicher auch nicht im Spiel – so dachte Ino jedenfalls. * Auch am Folgetag, tauchte Naruto immer wieder auf. Aber er tauchte eben nur auf. Er sprach sie nicht an, schickte auch keine Getränke, sondern lief ihnen einfach nur immer wieder über den Weg. Als Ino mit Sakura Frühstücken ging, wenn sie Getränke holte, beim Mittagessen ebenfalls und dann auch beim Kaffee und Kuchen. Er hatte anscheinend Stalkerpotential. Vielleicht sollte sie sich doch Sorgen machen? Am Abend hingegen bekam sie ihn nicht mehr zu Gesicht, weder beim Abendessen, noch als sie zur Strandbar ging. Die Ruhe vor dem Sturm? Da Sakura im Zimmer war, damit sie in Ruhe mit Sasuke telefonieren konnte, saß Ino alleine an der Bar und gönnte sich einen Drink. Als jemand den Platz neben ihr in Beschlag nahm, konnte sie sich schon denken, wer das war. „Du verfolgst mich, kann das sein?“, fragte sie grinsend, als sie das goldblonde Haare und die blauen Augen sah. Naruto erwiderte ihr Grinsen. „Heute ganz alleine unterwegs?“ „Sakura telefoniert mit ihrem Herzblatt.“ „Mh. Verstehe. Aber jetzt kann ich dir ja Gesellschaft leisten.“ Naruto war einfach locker und entspannt. Es war nicht gezwungen, sondern ein ruhiges Beisammen sein. Nur dass bei diesen Beisammen sein beträchtliche Mengen an Alkohol flossen. Die beiden achteten schon gar nicht mehr darauf, wie viel sie eigentlich tranken. Sie tranken, redeten und lachten – und zwar von allem eine Menge. „Weißt du, als du mich das erste Mal so angeschnauzt hast wegen Sakura, da dachte ich, ihr beide wärt lesbisch oder so“, erklärte Naruto, woraufhin Ino in lautem Gelächter ausbrach. „Dein Ernst?“, fragte sie unter Lachtränen. Sie brauchte eine ganze Weile, um sich wieder einzukriegen, aber selbst danach fing sie schon wieder an zu lachen und Naruto stimmte ein. „Und ich fand es wirklich krass, wie du Kiba abgewimmelt hast. Du kannst echt brutal sein, huh?“ „Das nennt sich Selbstverteidigung“, erwiderte Ino und rutschte von ihrem Barhocker. „Ist ganz einfach, ich zeig’s dir. Los, komm her!“ Nur leider war Ino nicht mehr ganz in der Lage, Naruto abzuwehren. So kam es dazu, dass sie nach hinten stolperte und mit ihm über sich in den Sand fiel. Aber sie lachte nur darüber. Naruto stand langsam wieder auf und bot ihr seine Hand an, um ihr aufzuhelfen. „Willst du was Schönes sehen?“, fragte er und grinste schon wieder. „Immer! Immer gerne!“ „Dann komm mit.“ Er hielt die zierliche Hand der Blondine fest und zog sie hinter sich her, bis sie zur Strandpromenade kamen. Auf ihr waren mehrere Fackeln aufgestellt, die ihr warmes Licht verbreiteten. Im Wasser spiegelten sich die unzähligen Sterne und der helle Schein des Mondes. Ein unglaublicher Anblick, wie auch Ino fand. „Weißt du… das könnte glatt romantisch sein“, lachte sie und lehnte sich an seinen muskulösen Oberkörper. Ehe sie sich versah lag sie in seinen Armen und presste ihre Lippen gierig gegen seine. Wer jetzt gedacht hätte, dass es diesen kitschig süßen Moment gab, in dem sie sich lange und intensiv in die Augen sahen und ihre Lippen sich langsam aufeinander zu bewegten, hat sich gewaltig geschnitten. Die beiden waren viel zu betrunken dafür noch nach romantisch kitschigen Klischees zu gehen. Stattdessen gingen sie lieber aufs Ganze. Zu dieser Uhrzeit war ohnehin kaum noch jemand am Strand unten. Sie waren ungestört und konnten sich wie verliebte Teenager verhalten, die einfach nur wild rummachten. Extra um ihn zu ärgern, löste Ino den Kuss und sah ihren Gegenüber grinsend an. „Wenn du mehr davon willst, dann… musst du mich fangen!“ Sie stieß sich von ihm weg und lief lachend davon. Im ersten Moment hatte er das gar nicht realisiert, aber dann folgte er ihr. Also kamen sie auch nicht weit. Sie fanden sich im Sand wieder und lagen knutschend aufeinander. „Du bist verrückt“, raunte Naruto in das Ohr der Blondine. „Das mag sein“, antwortete sie und suchte seinen Blick. In diesem Moment schienen sie beide irgendwie verrückt zu sein. Sie verlagerten ihren Platz vom Sand auf eine der Liegen, die noch am Strand standen. Eng aneinandergekuschelt teilten sie sich die Liegefläche. Ino hatte ihre Arme um Narutos Nacken geschlungen und küsste ihn. Es stand noch offen, ob sie das am nächsten Tag bereuen würde oder nicht. Momentan würde sie sowieso zu nein tendieren. So endete der Abend ganz anders als alle Beteiligten es wohl erwartet hatten. * Der nächste Morgen begann mit einem erschreckten Luftzug. Ino saß kerzegerade in ihrem Bett und sah sich um. Sie war in ihrem Zimmer. In ihrem Zimmer, welches sie sich mit Sakura teilte, oder? Ein Blick unter die Decke verriet ihr, dass sie nicht nackt war. Also schloss sie eine ganze bestimmte Sache aus. „Sakura?“, rief sie durch den Raum und schwang dann ihre Beine über die Matratze. Als sie sich auf die Suche nach ihrer Freundin machen wollte, kam diese durch die Tür und hatte ein ausgewogenes Katerfrühstück für ihre Freundin dabei. „Was guckst du mich denn so an? Ich bin kein Geist oder so.“ Ino bekam das Tablett mit dem Essen in die Hand gedrückt und Sakura verschwand einen Moment im Badezimmer. Erleichtert konnte die Yamanaka aufatmen. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es schon ziemlich spät war. Anscheinend war es nicht von Vorteil gewesen, so viel Alkohol zu trinken. Das würde sie so schnell kein zweites Mal machen. Erst mal würde sie sich über das Kraftfrühstück hermachen. „Also, heute Bummeln und Shoppen und die Gegend besichtigen, ja?“, fragte Sakura, als sie aus dem Badezimmer kam. Ino kaute gerade auf ihrem Brötchen herum und nickte. Die Pläne für den Tag hatte sie ganz vergessen, aber ja, das wollten sie ja machen. „Ich hab einen kleinen Umgebungsplan, den können wir ja gleich mal zusammen studieren, wenn du gegessen hast.“ Erneut zeugte die Blondine von ihrer Zustimmung, indem sie nickte. Sobald sie ihr Frühstück verschlungen hatte, würde sie auch wieder redefreudiger sein. Auf dem Balkon sitzend und die Karte studierend, planten die beiden Frauen eine kleine Route, die sie abgehen wollten. Auf einem kleinen Notizblock schrieben sie sich ihre Ziele auf. Die Karte würden sie für den Notfall aber dennoch mitnehmen. Man wusste schließlich nie. Ino kam gerade von der Toilette wieder als es an ihrer Zimmertür klopfte. Ohne soweit zu denken, wer denn überhaupt davor stehen konnte oder würde, öffnete sie die Tür. Genau der peinliche Moment, den sie auch einfach hätte vermeiden können, aber nein, die Blondine liebte es, in Fettnäpfchen zu treten. Natürlich stand niemand anderes als Naruto vor ihr. „Hey, Ino.“ Ihm schien die Situation ebenso unangenehm zu sein wie ihr. „Wie geht’s dir?“ Smalltalk war möglicherweise nicht die beste Lösung, aber so würde er vielleicht einen kleinen Anschluss finden. „Gut“, antwortete die junge Frau, „Und dir?“ Peinlich berührt standen Ino und Naruto sich gegenüber. Sie wussten beide noch ganz genau, was am Vorabend passiert war. Aber keiner von beiden wollte so wirklich das erste Wort ergreifen und darüber reden. „Hey, Ino. Wer ist denn da?“, fragt Sakura neugierig und kam zur Tür. „Naruto, hallo!“, begrüßte sie ihn lächelnd. Dass sie in diesem Moment ganz fehl am Platze war, merkte die junge Frau bereits. Aber das sah sie nicht als Anlass zu gehen. „Ino und ich wollen gleich ein bisschen in die Stadt. Bummeln, shoppen, ein paar Andenken kaufen. Habt ihr vielleicht Lust mitzukommen, also du und Kiba?“ „Sakura! Ich bin mir sicher die beiden-“ „Klar, warum nicht?“, fiel Naruto der Blondine allerdings ins Wort. „Super, dann treffen wir uns gleich in der Lobby.“ Daraufhin schloss Sakura ihre Zimmertür. Ino war sprachlos über diese Dreistigkeit. Die Dreistigkeit von den beiden! Aber sie hatte gar keine Zeit sich weiter Gedanken darum zu machen. „Willst du die ganze Zeit wie angewurzelt da rumstehen? Oder machst du dich jetzt fertig?“ Ihre Ziele waren mehrere kleine Läden in der Umgebung. Sie suchten nach Dekoartikeln, kleinen Geschenken, kleinen Erinnerungsstücken. Zudem wollte Ino ja unbedingt ihr schönes Hulatänzerin-Outfit haben, das sie sich wirklich kaufte. Sie begutachteten Straßenkünstler, Tänzerinnen und Musiker, aßen gemeinsam Eis und bemerkten gar nicht, wie schnell die Zeit doch vergehen konnte. Während ihres kleinen Einkaufsbummels hielten die Vier eine ganze Menge Momentaufnahmen fest. Naruto und Ino schienen wirklich auf einer Wellenlänge zu liegen. Trotz der Anspannung am Anfang des Nachmittags wurden sie immer lockerer und konnten wieder Spaß miteinander haben. Genau so, wie Sakura sich das vorgestellt hatte. Bestimmt die Hälfte der aufgenommenen Fotos dieses Tages waren Bilder von den beiden Blondinen, wie sie ausgelassen Spaß haben, lustige Hüte oder Sonnenbrillen aufhaben, sich Eis auf die Nasenspitze schmieren oder einfach Grimassen ziehen. Aus der Sicht der Rosahaarigen jedenfalls ein sehr gelungener, kleiner Ausflug. So kam es am Ende des Tages auch dazu, dass sie total müde ins Bett fielen und sich nicht mehr aufraffen konnten, irgendetwas zu tun. * Es war der letzte Morgen auf Hawaii für Sakura und Ino. Sie waren früh aufgestanden, um in Ruhe frühstücken zu können. Die Yamanaka war schon den gesamten Morgen außergewöhnlich still. Aber Sakura konnte sich denken, wieso das so war. Anscheinend hatte sie in Naruto doch mehr gesehen, als sie es am Anfang noch behauptet hatte. Doch die Rosahaarige war sich sicher, dass es nicht bei dieser kleinen Urlaubsromanze bleiben würde, jedenfalls vorerst. Nachdem ihre Koffer zu waren, saßen die beiden Frauen auf dem Balkon und genossen den Ausblick. Doch Ino war unruhig, das sah man ihr an. „Jetzt hau schon ab“, sagte Sakura und grinste. Das ließ sich die hübsche Blondine nicht zweimal sagen. Sie stand auf und verschwand aus dem Zimmer. Mit großen und schnellen Schritten trat sie durch den Flur zu den Aufzügen. Aber wie es in solchen Momenten immer war, dauerte es eine halbe Ewigkeit, bis endlich mal einer der Aufzüge kam. Also entschied sie sich kurzfristig dafür, die Treppen zu nehmen. Vor der Zimmertür von Naruto angekommen, atmete sie tief durch, bevor sie anklopft. Doch es machte niemand auf. Auch nach wiederholtem Klopfen. Vielleicht war er auch einfach nicht da. Dennoch klopfte Ino ein weiteres Mal an die Tür. Wie zuvor auch, gab es keine Reaktion. Seufzend wandte sie sich ab und ging zurück in ihr Zimmer. Doch auf halbem Weg stoppte sie und ging noch einmal zurück. In ihrer Handtasche waren ein kleiner Block und ein Kuli, also schrieb sie einfach eine Nachricht an Naruto und schob diese unter der Tür durch. Vielleicht, nein hoffentlich, würde er diesen Zettel noch finden, bevor sie abreisen würde. Da sie ihr Zimmer gegen Mittag verlassen sollten, saßen Sakura und Ino in der Lobby, wo sie auf ihr Taxi warteten. Naruto war noch immer nicht auftaucht, was die Yamanaka zum Grübeln brachte. Sie spielte bereits mit dem Gedanken, die Hoffnung, dass er überhaupt auftauchte, doch noch aufzugeben. Vor allem als der Taxifahrer das Hotel betrat. Der Blick ihrer Freundin sagte alles. Sie mussten gehen und sie konnten nicht noch länger warten. Also stand Ino auf und seufzte resignierend. Dann würde sie eben ohne Verabschiedung gehen müssen. „Ino!“ Noch bevor sie das Hotel verließ, hielt seine Stimme sie zurück. Blitzartig drehte sie sich um und konnte beobachten, wie er auf sie zugelaufen kam, mit ihrer kleinen Notiz in der Hand. „Tut mir leid, ich bin so schnell ich konnte gekommen.“ Er atmete tief durch, um wieder zur Ruhe zu kommen. Ino warf einen Blick über ihre Schulter. Ihre Freundin nickte ihr zu. Während die beiden sich verabschiedeten, würde sie die Koffer ins Taxi bringen lassen. So konnte sie zumindest ein bisschen Zeit schinden. „Das wird jetzt aber kein kitschiges ‚Oh, es war so schön, ich werd’ dich so vermissen’, oder?“, scherzte Naruto, woraufhin er einen Box gegen die Schulter bekam. „Quatsch. Wie kommst du nur darauf?“ Dass sie genau das eigentlich sagen wollte. Ino lächelte ihn an und nahm ihn dann in den Arm. „Ich wollte mich einfach nur verabschieden. Immerhin haben wir ein paar schöne Tage miteinander verbracht.“ So lange, wie es ihr möglich war, hielt sie ihn fest. „Also dann. Es hat mich gefreut, dich kennenzulernen, Naruto Uzumaki.“ Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und drehte sich dann um, damit sie zu ihrer besten Freundin zum Taxi gehen konnte. Doch Naruto hielt sie am Handgelenk fest, zog sie zurück und küsste sie. „Ich werd’ dich vermissen“, murmelte er und sah ihr in die Augen. Auf diese Aussage hin konnte sie nur grinsen. „Idiot“, flüsterte sie und gab ihm noch einen sanften Kuss. „Ich muss jetzt los.“ „Wir hören voneinander!“, rief der Blonde ihr noch hinterher. Als sie im Taxi saß, warf sie ihm einen letzten Blick zu und winkte. Dann fuhr sie davon. * Ino und Sakura saßen im Flugzeug, auf dem Weg in die Heimat, als Ino eine verdammt wichtige Sache einfiel. „Sakura!“ Eigentlich war die Rosahaarige gerade am Schlafen, als sie die geschockte Stimme ihrer Freundin wahrnahm. „Mh? Was ist denn, Ino?“ „Ich weiß gar nicht, wie ich mich bei Naruto melden soll! Wir haben keine Nummern ausgetauscht oder Adressen oder Emailadressen!“ Seufzend rieb die Angesprochene über ihre Augen. „Jetzt mach mal nicht so einen Terz. Ich hab das alles…“ „Ah! Ich liebe dich, Sakura!“ Ino umarmte ihre Freundin so gut es ihr im Flugzeug eben möglich war und widmete sich dann wieder der Sicht aus dem Fenster. Kaum war die Blondine zu Hause angekommen, fuhr sie ihren Laptop hoch, um ihr Emailkonto zu öffnen. Sie tippte eine Nachricht für ihre Urlaubsbekanntschaft und konnte währenddessen einfach nicht aufhören zu grinsen. „Hey du braungebrannter Sunnyboy, …“ _______________________________________________________ Kapitel 7: I'm not him (Teil 1) ------------------------------- Der zehnte Februar. Der Tag, an dem eine loyale, ehrliche und zugegebenermaßen auch ein wenig nervige Person geboren wurde: Obito Uchiha. Ein mutiger Junge, der alles für seine Freunde tat. Der alles tat, um sie zu schützen, selbst wenn das bedeutete, sein eigenes Leben zu geben. An genau diesem Tag, dem heutigen zehnten Februar wäre Obito Uchiha achtzehn Jahre alt geworden, doch leider war dem nicht so, denn vor fast fünf Jahren war er im Kampf gefallen. Seine Teamkollegin Rin, für die er gekämpft, die er beschützt und geliebt hatte, war an diesem Nachmittag auf den Straßen Konohas unterwegs. Die Kunoichi steuerte einen ganz bestimmten Laden an: Den Blumenladen der Familie Yamanaka. Als sie niemanden hinter der Theke ausmachen konnte, beschloss sie sich ein bisschen umzusehen und einfach zu warten, bis jemand auftauchen würde. Während sie das tat, kam ein kleines Mädchen mit hellblondem Haar und großen blauen Augen auf sie zu. „Wer bist du denn?“, fragte sie neugierig an die Ältere gewandt. Daraufhin drehte Rin ihren Kopf zu dem Kind und ging lächelnd in die Hocke. „Ich bin Rin. Und wer bist du?“ „Ich bin Ino!“, rief das Mädchen aus und streckte ihre Hand in die Höhe, zeigte drei ihrer Finger. „Und ich bin drei Jahre alt.“ „Freut mich, dich kennenzulernen, Ino.“ Die Dreijährige drehte sich grinsend um sich selbst, woraufhin ihr mit Blumenmustern besticktes, gelbes Kleid zu wehen begann. „Bist du ein Ninja?“, fragte sie neugierig weiter. „Mein Papa ist ein Ninja! Er ist der beste Ninja unseres Clans!“ Wieder konnte Rin nur lächeln. „Ja, ich bin auch ein Ninja. Und ich bin mir sicher, dein Papa ist sehr stark.“ Das freundliche Gespräch der beiden wurde unterbrochen, als Inoichi Yamanaka in den Laden trat. „Ino! Ich habe dich schon überall gesucht!“ Er nahm das junge Mädchen, das ihm ausgebüchst war, auf seinen Arm. „Hallo, Rin. Kann ich dir helfen?“ „Ich möchte ein paar Blumen kaufen.“ Sie entschied sich für einen Strauß weißer Nelken. Während Inoichi ihr die Blumen einpackte, beobachtete seine Tochter ihn begeistert. Man sah ihr an, wie sehr sie ihren Vater anhimmelte. „So, bitte sehr.“ „Danke. Auf Wiedersehen, Inoichi-sensei, Ino-chan.“ Auf dem Weg zu der kleinen Gedenkstädte Konohagakures lief Rin ihrer Freundin Kurenai über den Weg. „Hey, Rin. Wohin des Weges?“, fragte die junge Chu-nin lächelnd, den Blumenstrauß in den Armen der Braunhaarigen natürlich bemerkend. „Zum Gedenkstein. Heute ist doch Obitos Geburtstag und Kakashi und ich wollten uns dort treffen.“ Die Kunoichi lächelte zwar, doch verbarg und verdeckte sie damit in Wirklichkeit ihre Trauer darüber, einen treuen Freund verloren hatte. „Kommst du heute Abend vorbei? Wir wollen feiern, dass Genma jetzt ein Jo-nin ist“, warf Kurenai ein. „Ja, sicher“, erklärte Rin sich bereit, noch immer ihr unbeschwertes Lächeln auf den Lippen. Kurz darauf trennten sich die Wege der beiden Frauen. Allerdings drehte Kurenai sich noch einmal nach der Jüngeren um, sah nur noch, wie Rin um die nächste Ecke verschwand, woraufhin sich ein besorgter Ausdruck auf ihrem Gesicht bildete – ihr Schauspiel war nicht sehr überzeugend gewesen. Vor dem Gedenkstein, auf dem die Namen ganz besonderer Menschen, Menschen, die im Kampf für das Dorf ihr Leben gelassen hatten, eingraviert waren, angekommen, ließ Rin ihren Blick nachdenklich in den Himmel schweifen. Sowohl der Name ihres ehemaligen Lehrers, Minato Namikaze, der vor drei Jahren das Dorf vor dem Angriff des Kyuubi geschützt hatte und dabei gestorben war, als auch Obitos waren eingraviert. Die Kunoichi dachte an ihre gemeinsame Zeit zurück, an die schicksalhafte Mission, bei der sie Obito verloren hatten und ihr Leben danach. Kakashi war schon immer ein hervorragender Ninja gewesen. Immerhin hatte er mit fünf Jahren die Akademie abgeschlossen, war ein Jahr darauf schon Chu-nin und mit dreizehn bereits zum Jo-nin ernannt worden. Sie selbst mit ihren achtzehn Jahren war noch immer Chu-nin, aber das störte sie nicht. Jedenfalls war es kein Wunder, dass Kakashi nur ein Jahr nach seiner Ernennung zum Jo-nin in die ANBU aufgenommen worden war. Das zeugte doch nur von seinen unglaublich guten Fähigkeiten. Außerdem hatte er sich angewöhnt, andauernd zu spät zu kommen, weshalb Rin in der nächsten halben Stunde gar nicht mit ihm rechnete. Auch nach drei folgenden Stunden stand Rin noch immer alleine vor dem Gedenkstein. Die Sonne hatte sich bereits rot verfärbt und sank hinter den Baumkronen hinab und tauchte den Wald in ein tiefes Orange. Während sie dort ganz alleine stand und stillschweigend wartete, hatten Kurenai und ein paar andere Shinobi sich in einer kleinen, gemütlichen Bar eingefunden, um den Aufstieg Genmas feiern zu können. Der frischgebackene Jo-nin hob seinen Becher mit Sake an, um einen kleinen Toast auszusprechen und die alkoholische Flüssigkeit dann einem Zug auszutrinken. „Kurenai, was ist los mit dir? Du wirkst so abwesend?“, fragte eine junge Frau, die neben der Angesprochenen saß. „Ich mache mir nur Gedanken um Rin. Sie ist heute Nachmittag zum Gedenkstein gegangen. Seitdem habe ich nichts mehr von ihr gehört und eigentlich wollte sie auch kommen.“ Genma lauschte diesem Gespräch und warf einen nachdenklichen Blick aus dem Fenster. Rin war zur Gedenkstätte gegangen? Warum wohl? Als sie auch die nächste halbe Stunde nicht auftauchte, schlich er sich leise und unauffällig aus der Bar. Wie immer kaute er auf einem Zahnstocher herum, während er durch die schwach beleuchteten Straßen Konohas spazierte. Er hatte einen Plan, sein Ziel war die Gedenkstätte, an der die Kunoichi noch immer stand und wartete. „Hey, Rin.“ Die Kunoichi drehte sich um und entdeckte wider erwarten Genma. Die aufkommende Enttäuschung, dass es nicht Kakashi war, der da vor ihr stand, überspielte sie, wie schon mehrfach an diesem Tag, mit einem Lächeln. „Genma. Was machst du denn hier?“ „Ich wollte mal nach dir sehen.“ Rin wandte ihren Blick ab, während der Jo-nin sie musterte. Er konnte herleiten, was sie bedrückte. So schwer war das nicht. „Kakashi ist noch nicht aufgetaucht, huh?“ Ihr Blick blieb gesenkt, als sie ihm mit einem Kopfschütteln antwortete. „Kakashi ist jetzt bei den ANBU. Ich bin mir sicher, ihm ist etwas Wichtiges dazwischen gekommen und er wird noch auftauchen!“, beteuerte sie überzeugt – vielleicht aber auch ein wenig naiv. Aber sie war der festen Überzeugung, dass er noch auftauchen würde, immerhin war es Obitos Geburtstag! Und Genma wusste, dass es nicht so leicht sein würde, sie von diesem Ort wegzuschaffen, jedenfalls nicht an diesem Tag. „Ich würde mich freuen, wenn du nachher noch in der Bar vorbei schaust“, sagte er und legte ihr lächelnd eine Hand auf die Schulter. Im Stillen sagte er sich, dass er in einer halben Stunde noch einmal nach ihr sehen würde. Als er sich allerdings von ihr abwandte, bemerkte er ein leises, beinahe unauffälliges Rascheln in einer dichten Baumkrone, das ihn einen skeptischen Blick auf ebendiesen Baum werfen ließ. Er machte ein paar Schritt in normalem Tempo von Rin weg und sprang dann in eine der benachbarten Baumkronen, bevor die, die er eben beobachtet hatte, sein Ziel war. Wie von ihm vermutet befand sich noch eine andere Person, jemand, den er nicht dort erwartet hätte, auf dem massiven Ast. „Wie lange bist du schon hier, Kakashi?“ Der ANBU hockte vollkommen ruhig in dem Baum und sah auf seine ehemalige Teamkollegin herunter. Er befand es nicht für nötig, sich seinem ungewollten Gesprächspartner zuzuwenden. „Warum interessiert dich das?“, stellte er stattdessen lieber als Gegenfrage. „Vielleicht weil Rin schon ziemlich lange auf dich wartet?“ Die Miene nicht zuordnen, unter der Maske keine Reaktion ausmachen könnend, stand Kakashi auf. Er schob seine Hände in die Taschen seiner marienefarbenen Hose und drehte sich um, schenkte dem anderen weiterhin kaum Beachtung. „Du wirst jetzt nicht ernsthaft verschwinden, oder?“ Die Miene von Genma verfinsterte sich. Er hatte gesehen, wie fertig Rin in Wirklichkeit war, dennoch stand sie dort, machte sich Hoffnungen, dass er auftauchte, dass er sie nicht enttäuschte. Dennoch schaffte Genma es, Kakashi mit diesen Worten zum Stehenbleiben zu bringen. „Misch dich nicht ein, das geht dich nichts an“, sagte er entschieden und wollte seinen Weg fortsetzen, doch für den Jo-nin war dieses Gespräch noch nicht beendet. „Rin ist meine Freundin, und verdammt noch mal Kakashi, sie lie-“ „Ich weiß.“ Erstaunt und gleichermaßen schockiert sah er zu dem ANBU auf. Er wusste es? Und dann behandelte er sie so? Das machte die Situation nicht besser. „Aber er hat sie geliebt. Und ich habe ihm versprochen, auf sie aufzupassen. Das kann ich nicht, wenn Gefühle im Spiel sind.“ Bevor Genma etwas darauf erwidern konnte, hatte Kakashi sich in eine Rauchwolke aufgelöst. Es dauerte einen Moment, bis der Jo-nin seine Fassung wiedererlangte. Kakashi maßte sich wirklich etwas an. Er verletzte Rin, vorsätzlich. Das ließ die Wut in Genma hochkochen. Seine Finger ballten sich zu einer zitternden Faust. Der Biss auf seinen Zahnstocher war so stark, dass dieser abbrach und aus seinem Mundwinkel fiel. Dass die Chu-nin jemand Besseren als Kakashi Hatake verdient hatte, war Genma schon lange klar. Denn Kakashi schätzte den Wert ihrer Gefühle nicht, er war ein Egoist, der nicht auf die Menschen in seinem Umfeld achtete. Wie konnte sie sich nur in ihn verlieben? Warum gerade Kakashi? Genma blieb eine Zeit lang auf dem Ast, bevor er lautlos auf dem Boden aufkam, um sich erneut neben Rin zu stellen, die noch immer auf ihren Freund und Kameraden wartete. „Du solltest nach Hause gehen, Rin. Nicht, dass du noch krank wirst“, bemerkte der junge Mann besorgt. Doch seine Gesprächspartnerin schien sich noch immer an die Hoffnung zu klammern, dass Kakashi auftauchen würde. „Er kommt bestimmt noch“, flüsterte sie leise. Wo nahm sie diesen Optimismus nur her? Es war sicher nicht das erste Mal, dass ihr ehemaliger Teamkollege sie enttäuschte. Natürlich hatte er sie auch oft beschützt, aber gab ihm das das Recht, sie zu verletzten, zu enttäuschen? Nein, ganz bestimmt nicht. Freundschaftlich legte Genma seine Hand auf ihre Schulter, drehte sie mit sanftem Druck zu ihm, um ihr ins Gesicht zu sehen. Die Tatsache, dass er ihre Hoffnung zerstören musste und würde, tat ihm in der Seele weh. „Er wird nicht mehr kommen.“ Der Jo-nin schüttelte als unterstreichende Geste seinen Kopf, um daraufhin ihren Blick zu suchen. „Aber…“ Rin sah in Genmas dunkle Augen, wollte widersprechen, nicht glauben, dass Kakashi nicht mehr auftauchte, sie wollte warten, aber da war etwas in seinen Augen, etwas, das ihr verriet, dass er es wusste. Er wusste, dass Kakashi nicht mehr auftauchen würde und es versetzte ihr einen Stich, mit dieser Gewissheit konfrontiert zu werden. Die junge Frau wandte sich von ihrem Freund ab, neigte sich noch einmal zu dem Stein, auf dem die Blumen lagen. Mit ihren Fingerkuppen strich sie sanft über den Namen ihres toten Teamkollegen. „Tut mir leid, Obito“, flüsterte sie leise. Es gab viele Dinge, für die sie sich jedes Jahr aufs Neue entschuldigte. Dieses Mal kam noch dazu, dass Kakashi an seinem Geburtstag nicht anwesend war. „Lass uns gehen, Genma.“ Anstatt die Bar wieder anzusteuern, in der sich ihre Freunde wahrscheinlich auch ohne den Jo-nin köstlich amüsierten, brachte der junge Mann die Kunoichi lieber nach Hause. Alkohol wäre nicht der richtige Weg, um den Kummer, den sie in diesem Moment verspürte, herunterzuschlucken. Wieder hatte er den Drang, Kakashi mal ganz direkt seine Meinung zu sagen, doch solchen Konflikten ging der ANBU merkwürdigerweise immer sehr gut aus dem Weg, wenn man es nicht direkt als Flüchten bezeichnen konnte. Während sie durch die Straßen Konohas gingen, schwiegen die beiden sich an. Genma nahm nicht einmal an, dass ihr nach Reden zu Mute war, dann hätte sie wahrscheinlich von alleine etwas gesagt. „Da sind wir“, war das erste, was sie wieder sagte, als sie die Tür zu ihrer Wohnung erreichten. Der Weg schien kürzer geworden zu sein, oder sie hatten einfach nicht gemerkt, wie schnell sie vom Gedenkstein zu ihrer Wohnung gekommen waren. „Alles in Ordnung mit dir, Rin?“, fragte der Jo-nin sicherheitshalber noch einmal nach, um sich gleichzeitig selber zu beruhigen. Wenigstens schien diese Frage ihr ein kleines Lächeln zu entlocken. Das Wissen, dass er sich ehrlich für ihr Wohlergehen interessierte, schien auszureichen, um sie für einen Moment auf andere Gedanken zu bringen. „Mach dir keine Sorgen um mich“, sagte sie, ehe sie sich die Erinnerung an Kurenais Worte wieder in ihr Gedächtnis rief. „Ich habe gar nichts für dich…“, stellte sie fest. „Dafür, dass du Jo-nin geworden bist.“ Eigentlich schenkten sie sich zur Gratulation untereinander immer etwas, jedenfalls war es in ihrem Team so gewesen, aber da Genma ihr Freund war, hatte sie ihm auch etwas schenken wollen. „Schon gut. Du musst mir nichts schenken“, winkte er allerdings ab, da aus seiner Sicht ein Geschenk gar nicht von Nöten war, besonders nicht nach einem so anstrengenden Tag wie diesem. Sie hatte getrauert und wurde enttäuscht, da sollte sie sich nicht noch den Kopf darüber zerbrechen, was sie ihm schenken könnte. Rin sah dennoch für einen Moment nachdenklich zur Seite. Während sie sich etwas überlegte, stand der Jo-nin einfach nur schweigend vor ihr. „Ich weiß etwas“, sagte sie und nickte sich selber bestärkend zu. Den kleinen Abstand, der die beiden voneinander trennte, überbrückte Rin mit nur einem einfachen Schritt. Sich an seinen Schultern stützend, stellte sie sich auf Zehnspitzen und musterte ihn. Da war dieser verwirrte Ausdruck in seinem Gesicht, der schon mehr niedlich aussah, woraufhin sich ein Lächeln auf ihre Lippen schlich, das erste ehrliche Lächeln an diesem Tag. Sie neigte ihr Gesicht etwas nach rechts und legte ihre Lippen dann hauchzart auf die von Genma, verwickelte ihn in einen scheuen und liebevollen Kuss, auch wenn dieser nicht lange andauerte. Einen Augenblick lang, so wie ihre Lippen einander berührten, vergaßen die beiden alles um sich herum, waren ganz aufeinander fixiert, bis dieser magische Moment gebrochen wurde und Rin sich von ihm löste. „Danke“, flüsterte sie leise und lächelte erneut im Schein der Laterne. „Gute Nacht, Genma.“ Sie schob die Tür auf, war im nächsten Moment im Hausflur verschwunden und ließ ihren Freund noch verwirrter als vorher auf der Straße zurück. Die Treppen ging sie eilig nach oben, betrat ihre Wohnung und ließ die Tür ins Schloss fallen. Erschöpft lehnte sie sich gegen das dunkle Holz, atmete einmal tief durch, versuchte so ihren erhöhten Herzschlag zu beruhigen. Sie wusste nicht, ob sie das Richtige getan hatte, ob sie sich und ihrem Freund da nicht etwas vormachte, doch die Tatsache, dass sie sich dabei so gut gefühlt hatte, schob ihre Zweifel in die hintersten Ecken ihres Gehirns. An diesem Tag war ihr wieder klar gemacht worden, dass der Mann, für den sie so lange Gefühle gehegt hatte, kein Interesse an ihr hatte, zumindest nicht das Interesse, was sie sich erhoffte. Genma hingegen war ganz anders als Kakashi, denn er sorgte sich um sie, er kümmerte sich um sie. Sie hatten wenige Gemeinsamkeiten, wie den Scharfsinn, die ruhige Ausstrahlung oder einen gewissen Heldenmut und doch unterschieden sich ihre Umgangsweisen mit der jungen Frau eindeutig. Rin hatte keinen Grund, ihre Taten oder diesen Kuss zu bereuen. Sie hatte damit niemanden betrogen, außer vielleicht sich selbst. Genma stand dort noch einige Minuten, strich mit seinem Daumen über seine Lippen, auf denen bis eben noch die ihren gelegen hatten. Sie hatte ihn geküsst, ganz ungezwungen, aus Eigeninitiative und dann hatte sie sich auch noch bedankt. Zwei Dinge, die der Jo-nin eigentlich nur positiv werten konnte, doch er stellte sich die Frage, was Rin auf einmal dazu gebracht hatte, ihn zu küssen. War es wirklich nur als Beglückwünschung zu seinem Rangaufstieg, oder war es doch etwas Anderes? Etwas Besonderes? Vielleicht sah sie endlich einen anderen Mann in ihm, als nur ihren Freund und Kameraden. Vielleicht sah sie ihn als den Mann, der er für sie sein wollte, der den Platz an ihrer Seite einnehmen wollte? Tief in seinem Inneren hegte der junge Mann Gefühle für seine Freundin. Gefühle, die ihn mit diesem Kuss beflügelt hatten. Gefühle, die bestätigt wurden? Mit einem Lächeln auf dem Gesicht drehte der Jo-nin sich um, machte sich auf den Weg zurück in die Bar. Für ihn gab es mehr als eine Sache zu feiern. Dieser Kuss war möglicherweise der Schritt in eine vollkommen neue Richtung. Der Wind fuhr durch die dichten Baumkronen, die zwischen den Wohnhäusern standen, ließ die Blätter rascheln und wackeln. In dem grünen Blätterkleid der großen Eiche, die gegenüber von dem Küchenfenster von Rin stand, leuchtete etwas auf. Ein blutrotes, kleines Licht, das im nächsten Augenblick schon wieder im Schatten der Nacht verschwand. Während Genma lächelnd den Weg entlang spazierte, wurde er beobachtete, verfolgt von diesem Licht, das sorgsam jeden seiner Schritte begutachtete. So als würde er spüren, dass dort etwas oder jemand war, der ihn beobachtete, drehte er sich um und ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken, doch dort war niemand. Noch in derselben Nacht stand Kakashi vor dem Gedenkstein, an dem Ort, an dem Rin die ganze Zeit auf ihn gewartet hatte. Er ging in die Hocke, legte seine Hand auf den kalten Stein und dachte an Obito, dachte an seinen Lehrer. Der Hokage der vierten Generation, sein Mentor, würde ihm sicherlich sagen können, ob er in genau diesem Moment das Richtige oder das Falsche tat. Er hatte ihn immer belehrt und Kakashi hatte sich nie gegen die weisen Worte seines Lehrers gestellt, hatte sie immer angenommen. In diesem Augenblick wünschte er sich einen Ratschlag seines Lehrers, einen kleinen Tipp, der ihn auf den richtigen Weg lenken konnte. Er erinnerte sich an ein paar Worte Minato Namikazes: „Es gibt Zeiten, in denen musst du dir sicher sein, dass du der Situation gewachsen bist.“ Ein starker Wind kam auf, wehte die Blumen, die auf dem Stein lagen, ein Stück weiter. Seufzend schob Kakashi sie wieder an ihren Platz. Sein Entschluss war gefasst: Rin sollte glücklich werden. * Am nächsten Morgen hatte Rin sich spontan mit ihrer besten Freundin zum Frühstück verabredet. Sie hatte das Bedürfnis zu reden und Kurenai hatte immer ein offenes Ohr für sie, ihr konnte die Kunoichi bedingungslos vertrauen und sich hilfreicher Tipps erfreuen und das, was sie zu erzählen hatte war wichtig. Ein paar Tipps konnte sie wahrscheinlich gut gebrauchen. Rin saß bereits in dem kleinen Lokal, in dem sie sich treffen wollten. Ihr Blick musterte die Karte in ihrer Hand, überflog das Frühstücksangebot. Immer wenn ein Kellner auf sie zukam, schickte sie ihn wieder weg, weil sie auf ihre Freundin warten wollte. Äußerlich war die Kunoichi ruhig, aber innerlich herrschte in ihr ein unheimliches Chaos, das sie die ganze Nacht nicht hatte schlafen lassen. Sie wollte sich endlich Luft machen, es erzählen, ihre Gedanken mit Kurenai teilen, sie einweihen, mit ihr darüber reden. Noch bevor sie ihren Gedanken darüber, dass sie ihre Gedanken rauslassen wollte, weiterdenken konnte, ertönte die kleine Glocke an der Tür des Lokals und Rin sah auf. Sie begegnete dem Blick der Dunkelhaarigen und lächelte sie an. Keine zwei Sekunden später hatte sich Kurenai auf den Platz gegenüber von ihrer Freundin fallen lassen. „Also, was willst du mir erzählen?“ Doch gerade als Rin Luft holte und zu reden beginnen wollte, kam der Kellner erneut zu ihrem Tisch. Sie gaben ihre Bestellung auf, damit der junge Mann schnellstmöglich wieder verschwand. Als der Kellner nicht mehr in Hörweite war, sprudelte es einfach aus ihr heraus: „Ich habe Genma geküsst.“ Im ersten Moment stand Kurenai die Überraschung ins Gesicht geschrieben. Allerdings klärte das einiges auf, wie beispielsweise die mächtig gute Laune, die er hatte, als er wieder in der Bar aufgetaucht war. Nur hatte er niemandem sagen wollen, woher dieser Aufschwung an positiven Gefühlen gekommen war. Stattdessen hatte er sich breit grinsend noch ein paar Drinks gegönnt, ehe er dann nach Hause verschwunden war. So viel zur Erklärung für Genmas wechselnden Gemütszustand. Nur fehlte die Erklärung; nein, die Begründung für den Kuss. Sie sagte schließlich ganz klar „Ich“, also schien besagter Kuss von ihr ausgegangen zu sein, was die Chu-nin nicht nachvollziehen konnte. Sie wusste von den Gefühlen ihrer Freundin für Kakashi, aber Genma hatte sie mit keiner einzigen Silbe erwähnt, wenn sie ihre Frauengespräche über Männer geführt hatten. Was also hatte es mit dieser plötzlichen Geste auf sich? „Warum?“, fragte Kurenai eindeutig verwirrt. Rin hatte auch mit nichts Anderem gerechnet, schließlich wusste sie selber, wie verrückt das war. Doch am vorherigen Abend hatten sie einfach ihre Gefühle überkommen. „Ich weiß nicht… Kakashi ist gestern nicht mehr aufgetaucht… und Genma war da… er war einfach da.“ Wenn sie selber noch einmal über ihre Worte nachdachte, merkte sie wie egoistisch das klang. Er war da, also habe ich die Chance genutzt. Dabei war sie gar nicht so ein Mensch. Sie nutzte andere nicht aus, um sich besser zu fühlen oder um eine Ausrede zu erfinden. Genau das empfand auch Kurenai als besorgniserregend, weshalb sie ihren Tee auf dem Tisch abstellte und ihre Freundin mit ernster Miene ansah. „Rin, du solltest Genma nicht als Amüsement nutzen, weil Kakashi deine Gefühle nicht erwidert.“ Diese Worte waren hart und trafen die Kunoichi auch entsprechend, aber ebenso waren sie einfach wahr. „Ich weiß…“, erwiderte die Braunhaarige geknickt. Der Jo-Nin durfte nicht nur ein kurzweiliges Vergnügen sein, das wollte sie nicht. „Aber ich habe Genma wirklich gern.“ „Das gibt dir aber nicht das Recht, mit seinen Gefühlen zu spielen.“ „Das hatte ich auch nicht vor!“ Dass Kurenai ihre Taten nicht gut hieß, konnte die junge Frau ja noch verstehen, aber dass sie ihr direkt Vorwürfe machte und sie schlecht redete, konnte Rin nicht ertragen. Sie hatte Genma nichts getan. „Er hat dich wirklich gern, Rin“, erklärte die Dunkelhaarige seufzend. „Ich hab’ ihn auch gern, Kurenai.“ Sie fühlte sich angegriffen, also hatte sie auch das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen. „So meine ich das aber nicht. Genma ist verliebt in dich.“ Das brachte die Kunoichi zum Schweigen. Sie musste wohl am besten wissen, wie schrecklich sich unerwiderte Liebe anfühlte. Schließlich hatte Kakashi ihr all die Jahre gezeigt, wie das war. Nur war er nie soweit gegangen, ihr Hoffnungen zu machen, die nur ins Leere laufen würden. Aber warum sollte sie sich an Kakashi aufhängen, wenn da noch jemand war, der sich wirklich um sie sorgte und kümmerte? Genau das war es doch, was sie ihrer Freundin eigentlich übermitteln wollte. „Und was ist, wenn ich ihm einfach die Chance geben möchte, mich zu überzeugen?“, fragte Rin und sah der jungen Frau ihr Gegenüber in die Augen. „Morgen, Ladys.“ Vollkommen unerwartet ging niemand anderes als Genma in diesem Moment an den zwei Freundinnen vorbei. Vollkommen irritiert sahen sie sich an. War das vielleicht Schicksal? Oder nur ein dummer Zufall? Als sie beide ungläubig zu dem Shinobi, der an der Theke stand, sahen und seinen Rücken betrachteten, fühlte jener sich ziemlich beobachtet. Die stechenden Blicke waren nicht gerade unauffällig, weshalb er seinen Kopf skeptisch zur Seite neigte, woraufhin die Frauen ihre Augen eilig abwandten. Nein, ihr Verhalten war ganz und gar nicht merkwürdig. Kaum hatte Genma sein Essen ausgehändigt bekommen, trat er auf den Tisch zu, an dem die beiden Frauen saßen. „Darf ich euch Gesellschaft leisten?“ Der perplexe Ausdruck in Rins Gesicht machte einem Lächeln platz, ehe Kurenai das Wort erhob: „Du kannst dich auf meinen Platz setzen, ich wollte ohnehin gerade gehen.“ Die Kunoichi stand von dem Stuhl auf und winkte ihrer Freundin zum Abschied. Da Rin sich klar gemacht hatte, dass sie dem Jo-Nin eine Chance geben wollte, sollten die beiden das besser zusammen klären, wo die Umstände doch in diesem Augenblick so schicksalhaft gegeben waren. Allerdings fing das Gespräch doch nicht so locker an, wie sie es sich alle drei erhofft hatten. Denn merkwürdigerweise verfiel sowohl Genma als auch Rin in ein betretendes Schweigen, während die Gedanken in ihren Köpfen rasten. Eben noch eine vollkommen lockere Atmosphäre gehabt, war diese nun angespannt und aufgeladen. Wenigstens fingen sie nicht an zu stottern und rot zu werden wie kleine Akademieschüler. Vielleicht hätte Kurenai nicht gehen sollen. Rin wusste nicht, wie sie anfangen sollte und Genma, der dachte über den Kuss nach und ob er wirklich ernst gemeint war. Es war vorprogrammiert, dass bei dieser Stimmung kein vernünftiges Gespräch zustanden kommen konnte, jedenfalls nicht, wenn nicht endlich jemand das Wort erheben würde. Dummerweise schnappten dann beide gleichzeitig nach Luft und sagten den Namen des jeweils anderen. Als sie das realisiert hatten, mussten sie lachen. Wenigstens schien dieses Lachen die ganze Stimmung etwas aufzulockern, sodass sie sich beide etwas wohler fühlen konnten als noch vor ein paar Minuten. „Du zuerst“, sagte Rin, nachdem sie sich wieder beruhigt hatte und nickte ihrem Gesprächspartner zu. „Weißt du, heute Abend ist doch das Fest zu Ehren des vierten Hokage und des überstandenen Angriffs. Ich wollte dich fragen, ob du vielleicht hingehen willst – mit mir?“ An das Fest hatte Rin schon gar nicht mehr gedacht, was vielleicht daran lag, dass sie nicht unbedingt viele gute Erinnerungen an die Zerstörung hatte, was gleichzeitig mit dem Verlust ihres Lehrers zu tun hatte. Minato Namikaze war ein großes Vorbild für sie gewesen, ebenso für ihre damaligen Teamkameraden. Der Gedanken daran, wie sehr sich das Team dann doch hatte spalten müssen, stimmte sie ein wenig missmutig, aber sie wollte positive Kraft schöpfen, positive Kraft, die Genma ihr in diesem Augenblick vermittelte. Also stimmte sie mit einem Lächeln auf den Lippen zu. Immerhin wollte sie ihm eine Chance geben und das war der erste Schritt in ein neues Kapitel. Am besagten Abend spazierte Genma durch die Straßen von Konoha, damit er seine Begleitung für das Fest abholen konnte. Er trug einen dunkelblauen Yukata mit weißen Bändern, hatte sein Kopftuch mit dem Konohaemblem abgesetzt und ließ seine Haare locker offen. Sein Markenzeichen, den Zahnstocher zwischen den Zähnen, hatte er allerdings noch immer dabei. Als er vor Rins Haustür stand, drehte er das kleine Stück Holz in seinem Mund zwischen Zeigefinger und Daumen. Rin hatte auf sein Klopfen mit einem „Ich bin gleich fertig“, reagiert, als wartet der junge Mann mehr oder weniger geduldig. Eigentlich hatte er gar keinen Grund nervös zu sein, schließlich war er schon früher mit der Kunoichi unterwegs gewesen – allerdings war es nie ein Date; und das sah er als Date an. Als die Tür geöffnet wurde, musterte Genma seine hübsche Begleitung von Kopf bis Fuß. Ihre Haare waren hochgesteckt, zudem hatte sie sich eine rosefarbene Blume ins Haar gesteckt. Ihr Kimono war dunkelblau, ebenso wie der von ihm selbst, nur war ihrer geziert mit den Blüten eines Kirschbaums und ihr Obi war passend zu der Blume im Haar rosa. Genma nahm den Zahnstocher aus seinem Mund und schloss seine Lippen wieder. Er wollte nicht so aussehen, als würde er sie angaffen. „Du siehst toll aus.“ Ein Kompliment zum Start des Abends konnte nie verkehrt sein. Es schien genau das richtige zu sein, denn es zauberte Rin mit einem Mal ein Lächeln auf die Lippen. „Danke. Du aber auch.“ Die beiden spazierten gemeinsam durch ihr Heimatdorf zu den Straßen, die festlich hergerichtet worden waren. Überall hingen Lampingnons, die den Besuchern die Wege wiesen. Es gab viele Stände, an denen Accessoires oder Essen verkauft wurde. Die Bars in den Straßen waren ebenfalls gut besucht von den Erwachsenen, die anstießen, sich unterhielten und feierten. Kinder erkundeten das Fest und liefen lachend an Genma und Rin vorbei. Vor einem alten Mann, der sich auf einer Decke zwischen all den Ständen einen Platz ausgesucht hatte, hatte sich eine Schar aus Kindern versammelt, die seiner Geschichte lauschen wollten. „Vor drei Jahren wurden unser Dorf von einem riesigen Ungeheuer angegriffen“, begann er vom des Angriffs auf Konohagakure zu erzählen. „Das Dorf wurde verwüstet und zum Teil vollkommen zerstört. Dieser Ort, der extra zu ehren des Dorfes erleuchtet wurde, lag damals in Trümmern. Eure Väter und Großväter haben sich tapfer im Kampf gegen das große Monster, den Kyuubi gestellt. Und auch der Yondaime hat aufopferungsvoll für uns alle gekämpft. Er war es, der den bösen Dämon damals versiegelt und das Dorf vor größerem Unheil beschützt hatte.“ Die Kinderaugen, die den Erzähler musterten wurden groß und leuchteten. „Was ist dann mit ihm passiert?“, warf eins der neugierigen Kinder ein. „Bedauerlicherweise musste der Yondaime einen großen Preis für die Rettung von uns allen zahlen. Er hat sein Leben gegeben, um das Dorf, die Dorfbewohner, die Kinder und die tapferen Shinobi zu beschützen.“ „Aber mein Vater hat mir erzählt, dass der Kampf im Oktober war. Warum feiern wir das Fest heute, im Februar?“ Das war eine berechtigte Frage, doch auch auf diese hatte der alte Mann eine Antwort. „Weißt du, mein Junge. Nach dem Angriff des Kyuubi musste das Dorf die Verluste erst mal verkraften. Der Fall des Yondaime Hokage hatte eine tiefe Wunde in den Herzen aller beteiligten hinterlassen. Die zerstörten Teile des Dorfes mussten wieder aufgebaut werden. Die Arbeiten wurden am heutigen Tag vor drei Jahren fertig gestellt und das war ein Grund für die Bewohner zu feiern und ihren Beschützer zu ehren…“ Rin lauschte den Erzählungen des Mannes wehmütig. Egal wie heldenhaft der Tod ihres Lehrers auch gewesen sein mag, es stimmte sie immer wieder traurig, sich diese Geschichte anhören zu müssen – vor allem, weil das ganze noch gar nicht so lange her war. Insgeheim wünschte sie sich in diesem Augenblick eine Ablenkung, sei es nur ein Kind, dass sie schubste oder ein Erwachsener, der sie anrempelte. Dieser Wunsch wurde ihr erfüllt, nur eben in anderer Form, denn Kurenai tauchte mit ihrer Begleitung – Asuma Sarutobi – auf. Die beiden waren nicht ganz so gleichfarbig wie Genma und Rin gekleidet. Kurenai trug einen roten Kimono, der zu ihren Augen und den ebenso rot geschminkten Lippen passte, mit weißem Obi, der ein blumiges rotes Muster aufwies, während Asuma einen schlichten indigoblauen Hakama mit einem schwarzen Haori gewählt hatte. Sein dunkles Haar fiel ähnlich wie das von Genma locker auf seine Schultern und verlieh ihm ein draufgängerisches Aussehen, wohingegen Kurenais sanfte Locken sie unschuldig und kokett aussehen ließen. „Hallo“, begrüßte die Kunoichi ihre Freundin und stellte erfreut fest, dass sie sich den Sohn des dritten Hokage geangelt hatte, an dem Kurenai, nach Rins Wissen, schon länger Interesse hegte. Besagter hatte, wie fast immer, eine Zigarette im Mund, die langsam vor sich hin glühte. „Wollt ihr etwas mit uns trinken gehen?“, fragte Kurenai lächelnd, woraufhin die beiden Angesprochenen kurze Blicke miteinander tauschten, um dann zustimmend zu nicken. Also steuerten sie zu viert die nächste Bar an, der sie über den Weg liefen und setzten sich an einen der freien Tische. Wie in den meistens Bars an diesem Abend war der Geräuschpegel ziemlich groß. Die Menschen lachten, erzählten sich Geschichten und sprachen im hohen Maße vom vierten Hokage. Nach zwei Schälchen Sake musste Rin passen. Sie wollte sich nicht betrinken unf sie wollte auch nicht feiern. Durch die beleuchteten Straßen zu spazieren, sich das Fest anzusehen und dem regen Trubel in Konoha zu lauschen war in Ordnung, aber sie wollte nicht darüber hinaus gehen. Sie war so vertieft in ihre Gedanken, dass sie nicht bemerkte, wie Genma sie aus dem Augenwinkel musterte. Er stellte sein Schälchen ebenfalls auf dem Tisch ab, lehnte einen weiteren dankend ab. „Also dann, Rin und ich werden uns das Fest dann noch ein bisschen ansehen“, erklärte der junge Mann lächelnd und erhob sich bereits von seinem Platz. „Danke für den Sake und viel Spaß noch.“ Er zwinkerte verschmitzt, ehe er seiner Freundin eine Hand anbot und dann gemeinsam mit ihr die kleine Bar verließ. Schweigend spazierten die beiden Konoha-nin durch die erleuchteten Straßen nebeneinander her. Die Kunoichi hatte das merkwürdige Gefühl, dass der Abend dank ihr nicht halb so schön verlief, wie ihr Begleiter ihn sich womöglich vorgestellt hatte. Deshalb blieb sie stehen und griff nach seiner Hand, damit er ebenfalls stoppte. Irritiert drehte er sich zu der jungen Frau um, die ihren Blick gesenkt hatte. „Tut mir leid, Genma. Ich wollte nicht-“ „Schon in Ordnung“, unterbrach er sie und legte seine Hände auf ihre Schultern. „Ich müsste mich entschuldigen. Der Vierte war dein Lehrer. Ich hätte dich nicht zu diesem Fest einladen sollen.“ Rin reagierte daraufhin nicht mit Worten. Stattdessen schlang sie ihre Arme um seinen Rumpf und drückte sich an ihn. „Ich bin froh, dass du hier bist“, flüsterte sie leise gegen seine Schulter, was ihn dazu animierte, die Umarmung zu erwidern und sie sanft gegen seinen Körper zu drücken. In eben diesem innigen Moment der beiden, erschien im dunkeln Nachthimmel ein wunderschönes Farbenspiel. Das Feuerwerk war wie bei vielen Festen auch hier das Highlight des Abends. Raketen in allerlei Farben explodierten, ließen Kinderherzen höher schlagen und zauberten den Erwachsenen ein Lächeln auf die Lippen. So auch Rin, die sich halb aus der Umarmung löste, um den erleuchteten Himmel bestaunen zu können. Nach diesem prachtvollen Feuerwerk begleitete Genma seine Freundin nach Hause. Der Abend endete praktisch genauso wie er begonnen hatte, an der Haustür von Rin. Sie holte die Schlüssel hervor, damit sie ihre Tür aufschließen konnte, hielt aber inne, bevor sie ihre Wohnung betrat. Stattdessen drehte sie sich zu Genma um. Sie platzierte ihre Hände auf seiner Brust und presste ihre Lippen auf seine, nicht so zurückhaltend wie beim ersten Mal, sondern sicher und gefasst, geduldig darauf wartend, dass er den Kuss erwiderte. Nach der anfänglichen Überraschung, die den jungen Mann überkommen hatte, bewegte er seine Lippen gegen die der jungen Frau, legte seine Hände auf ihre Schultern, um sich festhalten zu können. Dieser Kuss war anders als der letzte, er war länger, intensiver, fühlte sich besser an. Nicht, dass der erste schlecht gewesen wäre, er war nur kurz gewesen und diesmal kostete sie es einfach mehr aus. Als sie sich wieder voneinander lösten, sah Rin in die Augen ihres Gegenübers und lächelte etwas verlegen. „Danke für den schönen Abend.“ Ein weiterer, flüchtiger Kuss folgte, ehe die Kunoichi in ihrer Wohnung verschwinden wollte. Doch Genma hielt sie zurück, indem er nach ihrem Handgelenk griff. „Sehen wir uns morgen?“ Einen Moment sahen die beiden sich nur an, dann aber nickte Rin ihm zu, was ein Lächeln auf sein Gesicht zauberte. „Dann bis morgen.“ Nach diesem Abend trafen Rin und Genma sich noch öfter. Sie gingen miteinander aus, amüsierten sich, vergaßen die Welt um sich herum. Sie hielten Händchen und küssten sich, taten all die Dinge, die ein verliebtes Pärchen tat, nur dass sie kein offizielles Paar waren, jedenfalls so lange nicht, bis Genma sich dazu entschlossen hatte, Rin zu fragen, ob sie mit ihm zusammen sein wollte, so richtig zusammen sein wollte. Sie hatte sich eigentlich schon lange entschieden, schon als sie mit Kurenai darüber gesprochen hatte und ihm eine Chance geben wollte. Deshalb hatte sie auch nicht lange fackeln müssen, um zu beschließen, es mit ihm zu versuchen. Es dauerte auch nicht lange, bis bekannt wurde, dass die beiden ein Paar waren. Ihre Freunde wussten bescheid und so verbreitete sich diese Nachricht mehr und mehr. Natürlich hatte man es ihnen auch schon vorher angesehen, aber dadurch wurde es offiziell – und es wurde ernst. „Und? Was hältst du von dem ganzen?“ Asuma lehnte sich an die Theke der kleinen Bar, an der Kakashi saß und sah zu ihm. „Wovon sprichst du?“, fragte der Angesprochene. Kakashi war wohl einer der wenigen, der noch nicht gemerkt oder mitbekommen hatte, wie ernst das mit den beiden wirklich war. Er hatte sich aus den privaten Angelegenheiten von Rin herausgehalten, wollte ihr nicht zu nahe treten. „Von dieser Rin und Genma Geschichte. Ich habe das Gefühl, dass kaum noch über etwas Anderes geredet wird“, seufzte Asuma und nickte dem Kellner zu, als dieser sein Getränk vor ihm abstellte. Kakashi äußerte sich dazu allerdings nicht, gab keine Antwort, woraufhin sein Gesprächspartner skeptisch zu ihm sah. „Wusstest du es nicht? Die beiden sind anscheinend das neue Traumpaar von Konoha.“ Unter seiner Maske schien Kakashi zu lächeln, oder zumindest seine Lippen zu bewegen. Anschließend hob er seinen Becher in Asumas Richtung. „Dann auf das neue Traumpaar von Konoha.“ Er leerte seinen Becher in einem Zug und stand dann von dem Hocker auf. Er ging ein paar Schritte, hob seine Hand zur Verabschiedung und fügte noch ein: „Man sieht sich“ hinzu. Fortsetzung folgt... ____________________________________________________________________________ © Kapitel 8: I'm not him (Teil 2) ------------------------------- Knapp zwei Monate später stand Kakashi vor der Haustür von Rin. Er hatte eine Schriftrolle für sie in der Hand, die Informationen über eine Mission enthielt. Im Augenblick war Rin die einzige erfahrene Medic-nin, die Kakashi mitnehmen würde – mit anderen Worten hatte er keine andere Wahl, als sie zu wählen. Außerdem war das Ganze schon entschieden, der Hokage hatte es entschieden. Er musste ihr diese Nachricht nur noch überbringen, deswegen war er dort, stand vor ihrer Tür, um zu klopfen, auch wenn er nicht wusste, ob sie überhaupt da war. Diese Frage beantwortete sich schnell, nämlich als Rin kurz darauf öffnete und überrascht feststellte, dass Kakashi dort stand. Sie schien jemand anderen erwartet zu haben – vielleicht, nein, höchstwahrscheinlich Genma? „Kakashi? Was machst du denn hier?“ Als Antwort hob er seine Hand, in der sich die Schriftrolle befand, die die Details der Mission beinhaltete und legte sie auf ihrer Handfläche ab. „Wir haben eine gemeinsame Mission. Alles Wichtige steht dort. Lies sie dir durch und komm in einer Stunde zum Tor, dann gehen wir los.“ Sie wollte widersprechen, sagen, dass sie etwas vor hatte, dass sie keine Zeit hatte, aber sie tat es nicht. Stattdessen öffnete sie die Schriftrolle und begann, die Informationen über die Mission zu lesen. Es ging um eine seltene und starke Heilpflanze, die sich in einem gefährlichen Gebiet in der Nähe von Iwagakure befand. Jedenfalls beantwortete ihr das die Frage, weshalb sie mit Kakashi gehen sollte. Dieser Pflanze eilte der Ruf voraus, heiß begehrt zu sein, weshalb sicher auch andere hinter ihr her waren. Es schien also eine gefährliche Mission zu werden. „Wir müssen also heute los?“, fragte sie leise und sah wieder von der Schriftrolle auf, doch Kakashi war schon längst nicht mehr da, woraufhin sie unzufrieden grunzte. Er kreuzte plötzlich auf und verschwand plötzlich wieder – und das ohne auch nur einen Ton von sich zu geben! „In einer Stunde am Tor“, wiederholte sie seine Worte und band die Schriftrolle wieder zusammen. Ihr Versuch, die Aufbruchszeit verschieben zu können, hatte ja nicht funktioniert, da Kakashi sich einfach aus dem Staub gemacht hatte, also seufzte sie resigniert, um ihre Wohnungstür dann wieder zu schließen und sich fertig zu machen. Das Treffen mit ihrem Freund musste sie kurzfristig auch noch absagen, allerdings stand Genma bereits vor ihrer Tür, als sie sich auf den Weg zu ihm machen wollte, und musterte sie verwirrt. Ihre Kampfklamotten gehörten nicht zu ihrer Alltagskleidung, jedenfalls nicht, wenn sie gemeinsam unterwegs waren. „Na hast du etwas vor?“ Rin konnte auf diese Frage nur entschuldigend lächelnd. Das geplante Picknick mussten sie wohl oder übel verschieben, denn die Arbeit ging leider vor. „Tut mir leid, ich habe kurzfristig eine Mission bekommen“, erklärte die Chuu-Nin, während sie ihre Wohnungstür sorgsam verschloss. „Aber du kannst mich gerne noch ein Stück begleiten, wenn du magst.“ Sie hielt ihrem Freund ihre Hand hin, die er ohne Widerworte ergriff, damit sie sich auf den Weg machen konnten. „Was ist das für eine Mission?“, wollte Genma wissen, während das Pärchen durch die Straßen Konohas spazierte. Es war ein unheimlich schöner Tag und er wollte gerne erfahren, weshalb er das Picknick an so einem Tag ausfallen musste. „Es geht um die Beschaffung einer seltenen Heilpflanze aus Iwagakure. Ich weiß nicht, wie lange wir unterwegs sein werden.“ Besonders der letzte Satz machte den Shinobi skeptisch. „Wir? Wer ist wir?“, hinterfragte er deshalb neugierig. „Kakashi und ich.“ „Du gehst mit Kakashi auf Mission?“ „Ja… Stört dich das?“ Diese Frage brachte ihn vorerst zum Schweigen. Ob es ihn störte, dass sie mit dem Mann, den sie vor einiger Zeit noch geliebt hatte alleine auf Mission ging? Natürlich! Aber er wollte nicht den eifersüchtigen Freund spielen oder gar einer sein, eigentlich hatte er doch nichts zu befürchten. „Nein, nein es stört mich nicht. Ich dachte nur Kakashi könnte so etwas alleine“, antwortete er und versuchte seinen Kopf damit aus der Schlinge zu ziehen. Rin lachte, ein positives Zeichen. „Wahrscheinlich braucht er mein Fachwissen.“ „Bestimmt“, antwortete Genma erleichtert darüber, dass sie die langsam aufkeimende Eifersucht nicht bemerkte. Als die beiden an dem großen Tor von Konoha ankamen, war Kakashi noch nicht dort. Ein bisschen Zeit war schließlich noch, außerdem hatte der junge Mann sich angewöhnt, öfter mal etwas später zu erscheinen. So hatte das Pärchen noch ein bisschen Zeit zum Turteln, die sie sonst bei dem gemeinsamen Picknick genutzt hätten. Sie küssten sich in aller Ruhe, tauschten verliebte Blicke aus und lächelten sich an. Ein Anblick, der wohl jeden Single neidisch machte. „Seid ihr fertig?“ Kakashi war still und heimlich hinter den beiden aufgetaucht, was sie so erschreckt hatte, dass sie auseinander gesprungen waren. Davon ließ er Jo-Nin sich aber nicht beirren. Die Liebeleien der beiden interessierten ihn schließlich nicht. „Rin, ich habe noch etwas für dich.“ Er warf ihr daraufhin einen kleinen runden Behälter aus Glas zu. „Für die Blätter.“ Die Medic-Nin verstaute besagten Behälter in ihrer Gürteltasche und drehte sich dann wieder zu Genma. „Also dann…“ Hieß es wohl vorerst Abschied nehmen. Sie legte ihre Hände an sein Gesicht, zog es zu sich und gab ihm einen liebevollen Kuss auf die Lippen. „Pass auf dich auf“, flüsterte Genma, während er eine braune Haarsträhne hinter ihr Ohr strich. Mit gemischten Gefühlen sah er zu Kakashi, versuchte ihm stumm mitzuteilen, dass er auf Rin achten sollte. Ob das bei ihm ankam, war eine andere Sache. Gemeinsam spazierten sie den ersten halben Kilometer in den Wald, ehe sie auf die Äste sprangen und zu sprinten begannen. Ein paar Stunden später hatte sich ein erheblicher Abstand zwischen der Kunoichi und dem Shinobi gebildet. Kakashi war voraus geprescht und hatte Rin irgendwann hinter sich gelassen. Es fiel ihr schwer, bei diesem Tempo mit ihm mitzuhalten, außerdem schien er keine Rücksicht auf sie nehmen zu wollen. „Kakashi!“, rief sie und war froh, dass er wenigstens dann stehen blieb, sodass sie zu ihm aufholen konnte. „Können wir eine kleine Pause einlegen?“ Dann konnte sie wieder Kraft tanken und vielleicht eher mit ihm mithalten. Die beiden suchten sich ein schattiges Plätzchen unter einem großen Baum, an dem Rin sich erst mal auf den Boden fallen ließ. „Weißt du, ich komme leider nicht an deine ANBU-Fähigkeiten ran und bin so schnell wie du“, sagte sie mit vorwurfsvollem Unterton und schmollte trotzig. „Entschuldige“, antwortete der an den Baumstamm gelehnte junge Mann. Es überraschte Rin, dass er genau das sagte, aber sie akzeptierte es und widmete sich wenig später einem kleinen Snack. Für das Picknick hatte sie ein paar Reisbällchen gemacht, die sie dann einfach eingepackt hatte. Nach dieser Stärkung und kleinen Pause machten Kakashi und Rin sich wieder auf den Weg. Diesmal nahm der Jo-Nin auch wieder Rücksicht auf seine Kollegin, damit sie nicht wieder so weit auseinander fielen. Je mehr sie sich von Konoha entfernten, desto gefährlicher konnte es werden. Als der Himmel sich immer dunkler färbte und vereinzelt Sterne am Firmament glitzerten, hielt die Chuu-Nin bereits nach einem geeigneten Schlafplatz Ausschau. Sie war auf der Suche nach einem sicheren und ruhigen Plätzchen, an dem sie nächtigen konnten. Zu ihrer positiven Überraschung entdeckte sie ein Dorf, welches nur einen kleinen Marsch von ihrer momentanen Position entfernt lag. Dort suchten sie ein Inn auf, in dem sie die Nacht verbringen konnten. Ein Zimmer, zwei Einzelbetten, das genügte völlig. Die Kunoichi ließ sich auf die weiche Matratze fallen und seufzte zufrieden auf. Ihr Blick huschte zu dem am Fenster stehenden Kakashi, der nachdenklich heraus sah. Sie fragte sich, was ihn wohl gerade so beschäftigte und ob er es ihr sagen würde, immerhin hatten sie den halben Tag nicht miteinander geredet, also wusste sie nicht einmal, ob er mit ihr reden wollte. Andererseits hatte er sie zu dieser Mission mitgenommen. „Wie ist es dir in der letzten Zeit ergangen?“, fragte Rin, die sich auf die Seite drehte und ihren Kopf auf ihrer Handfläche abstützte. Obwohl Kakashi sich daraufhin zu ihr neigte, gab er ihr keine Antwort. „Ich meine die letzten Wochen und Monate. Ich habe kaum etwas von dir gehört“, stichelte sie also weiter. „Ich war viel unterwegs.“ „Warum hast du dich nicht gemeldet?“ „Was wird das, Rin? Ein Verhör?“ Auf diesen Vorwurf hin setzte die Chuu-Nin sich wieder auf, ihre Empörung deutlich ins Gesicht geschrieben. „Was soll das, Kakashi? Ich will mich einfach nur mit dir unterhalten! Aber da du kein Interesse daran hast, werde ich mich jetzt bettfertig machen.“ Schwungvoll erhob sie sich von ihrem Bett, um samt ihrer Tasche in dem angrenzenden kleinen Badezimmer zu verschwinden, dessen Tür sie geräuschvoll zufallen ließ. Der Shinobi seufzte leise auf. So eine Reaktion hatte er nicht provozieren wollen, aber so wie es aussah, war Rin impulsiver sowie empfindlicher geworden, sie hatte sich verändert. Und doch hatte er sie verscheuchen können – so wie er es geplant hatte. Sicher war das nicht die charmanteste Art gewesen, aber er hatte keine andere Wahl, er musste so handeln. Die weitere Reise war durch ihren kleinen Streit in der ersten Nacht ein wenig angespannt. Rin war sauer und das zeigte sie ihrem Kollegen auch klar und deutlich. Die beiden sprachen nur miteinander, wenn es um die Richtung, das Wetter oder eine Pause ging. Das erschwerte ihnen zwar nicht den Weg, im Gegenteil sie kamen sehr gut voran, aber es drückte die Stimmung. Die Kunoichi hing einfach nur ihren Gedanken nach, während sie Kakashi brav folgte, so als wäre sie ein Roboter oder ein willenloser Soldat. So verliefen die folgenden zwei Tage. „Wir bleiben die Nacht über hier“, erklärte Kakashi als sie eine kleine Höhle mit einem vorbei fließenden Bach im bergigen Tal erreichten. Sie hatten noch maximal eine Tagesreise vor sich, bis sie in die Nähe ihres Zieles kamen, also wurde es Zeit, sich über Einzelheiten für die Mission zu unterhalten. Zuerst sammelte der junge Mann etwas Holz, damit er ein kleines Lagerfeuer machen konnte. In der Zeit saß seine Kollegin an dem Bach und kühlte ihre Füße in dem angenehm erfrischenden Wasser. Als das Feuer brannte und vor sich her knisterte, trat Kakashi neben die junge Frau, die ihn allerdings noch immer nicht beachtete oder es zumindest versuchte. „Hast du Hunger?“, wollte er wissen, als er in die Hocke ging, um die Fische in dem Bach zu begutachten. Ohne auf eine Antwort zu warte und blitzschnell spießte er zwei der Tiere auf. Rin beobachtete bloß schweigend, stand dann aber auf, um ihm zu der Feuerstelle zu folgen. „Wir sollten reden“, sagte Kakashi, nachdem die Fische im Feuer durchgebraten wurden. Die Kunoichi reagierte allerdings anders als erwartet: „Ach, auf einmal willst du reden? Wie komme ich denn zu der Ehre?“ Sie war noch immer beleidigt, was Kakashi nicht sonderlich glücklich stimmte, denn es lenkte sie ab und das wirkte sich wiederum negativ auf die Mission aus. „Ich meine unseren Auftrag“, verbesserte er sich also und blieb dabei vollkommen ernst. „Aber wenn du immer noch deine Zeit verschwendest, um wütend auf mich zu sein, müssen wir darüber wohl auch reden.“ Seine Worte machten sie nur noch wütender als sie ohnehin schon war. „Du bist so ein Idiot! Und ich dachte, Obito hätte dich verändert“, warf sie ihm, seinem Blick ausweichend, vor und zog ihre Beine an ihren Körper. „Obito hat mich verändert.“ Die beiden verfielen bei den Erinnerungen an ihren Freund ins Schweigen. Nur die Natur gab ihre alltäglichen Geräusche von sich, das Rauschen des Wassers, das Knistern des Feuers, das Pfeifen des Windes. „Ich dachte, wir wären Freunde, Kakashi… stattdessen entfernst du dich mehr und mehr von mir.“ Der Blick der Kunoichi war stets auf die lodernden Flammen gerichtet, in denen sie ihr ehemaliges Team von vor ein paar Jahren sah, damals als sie noch vollständig gewesen waren. „Warum machst du dir so viele Gedanken? Du hast doch jetzt jemanden an deiner Seite.“ Kakashi schaffte es, wie schon so oft in der letzten Zeit, Rin einen unverständlichen Ausdruck ins Gesicht zu zaubern. „Was?“, flüsterte sie leise. „Willst du mir damit sagen, dass ich nicht mit dir befreundet sein kann, weil ich mit Genma zusammen bin?“ Kakashis einzige Reaktion darauf war ein langes und eisernes Schweigen. Er hatte keine Antwort darauf – nein, er wollte nicht antworten. „Wir sollten das Tal morgen im Laufe des Tages erreichen.“ „Du weichst aus“, antwortete die Kunoichi daraufhin skeptisch. „Rin! Diese Mission ist wichtig und gefährlich! Kann dieses idiotische Beziehungsgefasel nicht bis danach warten?!“ So außer sich erlebte sie ihren Partner nur selten, aber seine Äußerung erfüllte ihren Zweck: sie schüchterte sie ein. „Tut mir leid“, murmelte sie kleinlaut, gab sich vorerst geschlagen. Sie sollten über ihre Vorgehensweise und die Gefahren reden, um sich richtig vorzubereiten. „Also, wir werden Morgen im Laufe des Tages das Tal erreichen“, erklärte der Shinobi erneut. „Wir müssen wachsamer sein, je näher wir kommen, desto gefährlicher wird es. Wir wissen nicht, wie viele Feinde wir treffen könnten, aber wir müssen zusammen bleiben.“ Rin nickte als Zeichen des Verständnisses, bewunderte gleichermaßen die Entwicklung ihres Freundes, der um einiger reifer geworden war. Er stürmte nicht einfach drauf los, dachte sich erst eine Strategie aus und bezog sie mit ein. Innerlich hoffte sie, dass sie ihn auch nicht enttäuschen würde, wenn sie loszogen. Den restlichen Abend verblieben die beiden am Feuer, aßen ihre Fische und ließen sich von den Flammen wärmen. Die Themen Freundschaft und Beziehungen waren vorerst beigelegt, da Rin sich konzentrieren wollte und musste. „Wir sollten schlafen. Noch vor Sonnenaufgang machen wir uns auf den Weg.“ * Seit guten zwei Stunden waren Kakashi und Rin in der faden Landschaft von Iwagakure unterwegs, auf der Suche nach einem geheimnisvollen Wald, der sich irgendwo in diesem Gebiet befinden sollte. Die Sonne kämpfte sich durch die schmalen Spalten zwischen den Bergen, verlieh dem Gestein einen merkwürdigen, rötlichen Glanz. Die Chuu-Nin folgte ihrem Partner aufmerksam und bereit zum Angriff, sollte es soweit kommen. Als er stehen blieb, blieb auch sie stehen. Ein dunkler Schatten überzog die Umgebung, geworfen von einem großen Steinadler, der sich über den blauen Himmel erstreckte. Er nahm das Sprichwort ‚Der frühe Vogel fängt den Wurm’ wohl ziemlich ernst. Die beiden gingen weiter, immer noch aufmerksam und vorsichtig. Unbewusst kamen sie ihrem Ziel immer näher, doch sie waren nicht die Einzigen, die sich in dieser Gegend herumtrieben und Kakashi hatte es bemerkt. „Rin“, flüsterte er, während die beiden nebeneinander gingen. „Es sind zwei, sie sind hinter uns. Dreh dich nicht um.“ Unauffällig gab sie ihm ihr O.K, bevor er weiter sprach: „Auf mein Zeichen gehst du in Kampfposition.“ Keine fünf Sekunden später rief er „Jetzt“ und war verschwunden. Mit gezücktem Kunai drehte die Kunoichi sich um, konnte beobachten, wie Kakashi gegen zwei Felsen schlug, die sich im nächsten Moment zu Menschen verwandelten und zu Boden fielen. Gefesselt wurden die beiden zurück gelassen, was Rin besorgt stimmte. „Hätten wir nicht mit ihnen reden sollen?“, fragte sie, während ihr Partner einen Zahn zugelegt hatte. „Zeitverschwendung“, erwiderte dieser gehetzt. „Wir sind nahe dran.“ Die beiden inspizierten die Felsen, suchten nach einem kleinen Anhaltspunkt, einem grünen Fleckchen. Sie entdeckten ein paar Meter weiter einen Bären, der anscheinend bewusstlos war. Neben ihm lag ein Ninja, ebenfalls ohne Bewusstsein. Die Chuu-Nin trat näher an Mensch und Tier heran, beäugte das blasse Gesicht des Mannes, als ein Knacken ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Die beiden gingen sofort in Deckung, versteckten sich hinter einem großen Felsen. Zwei Männer spazierten den Weg entlang. Sie waren beide ziemlich groß gewachsen und dürr, mit kantigen Gesichtern und schmalen Augen. „Wir sind im Kreis gelaufen! Hier sind der Bär und der komische Typ!“, grummelte einer der beiden, der ungeduldig von einem Bein auf das andere wippte, während der andere sich nachdenklich umsah. Stillschweigend trat er an dem Tier und dem Ninja vorbei, direkt auf den Felsen zu, hinter dem sich Rin und Kakashi versteckt hielten, die bereits ihre Waffen gezückt hatten. Nur weniger Schritte vor ihnen blieb der dürre Ninja stehen, kehrte ihnen den Rücken zu und musterte die steinerne Wand. „Hier“, sagte er trocken und sah zu seinem Begleiter, welcher nur genervt seufzte. „Bist du dir sicher?“, hinterfragte er skeptisch und fest davon überzeugt, dass es die falsche Stelle war. Eine Antwort erhielt er aber nicht, weshalb er sich auf den Felsen konzentrierte, auf den er seine Faust zuschnellen ließ. Er zerbrach, viele kleine Steinbrocken flogen durch die Luft und fielen in der Umgebung zu Boden. Kakashi konnte einem der Steine gerade noch ausweichen, ohne entdeckt zu werden. Die beiden Konoha-Nin konnten beobachten, wie ein Durchgang in dem Felsen auftauchte. „Da ist es“, murmelte der weibliche Teil des Teams, der kurz darauf von den beiden Fremden in ihrer Annahme bestätigt wurde. „Sollen wir ihnen hinterher?“, fragte sie und sah zu ihrem Mitstreiter, der immer noch gebannt auf den Eingang sah. Er nickte, ging langsam voraus und sah sich noch einmal um, bevor sie den Durchgang passierten, der sie in einen grünen Wald führte, der in dieser Gegend irgendwie deplatziert wirkte. Überrascht von der Tatsache, eine so grüne Stelle in der bergigen und kahlen Landschaft zu entdecken, machte Rin neugierig ein paar Schritte vor, begutachtete den kleinen Wald staunend. Doch schon im nächsten Moment flog ein Kunai auf sie zu, das direkt vor ihren Füßen im Boden landete. Sie wurden angegriffen. Die Kunoichi machte einen Satz zurück, sodass sie wieder neben Kakashi stand, der sich bereits umschaute und die Gegend analysierte. Das Kunai war aus einer der Baumkronen gekommen. Bisher konnte er nur zwei Gegner ausmachen, wahrscheinlich die beiden, die auch den Durchgang geöffnet hatten. Allerdings hatte er keine Zeit mehr, weiter darüber zu spekulieren, denn es flog erneut ein Kunai, ehe die Gegner sich zeigten. Es waren die beiden von vorhin. „Warum verfolgt ihr uns?“, fragte einer der zwei mit den kantigen Gesichtern. „Tun wir nicht“, antwortete Kakashi gelassen, blieb aber weiterhin kampfbereit, was auch besser so war, denn die feindlichen Ninja stürmten auf die beiden zu. „Bleib hinter mir“, befahl der Jo-Nin seiner Mitstreiterin und wehrte die Angreifer ab. Rin sollte möglichst wenig kämpfen und bloß nicht zu Schaden kommen, also übernahm ihr Partner die Männer. Mit zweien würde er locker fertig werden. Die drei kämpften sich in den Wald hinein, zerschlugen Bäume und zerstörten den Boden. Die Kunoichi hatte keine Zeit, über die Zerstörung dieser kleinen Idylle zu trauern, denn sie mussten die Pflanze finden, sie wollte nicht nutzlos daneben stehen und zusehen. Die Männer waren so oder so abgelenkt, also konnte sie sich unauffällig an ihnen vorbei schleichen, um das Objekt, wegen dem sie hier waren, zu suchen. Allerdings stellte sich heraus, dass dieser gründe Farbklecks in der grauen Berglandschaft größer war, als sie angenommen hatte. Während Rin planlos durch den Wald streifte, war Kakashi damit beschäftigt, sich um die Feinde zu kümmern. Er hatte um einiges mehr Tempo drauf als seine Gegner, weshalb der Kampf relativ einseitig ablief. Ein Schwarm aus Shuriken kam auf ihn zugeschossen, dem er auswich, indem er hoch in die Lüfte sprang und hinter seinem Gegenspieler wieder aufkam. Mit einem gezielten und harten Schlag in den Nacken knockte er ihn aus. Damit war nur noch einer übrig. Diesen konnte Kakashi ebenfalls schnell außer Gefecht setzen. Als er sich dann umsah, konnte er Rin nirgends ausmachen. Deshalb machte er sich schnellstmöglich auf den Weg, um sie zu suchen. Auch er war überrascht von der Größe des Waldes und hatte schon die Befürchtung, sie hätte sich verlaufen, bis er plötzlich ihre Stimme hörte. Sie war unheimlich leise, nichts als ein zartes Hauchen. „Ka-ka-shi.“ Er drehte sich um, weitete geschockt seine Augen, als er den blutüberströmten und verletzten Körper der jungen Frau entdeckte. „Kakashi… hilf mir…“ Wie angewurzelt stand der Shinobi auf einer Stelle. „Bitte.“ Hilflos klammerte sie sich an den Baumstamm neben sich, versuchte sich an ihm hoch zu hieven, doch ihre schwachen Beine gaben nach. Nichts, Kakashi tat rein gar nichts, während sie verletzt um ihr Leben kämpfte. Dann ganz plötzlich gab es ein zischendes Geräusch. Ein Senbon bohrte sich in den Hals von Kakashi, landete anscheinend einen Volltreffer, doch im nächsten Moment verwandelte er sich in einen Baumstamm. Die Frau, die besagten Senbon abgeschossen hatte, befand sich direkt in dem festen Griff des Shinobi, der ihr gleichzeitig bedrohlich ein scharfes Kunai an die Kehle drückte. „Gen-Jutsu ist wirkungslos bei mir“, knurrte er, woraufhin sich die vermeintlich verletzte Rin auf dem Boden auflöste. „Wo ist sie?“, wollte er wissen, übte dabei mehr Druck auf das kalte Metall in seiner Hand aus. „Ich weiß es nicht, sie läuft durch den Wald.“ Der Shinobi dachte einen Moment über diese Antwort nach. Leider gab es zu viele Möglichkeiten bezüglich Rins Verschwinden. Sie könnte entführt worden sein oder durch den Wald laufen, oder, oder, oder… Bei keiner seiner Vermutungen konnte er sich ganz sicher sein. „Wie viele von euch laufen noch hier rum?“, fragte er weiter, das Kunai noch immer bedrohlich an ihre Haut gepresst. „Denkst du wirklich, wir gehören alle zusammen? Und denkst du, ihr seid die Einzigen, die hinter dem Geheimnis dieses Waldes her seid?“ Sie lachte trocken, Verachtung schweifte dabei in ihrer Stimme mit. Sie ließ ihm also kaum eine Wahl, als dass er sie ausschalten musste. Dann erst konnte er mit der Suche nach Rin fortfahren. Besagte Kunoichi schlich weiterhin von einem Baum zum nächsten, sich immer wieder umsehend, ob jemand in der Nähe war. Sie wusste nicht, ob es eine gute Idee gewesen war, sich von Kakashi zu trennen, aber hätte sie die ganze Zeit untätig zusehen und ihnen hinterherlaufen sollen? Darin hatte sie keinen Sinn gesehen, außerdem hatte das Finden der Heilpflanze Priorität – das hatte ihr Mitstreiter schließlich sehr deutlich gemacht -, also schob sie ihre Zweifel zur Seite und kämpfte sich weiter durch das unbekannte Gebiet. Rin entdeckte eine schräge Einkerbung in der Rinde des nächsten Baumes, die ihr bewies, dass sie diesen Baum bereits passiert hatte und wahrscheinlich im Kreis gegangen war. Als sie einen weiteren Baum mit Markierung entdeckte, schlug sie die entgegengesetzte Richtung ein. Solche Wegweiser waren auf der einen Seite natürlich praktisch, allerdings konnten sie ebenso verwirrend sein, denn auch Kakashi bemerkte die Einkerbungen. Nur konnte er nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass sie von seiner Partnerin stammten, was bedeutete, dass er eine Fifty-fifty Chance hatte, auf sie oder einen Feind zu treffen. Dieses Risiko musste er eingehen, denn das waren die einzigen Anhaltspunkte, die er zu einem ungefähren Aufenthaltsort von Rin hatte, eine andere Wahl gab es also nicht. Während er von einem Baum zum nächsten preschte, rasten seine Gedanken durch seinen Kopf. Jetzt hatte er sie verloren, in einem unbekannten Gebiet mit unbekannten Feinden. Was wäre, wenn sie angegriffen, verschleppt oder schlimmer noch: umgebracht wurde? Er hätte in der Aufgabe, sie zu beschützen versagt, kläglich versagt. Daran wollte er aber nicht denken, also legte der ANBU noch einen Zahn zu. Er folgte, jeden seiner Muskeln angespannt, der Spur, sondierte die Umgebung und hielt Ausschau nach der Kunoichi, in der Hoffnung, dass wirklich sie es war, die diese Fährte legte. Langsam aber sicher beschlich die junge Frau das Gefühl, dass sie sich in diesem endlosen Wald verlaufen hatte, trotz ihres gescheiten Einfalls, die angetroffenen Bäume als Wegweiser zu markieren. Seufzend lehnte sie sich an einen der vielen Baumstämme und blickte durch das dichte Geflecht aus saftigen Blättern und abzweigenden Ästen in den blauen Himmel. Für den Bruchteil einer Sekunde sehnte sie sich Kakashi herbei, um nicht vollkommen alleine und planlos durch diesen irrgartenähnlichen Wald zu rennen, auf der verzweifelten Suchte nach einer Pflanze, dessen Standort sie nicht lokalisieren konnte. Doch sie versuchte Kraft wie auch Vertrauen in sich zu sammeln, sagte sich gedanklich, dass sie fähig und stark war – warum hätte Kakashi sie sonst mitgenommen? Mit neu geschöpftem Mut und dem Willen, nicht so einfach aufzugeben stieß sie sich von der rauen Rinde ab und sah sich um. Sie ging nur ein paar Schritte, da drang ein angenehmes Geräusch an ihre Ohren: das Rauschen von Wasser. Ihre Lebensgeister waren geweckt, auf schnellem Fuß bewegte sie sich auf das Rauschen und Platschen zu, bis sie zwischen all den Bäumen einen kleinen, beinahe magischen Ort entdeckte. Aus einer steinernen Höhle, bereits von Moos bewachsen, floss klares Wasser in einen Teich auf dessen Wasseroberfläche sich einige Sonnenstrahlen brachen und Rin blendeten. Sie hielt sich ihre Hand schützend vor die Augen, wagte einen weiteren Schritt vor, doch in diesem Moment schoss aus irgendeiner Baumkrone ein Pfeil direkt auf sie zu. Das Klicken des Abschusses hatte sie noch hören können, doch es war ihr nicht mehr möglich, auszuweichen. Sie hatte ihre Augen bereits geschlossen, bereit getroffen zu werfen, doch da… „RIN!“ Kakashi warf sich schützend vor seine Kameradin, fing den Pfeil, der sich an seiner Schulter durch sein Fleisch bohrte ab und ging stöhnend in die Knie. Die Chuu-Nin schaltete sofort, ging ebenfalls in diese gebeugte Position und sah ihren Mitstreiter besorgt an. „Wir müssen hier weg“, flüsterte sie alarmiert. Sie wusste weder, woher der Pfeil gekommen war, noch wie viele Angreifer sie vielleicht gerade im Visier hatten. Hinter einem Baumstamm würden sie nicht lange unentdeckt oder gar geschützt sein. „Kannst du laufen?“ Der Shinobi warf einen Blick auf die Stelle, an der der Pfeil ihn getroffen hatte. Seine Weste wies bereits einen dunklen Fleck auf, aber laufen müsste er noch können, also nickte er und hievte sich auf die Beine. Unter einer großen, schutzbietenden, höhlenartigen Baumwurzel suchten die beiden Zuflucht. Da sie relativ gut verwachsen war, fanden sie darin das optimale Versteck, falls irgendwelche Feinde sie verfolgen sollten. Rin war etwas außer Atem, was sie aber nicht davon abhielt, direkt wieder aufzustehen und sich die Wunde von Kakashi anzusehen. Er zuckte zusammen, als sie Druck auf seine Schulter ausübte. „Ich muss den Pfeil rausziehen, Kakashi.“ Etwas Anderes hatte der junge Mann gar nicht erwartet, ihm war bewusst, dass der Pfeil raus musste und Rin als Medic-Nin war natürlich sofort in Alarmbereitschaft. Sie holte frische Tücher aus ihrer Tasche, während Kakashi sich ziemlich umständlich zu entkleiden versuchte. Er schaffte es gerade so, seine Weste auszuziehen. Das war nicht weiter tragisch, Rin schnitt sein Shirt einfach auf, um seinen Oberkörper – der übrigens ziemlich durchtrainiert war – freizulegen. „Wenn der Pfeil raus ist, presst du das auf die Wunde, okay?“ Seufzend nahm er ihre Worte zur Kenntnis, sie brauchte ihn nicht zu behandeln wie ein Kind, er kannte Verletzungen und konnte mit Schmerzen umgehen. „Du brauchst noch etwas zum Draufbeißen.“ „Rin!“ Er stoppte sie in ihren Bewegungen und sah tief in ihre haselnussbraunen Augen. „Zieh ihn einfach raus.“ Missmutig nickte sie, um sich dann hinter ihm zu positionieren, wo sie den Pfeil mit der linken Hand umschloss und die rechte an seiner Schulter platzierte. „Auf drei“, flüsterte sie leise. „Eins…“ Und zack hatte sie den Pfeil aus seinem Körper gezogen. Trotz der zusammen gebissenen Zähne stieß Kakashi einen gequälten, schmerzverzerrten Schrei aus. Der Schmerz betäubte seine Sinne, paralysierte ihn für einen Moment, doch er erinnerte sich daran, dass er das Tuch auf die Wunde pressen sollte, also tat er das. Seine Partnerin hingegen hatte nicht die Zeit, ihn großartig zu trösten, denn sie musste seine Wunde versorgen, was sie mit ihrem Chakra und der Ausrüstung, die sie dabei hatte, tat. Sie konnte sich wohl kaum einen Vorwurf machen, er hatte es schließlich so gewollt. Es dauerte eine Weile, bis sie mit dem Verarzten fertig war. Nachdem seine Wunde versorgt war, lehnte die Kunoichi sich erst mal zurück, damit sie tief durchatmen konnte. Ihr Puls war unheimlich hoch, was sie dieser ganzen Aufregung zu verdanken hatte. Dabei hatte sie gar nicht bemerkt, dass es schon dunkel geworden war. Sowohl ihr Herz als auch ihr ganzer Körper wurden langsam wieder ruhiger, nur ihre Gedanken liefen am laufenden Band. Wo auch immer Kakashi plötzlich hergekommen war, er hatte sie beschützt, nein gerettet, und er hatte sich von dem Pfeil durchbohren lassen, sie stand in seiner Schuld. „Kakashi?“ Sie sah zu ihrem Mitstreiter, wollte gerade die Worte ihres Danks an ihn richten, da hörte sie ein leises Schnarchen, das von ihm ausging. „Eingeschlafen“, stellte sie schmunzelnd fest. Er sollte sich ausruhen, so wäre er für den nächsten Tag gestärkt. Auch Rin schloss ihre Augen, damit sie sich erholen konnte, die Aufregung des gesamten Tages hatte an ihren Kräften gezerrt. Der nächste Morgen war nicht einmal nahe so entspannt, wie die Kunoichi es sich erhofft hatte, ganz im Gegenteil: Kakashi hatte sie mit einem unregelmäßigen Hecheln geweckt und erneut in Alarmbereitschaft versetzt. Seine Stirn glühte und sein Körper war schweißnass. Insgesamt hatten sie nicht mehr viel Wasser bei sich, aber das, was sie hatten flößte sie ihm langsam ein. Rin konnte sich nicht erklären, woher die plötzliche Krankheit kam, aber sie musste sich erst mal auf die Suche nach Wasser begeben – gab es in diesem Wald denn noch irgendwo Wasser? Sie rief sich die Erinnerung an diesen idyllischen, kleinen Orten mit einem Teich mit klarem Wasser vor Augen. Nach genau diesem Ort sollte sie suchen. „Ich bin gleich wieder da“, flüsterte sie ihrem kranken Partner zu und machte sich dann auf die Suche. Die Kunoichi ging den Weg so gut wie sie sich erinnern konnte zurück zu der Stelle, wo der Pfeil sie beinahe getroffen hatte. Doch da war kein Rauschen, kein Wasser, keine Idylle, einfach nur Bäume. In ihr keimte der Gedanke auf, dass sie sich das alles vielleicht nur eingebildet hatte, dass dieser Wasserfall vielleicht nie dort gewesen war. Kopfschüttelnd lief sie weiter. Die Such nach Wasser konnte sie nicht so schnell aufgeben. Nach endlosem Umherirren wurde sie endlich fündig. Es war nur eine kleine Quelle gewesen, aber es hatte gereicht, um zwei große Flaschen Wasser abzufüllen, mit denen sie zurück zu Kakashi gehen konnte. Dieser hechelte und glühte noch immer. Besorgt tränkte sie ein kleines Tuch in Wasser und legte es auf seine Stirn, in der Hoffnung, das Fieber so senken zu können. Er schien wach zu sein, oder aber er redete im Schlaf, auf jeden Fall bewegten sich seine Lippen. „Rin“, hauchte er schwach, aber gerade noch so, dass sie es verstehen konnte. Dann deutete er ihr an, näher an ihr heranzurücken. „G-gift… Es ist… Gift…“ Sie weitete ihre Augen. Gift?! Aber wie? „Der Pfeil“, murmelte sie vor sich hin. Sie schnitt die Verbände, die sie am Vorabend noch gelegt hatte, auf und entdeckte eine blau-violett verfärbte Stelle an der Austrittswunde. „I-ich kann es… spüren…“ „Hör auf zu reden, Kakashi“, sagte Rin sanft und tupfte mit dem nassen Tuch über seine Stirn. „Spar dir deine Kräfte.“ Die Chuu-Nin musste nachdenken, sie musste einen Weg finden, das Gift aus seinem Organismus zu verdrängen. Sie brauchte ein Gegenmittel, wie aber sollte sie ein Gegengift in dieser verwirrenden Einöde herstellen?! Die Pflanze! Sie musste die Pflanze finden. So viel, wie sie über sie gelesen hatte, hieß es, dass sie ein Universalheilstoff sein sollte. Unheimlich selten, außerdem war die Existenz eines solchen Stoffes umstritten. Aber hatte sie eine andere Wahl? Woraus sollte sie sonst ein Gegenmittel herstellen? Entschlossen warf sie ihren Blick auf den Wald; sie musste diese Blätter finden. Bevor sie ihre Tasche schulterte, strich sie über Kakashis verschwitztes Gesicht. „Ich bin bald wieder da, halte durch, okay?“ Daraufhin verließ sie ihr kleines Versteck und deckte den Eingang mit Geäst und Blättern ab. Ihr Ziel war es, das Heilmittel zu finden und ihrem Freund das Leben zu retten, so wie er es für sie getan hatte. Und sie wusste: mit Gift war nicht zu spaßen. Während die Kunoichi durch den Wald lief, auf der verzweifelten Suche nach Hilfe, lag der Shinobi mit hohem Fieber in der kleinen Höhle unter der Baumwurzel. Seine Wangen glühten, fühlten sich beinahe so an, als würden sie brennen und er konnte nichts dagegen tun. Es bestand die Befürchtung, dass sich das Gift verbreiten würde, sollte er sich bewegen, weshalb er ziemlich steif auf dem Boden lag und an das Holz über ihm starrte. „Du hast sie gehen lassen…“ Kakashi drehte seinen Kopf minimal zur Seite, entdeckte im Schatten der Höhle Beine, das eine angewinkelt, das andere ausgestreckt. Auf dem Knie des angewinkelten Beins lag eine Hand, deren Finger in stetiger Bewegung waren, als könnten sie nicht still halten. Das Gesicht der Person lag verborgen im Schatten, versteckt in der Dunkelheit, nicht zu erkennen für den angeschlagenen Shinobi. Doch diese Stimme, er hatte sie schon mal irgendwo gehört – nur wo? Als könnte diese Person seine Gedanken lesen, sprach sie weiter. „Was? Du erkennst mich nicht? Dabei habe ich dir gesagt, dass es Gift ist. Das enttäuscht mich jetzt aber.“ Leise seufzend erhob der Fremde sich, trat aus dem Schatten heraus. Sein Gesicht wurde von der Sonne, die durch einzelne Löcher in das Versteck fiel, beschienen. Schwarze Haare, eine stachelige Frisur, ein blauer Overall und eine auffällige Brille mit orangefarbenem Schutzglas. „Obito.“ „Du erkennst mich also doch.“ Was tat er hier? Wie konnte er überhaupt dort sein? Oder war Kakashi vielleicht schon… tot? „Nein, du bist nicht tot“, sagte Obito, der wohl wirklich Gedanken lesen konnte. Der Jo-Nin wusste allerdings nicht, welche Tatsache er beunruhigender finden sollte; die Anwesenheit seines toten Freundes oder seine Fähigkeit in seinen Kopf zu schauen. Direkt vor dem Kopf seines Freundes ging Obito in die Hocke. Er hatte noch immer die Erscheinung des dreizehnjährigen Konoha-Nin, die Erinnerungen an frühere Zeiten wachrief. „Was… tust du hier?“, krächzte Kakashi aus trockener Kehle. Obwohl genau diese Frage auch durch seinen Kopf schwirrte, schien Obito noch nicht darauf antworten zu wollen. Auch als sie ausgesprochen war, bekam er keine Antwort. Das war so gar nicht Obitos Art. Sonst hatte er keine Probleme damit gehabt, die Dinge frei heraus zu sagen, sie ihm direkt gegen den Kopf zu knallen. War das wirklich Obito? „Was machst du hier, Kakashi?“ Jetzt schien er den Spieß umgedreht zu haben, aber wieso? Was brachte ihm diese Frage, diese Information? Oder wollte er auf eine ganz andere Sache anspielen. „Was machst du mit Rin?“ Damit fiel der Groschen – oder auch nicht. Ja, was machte er mit Rin? Er hatte sie in Gefahr gebracht, obwohl er seinem Freund damals doch versprochen hatte, sie zu beschützen, doch was tat er? Er ließ sie alleine durch den Wald streifen. Darauf schien Obito allerdings nicht aus zu sein, jedenfalls nicht direkt. „Ich…“, setzte der Gefragte zu einer Antwort an, brach allerdings ab. Er hatte keine vernünftige Erklärung parat. „Du hast versucht, die Verantwortung abzugeben?“ Schweigen. War es wirklich so? Hatte er seine Verantwortung, auf sie aufzupassen, versucht an Genma abzutreten? Andererseits, warum sollte er ihr nicht gönnen, glücklich zu sein? „Ist das ein Ja?“, unterbrach sein alter Freund seine Gedanken, woraufhin der Shinobi seine Augen genervt schloss. „Nein.“ Das war kein ‚Ja’, aber was war es dann? „Dann erklär es mir, Kakashi. Es reicht, wenn du es denkst.“ Das Denken fiel dem Ninja auf jeden Fall leichter als das Reden, nur fragte er sich, wie er seine Gefühle in Gedanken fassen sollte. Wie konnte er sich am besten für das, was er getan hatte, rechtfertigen? ‚Ich wollte sie beschützen.’ Das war die simpelste Erklärung für alles, für ihn rechtfertigte es all die Dinge, die er getan hatte, die er noch tun würde, sollte er das überleben. Das Schweigen seines toten Freundes deutete er keines Wegs als positive Reaktion für seine Ausrede. „Du wolltest sie also beschützen, indem du sie traurig machst in die Arme von jemand anderem treibst, von dem du selber nicht einmal überzeugt bist?“ Obito sei verflucht dafür, dass er seine Gedanken lesen konnte und ihm diese Tatsachen, die er bisweilen sehr gut verdrängt hatte, gegen den Kopf knallte – doch irgendjemand musste ihm doch mal die Augen öffnen! „Was mache ich nur mit dir, Kakashi?“, fragte sein Freund und schüttelte seinen Kopf. Den Angesprochenen jedoch verwirrte diese Frage, die ganze Situation schien ihn zu überfordern. ‚Du verstehst das nicht’, dachte Kakashi vorwurfsvoll, woraufhin der Gesichtsausdruck des Toten sich schlagartig veränderte. Argwohn, Skepsis und Neugier war auf seinem Gesicht abzulesen. „Stimmt. Es ist mir noch nie leicht gefallen, deiner eigensinnigen Denkweise zu folgen. Also bitte: Ich warte auf eine Erklärung!“ Es war diese überhebliche Unterton in Obitos Stimme, die Kakashi an sein früheres Ich erinnerte, an die Zeit, nein den Augenblick, in dem er von seinem Freund belehrt worden war. „Ich kann… ich kann sie nicht beschützen“, krächzte Kakashi leise. Warum sprach er auf einmal, wo das Denken doch gereicht hätte? Vielleicht wollte er dem Toten etwas beweisen. „Wenn ich… weil ich… weil ich Rin liebe.“ Genau das waren die Worte, die Obito hatte hären wollen. In Gedanken hängte der vergiftete Shinobi noch ein ‚Und ich hab es dir versprochen’ mit an. Während Kakashi sich mit seinem lange verstorbenen Freund unterhielt, den allerdings nur er sehen konnte, war Rin von ihrer Suche nach der Pflanze zurückgekehrt. Ihre niedergeschlagene Haltung sagte aus, dass sie keinen Erfolg gehabt hatte. Gerade wollte sie die Blätter und Zweige über dem Eingang wegräumen, da hörte sie die Stimme ihres langjährigen Freundes. Die Frage mit wem er dort sprach oder ob er Selbstgespräche führte, erübrigte sich für sie, als sie seine Worte hörte. „Weil ich Rin liebe.“ Sofort zog sie ihre Hand an ihren Körper, blendete die ganze Umgebung vollkommen aus, denn seine Worte hallten im Dauerlauf durch ihren Kopf. Das weitere Gemurmel ignorierend ging Rin erst einen, dann zwei, dann drei Schritte zurück, bis sie sich ganz umdrehte und davon lief. Warum hatte er das gesagt? Mit wem hatte er geredet? „Weil ich Rin liebe.“ Unkontrolliert sammelte sich Wasser in ihren Augen, aber sie wollte nicht weinen, also fuhr sie mit ihren Händen an ihnen entlang, um die Tränen wegzuwischen. Und doch hörte sie nicht auf, zu rennen. Ohne den Weg zu kennen, ohne sich den Rückweg zu merken, lief sie vollkommen planlos durch den Wald. In ihrem Kopf herrschte ein Durcheinander, ein totales Chaos. Irgendwann kam sie zum Stehen, hechelnd, außer Atem, mit schrecklich schnell schlagendem Herzen – was nicht nur das Rennen verursacht hatte. Überfordert ließ sie sich gegen einen Baum fallen, lehnte sich erschöpft an den dicken Stamm und fuhr sich angestrengt mit beiden Händen über ihr Gesicht. „Kakashi, was ist nur in dich gefahren…“, murmelte sie kopfschüttelnd. Dabei vergaß sie plötzlich, dass er vergiftet war und hohes Fieber hatte. Die Verzweiflung nahm sie ein, die gesamte Situation wurde zu viel für sie – und dann war da plötzlich wieder dieses Geräusch. Ein Rauschen, ein ungemein angenehmes und weiches Rauschen von Wasser, das sie schon einmal gehört hatte, woraufhin sie ihren Kopf wild erst nach rechts und dann nach links drehte. Wie von selbst bewegten sich ihre Beine vorwärts, dem Geräusch stetig näher kommend, bis sie ihn entdeckte: Den wundervoll idyllischen Ort, von dem sie dachte, sie hätte ihn sich bloß eingebildet. Mit griffbereitem Kunai steuerte sie diesen kleinen Fleck an, bereit sich zu wehren, falls ein weiterer Angriff auf sie ausgeübt werden könnte, lief aber geradewegs auf die Idylle zu. Diesmal wurde kein Pfeil auf sie abgeschossen und sie stand binnen weniger Minuten am Rand des ellipsenförmigen Teichs. Von Nahem betrachtet, sah diese kleine Oase im grauen Bergland noch viel schöner aus. Ein Sonnenstrahl fiel in einem so steilen Winkel auf die Wasseroberfläche, dass es aussah, wie ein Zeichen: Ein kleiner runder Kreis leuchtete auf das klare Wasser. Als Rin in die Hocke ging und dieses Phänomen genauer betrachtete, entdeckte sie an genau dieser Stelle im Wasser die Pflanze, die sie schon den ganzen Tag gesucht hatte. Die Augen der Kunoichi begannen zu glitzern und Erleichterung breitete sich in ihrem Inneren aus, doch das Finden reichte nicht aus. In diesem Moment kam ihr auch wieder in den Sinn, dass ihr Partner dem Tode nahe war. Sie holte den kleinen Glasbehälter aus ihrer Tasche und pflückte noch im Wasser ein paar von den herzförmigen Blättern ab, um sie unversehrt aufbewahren zu können. Dann füllte sie ihre Wasserflasche noch einmal nach und stand auf, schließlich musste sie zu Kakashi und zwar schnell! Die Tatsache, dass sie einfach orientierungslos durch den Wald gelaufen war, mit dem Ziel vor ihm zu flüchten, erschwerte ihr den Rückweg. Alles in diesem grünen, mysteriösen Wald sah gleich aus: Ein Baum nach dem anderen, ein Busch nach dem anderen und alle ähnelten sich. Verwirrt versuchte sie sich zu sammeln, ihre eigene Fährte aufzuspüren, der sie dann zurück zu ihrem Versteck folgen wollte. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, das Adrenalin schoss durch ihre Adern, ihr Atem ging schnell und obwohl ihre Glieder bereits schmerzten, hörte sie nicht auf, sich durch diese Irrgarten zu kämpfen. Und da war er: der Baum, unter dessen Wurzel sie Schutz gesucht hatten. Kakashis Stimme war nicht mehr zu hören, was die Kunoichi einerseits beunruhigte, andererseits aber auch beruhigte. Sie räumte die Äste und Blätter zur Seite und betrat die kleine Höhle. Der Shinobi lag dort vollkommen ruhig – vielleicht zu ruhig? Das Tuch auf seinem Gesicht war schon wieder warm, weshalb die Medic-Nin es noch einmal in kühlem Wasser tränkte und wieder auf seine erhitzte Stirn legte. Seine Atmung war bereits sehr flach, sie musste sich beeilen. Rin nahm eins der Blätter aus dem Glasbehälter und legte es in eine kleine Schale, wo sie es zerreiben konnte, wodurch die Wirkstoffe erst richtig freigesetzt wurden. Sie vermischte das Ganze mit frischem Wasser, war dabei ganz konzentriert auf ihr Tun. Mit einer kleinen Spritze sog sie etwas von dem Mittel auf, das gelb-rötlich leuchtete – warum es gerade diese Farbe annahm, wo das Blatt doch grün war, fragte sie sich gar nicht erst – und hielt es für einen Moment in einen Sonnenstrahl, ehe sie sich ihrem Partner zuwandte. Um sich zu beruhigen, atmete sie einmal tief durch und sprach sich selber Mut zu: „Alles wird wieder gut…“ Die junge Frau setzte die Spritze am Hals ihres Patienten an, drückte die Nadel unter seine Haut und verabreichte ihm langsam das Mittel. Als es in seinen Organismus eingedrungen war, beobachtete sie aufmerksam, was geschah. Erst war es still, Kakashi war still, aber dann krümmte er sich plötzlich, gab schmerzverzerrte Laute von sich. „Kakashi! Du musst ruhig bleiben!“ Doch er wandte sich weiter, rollte sich auf die Seite und wieder auf den Rücken. Diese Chance ergriff Rin und setzte sich auf sein Becken, drückte seine Schultern mit ihren Händen auf den Boden. Er wehrte sich weiter, trat mit den Beinen aus, schlug mit den Fäusten auf den harten Untergrund. „Gaaaah!!“ Es tat Rin unendlich weh, ihn so leiden zu sehen, ihn so leiden zu lassen, aber das gehörte zum Entgiften dazu. In seinem Organismus fand ein Kampf statt: Das Mittel bekämpfte das Gift. Nachdem das Gefecht durchgestanden war, lag Kakashi keuchend und schwitzend unter Rin, hatte kaum mehr die Kraft, sich zu bewegen oder etwas zu sagen. Auch die Kunoichi war mitgenommen und kletterte erschöpft von ihm herunter, damit sie ihm etwas Wasser einflößen konnte. „Langsam…“, flüsterte sie leise, als er einen Schluck nach dem anderen gierig zu sich nahm. „Rin? Was ist passiert?“, japste er geschwächt, als er wieder ganz bei sich war. Sie nahm selber erst mal einen Schluck Wasser zu sich, legte sich im Stillen dabei schon ihre Worte zurecht: „Ich hab ein Gegengift zusammengemischt und es dir verabreicht. Du weißt doch noch, dass du vergiftet warst, oder?“ „J-ja…“, antwortete der Shinobi, betrachtete das dunkle Holz des Baumes, während seine Gedanken rasten. „Obito!“ Dieser Ausruf ließ Rin, die sich gerade den Schweiß von der Stirn wischte, inne halten. Was wollte Kakashi ihr damit sagen? „Er hat mir gesagt, dass es Gift ist, er ist hier gewesen…“ Die Absurdität dieser Worte kam ihm selber schnell in den Sinn, er wusste, dass das nicht wahr sein konnte, dass er sich das eingebildet haben musste. „Was redest du da, Kakashi?“ Das konnte einfach nicht sein, Obito war schon zu lange tot – nur traute sie sich nicht, genau diese Worte auszusprechen. „Ich habe… ihn gesehen… Ich habe mit ihm gesprochen…“ Ihr Kollege wirkte verwirrt, vollkommen durch den Wind, was sie nach allem, was passiert sehr gut nachvollziehen konnte. Seine Worte machten sie dennoch nachdenklich, ließen sie ihre Stirn runzeln, bis ihr das Fieber in den Sinn kam. Vielleicht hatte es eine Illusion ausgelöst, vielleicht hatte er deswegen Selbstgespräche geführt, das wäre eine logische Erklärung für diesen Vorfall. Obwohl ihr die Frage, worüber die beiden gesprochen hatten, auf der Zunge brannte, behielt sie sie für sich. „Wir müssen zurück nach Konoha“, erklärte sie ihm stattdessen. „Aber du solltest dich noch ein bisschen ausruhen, damit du wieder auf die Beine kommst.“ „Was ist mit der Mission?“, fragte Kakashi mit vor Müdigkeit triefender Stimme. „Ist alles erledigt, du brauchst dir keine Gedanken machen.“ Fortsetzung folgt... ____________________________________________________________________________ © Kapitel 9: I'm not him (Teil 3) ------------------------------- Der Rückweg nach Konoha war anstrengender und dauerte mit dem angeschlagenen Shinobi länger als die Hinreise nach Iwagakure, aber die beiden kamen an und das war alles was zählte. Tief in der Nacht schritten sie durch das Tor in ihr Heimatdorf. Die zwei Torwächter musterten die Neuankömmlinge und nickten ihnen kurz zu, als sie sie erkannten. Endlich konnten sie die heimische Luft wieder atmen, in ihren Betten schlafen. Doch all diese Dinge waren für Rin bloß nebensächlich, bevor sie Kakashi nicht ins Krankenhaus gebracht hatte. Ohne Widerworte ließ er sich genau dorthin bringen. Während er untersucht wurde, wartete die Kunoichi vorne im Empfang, bis eine Schwester ihr mitteilte, dass Kakashi noch im Krankenhaus bleiben musste, damit sie ihn beobachten und seine Blutproben auswerten konnten. „Kann ich zu ihm?“, fragte Rin nach und folgte der Schwester, als sie ihr den Weg zeigte. Ihr war gestattet, den Ninja alleine sehen zu dürfen, weshalb sie ohne Begleitung in Richtung des Zimmers ging. Es konnte sein, dass ihr Partner bereits schlief, das würde die Chuu-Nin aber nicht stören. Leise schob sie die Tür auf und trat ein. Der Shinobi lag in einem Ein-Bett-Zimmer, also hatte er seine Ruhe, und wie erwartet schien er zu schlafen. Sie nahm auf einem der Stühle neben dem Bett platz und blies flach die Luft zwischen ihren Lippen hervor. Sein Brustkorb ging gleichmäßig auf und ab, seine Augen waren geschlossen, also schlief er wirklich. Das gab Rin die Möglichkeit noch einmal über alles nachzudenken, was in den letzten Tagen passiert war. So kam es dazu, dass sie die ganze Nacht im Krankenzimmer von Kakashi verbrachte. Die Nachricht, dass seine Freundin wieder im Dorf war, erreichte Genma direkt am nächsten Morgen als er sich eigentlich für eine Mission melden wollte. Er hörte nur die Namen Rin und Kakashi in Verbindung mit dem Wort Krankenhaus, da hatte er auf dem Absatz Kehrt gemacht und war auf dem Weg in die Klinik. Am Empfang erkundigte der Jo-Nin sich erst nach seiner Freundin, über die allerdings kein Eintrag existierte. „Und Kakashi Hatake?“ Für ihn bekam er eine Auskunft, bei der er aber nur bis zur Zimmernummer zuhörte. In seiner Eile vergaß er selbst das Anklopfen und stürmte einfach in den Raum. Der Patient schlief noch immer seelenruhig auf dem Bett, während Rin auf dem Stuhl eingeschlafen war, nur ihre Hand hatte die des Shinobi fest umschlossen. Ein merkwürdiges Bild, was sich Genma dort bot. Plötzlich hatte er ein unangenehmes Gefühl im Magen, ausgelöst durch diesen Anblick. Er musste sich eingestehen, dass die Eifersucht ihn schon die letzten Tage ziemlich an ihm genagt hatte, was jetzt nur noch mehr bestärkt wurde. Ohne darauf zu achten, ob er Geräusche verursachte oder nicht, trat er auf Rin zu und legte ihr seine Hand auf die Schulter, woraufhin sie zusammenzuckte. Müde hob sie ihren Kopf an, rieb sich den Schlaf aus den Augen. „Mhh~“, machte sie verwirrt, stieß kurz darauf ein herzhaftes Gähnen aus. Sie entdeckte ihren Freund, sah ihn überrascht an. „Genma? Was machst du denn hier?“, fragte die Chuu-Nin irritiert. Mit ihm hätte sie wohl am wenigsten gerechnet, zumindest zu diesem Zeitpunkt und an diesem Ort. „Ich hab’ gehört, dass du wieder in Konoha bist. Als das mit dem Krankenhaus zusammen kam, da dachte ich, dass dir etwas passiert ist und ich bin sofort hergekommen“, erklärte der Jo-Nin, legte ihr damit seine Gefühle offen, sodass sie aus seinem Gesicht ablesen konnte, dass solch eine Nachricht ihn in Alarmbereitschaft versetzt hatte. „Geht’s dir gut?“, hing er noch mit dran, um sich zu vergewissern, dass wirklich alles in Ordnung mit ihr war, jedenfalls sah es auf den ersten Blick nicht so aus als hätte sie irgendwelche schweren Verletzungen, aber Rin war es auch nicht, die im Krankenbett lag, sondern Kakashi. „Mir geht’s gut“, antwortete sie leise und versuchte ihm ein Lächeln zu schenken, das ihn etwas ruhiger stimmen sollte. „Ich bin nur ein bisschen erschöpft und müde.“ Ihre Augen fielen beinahe wieder zu, aber sie bemühte sich wach zu bleiben. „Komm, ich bring’ dich nach Hause, dann kannst du dich dort ausruhen.“ Jeder Ort wäre bequemer als der enge Besucherstuhl, zumindest dachte er das. Er bot ihr seine Hand an, um sie prompt auf die Beine zu ziehen. Doch kam stand sie, kippte ihr Oberkörper nach vorne und sie lehnte sich an die Brust des Jo-Nin. Ihm stellte sich die Frage, was während der Mission vorgefallen war, dass Kakashi im Krankenhaus lag und Rin so fertig war, aber es erschien ihm noch als zu früh, sich danach zu erkundigen. Genma begleitete seine Freundin also in ihre Wohnung, damit sie sich ins Bett legen und noch eine Runde schlafen konnte. Kurz nachdem der junge Mann Rin sicher in ihrer Wohnung abgesetzt hatte, spazierte er nachdenklich durch die Straßen seines Heimatdorfes. Vor seinen Augen hatte er noch immer das Bild von Kakashi und Rin im Krankenzimmer, wie sie seine Hand gehalten hatte. Es beunruhigte ihn, und das, obwohl er gar keinen Grund dazu hatte – oder etwa doch? Machte Kakashi ihm Konkurrenz oder war es einfach Rins alltägliche Fürsorge für jedermann? Nahm er diese klitzekleine Sache zu ernst? Er schüttelte heftig seinen Kopf. Wenn er sich zu viele Gedanken machte, käme dabei nur irgendein Mist heraus. Das hieß: er musste warten, bis er mit seiner Freundin oder notgedrungen mit Kakashi sprechen konnte. Doch Gedanken und Zweifel ließen sich nicht so ohne weiteres abstellen, was er deutlich zu spüren bekam. Es war nicht sehr viel los auf Konohas Straßen und die Stille lud förmlich dazu ein, nachzudenken. Einen gequälten Seufzer ausstoßend, spuckte er den Zahnstocher aus einem Mundwinkel auf den Boden. „Hey du!“ Überrascht drehte der Ninja sich um, damit er sehen konnte, wer ihn da rief. Ein kleines Mädchen mit hellblondem Haar, das zu zwei Zöpfen gebunden war, und großen blauen Augen stand ein paar Schritte von ihm entfernt. „Meinst du mich?“, fragte er und deutete mit seinem Finger auf sich. „Ja!“, antwortete das Kind laut und stimmte ihre Hände gegen ihre Hüften. „Man spuckt seinen Müll nicht so einfach auf die Straße!“ Daraufhin verdrehte der Ältere seine Augen. „Bist du die Reinlichkeitspolizei oder was?“ Erst folgte ein verwirrter Gesichtausdruck, dann verengte sie ihre Augen. „Heb’s auf!“ „Wie bitte?“ „Ich hab gesagt, du sollst es aufheben! Oder hörst du schlecht?“ Für so einen kleinen Zwerg hatte sie ein ziemlich großes Mundwerk. „Und wenn nicht?“, fragte Genma interessiert. Das führte dazu, dass das Kind seine Wangen aufblähte. „Dann hol ich meinen Papa! Er ist der beste Ninja aus dem Dorf!“ Das brachte den Jo-Nin zum Lächeln. Wie schnell seine Meinung von nervig auf süß wechseln konnte, war erstaunlich. „Na los!“ Abwehrend hob er seine Hände und ging dann in die Hocke, damit er den Zahnstocher wieder aufheben konnte. „Siehst du? Alles prima.“ Der böse Gesichtsausdruck verwandelte sich in ein zufriedenes Lächeln. „Ino!“ Ein großgewachsener Mann mit langem, mittelblondem Haar kam um die Ecke und steuerte das Mädchen an. Kaum hatte er sie auf den Arm genommen und dann auf seine Schultern gesetzt, fing sie an zu lachen und auch Genma lächelte. Als Inoichi ihn erkannte, nickten die beiden Männer sich zu, gingen dann aber ihre eigenen Wege. In einem komfortablen Einzelzimmer des Konoha Krankenhauses lag Kakashi im Bett, hielt seine Augen geschlossen, schlief aber nicht. Dafür nahm er jegliche Geräusche und Gerüche in seiner Umgebung viel deutlicher wahr. Er hörte die Schritte der Schwestern und Ärzte, wenn sie durch den Flur liefen, das Gekicher, wenn sich auf den Fluren jemand unterhielt, die quietschenden Rollen des kleinen Wagens, auf dem die Medikamente transportiert wurden. Und dann waren da diese schweren Schritte, die sich eindeutig von den anderen unterschieden. Sie passten zu keinem Arzt und keiner Schwester, denn die hatte alle einen leichten und schnellen Gang. Vor seinem Zimmer endeten die schweren Schritte. Die Zimmertür wurde aufgeschoben und jemand kam herein, ging bis zu dem Besucherstuhl, auf dem vor ein paar Stunden Rin noch gesessen hatte, und setzte sich auf ihn. „Ich weiß, dass du nicht schläfst, Kakashi.“ Nur ein schwaches Schmunzeln umspielte die Lippen des Angesprochenen, welches sich angedeutet unter seiner Maske abzeichnete. „Man kann Sie nicht täuschen, Hokage-sama.“ Der Hokage der dritten Generation, nach dem tragischen Tod des Vierten erneut im Dienst, saß mit seiner weiß roten Robe in dem Besucherstuhl, hatte ein wachsames Auge auf seinen Ninja geworfen, und doch konnte er über die Worte des Jüngeren lachen. „Das ist wahr.“ Die beiden Männer verfielen ins Schweigen. Kakashi wusste nicht warum, aber er fühlte sich nicht wohl, wenn dieser durchdringende Blick des Hokage auf ihn gerichtet war. „Was verschafft mir die Ehre?“, durchbrach der Shinobi schließlich die Ruhe, immerhin war der Hokage ein wichtiger und vielbeschäftigter Mann. „Ich wollte nach dir sehen, Kakashi. Mir wurde gesagt, dass Rin die Pflanze, nach der ihr suchen solltet, verwendet hat, um dich zu entgiften. Wie fühlst du dich jetzt?“ „Es geht mir gut“, antwortete der Patient. „Mein Blut soll noch ausgewertet werden, aber ansonsten bin ich fit.“ Das Oberhaupt des Dorfes nickte verstehend. Im nächsten Moment klopfte es an der Tür und eine Schwester mit einem Klemmbrett im Arm kam in das Zimmer herein. „Guten Morgen, Hatake-san, Hokage-sama.“ Die beiden Männer nickten freundlich als Begrüßung. „Ich habe hier die Blutwerte… und es ist alles bestens, keine Anzeichen einer Vergiftung und keine Spuren eines Giftes.“ Sobald die junge Frau das Krankenzimmer verlassen hatte, erhob sich auch der Hokage aus seinem Stuhl. „Wunderbar. Ich muss dann auch wieder an die Arbeit. Ruh dich noch ein bisschen aus, Kakashi.“ Kaum war der Ninja wieder alleine, seufzte er einen Moment auf. Er verstand den ganzen Rummel um ihn herum nicht, immerhin war sein Zustand gut – zumindest hatte er nichts auszusetzen. Seine Fiebererscheinungen jedoch hatten ihm zu denken gegeben. Das Gespräch mit Obito, ob nun real oder nicht, machte ihn nachdenklich. Er wusste nicht mehr, ob das, was er tat, wirklich das Richtige war. Sein Hauptziel war es, Rin zu beschützen, für Obito. Nach einer guten Stunde schlug der Shinobi seine Decke bei Seite und stand auf. In dem kleinen Schrank gegenüber vom Bett lagen frische Klamotten, die er sich überzog, um nach Hause gehen zu können. Kaum hatte er die Tür aufgeschoben, stand der nächste Besucher vor ihm. Sein von Kindestagen an Rivale: Maito Gai, der ich mit seinem typischen Grinsen begrüßte und zu einem kleinen Duell herausforderte. Eine willkommene Ablenkung, um die Gedanken an seinen toten Freund erst mal in eine hintere Ecke seines Hirns zu schieben. Es vergingen knapp zwei Wochen, die sich für Genma wie eine Ewigkeit anfühlten, denn Rin hatte sich verändert seit sie von der Mission wieder da war – das konnte sogar ein Blinder sehen. Sie war ganz versunken in ihre eigene Welt, vertieft in ihre Gedanken, wirkte oft abwesend, wenn er mit ihr zusammen war. Ihn ließ das Gefühl nicht los, dass sie mit ihren Gedanken bei einer ganz bestimmten Person war: bei Kakashi. Sie hatte ihm von der Mission erzählt und dass der ANBU sie vor dem vergifteten Pfeil gerettet hatte. Ein Grund, ihm zu danken hatte der junge Mann also, aber er redete sich ebenso ein, genügend Gründe zu haben, es nicht zu tun; wie zum Beispiel die Art und Weise, wie Kakashi die Kunoichi behandelte, wie er sie immer wieder vorsätzlich verletzt hatte. In diesem Moment saß das Pärchen auf einer ruhigen Grünfläche, Genma an einen Baumstamm und Rin an seine Schulter gelehnt. Sie atmete tief, schien immer mal wieder einen Seufzer auszustoßen, aber er verstand nicht wieso. Sie hatte es ihm verschwiegen, die Worte von Kakashi, sein Geständnis, und war das nicht ein offensichtlicher Vertrauensbruch? Andererseits wollte die junge Frau ihren Freund auch nicht verunsichern, aber dann müsste sie doch nur sagen, dass es ihr nichts ausmachte, worin das Problem lag: es machte ihr nämlich etwas aus. Dabei konnte sie sich nicht einmal sicher sein, ob seine Worte ernst gemein waren, denn seitdem hatten sie nicht mehr darüber geredet, was sie nicht daran hinderte, sich stundenlang ihren Kopf zu zerbrechen. Dass Genma dadurch langsam skeptisch wurde, nahm sie nur am Rande wahr. Sie wollte ihn und ihre Beziehung damit nicht belasten, das redete sie sich ein, doch in Wirklichkeit rückte sie dem Abgrund dadurch nur noch näher… „Rin? Hörst du mir zu?“ So verwirrt wie sie aussah, tat sie das wahrscheinlich nicht. „Ich… ehm… klar!“ Überzeugend wirkte ihr Einwurf nicht unbedingt und wenn er sie jetzt fragen würde, was er gesagt hatte, könnte sie es sicher nicht wiederholen. „Tut mir leid… was hast du gesagt?“ Sie setzte ein zuckersüßes Lächeln auf, das so unheimlich falsch aussah, dass es einfach durchschaubar war, was der Jo-Nin zu ignorieren versuchte. „Wie wäre es, wenn wir ein paar Tage Urlaub machen? Raus aus Konoha… nur wir beide“, wiederholte er seinen Vorschlag, die Enttäuschung über ihr Verhalten überspielend. Ihre Reaktion fiel nicht aus wie erhofft. Anstatt eines freudigen Lächelns begleitet von einem energischen Nicken wurde ihm ein nachdenklicher Blick und ein Seufzen entgegen geschleudert. „Ich weiß nicht…“ Nein, das war es wirklich nicht, was er erwartet hatte. Sie zeigte nicht einmal annähernd Interesse, geschweige denn irgendwelche Aufmerksamkeit ihm gegenüber. Das fiel ihr dann auch auf, weshalb sie zu einer Entschuldigung ansetzen wollte: „Genma… ich meine damit nicht… also…“ Dummerweise hatte sie sich spontan keine plausible Erklärung einfallen lassen können – wahrscheinlich wäre auch keine überzeugend genug gewesen. Der Jo-Nin zog seinen Arm zurück und erhob sich seufzend von der Decke. „Genma?“ Er spürte den fragenden und verwirrten Blick in seinem Rücken, auf den er nicht eingehen wollte. „Ich hab’ noch einen Termin, wir sehen uns dann später.“ Genma ging seines Weges, ließ seine Freundin alleine auf der Wiese zurück. Auf der Suche nach Antworten wurde der Shinobi in eine ganz bestimmte Richtung, zu einer ganz bestimmten Person gelenkt, die in diesem Augenblick vor dem Gedenkstein stand. Es fiel ihm schwer, seine Gefühle im Zaum zu halten, dafür war er einfach zu aufgewühlt, zu verzweifelt. Rin wollte nicht mit ihm reden, wo also sollte er sonst seine Antworten bekommen? „Hey, Kakashi!“ Mit großen Schritten trat er auf den ANBU zu, bis er direkt vor ihm zum Stehen kam. Er griff nach Kakashis Kragen, zog ihn aufgebracht an sich heran. „Was hast du mit ihr gemacht?!“, knurrte Genma. „Was ist passiert, als ihr beide zusammen auf Mission wart?!“ Kakashi gab sich unwissend, zuckte mit den Schultern und unterstrich seine vorgegebene Ahnungslosigkeit mit den Worten: „Ich weiß nicht, was du meinst.“ Der Griff des Jo-Nin wurde fester, seine Fäuste zitterten bereits. „Verarsch mich nicht, Kakashi! Du hast sie wie Abschaum behandelt, du hast sie ignoriert und nichts, absolut nichts von ihren Gefühlen gehalten, und dann… ja dann nimmst du sie urplötzlich auf eine Mission, von der sie vollkommen verändert zurückkehrt?! Und du hast keine Ahnung wovon ich spreche?!“ Was spielten die beiden eigentlich für ein Spiel? Keiner wollte ihm etwas sagen und er konnte niemanden sonst fragen. Die Reaktion des ANBU war noch immer ein unwissentliches Schweigen. „Weißt du was?! Du kannst mich mal!“ Er stieß ihn weg und drehte ihm den Rücken zu. Die beiden verheimlichten etwas, aber er würde herausfinden was es war, komme was wolle. Relativ spät am Abend saß Rin in ihrer Küche, hatte ein Buch vor sich liegen, in das sie herein schrieb. Da ihre Gedanken ihr keine Ruhe ließen und sie niemanden hatte, mit dem sie reden konnte, hatte sie sich für eine altmodische Art entschieden, ihren Gefühlen Luft zu machen: Tagebuch schreiben. Kurenai war auf einer Mission und die einzige Person, mit der sie hätte reden wollen. Gerade als sie die zweite Seite mit ihrem Kummer, ihren Zweifeln und Fragen, ihren Ängsten und Problemen gefüllt hatte, klopfte jemand an ihrer Wohnungstür. Sie erwartete niemanden mehr – nicht einmal Genma nach seinem Abgang vor ein paar Stunden – weshalb sie überlegte, gar nicht erst aufzumachen, bis sie seine Stimme hörte. Den Stift in der Buchmitte abgelegt, ging sie hektisch zur Tür, um sie zu öffnen. „Genma…“ Sie hatte nicht gedacht, ihn so schnell wiederzusehen. „Hast du Lust auf einen Spaziergang?“, fragte der Jo-Nin und schaffte es sogar, ein kleines Lächeln zu Stande zu bringen. „Klar… Ich zieh mir nur etwas Anderes an. Willst du so lange reinkommen?“ Die junge Frau machte einen Schritt zur Seite, um ihm zu symbolisieren, dass er hereinkommen sollte, was er dann auch tat. „Ich bin gleich wieder da.“ Damit war sie im Schlafzimmer verschwunden. Wie der Zufall es so wollte, trat Genma in die Küche, wo er sich ein Glas Wasser nahm und das Buch auf dem Tisch entdeckte. Er warf nur einen flüchtigen Blick auf die vollgeschriebenen Seiten. Dabei las er ungewollt etwas, das nicht für ihn bestimmt war, was ihm aber dafür eine wichtige Frage beantwortete. Das war genau diese eine Sache gewesen, vor der er sich gefürchtet hatte, die ihm immer im Hinterkopf herumgeschwebt war. Sollte er es einen wahr gewordenen Alptraum nennen oder klang das zu übertrieben? Diese Information war der Windhauch, der sein mühsam aufgebautes Kartenhaus mit einem Mal ineinander zerfallen ließ. Unbemerkt verschwand er aus der Küche, um seine Position im Flur wieder einzunehmen, damit er ja nicht den Anschein erweckte, in Rins kleinem Buch gelesen zu haben. Als sie aus dem Schlafzimmer kam, schien sie es ihm auch nicht anzusehen, zumindest gab sie keine Bemerkung von sich. Stattdessen fragte sie mit unsicherer Stimme, ob sie gehen wollten, was Genma mit einem Nicken bestätigte. Der Trubel in den Straßen von Konoha hatte sich gelegt, die meisten Anwohner hatten sich bereits in ihren Häusern verkrochen. Man konnte vereinzelt das Maunzen einiger streunender Katzen und das Zirpen von Grillen hören. In diesem Konzert aus Tierlaufen spazierte das Pärchen durch sein Heimatdorf. Als die Kunoichi nach der Hand ihres Freundes griff, erwiderte dieser den Druck nicht, er streichelte auch nicht mit seinem Daumen über ihren Handrücken oder zeigte sonstige Annäherungsversuche – vielleicht war er ja noch immer sauer? „Alles in Ordnung?“, fragte sie vorsichtig und sah ihn an, musterte das markante Profil, aus dem sie keinen genauen Ausdruck erkennen konnte. Die beiden verließen das Wohngebiet, betraten einen kleinen Park. Rin wartete gespannt auf seine Antwort, doch es kam nichts zurück, jedenfalls so lange nicht, bis sie einfach stehen blieb und da sie seine Hand festhielt, war auch er dazu gezwungen, anzuhalten. „Was ist los Genma?“ Der Jo-Nin versuchte seine Gedanken und Gefühle zu ordnen, schon seit sie die Wohnung verlassen hatten. Er suchte nach den richtigen Worten, einer Erklärung, einer Entscheidung. Doch als sie ihn so überfiel, stand plötzlich alles still. „Ich kann nicht mehr mit dir zusammen sein…“, schoss es aus ihm heraus, vollkommen unüberlegt. Das waren Worte, von denen er sich niemals erträumt hätte, sie jemals zu ihr zu sagen. Ihr darauf folgendes entsetztes „Was?“ bewies ihm, dass da wenigstens noch etwas Liebe war – und diese Feststellung hätte ihn fast lächeln lassen. Er drehte sich nicht um, grinste Rin verschmitzt an und sagte, dass das alles nur ein Scherz war – und wenn dem so sein sollte, war der verdammt schlecht. Sie hielt noch immer seine Hand fest, in der Hoffnung, er machte wirklich nur einen dummen Witz, aber er sagte nichts, absolut gar nichts. „I-ich versteh’ das nicht… Genma bitte… sag mir, dass das nicht wahr ist!“ Sie spürte wieder diese Verzweiflung in ihrem Inneren, die sie auch schon im Wald überkommen hatte. Er durfte sie nicht verlassen, sie wollte nicht noch einen geliebten Menschen verlieren, sie… „Es ist aber wahr, Rin…“ Ganz langsam wurden ihre Finger lockerer, gaben seine Hand frei. Sie starrte auf den Boden, vollkommen verloren und haltlos wusste sie nicht, was sie sagen oder tun sollte, wusste nur, dass sich in ihrer Brust gerade etwas schmerzlich zusammenzog. Diese Stille zwischen ihnen machte diesen Schmerz noch schlimmer, unerträglicher. Doch dann wollte er plötzlich gehen und sie kam wieder ins Leben zurück. „Warte!“ Sie stand hinter ihm, hielt mit ihren Händen krampfhaft seinen Pullover fest, um ihn am Verschwinden zu hindern. „Lass mich nicht alleine, bitte…“ Was blieb ihr anderes übrig als zu flehen, als zu bitten, als zu hoffen? Was sollte sie sonst versuchen? Doch an dem Shinobi prallte es ab wie eine schwache Welle an einer massiven Felswand. Er reagierte nicht auf ihre Worte, stand wie angewurzelt auf der Stelle und sagte nichts. „Warum, Genma? Warum gibst du uns auf?“, fragte sie mit zittriger Stimme, den Tränen nahe und nicht gefasst auf das, was er ihr gleich sagen würde. „Weil ich dich nicht mehr liebe, Rin.“ Sie erstarrte, hielt für einen Moment die Luft an und löste schlagartig den Griff von seinem Pullover. Diese Aussage, diese Besiegelung für das Ende ihrer Beziehung, hatte sie vollkommen unvorbereitet getroffen, war wie ein Schlag direkt ins Gesicht, warf sie aus der Bahn. Den Moment der Freiheit und des Schocks nutzend, setzte Genma einen Fuß vor den anderen, entfernte sich mehr und mehr von der perplexen Rin, die das alles erst mal verdauen musste. Es war gegen seinen Willen, gegen seinen Instinkt sie so hinter sich zurückzulassen, sie zu belügen, zu verletzen, und doch tat er es, stieß sie einfach von sich. Ohne sich noch einmal zu ihr umzudrehen trat er um die nächste Ecke auf den Gehweg. Sollte sie sein Gesicht sehen, würde sie die Lüge erkennen, die Tränen sehen, und das durfte sie einfach nicht. Er schlug wütend gegen den hohen Holzzaun, der ein Grundstück vom Weg trennen sollte, woraufhin ein kleines Loch entstand. Er war enttäuscht. Enttäuscht von sich und der Welt. „Ich bin nicht er…“ Sobald Rin wieder bei sich war, bewegten ihre Beine sich fast automatisch. „Genma!“ Sie lief zu der Stelle, an der er eben noch gewesen sein musste, wo er abgebogen war, doch er war nicht mehr zu sehen, nicht mehr dort. „Genma…“, hauchte sie zersträubt, drückte ihre geballte Faust an ihre schmerzende Brust. Das Atmen fühlte sich auf einmal so schwer an, als würde ihr die Luft abgeschnürt werden. Die junge Frau ging den Weg entlang, ihren Blick gesenkt, einen Arm unter der Brust verschränkt und ihre Hand an ihren Oberarm klammernd. Sie hatte kein Ziel, keinen Plan, keinen Ort, an den sie in diesem Augenblick wollte. Trotz alledem erreichte sie schon bald den Gedenkstein von Konohagakure, vor dem sie sich auf die Knie ging. Und dann kamen sie: die Tränen der Trauer, des Verlustes. „Obito…“, schluchzte sie leise, starrte auf das dunkle Gestein vor sich. „Ich wünschte… ich wünschte, ich wäre damals an deiner Stelle gestorben… Ich wünschte, du könntest jetzt hier sein und leben…“ „Sag so etwas nicht…“ Erschrocken drehte die Kunoichi sich um, entdeckte ihn: Kakashi, wie er seelenruhig nur wenige Schritte von ihr entfernt stand. Er war dort gewesen, die ganze Zeit schon, aber sie hatte ihn nicht bemerkt, er hatte ihre Worte gehört und sich nicht mehr zurückhalten können. Ihre verweinten Augen und der plötzliche Todeswunsch ließen ihn nicht unberührt. „Was willst du hier, Kakashi?“ Doch so wie es aussah, schien sie nicht einverstanden mit seiner Anwesenheit zu sein, obwohl er ihr nichts Schlechtes wollte, eher im Gegenteil. „Was ist passiert?“, fragte er nach, besorgt und nicht brüsk. Dieses Mal vermochte er nicht sie auf Abstand zu halten, den Unnahbaren zu geben oder sie einfach stehen zu lassen, nein, dieses Mal wollte er es richtig machen! Obwohl sie nichts sagte – und ihm damit vermittelte, dass sie ihn nicht bei sich haben wollte – überbrückte er die letzten Schritte zu ihr kommentarlos. Jetzt galt es, hartnäckig zu bleiben, ob sie ihn nun bei sich haben wollte oder nicht. Sie war in einer schlechten Verfassung, da konnte sie wohl kaum alleine bleiben – er fragte sich sowieso, wo Genma steckte, da er ihr sonst auch nicht von der Seite wich, vor allem nicht, wenn sie todtraurig war. „Rin…“, flüsterte der Shinobi sanft und legte seine Hand auf ihrer Schulter ab. Dabei bemerkte er, wie ihr zierlicher Körper zitterte, nein bebte. Ein weiteres Schluchzen kam über ihre Lippen, als sie seine Berührung spürte. All ihre Gefühle kochten in ihr hoch; die Trauer vermischte sich mit Wut und Verwirrung, wodurch sie die Kontrolle über ihren Körper verlor. Sie schlug seine Hand weg, stand im nächsten Moment fest auf ihren Füßen. „Du hast gesagt, dass du mich liebst.“ Plötzlich schlug sein Herz einen Takt schneller und sein Mund wurde trocken, er fühlte sich so ertappt, was untypisch für den ANBU war und er wusste nicht, welches seiner Gefühle er ihr offenbaren sollte. „Im Wald… als du Fieber hattest und angeblich mit Obito geredet hast!“ Sie sah ihn an wie noch nie zuvor, so wütend und enttäuscht. Er hatte sich bereits verraten, also war es zwecklos, sich rauszureden, sich irgendeine Lüge einfallen zu lassen. „Wie lange schon? Noch bevor ich mit Genma zusammen war? Und warum hast du mir nichts gesagt? Du wusstest… Du wusstest ganz genau, was ich für dich empfinde!“ Die Wut ließ noch mehr Tränen über ihre geröteten Wangen kullern und von ihrem Kinn tropfen, ließ sie noch mehr schluchzen und erschwerte ihr weiterhin das Atmen. „Warum, Kakashi?“ Die Tränen einer Frau schlugen beinahe jeden Mann in die Flucht – vor allem dann, wenn ihnen klar gemacht wurde, dass sie der Grund für die Tränen waren – und auch Kakashi rang mit sich, nicht einfach auf der Stelle zu verschwinden. Er war ihr Antworten schuldig, zu viele Antworten. „Er hat mich verlassen, Kakashi… du brauchst also keine Angst haben, etwas zu zerstören, falls du überhaupt jemals Angst davor gehabt haben solltest…“ Reue kam in dem Shinobi hoch. Dabei hatte er das nicht einmal vorsätzlich gesagt oder getan. Nur verstand er jetzt auch die heftige Reaktion von Genma, als sie aufeinander gestoßen waren. „Das wollte ich nicht, ehrlich Rin…“ Das klang wie ein billiger Versuch, etwas wieder gut zu machen, das er zerstört gemacht hatte, das er nicht retten konnte. „Was willst du dann?!“ „Ich will dich nur beschützen!“ Sie sahen sich an, sahen sich tief in die Augen. Die Luft um sie herum war wie aufgeladen durch diesen hitzigen Streit. „Ich dachte, ich kann nicht auf dich aufpassen, wenn ich mir diese Gefühle eingestehe, wenn sie mich ablenken, ich dachte, dass ich dich damit vielleicht in Gefahr bringen würde, aber dann habe ich mit Obito gesprochen!“ Eigentlich war Kakashi kein Mann der großen Worte, aber diesmal hatte er so viel zu sagen. „Er hat mir klar gemacht, dass ich diese Verantwortung nicht so einfach abtreten kann. Ich habe ihm versprochen auf dich zu achten, Rin! Ich wollte dieses Versprechen nicht brechen, indem ich mich in dich verliebe und dadurch vielleicht unachtsam werde! Deswegen habe ich dir nichts gesagt, deswegen habe ich dich auf Abstand gehalten!“ Der junge Mann machte einen Schritt auf seine Teamkameradin zu und hob zaghaft seine Hand. „Ein Ninja muss seine Gefühle verbergen können, egal wie die Situation aussieht, die Mission hat Priorität und… man darf niemals seine Tränen zeigen…“, flüsterte er diese Vorschrift vor sich hin und strich eine Träne beiseite, auf die direkt die nächste folgte. Sie hatte diesen Weg gewählt, also kannte sie diese Regel. Schweigen. Ein ernüchterndes, fades Schweigen, das die Ladung mit sich dämpfte, die Wut abklingen ließ und nur noch Hilflosigkeit in Rin hinterließ. Sie fühlte sich so klein auf dieser großen Welt. Schluchzend warf sie sich gegen seine Brust, krallte sich an der grünen Weste und suchte Halt, er sollte sie einfach nur festhalten. „Kakashi… Beschütz mich jetzt… bitte…“ Erst überforderte sie ihn mit dieser überschwänglichen Reaktion, aber es war das, was er die ganze Zeit über tun wollte, sie beschützen, vor all dem Schlechten in dieser Welt. Also legte er seine Arme um ihren Körper, hüllte sie in eine sichere Umarmung. „Ich beschütze dich.“ ____________________________________________________________________________ © Ein paar Worte zum Ende: Liebe , ich hoffe, dir haben diese drei Kapitel jetzt gefallen und du bist mit dem Ende auch so zufrieden, wie ich es bin. Es hat mich selber sehr überrascht, dass ich zu drei Personen, mit denen ich mich vorher nie wirklich auseinandergesetzt habe, einen so langen Plot auszuarbeiten und auszuschreiben~ Jedenfalls hat es mir sehr viel Spaß gemacht, mich mal wieder so in die Narutowelt zu versetzen (: Kapitel 10: That Kind of Love ----------------------------- Die Tränen einer Frau schlagen einen Mann so gut wie immer in die Flucht, besonders wenn sie der Grund für diese Tränen sind. Shikamaru Nara hatte in dem Moment, in dem Temari in seiner Haustür stand, mit tränenübersätem Gesicht, genau dieses Bedürfnis. Er wollte schnellstmöglich die Flucht ergreifen. Aber wohin sollte er flüchten, wo er doch schon in seiner eigenen Wohnung, seinem eigenen Reich war? Sie trieb ihn trotz der großen Fläche und den mehr als ausreichenden vier Zimmern in die Enge, eine unangenehme und erdrückende Enge, mit der er nicht umzugehen wusste. »Shikamaru, es ist vorbei.« Das hatte sie gesagt, als sie völlig überraschend vor ihm gestanden hatte, denn normalerweise kündigte sie ihre Besuche an. War sie nur nach Konoha gekommen, um ihm das mitzuteilen? Weinte sie deshalb? Weil sie für sich beschlossen hat, ihre Beziehung zu beenden? Und weinte sie vielleicht noch mehr, weil er nichts darauf zu erwidern wusste – nicht konnte? Bestimmt erwartete sie von ihm, dass er sie zurückhielt oder wenigstens nach dem Warum fragte, aber in diesem Augenblick war seine Kehle zugeschnürt, seine Stimme versagte und er war unfähig, etwas dagegen zu unternehmen. Viel zu überrumpelt war er von der Tatsache, dass sie gerade aus heiterem Himmel mit ihm Schluss machte. Gab es dafür einen aussagekräftigen Grund? Hatte er ihr einen gegeben und es einfach nicht bemerkt? War er so blind, so unaufmerksam gewesen, wo er doch eigentlich eine ausgezeichnete Auffassungsgabe besaß? Temari wandte sich von ihm ab, damit sie verschwinden konnte, und Shikamaru blieb wie angewurzelt stehen, schaffte es nicht, auch nur einen Schritt zu machen. Warum folgten seine Füße seinen Befehlen nicht? Warum folgte seine Stimme seinen Befehlen nicht? Sein ganzer Körper wollte partout nicht gehorchen. Er fühlte sich wie in einem Glaskasten, konnte keinen Schritt mehr machen, seine Worte konnten nicht gehört werden, selbst wenn er etwas sagte. Sie war schon lange weg, als er endlich wieder dazu fähig war, seine Glieder zu bewegen. Er schloss seine Haustür, ohne seiner Freundin, nein Ex-Freundin, zu folgen. Sicherlich war Temari schon über alle Berge, sofern sie nicht vor hatte, ihn zu quälen, was er nicht annahm. Selbst wenn sie noch in Konoha war, wo sollte er sie suchen? Meistens war sie bei ihm gewesen, wenn sie zu Besuch kam. Von anderen Kontakten wusste er nichts. Shikamaru lehnte sich erschöpft gegen die geschlossene Tür. Woher kam dieses Schwächegefühl, diese Erschöpfung? Der Tag war gerade erst zum frühen Nachmittag vorangeschritten und obwohl er ein Mensch war, der gerne schlief, empfand er dieses Gefühl nicht als die angenehme Müdigkeit, der er sich liebend gerne hingab, sondern viel mehr die schmerzhafte Müdigkeit nach einem schweren Kampf. Er rutschte an der Tür herunter auf den Boden, schlug seinen Kopf beinahe brüsk gegen das Holz. Was war das für ein beklemmendes Gefühl in seiner Brust? Hing es mit Temari zusammen? Damit, dass sie ihn gerade verlassen hatte, grundlos? Es war so fremd, so ungewohnt. Wieso musste er so empfinden? Wieso musste sie ihn so empfinden lassen? Das war doch albern, oder nicht? Wie lange er dort sinnlos auf seinem Fußboden saß, wusste er nicht. Die dämmernde Sonne strahlte durch das Wohnzimmerfenster in die Wohnung. Vereinzelte Strahlen fielen in den Flur, berührten seine Zehnspitzen, doch das interessierte ihn nicht. Sein Zeitgefühl kehrte nur langsam zurück, dennoch verspürte er nicht den Wunsch, aufzustehen oder sonst irgendetwas zu tun. War es Motivationslosigkeit oder Lustlosigkeit – oder doch der umstrittene ›Herzschmerz‹? Wieder kam ihm der Gedanke, dass das alles albern war. Das Leben konnte doch nicht vorbei sein, nur weil Temari sich von ihm getrennt hatte. Es gab noch genug andere Dinge im Leben; die Arbeit zum Beispiel. Jetzt hätte er mehr Zeit für Missionen. Kurz nachdem er sich schwerfällig aufgerappelt hatte, war die Sonne gänzlich untergegangen. Shikamaru verspürte vollkommene Appetitlosigkeit, obwohl er seit dem Morgen nichts mehr gegessen hatte. Er hielt es für sinnlos, sich dann noch ein Abendessen zuzubereiten. Stattdessen zog er sich seine Schuhe an, um die Wohnung zu verlassen. Auf den mit Lampinions beleuchteten Straßen von Konoha wehte ihm der frische Wind und die gähnende Leere entgegen. Das Einzige, was ihn jetzt noch in die Enge trieb, waren seine eigenen Gedanken. ›Ist Temari noch in Konoha?‹ ›Laufe ich ihr vielleicht über den Weg? Und wenn ja, was soll ich dann sagen?‹ ›Würde sie mir überhaupt noch etwas zu sagen haben?‹ Durch das Fenster einer Bar erkannte der junge Mann seine beiden Teammitglieder, die sich bei einer Flasche Sake köstlich zu amüsieren schienen. Sie wirkten so unbeschwert und sorglos; in ihrer Welt war alles in Ordnung. Eigentlich hatte er nicht vor, ihnen Gesellschaft zu leisten, aber seine Beine trugen ihn wie von selbst durch die Tür direkt auf den Tisch zu, an dem Ino und Choji saßen. Absurd, oder? Als er seiner Ex-Freundin folgen wollte, stand er wie angewurzelt herum und zu seinen beiden Freunden, denen er aus dem Weg gehen wollte, konnte er gehen. »Shikamaru, was machst du denn hier?«, fragte Choji, der ihn als erster entdeckte, woraufhin auch die Kunoichi sich umdrehte. »Genau! Was machst du denn hier? Ich hab Temari vorhin gesehen. Ich dachte, sie wäre zu Besuch bei dir.« Die Augen des Angesprochenen weiteten sich ein Stück. Sie hatte sie gesehen? »Hat sie was gesagt?! Irgendwas?!«, fragte er aufgebrachter als geplant, was die beiden Shinobi ein wenig irritierte. »Nein. Uhm, soll sie denn etwas gesagt haben?« Seufzend rutschte der Ninja auf einen der freien Plätze, seine Enttäuschung gar nicht überspielen wollend. Ohne zu fragen nahm er Inos kleines Schälchen, das mit Sake gefüllt war und trank es in einem Zug aus. Der Alkohol brannte in seiner Kehle. Ein Gefühl, das er eigentlich nicht mochte, aber im Augenblick konnte er es akzeptieren. »Sie hat mich verlassen…«, murmelte Shikamaru leise und füllte das Schälchen nach, um es direkt wieder zu leeren. »Wie? Ihr habt Schluss gemacht?«, fragten die beiden anderen beinahe synchron. »Nein. Sie hat mit mir Schluss gemacht.« Er trank noch einen Becher und ignorierte die besorgten Blicke seiner Freunde. Ihm fiel zu spät auf, wie mitleiderregend er doch gerade wirken, klingen und aussehen musste. Nein, Shikamaru brauchte kein verdammtes Mitleid! »Und wie ist es… dazu gekommen?«, fragte Ino vorsichtig. Wenn ihr Freund sich schon zum Alkohol hinreißen ließ, musste es ziemlich schlimm sein, er trank sonst nur selten. Ein genervtes Seufzen kam über seine Lippen. »Sie stand vor meiner Tür, hat geheult und gesagt ›Shikamaru, es ist vorbei‹. Und dann ist sie abgehauen.« Der Inhalt eines weiteren Schälchens Sake fand seinen Weg Shikamarus Kehle herunter. Es war mehr als offensichtlich, dass er seinen Kummer im Alkohol zu ertränken versuchte. Das war einer von vielen Wegen, aber sich nicht der produktivste. Choji und Ino beobachteten, wie ihr Freund ihre Flasche Sake ausleerte, ohne dass sie noch einen eigenen Schluck davon abbekamen. »Ich geh dann mal wieder…« Wie seine beiden Freunde abermals besorgte Blicke austauschten, bemerkte er in seiner Benommenheit nicht. »Ich begleite dich«, erklärte Ino, die bereits von ihrem Stuhl aufgestanden war. »Und komm ja nicht auf die Idee, mir zu widersprechen«, fügte sie noch hinzu. Die beiden Teammitglieder und Freunde verließen gemeinsam die Bar, spazierten durch die beleuchteten Straßen ihres Heimatdorfes. Shikamaru war erstaunlich still für einen Betrunkenen, aber gut, nicht jeder begann wie ein Wasserfall zu quatschen, sobald er Alkohol im Blut hatte. Der Weg zu der Wohnung des jungen Mannes lief also ziemlich ruhig und schweigsam ab. Die Kunoichi selbst wollte erst mal nicht in der Wunde bohren. Mit diesem Selbstmitleidstrip machte er unmissverständlich klar, wie es ihm im Augenblick ging. »Du musst mich nicht auch noch ins Bett bringen, das kann ich auch alleine«, knurrte er. Daraufhin gab Ino einen empörten und zischenden Laut von sich. »Das werde ich dir jetzt einfach mal verzeihen in diesem Zustand.« Kurz darauf warf er seine Haustür vor ihrer Nase zu. Angeschlagen schleppt der Shinobi sich in sein Schlafzimmer, wo er ins sein Bett kroch. Der Nachwirkungen dieses kleinen Ausflugs würde er sich noch früh genug schmerzlich bewusst werden. Schlafen schien aber keine Option zu sein. Sein Blick war starr an die Decke seines Schlafzimmers gerichtet, wie gebannt sah er nach oben. So bemerkte er nicht einmal, wie es begann zu regnen. Wie die Regentropfen gegen sein Fenster prasselten. Erst als ein gleißendes Licht den Raum erfüllte, erwachte Shikamaru aus seiner Trance. Ein Gewitter war aufgezogen, das einfach perfekt zu seiner Stimmung passte. Obwohl er etwas wackelig auf den Beinen war, schleppte er sich an das große Fenster und öffnete es. Das Gewitter war unruhig, tobte über das Dorf hinweg. Der Wind wehte ihm die Regentropfen ins Gesicht, was ihn nicht im Geringsten störte. Er würde diesen Regenschauer wohl eher als angenehm bezeichnen. Insgeheim verspürte er den Wunsch, der Regen würde seine Sorgen einfach mit sich tragen. Ein Blitz erhellte seine nachdenklichen und angespannten Gesichtszüge. Ob er dieses Unwetter angezogen hatte, mit dem Chaos, das in seinem Inneren herrschte? Dieses Gewitter beruhigte ihn ungemein, dämpfte die durcheinander wütenden Emotionen. Noch im Laufe der Nacht schloss er die Fenster und kroch wieder zurück unter seine Bettdecke, um den Schlaf zu bekommen, nach dem sein Körper sich sehnte. Auch in den folgenden Wochen suchte der Shinobi fast jeden Abend eine Bar auf, damit er eine Flasche Sake leeren konnte. Er musste feststellen, dass das Trinken neben ein paar Missionen, die er erfüllte, die beste Ablenkung von seinen Gedanken an Temari war. Denn wenn er nicht dazu kam, seine Gehirnzellen anzustrengen und sie für etwas Produktives zu nutzen, driftete er immer wieder zu dem Rätsel um seine Ex-Freundin ab, das einfach unlösbar war – oder ihm einfach nur unlösbar erschien? Auf all seine Fragen bekäme es keine Antworten, außer… »Du musst zu ihr gehen, Shikamaru!« Skeptisch drehte der junge Mann seinen Kopf zur Seite, wo er in das Antlitz seiner Teamkollegin sah. Inos Augenbrauen verliefen von innen nach außen absteigend und auf ihrer Stirn hatten sich Sorgenfalten gebildet. »Ich sehe dich jetzt so gut wie jeden Abend in der Bar seit…« »Seit fast zwei Monaten, ungefähr sieben Wochen, genau achtundvierzig Tagen und dreiundzwanzig Stunden«, führte er ihren Satz zu Ende. Diese Aussage führte zu einem noch besorgteren Blick. Sie hatte damit gerade eine weitere Bestätigung bekommen, dass es ihm absolut beschissen ging. »Geh zu ihr, Shikamaru.« »Was soll das bringen? Wenn sie mit mir hätte reden wollen, dann wäre sie nicht einfach wieder abgehauen. Und nichts für Ungut, Ino, aber deine gescheiterten Beziehungen sind nun wirklich nicht die besten Voraussetzungen, um Beziehungsberaterin zu spielen.« Er war gemein und er wusste genau, dass er sie damit verletzte, aber sie zu verscheuchen schaffte er merkwürdigerweise nicht. »Deine Verbitterung beweist doch nur, wie sehr du Temari liebst und dass du nicht damit umgehen kannst, dass sie dich verlassen hat. Was dir aber noch viel mehr zusetzt, ist die Ungewissheit, weshalb sie dich verlassen hat. Du weißt nicht, was du falsch gemacht hast und das frisst dich von innen heraus auf und genau das versuchst du mit dem Alkohol zu überdecken.« Die Frage danach, woher Ino die Sicherheit nahm, dass sie mit ihren Vermutungen richtig lag, blieb Shikamaru im Halse stecken. Viel zu erschlagen war er von den Tatsachen, die sie auf den Tisch knallte, ohne Rücksicht auf seine Gefühle zu nehmen. Außerdem hatte sie Rech mit allem, was sie sagte. »Es tut mir leid, Ino.« »Natürlich tut es das. Und jetzt beweg deinen Arsch nach Hause, pack deine Sachen und geh zu Temari, damit du nicht mehr so ein unausstehlicher Arsch bist.« Drei Tage und drei Nächte dauerte die Reise nach Sunagakure. Bei seinem letzten Zwischenstopp hatte er noch einmal geduscht und sich frisch gemacht. Obwohl er wusste, dass es sinnlos war, sich die richten Worte zusammenzulegen, weil sie spontan doch anders sein würden, und doch ging er innerlich ein paar zusammengesponnen Dialoge mit seiner Ex-Freundin durch. Dabei entstanden natürlich etliche Wunschvorstellungen, wie ihr Gespräch ablaufen könnte. Auch wenn er Temari kannte und sie in vielerlei Hinsicht einschätzen konnte, konnte er nicht mit genauer Sicherheit sagen, wie sie reagieren oder was sie sagen würde. Das alles sollte er schon bald erfahren. Als er die Tore Sunagakures erreichte, war es bereits dunkel. Es war eine sternenklare Nacht ohne eine einzige Wolke am Himmel. In den meisten Häusern brannte noch Licht, aber auf den Straßen waren nur wenige Menschen unterwegs. Der Wind pfiff ums eine Ohren, während er noch möglichst entspannt auf das größte Gebäude im Dorf zuging. Der Sitz des Kazekagen, in dem sich auch Temari befand. Das Erste, was der Shinobi tat, war sich beim Oberhaupt anzumelden – er wäre ohnehin nicht zu Temari gelangt, ohne an Gaara vorbei zu müssen. Kurz bevor Shikamaru in das Büro des Kagen entrat, wurde er von einem der Suna-Nin angekündigt. »Kazekage-sama«, grüßte der Shinobi und nickte ihm zu, ebenso seinem Bruder, der neben ihm stand. »Shikamaru, was führt dich her?« Sein Anliegen war persönlicher Natur, vielleicht sah man ihm das sogar an? Wieso sonst sollten die beiden Männer ihn so merkwürdig ansehen? So als wüssten sie bereits, was genau er in Sunagakure machte. »Ich möchte zu Temari«, sagte er frei heraus. Viel zu lange hatte Shikamaru darauf gewartet, endlichen diesen Schritt zu wagen, um dieses beklemmende Gefühl, das ihn beherrschte seit sie gegangen war, endlich loszuwerden. »Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Temari ist im Moment…« »Was?«, fiel der Konoha-Nin Gaara ins Wort, »Was ist mit ihr?« Die beiden Brüder tauschten ein paar für ihn undefinierbare Blicke miteinander aus. Handelten die beiden im Stillen gerade etwas aus? »Sie ist in ihrem Zimmer.« Das war das Stichwort für den Ninja, das Büro von Gaara zu verlassen, um sich auf den Weg zu Temari zu machen. Zielgenau steuerte Shikamaru das Zimmer seiner Ex-Freundin an, hielt davor aber inne. Er musste tief durchatmen, um sich selbst zu beruhigen, bevor er klopfen konnte. Wie würde Temari wohl reagieren, wenn sie ihn sah? Was würde sie sagen? Das musste er auf sich zukommen lassen. Er klopfte zweimal sachte gegen die Tür, wartete auf eine Reaktion. Als keine kam, wiederholte er das noch einmal. »Kankuro! Ich habe doch gesagt, dass…« Shikamaru schob die Tür auf und betrat ihr Zimmer einfach ohne Aufforderung. Sie saß auf ihrer Fensterbank und sah verträumt in die Sterne, beachtete ihn gar nicht. Umso mehr Beachtung schenkte er ihr. Sein Blick war starr auf ihren Bauch gerichtet, genau genommen auf diese Wölbung, auf der ihre Hände lagen. »Temari…« Die Kunoichi verstummte. Sie hatte einfach nur zu ihrer Fensterscheibe gesprochen, da war ihre Reaktion wohl absehbar gewesen. Doch Shikamaru hatte gar nicht die Möglichkeit, darüber nachzudenken. Er war viel zu eingenommen von ihrem ziemlich schwangeren Anblick. Temari rutschte von der Fensterbank und wickelte ihren Yukata fest um ihren Bauch, als würde sie ihn jetzt noch vor ihm verstecken können. »Hast du mich deswegen verlassen?« Sie sah weg, was ihm Antwort genug war. Damit hatte er wohl am wenigsten gerechnet. Allerdings konnte er jetzt auch ihre Tränen nachvollziehen. Sie hatte damals weinend vor seiner Tür gestanden, weil sie schwanger war und diese Information sie zuerst wahrscheinlich erschlagen hat. »Von wem ist es?« Mit dieser Frage hauchte er der Kunoichi erst richtiges Leben ein, ansonsten hätte sie ihre Faust wohl nicht in sein Gesicht rammen wollen. Wie gut, dass er ihr schnell genug ausweichen konnte. »Von dir natürlich, du Idiot! Wie kommst du nur darauf, mich so etwas zu fragen?!« »Vielleicht, weil du mich vor zwei Monaten aus heiterem Himmel verlassen hast?!« Er seufzte leise. Schreien brachte doch nichts, außerdem sollte sie sich bestimmt nicht aufregen. Die beiden setzten sich nebeneinander auf ihr Bett, schwiegen. Obwohl der junge Mann den Drang verspürte, Temari einfach nur in den Arm zu nehmen, hielt er sich zurück. Es gab eigentlich nur zwei Möglichkeiten, wie sie reagieren könnte: entweder sie stieß ihn weg oder ließ es zu, was aber nichts daran ändern würde, dass diese Sache zwischen ihnen stand. »Hast du mich deswegen verlassen? Wegen der Schwangerschaft?«, fragte er leise, sah permanent auf ihren Bauch, auf die sie ihre Hände wieder platziert hatte. »Ich wollte dir bloß zuvor kommen«, antwortete sie murmelnd. Diese Aussage enttäuschte Shikamaru, machte ihn beinahe wütend. Was dachte sie eigentlich von ihm? Dass er sich klammheimlich aus der Affäre ziehen würde? Dass das ein Grund war, sie sitzen zu lassen? Hatte er so einen schlechten Eindruck hinterlassen in den fast zwei Jahren, die sie zusammen gewesen waren? »Wie kommst du darauf, dass ich dich verlassen hätte? Wieso sollte ich mich einfach aus der Verantwortung ziehen? Du hast die Entscheidung getroffen, ohne mich ins Bild zu setzen!« »Und das nicht unberechtigt! Du hasst Kinder. Kinder sind laut und nervig und viel zu anstrengend.« »Hältst du mich wirklich für so egoistisch und verantwortungslos? Ganz ehrlich…« Ob sie in diesem Moment überhaupt bedacht hatte, dass er das Kind wollen würde? Sie kränkte ihn, was er ihr auch deutlich zeigte. »Shikamaru, ich… Es war eine Kurzschlussreaktion… Ich wusste nicht, was ich machen sollte…« Und urplötzlich liefen ihr viele kleine Tränen aus dem Augenwinkel. Temari war schon immer eine starke, bewundernswerte Frau gewesen, die sich nie leicht zum Weinen bringen ließ, doch ihr Hormonhaushalt war komplett durcheinander geraten. Das brauchte auch den Shinobi durcheinander, jedenfalls am Anfang. Er kannte Temari gut, wusste, dass sie nicht so nahe am Wasser gebaut war und dass die Schwangerschaft ihr emotional zusetzte. Die Situation nutzte er, um seinen Arm um ihre Schultern zu legen, sie einfach näher an sich heran zu ziehen. »Tut mir leid. Ich will gar nicht heulen, aber ich kann es nicht so einfach abstellen…« »Schon in Ordnung.« Sie sollte sich ausweinen, so lange wie sie wollte, er würde sie einfach nur festhalten, wenn sie es zuließ. »Du hättest mich also nicht verlassen, wenn ich dir gesagt hätte, dass ich schwanger bin?«, fragte die Kunoichi als ihre Tränen versiegt waren. »Nein, hätte ich nicht.« »Und du bist hier, um mir das zu sagen?« Nicht ganz, aber fast – er hatte ja nicht ahnen können, dass sie so eine Überraschung verborgen hatte. »In den letzten zwei Monaten war ich unausstehlich. Ich hab’ versucht, diese Leere mit Alkohol und Arbeit zu füllen, aber es hat nicht funktioniert. Du bist mir einfach nicht aus dem Kopf gegangen… Ich wollte wenigstens wissen, warum du mich verlassen hast.« Dass er gefühlsduselig wurde, war ihre Schuld, sie hatte ihn einfach verändert – und das war nicht zwingend negativ zu interpretieren. »Du hast mir gefehlt, Temari.« Das hatte er ihr sagen wollen, sie sollte es wissen. Temari legte ihre Hand auf seine, verschränkte ihre Finger miteinander. Es war ein unheimlich gutes Gefühl, ihre Nähe zu spüren, dass sie sie selbst suchte. Diese Geste reichte aus, um ihm zu beweisen, dass er sie nicht noch einmal so schnell ziehen lassen durfte. Als sie sich von ihm weg drückte, sah er in ihre Augen, diese wunderschönen Augen, die es geschafft hatten, ihn zu verzaubern. »Shikamaru…« Weiter kam sie nicht, denn er legte seinen Finger auf ihre weichen Lippen, machte ihr stumm klar, dass sie nichts sagen musste. »Ich weiß. Und du sollst wissen, dass ich dich und dieses Baby will.« Auf ihrem Gesicht bildete sich ein glückliches Lächeln, dem schließlich doch wieder ein paar Tränen folgten. Vielleicht war er nicht der perfekte Vater oder der perfekte Lehrer,‭ ‬aber er würde lernen in die Rolle hinein zu wachsen, so wie Temari sich vor drei Monaten entschieden hatte sich der Rolle der Mutter zu stellen. Und er wusste, gemeinsam würden sie es schaffen. Kapitel 11: Warum weinst du? ---------------------------- Konohagakure, das Dorf versteckt hinter den Blättern, ein sonst so farbenfroher Ort war nichts mehr als ein kahler grauer Fleck umgeben von einem saftig grünen Wald. Nach der Zerstörung durch Akatsuki war beinahe das komplette Dorf dem Erdboden gleich gemacht worden und das, was übrig war, konnte man nicht mehr als bewohnbar bezeichnen, es ähnelte eher einem riesigen, ausgebrannten Krater. Omoi spazierte durch die Trümmer des angesehenen Ortes, alleine. Seine Teammitglieder waren damit beschäftigt, Informationen mit den Konoha-Nin auszutauschen. Warum er nicht dabei war? Nun ja, Karuis Temperament war mal wieder mit ihr durchgegangen – und natürlich hatte er versucht, sie zu beruhigen –, dass sie ihm eine verpasste hatte. Doch anstatt sie rauszuwerfen, wurde er zu Dank verbannt. Er sollte nach einer bestimmten Person suchen, die ihm angeblich helfen würde und die sich von der Masse abhob. Trotzdem streifte er schon seit einer Weile herum, ohne Erfolg. Er hatte nicht den Hauch einer Idee, wo der Ninja, nach dem er suchte, sich befinden könnte – besonders, wo doch kaum noch Treffpunkte für die Bewohner existierten. Irgendwann verging ihm die Lust an diesem lästigen Katz und Mausspiel und er setzte sich außerhalb des Kraters an einen Baum. Es ging ja nur um seine Nase und ob die nur ein bisschen krumm wurde oder nicht, da würde die Welt schon nicht von untergehen. Umgeben von den Lauten der Natur schloss der Shinobi seine Augen und schaffte es, einzudösen. Eine Windböe, die einen Hauch von Schicksal in sich trug, wehte durch das kurze, hellblonde Haar des Ninja. Sie war frisch und löste eine Gänsehaut auf seiner dunklen Haut aus, veranlasste ihn dazu, seine Augen zu öffnen. Unter all den tristen, deprimierenden Farben, die die Umgebung bot, tauchte auf einmal eine auf, die sich abhob, die Leben in all die Grau- und Brauntöne brachte: ein sanftes Bonbonrosa, das, obwohl es eigentlich blass war, sanft leuchtete. Omoi kannte dieses Rosa irgendwo her. Er verband es mit einer Person, die er vor nur wenigen Stunden noch getroffen hatte: Sakura Haruno. Die Ironie war wohl die Verbindung zwischen ihrem Namen und ihrer Haarfarbe. Das Kirschblütenmädchen mit dem rosafarbenen Haar. Da fiel ihm ein, dass genau sie es war, nach der er gesucht hatte. Der Ninja rappelte sich auf und klopfte den Staub von seiner Hose, ehe er sich auf den Weg zu dem Mädchen mit den rosa Haaren machte, von dem er seinen Blick nur wenige Sekunden abgewandt hatte. »Sakura!« Omoi war noch gute fünf Schritte von der Kunoichi entfernt und empfand es als den richtigen Zeitpunkt, sie anzusprechen. »Du bist doch Sakura, oder?«, fragte er sicherheitshalber noch einmal nach. Die Angesprochene drehte sich um, musterte den jungen Mann skeptisch. »Ich bin« »Omoi… von den Kumo-Nin… Ihr habt Naruto zusammengeschlagen…« Sie hatte also ein gutes Gedächtnis. »Nun genaugenommen war das meine Partnerin…«, antwortete der Shinobi auf ihre wie ein Vorwurf klingende Feststellung seiner Person. »Was willst du von mir?« Die Kunoichi klang nicht erpicht darauf, Bekanntschaft mit dem Kumo-Nin zu schließen, jedenfalls wirkte sie nicht bester Laune. »Ich hab einen Schlag auf die Nase bekommen«, erklärte er sachlich und deutete auf sein Riechorgan. »Man hat mir gesagt, ich soll dich suchen, damit du mir damit hilfst.« Sie schien über ihren nächsten Schritt nachzudenken, ehe sie sich dazu entschloss, sich umzudrehen und ihm anscheinend zu helfen. »Komm mit…«, murmelte sie im Vorbeigehen, ohne ihm eine nette Mimik oder Geste zu symbolisieren. Schweigend schritten sie durch die Straßen, dessen Geröll nur dürftig zur Seite geräumt war, auf denen ehemals Häuser und Geschäfte gestanden hatten, bis sie eins der vielen Zelte, die in der Umgebung aufgestellt worden waren, erreichten. Es schien eins der Unterschlupfe für die medizinische Versorgung zu sein, da ein Untersuchungstisch und viele Medikamente sowie Verbandsmaterialien zur Verfügung standen. »Setz dich«, erklärte Sakura und deutete auf den Tisch. Ohne Kommentar ging der Shinobi dem Befehl nach und setzte sich. Die Medic-Nin sterilisierte ihre Hände, um sich dann dem jungen Mann zuzuwenden und seine Nase etwas genauer zu betrachten. Das schmerzverzerrte Gesicht, das er zog, als sie ihn berührte, schien sie dabei vollkommen zu ignorieren. »Entweder sie wollte nicht richtig treffen, oder sie hat nicht richtig getroffen. Ich gehe eher vom ersten aus. Gebrochen ist sie jedenfalls nicht.« Omoi zog verwirrt seine Augenbraue herauf. »Wie kommst du darauf?« »Eigene Erfahrungen…« Als die Kunoichi seine Nase soweit versorgte, sah er ihr tief in die Augen, die gerötet und etwas geschwollen waren. »Hast du geweint?« Eine rhetorische Frage, das sah wahrscheinlich selbst ein Blinder. Sie hielt in ihren Bewegungen inne, wich seinem Blick auf einmal aus. »Wegen diesem Uchiha-Arschloch?« »Nenn ihn nicht so…« Damit war seine Frage beantwortet. »Warum nicht? Ist doch die Wahrheit. Wie kannst du nur für einen kaltblütigen Mörder Tränen vergießen?« Sie beendete ihre Behandlung und machte einen Schritt zurück. Als sein Blick auf ihre Hände fiel, sah er, dass sie zu Fäusten geballt waren und leicht zitterten. »Ich erwarte nicht, dass du das verstehst, du kennst ihn nicht…«, wisperte sie. »Ich muss ihn nicht kennen, um seine Taten beurteilen zu können.« »Du solltest jetzt besser gehen«, sagte Sakura, das Gesicht von dem Shinobi abgewandt. Noch bevor er wieder einen schnippischen Kommentar abgehen konnte, fügte sie hinzu: »Oder ich breche dir wirklich deine Nase.« »Hey, hey, ganz geschmeidig bleiben.« Der Shinobi rutschte vom Tisch herunter. Irgendwie erkannte er Parallelen zu seiner eigenen Teamkollegin: temperamentvoll und gewaltbereit. »Du hast wohl ein Problem mit der Wahrheit.« Von hinten flog eine Nierenschale auf Omoi zu, der er gerade noch ausweichen konnte, bevor sie ihn traf. »Geh einfach…«, knurrte Sakura mit zusammengebissenen Zähnen und er sah schon wieder dieses gefährliche Glitzern in ihren Augen. Im Stillen stellte er sich selber an den Pranger. Es war nicht in Ordnung, eine Frau zum Weinen zu bringen, auch nicht, wenn man wütend auf eine ganz andere Person war. Doch sollte er bleiben und sich entschuldigen, dann begab er sich womöglich in Gefahr, also verließ er schweigend das Zelt. Noch am selben Tag, nur am Abend, spazierte Omoi erneut durch die ‚Straßen’ Konohas. Selbst um diese Uhrzeit werkelten einige Bewohner noch an ihren neuen Unterkünften. Er konnte sich nicht vorstellen, wie es wäre, wenn seine Heimat in solch einem Ausmaß zerstört werden würde, dieses Bild war scheußlich. Und dann tauchte sie auf einmal wieder auf: das Kirschblütenmädchen mit dem bonbonrosafarbenem Haar. Ob sie sich mittlerweile wieder beruhigt hatte? Der junge Mann beschloss ihr unauffällig zu folgen, bis sie sich an einem Baumstamm niederließ, ihren Blick sehnsüchtig gen Himmel gerichtet. Omoi näherte sich ihr immer mehr, blieb dabei unerkannt. Jedenfalls so lange, bis er auf einen Ast trat, welcher daraufhin geräuschvoll in zwei Teile zerbrach und Sakuras Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie löste sich erschrocken aus ihrer Starre und sah einen kurzen Moment zu dem Anderen, ehe sie ihn mit vollkommener Ignoranz strafte. Da er sich ohnehin nicht mehr klammheimlich an sie heranschleichen konnte, überbrückte er in gespielt lässigem Gang die letzten Schritte zu der jungen Frau und ging dann vor ihr in die Hocke. »Ich möchte mich bei dir entschuldigen«, erklärte Omoi mit schuldbewusster Miene. »Es stand mir nicht zu diese Dinge zu sagen. Außerdem ziemt sich nicht für einen Mann, eine Frau zum Weinen zu bringen. Das hatte ich nicht erreichen wollen.« Sakura würdigte ihm noch immer keines Blickes, sie schien es nicht für nötig zu halten, doch er ließ sich nicht so schnell abwimmeln. »Bitte nimm meine Entschuldigung an, Sakura.« So wie er ihre versteifte Körperhaltung beurteilte, schien sie sich selber unter Kontrolle zu halten, ihn weiterhin zu ignorieren, ohne ihm eine Antwort entgegen zu brüllen. »Du hast gesagt, ich würde nicht verstehen, warum du an jemanden glaubst, den ich schon längst für verloren einstufe… Warum erklärst du mir nicht einfach, weshalb Sasuke Uchiha das Recht hat, dir Tränen in die Augen zu treiben? Warum weinst du um ihn?« Und da lachte sie ein trauriges, falsches Lachen, schüttelte ihren Kopf, woraufhin ein paar rosafarbene Strähnen in ihr Gesicht fielen. »Denkst du, jetzt würdest du es nicht genauso wenig verstehen wie vorhin?«, murmelte sie leise. Ein gutes Zeichen für den Shinobi, denn sie sprach überhaupt und anscheinend war sie nicht mehr zum Zerreißen angespannt. Sie sah ihn an und für einen Moment fühlte ihr Blick sich so an, als würde er ihm die Kehle zuschnüren. So traurig, enttäuscht und doch so voller… Liebe? »Sasuke ist mein Teammitglied und mein Freund«, begann sie ruhig zu erklären. »Und ja, ich liebe ihn.« Ein Geständnis, das Omoi erwartet hatte und das trotz allem aufrichtig und ehrlich klang. »Er ist auf die falsche Bahn geraten und du hast keine Ahnung, was wir nicht alles versuchen, um ihm den richtigen Weg zu zeigen. Und wir werden nicht aufgeben… Ich werde nicht aufgeben… Und ich werde nicht aufhören an ihn oder an Naruto zu glauben. Da könnt ihr so viele Leute zusammenschlagen, wie ihr wollt. Selbst mich! Und trotzdem werde ich niemals aufhören, denn er ist mein Teamkollege und mein Freund. Ich will ihn aus der Dunkelheit retten… und Naruto will das auch…« Sie drehte ihren Kopf wieder weg, sah in den Himmel und dann stand sie auf. »Du kennst Sasuke nicht. Du weißt nicht, wie er früher einmal war. Du weißt nicht, was ihm widerfahren ist, also bilde dir dein Urteil erst, wenn du ihn wirklich kennst. Ich gehe meinen Weg und wenn du mir Steine in den Weg legen willst, werde ich einen nach dem anderen zerstören, denn meine Freunde zu schützen, das ist mein Nindō.« Das waren ihre letzten Worte, bevor sie, ohne ihn noch einmal anzusehen, einfach hinter ein paar Bäumen verschwand. Mehr schien es nicht zu sagen zu geben. In seinen Gedanken versunken, kehrte Omoi in die von Konoha gestellte Unterkunft zurück, in der er von seinen beiden Teamkameradinnen begrüßt wurde. »Wo warst du so lange?«, wollte Karui wissen, ihre Hände in die Hüften gestemmt. Sie klang wenig begeistert von seinem späten Ausflug, aber das war ihm egal. »Spazieren«, antwortete der Shinobi und ließ sich auf seinem Futon nieder, richtete seinen Blick aus dem offenen Fenster. Ob seine beiden Kolleginnen, wie Sakura über Sasuke, über ihn denken würden, sollte er den falschen Weg einschlagen? Eins hatten die Tränen des Kirschblütenmädchens auf jeden Fall bewirkt: Sie hatten ihn nachdenklich gestimmt. Wo waren die Grenzen, zwischen Loyalität und Freundschaft? War sie naiv oder bewundernswert? Gab es eine Grauzone zwischen Gut und Böse? Was machte einen Menschen aus, der auf einmal auf die schiefe Bahn geraten war und dem man dennoch seine Taten verzeihen konnte? Omoi sah in den Himmel, versuchte sich diese Fragen zu beantworten und dachte dabei an das entschlossene Gesicht von Sakura Haruno. ____________________________________________________________________________ © Kapitel 12: Für immer nie ------------------------- „Ich brauche einen Arzt! Sofort!“ Aufgebracht und vor allem laut schrie Kiba Inuzuka durch die Eingangshalle des Konoha Krankenhauses. In seinen Armen lag sie: Hinata Uzumaki, ehemals Hyuuga, kaum noch bei Bewusstsein, mit einem blutgetränkten Tuch um den Bauch gewickelt. Zwei alarmierte Schwestern schoben ein Bett auf den Shinobi zu, auf welchem er seine Freundin ablegen konnte. Nur weniger Sekunden später kam Sakura Haruno, die gerade Dienst im Krankenhaus hatte, den Flur entlanggelaufen. Ihr Kittel wehte um ihre Beine, bis sie neben dem Bett zum Stehen kam. „Was ist passiert?“, wollte sie von Kiba wissen, während sie bereits mit geschultem Blick die oberflächlichen Verletzungen ihrer Patientin analysierte. „Wir wurden aus dem Hinterhalt angegriffen und getrennt … Ich habe sie nur noch so gefunden und sofort hergebracht!“ Kibas Stimme war verzweifelt und zitterte. Seine dunkelgrüne Weste war mit dem Blut von Hinata getränkt. „Okay, das hast du gut gemacht. Wir werden sie jetzt operieren. Du solltest dich umziehen und ein bisschen ausruhen. Sobald es Neuigkeiten gibt, lasse ich es dich wissen“, entschied Sakura und wollte gerade mit den Schwestern an ihrer Seite loslaufen, als Kiba sie an ihrem Oberarm fest- und damit aufhielt. „Bitte, lass sie nicht sterben!“ Daraufhin sah sie ihm tief aber vor allem ernst in die Augen: „Das habe ich nicht vor.“ Die Ärztin eilte in den OP, damit sie sich um die Verletzungen von Hinata kümmern konnte. Eine der Schwestern hatte den Auftrag bekommen, Naruto Uzumaki ausfindig zu machen und ihn darüber zu informieren, dass seine Ehefrau schwer verletzt im Krankenhaus lag. Besagter Ninja befand sich in diesem Moment mit seinem besten Freund, Sasuke Uchiha, auf dem Trainingsplatz, auf dem sie einen kleinen Übungskampf austrugen. „Naruto Uzumaki?“ Der Angesprochene brach seinen Angriff ab und landete binnen weniger Sekunden auf dem grünen Gras neben seinem Trainingspartner. Die erschöpfte, junge Frau kam direkt auf die beiden Männer zu. „Ja, das bin ich!“, erklärte der Genannte grinsend, nichtsahnend, und deutete dabei mit dem Daumen auf seine Person. „Haruno-sama schickt mich. Ich soll Ihnen sagen, dass Ihre Frau gerade schwer verletzt ins Krankenhaus gekommen ist und von ihr operiert wird.“ Keine fünf Sekunden nachdem er das erfahren hatte, war das Grinsen wie aus seinem Gesicht gewischt, musste einem geschockten Ausdruck weichen. Und keine zwei Sekunden später war der Shinobi verschwunden, hatte nur einen Windhauch hinterlassen, der durch seinen Sprung entstanden war, um sofort zum Krankenhaus zu sprinten. Natürlich konnte Naruto nicht einfach den Operationssaal stürmen oder Sakura raus schreien, aber er durfte in dem Flur vor den Türen warten. Diese Idee hatte jedoch nicht nur er. Kiba saß bereits auf der Bank, seine Ellbogen gestützt auf den Oberschenkeln. Er entdeckte Naruto erst, als er von ihm angesprochen wurde. „Kiba … Was ist passiert?“ Dem Shinobi war es sichtlich unangenehm, dem Ehemann seiner Freundin erzählen zu müssen, dass er sie nicht hatte beschützen können. Dennoch wählte er bei ihm dieselben Worte, wie schon bei Sakura vor einer guten halben Stunde. Dass Naruto wütend werden würde, hatte Kiba bereits erwartet, genauso erwartete er, dass er ihm dafür eine verpassen wollte, doch Narutos Faust landete nicht in seinem Gesicht, sondern an der Wand daneben. Naruto und Hinata hatten erst vor drei Monaten geheiratet. Es hatte unheimlich lange gedauert, bis ihm die Gefühle für seine jetzige Ehefrau bewusst geworden waren. Erst ihre gemeinsame Reise auf den Mond hatte ihm die Augen geöffnet, hatte sie beide eine emotionale Achterbahnfahrt fahren lassen. Ihm war klar geworden, was Liebe bedeutete, was sie schon Jahre für ihn empfunden hatte. Da durfte, konnte und wollte er sie jetzt nicht verlieren. Plötzlich spürte der Uzumaki eine Hand auf seiner Schulter. Als er sich umdrehte, sah er in das entspannte Gesicht von Sasuke. Er war die Ruhe weg. „Sakura kümmert sich um sie“, war das einzige, was er in dieser Situation sagte und das beruhigte Naruto sogar ein wenig. Er hatte Vertrauen in die Fähigkeiten seiner Freundin. Die Zeit zog sich ewig lange hin. Der Sekundenzeiger der Uhr schien nur in Zeitlupe voranzuschreiten. Narutos Blick wanderte abwechseln von der Wanduhr zu der Leuchte des OP-Saals, zu Sasuke oder Kiba. Immer wieder knetete er seine Hand, seine Finger oder wackelte mit dem Fuß. Langsam aber sicher riss sein Geduldsfaden, er presste seinen Kiefer so stark aufeinander, dass er schmerzte. Die OP-Leuchte ging aus und der Shinobi sprang von der Bank auf. Seine Augen lagen gebannt auf den weißen Flügeltüren, die in der nächsten Sekunde aufgeschoben wurden. „Sakura-chan“, rief er aus, als er die Ärztin entdeckte und stellte sich sofort vor sie, „Wie geht es ihr?“ Sakura legte daraufhin liebevoll ihre Hand auf seinen Oberarm und schenkte ihm ein müdes, aber zuversichtliches Lächeln. „Hinata ist außer Gefahr.“ Allgemeine Erleichterung ging durch den Flur, aber vor allem Naruto atmete fast angestrengt aus. „Danke, Sakura-chan“, murmelte er und zog sie kurz in seine Arme. Einige Minuten später wurde Hinata Uzumaki aus dem Operationssaal geschoben. Sie lag schlafend auf dem Bett, musste sich von den Strapazen der OP erholen. Die verbundenen Wunden waren unter der Decke versteckt. „Kann ich bei ihr bleiben?“, wollte ihr Mann wissen, als sie an ihm vorbei geschoben wurde. Sakura nickte und sah ihnen beiden hinterher, während sie im nächsten Gang verschwanden. Mehrere Stunden saß Naruto einfach nur an der Seite des Krankenbetts und hielt die Hand seiner Ehefrau. Sie wirkte friedlich, wie sie dort lag und schlief. Das Zucken ihrer Augenlider ließ sein Herz einen kleinen Sprung machen. „Hinata“, flüsterte er, abwartend, dass sie ihre Augen öffnete. Sie runzelte ihre Stirn, zog die Augenbrauen zusammen und hob anschließend langsam ihre Augenlider. Es dauerte kurz, bis sie sich an das helle Licht gewöhnt hatte. Sie drehte ihren Kopf zur Seite und entdeckte ihren Ehemann, der sie erleichtert anblickte. „Na-ru-to“, krächzte sie aus trockener Kehle und drückte seine Hand so stark wie sie gerade konnte. „Was … ist passiert?“ Sie hatte zwar bereits realisiert, dass sie im Krankenhaus lag, aber dass jemand sich direkt nach dem Aufwachen nicht mehr an alle Details erinnerte, war ganz normal. Naruto klärte sie über das Gröbste auf, das ihm selbst mitgeteilt wurde. Nach ein paar Minuten betrat Sakura das Krankenzimmer, um nach ihrer Patientin zu sehen. Auch sie war erleichtert, dass Hinata aufgewacht war. Sie stellte ein paar Fragen nach ihrem Wohlbefinden und zog einen zweiten Stuhl an das Bett heran. „Naruto, würdest du uns bitte für einen Moment alleine lassen?“, wandte die Ärztin sich an ihren Freund. Diesen verwirrte die Bitte. „Ich muss etwas mit Hinata besprechen.“ Der Shinobi sah zu seiner Ehefrau, die ihm zunickte. „Ist schon in Ordnung“, gab sie leise von sich und beobachtete Naruto dabei, wie er den Raum verließ. Dann sah sie in Sakuras smaragdfarbene Augen. „Hinata, wusstest du, dass du schwanger warst?“ Stille lag im Raum. Anscheinend fand die Kunoichi nicht die richtigen Worte auf diese Frage, was gleichzeitig auch eine Antwort war. Diesmal war es Sakura, die nach der Hand ihrer Freundin griff. „Ich war … schwanger?“, wiederholte Hinata leise und traurig, woraufhin die Ärztin kurz etwas Druck auf ihre Hand ausübte. „Es tut mir leid“, flüsterte sie mit größtem Mitgefühl. „Aber da ist noch etwas …“ Ungeduldig wartete Naruto im Flur vor dem Zimmer seiner Frau. Er trat immer wieder von einem Fuß auf den anderen, bis sich nach einer gefühlten Ewigkeit die Tür öffnete und Sakura herauskam. „Was ist los, Sakura-chan? Stimmt irgendetwas nicht?“, wollte er besorgt wissen, woraufhin sie seinem Blick auswich. „Du solltest wieder zu ihr gehen“, war das einzige, das sie zu ihm sagte, bevor sie verschwand. Unsicher ging der junge Mann zurück zu Hinata und nahm den Platz an ihrer Seite wieder ein. Er betrachtete ihr blasses Gesicht, konnte die Tränenspuren auf ihren Wangen sehen. „Was ist los?“, fragte er direkt und fühlte sich auf einmal so hilflos. Was sollte er in dieser Situation tun? Er war einfach überfordert. Hinata schwieg erst eine Weile, blickte dabei gedankenverloren aus dem Fenster. „Ich war schwanger …“, murmelte sie vor sich hin, „aber ich habe es verloren … wegen dem Angriff, die Verletzung …“ Sie ließ diese Information erstmal sacken. Es war für Naruto schließlich genauso ein Schock wie für sie. Er kannte nicht die richtigen Worte des Trostes, er hatte so etwas noch nie erlebt, keiner von ihnen. „Hinata … ich …“ Er stotterte nur noch unbeholfen vor sich hin. „Das ist aber noch nicht alles…“, fügte sie hinzu und er konnte genau hören, wie ihre Stimme in diesem Moment brach. „Was meinst du?“, fragte er verwirrt. Ihr Körper begann leicht zu zittern, sie krallte ihre Finger in die weiße Bettdecke. In ihren Augen sammelten sich salzige Tränen. „Ich … ich …“, schluchzte sie, „Ich kann keine Kinder mehr bekommen!“ Als das raus war, schlug sie ihre Handflächen vor ihre Augen und weinte schmerzliche Tränen. Das Kratzen des sich verschiebenden Stuhls war zu hören und kurz darauf legte Naruto seine Arme um die Schultern seiner Frau, sein Kinn auf ihren Haaransatz. „Die Hauptsache ist, dass du lebst, Hinata.“ In dieser Sekunde war das ein schwacher Trost. Sie wollte mit ihm eine Familie gründen, sie wollte ihm eine glückliche Familie schenken. Doch all das konnten sie nicht mehr haben – niemals. Für immer nie. ____________________________________________________________________________ © Kapitel 13: Ein Leben ohne Dich ------------------------------- Lautes Gepolter hallte durch den Flur im Hause Uchiha, welches Sarada irritiert von ihrem Buch aufsehen ließ. Von ihrem Platz auf dem Sofa hatte sie die Tür gut im Blick und entdeckte ihre Mutter, die von rechts nach links huschte und dann noch einmal zurücklief. Dann betrat sie den Wohn- und Essbereich. Ohne danach zu fragen, was sie dort tat, beobachtete die junge Kunoichi lediglich, wie sie Schränke in der Küche aufzog und kopfschüttelnd wieder schloss. Sie schien auf der Suche nach etwas zu sein. Ihr nächstes Ziel waren die Wohnzimmerschränke. Sarada schob ihre Brille auf ihrem Nasenbein zurecht und holte gerade Luft, um ihrer Mutter ihre Hilfe anzubieten, bei was auch immer sie gerade so verzweifelt suchte, als diese einen erleichterten Laut von sich gab. Den neugierigen Blick ihrer Tochter nicht bemerkend, trat Sakura mit dem gefundenen Objekt in die offene Küche. Zu Saradas Überraschung handelte es sich dabei um eine Sakeflasche mit passendem Becher. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass es gerade mal vier Uhr nachmittags war, keine Zeit, in der sich ihre Mutter dem Alkohol widmete. Doch bevor sie fragen konnte, rauschte Sakura schon wieder Richtung Flur. „Sarada? Ihr braucht mit dem Abendessen heute nicht auf mich warten. Es könnte etwas später werden“, rief Sakura aus Richtung der Haustür. „J-ja! Okay“, antwortete Sarada und hörte nur noch wie die Tür ins Schloss fiel. Perplex zog sie ihre dunklen Augenbrauen zusammen, denn sie konnte sich keinen Reim darauf machen, was ihre Mutter wohl vorhatte. Nur wenige Minuten später betrat ihr Vater schlurfend das Zimmer, um sich ein Glas Wasser zu holen. Er war nach einer langen Mission wieder im Dorf, hatte jedoch fast 20 Stunden durchgeschlafen. „Du, Papa?“, sprach Sarada ihn an und klappte das Buch auf ihrem Schoß zu, „Was könnte Mama um diese Zeit mit einer Flasche Sake anstellen?“ Sasuke brauchte einen Moment, um ihre Frage zu verinnerlichen. Er trank einen Schluck aus seinem Glas und zuckte anschließend mit den Schultern. „Das solltest du deine Mutter selber fragen.“ Und damit blieb dieses Mysterium für Uchiha Sarada ungelöst. Sakura indes spazierte durch die gut besuchten Straßen ihres Heimatdorfes, mit einem speziellen Ort zum Ziel. Die Sonne wärmte ihr Gesicht und bescherte den restlichen Dorfbewohnern einen wunderschönen Nachmittag. Doch Sakura verband mit diesem Tag ein vollkommen anderes Gefühl, als die Freude über einen entspannten Spaziergang – und damit war sie nicht alleine. Ihre Füße trugen sie zu ihrem Ziel: Der Friedhof von Konohagakure, der zu dieser Stunde kaum Besucher verzeichnete. Als Sakura ihren Blick schweifen ließ, stach ihr die grüne Jacke mit dem roten Kreis auf Höhe der Schulterblätter sofort ins Auge. Das Kanji mit der Bedeutung „Glücksspiel“ war noch immer ihr Markenzeichen. „Tsunade-shishou.“ Sakura begrüßte ihre Lehrmeisterin mit einem Lächeln auf den Lippen. Die Sannin warf einen Blick über ihre Schulter, musste dabei zwar ebenfalls lächeln, aber gleichzeitig auch den Kopf schütteln. „Sakura, du musst mich nun wirklich nicht mehr so nennen. Mittlerweile hast du mich doch um Längen übertroffen“, winkte die Tsunade ab, als ihre ehemalige Schülerin zu ihr aufschloss. Damit hatte sie nicht Unrecht, denn in den letzten 15 Jahren hatte Sakura ihre Fähigkeiten weiter ausgebaut und sich damit den Posten als Chefärztin im Krankenhaus von Konoha erarbeitet. Dennoch sah sie die Sannin nach wie vor als ihre Mentorin an – und als Freundin. Obwohl Tsunade mehr als doppelt so alt war wie Sakura, sah sie noch immer so aus wie damals, als sie bei ihr gelernt hatte, wenn nicht sogar noch einen Ticken jünger. „Ich habe dir etwas mitgebracht.“ Die Kunoichi holte die Sake-Flasche, die sie zuvor in ihrer Wohnung gesucht hatte, aus ihrer Tasche und hielt sie Tsunade hin. Diese musterte das Geschenk erst, nahm die Flasche dann aber schmunzeln an. „Du wirst dich nie ändern, huh?“, warf sie ein, den Blick dabei auf die Flasche gerichtete. „Du doch auch nicht“, feixte die Ärztin zurück, ihren Finger dabei neckend an die Lippen haltend, „aber heute ist das okay.“ Ein mütterliches, warmes Lächeln breitete sich in ihrem Gesicht aus. Es war ihr gemeinsames Ritual. Obwohl Tsunade die ältere von ihnen war, verblüffte Sakura sie mit ihrer reifen und erwachsenen Art. Ihre Ausstrahlung hatte sich von einer auf die andere Sekunde verändert, war einladend und unheimlich warm geworden. Dass Sakura sich nicht verändert hatte, stimmte nicht. Die Tatsache, dass sie nun Mutter war hatte sie ernster, aber auch fürsorglicher gemacht. Tsunade kannte sie mittlerweile schon lange genug, um das zu erkennen. Der heutige Tag war ein besonderer Tag für sie, wenn auch nicht im positiven Sinne. An diesem Tag vor vielen Jahren hatte sie einen geliebten Menschen verloren: Ihren langjährigen Freund und Teamkameraden, der den gleichen legendären Titel trug wie sie. Jiraiya. Im Kampf gegen Pain hatte er sein Leben gelassen, hatte sie verlassen und sich zu den geliebten Menschen dazugesellt, die sie bereits verloren hatte – Dan, Nawaki, ihrem Mentor Sarutobi Hiruzen. Als sie damals von seinem Tod erfahren hatte, durfte sie keine Schwäche zeigen, konnte nicht offen um ihren Freund trauen, denn als Hokage musste sie stark sein, für das Dorf, für die anderen. Während Naruto seine Erschütterung, den Zorn und die Trauer nach außen getragen hatte, war Tsunade in der Pflicht, diese Gefühle hinter einer Maske zu verbergen. Erst als die Lichter des Dorfes erloschen und die Verpflichtungen für kurze Zeit ruhten, brach der Damm und spülte die Fassade hinfort. Tsunade kannte das Gefühl von Verlust sehr gut, doch ihr Herz schmerzte so sehr wie lange nicht mehr. Jiraiya war fort. Er würde keine anrüchigen Schmuddelbücher mehr schreiben oder sie mit seinen Sprüchen zur Weißglut bringen – er war endgültig gegangen. ~ An diesem Abend gab Tsunade ihrem Freund zu Ehren eine Flasche Sake zum Besten, die sie sonst vermutlich gemeinsam geleert hätten. Alleine zu trinken war deprimierend. In Erinnerungen zu schwelgen machte sie traurig und wütend, sodass sie einen Becher nach dem anderen ihre Kehle herunter kippte. Im Rausch überkamen die Tränen sie mehrfach, ließen ihren Körper beben und wogen sie vor Erschöpfung schließlich in den Schlaf – eine kurze Zeit, in der sie vergaß, dass er tot war. „Tsunade-sama?“ Eine Stimme hallte dumpf in ihrem Kopf. „Tsunade-sama?“ Wütend zog sie ihre Augenbrauen zusammen, was sie sogleich bereute, denn die Kopfschmerzen begannen unweigerlich an ihren Schläfen zu klopfen. Murrend kniff die Hokage ihre Augen zusammen. Sie wollte noch nicht aufstehen, erst recht nicht mit einem brummenden Schädel. Der Duft von frisch gebrühtem Tee stieg in ihre Nase und verleitete sie schließlich doch dazu, langsam ihre Augen zu öffnen. Obwohl die Hokage damit gerechnet hatte, dass Shizune diejenige war, die versuchte, sie zu wecken, erblickte sie stattdessen das rosafarbene Haar ihrer Schülerin. „Sa-ku-ra“, murmelte sie leicht neben der Spur und hob ihren Kopf. Das Haar war leicht zerzaust, der Lippenstift verschmiert und verblasst. Dass Tsunade sich gerne mal dem einen oder anderen Becher Sake zu viel verschrieb war kein Geheimnis, doch im Büro des Hokagen war sie so noch nie vorgefunden worden. „Ich habe Euch einen Tee gemacht, mit Kräutern gegen die Kopfschmerzen“, erklärte Sakura lächelnd. Doch sie schaffte es nicht, die Besorgnis um ihre Lehrmeisterin mit einem bloßen Lächeln zu überspielen. Der Zug um ihre Lippen, die Sorgenfalten auf der Stirn und der Glanz in ihren grünen Augen verrieten sie. „Danke“, murmelte Tsunade und wischte sich etwas Speichel vom Mundwinkel. Dann zog sie die Tasse mit dem dampfenden Tee unmittelbar vor sich, betrachtete einen Moment ihre Spiegelung in dem Wasser, ehe sie einen Schluck ihre Kehle hinab kippte. Obwohl Sakura genau wusste, dass es sich um einen äußerst bitteren Tee handelte, verzog ihre Mentorin keine Miene. „Was tust du hier, Sakura? Außer mir einen Tee bringen?“, wollte die Hokage wissen und blickte dabei von ihrem Getränk auf. Die Tränenspuren waren auf ihrem Gesicht noch immer zu sehen. Die Kunoichi presste ihre Hand auf ihre Brust und spannte ihren Körper an. „Ich…“, begann sie langsam, „ich mache mir Sorgen um Euch Tsunade-sama.“ Sakura war nicht gut darin, ihre Gefühle zu verbergen. „Ihr habt einen großen Verlust erlitten, und auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, wie Ihr Euch gerade fühlen musst, ich will Euch helfen.“ „Sakura!“, unterbrach Tsunade die Ansprache ihrer Schülerin barsch. Mit dem Daumen und Zeigefinger massierte sie ihre Nasenwurzel, um dann schnaubend von ihrem Stuhl aufzustehen. „Du kannst mir nicht helfen, Sakura.“ Die Kunoichi blickte auf den Rücken der Hokage, auf das rote Symbol, während diese mit ihr sprach. Dennoch war diese Abfuhr wie ein Schlag ins Gesicht, weshalb sie bedrückt auf ihre Füße blickte. Wieso? Wieso konnte sie den Leuten, die ihr wichtig waren, nicht helfen? Ihre Sicht begann leicht zu verschwimmen und sie biss ihre Zähne fest zusammen, in der Hoffnung, so ihre Tränen zurückzuhalten. Aufgrund dieser Haltung und der Tatsache, dass sie vollkommen in ihre Gedanken versunken war, bemerkte Sakura nicht, wie Tsunade wieder auf sie zukam. Erst als sie eine Hand auf ihre Schulter spürte, schreckte sie auf. Die warmen Gesichtszüge ihrer Mentorin irritierten die Kunoichi. „Sakura.“ Tsunade hob ihre Hand und strich sanft über den rosafarbenen Scheitel ihrer Schülerin. „In all der Zeit, die ich lebe, habe ich schon ein paar geliebte Menschen verloren. Niemand kann mir diesen Schmerz nehmen – auch du nicht.“ Es stimmte. Tsunade hatte mehr Lebenserfahrung, mehr durchgemacht und mehr erlebt. Sie hatte Verluste erlitten, die Sakura sich nicht vorstellen konnte. „Aber ich bin noch immer hier und ich … ich werde stark sein, auch für ihn.“ Sakura blickte zu ihrer Meisterin auf, mit glänzenden Augen und leicht geöffneten Lippen. Sie wollte etwas sagen, doch da wurde sie direkt wieder unterbrochen. „Hör auf, dich um mich zu sorgen, Sakura. Es gibt andere Leute, um die du dich kümmern solltest.“ Sie meinte damit bestimmt Naruto, der ebenso unter dem Verlust seines Lehrers, seines Freundes, seiner Vaterfigur litt. Mit diesen Worten trat Tsunade an die große Fensterfront, von der aus sie das gesamte Dorf überblickte. Die Sonne ging jeden Tag wieder auf und das würde sie auch in Zukunft tun. „Du musst mir eins versprechen, Sakura“, sprach die Sannin in Richtung der Fenster, machte dann jedoch eine Pause. „J-ja?“ „Versprich mir, dass du alles tun wirst, um deine Freunde und Kameraden zu beschützen und zu retten. Als Ärztin und Kunoichi.“ Sakura blinzelte ein paar Mal und verinnerlichte die Worte ihrer Mentorin. Als diese einen Schulterblick zu ihr warf, nickte die Kunoichi eifrig. „Ich verspreche es, Tsunade-sama!“ ~ Diesem lange zurückliegenden Versprechen war Sakura treu geblieben. Als der Krieg über die Länder gezogen war, hatte sie alles gegeben, um ihre Heimat, ihre Freunde und auch die Ninja aus den umliegenden Ländereien zu beschützen. Sie erweckte das Yin-Siegel, sie kämpfte Seite an Seite mit ihrem Team. Sie hatte Naruto am Scheideweg des Todes am Leben gehalten. Sie hatte gemeinsam mit Naruto und Sasuke die Bedrohung Kaguyas eingedämmt und diese beiden Sturköpfe nach ihrem Kampf vor dem Tod bewahrt. Gemeinsam hatten sie die Welt aus den Fängen des Mugen Tsukoyomi befreit. Und jetzt saß eine erwachsene und reife Sakura neben ihr im Gras. Sie kam jedes Jahr an diesem Tag zu ihr, mit einer Flasche Sake als Geschenk – und einem kleinen Beutel mit den bitteren Kräutern, den sie ihr heimlich zusteckte. Sie wollte ihr nach wie vor Beistand leisten, einfach indem sie da war, indem sie ihr einen Tag schenkte, in dem sie zu seinen Ehren etwas Alkohol trank und trauerte, denn es war okay zu vermissen. Auch wenn die Welt sich weiter drehte, auch wenn die Sonne wieder aufging. „Tsunade-obaa-chan! Sakura-chan!”, ertönte lautes Gebrüll hinter ihnen. Naruto kam winkend angelaufen. Denn auch er durfte an diesem Tag seinen Lehrmeister und Freund ehren, dem er nicht mehr zeigen konnte, wie er seinen Traum erfüllt hatte. „Baka! Schrei nicht so, wir sind auf einem Friedhof!“, rügte Sakura den amtierenden Hokage als er zu ihnen aufgeholt hatte. „Sorry! Ich dachte ich bin zu spät dran!“, entschuldigte Naruto sich und hob abwehrend die Hände. Ein Schnauben ertönte, das den jungen Mann stocksteif werden ließ, doch dann entwickelte es sich zu einem schallenden Gelächter. Unsicher blickte Naruto zu seiner Teamkollegin, die nur lächelnd den Kopf schüttelte. Auf Tsunades Wangen hatte sich durch den Alkohol bereits ein roter Schimmer gebildet. Kichernd hielt sie ihre Faust vor den Mund und wandte sich an Sakura und Naruto. „Ihr beide …“ Sie sah sie an und stockte dann. Vor ihrem geistigen Auge sah sie sich als junge Frau in Sakura und Jiraiya in Naruto. Ihr Lächeln nahm einen traurigen Zug an und ihre ehemalige Schülerin verstand. „Naruto und ich warten am Ausgang auf dich, lass dir Zeit.“ Sakura schob ihren Freund davon und ließ Tsunade mit dem Grabstein ihres Freundes die Zeit, die sie brauchte. Leise seufzend strich Tsunade über den kalten Stein. Sie füllte den letzten Becher mit Sake und drehte ihn in ihrer Hand. Anstatt ihn zu trinken, kippte sie die Flüssigkeit langsam über den Grabstein. „Die Welt dreht sich weiter und wir haben gelernt ohne dich zu leben – so wie wir es immer schon gelernt haben. Aber ich wünschte, du könntest sehen, wie sie sich entwickelt haben, wie er sich entwickelt hat. Von irgendwo schaust du sicher mal runter, wenn du nicht damit beschäftigt bist irgendwelchen Frauen hinterher zu spannen!“ Ein kleines Lachen entkam Tsunades Kehle. „Du fehlst mir, alter Freund.“ Es war ihr Ritual. Jedes Jahr an seinem Todestag trank Tsunade eine Flasche Sake und rief sich ihren alten Freund in Erinnerung. Und Sakura würde ihr jedes Jahr eine Flasche Sake vorbei bringen und Naruto würde sie auf eine Nudelsuppe einladen. Und bis der Tag kommen würde, an dem sie sich endlich wiedersahen, würde sie das auch jedes Jahr tun. Kapitel 14: Du bist mein Schicksal ---------------------------------- Es war ein frischer Frühlingsmorgen als die ersten Sonnenstrahlen des Tages sie aus dem Schlaf rissen. Durch das offene Fenster wurde ihr Schlafzimmer von Licht geflutet. Sie versuchte, den Schlaf noch etwas mitzunehmen und drückte ihr Gesicht ins Kissen, doch es war längst zu spät. Ihr Bewusstsein nahm ihre Umgebung klar und deutlich wahr. Das Licht, die zwitschernden Vögel und der sanfte Geruch von feuchtem Gras. Es musste letzte Nacht geregnet haben. Als die junge Frau sich aufsetzte, fielen ihr ein paar wirre braune Strähnen ins Gesicht. Sie schob sie mit einer Hand aus den geschlossenen Augen und gähnte herzhaft. Als sie die Lider hob, blickte sie mit den fliederfarbenen Augen, die in ihrer Familie weitergegeben wurden, in Richtung der Tür. Normalerweise waren draußen ein paar Bedienstete unterwegs, aber heute hörte sie nur das Vogelpärchen trällern. Hanabi erhob sich aus ihrem Fuuton und schlenderte zu ihrem Schrank, aus dem sie einen roten Hakama und eine orangefarbene Haori-Jacke holte. Für einen Yukata war es an diesem Tag noch zu frisch.   Auf leisen Sohlen schlenderte Hanabi auf der Veranda entlang. Sie war früher wach geworden als sonst und im Anwesen war es noch ganz still. Gerade als sie um die Ecke kam, flatterte ein Schmetterling an ihrem Gesicht vorbei. Sie wusste nicht wieso, doch sie begann unwillkürlich zu lächeln. Das Tier flog seinen Weg weiter und sie folgte ihm mit dem Blick. Über einen kleinen Teich hinweg entdeckte sie Neji. Er stand auf der kleinen Grasfläche neben seinem eigenen kleinen Dojo und hatte die Hände aufeinander gelegt. Sie schlich sich etwas näher an ihn heran, um ihn besser beobachten zu können. Seine Augen waren geschlossen. Er war so still und ruhig, dass sie fast glaubte, er schliefe im Stehen. Doch dann begann er seine Arme zu bewegen, hob sie über seinen Kopf. Er fing das Sonnenlicht praktisch in seinem Körper ein. Dann löste er seine Hand und machte einen kleinen Schritt nach dem nächsten. Erst ein Bein, dann das andere. Er verlagerte sein Gewicht in einer fließenden Bewegung. Hanabi war gefesselt von seinem Anblick, schaffte es gar nicht, sich von ihm abzuwenden. Er legte seine Hände über Kreuz auf die Brust, schien ein- und auszuatmen und winkelte dann beide Arme an. Kopf und Körper neigten sich nach links und anschließend streckte er seinen linken Arm ebenfalls nach links aus. Er sah aus, als hielt er einen imaginären Bogen in der Hand, dessen Sehne er spannte. Stark und fokussiert wie ein Jäger. Er wechselte die Seite und wiederholte die Bewegungen. Dann drehte er sich ein drittes Mal, genau in ihre Richtung. „Ich weiß, dass du da bist“, sagte er und ließ seine Arme langsam sinken. Hanabi kam hinter der Ecke vor und verschränkte unschuldig ihre Arme hinter dem Rücken. Sie schämte sich nicht, dass er sie erwischt hatte, denn sie war von Natur aus neugierig und was auch immer er gerade machte, es faszinierte sie. Deshalb fragte sie auch frei heraus: „Was ist das? Eine neue Art zu trainieren?“ Neji zog eine Augenbraue hoch und stemmte die linke Hand in die Hüfte. „Tai-Chi“, antwortete er einsilbig. Sie legte einen Finger auf die Unterlippe. Vielleicht lag es an der frühen Uhrzeit, dass er noch so wortkarg war. „Bereitest du dich so auf den Tag vor?“, fragte sie weiter. Er nickte nur. Aber so leicht gab sie nicht auf. „Kannst du es mir beibringen?“   ~ 🦋 ~   Bislang hatte Neji noch nicht sonderlich oft mit der jüngeren Hyuuga-Erbin trainiert. In den vierzehn Jahren, die er nun schon mit ihnen gemeinsam unter einem Dach lebte, hatte er sie natürlich schon öfter getroffen oder sich mit ich unterhalten, doch sie pflegte mit ihrem Vater oder ihrer Schwester zu trainieren. „Wenn Ihr das möchtet, Hanabi-sama.“ Er durfte nicht vergessen, mit wem er sprach. Doch sein Gegenüber rümpfte daraufhin die Nase. „Sonst würde ich nicht fragen“, antwortete sie trotzig, „und Hanabi reicht.“ Sie warf ihr langes, braunes Haar über ihre Schultern und stemmte die Hände in die Hüften. Ihre Ausstrahlung unterschied sich stark von Hinatas. Sie war selbstbewusster und sprach aus, was ihr auf der Zunge lag. Das entlockte Neji ein kleines Schmunzeln. „Na schön“, antwortete er und machte zwei Schritte zurück. „Beim Tai-Chi bringst du deinen Atem mit deinen Bewegungen in Gleichlang. Fangen wir mit der Grundhaltung an.“ Hanabi strahlte wie ein kleines Kind als er diese Worte aussprach. Sie standen sich gegenüber und Neji machte die Haltung vor, die er eben schon ausgeführt hatte. Die Knie beugte er leicht nach vorn und öffnete diese nach außen. Das Becken kippte er ebenfalls leicht nach vorn und die Bauchmuskulatur blieb locker. Seinen Oberkörper hielt er aufrecht, während seine Arme locker an den Seiten herabhingen. Das Kinn zog er zu seiner Brust, seinen Kopf dabei gerade haltend.   ~ 🦋 ~   Für Neji war das wohl zu einer vollkommen normalen Haltung geworden, doch Hanabi konnte ihm nicht ohne Erklärung folgen. Er nickte und stellte sich neben sie. Diesmal erklärte er jeden Schritt, achtete dabei darauf, dass sie die richtige Haltung annahm und korrigierte sie, wenn nötig. Mit seinen großen Händen berührte er ihre Knie, um sie in die richtige Position zu bringen. Er stellte sich hinter sie und drückte ihr Becken leicht vorn. Ein wohliger Schauer ließ sie zufrieden die Lider schließe. Obwohl an dieser Berührung nichts Intimes war, fühlten sie sich doch anders, zarter an als die von herkömmlichen Männern. „Die Arme locker lassen“, sagte er hinter ihr und sie öffnete ihre Augen wieder. Er trat um sie herum, dabei neigte sie ihr Kinn nach oben. Sein Blick war streng und undurchschaubar. „Kinn auf die Brust.“ Er stabilisierte ihren Kopf, indem er seine Finger sanft an ihre Schläfen legte. Ihr Gesicht wurde heiß – und sie hoffte, dass ihm das nicht auffiel. Als er – wohl zufrieden – nickte, schien sie die richtige Grundhaltung eingenommen zu haben. Neji stellte sich ihr gegenüber, in der gleichen Haltung, auf. „Die Energie steigt von unten im Körper hinauf.“ Hanabi sah angestrengt zu ihm, als sie seinen Worten folgte. „Als nächstes zeige ich dir den Grundschritt.“ Seine Füße glitten so gleichmäßig über das feuchte Gras, dass es eine hypnotisierende Wirkung hatte. Er klärte sie weiter über die Atmung auf und sie versuchte alles nach seinen Worten umzusetzen.   ~ 🦋 ~   Hanabi blieb noch mindestens eine Stunde bei ihm und ließ sich die Grundschritte erklären. Egal wie oft er sie verbesserte oder sie etwas falsch machte, weder beschwerte sie sich, noch gab sie auf. Als ihr Magen jedoch so laut knurrte, dass sie dabei lachen musste, entließ er sie zum Frühstück. „Ich kann auf dich warten“; bot sie lächelnd an und folgte ihm. „Ich bin gleich wieder da.“ Er verschwand in seinem Zimmer neben dem Dojo, hörte sie aber von draußen Summen.   Neji frühstückte immer mit seinem Onkel und den beiden Hyuuga-Erbinnen. Danach gingen sie meist ihre eigenen Wege, so auch an diesem Tag. Er verschwand in seinem Zimmer, um sich seine Kampfkleidung anzuziehen. Als er seine Tür wieder aufschob, blickte er direkt in das Gesicht von Hanabi. Jeder andere hätte sich wahrscheinlich erschreckt, aber Neji wich nicht einen Schritt zurück. „Hallo“, grüßte sie und hob ihre Hand, als hätten sie sich nicht eben schon gesehen. Es überraschte ihn, dass sie ihn gleich ein zweites Mal an diesem Tag aufsuchte. „Ich dachte, du könntest mir noch mehr über Tai-Chi beibringen und zeigen. Aber du scheinst schon etwas vorzuhaben.“ Er nickte. „Ich bin zum Training verabredet.“ „Verstehe. Dann vielleicht ein anderes Mal wieder?“ Sie war hartnäckig. „Wenn du willst.“ Zwischen ihren Augenbrauen bildete sich eine kleine Furche. „Ja, sonst hätte ich es nicht gesagt“, wiederholte sie ihre Worte von vorhin. „Stimmt“, antwortete Neji einsichtig, woraufhin Hanabi sich von ihm verabschiedete. Er blickte ich nach, als sie fröhlich um die nächste Ecke verschwand. Dann machte er sich auf den Weg zum Tor des Anwesens. In dem Moment als er hinaustrat, bemerkte er aus dem Augenwinkel einen kleinen Schmetterling an seinem Gesicht vorbeifliegen.   ~ 🦋 ~   Obwohl ihr Körper sich nach den ersten Tai-Chi Übungen merkwürdig behäbig anfühlte, traf Hanabi sich am nächsten Morgen wieder mit Neji – und am übernächsten und dem darauffolgenden. Es dauerte drei Wochen, bis sie sich an die Haltung, Übungen und deren Wiederholungen gewöhnt hatte. Doch nicht nur ihr Körper signalisierte, dass er sich besser und stärker fühlte, sondern auch ihr Geist. Selbst auf ihr Kampftraining wirkten sich die Übungen positiv aus. Sie bewegte sich mittlerweile mit Neji in einem Fluss. Nach der letzten Übung verbeugten sie sich voreinander. Allerdings brannte Hanabi noch etwas auf der Zunge. „Ich habe da eine Frage an dich.“ Mit fragendem Blick wandte sich Neji zu ihr und bedeutete ihr somit, weiterzureden. „Würdest du weiter mit mir trainieren? Also ich meine Kampftraining.“ Als er gerade antworten wollte, sprach sie direkt weiter. „Und ja, ich will das. Sonst würde ich nicht fragen.“ An seinen Lippen zupfte ein kleines Lächeln. In ihrem Magen kribbelte es immer ein bisschen, wenn sie ihm so eine Reaktion entlocken konnte. „Also? Hast du heute Zeit?“, fragte sie und stemmte die Hände in die Hüfte. Dass er sich Zeit mit einer Antwort ließ, machte sie wahnsinnig, aber das zeigte sie nicht nach außen. Ebenso wenig wie sie im Moment, als er zustimmte vor Freude explodieren könnte.   ~ 🦋 ~   Neji wusste nicht, worauf er sich eingelassen hatte, doch er erwartete Hanabi wie abgesprochen in seinem Dojo. Sie trug einen engen, schwarzen Trainingsanzug, der ihre Kurven gut zur Geltung brachte. Ähnlich wie er, hatte sie ihre Haare am Ende mit einem weißen Band zusammengebunden, doch eine Ponysträhne fiel ihr weiterhin ins Gesicht. Er löste seinen Blick von ihrem Körper und fixierte stattdessen ihr ihre fliederfarbenen Augen. „Bist du bereit?“, fragte er und ging in seine Kampfhaltung. Für die Hyuuga typisch hob er eine Hand vor seinen Körper und aktivierte sein Kekkei Genkai. „Du solltest mich nicht unterschätzen“, antwortete sie kampfeslustig und spiegelte diese Kampfposition. Die beiden stürmten aufeinander zu und begannen zu kämpfen. Sie war gut trainiert und vor allem gut in Form, obgleich Neji derjenige mit längerer Kampferfahrung war. Schon als kleines Kind war Hanabi talentiert gewesen und von ihrem Vater höchstpersönlich trainiert worden. Obwohl sie beide den gleichen Kampfstil erlernt hatten, mischte Hanabi ihre ganz persönliche Note hinzu. Sie tänzelte um ihn herum wie eine Ballerina, zeigte ihm wie gelenkig sie war und welche Kontrolle sie über ihren Körper hatte. Dabei trug sie stets ein breites Lächeln auf den Lippen. Er blockte ihre Schläge ab, fühlte das Chakra und einen leichten Luftzug zirkulieren. Sie sprang zurück und begann sich zu drehen. Diese Technik erinnerte ihn an seine eigene absolute Verteidigung, doch sie verwendete diese als einen offensiven Angriff.   Hanabi wirbelte sich so wild, es wirkte beinahe so, als könnte sie sich selbst gar nicht mehr stoppen. Nejis Kiefer spannte sich an, er musste sie irgendwie stoppen, bevor sie sich oder ihn verletzte. Mit dem aktivierten Byakugan erfasste er jede ihrer Bewegungen, um den richtigen Moment abzuwägen. Als er diesen Moment erkannte, griff er nach ihrem Handgelenk. Er schaffte es, sie aufzuhalten, trotzdem hatte sie noch so viel Schwung, dass sie sogar ihn aus dem Gleichgewicht brachte. Neji stürzte zu Boden und riss Hanabi mit sich. Sie knallte auf seine Brust, presste so die Luft aus seinen Lungen und ihre Rundungen gegen ihn. Ihr Körper zitterte – vor Freude? – und ihr Atem ging schnell. Sie brauchte eine Weile, um sich zu beruhigen. Ihr Kopf lag in seiner Halsbeuge, sie blies ihren heißen Atem auf seine Haut, während Neji nur die Decke anstarrte. Erst als Hanabi sich langsam wieder fing, lockerte er seinen Griff, schob sie behutsam von seinem Körper. Wie er lag sie rücklinks auf dem Boden und blickte an die Decke des Dojos. Plötzlich begann sie laut zu prusten. Irritiert zog Neji seine Augenbrauen zusammen. Eigentlich fand er diese Situation gar nicht lustig. Er stützte sich auf seine Ellbogen und sah sie skeptisch an. „Entschuldige“, brachte sie lachend hervor, hielt sich dabei beide Hände vor die Augen, als schämte sie sich für diesen kleinen Ausbruch. Seufzend erhob sich Neji, streckte seiner Trainingspartnerin die Hand aus. „Die Kontrolle über den Wirbel sollten wir noch üben“, merkte er an, ohne sie dabei direkt zu tadeln.   Und genau das taten sie in den nächsten Tagen und Wochen. Es war seit langem wieder das erste Mal, dass Neji so viel im Anwesen trainierte. Viele der Fähigkeiten, die er beherrschte und die im Hyuuga-Clan seit Generationen weitergegeben wurden, hatte er sich selbst beigebracht. Einen Teil davon gab er an Hanabi weiter. Sie verfeinerte damit nicht nur ihr Taijutsu, sondern auch die Techniken, die sie selbst entwickelt hatte. Es wurde zu ihrer gemeinsamen Routine am Morgen gemeinsam Tai-Chi zu machen und am Tag zu trainieren.   ~ 🦋 ~   Auch abseits des Trainings mit Neji arbeitete Hanabi weiter an ihrer Körperkontrolle. Sie trainierte auf einem großen See in den Wäldern von Konoha. Mit dem Chakra in den Füßen konzentriert lief, sprang und tanzte sie über die Wasseroberfläche. Immer wieder tauchten ihre Finger ins Wasser, schleuderten es in die Luft. Sie wirbelte und drehte sich, umgeben von Wassertropfen, die ihren Körper umhüllten und in den letzten Sonnenstrahlen des Tages glitzerten wie kleine Edelsteine. Der Wald war still geworden und seine Bewohner schienen Hanabis Tanz gebannt zu folgen. Mit tapsenden Geräuschen lief sie zum grasbewachsenen Ufer hinüber. Die Sonne war mittlerweile untergegangen, doch sie bemerkte trotzdem den Fuchs, der aus dem Unterholz zu ihr aufblickte. Sie lächelte, nein strahlte regelrecht, während sie durch den Wald sprang wie eine Fee. Sie nahm eine Abkürzung zum Anwesen der Hyuuga und sprang in der frischen Nachtluft von Ast zu Ast, bis sie die Mauer ihres Zuhauses erreichte. Damit ihr Vater nichts von ihrem kleinen Ausflug mitbekam, ging sie jedoch nicht durch das Haupttor ins Anwesen, sondern schlich über die Mauern wie eine Katze. Auf dem Weg durch die Gärten bemerkte sie, dass in Nejis Dojo noch Licht brannte. Ob sie ihm einen kurzen Besuch abstatten sollte? Sie war neugierig, was er um diese Uhrzeit noch tat, also sprang sie auf die Wiese, auf der sie morgens immer ihre Tai-Chi Übungen machten und von dort lautlos auf die Veranda. Durch einen offenen Türspalt spähte sie in den Raum, konnte Neji jedoch nicht entdecken. Vielleicht hatte er vergessen, das Licht zu löschen. Jemand griff von hinten nach ihrem Arm und dreht ihn auf ihren Rücken. Eine andere Hand glitt an ihre Kehle, woraufhin sie automatisch ihr Kinn nach oben streckte. Es waren keine gewaltsamen Griffe und der herbe Geruch, der in ihre Nase stieg, war ihr allzu vertraut. „Du solltest nicht hier sein“, flüsterte eine tiefe Stimme in ihr Ohr. Gänsehaut überzog ihre Arme, die feinen Härchen in ihrem Nacken stellten sich auf und ihr Herz klopfte schneller. Selbst wenn sie ihr Kekkei Genkai aktiviert hätte, war er genau aus dem toten Winkel gekommen. Er gab sie frei, woraufhin sie hörbar ausatmete. Ihr Körper zitterte ein wenig, doch sie versuchte sich das nicht anmerken zu lassen. Er sah nicht wütend aus, trotzdem war sie ein wenig unsicher, wie er auf ihre Anwesenheit reagieren würde. Schweigend trat er an ihr vorbei und öffnete die Tür zum Dojo, damit er das Licht ausschalten konnte. „Morgen fokussieren wir uns auf deine Abwehr und Verteidigung“, erklärte er als er die Tür schloss. „Und jetzt solltest du schlafen gehen.“ Sie nickte, noch immer mit pochendem Herzen. „Gute Nacht“; murmelte sie und lief dann eilig in ihr Zimmer. Dort angekommen presste sie ihren Körper an die Tür und ihre Hand auf die Brust. Wieso wollte ihr Herz sich einfach nicht beruhigen?   In dieser Nacht fiel es Hanabi schwer, einzuschlafen.   ~ 🦋 ~   Wie angekündigt fokussierte Neji sich beim Training am nächsten Tag vollkommen auf die Verteidigung. Zu diesem Zweck trainierten sie außerhalb des Anwesens, um keinen Schaden anzurichten. Er präsentierte Hanabi seine absolute Verteidigung, eine Fähigkeit, die er sich selbst beigebracht und gemeistert hatte. Eine Wand aus Chakra, die keinen Angriff und keine Waffen durchließ und selbst die Schwäche des Byakugan, den toten Winkel, schützte. „Die Bewegung der Rotation ähnelt dem Bewegungsablauf deines Wirbels“, erklärte er und musterte die Kunoichi, wie sie unsicher an ihrem Daumennagel knabberte. Sie wirkte schon den ganzen Tag abgelenkt. „Versuch es mal“, forderte er in einem strengen Ton und verschränkte die Arme vor der Brust.   ~ 🦋 ~   Hanabi versuchte ehrlich, seine Erklärungen umzusetzen, doch an diesem Tag wollte nichts so ganz funktionieren. Sie konzentrierte sich auf ihr Chakra, ließ es in ihre Hände fließen. Letzte Nacht hatte sie schließlich genau das gleiche getan. Neji griff sie immer mal wieder aus dem toten Winkel an, zwang sie, auf ihn zu reagieren, ihn irgendwie abzuwehren. Einige Treffer steckte sie ein, andere wehrte sie ab. Doch dass sie nicht ganz bei sich war, schien er zu bemerkten. Entschieden ordnete Neji eine Pause an. Verwirrt kräuselte Hanabi die Stirn. So früh hatten sie nie eine Pause eingelegt. Den Moment als Neji ihr den Rücken zuwandte, nutzte sie, um ihn selbst aus dem toten Winkel zu attackieren. Sie schleuderte ihr Lieblingskunai, das mit dem kleinen Panda als Anhänger, auf seinen Hals. Selbstverständlich wehrte er diesen stümperhaften Angriff mit Leichtigkeit ab und demonstrierte ihr abermals seine absolute Verteidigung. „Ich brauche keine Pause“, zischte sie unzufrieden und warf ihr langes Haar über ihre Schulter. Dann ging sie zu der Stelle, auf die ihr Kunai geschleudert worden war, um es in ihre Beintasche zu schieben. Sie versuchte sich zu sammeln und weiterhin ihren Gegner abzuwehren. Trotzdem war sie unkonzentriert und unausgeglichen. Das wiederum machte sie wütend. Von diesem Gefühl angeleitete wurde ihr Wirbel stärker, aber auch unkontrollierbarer. Als Neji wieder hinter seiner Abwehr verschwand, sprang sie auf ihn zu und drehte sich dabei. Eine dünne Wand aus Chakra traf auf seine Abwehr. Es zischte leise, Druck baute sich auf und dann wurde Hanabi in großem Bogen durch die Luft geschleudert. Sie knallte so schnell mit dem Rücken gegen einen Baumstamm, dass man sie kaum verfolgen konnte. Wie ein Vogel mit gebrochenen Flügeln, segelte sie Richtung Boden. Sie spürte einen stechenden Schmerz, als ihr Kopf auf einer dicken Wurzel aufprallte, dann wurde alles schwarz.   ~ 🦋 ~ Panisch mit dem regungslosen Körper der Hyuuga-Erbin auf seinen Händen stürmte Neji in das Konoha Krankenhaus. Dass sie sich nach ihrem Sturz nicht mehr geregt hatte, machte ihm eine Heidenangst, aber sie atmete noch. An ihrer Stirn war eine Platzwunde und aus ihrem Ohr lief ein kleiner Rinnsal Blut. Er erklärte der Medic-nin, die ihre Behandlung übernahm, was passiert war. Die junge Frau nickte und verschwand in dem Zimmer, in das Hanabi zuvor auf einem Bett hereingebracht wurde. Die darauf folgende halbe Stunde verbrachte Neji auf und ab trabend im Krankenhausflur. Er hoffte, betete, dass Hanabi keinen bleibenden Schaden davon trug, eine Kopfverletzung konnte schwerwiegende Folgen mit sich ziehen. Erst als die Ärztin aus dem Raum trat, kamen sein Körper und seine Gedanken zum Stillstand. Die oberflächlichen Wunden waren behandelt worden, eine Gehirnerschütterung konnten sie jedoch nicht ausschließen. Zum derzeitigen Stand war sie noch bewusstlos, aber sobald sie aufwachen würde, würden sie sie noch einmal genau untersuchen. Neji verbeugte sich und dankte der Frau. Erleichtert konnte er trotzdem nicht sein, denn er musste diesen Vorfall dem Clanoberhaupt erklären. Hiashi Hyuuga war nicht erfreut über die Botschaft seines Neffen. Er stellte sofort zwei Mitglieder des Hyuuga-Hauptzweiges ab, um im Krankenhaus wache zu halten. Als er sich wieder an Neji wandte, senkte dieser seinen Blick. „Geh dich waschen, Neji. Wir unterhalten und später“, sprach sein Onkel und verließ den Raum.   Am nächsten Morgen kniete Neji auf den Tatami-Matten im großen Besprechungssaal des Hyuuga-Anwesens. Er blickte seinem Onkel schweigend und ausdruckslos in die Augen – sich sehr wohl bewusst, dass er bestraft wurde. Trotz des Unfalls von Hanabi erblickte er keine Wut in den Gesichtszügen des Clanoberhauptes, viel eher schien er Bedauern zu empfinden. Drei weitere Männer betraten den Raum. Hiashi Hyuuga seufzte kaum merklich, erweckte eher den Anschein als atmete er langsam ein und wieder aus. Sein Gesicht nahm dabei eine gleichgültige Miene an. „Neji. Wir hielten dich bislang für ein starkes und verantwortungsvolles Mitglied unseres Clans. Obwohl du in den Nebenzweig geboren wurdest, haben wir dich bei uns aufgenommen, um deine Fähigkeiten weiter zu fördern. Zu deiner Lebensaufgabe zählt der Schutz der Erben des Hauptzweiges. Gestern hast du diese Pflicht und die jüngste Erbin des Clans verletzt.“ Während sein Onkel sprach, saß Neji schweigend vor ihm. Er wusste genau, was passiert war und dass es ein Fehler gewesen war, so viel Zeit mit Hanabi zu verbringen. Sie hatte besondere, außergewöhnliche Züge an sich, die dem strikten Gebaren im Clan entgegenwirkte. Nicht nur einmal hatte er ihr ein freudiges, sogar stolzes Schmunzeln entlocken können. Sie war ein frischer Wind, der zu einem Sturm zusammenbrauen konnte, wenn sie wollte. „Du hast dir bislang keine weiteren Vergehen bei uns geleitet. Außerdem bist du stark und ich schätze deine Fähigkeiten. Trotzdem kann ich diesen Vorfall nicht ungestraft lassen.“ Hiashi nickte dem Mann, der hinter Neji stand, zu. Er griff nach dem langen Zopf, den Neji immer mit einem weißen Band am Ende zusammenband. Im Nacken spürte er das Ziehen des festen Griffs, bemühte sich jedoch, sein Gesicht nicht zu verziehen. Als die Klinge durch sein Haar fuhr und mehrere Strähnen gleichzeitig zertrennte, schloss Neji seine Augen. Er erinnerte sich an seinen Vater, das Gesicht, das dem seines Onkels so ähnlich war, die langen Haare, die schon immer ihr Erkennungszeichen gewesen waren. Für die meisten Menschen spielte die Länge des Haares keine allzu große Bedeutung. Für ihn jedoch bedeutete sie Selbstvertrauen und Stolz. Sein Vater hatte damals so lange Haar wie das Oberhaupt des Clans getragen. Sie waren beide starke und fähige Kämpfer gewesen, auch wenn ihnen das Stigma und die Trennung der Zweige zu unterschiedlich gleichwertigen Menschen gemacht hatte. Der Zopf wurde fein säuberlich vor den Knien des Shinobi abgelegt. Erst in diesem Moment merkte er, dass er die Luft angehalten hatte. „Du bist entlassen.“ Er durfte sein Haar mitnehmen. Ein Mahnmal, eine Vorwarnung für das nächste Fehlverhalten. Vorerst würde er auf Abstand gehen, um sich seinen eigenen Gedanken klar zu werden. So lange konnte er Hanabi nicht mehr sehen.   ~ 🦋 ~   Eine ganze Weile hing Hanabis Bewusstsein in der Dunkelheit, ehe verschwommene Erinnerungen sich aneinandergereiht abspielten. Oder war das alles nur ein Traum? Sie sah Nejis Gesicht, jede fließende Bewegung seiner Tai-Chi-Haltungen. Wie er mit dem imaginären Bogen auf sie zielte und schmunzelte. Es blitzte in ihren Gedanken und auf einmal sah sie sich vor ihm stehen, wie gemeinsam am Morgen ihre Übungen machten. Wie sie mit dem Rücken an seiner Brust stand und seinen warmen Atem im Nacken spürte. Dann folgten die Bilder immer schneller. Sie kämpften, tanzten und lachten. Seine Hände auf ihren Schultern, Armen und Hüften. Sein Gesicht dicht an ihrem, sein Körper auf ihrem. Er stand langsam auf und hielt ihr seine Hand hin: „Zeit aufzustehen.“   Hanabi schlug ihre Augen auf und blickte an eine sterile, weiße Decke. Sie nahm ein Murmeln neben sich wahr und dann blickte ein fliederfarbenes Augenpaar in ihr Gesicht. „Ne-ji …?“, flüsterte sie aus trockener Kehle. „Hanabi-hime“, hörte sie die Person über ihr sagen. Sie kniff die Augen zusammen und setzte sich mühsam auf. Ihr Kopf tat unheimlich weh. Als wüsste ihr Begleiter, dass sie durstig war, reichte er ihr einen Becher. „Hier ist ein leichtes Schmerzmittel drin.“ Ein bitterer Geschmack breitete sich auf ihrer Zunge aus, ließ sie das Gesicht verziehen. Sie sah sich um, auf der Suche nach dem vertrauten Gesicht von Neji, doch er war nicht da. „Was ist passiert?“, wollte sie von dem Shinobi neben sich wissen. „Ihr habt Euch vor zwei Tagen eine Kopfverletzung zugezogen. Wir sind froh, dass Ihr wieder wach seid. Hinata-hime wird sicherlich gleich kommen.“ Vor zwei Tagen? „Ist Neji auch hier?“ Die Lippen des jungen Mannes wurden zu einem dünnen Strich. „Ich glaube, er ist derzeit nicht im Dort.“ Nicht im Dorf? Wieso sollte er so plötzlich verschwinden? Hinata betrat das Zimmer. Die Erleichterung war ihr ins Gesicht geschrieben, als sie ihre wache Schwester erblickte. Sie schickte den Shinobi ihres Clans aus dem Zimmer, da sie Hanabi frische Kleidung gebracht hatte. „Die Ärztin kommt auch gleich. Kannst du dich erinnern, was als Letztes passiert ist?“ Hanabi nickte und schilderte die letzten Ereignisse, bevor alles schwarz geworden war. Das gleiche erzählte sie auch der Ärztin. Die jüngere Hyuuga-Erbin sollte noch einen Tag zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben. Dann durfte sie unter Auflagen nach Hause. Hinata verbeugte sich tief und bedankte sich bei der Ärztin. „Hinata. Wo ist Neji?“, fragte Hanabi frei heraus. War er weggeschickt worden? Hatte man ihm verboten, sie zu sehen? Hinata drückte ihre Hand. „Nach diesem Vorfall ist er auf eine Mission gegangen. Wir wissen leider nicht, wie lange sie dauert.“   Nach diesem einen Tag konnte Hanabi ins Anwesen zurückkehren. Sie sollte sich erstmal ausruhen und hatte für mindestens eine Woche striktes Verbot zu trainieren. Obwohl sie jeden Tag an Nejis Zimmer vorbeilief, kam er in den nächsten drei Wochen nicht nach Hause.   ~ 🦋 ~   Die Sonne ging gerade hinter den Baumkronen Konohas unter als Neji das Krankenhaus verließ. Eine der Medic-nin hatte die Schnittwunden in seinem Gesicht verarztet, die er sich während einige Kämpfe zugezogen hatte. Eigentlich war er froh, vor seiner Rückkehr ins Hyuuga-Anwesen, noch einen Zwischenstopp machen zu können. Im Krankenhaus hatte man ihm mitgeteilt, dass Hanabi schon vor einer Weile genesen nach Hause geschickt worden war. Einerseits erleichterte ihn das, andererseits wusste er noch immer nicht, wie er ihr von nun an begegnen sollte. Trotzdem ging er zielstrebig weiter.   ~ 🦋 ~   Hanabi wusste nicht, was sie antrieb, so eilig über die Veranda zu huschen. Spielte ihr Verstand ihr einen Streich oder hatte sie Neji wirklich gerade gesehen? Leichtfüßig wirbelte sie um die Ecke. Über dem kleinen Teich in ihrem Garten schwebten zwei Schmetterlinge, die sie auf unerklärliche Weise zum Lächeln brachten. Einer von ihnen flatterte in die Richtung, in der Nejis Zimmer und sein kleines Dojo lagen. Ob das ein Zeichen war? Unbewusst beschleunigte sie, rannte schon fast und war so schnell, dass sie sich vor den offenen Türen zügeln musste. Ihr Atem ging etwas schneller, doch sie versuchte sich zu beruhigen. Mitten im Raum hockte jemand auf dem Boden und packte seine Tasche aus. „Ne-ji?“ Sie blickte, nein starrte regelrecht, auf seinen Rücken, über dem normalerweise sein langes, braunes Haar baumelte. Als er einen kurzen Blick über seine Schultern warf, erstarrte das Lächeln in ihrem Gesicht. „Ihr solltet nicht hier sein, Hanabi-sama.“ Ohne auf seine Worte zu hören, trat sie näher. Sie streckte ihre Hand nach seinem Rücken, seinen Haarspitzen, aus. Bevor sie ihn jedoch erreichte, stand er auf und wich ihr aus. „I-ich verstehe nicht…“, murmelte sie und suchte seinen Blick. Tief in ihrem Inneren verstand sie durchaus. Es war eine Strafe gewesen. Dafür, dass er sie verletzt hatte, obwohl das doch ein Unfall gewesen war. Hanabi erinnerte sich noch an das Funkeln in Nejis Augen als sie miteinander trainiert hatten. Doch jeglicher Glanz war verloren gegangen. Stattdessen sah er aus wie ein getretener Hund, der vor seinem Peiniger zurückwich. „Kann ich irgendwas tun?“, fragte sie leise und begann unruhig ihre Finger zu kneten. „Ihr könnt gehen. Ich bin müde…“, antwortete Neji, achtete dabei aber ganz genau darauf, dass sie keinen Schritt zu nahe kam. Diese Zurückweisung ließ ihr Herz schwer werden. „Ich könnte dir etwas zu essen holen. Oder dir etwas vorlesen?“ „Hanabi-sama, bitte, lasst mich allein.“ Nur selten ließ Neji sich zu solch einem flehenden Unterton hinreißen. Das war der Moment, in dem sie aufgab. Normalerweise wäre sie hartnäckiger geblieben, doch die Art wie er Abstand hielt, der verletzte Ausdruck in seinen Augen nahmen ihr jeglichen Wind aus den Segeln. Mit hängenden Schultern trat sie rückwärts aus dem Raum. Sie schloss die Schiebetür und wagte es nicht einmal, ihm einen letzten Blick zuzuwerfen. Auf dem Weg zurück in ihr Zimmer war die Fröhlichkeit aus ihrem Gang gewichen. Es war nicht fair, was mit Neji geschehen war. Er hatte nie etwas falsch gemacht und trotzdem hatten sie ihn bestraft, seinen Stolz verletzt. Im Flur kam Hanabi zum Stehen. Sie blickte in einen runden Spiegel an der Wand. Ein trauriges Gesicht blickte ihr entgegen, ihr eigenes trauriges Gesicht. Die Erinnerung an sein Lächeln und seine Freude stachen auf einmal in ihrer Brust.   ~ 🦋 ~   Am nächsten Morgen saß Neji mit seinem Onkel am Frühstückstisch. Seit seiner Bestrafung hatten sie sich nicht mehr gesehen oder miteinander gesprochen. Die letzten Worte waren Nejis Ankündigung, eine neue Mission anzunehmen. Seinem Onkel schienen weder die richtigen Worte einzufallen, noch blickte er ihm in die Augen. Also aß Neji in Schweigen gehüllt seinen Reis und nippte an dem dampfenden Tee. Seine beiden Cousinen schienen sich zum Frühstück zu verspäten. In diesem Moment wurde die Schiebetür geöffnet. Hinata trat als erste ein und verbeugte sich während sie einen guten Morgen wünschte. Hinter ihr betrat Hanabi den Raum und mimte ihre große Schwester bei der Begrüßung. Was sofort an der jüngeren Hyuuga-Tochter auffiel, war ihr braunes Haar, welches nur noch knapp auf ihre Schultern fiel. Neji kam nicht umhin, jeden ihrer Schritte genau zu verfolgen, bis sie sich an den Tisch setzte. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie Hiashi die Stirn nachdenklich in Falten legte. „Hanabi, was ist denn mit deinen Haaren passiert?“, fragte er argwöhnisch. Nejis Puls beschleunigte sich, er sendete stumme Stoßgebete, dass das keine Reaktion auf ihre gestrige Begegnung war. Hanabi strich sich auf die Frage durch die neue Bob-Frisur. Die Haare endeten knapp in ihren Nacken und waren nach vorne etwas länger. „Hinata hat sie mir geschnitten. Ich dachte bei dem Wetter und zum Trainieren eignen sich kurze Haare besser“, erklärte sie zuckersüß. Neji schielte zu seiner anderen Cousine, die von ihrem Vater ebenfalls mit fragendem Blick taxiert wurde. Sie lächelte schwach und zuckte mit den Schultern. „Gefällt es dir nicht, Vater?“, fragte Hanabi und zog die Aufmerksamkeit somit wieder auf sich. Hiashi räusperte sich und schüttelte dann sachte den Kopf. „Doch, doch. Du siehst großartig aus. Das kam nur … plötzlich.“ Er blickte unauffällig zu Neji, der jedoch so tat, als sei er vollkommen vertieft in sein Frühstück. Er konnte die Gründe für diesen Stilwechsel nur erahnen. Dass sie das wegen ihm – für ihn – getan hatte, war nur eine Möglichkeit, die er für viel zu egozentrisch seinerseits abstempelte. Nachdem seine Schüsseln und seine Tasse leer waren, bedankte Neji sich und verließ dann vorzeitig den Raum. Sein Puls ging weiterhin schnell und er befürchtete, dass Hanabi ihm direkt folgenden könnte, nachdem er sie am Vorabend so harsch davongejagt hatte. Allerdings hörte er keine Tür oder Schritte hinter sich. In seinem Zimmer angekommen, zog er sich bequeme Trainingskleidung an und bandagierte seine Hände und Unterarme. Er hetzte sich ein wenig, um das Grundstück zu verlassen, noch bevor die anderen mit dem Frühstück fertig waren.   ~ 🦋 ~   Hanabi aß auch nach Neji fluchtartigem Verschwinden langsam und ruhig ihr Frühstück auf. Ihr Vater schien verzweifelt eine Bedeutung in ihren Haarschnitt zu interpretieren – dabei war es doch so offensichtlich! Von ihrem Cousin hatte sie sich etwas Anerkennung gewünscht. Sie handelte so, um ihm sein Leid abzunehmen. Vielleicht konnte er das vor ihrem Vater nicht so offensichtlich zeigen? Auch wenn er sie am Vortag weggeschickt hatte, würde sie später noch einmal mit ihm reden. Er trug schließlich keine Schuld daran, dass sie sich beim Training verletzt hatte. Außerdem hatte sie den gestrigen Abend genutzt, ihre Gedanken noch etwas zu ordnen. Ihr erstes Ziel nach dem Frühstück waren Nejis Zimmer und sein kleines Dojo. Überrascht, dass sie ihn dort nicht vorfand, ging sie langsam wieder zurück in Richtung Innenhof. Am Eingang zu ihrem Haus entdeckte sie ihn, wie er gerade mit ihrer Schwester sprach. Hinata verbeugte sich zur Verabschiedung und kam in Hanabis Richtung, während Neji durch das große Tor verschwand. Sie wurde das ungute Gefühl, dass er ihr aus dem Weg ging, nicht los. Seit ihrem kleinen Unfall hatte sich zwischen ihnen etwas verändert – sowohl aus ihrer Sicht als scheinbar auch aus seiner. Doch diese Entwicklung gefiel ihr nicht. Hinata kam ihr auf der Veranda entgegen. „Wo geht Neji hin?“, fragte Hanabi, ohne den Blick vom Tor abzuwenden. „Er ist zum Training mit Tenten verabredet.“ Hanabis Brust schnürte sich zu, sie ballte unbewusste eine Hand zur Faust. Mit ihr wollte er nicht trainieren, geschweige denn überhaupt mit ihr reden, flüchtete stattdessen komplett aus dem Anwesen! Und davor war er sogar gleich aus dem Dorf verschwunden. „Alles in Ordnung, Hanabi?“, fragte ihre Schwester und lenkte sie damit von den schmerzenden Gedanken ab. „Ja, natürlich. Ich sollte auch trainieren, bin ja jetzt eine Weile ausgefallen.“ Sie wandte ihrer Schwester, dem Tor und Neji ihren Rücken zu, verschwand um die nächste Ecke und suchte den Trainingsraum auf.   ~ 🦋 ~   „Sie hat ihre Haare abgeschnitten?“, hakte Tenten nach, während sie ihre Schriftrollen auf Vollständigkeit überprüfte. Neji war beim Training so unkonzentriert gewesen, dass seine Teamkameradin und er, anstatt miteinander zu kämpfen, gemeinsam an einem Baum saßen und miteinander sprachen. „Vielleicht war das nur eine Laune. Vielleicht will sie sich auch solidarisch mit dir zeigen.“ Solidarisch mit ihm zeigen… Dass sie diesen Gedanken vorbrachte, verunsicherte den Shinobi ein wenig. „Warum machst du dir so viele Sorgen darum?“ Das war eine gute Frage. Hanabi war eine erwachsene, junge Frau. Sie konnte selbst entscheiden, was sie mit ihren Haaren anstellte. Er konnte nicht in Worte fassen, warum ihre Taten ihn so aufwühlten. „Hast du schon mit ihr gesprochen, seitdem du wieder da bist?“, fragte Tenten und sah über die Schulter zu ihrem Teamkollegen. Dieser schwieg. Er wusste, dass er diese Angelegenheit aus der Welt schaffen sollte, dass er und Hanabi ihre Grenzen abstecken mussten. Doch sie hatte ihn so aus der Bahn geworfen, dass er gar nicht wusste, wie er auf sie reagieren sollte.   ~ 🦋 ~   Den ganzen Tag über begleitete sie eine Unruhe und Unentschlossenheit. Seit Neji durch den Haupteingang verschwunden war, fühlte sie diese unangenehme Enge in der Brust, die sie nicht beschreiben konnte. Die letzten Wochen hatte er immer mit ihr trainiert und nicht mit Tenten. Das verletzte sie sich einmal im Kampf und war sofort abgeschrieben? In ihrem Magen ballte sich die Wut über Nejis Verhalten zu einem großen Stein. Seit dem frühen Morgen versuchte sie, diese Gefühle zu verstehen, den Stein wieder loszuwerden – vergeblich. Erst war sie allein gewesen, besann sich dabei der Übungen, die sie mit Neji täglich ausgeführt hatte. Sie wollte ihre eigene Technik verbessern und schärfen. Dabei drehte und wirbelte sie umher, nahm mehr und mehr Fahrt auf und ließ mit einem lauten Schrei ihre gesamte Energie heraus. Schwer atmend blickte sie an die Wand. Um sie herum war totales Chaos. Nur in einem kleinen Radius um sie herum war alles ordentlich. Sie musste einen ziemlichen Krach veranstaltet haben, denn ihr Vater kam in den Raum gestürmt. „Hanabi! Ist alles in Ordnung? Was ist hier passiert?“ Die Kunoichi ließ ihre Hand sinken und strich durch ihre Haare – sie konnte diese Angewohnheit einfach nicht ablegen. Bemüht darum, ruhig zu klingen, antwortete sie: „Ich habe nur trainiert.“ Der skeptische Blick ihres Vaters blieb nicht unbemerkt. Mit einem Kopfnicken entließ er seine beiden Begleiter und betrat das Dojo. „Du solltest dich noch nicht so verausgaben“, sagte er und Sorge flackerte in den fliederfarbenen Augen auf. Hanabi stemmte trotzig ihre Hände in die Hüften. „Es geht mir gut! Ich bin kein rohes Ei. Außerdem habe ich zwei Wochen nicht trainiert und mich ausgeruht!“ Dass gerade ihr Vater, der sie doch sonst immer zu Höchstleistungen angetrieben hatte, plötzlich eine weiche Seite zeigte, war neu. Sie nahm die typische Kampfhaltung der Hyuuga ein und funkelte ihren Vater, ihren Gegner, kampfeslustig an. „Überzeug dich selbst davon.“ Den Widerwillen, sich auf diesen Kampf einzulassen, bemerkte sie anhand seiner aufeinandergepressten Lippen. Trotzdem ließ er sich auf ihre Herausforderung ein. Die meisten Ihrer Angriffe wehrte Hiashi ab, ohne dabei zu kontern. Hanabi fühlte sich nicht ernstgenommen und die Wut kochte in ihrem Inneren auf. Nicht nur, dass er nicht ernsthaft mit ihr kämpfte, sondern auch die Tatsache, dass er Nejis Haare einfach abgeschnitten hatte, Neji ihr wegen ihm aus dem Weg ging, spielten mit rein. Sie wurde schneller, ihre Schläge kräftiger. Die Kunoichi blockte einen schwachen Schlag ihres Gegners ab, drehte sich und tänzelte um ihren herum, bis sie seinen Rücken anvisierte. Auf den Angriff vorbereitet, wirbelte Hiashi geduckt herum. Er wollte sie wegstoßen und auf Abstand gehen, doch Hanabi war in die Luft gesprungen, drehte sich in der Luft wie eine Tänzerin und schleuderte ihm die gesammelte Energie entgegen. Elegant wie eine Katze landete die junge Frau auf ihren nackten Füßen. Ihr Vater stand zwar noch, hatte jedoch die Wand im Rücken. Er sah so aus, als hätte er die Emotionen in ihrem Angriff verstanden. Mit einer Verbeugung erklärte er den Kampf für beendet. „Das war eine herausragende Technik.“ Sie blies ihre Ponysträhne aus dem Gesicht und legte ihren Kopf schräg. „Danke. Die habe ich beim Training mit Neji entwickelt.“ Er nickte, ging aber nicht weiter darauf ein. Deshalb wandte sie sich ab. „Ich mache eine Pause. Danke für den Trainingskampf, Vater.“ Ein Gutes hatte sein Auftauchen: Sie konnte die Wut über seine Entscheidung an ihm auslassen. Am Nachmittag waren ihr die meisten Bewohner des Anwesens bewusst aus dem Weg gegangen. Als stünde auf ihrer Stirn: Vorsicht, nicht ansprechen! Obwohl sie es sich nicht anmerken lassen wollte, hatte dieser Wutausbruch sie ausgelaugt. Sie zog sich in ihr Zimmer und zurück und schlief direkt ein.   Erst als die Sonne schon längst dämmerte, wachte Hanabi wieder auf. Sie schälte sich aus den verschwitzten Kleidern und zog sich einen frischen, violetten Yukata mit langen Ärmeln an. Das Familienabendessen war bereits vorbei, doch ein frisches Gedeck stand noch auf dem Tisch. „Guten Abend, Hanabi-chan“, grüßte die alte Köchin des Hauses, „Ich bringe dir dein Abendessen.“ Schwach lächelnd bedankte die Clan-Erbin sich. Während sie allein die dampfende Suppe und den Reis aß, fragte sie sich unwillkürlich, ob Neji an diesem Abend mit Hinata und ihrem Vater oder lieber mit Tenten gegessen hatte. Bei der Vorstellung an letztere spürte sie wieder diese unangenehme Enge in der Brust. Nach dem Essen schlenderte sie wieder in Richtung Trainingsraum. Ihrer Wut hatte sie am Vormittag ausreichend Luft gemacht, diesmal wollte sie mit sich selbst ins Reine kommen. Zu ihrer Überraschung hatte jemand das Chaos beseitigt, das sie nach ihrem Training hinterlassen hatte. Sie stellte sich in die Mitte des Raumes, faltete die Hände aufeinander und atmete tief durch. In einer fließenden Bewegung kniete sie sich auf den Boden und ließ ihren Kopf kreisen. Der Abend war ruhig – und langsam, aber sicher breitete diese Ruhe sich auch in ihrem Körper aus. Ihr Herzschlag verlangsamte sich. Um sie herum hörte sie nur die Geräusche der Natur.   ~ 🦋 ~   Nachdem er eine Weile mit Tenten gesprochen hatte, war sein Kopf endlich frei und sie konnten sich ihrem Training widmen. Danach aßen sie gemeinsam im Dorf Mittag und legten für die versäumte Zeit eine weitere Trainingssession ein. Durch die jahrelange Zusammenarbeit waren Neji und Tenten gut aufeinander abgestimmt, sie kannten ihre Stärken und Schwächen. Die körperliche Betätigung half dem Shinobi, seinen Kopf frei zu bekommen. Erst bei Sonnenuntergang betrat Neji das Grundstück des Hyuuga-Clans und ging zielstrebig in seinen kleinen Flügel. Er brauchte dringend eine Dusche und holte frische Kleidung aus seinen Schränken. Seit er auf dem Heimweg vom Training war, versuchte er sich verschiedene Worte zusammenzulegen, um sich darauf vorzubereiten, wie er Hanabi ansprechen sollte. Er hatte sie von sich gestoßen, um nicht wieder in eine Situation zu kommen, in der sie durch ihn verletzt wurde. Nach der warmen Dusche fühlte er sich frisch und etwas entspannter. Das Handtuch lag noch um seine breiten Schultern, während er auf leisen Füßen durch das Anwesen lief, um nach Hanabi zu suchen. In der letzten Zeit hatten sie immer bei ihm trainiert, sodass er gar nicht mehr wusste, wo sie sich außerhalb seiner Räumlichkeiten am liebsten aufhielt. Sein erstes Ziel sollte wohl ihr Zimmer sein. Im Trainingsraum der Hauptfamilie brannte noch Licht, als er daran vorbeilief. Die Schiebetüren waren nicht vollständig geschlossen. Durch einen kleinen Spalt konnte Neji in den Raum blicken und entdeckte Hanabi, die mit geschlossenen Augen zu meditieren schien.   ~ 🦋 ~   Als sie ihre Augen nach einer halben Stunde wieder öffnete, war die Sonne vollständig untergegangen. Hanabi stand auf, schüttelte ihre Gliedmaßen aus und streckte sich. Aus dem Augenwinkelte bemerkte sie ein leichtes Flattern. Ein Schmetterling flog eine Runde durch den Raum. Schmunzelnd folgte sie seinen Bewegungen, drehte sich dabei einmal um ihre eigene Achse. Durch einen kleinen Spalt der Schiebetür verschwand das Tier in die Nacht hinaus. Auch sie ließ das Dojo hinter sich und trat auf die Veranda heraus. Ein sanfter Wind wehte ihr entgegen, trug einen frischer aber gleichzeitig herben Geruch in ihre Nase. Ihr Herz machte einen kleinen Sprung – konnte es sein? Sie blickte in den Himmel, an dem der Vollmond in seiner ganzen Pracht strahlte. Ein paar Wolken zogen auf und verdeckten das helle Licht. Die Mediation hatte ein wenig Ruhe in ihr Herz gebracht. Sie fühlte sich bereit.   ~ 🦋 ~   Noch bevor Hanabi ihn bemerken konnte, war Neji verschwunden. Viel zu lange hatte er sie angestarrt, obwohl sie ganz offensichtlich Zeit für sich selbst gebraucht hatte. Er wusste nicht, warum ihr Anblick ihn so in seinen Bann gezogen hatte. Dabei saß sie nur schweigend dort, hatte die Lider geschlossen und wirkte absolut entspannt. Der Mond hatte ihr weiches Gesicht angestrahlt und sie so wunderschön aussehen lassen, dass Nejis Herz einen Takt schneller schlug. Durch dieses Gefühl aufgeschreckt, war ihm erst bewusst geworden, dass er sie die ganze Zeit beobachtet hatte. Peinlich berührt zwang er sich dazu, sich von ihr abzuwenden und eiligen Schrittes davonzugehen. Am Vormittag hatte er noch über diese Grenze zwischen ihnen nachgedacht. Er lief durch den Garten, machte eine große Runde, um seine Gedanken zu ordnen, doch das Bild von Hanabi hatte sich in seinem Kopf eingebrannt. Er blickte zum Mond hinauf, als erhoffte er sich ein Zeichen, was er tun sollte. Doch darauf wartete er vergeblich. Ein Schmetterling unterbrach seinen Blick zum Himmel. Im zarten Mondschein wirkte es so, als würde das Tier hellblau leuchten. Seine ganze Ausstrahlung beruhigte Nejis zerstreute Gedanken. Einen kurzen Moment verzogen sich seine Lippen zu einem kleinen Lächeln. Er folgte dem Schmetterling mit den Augen, bis er abermals in diesem Abend in das Antlitz von Hanabi sah. Sie stand auf der Veranda und beobachtete ihn schweigend. Zwischen ihnen flatterten zwei Schmetterling, umkreisten sich, als würden sie miteinander tanzen. Ob Hanabi ihn bemerkt hatte, als sie meditiert hatte? Wenn ja, hätte sie ihm doch ein Zeichen gegeben oder wäre wütend geworden. Er sollte sich besser von ihr fernhalten, die Grenze ziehen, trotzdem blieb er wie angewurzelt stehen als sie sich auf ihn zubewegte.   ~ 🦋 ~   Ihre Füße hatten sie wie von selbst zu Neji getragen, oder eher gesagt hatte der Schmetterling sie zu ihm geführt. Sie hatte damit gerechnet, dass er verschwinden würde, stattdessen blieb er geduldig stehen. Sie waren nicht weit von seinen Räumen entfernt, also deutete sie mit einer Kopfbewegung auf den Weg, mit der stummen Bitte, sie zu begleiten. Sie erreichten den kleinen Anbau und Neji öffnete die Schiebetür. „Danke“, flüsterte Hanabi als sie eintrat. Es war das erste Mal, dass sie in seinem Zimmer und nicht im Dojo war. Der Raum war kleiner als ihr Zimmer, doch es schien zu reichen. Durch zwei Fenster, die in den Garten zeigten, strahlte der Mond auf den Boden. „Ich hatte den ganzen Tag das Gefühl, du gehst mir aus dem Weg“, begann die junge Frau und wandte sich ihrem Gesprächspartner zu. Er presste seine Lippen aufeinander. Da hatte sie wohl ins Schwarze getroffen. „Und ich habe mich die ganze Zeit gefragt, woran es liegt.“ Als sie ihm in die Augen sah, merkte sie, dass sein Blick auf ihre Haare fiel. Ein roter Schimmert legte sich auf ihre Wangen, aber sie hoffte, im schummerigen Licht fiel das nicht so auf. „Warum hast du sie abgeschnitten?“, fragte er leise und zurückhaltend. „Weil ich wütend auf Vater bin, weil er dir die Haare einfach abgeschnitten hat“, antwortete sie direkt. Obwohl sie das für ihn getan hatte, sah er so aus als hätte sie ihm gerade mitten ins Gesicht geschlagen. „Weiß er davon?“, fragte er weiter und schaffte es nicht mehr, ihr länger in die Augen zu schauen. „Nein. Aber er weiß sehr wohl, dass ich wütend auf ihn bin.“ Das beruhigte Neji scheinbar nicht. Er machte einen Schritt zurück, wandte sich von ihr ab. Sie blickte auf seinen breiten Rücken, betrachtete das braune Haar, das knapp auf seinem Handtuch in seinem Nacken auflag. Ohne sich weiter das Hirn über seine wirren Gedanken zu zermartern, überbrückte sie die Distanz, die er geschaffen hatte. Die Finger in seinem Oberteil vergaben, schmiegte sie erst ihre Wang an sein Schulterblatt und dann ihren gesamten Körper an seine Rückseite. Er spannte seine Muskeln augenblicklich an. „Neji, es tut mir leid, dass er dir das wegen mir angetan hat“, murmelte sie in den Raum hinein, „aber ich will nicht, dass du mich deswegen von dir stößt.“ Ihr Griff wurde fester.   ~ 🦋 ~   Er fixierte sich auf einen Punkt im Zimmer, um weiterhin Ruhe zu bewahren, doch Hanabi machte ihm das unheimlich schwer. Neji fiel nicht einmal auf, dass er die Luft anhielt. Er spürte nur das Pochen in seiner Brust, das stärker geworden war, als sie sich an ihn klammerte. Obwohl er ihre Gründe bereits in Betracht gezogen hatte, rührte es ihn, dass sie sich um ihn sorgte, dass ihr Haarschnitt ein Zeichen von Zusammenhalt war. Trotzdem mussten sie doch diese unsichtbare Grenze einhalten – obwohl diese schon längst zu verwaschen drohte. „Ich will noch viel mehr Zeit mit dir verbringen. Bitte.“ Bei diesem flehenden Unterton knirschte Neji mit den Zähnen, weil er seine Kiefer so stark aufeinander presste. „Ich will ein Teil von deinem Leben sein.“ Neji senkte seinen Blick. Mit einer Hand fuhr er durch sein Gesicht und zog das schwarze Band, das seine Stirn abdeckte, herunter. Als er sich bewegte, ließ sie sein Oberteil los. Langsam machte er einen Schritt nach dem anderen, um sich Hanabi zuzuwenden. „Du wirst immer ein Teil meines Lebens sein, bis ich sterbe!“ Denn genau das bedeutete das Siegel auf seiner Stirn. Es war sein Schicksal irgendwann sein Leben für sie zu geben. Egal wie viel Freiheit sein Onkel ihm nach den Chuunin-Prüfungen zugesprochen hatte, es gab eine Pflicht, die er bis zu seinem Lebensende erfüllen musste. Hanabis Hände griffen sanft nach seinem Gesicht. Sie sah zu ihm auf, liebevoll – und hoffnungsvoll? „So meine ich das aber nicht“, flüsterte sie und war seinem Gesicht so nahe, dass er ihren warmen Atem auf seinen Lippen spürte. „Ich will noch so viel mehr von dir lernen und mit dir erleben. Und ich … ich will … dir nahe sein.“ Sie klang plötzlich so anders und ehe Neji sich versah, hatte sie den letzten Abstand zwischen ihnen überbrückt. Ihre Lippen lagen warm und weich auf seinen. Dabei starrte er sie mit großen Augen an und vergaß wieder zu atmen. Sie ließ ihre Hände auf seine Schultern sinken, schmiegte sich direkt an ihn, ohne den Kuss zu unterbrechen. Die Grenze, an die er eben noch gedacht hatte, hatte sie einfach eingerissen. Das war verrückt, sie war verrückt. Als sie sich von ihm löste, weil er viel zu perplex war, auf den Kuss einzugehen, legte sich aber auch bei ihm ein Schalter um.   ~ 🦋 ~   Der sonst so undurchschaubare Ausdruck in seinem Gesicht wich einem Feuer in seinen Augen, das sie bisher noch nicht einmal gesehen hatte. Nejis Finger versanken in ihrem Haar, er drückte ihren Hinterkopf sanft an sich heran. Sein Kuss war stürmisch und hungrig, als wäre er verzweifelt durch die Wüstenhitze gelaufen und sie seine Oase. Dieser Kuss, diese Leidenschaft traf sie so unvorbereitet, dass ihre Knie weich wurden, dass sie drohte, den Halt zu verlieren. Als könnte Neji das spüren, schlang er seinen starken Arm und ihren Rumpf, bot ihr Halt. Ihr Herz pochte noch schneller als sonst, wenn sie zusammen waren, und sie fürchtete, ihr Brustkorb könnte zerspringen. Wenn ihr in diesem Moment eins klar geworden war, dann dass sie Neji genau so nahe sein wollte. Sie küssten sich eine gefühlte Ewigkeit, bis sie ihre geschwollenen Lippen voneinander lösten. Doch davon ließ Hanabi sich nicht abhalten. Mittlerweile fühlten sich ihre Knie nicht mehr wie Wackelpudding an, also ergriff sie Nejis große Hand und zog ihn zu seinem Fuuton, auf das sie ihn stieß. Durch das Fenster schien das Mondlicht auf sie während sie mit geschickten Fingern den Obi ihres Yukatas öffnete und den Stoff auf den Boden fallen ließ.   ~ 🦋 ~   Sie sah aus wie eine Göttin, als sie nur in Unterwäsche bekleidet, im Mondlicht auf ihn zukam. Er lag auf seinen Ellbogen gestützt auf dem Rücken und sog ihren Anblick mit den Augen auf. Sie trat auf ihn zu und blickte auf ihn herab, hungrig und leidenschaftlich. Ihre Blicke trafen sich, während sie langsam in seinen Schoß sank. Sie öffnete sein Oberteil und schob es von seinen Schultern. Ihre zarten Fingerspitzen hinterließen ein Kribbeln auf seiner erhitzten Haut. Sie strich über seine Arme, die Schultern hinauf bis zu seinem Hals. Sein Gesicht in ihren Händen neigte sie sich zu ihm herunter, um ihre Lippen wieder miteinander zu verbinden. Neji schlang seine starken Arme um ihren zierlichen Körper, presst sie an sich, als könnte sie sich jeden Moment verflüchtigen, als wäre das bloß ein Fiebertraum. Doch sie umarmte ihn so fest, wand sich willig in seinen Armen und biss ihm verspielt in die Unterlippe. Ein Keuchen entfloh seiner Kehle, das Hanabi ein kleines Kichern entlockte. Er strich das lose Haar hinter ihr Ohr, strich mit seiner Nasenspitze über ihre helle Haut und küsste ihren Hals. Sie lehnte sich zurück, sodass er mehr Fläche zum Liebkosen hatte. Dabei wippte sie in seinem Schoß vor und zurück, erzeugte Druck in seinem Unterleib, der ihn scharf die Luft einziehen ließ. Mit einer schnellen Bewegung entfernte er ihren BH und zog sie wieder an sich. Haut an Haut. Als ihr weicher Busen auf seine muskulöse Brust traf, stöhnte er heiß in ihr Ohr. Er wollte sie mit jeder Faser seines Körpers.   ~ 🦋 ~   Die Schmetterlinge in ihrem Bauch überschlugen sich förmlich. Seine Küsse, seine Berührungen und sein Stöhnen gingen ihr unter die Haut. Obwohl ein frischer Wind durch den Raum ging war ihr wohlig warm in seinen Armen. Seine großen, starken Hände fuhren über ihr Haar, ihre Wirbelsäule nach unten und ihre Arme wieder nach oben. Sie löste den Kuss, lehnte sich zurück und führte seine Hände zu ihrem Busen. Sie beobachtete ihn, sah den verheißungsvollen Blick und warf keuchend den Kopf in den Nacken, als er ihre Brust berührte und massierte. Auf der anderen Seite spürte sie seine Lippen, seine Zunge und seine Zähle. Er neckte sie und schien es voll auszukosten. Die Beule in seiner Hose schwoll weiter an, während sie sich an ihm rieb. Mit einer Bewegung lag sie plötzlich auf dem Rücken. Neji stütze sich mit einem Arm neben ihrem Gesicht ab, beugte sich aber sofort wieder zu ihr herunter, um sie zu küssen. Die andere Hand war weiter auf Erkundungstour über ihre nackte Haut. Seine Finger rutschten unter den Bund ihres Slips und er entledigte sie auch des letzten Stücks Stoff. Sie fackelte jedoch nicht lange und zerrte ebenfalls an seiner Hose. Mit den Fingern strich sie über seinen glatten Hintern, bevor er sich zurückzog, um das Kleidungsstück vollständig auszuziehen. Sie betrachtete seine helle Haut, die im Mondlicht fast komplett weiß aussah. Ihr Blick wanderte von seinem Gesicht über seinen muskulösen Oberkörper und seinen Lenden. Sie stoppte bei seiner Erektion. Er legte sich wieder auf sie, schmiegte seinen stählernen Körper an ihren und versank in einem innigen Kuss.   ~ 🦋 ~   Ohne sie fragen zu müssen, ob sie bereit für diese Art der Vereinigung war, wusste Neji, dass sie diesen Schritt wirklich machen wollte. Allerdings war Hanabi eine Frau mit starkem Willen. Diesen demonstriere sie ihm, indem sie ihre Position abermals wechselte und sich auf ihn rollte. Sie wollte die Oberhand und er überließ ihr die Führung, gab ihr ledig etwas Halt, indem er sich aufsetzte. Er beobachtete sie dabei, wie sie ihre Hüfte hob, um sich in die richtige Position zu bringen. Als sie auf ihn sank und er in sie eindrang, krallte sie ihre Finger in seine Schultern. Er hielt sie fest in seinen Armen, bis sie sich an ihn gewöhnt hatte und von selbst begann, sich zu bewegen. Sie zischte, keuchte und stöhnte während sie ihre Hüften in seinem Schoß bewegte. Er strich über ihre Seiten, ihren Rücken und durch ihre Haare. Sein Blickt wanderte abwechseln von ihren wippenden Brüsten zu ihrem Gesicht, das anfangs etwas Schmerz ausstrahle, dann aber voller Leidenschaft war. Ihre Lider waren geschlossen, ihre Lippen bebten. Er zog sie an sich, um sie zu küssen, vergrub seine Hand wieder in ihrem Haar. Die andere platzierte er an ihrer Hüfte. Ihr Tempo nahm zu, Neji verlor sich komplett in ihren Bewegungen. Sie wurden eins, flossen zusammen, mündeten in einem tosenden Wasserfall aus Lust und Verlangen. Sein Atem ging immer schneller, unregelmäßiger. Sein Herz raste. Als er bemerkte, dass Hanabi langsamer wurde, legte er beide Hände an ihre Hüfte und stieß in sie hinein. Sie keuchte, biss sich auf die Unterlippe und warf ihren Kopf in den Nacken. Als sie seinen Namen stöhnte, lief ihm ein Schauer über den Rücken. Er wurde schneller, sie schlang ihre Arme um seinen Nacken, brauchte seinen Halt. Sie keuchte direkt in sein Ohr, flüsterte seinen Namen und ein „Oh Gott“ hinterher. Seine Stöße wurden härter, er war nur noch getrieben von der Lust, von seinen körperlichen Instinkten. Sie schloss sich enger um ihn, atmete schnell, stöhnte in unregelmäßigen Abständen. Er konnte sich nicht mehr lange zurückhalten, er wollte sich gar nicht mehr zurückhalten.   ~ 🦋 ~   Es fühlte sich an, als ob sich ein Knoten in ihren Inneren löste, als sie plötzlich von einer Welle aus vollkommener Glückseligkeit überschwemmt wurde. Sie schloss ihre Augen und gab sich dem Prickeln hin, lachte in der Ekstase und fühlte sich frei. Ihr gesamter Körper zuckte und zitterte. Doch Neji hielt sie fest in seinen Armen. Er keuchte heiß an ihre Schulter, seinen Oberkörper fest an ihren gepresst. Als er sich langsam auf den Rücken fallen ließ, hielt er sie weiterhin sanft an seiner Brust. Hanabi seufzte zufrieden, schnurrte schon fast als sie seinen herben Duft einatmete. Einen langen Moment verharrt sie so, ehe sie sich neben ihn rollte, einen Arm weiterhin um seinen Rumpf geschlungen. „Das war unglaublich …“, murmelte sie an seinen Trizeps. Nejis Blick war an die Decke gerichtet und sie fragte sich, woran er wohl gerade dachte. Doch dann drehte er seinen Kopf und schenkte ihr ein Lächeln. Das war etwas, dass er nur selten tat. Natürlich lächelte er, manchmal zumindest, dann aber im Kampf, wenn er siegessicher oder ein bisschen überheblich war. Ihre Zweifel lösten sich daraufhin wie von selbst. Neji drehte sich auf die Seite und raschelte mit der Decke, auf der sie lagen. Obwohl ihr von dieser körperlichen Betätigung warm war, ließ sie zu, dass er die Decke über ihre beiden Körper warf. Als sie ihre Augen schloss, brauchte sie keine zwei Minuten ehe sie in einen tiefen Schlaf fiel.   ~ 🦋 ~   Im Gegensatz zu Hanabi lag Neji trotz aller Erschöpfung noch eine Weile wach und blickte an die Decke. Ihr zarter, warmer Körper schmiegte sich an seinen, ihre Atmung war regelmäßig und ruhig geworden. Im fahlen Mondlicht konnte er ihre entspannten Gesichtszüge sehen. An seinen Lippen zupfte ein kleines Lächeln. Sie so ruhig zu sehen war genauso eine Seltenheit, wie wenn er lächelte. Mit diesen Gedanken schloss er seine Augen und driftete in einen traumlosen Schlaf.     Am nächsten Morgen erwachte Neji allein in seinem Bett. Sein Kissen trug noch immer ihren Duft. Mit einer Hand strich er über den Platz, an dem sie gestern eingeschlafen war. Der Stoff war noch warm, also konnte sie noch nicht so lange weg sein. Neji drehte sich auf die Seite, lauschte dem morgendlichen Gesang der Vögel. Die Tür Richtung Garten war einen Spalt geöffnet, durch den er ein paar lange, halbnackte Beinen erkennen konnte. Langsam schob der junge Mann die Decke von seiner Hüfte und schlüpfte in seine Hose, die neben ihm auf dem Boden lag. Lautlos trat er auf die Veranda heraus und musterte Hanabi, die lächeln auf dem Boden saß und sich die ersten Sonnenstrahlen des Tages ins Gesicht scheinen ließ. Sie hatte sich ihren Yukata angezogen und saß auf einem kleinen roten Kissen auf dem Holzboden. Sie schien ihn aus dem Augenwinkel zu bemerken und trällerte ihm einen guten Morgen zu. Neji setzte sich neben sie, ein Bein ausgestreckt, das andere angewinkelt. „Was machst du hier?“, fragte er leise und folgte ihrem Blick zu dem kleinen Teich, über dem zwei Schmetterlinge flatterten. „Nur ein bisschen frische Luft schnappen.“ Was er wohl erwartet hatte, nach der letzten Nacht? Dass sie sich davon schlich oder dass sie blieb? Er wusste es nicht. Genauso wenig wusste er, wie es mit ihnen weiterging, wie ihre Zukunft aussehen sollte. Ob das nur ein einmaliger Ausrutscher war? Plötzlich tippte sie auf seine Stirn, sein Mal. „Du bekommst nur Falten, wenn du so angestrengt nachdenkst.“ Er sah ihr direkt in die Augen und all die Stimmen in seinem Kopf wurden langsam leise. Trotzdem ergab sich für ihn noch kein Bild von der Zukunft. Er senkte den Blick, betrachtete seine Finger, die vor wenigen Stunden noch jeden Zentimeter ihres Körpers erforscht hatten. „Was hast du jetzt vor?“, fragte er mit ernstem Unterton in der Stimme. Was auch immer sie tat, wofür auch immer sie sich entschied, er musste es akzeptieren.   ~ 🦋 ~   Hanabis Herz klopfte wild, seit er sich neben sie gesetzt hatte. Sie wusste, dass seine Frage sich nicht auf ihre Tagesplanung bezog, sondern auf ihn, auf sie beide. Wenn er unsicher war, was sie darauf antworten würde, dann wusste er das gut zu verstecken. Sein Gesicht war so unscheinbar wie immer, sein Körper zeigte mit keiner Geste irgendeine Anspannung oder Angst. Sie fragte sich unweigerlich, ob er den Sex letzte Nacht genossen oder nur ertragen hatte. Diese Zweifel wollte sie am liebsten sofort abschütteln. Er hatte nicht nur mit ihr geschlafen, weil sie ihm „übergeordnet“ war. Das konnte und wollte sie nicht glauben. Sie hob ihre Hand und legte sie sanft auf seiner Brust ab. Diese Berührung schien ihn so unerwartet zu treffen, dass er die Luft anhielt. Unter seiner Haut und unter den festen Muskeln spürte sie sein Herz in einem viel schnelleren Rhythmus schlagen als normalerweise. Sie blickte von ihrer Hand in sein Gesicht. Er hielt noch immer die Luft an, wagte es nicht einmal, sich nur einen Millimeter zu bewegen. „Ich will …“, murmelte sie und rutschte näher an ihn heran, „mit dir zusammen sein.“ Nejis Adamsapfel sprang auf und ab als er schluckte. „Vorausgesetzt, du willst das auch.“   ~ 🦋 ~   Er runzelte die Stirn, als sie ihn in ihre Entscheidung einbezog. Nach wie vor war er nur ein Mitglied des Nebenzweigs ihrer Familie. Auch wenn sie seine Kraft und Fertigkeiten schätzten und ihm gewisse Freiheiten einräumten. Hanabi war ihm so nahe, dass er ihren warmen Atem auf den Lippen spürte. Enttäuschung blitzte in ihren fliederfarbenen Augen auf. Vielleicht, weil er nicht sofort antwortete, also zog sie sich zurück. „Ich will dich weder zwingen noch, dass du dich verpflichtet fühlst, mir nahe zu sein“, murmelte sie traurig, stand in einer flüssigen Bewegung auf und wandte sich um. Dass sie davonlief kannte er gar nicht von ihr. Er griff nach ihrem Handgelenk, um sie aufzuhalten. „Ich habe doch noch gar nicht geantwortet.“ Sie biss sich auf ihre verführerische Unterlippe als sie sich umdrehte. Fast schon trotzig setzte Hanabi sich wieder neben ihn. „Ich kann so etwas nicht besonders gut“, gestand er und meinte damit seine sprachlichen Fähigkeiten, über seine Gefühle zu reden, „aber ich fühle mich gut in deiner Nähe … ich genieße die Zeit mit dir …“ Ihr Gesicht hellte sich merklich auf. Bevor er weiter reden konnte, schwang sie sich auf seinen Schoß und umarmte ihn. „Du musst gar nicht mehr sagen, zeig es mir einfach…“, flüsterte sie in seine Halsbeuge. Sein Herz überschlug sich als sie sich an ihn schmiegte. An dieses Gefühl hatte er sich einfach noch nicht gewöhnt. Er legte seine Hand sanft an ihren Hinterkopf, drehte ihr Gesicht zu seinem und küsste sie.   Er legte die Zweifel ab und machte Platz für seine Wünsche und die Leidenschaft, die sie miteinander auslebten. Ihre gemeinsame Zukunft mochte ungewiss sein, doch in diesem Moment ließ Neji diese Gedanken gar nicht an sich heran. Wenn Hanabi sich etwas in den Kopf setzte, dann bekam sie das auch. Sie lachte zufrieden in den Kuss hinein und Neji dachte, dass das das schönste Geräusch war, das er jemals gehört hatte.   Denn sie war sein Schicksal.     ____________________________________________________________________________   © Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)