Hanging By A Moment von SarahSunshine (Naruto OS-Sammlung | NEU: Neji x Hanabi) ================================================================================ Kapitel 13: Ein Leben ohne Dich ------------------------------- Lautes Gepolter hallte durch den Flur im Hause Uchiha, welches Sarada irritiert von ihrem Buch aufsehen ließ. Von ihrem Platz auf dem Sofa hatte sie die Tür gut im Blick und entdeckte ihre Mutter, die von rechts nach links huschte und dann noch einmal zurücklief. Dann betrat sie den Wohn- und Essbereich. Ohne danach zu fragen, was sie dort tat, beobachtete die junge Kunoichi lediglich, wie sie Schränke in der Küche aufzog und kopfschüttelnd wieder schloss. Sie schien auf der Suche nach etwas zu sein. Ihr nächstes Ziel waren die Wohnzimmerschränke. Sarada schob ihre Brille auf ihrem Nasenbein zurecht und holte gerade Luft, um ihrer Mutter ihre Hilfe anzubieten, bei was auch immer sie gerade so verzweifelt suchte, als diese einen erleichterten Laut von sich gab. Den neugierigen Blick ihrer Tochter nicht bemerkend, trat Sakura mit dem gefundenen Objekt in die offene Küche. Zu Saradas Überraschung handelte es sich dabei um eine Sakeflasche mit passendem Becher. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass es gerade mal vier Uhr nachmittags war, keine Zeit, in der sich ihre Mutter dem Alkohol widmete. Doch bevor sie fragen konnte, rauschte Sakura schon wieder Richtung Flur. „Sarada? Ihr braucht mit dem Abendessen heute nicht auf mich warten. Es könnte etwas später werden“, rief Sakura aus Richtung der Haustür. „J-ja! Okay“, antwortete Sarada und hörte nur noch wie die Tür ins Schloss fiel. Perplex zog sie ihre dunklen Augenbrauen zusammen, denn sie konnte sich keinen Reim darauf machen, was ihre Mutter wohl vorhatte. Nur wenige Minuten später betrat ihr Vater schlurfend das Zimmer, um sich ein Glas Wasser zu holen. Er war nach einer langen Mission wieder im Dorf, hatte jedoch fast 20 Stunden durchgeschlafen. „Du, Papa?“, sprach Sarada ihn an und klappte das Buch auf ihrem Schoß zu, „Was könnte Mama um diese Zeit mit einer Flasche Sake anstellen?“ Sasuke brauchte einen Moment, um ihre Frage zu verinnerlichen. Er trank einen Schluck aus seinem Glas und zuckte anschließend mit den Schultern. „Das solltest du deine Mutter selber fragen.“ Und damit blieb dieses Mysterium für Uchiha Sarada ungelöst. Sakura indes spazierte durch die gut besuchten Straßen ihres Heimatdorfes, mit einem speziellen Ort zum Ziel. Die Sonne wärmte ihr Gesicht und bescherte den restlichen Dorfbewohnern einen wunderschönen Nachmittag. Doch Sakura verband mit diesem Tag ein vollkommen anderes Gefühl, als die Freude über einen entspannten Spaziergang – und damit war sie nicht alleine. Ihre Füße trugen sie zu ihrem Ziel: Der Friedhof von Konohagakure, der zu dieser Stunde kaum Besucher verzeichnete. Als Sakura ihren Blick schweifen ließ, stach ihr die grüne Jacke mit dem roten Kreis auf Höhe der Schulterblätter sofort ins Auge. Das Kanji mit der Bedeutung „Glücksspiel“ war noch immer ihr Markenzeichen. „Tsunade-shishou.“ Sakura begrüßte ihre Lehrmeisterin mit einem Lächeln auf den Lippen. Die Sannin warf einen Blick über ihre Schulter, musste dabei zwar ebenfalls lächeln, aber gleichzeitig auch den Kopf schütteln. „Sakura, du musst mich nun wirklich nicht mehr so nennen. Mittlerweile hast du mich doch um Längen übertroffen“, winkte die Tsunade ab, als ihre ehemalige Schülerin zu ihr aufschloss. Damit hatte sie nicht Unrecht, denn in den letzten 15 Jahren hatte Sakura ihre Fähigkeiten weiter ausgebaut und sich damit den Posten als Chefärztin im Krankenhaus von Konoha erarbeitet. Dennoch sah sie die Sannin nach wie vor als ihre Mentorin an – und als Freundin. Obwohl Tsunade mehr als doppelt so alt war wie Sakura, sah sie noch immer so aus wie damals, als sie bei ihr gelernt hatte, wenn nicht sogar noch einen Ticken jünger. „Ich habe dir etwas mitgebracht.“ Die Kunoichi holte die Sake-Flasche, die sie zuvor in ihrer Wohnung gesucht hatte, aus ihrer Tasche und hielt sie Tsunade hin. Diese musterte das Geschenk erst, nahm die Flasche dann aber schmunzeln an. „Du wirst dich nie ändern, huh?“, warf sie ein, den Blick dabei auf die Flasche gerichtete. „Du doch auch nicht“, feixte die Ärztin zurück, ihren Finger dabei neckend an die Lippen haltend, „aber heute ist das okay.“ Ein mütterliches, warmes Lächeln breitete sich in ihrem Gesicht aus. Es war ihr gemeinsames Ritual. Obwohl Tsunade die ältere von ihnen war, verblüffte Sakura sie mit ihrer reifen und erwachsenen Art. Ihre Ausstrahlung hatte sich von einer auf die andere Sekunde verändert, war einladend und unheimlich warm geworden. Dass Sakura sich nicht verändert hatte, stimmte nicht. Die Tatsache, dass sie nun Mutter war hatte sie ernster, aber auch fürsorglicher gemacht. Tsunade kannte sie mittlerweile schon lange genug, um das zu erkennen. Der heutige Tag war ein besonderer Tag für sie, wenn auch nicht im positiven Sinne. An diesem Tag vor vielen Jahren hatte sie einen geliebten Menschen verloren: Ihren langjährigen Freund und Teamkameraden, der den gleichen legendären Titel trug wie sie. Jiraiya. Im Kampf gegen Pain hatte er sein Leben gelassen, hatte sie verlassen und sich zu den geliebten Menschen dazugesellt, die sie bereits verloren hatte – Dan, Nawaki, ihrem Mentor Sarutobi Hiruzen. Als sie damals von seinem Tod erfahren hatte, durfte sie keine Schwäche zeigen, konnte nicht offen um ihren Freund trauen, denn als Hokage musste sie stark sein, für das Dorf, für die anderen. Während Naruto seine Erschütterung, den Zorn und die Trauer nach außen getragen hatte, war Tsunade in der Pflicht, diese Gefühle hinter einer Maske zu verbergen. Erst als die Lichter des Dorfes erloschen und die Verpflichtungen für kurze Zeit ruhten, brach der Damm und spülte die Fassade hinfort. Tsunade kannte das Gefühl von Verlust sehr gut, doch ihr Herz schmerzte so sehr wie lange nicht mehr. Jiraiya war fort. Er würde keine anrüchigen Schmuddelbücher mehr schreiben oder sie mit seinen Sprüchen zur Weißglut bringen – er war endgültig gegangen. ~ An diesem Abend gab Tsunade ihrem Freund zu Ehren eine Flasche Sake zum Besten, die sie sonst vermutlich gemeinsam geleert hätten. Alleine zu trinken war deprimierend. In Erinnerungen zu schwelgen machte sie traurig und wütend, sodass sie einen Becher nach dem anderen ihre Kehle herunter kippte. Im Rausch überkamen die Tränen sie mehrfach, ließen ihren Körper beben und wogen sie vor Erschöpfung schließlich in den Schlaf – eine kurze Zeit, in der sie vergaß, dass er tot war. „Tsunade-sama?“ Eine Stimme hallte dumpf in ihrem Kopf. „Tsunade-sama?“ Wütend zog sie ihre Augenbrauen zusammen, was sie sogleich bereute, denn die Kopfschmerzen begannen unweigerlich an ihren Schläfen zu klopfen. Murrend kniff die Hokage ihre Augen zusammen. Sie wollte noch nicht aufstehen, erst recht nicht mit einem brummenden Schädel. Der Duft von frisch gebrühtem Tee stieg in ihre Nase und verleitete sie schließlich doch dazu, langsam ihre Augen zu öffnen. Obwohl die Hokage damit gerechnet hatte, dass Shizune diejenige war, die versuchte, sie zu wecken, erblickte sie stattdessen das rosafarbene Haar ihrer Schülerin. „Sa-ku-ra“, murmelte sie leicht neben der Spur und hob ihren Kopf. Das Haar war leicht zerzaust, der Lippenstift verschmiert und verblasst. Dass Tsunade sich gerne mal dem einen oder anderen Becher Sake zu viel verschrieb war kein Geheimnis, doch im Büro des Hokagen war sie so noch nie vorgefunden worden. „Ich habe Euch einen Tee gemacht, mit Kräutern gegen die Kopfschmerzen“, erklärte Sakura lächelnd. Doch sie schaffte es nicht, die Besorgnis um ihre Lehrmeisterin mit einem bloßen Lächeln zu überspielen. Der Zug um ihre Lippen, die Sorgenfalten auf der Stirn und der Glanz in ihren grünen Augen verrieten sie. „Danke“, murmelte Tsunade und wischte sich etwas Speichel vom Mundwinkel. Dann zog sie die Tasse mit dem dampfenden Tee unmittelbar vor sich, betrachtete einen Moment ihre Spiegelung in dem Wasser, ehe sie einen Schluck ihre Kehle hinab kippte. Obwohl Sakura genau wusste, dass es sich um einen äußerst bitteren Tee handelte, verzog ihre Mentorin keine Miene. „Was tust du hier, Sakura? Außer mir einen Tee bringen?“, wollte die Hokage wissen und blickte dabei von ihrem Getränk auf. Die Tränenspuren waren auf ihrem Gesicht noch immer zu sehen. Die Kunoichi presste ihre Hand auf ihre Brust und spannte ihren Körper an. „Ich…“, begann sie langsam, „ich mache mir Sorgen um Euch Tsunade-sama.“ Sakura war nicht gut darin, ihre Gefühle zu verbergen. „Ihr habt einen großen Verlust erlitten, und auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, wie Ihr Euch gerade fühlen musst, ich will Euch helfen.“ „Sakura!“, unterbrach Tsunade die Ansprache ihrer Schülerin barsch. Mit dem Daumen und Zeigefinger massierte sie ihre Nasenwurzel, um dann schnaubend von ihrem Stuhl aufzustehen. „Du kannst mir nicht helfen, Sakura.“ Die Kunoichi blickte auf den Rücken der Hokage, auf das rote Symbol, während diese mit ihr sprach. Dennoch war diese Abfuhr wie ein Schlag ins Gesicht, weshalb sie bedrückt auf ihre Füße blickte. Wieso? Wieso konnte sie den Leuten, die ihr wichtig waren, nicht helfen? Ihre Sicht begann leicht zu verschwimmen und sie biss ihre Zähne fest zusammen, in der Hoffnung, so ihre Tränen zurückzuhalten. Aufgrund dieser Haltung und der Tatsache, dass sie vollkommen in ihre Gedanken versunken war, bemerkte Sakura nicht, wie Tsunade wieder auf sie zukam. Erst als sie eine Hand auf ihre Schulter spürte, schreckte sie auf. Die warmen Gesichtszüge ihrer Mentorin irritierten die Kunoichi. „Sakura.“ Tsunade hob ihre Hand und strich sanft über den rosafarbenen Scheitel ihrer Schülerin. „In all der Zeit, die ich lebe, habe ich schon ein paar geliebte Menschen verloren. Niemand kann mir diesen Schmerz nehmen – auch du nicht.“ Es stimmte. Tsunade hatte mehr Lebenserfahrung, mehr durchgemacht und mehr erlebt. Sie hatte Verluste erlitten, die Sakura sich nicht vorstellen konnte. „Aber ich bin noch immer hier und ich … ich werde stark sein, auch für ihn.“ Sakura blickte zu ihrer Meisterin auf, mit glänzenden Augen und leicht geöffneten Lippen. Sie wollte etwas sagen, doch da wurde sie direkt wieder unterbrochen. „Hör auf, dich um mich zu sorgen, Sakura. Es gibt andere Leute, um die du dich kümmern solltest.“ Sie meinte damit bestimmt Naruto, der ebenso unter dem Verlust seines Lehrers, seines Freundes, seiner Vaterfigur litt. Mit diesen Worten trat Tsunade an die große Fensterfront, von der aus sie das gesamte Dorf überblickte. Die Sonne ging jeden Tag wieder auf und das würde sie auch in Zukunft tun. „Du musst mir eins versprechen, Sakura“, sprach die Sannin in Richtung der Fenster, machte dann jedoch eine Pause. „J-ja?“ „Versprich mir, dass du alles tun wirst, um deine Freunde und Kameraden zu beschützen und zu retten. Als Ärztin und Kunoichi.“ Sakura blinzelte ein paar Mal und verinnerlichte die Worte ihrer Mentorin. Als diese einen Schulterblick zu ihr warf, nickte die Kunoichi eifrig. „Ich verspreche es, Tsunade-sama!“ ~ Diesem lange zurückliegenden Versprechen war Sakura treu geblieben. Als der Krieg über die Länder gezogen war, hatte sie alles gegeben, um ihre Heimat, ihre Freunde und auch die Ninja aus den umliegenden Ländereien zu beschützen. Sie erweckte das Yin-Siegel, sie kämpfte Seite an Seite mit ihrem Team. Sie hatte Naruto am Scheideweg des Todes am Leben gehalten. Sie hatte gemeinsam mit Naruto und Sasuke die Bedrohung Kaguyas eingedämmt und diese beiden Sturköpfe nach ihrem Kampf vor dem Tod bewahrt. Gemeinsam hatten sie die Welt aus den Fängen des Mugen Tsukoyomi befreit. Und jetzt saß eine erwachsene und reife Sakura neben ihr im Gras. Sie kam jedes Jahr an diesem Tag zu ihr, mit einer Flasche Sake als Geschenk – und einem kleinen Beutel mit den bitteren Kräutern, den sie ihr heimlich zusteckte. Sie wollte ihr nach wie vor Beistand leisten, einfach indem sie da war, indem sie ihr einen Tag schenkte, in dem sie zu seinen Ehren etwas Alkohol trank und trauerte, denn es war okay zu vermissen. Auch wenn die Welt sich weiter drehte, auch wenn die Sonne wieder aufging. „Tsunade-obaa-chan! Sakura-chan!”, ertönte lautes Gebrüll hinter ihnen. Naruto kam winkend angelaufen. Denn auch er durfte an diesem Tag seinen Lehrmeister und Freund ehren, dem er nicht mehr zeigen konnte, wie er seinen Traum erfüllt hatte. „Baka! Schrei nicht so, wir sind auf einem Friedhof!“, rügte Sakura den amtierenden Hokage als er zu ihnen aufgeholt hatte. „Sorry! Ich dachte ich bin zu spät dran!“, entschuldigte Naruto sich und hob abwehrend die Hände. Ein Schnauben ertönte, das den jungen Mann stocksteif werden ließ, doch dann entwickelte es sich zu einem schallenden Gelächter. Unsicher blickte Naruto zu seiner Teamkollegin, die nur lächelnd den Kopf schüttelte. Auf Tsunades Wangen hatte sich durch den Alkohol bereits ein roter Schimmer gebildet. Kichernd hielt sie ihre Faust vor den Mund und wandte sich an Sakura und Naruto. „Ihr beide …“ Sie sah sie an und stockte dann. Vor ihrem geistigen Auge sah sie sich als junge Frau in Sakura und Jiraiya in Naruto. Ihr Lächeln nahm einen traurigen Zug an und ihre ehemalige Schülerin verstand. „Naruto und ich warten am Ausgang auf dich, lass dir Zeit.“ Sakura schob ihren Freund davon und ließ Tsunade mit dem Grabstein ihres Freundes die Zeit, die sie brauchte. Leise seufzend strich Tsunade über den kalten Stein. Sie füllte den letzten Becher mit Sake und drehte ihn in ihrer Hand. Anstatt ihn zu trinken, kippte sie die Flüssigkeit langsam über den Grabstein. „Die Welt dreht sich weiter und wir haben gelernt ohne dich zu leben – so wie wir es immer schon gelernt haben. Aber ich wünschte, du könntest sehen, wie sie sich entwickelt haben, wie er sich entwickelt hat. Von irgendwo schaust du sicher mal runter, wenn du nicht damit beschäftigt bist irgendwelchen Frauen hinterher zu spannen!“ Ein kleines Lachen entkam Tsunades Kehle. „Du fehlst mir, alter Freund.“ Es war ihr Ritual. Jedes Jahr an seinem Todestag trank Tsunade eine Flasche Sake und rief sich ihren alten Freund in Erinnerung. Und Sakura würde ihr jedes Jahr eine Flasche Sake vorbei bringen und Naruto würde sie auf eine Nudelsuppe einladen. Und bis der Tag kommen würde, an dem sie sich endlich wiedersahen, würde sie das auch jedes Jahr tun. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)