kyoosha - learning by doing von ivy-company (AoixKanon) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Diesmal hats lange gebraucht.. tut uns leid .__." aber endlich is der prolog von "learning by doing" fertig! Und diese ff is uns relativ wichtig, weil sie der grundstein für die ganze kyoosha-reihe is xDD Ursprünglich war nur die idee von learning by doing vorhanden und "happy birthday to myself" sollte nur das erste kapitel davon werden xD naja.. man sieht wo das geendet hat xD" Aber zu lesen ist sie auch gut ohne vorwissen ^^ wir wünschen euch dann viel spaß beim prolog von kyoosha - learning by doing! _____________________________ Prolog Sachte kam das schwarze Stück Stoff auf dem Boden neben ihm auf. Noch gerade so auf dem Bürgersteig, ein paar Zentimeter von der für einen Freitagnachmittag leicht befahrenen Straße entfernt. Nur von lautem Geschrei begleitet, das aus dem offenen Fenster im fünften Stock drang. So ganz genau konnte Kanon nicht heraushören, worum es ging, aber auf jeden Fall wusste er, dass er jetzt nicht da hoch wollte. Noch konnte er umkehren. Keiner würde bemerken, dass er hier gewesen war. „Hast du sie noch alle?“, hörte er schließlich nach ein paar Sekunden Stille eine ziemlich deutliche Stimme von oben. Eine deutlich wütende Stimme, die sich fast überschlug. „Das könnte ich dich auch fragen!“ Die zweite Stimme war keinen Deut leiser oder weniger aggressiv. Kanon schaffte es gerade so, einer weiteren Ladung Klamotten auszuweichen, die ihren Weg durch das Fenster gefunden hatten und auf dem Gehweg landete. Okay, wenn das hier Alltag war, dann hatte er wirklich Angst. Und vielleicht war es ja auch nur der Anfang, dass Wäsche durch die Gegend flog?! Schnell rückte der Schwarzhaarige ein wenig näher an die Haustür unter das Vordach, damit man ihn nicht sofort sah, sobald jemand aus dem Fenster blickte, um nach den Klamotten zu sehen. So konnte er schließlich immer noch gehen – auch wenn er genau wusste, dass er das wohl eher nicht tun würde. Ein Seufzen kam über seine Lippen, gefolgt von erneutem Geschrei aus dem fünften Stock. „Was machst du in meinem Zimmer?! Komm da raus!“ „Wo ist deine Gitarre??“ „Wag es ja nicht!“ „Du wolltest letztes Mal auch mei-“ Der Streit wurde abrupt unterbrochen, als sich eine dritte Stimme einmischte. „Ich schmeiß euch gleich aus dem Fenster, wenn auch nur einer von euch daran denkt, eins der Instrumente zu zerstören!!“ Ein lauter Knall folgte, was Kanon dazu veranlasste, unter dem Vordach der Eingangstür hervorzulugen. Das Fenster war geschlossen worden. Ein Glück. Trotzdem drang das Geschrei noch bis auf die Straße. Auch einer der Passanten war unter dem Fenster stehen geblieben, wobei seine Aufmerksamkeit eher den Klamotten als dem eigentlichen Szenario galt. Kanon zögerte kurz, begann dann aber doch die einzelnen Kleidungsstücke aufzusammeln. Er bezweifelte, dass die Streithähne sich beruhigen würden, wenn sie merkten, dass wildfremde Menschen ihre Kleidung einfach mitgenommen hatten. Und Kanon wollte nicht, dass der Streit weiter eskalierte. Er hatte ja jetzt schon Angst davor, nach da oben zu gehen. Entschuldigen hob er das letzte Stück Stoff auf, welches bis dahin von dem Passanten noch recht interessiert betrachtet wurde. Dieser zog dann allerdings enttäuscht von dannen. Kanon seufzte. Jetzt, da er auch noch das Eigentum der Bewohner des fünften Stockes in seinen Händen trug, gab es noch ein Grund mehr, endlich das Haus zu betreten. Zu seinem Erstaunen war die Haustür gar nicht verschlossen, weshalb er auch ohne weitere Probleme das Treppenhaus betreten konnte. Vielleicht stand das Glück bei diesem „Ausflug“ doch auf seiner Seite? Dieser Gedanke wurde allerdings gleich wieder von der Erkenntnis vernichtet, dass es in diesem Gebäude NUR ein Treppenhaus gab. Kein Aufzug. Von wegen Glück! Und außer seiner Tasche und seinem Bass, den er geschultert hatte, durfte er nun auch noch die Kleidungsstücke in den fünften Stock schleppen. Obwohl ihm der Aufstieg wie eine halbe Ewigkeit vorkam, schien in der Wohnung der Streithähne immer noch keine Ruhe eingekehrt zu sein. Ab der zweiten Etage konnte Kanon gedämpfte Geräusche über sich vernehmen, die mit jedem weiteren Schritt seinerseits immer lauter wurden. Als er dann endlich ganz oben angekommen war, war es nicht schwer zu erraten, bei welcher der Haustüren er wohl oder übel klingeln musste. Das Geschrei war überdeutlich zu hören, ob es jetzt an den dünnen Wänden oder der Lautstärke des Sprechers lag. Kanon hatte sich anscheinend geirrt. Das in dem Apartment hörte sich nicht mehr nach einem Streit an. Eher nach einer Standpauke. „Und jetzt räumt ihr den Saustall auf und wehe morgen kommt auch nur einer von euch mit einer gerissenen Saite an!!“ Der Schwarzhaarige hatte mittlerweile allen Mut verloren. Die fremde Kleidung fest umklammert starrte er nur die Tür an. Wie sollte er da drinnen denn auch nur einen einzigen Tag überleben? Vorsichtig machte er einen Schritt zurück. Nein, er würde da jetzt nicht reingehen. Er würde… Seine Pläne lösten sich allerdings in Luft auf, als eine Sekunde später die Tür zu besagter Wohnung aufgerissen und er fast umgerannt wurde. „Was…“, fauchte eine Stimme, die er als die Stimme erkannte, die eben die Standpauke gegeben hatte. Kanon sah auf und bemerkte Kai, der ihn reflexartig am Oberarm gepackt und vor dem Hinfallen bewahrt hatte. Und er sah gar nicht so fröhlich aus wie alle immer erzählten. Eher richtig wütend. Angst einflößend. Und wenn er Kai nicht vor zwei Wochen auf Miyavis Party kennen gelernt hätte, dann würde er auch bestimmt denken, er hätte hier jemand anderen vor sich stehen. Die Gesichtszüge des Drummers veränderten sich allerdings schlagartig und er sah Kanon jetzt viel eher überrascht an, als er ihn wieder losließ. „Oh… Tut mir leid. Alles klar bei dir?“ Der Schwarzhaarige blinzelte verwirrt. War das der Kai, der die beiden dort in der Wohnung gerade lautstark zur Schnecke gemacht und ihn vor zwei Sekunden noch mit wütend funkelnden Augen angesehen hatte? Derselbe Kai, der ihn jetzt hier entschuldigend ansah? Okay, hier würde er definitiv noch einiges lernen. „Hey, alles okay?“, fragte der Drummer, als Kanon keine Antwort gab. Er musste sich zusammenreißen. Da hatte ihm Teruki doch vor einer Stunde erst eingetrichtert, sich nicht vor Gazette zu blamieren. Vielleicht sollte er nicht gerade die erste Gelegenheit nutzen, um diese Anweisung in den Wind zu schlagen. „Ja, klar.“ „Okay, gut“, grinste ihn Kai mit diesem typischen Grinsen an, von dem immer alle erzählten, und klopfte ihm auf die Schulter. „Die beiden müssten sich wieder beruhigt haben, also wirst du zumindest im Moment keine Probleme mit ihnen haben. Vielleicht reden sie heute Abend nicht miteinander. Das kann schon mal vorkommen. Aber wie ich sehe, hast du Begrüßungsgeschenke dabei.“ Er deutete leise lachend auf die Klamotten, die der jetzt noch verwirrtere Bassist in den Armen hielt. „Das ist schon mal ein guter Anfang.“ Mit einem Nicken deutete Kai in Richtung angelehnte Wohnungstür. „Ich wünsch dir jedenfalls viel Glück und lass dich bloß nicht zu sehr von ihnen rumschubsen. Vor allem Reita sollte man in seine Schranken weisen.“ Damit lächelte Kai den Jüngeren noch einmal an, bevor er sich auf den Weg nach unten machte. Reita in die Schranken weisen. Dafür war er ja gerade der Richtige. Zögernd trat Kanon vor die Tür und öffnete sie noch einen Spalt weiter. Mit der Hoffnung im Hinterkopf, dass es vielleicht alles gar nicht so schlimm werden würde, wie er jetzt befürchtete. Kapitel 1: Wie man jemanden überrascht -------------------------------------- So, Kapitel 1 ^^ Viel Spaß! _______________ Kapitel 1 Wie man jemanden überrascht Unsicher stand Kanon in der Türschwelle der fremden Wohnung. Eigentlich hatte er gedacht, dass man ihn entdecken würde, sobald er die Tür geöffnet hatte, doch das schien nicht der Fall zu sein. Er streckte sich etwas nach vorne, um besser in das Innere der Wohnung sehen zu können. Bei dem Raum, der nach dem kleinen Eingangsbereich folgte, schien es sich um das Wohnzimmer zu handeln. Nur leider ohne Bewohner. Kanon überlegte sich an der Türe zu klingeln, doch das ging schlecht mit dem Wäscheberg in den Armen. So fiel auch klopfen aus. Sollte er einfach rufen? „Hey Kanon!“ Der Schwarzhaarige schreckte zurück, als plötzlich eine Person vor ihm auftauchte. Ebenfalls schwarzhaarig und ebenfalls überrascht. „Mist, ich hab voll vergessen, dass du heute kommen wolltest!“ Aoi schlug sich selbst gegen die Stirn als würde das sein Denkvermögen ankurbeln. „Komm erst einmal rein.“ Ohne eine Antwort abzuwarten zog der Ältere Kanon weiter ins Innere und schloss dann die Tür hinter ihm. Kaum war diese zu, drehte sich der Bewohner der Wohnung um und verließ den kleinen Flur ins nächstgelegene Zimmer. Kanon streifte sich verwirrt seine Schuhe ab und folgte dem Älteren. Wie er vermutet hatte, handelte es sich bei dem großen Raum um das Wohnzimmer. Vor ihm stand ein teuer aussehender Flachbildfernseher neben einer noch teurer wirkenden Musikanlage. Schon die riesigen Boxen mussten ein Vermögen gekostet haben! Der Rest der Einrichtung schien nicht ganz so liebevoll ausgesucht. Die braune Couch erinnerte Kanon schwer an das alte Sofa seiner Oma. Zu allem Überfluss gab es dazu auch noch einen passenden Sessel, der sperrig neben dem vollgestellten Couchtisch stand. Im hinteren Bereich des Raumes befand sich eine große Kochnische und ein Esstisch, der von ein paar zusammengewürfelten Stühlen umgeben war. Teile der Wände waren mit Regalen vollgestellt, in denen sich entweder CDs oder DVDs befanden. Die restliche weiße Fläche zierten Tourposter. Natürlich Gazette-Tourposter! Alles dekoriert mit Zeitschriften, leeren Tassen, benutztem Besteck, Notenblättern und vielem mehr. „Die Unordnung tut mir Leid“, meinte der Ältere als hätte er Kanons Gedanken gelesen und war dabei das Geschirr einzusammeln. „Ach warte! Ich helf dir!“ Mit einem Mal kam Leben in den Jüngeren und er stellte seine Sachen am Rand des Zimmers ab. Anschließend nahm er die zwei leeren Bierflaschen, die auf dem kleinen Wohnzimmertisch vor dem Oma-Sofa standen, um sie zur Kochnische zu tragen. Von dort blickte ihn Aoi ein wenig verwirrt an. „Du bist hier Gast! Du musst doch nicht das Zeug aufräumen, was Reita und ich rumstehen lassen.“ Kanon schüttelte aber nur kurz den Kopf und stellte die Flaschen dann auf die kleine Arbeitsfläche ab. Wieso ihn jetzt plötzlich das Gefühl überkommen hatte, helfen zu müssen, wusste er auch nicht so genau. Vielleicht lag es daran, dass er schließlich nicht einfach blöd in der Gegend rumstehen konnte, während der andere durch die Wohnung zog, um diese für ihn aufzuräumen. Und überhaupt! Bei ihm zu Hause sah es nicht weniger schlimm aus. Immer wenn er gerade dabei war, aufzuräumen, fiel ihm eins seiner PlayStation-Spiele in die Hand, das wieder irgendwo herumgefahren war. Und dann war es sowieso vorbei mit Aufräumen. Außerdem sah es hier doch gar nicht so schlimm aus. Wenn man mal von den Chipskrümeln, die überall auf dem Sofa und drum herum verteilt lagen, und den Essensresten im Bereich der Kochnische absah. Kanons Blick wanderte zu Aoi, der gerade dabei war, die Krümel von der Couch zu fegen – die anschließend natürlich auf dem Boden landeten. Irgendwie konnte er es sich so gar nicht vorstellen, dass der Größere eben einer der drei gewesen war, die er bis unten auf die Straße hatte streiten hören. Ob er ihn wohl auch mal so erleben würde? Lieber nicht. Darauf konnte er wirklich verzichten, auch wenn er bezweifelte, dass es in der Zeit, in der er hier sein würde, ausnahmslos ruhig zugehen würde. Schon allein weil er auf Miyavis Party bemerkt hatte, wie aufbrausend die Gazette-Member sein konnten. Jeder einzelne. Ob das wohl irgendwie mit der Zeit vom einen auf die anderen abgefärbt hatte? Wie schnell ging so was wohl? Nicht, dass er am Ende auch so aufbrausend zurück nach Hause ging. Das würde Teruki mit Sicherheit nicht gefallen. Allerdings war Teruki auch irgendwie daran Schuld, dass er sich überhaupt in so zweifelhafter Gesellschaft befand. Da musste sein Leader eben auch mit den Konsequenzen einer solchen Entscheidung leben. Kanon wurde von einem kräftigen Klopfen aus seinen Gedanken gerissen. „Reita!“ Aois Stimme war so laut und aggressiv, dass der Jüngere zusammenzuckte und dabei fast einen der Teller von der Arbeitsplatte geschmissen hätte. Geschockt sah er den anderen an, der an einer der Türen stand und wieder mit der Faust dagegen hämmerte als wolle er sie einschlagen. Genau in diesem Moment schien sich Aoi an den Besuch zu erinnern. „Er kommt gleich raus“, meinte er zuckersüß zu Kanon, bevor er wieder ein lautes „Reita!“ fauchte. Nervös kaute der Jüngere auf seinem Piercing und hoffte, dass der Angesprochene der „Bitte“ seines Band-Kollegen nicht nachkam. Wobei das lächerlich war. Schließlich war Reita der eigentliche Grund seines Aufenthalts und da brachte ihm es nichts ihr Treffen herauszuzögern. Trotzdem. Er hatte Reita, sowie den Rest dessen Band, erst einmal getroffen und an diesem Abend hatte der Blonde ihn nur gepiesackt, ihm Gras in die Ohren gestopft und versucht ihn zu ertränken. Vielleicht war Letzteres nicht unbedingt mutwillig gewesen, nichtsdestotrotz hatte ihn Aoi damals aus dem Pool fischen müssen. Bei der Erinnerung daran lächelte Kanon seinen damaligen Retter an, welcher dies nur freundlich erwiderte. Als die Tür vor Aois Nase jedoch aufgerissen wurde, wurde sein Blick wieder kalt. „Was ist?!“, hörte Kanon eine knurrende Stimme. Der Gitarrist verschränkte die Arme vor der Brust und sah unbeeindruckt ins Innere des Zimmers, bevor er trocken antwortete: „Wir haben Besuch.“ „Sag bitte nicht Kai ist für ‘ne zweite Runde hergekommen? Mir tun meine Ohren immer noch weh und…“ Der Satz des Zimmerbewohners blieb unvollendet, denn schon hatte Aoi ihn am Arm gepackt und aus seinem Raum geschleift. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte der Gitarrist Reita in Richtung der Kochnische, sodass er ihren Besuch selbst betrachten konnte. Verwirrt sahen sich die beiden Bassisten gegenseitig an. Kanon, weil es das erste Mal war, dass er den Blonden ohne Nasenband sah. Weshalb Reita so überrascht war, wusste er nicht. „Was machst du denn hier?!“ Der schwarzhaarige Bassist hob eine Augenbraue. Was er hier machte? Ja, diese Frage hatte er sich in den letzten Tagen oft gestellt. Was sollte er eigentlich hier und warum hatte er sich nicht dagegen gewehrt? Warum hatte er nicht einfach laut protestiert, als man auf Miyavis Geburtstagsparty über seinen Kopf hinweg entschieden hatte, dass er für einige Zeit zu Reita und Aoi ziehen sollte? Ach ja. Er war betrunken gewesen. Und im Halbschlaf. Sein Pech, wie er im Nachhinein mitbekommen hatte. ~*~ Kanon konnte nicht genau sagen, wie viel Zeit vergangen war, seit sie ihn aus dem Pool gefischt hatten, in dem er nur dank Aoi nicht ertrunken war. Sekunden? Minuten? Vielleicht sogar Stunden? Nein, er konnte es nicht bestimmen. Sein Zeitgefühl war wohl mit Baden gegangen und irgendwo im Pool musste es untergegangen sein. Außerdem war er erschöpft. Er spürte, dass er wegdämmerte, sobald er die Augen schloss. Eigentlich wollte er nicht schlafen, aber sein Körper ließ ihm keine Wahl. Die Stimmen, die er wie im Traum wahrnahm, ergaben gar keinen Sinn, darum kümmerte er sich nicht sonderlich darum. Das Einzige, was er mehr oder weniger mitbekam, waren Reita und Teruki. Sie schienen zu argumentieren… oder so etwas ähnliches. „An Cafe haben keine Basssoli??“, hörte er den blonden Bassisten empört rufen. „Wenige…“, war Terukis Antwort darauf. „Ein Bassist ohne Selbstbewusstsein! Das… Das… Das geht nicht!“, meldete sich wieder Reita zu Wort und schien wirklich fassungslos zu sein. „Da müssen wir was tun!“ Mit dem Gedanken, dass einem der An Cafe-Bassist in nächster Zeit wohl ziemlich Leid tun konnte, was ihm allerdings egal war, solang er jetzt nur ein wenig schlafen konnte, driftete Kanon schon wieder in einen Schlummer ab. Nur, um ein paar Sekunden später schon wieder aus seinem Halbschlaf gerissen zu werden. „Und wo bitte?“ Aois Stimme war laut. Er saß wohl direkt neben ihm. „Auf dem Sofa!“, antwortete Reita wie selbstverständlich. „Hm…“ „Nichts ‚Hm…’. Das wird jetzt so gemacht und Punkt! Der zerstört noch das ganze Bassisten-Image, das Saga und ich aufgebaut haben!“ „Und du meinst also, du schaffst das?“ Aoi klang skeptisch. „Natürlich! Gib mir ein paar Tage und er wird wie neu sein!“ Reita hingegen war wohl eher zuversichtlich. Kanon verstand nichts von dem, über was die beiden da redeten. Mittlerweile hatte sich sogar noch Miku eingemischt und auch Teruki mischte munter mit, aber ihm war das ziemlich egal. Am Besten war es, wenn man ihn einfach schlafen ließ. ~*~ Kanon verfluchte sich immer noch dafür, dass er am besagten Abend vor zwei Wochen nicht besser aufgepasst hatte. Wäre er nicht so eine Schnarchnase, wäre ihm vielleicht nicht entgangen, dass es in diesem Gespräch um ihn ging und er hätte sein Schicksal noch ändern können. Doch jetzt war es zu spät. Reita hatte es sich tatsächlich in den Kopf gesetzt dem schwarzhaarigen Bassisten etwas mehr Selbstbewusstsein einzutrichtern und Teruki hatte das Angebot natürlich sofort angenommen. Als Kanon am Tag nach Miyavis Geburtstagsfeier von dieser Abmachung erfahren hatte, war er mehr als nur abgeneigt gewesen. Das war doch verrückt! Er bezweifelte, dass der blondhaarige Gefühlstrampel ihm zu mehr Selbstwertgefühl verhelfen würde. Eher würde er ihm das letzte Stückchen Selbstbewusstsein auch noch rauben! Und warum er dann auch noch bei Reita einziehen musste, konnte Kanon erst recht nicht verstehen. Doch alles diskutieren und fluchen und betteln half nichts. Teruki hatte sich entschieden. Immer wieder betonte der Leader, was für eine Ehre es doch war, dass ihn einer der populärsten Bassisten Japans unter seine Fittiche nehmen wolle. Dass er die Möglichkeit hatte mit zwei so tollen Musikern unter einem Dach zu leben! Außerdem sei es schon beschlossene Sache. Und da hatte Kanon sich dann geschlagen geben müssen. Vielleicht lernte er ja doch etwas von Reita? Schließlich zweifelte er keinesfalls daran, dass der Blonde ein guter Bassist war. Nur menschlich gesehen hatte Kanon so seine Bedenken. Ironie des Schicksals, dass sich gerade der Auslöser all seiner Zweifel und Diskussionen mit Teruki scheinbar nicht mehr an diese heißumstrittene Abmachung erinnern konnte. Verwundert stand Kanon im Wohnzimmer der beiden Musiker und wusste nicht recht, was er auf die Frage, was er dort mache, antworten sollte. Vielleicht war es ja besser, Reita nicht an sein Versprechen zu erinnern. Dann konnte er einfach wieder nach Hause gehen und diese schwachsinnige Abmachung vergessen. Leider machte ihm Aoi ein Strich durch die Rechnung. Der Gitarrist holte aus und verpasste seinem Mitbewohner einen ordentlichen Schlag auf den Hinterkopf. „Was soll denn diese dämliche Frage? Hast du etwa vergessen, dass du ihn eingeladen hast?!“ „Ich bin doch nicht bescheuert! Ich wusste nur nicht, dass er heute kommen würde!“, war sofort die Antwort. Kanon kam nicht drum herum zu schmunzeln, obwohl er ein bisschen Angst hatte, dass die beiden gleich wieder in einen Streit geraten würden. Er würde sicher nicht so hart durchgreifen können wie Kai. Im Grunde würde er wahrscheinlich gar nicht durchgreifen, da er hier schließlich nur der Besuch war und die beiden ihn dann auch genauso gut sofort wieder rauswerfen konnten. Er hob bei diesem Gedanken die Augenbrauen. Sie würden ihn rauswerfen. Er wäre ganz schnell wieder zu Hause. „Jetzt hör schon auf! Benimm dich mal ein bisschen!“, fuhr Aoi den anderen an, der gerade wieder Luft holte, seinen Blick dann aber auf Kanon richtete und inne hielt als würde er überlegen. Einen Moment war alles still. Der schwarzhaarige Bassist machte sich schon auf was gefasst. Wer wusste schon, was im Kopf des anderen vorging? Endlich öffnete Reita den Mund. „Weißt du… So als Willkommensgruß könnte er uns doch eigentlich was zu Essen holen…“ Wieder herrschte Stille, in der Kanon nur dastand und so perplex war, dass er nicht wusste, was er darauf sagen sollte, und Aoi laut nach Luft schnappen hörte. „Das meinst du jetzt nicht ernst! Er ist unser Gast! Wie oft soll ich das denn bitte noch sagen? Wenn hier einer was zu Essen holen geht, dann bist das wohl du!“, fuhr der ältere Gitarrist Reita an. „Ach…“, meldete sich Kanon kleinlaut zu Wort. Da war ihm doch gerade etwas eingefallen. „Ich hab wirklich Willkommensgeschenke mitgebracht!“ Reitas Augenbrauen wanderten in die Höhe und er sah den Kleineren erwartungsvoll an. Dieser konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Auch wenn ihm der andere Bassist nicht ganz geheuer war, freute er sich doch darauf, auch diesem Mal eins auszuwischen. Er erwartete bestimmt irgendetwas Großes und nicht, dass er ihre Klamotten vor neugierigen Passanten von der Straße gerettet hatte. Ohne ein weiteres Wort zu sagen ging Kanon in die gegenüberliegende Ecke des Raumes, wo er vorher seine Sachen und auch den Kleiderhaufen deponiert hatte. Als er die Kleidungsstücke dann auf das Sofa verfrachtete, starrten seine Gastgeber ihn nur verdutzt an. Kanon schmunzelte. Wenn sie nicht verstanden, dann trieb er das Spiel halt weiter. Der dunkelhaarige Bassist fischte ein Oberteil aus dem kleinen Haufen. Da es schwarz und ziemlich elegant war, fiel es ihm nicht schwer den Besitzer des Stückes zu erraten. „Das ist für dich“, meinte er und drückte es Aoi in die Hand. Als nächstes kam ein weißes Tanktop, dass er freundlich lächelnd an Reita weitergab. Endlich schien der Groschen zu fallen. „Das sind ja meine Klamotten!“, meinte der Blonde ungläubig und sah seinen Mitbewohner betroffen an. „Ich dachte, du hättest die Sachen wieder geholt.“ „Wieso denn ich?“ Allerdings bekam der Gitarrist auf diese Frage keine Antwort. Reita war nämlich dabei sein Eigentum aus dem Haufen zusammenzusuchen. Den Rest schmiss er achtlos durch die Gegend. Kanon konnte sehen, wie Aoi immer wütender wurde. Als eines seiner Oberteile dann auf dem Couchtisch landete und einer der Ärmel in einer Müslischale verschwand, schien dem Ältesten im Raum der Kragen zu platzen. Bevor er jedoch explodieren konnte, meldete sich Reita wieder zu Wort. „Meine Jacke!“ „Welche Jacke?“ Fasziniert stellte Kanon fest, dass alle Wut wieder aus Aois Gesicht gewichen war. „Meine schwarze Lederjacke. Die hast du auch runter geschmissen! Das war meine Lieblingsjacke und jetzt ist sie weg!“ Während Aoi und Reita sich verzweifelt anstarrten, wanderte Kanons Blick durch den Raum. Hätte einer der beiden Bewohner ihm in dem Moment ihre Aufmerksamkeit geschenkt, hätten sie das breite Grinsen in seinem Gesicht gesehen. „Dann habe ich sie wahrscheinlich unten liegen lassen. Am besten du gehst noch einmal nachsehen“, meinte er nun und unterdrückte ein Auflachen. Der Blonde nickte ihm eifrig zu und eilte dann an ihm vorbei Richtung Haustür. „Dann kannst du ja gleich etwas zum Essen mitbringen.“ Kanon befürchtete schon, dass der andere Bassist seinen Plan durchschauen würde, doch dieser schien jetzt zu sehr auf seine Jacke fixiert zu sein. „Mach ich“, rief Reita noch bevor er die Wohnungstür hinter sich zuknallte. Kanon grinste schadenfroh. Vielleicht würde er mit Reita doch nicht so viele Probleme kriegen, wie er anfangs geglaubt hatte? „Er hat keinen Schlüssel mit, oder?“ Der Bassist hörte den anderen, der sich gerade hinter dem Sofa gebückt hatte, um ein paar Klamotten aufzuheben, lachen. „Nein. Und wir lassen ihn so lange nicht rein, bis er uns was zu Essen holt.“ Zwar hatte er Angst, dass Reita dann wieder ausrasten würde, aber immerhin war ja auch noch Aoi da. Und der konnte sich, wie er bewiesen hatte, schon ganz gut gegen den Blonden wehren. Zum Glück klingelte es aber nicht an der Tür, was wohl bedeutete, dass sich der andere damit abgefunden hatte, heute für das Essen zu sorgen. „Bring deine Sachen am besten gleich mit.“ Verwirrt blickte Kanon auf. Wohin mit? Was meinte Aoi? Er sah dem Älteren nach, der mit einem Stapel Wäsche auf den Armen in ein Zimmer verschwand. Wahrscheinlich in sein Zimmer, da aus der Tür, die daneben war und wahrscheinlich in ein anderes Zimmer führte, Reita vorhin gekommen war. Perplex blieb er stehen. Sollte er jetzt Aoi hinterher gehen? Das hatte dieser doch damit gemeint, oder? Und wenn nicht? Was, wenn es eher ein ‚mit auf die Couch’ war? Dann würde er sich total lächerlich machen, wenn er plötzlich mit all seinen Sachen in Aois Zimmer auftauchte. Hin- und hergerissen und völlig verloren blieb er stattdessen im Raum stehen. „Kanon?“, kam es gedämpft aus Richtung Aois Zimmer, kurz bevor ein Kopf an der Tür auftauchte und ihn verwundert musterte. „Ist irgendwas?“ „Äh… Nein.“ Eigentlich wusste er ja nur nicht genau, was er jetzt machen sollte. „Dann bring deine Sachen her. Ich bezieh dir schnell das Bett neu.“ Und schon war Aois Kopf wieder im Inneren des Zimmers verschwunden und ließ einen noch verwirrteren Bassisten zurück. Er würde bei Aoi schlafen? In seinem Zimmer? Vielleicht sogar… mit Aoi zusammen in seinem Zimmer? Mit einem Mal breitete sich ein seltsames Gefühl in ihm aus. Es war kein Unwohlsein, aber wohl war ihm bei dem Gedanken auch nicht. War es dann vielleicht Freude? Weshalb? Aber nein… Freude fühlte sich auch irgendwie anders an. Wieso konnte er dieses Gefühl denn nicht zuordnen? Und überhaupt… Aoi hatte ihm doch eben nur gesagt, dass er in seinem Zimmer schlafen würde! Trotzdem konnte Kanon nichts daran ändern, dass sein Herz etwas zu schnell schlug, als er dann seine Sachen schulterte und Aoi folgte. Kapitel 2: Wie man ein Zimmer in Beschlag nimmt ----------------------------------------------- Kapitel 2 Wie man ein Zimmer in Beschlag nimmt Das Zimmer schien geräumig. Es war groß genug, dass Bett, Schrank und Schreibtisch gut darin Platz hatten. Und wahrscheinlich war es auch groß genug, dass zwei Menschen darin leben konnten, ohne sich gegenseitig auf die Füße zu treten… Wie davor auch im Wohnzimmer, war Aoi schon wieder beim Aufräumen. Kanon überlegte kurz, ob er sagen sollte, dass ihn die Unordnung nicht störte, aber er tat es dann doch nicht. Irgendwie war es auch niedlich, dass der Ältere vor ihm einen guten Eindruck machen wollte. „Eigentlich wollte ich dir ja noch im Schrank etwas Platz machen“, meinte der Gitarrist zu ihm, während er seine Gitarren in einem Eck des Zimmers verstaute. „Aber ich hab’s irgendwie nicht hinbekommen.“ Aoi lächelte ihn etwas verlegen an, woraufhin der Jüngere nur zurücklächeln konnte. „Schon okay. Ich kann gut aus meiner Tasche leben.“ Schließlich war er das von ihren Touren gewohnt. Wenn man nur einen Tag für ein Konzert in der Stadt blieb, lohnte sich das auspacken eben nicht. Besonders nicht, wenn man zu der fauleren Sorte Mensch gehörte und seine wenige Freizeit lieber mit anderen Dingen als aus- und einpacken verbrachte. Allerdings würde sein Aufenthalt dieses Mal länger sein als einen Tag. Wahrscheinlich deutlich länger… Kanon versuchte nicht weiter darüber nachzudenken, wie lange Reita ihn wohl hier behalten würde. Oder wie lange Teruki ihn dazu zwingen würde hier zu bleiben. Stattdessen nahm er Aoi eine Ecke des Lakens ab, welches dieser gerade aus dem Schrank gezogen hatte, und half dem Älteren das Bett neu zu bespannen. Der Gitarrist lächelte ihn dankend an und räumte dann weiter auf. Etwas ratlos stand Kanon im Raum. Er überlegte sich, ob er Aoi helfen sollte, doch dessen eigenes Zimmer aufzuräumen war dann vielleicht etwas zu persönlich. Und zurück ins Wohnzimmer gehen wollte er auch nicht. Da würde er schließlich genauso ratlos herumstehen. Um wenigstens seine Position etwas zu ändern, setzte sich der Bassist auf das Bett. Das durfte er doch, oder nicht? Höchst wahrscheinlich würde er ja darin schlafen. Sonst hätten sie es gerade nicht frisch bezogen. Und Aoi hatte bis jetzt auch noch keine Anstalten gemacht für ihn einen Gästefuton auszurollen. Kanon stutzte. Aber wenn er selbst das Bett bekam und Aoi keine anderen Schlafmöglichkeiten aufbaute, wo würde dieser dann schlafen? „Ähm… Aoi?“ Der Angesprochene drehte sich mit einer leeren Pizzaschachtel in der Hand um und sah den Jüngeren fragend an. „Soll ich dir noch helfen den Futon auszurollen?“ Das war wohl die beste Formulierung. Es wäre doch schon ein bisschen peinlich, wenn er Aoi fragte, wo dieser die nächsten Tage… oder Wochen schlafen würde und am Ende war das Bett dann doch nicht für ihn selbst gedacht. „Welchen Futon?“ Der Gitarrist wirkte verwirrt. Ja, da hatte er es mal wieder. Es würde keinen Futon geben. Aber… wo sollte er denn sonst schlafen? „Na der, auf dem ich schlafe?“, wurde unsicher geantwortet. Das kam schließlich besser als ‚Der, auf dem du schläfst, während ich dein Bett besetze’. Aber statt Kanon zu antworten, ließ Aoi nur den Pappkarton auf den Schreibtisch fallen und verschränkte mit einem Lächeln die Arme vor der Brust. Der Bassist fühlte sich irgendwie unwohl in seiner Haut. Er mochte es zwar, wenn der andere so lächelte, aber irgendwie fühlte er sich dann so… dumm. Als würde er etwas ganz Wichtiges übersehen und Aoi wäre derjenige, den es amüsierte, ihm genau das vor Augen zu führen. „Ich hab nicht für mich das Bett frisch bezogen“, lachte der Ältere dann und nahm den Pappkarton, bevor er wieder ins Wohnzimmer und damit aus Kanons Blick verschwand. Seine Stimme konnte Kanon aber trotzdem ohne Anstrengung hören. „Ich schlaf auf dem Sofa.“ Auf dem Sofa? Da hätte er aber auch von selbst drauf kommen können! Sein Blick fiel durch die Tür auf besagtes Möbelstück. Irgendwie sah es allerdings nicht gerade sehr groß und bequem aus. Das musste er gleich überprüfen, also stand Kanon auf und ging zum Sofa hinüber. Nein, bequem sah das wirklich nicht aus. Und es war klein. Viel zu klein für Aoi, aber eigentlich hatte es die richtige Größe für ihn selbst. Und es war durchgesessen. Und alt. Und er würde den anderen auf keinen Fall darauf schlafen lassen. „Wieso musst du denn eigentlich Platz für mich machen, obwohl mich Reita…“ Er suchte nach dem richtigen Wort, aber irgendwie fand er kein passendes, das seine Situation perfekt beschrieb. „Also, obwohl er mich eingeladen hat?“ Dabei drehte er sich zu Aoi um, der in der Küchenzeile stand und dort hantierte. „Er wollte dich auf der Couch schlafen lassen! Man lässt seine Gäste nicht auf der Couch schlafen. Vor allem nicht auf so einer“, kam sofort die Antwort. „Und als guter Gast lässt man seinen Gastgeber nicht auf der Couch schlafen!“ Auf dem Gesicht des Älteren breitete sich wieder das amüsierte Lächeln aus, welches Kanon so verunsicherte. „Ich hab kein Problem damit auf der Couch zu schlafen, Kanon. Außerdem wirst du den Schlaf mehr brauchen als ich. Mit Reita zusammenzuarbeiten ist nicht einfach. Vor allem, wenn man es nicht gewohnt ist.“ Das Grinsen auf Aois Gesicht wurde hinterhältiger. „Doch wenn ich mir das genauer überlege, glaube ich schon, dass du mit ihm fertig wirst. Du hast ihn schließlich auch dazu gebracht, dass er uns etwas zu Essen holen geht.“ „Also ich zweifel schwer daran, dass ich mit ihm fertig werde“, gestand Kanon und ließ sich dann seufzend auf das Sofa nieder. Er hatte vorher mitbekommen, wie Aoi und Reita miteinander gestritten hatten und konnte sich nicht vorstellen, dass er den Mut dazu aufbringen würde, mit Reita so zu reden wie es Aoi getan hatte. Oder Kai. Der Gazette-Bassist galt als aufbrausend und rücksichtslos. Nicht unbedingt die Art Mensch, mit der sich Kanon sonst abgab. Und gerade mit diesem Person sollte er die nächsten Tage verbringen? Wie sollte er das nur überstehen? „Reita ist gar nicht so schlimm wie immer gesagt wird.“ Verwirrt sah Kanon auf. Konnte Aoi etwa Gedanken lesen? Zumindest schien er den Gemütszustand des Jüngeren erraten zu haben, denn er verließ die Kochnische und setzte sich stattdessen neben Kanon. „Zwar erscheint Reita oft ziemlich gemein und direkt, aber meistens meint er es nicht böse. Und außerdem hast du ja immer noch mich.“ Bei den Worten legte Aoi einen Arm um seinen Nebensitzer und lächelt ihn aufmunternd an. Kanon konnte gar nicht anders als zurückzulächeln und zustimmend zu nicken. Er war Aoi für dessen Unterstützung dankbar, auch wenn er nicht wusste, wieso dieser das tat. Schließlich kannten sie sich eigentlich gar nicht. Daraus ergab sich auch die Frage, wieso sich Kanon bei dem Älterem überhaupt so wohl fühlte. Er kannte ihn genauso lang wie er Reita kannte und dieser löste bei ihm so ungefähr die gegenteiligen Emotionen aus, was ihm natürlich auch sofort wieder vor Augen geführt werden musste. Es klingelte an der Tür und wer konnte es schon anderes sein als Reita, der ja keinen Schlüssel mitgenommen hatte. Missmutig sah Kanon den anderen an. Dieser seufzte kurz und erhob sich dann vom Sofa, um gemächlich zu Tür zu schlendern und dort auf den Summer zu drücken. Warum konnte sich Reita auf dem Heimweg nicht einfach verlaufen? Kaum hatte er diesen Gedanken gedacht, schallte er sich allerdings selbst. Er sollte nicht schon mit dieser Einstellung an die ganze Sache rangehen. Schließlich war es Reita, mit dem er die nächste Zeit über auskommen musste und zumindest versuchen konnte er es doch. Vielleicht war ja wirklich alles halb so schlimm. Er wollte ihm ja schließlich helfen, mehr Selbstvertrauen zu bekommen und dafür sollte Kanon eigentlich dankbar sein. Auch wenn er schon ein wenig Angst vor den kommenden Tagen hatte. Ebenso gemächlich wie er zur Tür geschlendert war, schlenderte Aoi, nachdem er die Wohnungstür geöffnet hatte, wieder zurück zu Kanon, um sich neben ihm fallen zu lassen. Dieser überlegte gerade, was er noch Sinnvolles tun könnte, als sich Reita auch schon in der Wohnung blicken ließ. Bepackt mit ein paar Tüten, die ziemlich stark nach Fastfood aussahen, und seiner schwarzen Lederjacke, die er angezogen hatte und die zugegebenermaßen ziemlich cool aussah. Der Blonde streifte sich die Schuhe ab und ließ anschließend die Tüten auf den kleinen Couchtisch fallen. „Das machst du nicht noch mal mit mir!“, funkelte er Aoi an. Der schwarzhaarige Bassist sackte ein wenig in sich zusammen. Eigentlich war er es ja gewesen, der den anderen aus dem Haus geschickt hatte. Sollte nicht eher er von Reita angegiftet werden? Es gefiel ihm nicht, dass der Gitarrist jetzt für seine Handlungen geradestehen musste. „Stell dich nicht so an!“, erwiderte dieser und zog eine der Tüten zu sich her. „Du warst sowieso mit Essen machen dran.“ „Das stimmt doch gar nicht!“ Aoi verdrehte die Augen, beließ es aber dabei und warf einen Blick in die Tüte. Kanon konnte eindeutig den Geruch von Fast-Food wahrnehmen. Pommes und Hamburger. Ein Schmunzeln schlich sich auf sein Gesicht. Das verstanden die beiden also unter „Essen machen“. Damit hatte er seine Rolle für die nächste Zeit wohl gefunden. Auch wenn er jetzt keine große Abneigung gegen Fast Food hatte und auch sicher nicht so gut Kochen konnte wie Kai – gut, er hatte dessen Kochkünste zwar noch nie selbst bewundern dürfen, aber Nao erzählte gern davon – machte ihm Kochen doch relativ wenig aus. Und außerdem war er froh, wenn er sich zu etwas Nütze machen konnte. „Willst du auch ein Bier, Kanon?“ Verwundert sah der Angesprochene Aoi an, der schon wieder aufgestanden und in Richtung Kochnische verschwunden war. „Ähm…“ „Wir haben auch was anderes, wenn du kein Bier willst!“, stellte der Gitarrist sofort klar. Eigentlich war Kanon kein echter Biertrinker. Natürlich floss auch Alkohol, wenn er mit seinen Freunden unterwegs war, aber er war nie der Typ gewesen, der abends zu Hause noch ein Bier trank, um sich zu entspannen. Auf der anderen Seite hatte er auch keine Lust wie ein kleines Kind dazustehen. Wahrscheinlich wartete Reita nur auf so einen Moment, um sich über ihn lustig zu machen. „Bier ist völlig okay. Danke.“ Aoi nickte ihm noch einmal zu und holte aus dem Kühlschrank drei Bier. Nachdem er sie geöffnet hatte, drückte er eins davon Reita in die Hand, der sich auf den alten Sessel niedergelassen hatte. Dieser sah ihn etwas überrascht an. Anscheinend war es bei den beiden nicht unbedingt normal sich gegenseitig etwas Nettes zu tun und so schien diese kleine freundschaftliche Geste den Blonden nicht nur zu verwundern, sondern auch zu besänftigen. Sofort versuchte sich Kanon den Trick einzuprägen. Der konnte ihm vielleicht noch selbst von Nutzen sein. „Habt ihr beiden in meiner Abwesenheit wenigstens etwas Sinnvolles gemacht und euch überlegt welchen Film wir anschauen sollen?“ Jetzt war es an Aoi seinen Mitbewohner überrascht anzuschauen. „Ich wusste nicht, dass wir einen Film schauen wollten“, gestand der Schwarzhaarige und setzte sich wieder zu Kanon, der dankend das Bier entgegennahm. „Was hast du denn gedacht, was wir heute Abend noch machen? Wir bilden garantiert keinen Sitzkreis und erzählen uns gegenseitig aus unserer Kindheit.“ Der Gitarrist überging den Kommentar seines Freundes gekonnt und richtete seine Aufmerksamkeit auf Kanon. „Was für einen Film willst du denn sehen?“ Der Angesprochene sah seine Gastgeber, die ihn beide erwartungsvoll musterten, perplex an. Was war das denn für eine Frage? Er wusste doch gar nicht, welche Filme zur Auswahl standen! Und selbst wenn, wär ihm die Entscheidung wohl schwer gefallen. „Ähm…“, meinte er überlegend, als sein Blick auf das Fast Food vor ihm fiel. „Am besten irgendetwas, bei dem mir nicht der Appetit vergeht?“ Sein Nebensitzer begann zu lachen. „Tja Rei, das schränkt deine Sammlung ungefähr auf die Hälfte ein.“ „Die besten Filme sind eben kein Kinderkram!“ Wie zum Trotz griff der Angesprochene in die Tüte und holte zwei Pommes raus, um sie sich in den Mund zu stecken. Grinsend stand Aoi auf und bedeutete Kanon mitzukommen. Dieser erhob sich etwas verwirrt und folgte dem anderen zu dem DVD-Regal, das zwischen Eingangsbereich und einer weiteren Tür stand, die wohl nach dem Ausschlussverfahren das Badezimmer sein musste. „Such du am besten was aus.“ Damit deutete der Ältere auf die DVDs und begann dann aber trotzdem selbst den Blick über die Titel gleiten zu lassen. Kanon war das irgendwie gar nicht recht. Viel lieber würde er sich auf das Sofa setzen und irgendeinen Film ansehen, den die anderen ausgesucht hatten. Egal wie wenig ihm der Film gefallen würde. „Wenn du dich an die hier hältst“, meinte Aoi ein wenig leiser als vorher und deutete auf die linke Seite des Regals, während er dem Kleineren zuzwinkerte, „dann hast du Reita für heute um den Finger gewickelt. Das sind seine Lieblingsfilme.“ Der Bassist konnte nicht anders als zu grinsen und sich eine weitere mentale Notiz zu machen: Filme von der rechten Seite des DVD-Regals nicht in Anwesenheit des anderen Bassisten auswählen. Kanon war wirklich heilfroh, dass Reita nicht alleine wohnte. Wie um Himmels willen sollte er das sonst ohne Hilfe schaffen? --- Reita hatte die Hülle von Crank erfreut entgegengenommen und die DVD in den Player gelegt. Kanon hatte den Film zwar noch nicht gekannt und sich auch auf einiges eingestellt, allerdings war er im Endeffekt gar nicht so schlecht gewesen. Und der Appetit war ihm auch nur teilweise vergangen. Aber da hatte er schon weitaus schlimmere Filme gesehen. Gegen eins waren sie ins Bett gegangen. Reita in sein Zimmer und Kanon hatte Aoi noch geholfen das Sofa schlaftauglich – das hieß, eine Decke darüber legen – zu machen und dessen Bettzeug ins Wohnzimmer zu bringen. Dann hatte der Ältere ihm eine gute Nacht gewünscht und in sein Zimmer gescheucht. Der Wecker zeigte 8.36 Uhr an, aber Kanon fühlte sich ausgeschlafen, obwohl er lange aufgrund von schlechtem Gewissens Aoi gegenüber nicht einschlafen konnte. Er versuchte sich selbst damit zu beruhigen, dass die Couch trotz ihres Alters, recht bequem war. Schließlich hatte er gestern selbst einige Stunden darauf verbracht. Allerdings musste das nicht bedeuten, dass man auf dem Sofa auch gut schlafen konnte. Kanon legte sich auf den Rücken und starrte an die Decke. Das Bett war wirklich bequem. Und so viel größer als sein eigenes. Eigentlich hatte er damit gerechnet, dass er sich in seiner Situation unwohler fühlen würde. Schließlich befand er sich hier in einem fremden Schlafzimmer. Und das Zimmer gehört nicht einmal einer Person, die er gut kannte. Trotzdem fühlte Kanon sich völlig entspannt. Was ihm natürlich ein noch schlechteres Gewissen bereitete. Der Bassist seufzte resigniert. Das war sein erster Tag und er hatte jetzt schon das Gefühl eine riesige Last zu sein. Wenn er wenigstens Reitas Last sein würde! Der hätte es schließlich verdient! Kanon warf die Decke zur Seite und stand auf. Er hatte keine Lust mehr sich schuldig zu fühlen und wenn er den halben Tag in Aois Bett rumlag, würde das Gefühl sicher nicht weggehen. Er wollte etwas Sinnvolles tun! Der Bassist war aufgesprungen und hielt schon entschlossen die Türklinke in der Hand, als im etwas auffiel. Von der anderen Seite der Tür waren keine Geräusche zu hören. Keine Schritte. Keine angeschaltete Kaffeemaschine. Gar nichts. Warum sollte man auch etwas hören? Seine beiden Gastgeber kamen ihm nicht gerade wie Frühaufsteher vor. Frustriert ließ Kanon die Türklinke wieder los. Er konnte nicht ins Wohnzimmer gehen. Aoi schlief darin! Es würde sein Gewissen garantiert nicht beruhigen, wenn er den Älteren nicht nur um sein Bett, sondern auch noch um seinen Schlaf bringen würde. Nur was sollte er solange machen, bis seine Gastgeber wach waren? Kapitel 3: Wie man zum Unterhaltungsprogramm beiträgt ----------------------------------------------------- Es war nicht so, dass er nichts zu tun gehabt hätte. Nur weil er von Reita auf unbestimmte Zeit „eingeladen“ worden war, hieß das nicht, dass er seine Bandaktivitäten vernachlässigen durfte. Er musste Texte schreiben, Lieder komponieren und ihre neuen Songs einproben. Allerdings fühlte sich Kanon gerade ziemlich unkreativ und es war garantiert keine gute Idee mit Bassspielen anzufangen, solange Reita und Aoi noch schliefen. Da steckte er wohl im Zwiespalt! Ob er wohl statt zu frühstücken duschen gehen konnte? Würde er die anderen damit aufwecken? Ach, er würde es einfach ausprobieren. Schließlich konnte er ja nicht ewig hier rumsitzen und darauf warten, dass die anderen aufwachten. Immerhin war es 8.47 Uhr – wie ihm die Leuchtanzeige des Weckers verriet – und er konnte sich gut vorstellen, dass die anderen bis 10 oder 11 schliefen, wenn keine Proben oder sonstigen Termine anstanden. Kanon ließ sich Zeit dabei, frische Sachen und Duschutensilien aus seiner Tasche zu ziehen, und drückte dann langsam die Klinke nach unten. Es war wirklich noch niemand wach. Er konnte Aois leisen Atem hören und aus Reitas Zimmer drang überhaupt kein Geräusch. Vorsichtig tapste er barfuß ins Wohnzimmer. Die Rückenlehne verwehrte ihm den Blick auf Aoi, aber die Füße, die an der Seite unter der Decke hervorsahen, und das stetige Atmen verrieten den Älteren. Ohne wirklich zu wissen warum, machte der Bassist ein paar Schritte auf das Sofa zu, bis er den anderen sehen konnte. Dessen Kopf ruhte auf der Armlehne. Es sah nicht gerade angenehm aus und Kanon durchfuhr erneut ein Gefühl des Unbehagens. Aoi war zu groß für das Sofa. Eindeutig. Er würde sich mit ihm später noch einmal darüber unterhalten und ihm noch einmal anbieten, selbst auf der Couch zu schlafen. Aber zuerst machte er sich auf den Weg ins Bad, um dieses zu begutachten und anschließend zu duschen. Nachdem sich Kanon die Haare mit dem Handtuch so gut es ging getrocknet hatte und gerade seine alten Klamotten zusammensuchte, hörte er aus dem Wohnzimmer, wie jemand mit Geschirr hantierte. Ein Seufzen entwich ihm. Er hatte also doch jemanden geweckt. Wahrscheinlich Aoi. Klasse. Noch einmal tief durchatmend öffnete er die Tür und wurde gleich mit einem fröhlichen „Morgen“ begrüßt. Der Gitarrist stellte gerade zwei Schüsseln auf den Tisch, während er Kanon anlächelte, und drehte sich anschließend wieder um, um eine Schublade zu öffnen und Löffel daraus zu nehmen. „Morgen“, wurde ihm ein wenig verwundert geantwortet. Einen so gut gelaunten Aoi hatte Kanon eigentlich nicht erwartet. Er selbst war schließlich auch nicht gerade gut gelaunt, wenn er von jemandem geweckt werden würde, der unbedingt der Meinung war am frühen Morgen, während alle noch schliefen, duschen zu müssen. „Wir haben leider nur Cornflakes da. Reita hats mal wieder nicht auf die Reihe bekommen, einkaufen zu gehen.“ „Ich habe auch selten etwas anderes zum Frühstücken da“, antwortete der Jüngere, woraufhin ihn Aoi entschuldigend anlächelte. „Ich meinte damit, dass wir überhaupt nichts anderes mehr im Haus haben.“ Kanon konnte nur schmunzelnd den Kopf schütteln. Er fragte sich wirklich wie die beiden es schafften, zusammen einen Haushalt zu führen ohne dabei zu verhungern. Der Bassist war schon auf dem Weg zum Tisch, um zu inspizieren, um was für Cornflakes es sich handelte, als ihm einfiel, dass er noch beide Hände voll hatte. Auch Aoi schien das nicht entgangen zu sein. „Vielleicht ist es geschickter, wenn du dein Waschzeug im Bad lässt. Schieb Reita und meine Sachen einfach etwas zur Seite. Deine Schmutzwäsche kannst du in den Wäschekorb schmeißen.“ Damit war für den Gitarristen das Thema erledigt und er widmete sich der Kaffeemaschine. Unsicher ging Kanon zurück ins Badezimmer. Es war ein eigenartiges Gefühl seinen Waschbeutel auf eine fremde Ablage zu stellen. Noch eigenartiger war es allerdings seine getragene Unterwäsche in einen fremden Wäschekorb zu legen. Erneut wurde ihm bewusste, dass er Aoi und Reita gar nicht richtig kannte. Was zum Teufel machte er eigentlich hier? Nachdem er seinen Schlafanzug zurück in Aois Zimmer gebracht hatte, setzte er sich endlich an den Esstisch. „Kaffee?“, wurde er freundlich gefragt, worauf er nickte. „Mit Milch oder Zucker?“ „Beides, bitte.“ Verstohlen beobachtete Kanon seinen Gastgeber wie dieser die Milch aus dem Kühlschrank nahm. Wenn die ganze Situation für ihn schon komisch war, wie seltsam musste es erst für Aoi sein, einen Fremden bei sich wohnen zu lassen? Allerdings schien der Ältere seine neue Wohnlage nicht wirklich unangenehm zu finden. Summend stellte der Gitarrist die Tasse auf den Tisch und schenkte sich dann selbst eine ein. Kanon musste schmunzeln, als er sah wie Aoi seinen Kaffee trank. Schwarz. Das passte irgendwie. „Was ist?“, fragte ihn sein Gegenüber und lächelte ihn dabei selbst leicht an. Kanon schüttelte den Kopf. Er hatte nicht unbedingt Lust diesen Gedankengang zu erläutern. Stattdessen wechselte er das Thema. „Hast du gut geschlafen?“ Auf die Frage hin wurde das Lächeln des Älteren breiter. „Ich hab sogar sehr gut geschlafen und wag es ja nicht mich jetzt zu fragen, ob du nicht lieber auf dem Sofa schlafen sollst!“ Obwohl der Ältere immer noch lächelte, wollte Kanon dessen Geduld nicht überstrapazieren. „Na gut…“, meinte er darum leise murrend und nahm seine Tasse, um vorsichtig daran zu nippen. „Also… Was wollen wir heute machen?“ Aoi setzte sich und schüttete die Cornflakes in die Schüssel vor sich. Es klang fast so, als würden sie gerade Urlaub in Tokyo machen und den Tagesablauf für ihre Freizeit planen. Heute würden sie sich Akihabara anschauen, morgen Harajuku und übermorgen das Budokan. Unwillkürlich musste Kanon seufzen. Das Budokan. Erneut wurde ihm bewusst, dass er mit Gazette definitiv nicht in derselben Liga spielte. Sie hatten dieses Ziel schließlich schon erreicht. Wer wusste wann und ob An Cafe jemals soweit waren, um im Budokan spielen zu können. Als er wieder aufsah, hatte Aoi eine Augenbraue gehoben und blickte ihn fragend an. Der Bassist wich aber auch dieser indirekten Frage nach seinen Gedanken aus. „Was hat Reita denn vor?“ „Ach, der schläft jetzt erstmal noch bis Mittag. Versuch ihn am Besten gar nicht zu wecken. Wenn Rei mal schläft, dann wie ein Stein. Und wenn es doch mal passiert, dass er von irgendwas aufwacht, dann ist seine Laune im Keller.“ Dieser Gedanke schien den anderen ins Grübeln zu bringen. „Das bedeutet allerdings auch, dass wir nichts zum Mittagessen dahaben werden.“ „Ich kann Einkaufen gehen!“ Das war seine Chance, sich nützlich zu machen. Zwar hatte Kanon auch nichts dagegen, hier Zeit mit Aoi zu verbringen, aber die würde er in den nächsten Wochen ja sowieso noch haben. Und er konnte schließlich nicht einfach tatenlos hier rumsitzen, bis Reita mal von sich aus aufwachte. „Kommt nicht infrage! Reita ist dran.“ Seelenruhig tauchte der Gitarrist seinen Löffel in die in Milch schwimmenden Cornflakes. Es schien so als wäre er gar nicht bereit darüber zu diskutieren. „Aber dann haben wir nichts zu essen“, erinnerte ihn Kanon. „Hm…“ Aoi schob sich den Löffel in den Mund. „Ich find schon alles. Und dann kann ich ja gleich noch was kochen… Wenn ihr wollt“, fügte der Jüngere hinzu. Der andere sah ihn nachdenklich an. „Wir hatten schon lang nichts Selbstgekochtes mehr“, gab er dann zu bedenken und sah schon fast sehnsüchtig den Herd an, auf dem sich das Geschirr stapelte. Kanon grinste stolz. „Dann hätten wir das ja geklärt!“ Er wusste selbst nicht genau, wieso er so versessen darauf war das Mittagessen zu machen. Eigentlich kochte er nicht unbedingt gerne, doch jetzt freute er sich richtig darauf. Es war schön eine Möglichkeit zu haben sich nützlich zu machen. Nur Aoi schien seine Freude nicht nachvollziehen zu können und musterte ihn skeptisch. „Also, wenn du willst, kannst du ruhig kochen, aber du musst nicht! Ich will nicht, dass Reita und ich eine Last für dich sind.“ Kanon verdrehte die Augen. Das war doch ein Scherz! Da überließ der Kerl ihm sein Zimmer und teilte seine Wohnung mit ihm und hatte wirklich Angst davor IHM zur Last zu fallen? Der Bassist machte schon den Mund auf, um seinen Gastgeber das alles an den Kopf zu schmeißen, als der nur lächelnd abwinkte. „Schon gut, ich kann mir denken, was du sagen willst“, meinte Aoi nur schmunzelnd. Kanon lächelte zurück, wenn auch etwas verwirrt. Jetzt war er erst einen Tag da und Aoi konnte schon seine Gedanken lesen? Wo sollte das nur enden? „Wie wär’s wenn wir erst einmal das Frühstück hinter uns bringen, bevor wir das Mittagessen planen?“ Stimmt! Kanon hatte vor lauter Planung fast vergessen, dass er noch nicht einmal die erste Mahlzeit des Tages hinter sich gebracht hatte. Wie sein Gastgeber schon zuvor schnappte sich der Jüngere Flakes und Milch und füllte mit beidem seine Schüssel. Schweigend aß Kanon sein Frühstück und sah dabei immer wieder verstohlen seinen Gegenüber an. Die Stille in der Wohnung war nicht unangenehm, aber trotzdem etwas eigenartig. Kanon war es gewohnt alleine oder mit seiner ganzen Band zusammen zu frühstücken. Das bedeutete, dass entweder sein Fernseher lief oder dass Miku die ganze Zeit quasselte. In beiden Fällen fühlte er sich jedenfalls nicht dazu verpflichtet, sich aktiv am Unterhaltungsprogramm zu beteiligen. Hier sah das irgendwie anders aus. „Hm…“ Kanon sah auf. Aoi schien irgendwas sagen zu wollen, während er ihn überlegend ansah und dabei schluckte. „Hast du was dagegen, wenn ich Musik anmache?“ Als der Jüngere daraufhin den Kopf schüttelte, stand der Gitarrist auf und ging zu der Anlage, die neben dem Regal voller PlayStation-Spiele und CDs stand, um sie einzuschalten. Anschließend betrachtete er den Inhalt des Regals. „Wir haben hier meistens Musik laufen. Ist eine Angewohnheit… Aber wenn es dich stört, musst du Bescheid sagen.“ Kanon nickte, auch wenn er sich nicht sicher war, ob er wirklich etwas sagen würde, wenn ihn die Musik störte. Jetzt war er allerdings ganz froh, dass Aoi wohl auch nicht so gern am stillen Frühstückstisch saß und den CD-Player in Gang setzte. Das ersparte peinliche Minuten der Stille. Die folgende Frage warf den Jüngeren allerdings ein wenig aus der Bahn. „Macht es dir etwas aus, wenn wir Musik von euch hören?“ Aoi hielt ihre neuste CD hoch und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen fragend an. Ohne Nachzudenken schüttelte Kanon den Kopf. Er machte das fast schon automatisch. Immer, wenn ihn jemand fragte, ob es ihm etwas ausmachte, schüttelte er den Kopf. Er war einfach nicht der Typ dafür, seine eigene Meinung durchzusetzen oder den anderen Probleme zu machen, indem er auf dieser eigenen Meinung beharrte. Nur… war er nicht genau deshalb hier? Weil Reita ihm mehr Selbstbewusstsein geben wollte? Da hatte der andere wohl einiges an Arbeit vor sich. Nachdem Aoi die CD eingelegt hatte, wurde Kanon nur noch mulmiger zumute. Im Grunde hatte er nichts dagegen, wenn man in seiner Gegenwart die Musik seiner Band hörte. Es machte ihn stolz. Jeden Musiker machte das schließlich stolz. Es war eine Bestätigung an die eigenen Fähigkeiten. Und trotzdem fühlte er sich unwohl, als sich der Gitarrist wieder an den Tisch setzte und ihm ein Lächeln schenke, bevor er weiteraß. Nur langsam führte Kanon den Löffel zum Mund. Was genau störte ihn denn gerade? Er konnte es sich selbst nicht erklären. Irgendwie hatte er plötzlich das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Was, wenn Aoi sein Bassspiel nicht gefiel? Kanon schallte sich innerlich selbst für diesen Gedanken. Der Gitarrist hatte die Musik sicher nicht angemacht, um ihm zu sagen, dass er ihn scheiße fand. Und selbst wenn, sollte ihm das doch eigentlich egal sein! Magnya Carta war ein Meisterwerk und davon war er überzeugt! Zumindest war er das noch vor einigen Minuten gewesen. Denn als sein Gegenüber ihn lächelnd anblickte, wusste er genau, dass es ihm eben nicht egal war, was der andere von ihm dachte. „Die Musik zu dem Lied hast du geschrieben, oder?“ Kanon nickte verwirrt auf die Frage, woraufhin Aoi ihn nur angrinste. Mit einem „Gefällt mir“, schob sich der Gitarrist wieder einen Löffel Frühstücksflocken in den Mund. Kanon wusste nicht, was er darauf antworten sollte, also wartete er, bis Aoi fertig gekaut hatte und ihm die nächste Frage stellte. „Wie viele der Lieder hast du geschrieben?“ „Die Hälfte.“ Kanon spürte wie sein Selbstbewusstsein langsam zurückkehrte, als der Ältere ihn mit großen Augen anstarrte. „Wow, das ist beeindruckend. Ich sollte mir an dir ein Beispiel nehmen. Ich bin einfach zu faul.“ Dem Bassisten stieg automatisch die Hitze ins Gesicht. Musste ihn der Gitarrist bei diesen Worten auch noch so einen ehrlich beeindruckten Blick schenken? „Faul bin ich auch“, druckste der Kleinere rum, dem der Verlauf des Gesprächs doch etwas peinlich wurde. „Würde Teruki mich nicht ständig dazu zwingen etwas zu machen, hätte ich sicher kein einziges Stück geschrieben.“ Sein Gegenüber lachte bei dieser Bemerkung auf. „Das kenn ich. Kai kann auch ein richtiger Sklaventreiber sein!“ Ein verständnisvolles Lächeln breitete sich auf den Lippen des Bassisten aus. Über den Leader zu lästern, gehörte doch schon viel mehr zu seinen bevorzugten Themen am Frühstückstisch. Und Aoi schien es nicht anders zu gehen. Eine ganze Weile unterhielten sie sich über ihre Bandmitglieder und deren Macken. Anfangs war es vor allem Aoi, der erzählte, doch Kanon taute schnell auf und begann dann viel unbefangener mit dem Älteren zu reden. Gerade als er das Gefühl hatte, dass die nächste Zeit vielleicht doch nicht ganz so schlimm werden würde, wie er befürchtet hatte, stapfte Reita durch die Tür auf direktem Weg zur Kaffeemaschine. Es sah nicht danach aus als hätte er sich schon umgezogen. Ganz zu schweigen von den Haaren des Bassisten. Kanon fand dessen ganzes Auftreten fast schon niedlich. „Dir auch eine guten Morgen!“ Auf Aois sarkastische Begrüßung hin hob Reita kurz den Blick, musterte sie und murmelte anschließend ein „Morgen“, bevor er sich eine Tasse Kaffee eingoss und anschließend mit dem Rücken an die Kücheneinrichtung gelehnt stehen blieb. Sein Blick wanderte eindringlichen zwischen ihnen hin und her, was Kanon dazu brachte, sich ziemlich unwohl zu fühlen. Was sollte dieser Blick denn? Es sah fast danach aus als würde sich der blonde Bassist gerade überlegen, ob er es gut fand, dass sein Besuch immer noch da war oder ob er ihn lieber doch gleich wieder vor die Tür setzen sollte. „Und? Was hast du heute vor?“, kam es aber stattdessen nur. Kanon blickte den anderen an. Was er vorhatte? Was war das denn für eine Frage? Schließlich war es doch eigentlich Reita, der irgendwas mit ihm vorhaben sollte! Er war doch nur hier, um von Reita Lektionen in Sachen Selbstvertrauen zu bekommen. Sollte da nicht dieser eigentlich den Tagesablauf bestimmen? „Kanon kocht heute für uns“, kam ihm Aoi zur Hilfe. Er musste bemerkt haben, dass der Kleinere nicht richtig wusste, was er antworten sollte. „Aber es ist wohl besser, wenn du das erst heute Abend machst.“ „Warum?“ Der Schwarzhaarige sah den anderen verwirrt an. Warum sollte er kein Mittag machen? „Na schau mal auf die Uhr!“ Aoi deutete auf die Küchenuhr neben der Mikrowelle. Es war schon nach 11 Uhr. Bis Kanon einkaufen gewesen war und gekocht hatte, würde es Nachmittag sein. „Außerdem“, fuhr der Gitarrist fort. „Haben wir ja eben erst gefrühstückt. Ziehen wir das Abendessen also lieber etwas vor und lassen das Mittag ausfallen.“ Der Jüngere blickte Reita an, der wiederum mit erhobener Augenbraue Aoi anstarrte. Stimmt. Der Blonde hatte ja noch gar nichts gegessen. Zu Kanons Überraschung zuckte dieser dann aber nur mit den Schultern. „Wehe du machst etwas mit Pilzen. Ich kann Pilze nicht ausstehen.“ Damit schien das Thema für Reita geklärt zu sein, denn er setzte sich Kanon gegenüber an den Tisch und trank stumm seinen Kaffee. Aoi nickte zufrieden. „Gut. Dann geh ich nur noch schnell duschen und dann können wir schon los einkaufen!“ Der Ältere grinste Kanon so enthusiastisch an, dass dieser gar nicht wusste, was er antworten sollte. Eigentlich hatte er ja vorgehabt alleine zu gehen und sich ein bisschen die Gegend anzuschauen. Etwas Zeit für sich alleine zu haben. Allerdings wollte er auch nicht so unhöflich sein und Aoi zurückweisen. Er war schon kurz davor dem anderen zuzusagen, als sich Reita wieder einmischte. „Jetzt lass den Kleinen doch alleine gehen. Wie soll er denn selbstbewusster werden, wenn du ihn ständig bemutterst?“ Anscheinend war Aoi nicht der Einzige, der die Gedanken seines Gastes lesen konnte. Wobei Kanon dem Gitarristen diesen Gedanken niemals mitgeteilt hätte. Und wenn, dann wohl mit einem ganz anderen Wortlaut. „Ich bemutter hier niemanden! Außerdem weißt du ganz genau, dass ich Recht habe oder soll ich dich daran erinnern, wie oft wir uns in den ersten Wochen nach unserem Umzug hier verlaufen haben?“, fauchte Aoi woraufhin sein Mitbewohner nur die Augen verdrehte. Trotzdem stand der Blonde von seinem Platz auf und setzte sich neben Kanon, was diesen etwas überrumpelte. Zwar ging es in dieser kleinen Auseinandersetzung um ihn, aber er hatte nicht das Gefühl gehabt, dass er mit eingebunden werden würde. Hilflos sah er Aoi an, der auch nur mit den Schultern zucken konnte und gespannt seinen Mitbewohner beobachtete, der in dem Haufen Zeitschriften, welcher noch auf dem Esstisch lag, irgendetwas zu suchen schien. Nach einiger Zeit zog er dann triumphierend einen Block aus dem Zeitschriftenhaufen, woraufhin die meisten Magazine auf den Boden landeten. Entweder hatte der Blonde das neu entstandene Chaos nicht gemerkt oder es war ihm egal, denn er schnappte sich noch schnell einen Stift, der auf dem Tisch lag und wandte sich an seinen Nebensitzer. ______ In dem Kapitel is nich so viel passiert... Sorry >__< wir hoffen natürlich, es hat euch trotzdem gefallen ^^ Kapitel 4: Wie man sich vom Original ablenken lässt --------------------------------------------------- Vielen lieben Dank an unsere Kommischreiben ^___^ Wir würden uns auch diesmal wirklich sehr freuen, wenn der ein oder andere n Feedback da lassen würde. Kapitel 4 Wie man sich vom Original ablenken lässt In der einen Hand zwei schwere Taschen voller Lebensmittel, in der anderen Hand den Zettel, auf den Reita einen ziemlich wirren Plan gezeichnet hatte, suchte Kanon jetzt den Heimweg. Wobei die Betonung wirklich auf „suchen“ lag. Er hatte sich nämlich verlaufen. Etwas, was er eigentlich unter allen Umständen hatte vermeiden wollen. Zwar hatte er die Handynummern der anderen beiden, da Aoi darauf bestanden hatte, dass er wenigstens sie besaß, wenn irgendwas schief ging, aber er wollte nicht anrufen. Das wäre dann so eine Art Niederlage. Reita erwartete von ihm, dass er wenigstens alleine einkaufen und wieder nach Hause finden würde! Und eigentlich konnte man so etwas auch von einem erwachsenen Menschen – immerhin war er volljährig! – erwarten. Ja, so etwas konnte man von einem erwachsenen Menschen erwarten, aber anscheinend zählte er nicht dazu. Seufzend stellte er die beiden Taschen an einer Hauswand ab. Eigentlich hatte er gar nicht so viel kaufen wollen, aber als ihm eingefallen war, dass die beiden ja wirklich fast nichts zu Hause hatten, war der Einkaufskorb immer voller geworden. Während er sein Handy aus der Tasche zog, überlegte er, wen er denn nun anrufen sollte. Und irgendjemand musste er anrufen, schließlich war es schon Nachmittag und er konnte ja nicht ewig hier herumirren. Sein Gefühl sagte spontan „Aoi“. Aber den hatte er heute Morgen schon genug belästigt und außerdem war es ja Reita, der ihn eingeladen hatte. Andererseits wollte er Reita nicht erklären, dass er sich wirklich verlaufen hatte. Dank dessen genialer Wegbeschreibung, die absolut niemand verstehen konnte. Letztendlich rief er Aois Nummer mit der Begründung auf, dass ihn dieser zumindest nicht auslachen würde und er Reitas strafenden Tonfall dann noch ein paar Minuten länger hinauszögern konnte. Es tutete. Lange. Kanons Aufregung stieg immer weiter. Bis das Tuten verschwand und ein harsches „Ja?“ am anderen Ende zu hören war. Er hob die Augenbraue. Das klang aber nicht gerade freundlich. „Ähm… Aoi?“ „Der duscht gerade.“ Verdammt. Wenn er Glück hatte, wurde seine Nummer nicht angezeigt und er konnte noch schnell auflegen. „Wer ist denn da?“, klang die genervte Stimme Reitas aus dem Hörer, woraufhin der Jüngere verärgert „Kanon!“ antwortete. Machte der Blonde es eigentlich mit Absicht, dass er immer so tat als würde er seinen Gast nicht kennen? Im nächsten Moment schlug sich Kanon selbst gegen die Stirn. Erst wollte er die Tatsache, dass Reita seine Stimme nicht erkannte, ausnutzen, um aufzulegen, und dann regte er sich so darüber auf, dass er dem anderen seinen Namen unter die Nase rieb. Das mit dem Auflegen konnte er jetzt vergessen und das verdankte er nur seinem dummen Stolz! Jetzt hieß es Augen zu und durch. „Und warum rufst du an? Hast du dich etwa verlaufen und findest nicht mehr nach Hause oder was ist los?“ Eigentlich hätte Kanon sich keine bessere Vorlage wünschen können, doch die Verächtlichkeit in Reitas Stimme machte es ihm nicht leichter die Wahrheit zuzugeben. „Ähm…“ „Das gibt’s doch nicht! Du hast dich echt verlaufen!“ Der Blonde seufzte theatralisch als wäre er derjenige, der orientierungslos und schwer bepackt in einem völlig fremden Stadtteil herumirrte. Am liebsten hätte Kanon geantwortet, der andere solle sich nicht so aufspielen, doch das traute er sich dann doch nicht. Lieber ließ er den Älteren eine Weile rumfluchen, bis er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. „Wie kann man nur so dämlich sein! Ich hab dir extra eine Karte gezeichnet!!“ „Auf der kann man gar nichts erkennen“, rechtfertigte sich der Schwarzhaarige dann doch, woraufhin ein erneutes Seufzen kam und die erste konstruktive Frage. „Wo bist du denn jetzt?“ Kanon schaute sich suchend um. „Hier sind nur Wohnhäuser und ein kleiner Park.“ Erneutes Seufzen. Erneutes Fluchen. „Bist du blind? Den hab ich dir eingezeichnet!“ Skeptisch sah der Jüngere auf die missglückte Zeichnung. „Wo?“ „Irgendwo unten. Die Blume da!“ Am liebsten hätte Kanon jetzt laut aufgeseufzt. Erstens sah das Symbol nur mit ganz viel Fantasie einer Blume ähnlich und zweitens konnte er ja nicht erahnen, was der Blonde damit ausdrücken wollte. „Ich habs“, meinte er deshalb nur kurz und legte nach einem „Dann bis gleich“ von Reita auf. Ein klein wenig wütend war er ja schon. Jetzt hatte er sich umsonst halb blamiert, nur weil der Blonde keine vernünftige Karte zeichnen konnte! Er wusste genau, warum er Aois Nummer gewählt hatte. Genau um eine solche Situation wie eben zu vermeiden. Seufzend sah er noch einmal auf die Karte und drehte sich anschließend um, um seinen Heimweg fortzusetzen. Er wollte gerade die Tür mit dem Ersatzschlüssel, den er bekommen hatte, öffnen, da klingelte sein Handy. Nein. Jetzt nicht. Er würde jetzt nicht all seine Taschen fallen lassen, um sein Handy aus der Hosentasche ziehen zu können. Schnell schloss er auf und stellte die Taschen ab. Aber gerade als er eine Hand frei hatte, verstummte das Klingeln. „Dann halt nicht.“ Stattdessen sah er Aoi durch das Wohnzimmer auf sich zukommen. „Ich wollte dich gerade anrufen und suchen!“ Naja… Eigentlich hatte er ihn ja wohl angerufen. „Warum?“ Kanon hob eine Augenbraue. „Na weil ich wusste, dass die Idee mit der Karte Schwachsinn ist! Vor allem wenn Reita sie zeichnet!“ „Ich zeichne gut!!“, kam es protestierend aus dessen Zimmer, von dem die Tür nur angelehnt war. Aoi überging den Kommentar, schnappte sich stattdessen die Tüten, die der Bassist am Eingang abgestellt hatte, und trug sie zum Kühlschrank. Kanon folgte ihm. Irgendwie war es ihm unangenehm, dass er so viele Umstände bereitete. Jetzt wäre Aoi doch fast losgefahren, um ihn zu suchen! Nur weil er sich den Weg nicht gemerkt hatte! Mit hängendem Kopf half er dem Gitarristen den Kühlschrank einzuräumen. Von Reita erwartete er gar keine Hilfe. Als sie fertig waren, stemmte Aoi die Hände in die Hüfte und sah ihn bestimmt an. „Und jetzt sagst du mir, was du hast!“ Kanon war ein wenig überrumpelt. Der andere war wirklich gut, was das Beobachten von Menschen anging. Das würde den Bassisten sicher noch in die ein oder andere verzwickte Situation bringen. Aber irgendwie war es auch niedlich. Bewundernswert. So eine Beobachtungsgabe hatte schließlich nicht jeder. Er selbst zum Beispiel nicht. „Naja…“, fing er an. Es war ja doch wieder nur dasselbe, was Aoi sowieso schon wusste. Er nervte ihn ständig mit den gleichen Dingen. „Ich mach euch solche Umstände“, brachte er kleinlaut mit dem Blick auf den Boden gerichtet hervor. „Wenn du das noch einmal sagst, fliegst du hier raus!“ Kanon hob den Blick und sah den Größeren erschrocken an. Noch nie hatte er die Miene des Gitarristen so hart gesehen. Als sich ihre Augen dann allerdings trafen wurden Aois Züge plötzlich wieder weicher. Sogar ein Schmunzeln glaubte Kanon zu erkennen. „Es ist wirklich schwer böse zu wirken, wenn du einen anstarrst wie ein Kind, dem gesagt wurde, dass Weihnachten dieses Jahr ausfällt.“ Jetzt lächelte der Ältere sogar. Diese furchtbar warme Lächeln, das Kanon schon so vertraut schien und er trotzdem nicht wirklich etwas damit anfangen konnte. Nichtsdestotrotz war ihm diese sanfte Art des Gitarristen sehr viel lieber als die harschen Worte, die er gerade an ihn gerichtete hatte. Würde Aoi ihn tatsächlich rausschmeißen, wenn er ihm weiterhin mit seinen Minderwertigkeitskomplexen auf die Nerven gehen würde? Und wieso interessierte ihn das überhaupt? Er wollte ja eigentlich gar nicht hier sein, oder? Erst ein Seufzen riss ihn aus seinen Überlegungen. „Du machst dir mal wieder viel zu viele Gedanken“, schlussfolgerte der Ältere so richtig, als ob sie sich schon seit Ewigkeiten kennen würden und räumte dabei weiter ein. „Wir haben dich eigeladen und du bist hier unser Gast. So einfach ist das, also hör auf dich ständig zu Sorgen. Und außerdem hab ich dich gerne hier.“ Bei den letzten Worten wandte sich Aoi kurz dem Jüngeren zu und schenkte ihm erneut ein Lächeln. Kanon spürte die Hitze in sein Gesicht schießen. „D…Danke“, stotterte er leise, da er nicht richtig wusste, wie er mit dem Kompliment umgehen sollte. Aber war es wirklich ein einfaches Kompliment? Nein, eher ein kleines Geständnis. Ein Geständnis der Sympathie. Der Ältere bemerkte wohl gar nicht, was für ein Chaos er in seinem Gegenüber ausgelöst hatte. Stattdessen räumte er fertig auf, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder Kanon widmete. „Ich würde sagen, wir warten mit dem Essen noch so eine Stunde. Das ist dann genug Zeit für mich Teller und Töpfe zusammenzusuchen. Oder festzustellen, ob unser Herd überhaupt noch funktioniert.“ Immer noch leicht benommen nickte der Jüngere. „Ich wollte noch ein paar Noten überarbeiten. Ist das okay wenn ich ein bisschen in dein Zimmer geh?“ „In dein Zimmer, meinst du?“ Aoi sah ihn leicht tadelnd an. „Momentan ist es dein Zimmer.“ „Ähm… okay, ja. Also dann in… mein Zimmer?“ Es war seltsam, Aois Zimmer als sein Eigentum zu betrachten. Schließlich war es das ja nicht. Schlafplatz hin oder her. „Klar.“ Zufrieden nickend, wandte sich der Ältere wieder der Kochnische zu, was Kanon dazu veranlasste, in ‚sein’ Zimmer zu gehen. Bevor er sich aber an seine Noten setzte, ließ er sich erst einmal quer auf das Bett fallen. Es war groß, bequem und es schlief sich wirklich gut darin. Und obwohl es frisch bezogen war, roch es nach Aoi. So wie alles in diesem Zimmer. Ein sanfter Geruch, der sich in seiner Nase festsetzte. Zufrieden kuschelte er sich in die Decke und schloss die Augen. Sog den Duft auf. Moment. Was machte er denn da? Abrupt setzte sich Kanon auf. Er hatte seine Nase gerade nicht in ein fremdes Bett gesteckt, um den Geruch seines Gastgebers noch stärker wahrnehmen zu können, oder? Nein. Bestimmt nicht. Ein wenig durch den Wind, tapste der Schwarzhaarige zu seiner Tasche hinüber, um in dem Chaos darin einen Hefter mit einigen Blättern – manche mit Worten, manche mit Noten, manche aber auch mit gar nichts beschrieben – herauszuholen und sich damit an den Schreibtisch zu setzen. Das Bett mied er. Nur mühsam konnte er sich auf die Notizen vor sich konzentrieren. Ab und zu hörte er das Geklapper von Töpfen und einmal Reitas Stimme. Ziemlich leise, also hatten sie sich wenigstens nicht in den Haaren. Ein Funken Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben. Zumindest zeitweise. Terukis Stimme im Nacken lenkte ihn immer wieder zurück zur Arbeit, wenn er gerade drohte, wieder abzuschweifen. Aber ein neues Album stand an. Er durfte sich nicht so gehen lassen. Schließlich wollte er seinen Teil ja auch dazu beitragen! Zu seinem eigenen Erstaunen hatte er sogar ein paar Ideen für eine neue Komposition, die er sofort aufschrieb. Zwar konnte er über deren Qualität keine echte Aussage treffen, wenn er sie nicht auch auf seinem Bass ausprobierte, aber auf dem Blatt sahen sie recht gut aus. Kanon strahlte. Teruki würde garantiert zufrieden mit ihm sein, wenn er… Der Schwarzhaarige stockte in seiner Bewegung. Aus dem Wohnzimmer erklang Musik, die ihm sehr vertraut war. Der Bassist stöhnte entnervt auf. Er wusste zwar nicht wie Gazette das handhabten, doch ihm fiel es ziemlich schwer sich zu konzentrieren, wenn er ständig seine eigenen Alben anhörte. War An Cafe etwa die Lieblingsband seiner Gastgeber oder wollte man ihn damit nur ärgern? Vielleicht gehörte es ja auch schon zu Reitas „Training“? Auf jeden Fall hatte er keine Lust rauszugehen und es heraus zu finden. Seufzend legte er die neue Komposition weg und zog ein älteres Notenblatt aus dem Hefter. Seine Konzentration hatte schlagartig wieder nachgelassen und dann war es wohl sinnvoller ein paar seiner alten Entwürfe ins Reine zu schreiben, anstatt sein neustes Werk zu verunstalten. Eine zeitlang konnte er sich sogar mit dieser stupiden Arbeit von den Klängen im Nebenraum ablenken. Glücklich betrachtete Kanon seine Arbeit. Heute war er wirklich fleißig. Lächelnd schloss er die Augen und erlaubte sich ein wenig dem An Cafe-Album im Wohnzimmer zu lauschen. Keine Sekunde später war das Lächeln wieder weg und er runzelte verwundert die Stirn. Es hatte sich ganz so angehört, als hätte er sich auf der CD verspielt. Aber das konnte nicht sein. Es sei denn, es handelte sich gar nicht um die CD-Version. Kanon spürte wie ihm Flau im Magen wurde. Im Wohnzimmer lief kein An Cafe-Album, sondern eine Live-DVD! Unsicher stand der Schwarzhaarige auf und spähte durch die Tür ins Wohnzimmer. Dort saßen Reita und Aoi vor dem Fernseher und sahen sich tatsächlich an, wie An Cafe über die Bühne tanzten. „Ähm… was macht ihr da?“, fragte er verwirrt in den Raum und wusste gar nicht ob er eine Antwort haben wollte. „Ich studiere dein Auftreten. Schließlich muss ich wissen, woran ich bin“, meinte der blonde Bassist knapp und schrieb etwas auf einen Block, der auf seinem Schoß lag. Kanon trat weiter in den Raum, um vielleicht einen Blick auf den Zettel erhaschen zu können. Was Reita sich da wohl notierte? Allerdings fiel ihm auf, dass der Blonde nicht der Einzige mit Block war. Aoi lächelte ihn schon fast entschuldigend an. „Da Reita außer sich selbst eigentlich alle für hässlich und scheiße hält, bin ich für die Bewertung des Sex-Appeals zuständig.“ Kanon lief mit einem Schlag rot an. Bitte was? Es war ihm ja schon unangenehm, wenn ihn Reita so anstarrte, aber jetzt saß Aoi auch noch dabei und ließ ihn während des gesamten Lives anscheinend nicht aus den Augen. Der Ältere hatte sich nämlich schon wieder dem Bildschirm zugewandt. „Hast du schon aufgeschrieben, dass er seine Hüften kaum bewegt?“, fragte der blonde Bassist in den Raum, den Blick weiter auf den Fernseher gerichtet. Der andere schüttelte den Kopf. „Aber eigentlich sieht das so doch auch ganz gut aus.“ „Jetzt schreib das auf! Du kannst nicht bei allem, was er macht, sagen, dass es perfekt ist!“ Widerwillig löste sich Aoi vom Bildschirm und schrieb etwas auf seinen Block. Anscheinend war es das Erste, was er aufschrieb, denn der Zettel schien ziemlich leer auszusehen. Anschließend sah er Kanon an, der noch immer sprachlos im Raum stand. „Setz dich doch!“ Mit einer Handbewegung deutete er auf den Sessel. Jetzt wandte auch Reita den Kopf. „Ja, setzt dich! Dann können wir sofort darüber sprechen, wenn du was falsch machst.“ Darüber sprechen. Das würde eher darauf hinauslaufen, dass Reita ihm alle zwei Minuten etwas an den Kopf warf, was er alles falsch machte. Der Jüngere zögerte. Eigentlich gefiel ihm das hier gar nicht. Sie sahen sich ein Live von An Cafe an, starrten dabei wohl nur ihn an und kritisierten. Das war nichts für ihn. Es war schon unangenehm genug zu wissen, dass sie das überhaupt machten. Da musste er doch nicht auch noch direkt dabei sein, oder? „Jetzt setzt dich!“, meinte Reita noch einmal mit Nachdruck, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder dem Live schenkte. Da kam Kanon der rettende Einfall und er wollte sich fast schon selbst auf die Schulter klopfen. „Eigentlich muss ich jetzt Essen machen.“ Die Stunde war immerhin schon längst um und Mittag hatten sie auch nicht gegessen. Außerdem war er somit zwar immer noch im Raum, musste sich aber nicht sonderlich am Gespräch und den Bemerkungen der Gazettemember beteiligen. „Soll ich dir helfen?“, wurde er auch gleich von Aoi gefragt, der sich wieder vom Bildschirm ab- und ihm zugewandt hatte. „Du bist gerade dabei mir zu helfen!“, kam es empört von seinem blonden Mitbewohner. „Ich kann ihm ja wenigstens zeigen, wo alles steht!“ Reita seufzte entnervt. „Unsere Kochnische besteht aus zwei Schubladen und einem Herd. Uruhas Schuhschrank ist größer als unsere Küche! Er wird sich schon zurechtfinden.“ Skeptisch sah der Gitarrist Kanon an, welcher ihn nur freundlich anlächelte. „Ich krieg das schon hin.“ „Da hast du’s gehört, Aoi. Also konzentrier dich wieder auf die DVD, statt das Original anzuhimmeln. Und du hörst jetzt endlich auf uns abzulenken.“ Um seine Worte zu unterstreichen, wedelte Reita noch herablassend in Kanons Richtung als wolle er eine lästige Fliege vertreiben. Ohne Widerworte zu geben, ging der Schwarzhaarige in den hinteren Teil des Raumes. Vielleicht hatte Reita mit „zwei Schubladen und einem Herd“ untertrieben. Allerdings nicht sonderlich. Da sogar schon ein Reiskocher bereitstand, brauchte es nicht sonderlich lang, bis Kanon alles zusammengesucht hatte. Er hatte sich überlegt etwas Gemüse und Fleisch anzubraten und dazu Reis zu machen. Das war nicht sonderlich aufwendig und falsch machen konnte er dabei auch nichts. Leider war das Vorbereiten der einzelnen Zutaten nicht sehr anspruchsvoll und so schaffte er es auch nicht seine beiden Gastgeber vollkommen auszublenden. „Hast du gerade das Zwinkern in die Kamera gesehen? Das war scharf!“ Kanon rutschte mit dem Messer von der Paprika ab und hätte sich fast in den Finger geschnitten. Hatte Aoi gerade wirklich gemeint, er wäre scharf? „Ich glaube eher, er hatte etwas im Auge“, hörte er Reita als Antwort brummen. „Es sah trotzdem gut aus. Ich schreib das jetzt auf.“ „Du sollst dir aber nur die negativen Sachen notieren!“ „Da gibt’s aber fast nichts zu notieren!“ „Wenn du die rosarote Brille mal abziehen würdest, würdest du vielleicht mehr erkennen!“ „Ich lass mir doch von niemandem etwas über Sex-Appeal erzählen, der denkt, es sei sexy sich eine Minute lang im Kreis zu drehen!“ „Ich hab nie gesagt, dass das sexy ist!“ „Was denn sonst? Sag mir nicht, dass du das cool findest!“ „Das ist cool!“ „Das ist bescheuert!“ „Du bist bescheu- AU!“ Auf den lauten Schrei hin drehte sich Kanon um und musste unwillkürlich breit grinsen. Aoi hatte Reita eins mit seinem Block übergezogen und starrte den anderen warnend an. Dieser rieb sich nun die Stelle am Kopf, an die ihn wohl der Block getroffen hatte und meckerte gleich weiter. „Mach mal lieber was Anständiges mit dem Ding!“ Damit deutete er auf die „Waffe“ des Schwarzhaarigen, die dieser schon wieder drohend gehoben hatte. „Das war doch was Anständiges.“ Die Worte hatten Kanons Mund verlassen, bevor dieser es überhaupt realisieren konnte. Sofort drehten sich die beiden zu ihm um und starrten ihn an, woraufhin er sofort die Hand vor den Mund schlug. Okay, das war ein Schritt zu weit. Und hätte er das aus seinem Selbstbewusstsein heraus gesagt, dann wäre es ja vielleicht sogar noch lobenswert gewesen, aber nein. Das war einfach nur eine unüberlegte, dumme Äußerung, die schneller als sein Verstand gewesen war. Kapitel 5: Wie man sich seine Einrichtung beschafft --------------------------------------------------- Dankeschön für eure Kommis! >____< *kekse verteil* und viel spaß beim nächsten kapitel ^__^ ______________________ Kapitel 6 Wie man sich seine Einrichtung beschafft „Mach mal lieber was Anständiges mit dem Ding!“ Damit deutete Reita auf die „Waffe“ des Schwarzhaarigen, die dieser schon wieder drohend gehoben hatte. „Das war doch was Anständiges.“ Die Worte hatten Kanons Mund verlassen, bevor dieser es überhaupt realisieren konnte. Sofort drehten sich die beiden zu ihm um und starrten ihn an, woraufhin er sofort die Hand vor den Mund schlug. Okay, das war ein Schritt zu weit. Und hätte er das aus seinem Selbstbewusstsein heraus gesagt, dann wäre es ja vielleicht sogar noch lobenswert gewesen, aber nein. Das war einfach nur eine unüberlegte, dumme Äußerung, die schneller als sein Verstand gewesen war. __ Einen Augenblick herrschte Stille im Raum. Dann lachte Aoi los. Reitas Blick wanderte von Kanon zu dem Gitarristen. Dieser schüttelte nur lachend den Kopf. „Ich mag den Kerl wirklich.“ Der Jüngste ließ die Hand von seinem Mund sinken und musterte den lachenden Schwarzhaarigen. Es war irgendwie so einfach, mit Aoi auszukommen. Von Reita konnte er das nicht gerade behaupten, aber war das überhaupt nötig? Solange er jemanden hatte, der ihm das Leben hier angenehm gestaltete, war doch alles in Ordnung, oder? Schließlich konnte er nicht mit jedem auskommen. Dass gerade Reita der war, mit dem er sich lieber verstehen sollte, schob er in den Hintergrund. Mit Aoi hatte er im Kampf gegen den Blonden zumindest einen starken Kollegen an seiner Seite. Sie konnten gar nicht verlieren! „Werd ja nicht frech!“, murrte Reita irgendwann in Kanons Richtung und schenkte ihm einen warnenden Blick, bevor er sich wieder dem lachenden Gitarristen neben sich zuwandte. „Und du komm mal wieder runter!“ Während sich Aoi langsam wieder fing, bedachte der Blonde Kanon mit einem weiteren Todesblick und schrieb dann etwas auf seinen Block. Wahrscheinlich wie er ihn die nächsten paar Tage am besten quälen konnte? Vielleicht hatte er sich doch ein bisschen viel rausgenommen. Als sich dann allerdings Aoi ebenfalls zu ihm umdrehte und ihn ein verschwörerisches Grinsen schenkte, waren seine Sorgen sofort vergessen. Für so ein Lächeln, würde er doch einige Todesqualen von Reita auf sich nehmen. „Nicht vom Original ablenken lassen.“ Die trockenen Worte des Blonden ließen Kanon zusammenzucken und zurück in die Realität finden. Schnell löste Aoi ihren Augenkontakt und drehte sich wieder zum Bildschirm um. Auch Kanon nahm seine Arbeit wieder auf, konnte aber nicht verhindern immer wieder an das Lächeln des Gitarristen denken zu müssen. Die Tatsache, dass seine Gastgeber sich immer noch mit einer DVD seiner Band beschäftigten, versuchte er zu verdrängen. Da kamen ihm die lauten Zischgeräusche beim Anbraten der verschiedenen Zutaten gerade recht. So hörte er wenigstens nicht, was die beiden über ihn redeten. Kanon nickte zufrieden. Jetzt musste er nur noch auf den Reis warten und das Essen war fertig. Dann musste die DVD doch zwangsläufig ausgeschaltet werden! Als wäre es sein Stichwort hörte er hinter sich, wie Reita mit einem „Ich hab jetzt genug gesehen“ den Fernseher ausschaltete. Der Blonde hatte echt ein gutes Timing! „Hey, ich wollte das aber noch zu Ende schauen!“, kam direkt Aois angriffslustige Antwort. Kanon seufzte und drehte sich zu den beiden um. Dieses Mal stand er wohl auf Reitas Seite. „Das Essen ist gleich fertig“, warf er möglichst neutral in die Runde, konnte allerdings sehen, wie der Blonde triumphierend grinste. „Du hast die Küchenfee gehört: Die DVD bleibt aus. Und jetzt gib mir deine Aufschriebe! Es sei denn, du hast nur rumgesabbert und Herzchen aufs Papier gemalt.“ Kanon runzelte die Stirn. Wieso sollte Aoi denn Herzen auf seinen Block malen? Schlagartig wurde ihm heiß. Reita hatte gerade doch nicht wirklich angedeutet, dass Aoi und er…? „Nur weil Kanon und ich uns auf einer erwachsenen und intellektuellen Ebene gut verstehen, musst du nicht gleich wieder mit deinen pubertären Hintergedanken kommen.“ Ihm wurde noch heißer. Jetzt hatte er schon die gleichen dämlichen pubertären Hintergedanken gehabt wie Reita! „Ähm… Habt ihr Schüsseln?“, versuchte er die ganze Situation aufzulösen und atmete erleichtert aus, als Aoi einen Schrank öffnete und ein paar der besagten Gegenstände daraus hervorholte. Während Kanon das Gemüse und das Fleisch in die Schüsseln verteilte, schöpfte der Gitarrist den Reis in drei kleinere Schüsseln und stellte diese dann auf den Tisch, an dem Reita schon erwartungsvoll saß. Der schwarzhaarige Bassist konnte deutlich spüren, wie ihn die Hitze verließ. Wenigstens schienen sie das Thema nicht fortsetzen zu wollen. Wer wusste schon, wo das enden würde? Reita war schließlich irgendwo noch ein Kleinkind und hackte anscheinend gern auf Dingen rum, bis die anderen auch seiner Meinung waren. Aber diesmal schien er wohl einfach zu hungrig für einen Widerspruch zu sein. Mittlerweile hatte sich auch Aoi an den Tisch gesetzt und deutete auffordernd auf den Stuhl neben sich. Erst jetzt fiel Kanon auf, dass die Stühle alle ziemlich bunt zusammengewürfelt waren. Wer hatte sich denn hier bloß um die Raumgestaltung gekümmert? Es sah fast danach aus, als hätten sie beim Sperrmüll das mitgenommen, was noch zu gebrauchen gewesen war. Aois Zimmereinrichtung und den Fernseher samt Musikanlage ausgeschlossen. Und das ließ schon mal darauf schließen, dass zumindest Aoi Geschmack hatte, denn Kanon gefiel dessen Zimmer ziemlich gut. Schließlich stellte er die Schüsseln in die Mitte des Tisches und ließ sich dann selbst neben Aoi auf den knallroten Stuhl fallen. Er war jetzt schon geschafft. Und es war gerade mal der Abend des zweiten Tages! Mit einem „Guten Appetit“ riss ihn der Ältere aus seinen Gedanken, wobei er gekonnt ignorierte, dass Reita schon fleißig am Essen war. Stattdessen hielt er ihm die Schüssel mit dem Fleisch hin. „Dir auch.“ Mit einem erschöpften Lächeln nahm sich Kanon mit seinen Stäbchen etwas davon und begann dann ebenfalls zu essen. Eine Weile aß er stumm, während sein Blick immer wieder über die verschiedenen Stühle wanderte. „Das war eigentlich nur provisorisch gedacht.“ Kanon zuckte bei der Stimme des Gitarristen zusammen und sah diesen dann verwirrt an. „Du hast dich gerade doch sicher gefragt, wieso die Stühle hier so zusammengewürfelt sind, oder?“ Kanon nickte. Entweder Aoi konnte wirklich seine Gedanken lesen oder einfach nur sehr gut beobachten. Zweites ließ allerdings auch darauf schließen, dass der Ältere ihn ziemlich oft beobachtete… „Reita und ich konnten uns nicht darauf einigen, was für Stühle wir kaufen sollten“, erzählte der Gitarrist munter weiter während es sich die Stäbchen in den Mund schob. „Jeder von uns hat sich dann das Modell gekauft, was ihm am besten gefallen hat in der Hoffnung, dass der andere zu Vernunft kommen würde und man sich am Ende doch einigt.“ „Was aber nie passiert ist“, warf der Blonde in die Geschichte seines Mitbewohners ein, der daraufhin nur schmunzelnd nickte. „Irgendwann waren es Uruha, Ruki und Kai einfach leid immer stehen zu müssen, wenn sie mal hier waren und so hat jeder sich selbst einen Stuhl mitgebracht.“ Kanon versuchte den Älteren nicht allzu fassungslos anzustarren. Dass seine Gastgeber sich oft zankten hatte er ja schon mitbekommen, aber dass die Sturheit sie so unvernünftig machte, hatte er nicht gedacht. Und dabei schien Aoi doch so eine liebenswürdige und umgängliche Person zu sein! Dieser lächelte seinen Gast jetzt belustigt an. Ihm schien es wohl zu gefallen, den anderen so sprachlos zu machen. „So sind wir übrigens auch an unsere Couch gekommen“, meinte der Ältere grinsend. „Drei Monate saßen wir auf dem Boden und haben darüber gestritten, was für eine Couch wir kaufen sollten, bis Kai sich erbarmt und uns seine Alte überlassen hat.“ „Vielleicht sollten wir das Gleiche auch mal bei seinem Auto versuchen“, meinte Reita grimmig, doch Kanon glaubte ein unterdrücktes Schmunzeln zu sehen. Ihm schienen die Geschichten über ihre Streitereien genauso zu belustigen wie Aoi. Dieser lachte bei dem Vorschlag auf. „Da müssen wir uns aber ganz schön in die Haare kriegen.“ „Ach, das schaffen wir schon.“ Die beiden Freunde grinsten sich noch kurz gegenseitig an, bevor sie sich wieder ihrem Essen widmeten. Kanon konnte darüber nur die Stirn runzeln. Da war er ja wirklich an komische Leute geraten. Weil Aoi Reita dazu verdonnert hatte, abzuwaschen, machte sich Kanon daran, an seinem Laptop seine neuen Kompositionen zu überarbeiten. Schließlich hatten sie bald wieder Probe und bis dahin wollte er den anderen etwas vorlegen können. Vielleicht lag es an der neuen Atmosphäre, die ihn umgab, aber irgendwie fiel ihm das heute relativ leicht. Immer wieder hatte er neue Ideen und verbesserte zuvor notierte Dinge. Sogar als er irgendwann wieder bemerkte, dass im Wohnzimmer ihre Konzert-DVD lief, schaffte er es noch einigermaßen, sich auf seine eigenen Sachen zu konzentrieren. Erst als er kurz vor Mitternacht eine SMS von Yuuki erhielt, wie es denn so liefe, beschloss er, es für heute sein zu lassen. Wenn Reita ihn heute durch die DVD analysierte, würde er morgen sicher die aufgefallenen Mängel beseitigen wollen. Unbemerkt huschte er an den beiden Mitbewohnern vorbei ins Bad, um sich dort die Zähne zu putzen. Als er wieder zurückging, wünschte er ihnen eine gute Nacht, woraufhin Reita nur etwas vor sich hinmurmelte und Aoi ihm ebenfalls – wenn auch ziemlich geistesabwesend – eine gute Nacht wünschte. Sie waren ziemlich auf den Bildschirm fixiert. Würde da nicht ein Live von An Cafe laufen, dann würde Kanon dieses Verhalten sicher unheimlich niedlich finden. Schließlich legte er sich ins Bett und tippte schnell eine Antwort an Yuuki, dass er noch lebte, bevor er begleitet von einigen Ausrufen aus dem Wohnzimmer einschlief. __ Mit dem Bass auf seinem Schoß saß er im Wohnzimmer auf dem Sofa und starrte die Saiten an. Aoi war in die Stadt gefahren und hatte ihn mit Reita allein zurückgelassen. Dieser saß jetzt auf dem Sessel neben der Couch, auf die sich Kanon selbst gesetzt hatte, und starrte ihn an. Der Schwarzhaarige sah es zwar nicht, aber er wusste es. Dass er angestarrt wurde. Ihm war in solchen Momenten immer so unwohl wie jetzt. Natürlich mochte er es, wenn man ihn auf der Bühne ansah und bejubelte, aber das hier war doch noch etwas ganz anderes. Schließlich musste er hier gerade eine Privatvorstellung seiner Fähigkeiten geben und durfte sich im Nachhinein anhören, was er alles falsch machte. Nervös spielte er das Stück zu Ende und sah dann zu Reita. Wie er erwartet hatte starrte ihn der Blonde an. Der Blick war noch viel stechender als er ihn sich vorgestellt hatte und Kanon konnte keine Regung im Gesicht des anderen erkennen. „Und?“, fragte er unsicher, woraufhin Reita weiter starrte. „Was glaubst du denn selbst?“ Mit der Frage hatte er jetzt überhaupt nicht gerechnet. „I… Ich würde sagen, es war ganz gut“, stotterte der Dunkelhaarige. Was sollte man auf seine Frage schon antworten? Allem Anschein nach war das die falsche Antwort gewesen, denn sein Gegenüber seufzte genervt auf. „Falsch! Du hättest sagen müssen, dass du spitze warst und dass du das Beste bist, was der japanischen Musikszene jemals passiert ist!“ Entgeistert sah Kanon seinen Gastgeber an. So ein Kompliment hatte er noch nie bekommen. „Denkst du das wirklich?“ Mit einem Mal durchzuckte Kanons Kopf ein dumpfer Schmerz. Eindeutig ein Schlag auf den Hinterkopf. Und ein ziemlich heftiger noch dazu. „Quatsch, du Idiot!“ Reita funkelte Kanon wütend an. Dieser verstand die Welt nicht mehr. Als erstes ein Kompliment, dann ein Schlag. „Das stimmt natürlich nicht, aber das sollst du über dich selbst denken!“, begann der Blonde aufgebracht sein Verhalten zu erklären. „Wenn du dein Instrument spielst, reicht es nicht, dich nur von der Musik mitreißen zu lassen. Es reicht auch nicht zu denken, dass du deine Sache gut machst. Um eine wirkliche Show abzuliefern, musst du in dem Moment auf der Bühne davon überzeugt sein, dass du der Beste bist!“ Kanon nickte vorsichtshalber nach diesen Worten, auch wenn er Schwierigkeiten hatte daran zu glauben. Er liebte es auf der Bühne zu sein, doch war er nicht wirklich daran interessiert im Mittelpunkt zu stehen. Oder gar davon überzeugt, dass er der Mittelpunkt sei! Er blieb gerne im Hintergrund und überließ Miku und Takuya das Rampenlicht. Reita schien seine Gedanken erraten zu haben, denn er sah den Jüngeren beinahe hoffnungslos an. „Da mir Aoi allerdings verboten hat, dir diese Sicht der Dinge einzuprügeln, musste ich mir etwas anderes überlegen. Also arbeiten wir jetzt an deiner Ausstrahlung und hoffen, dass sich das selbstbewusste Auftreten auf dein Inneres überträgt.“ Kanon nickte erneut, auch wenn er dieser Logik nicht ganz folgen konnte. „Damit du dich aber auf der Bühne auf dein Auftreten konzentrieren kannst, musst du dein Bassspiel zu hundert Prozent beherrschen. Wir üben das Ganze jetzt mal. Welches Lied von der Live-DVD kannst du am besten?“ Der Schwarzhaarige zögerte kurz, überlegte dann aber, was sie bei diesem Konzert gespielt hatten. Hibiya on the o new sekai. Auch wenn es schon ein halbes Jahr her war, konnte er sich daran erinnern als wäre es gestern gewesen. Aus verschiedenen Gründen. Ein leises Seufzen glitt ihm über die Lippen, was ihm einen irritierten Blick von Reita einbrachte. Weil er aber nicht erklären wollte, dass es Bous letztes Konzert gewesen war, und er auch keine große Lust hatte, darüber zu reden – vor allem mit dem anderen – schüttelte er nur kurz den Kopf und nannte dann „Maple Gunman“. Sie hatten dieses Lied schon so oft gespielt, dass es ihm mittlerweile doch mit am leichtesten von den Fingern ging. Der Blonde nickte zufrieden und schenkte dem Seufzer keine Beachtung mehr, worüber Kanon mehr als froh war. Diese Erleichterung wurde ihm allerdings auch sofort wieder genommen, als Reita aufstand und den Fernseher anschaltete. „Dann lassen wir das mal im Hintergrund laufen, damit wir Konzertbedigungen haben und du zeigst mir, wie du das performen würdest.“ Damit deutete er zwischen Sofa und Esstisch und drehte sich wieder um, um auch den DVD-Player einzuschalten. Die DVD lag ja anscheinend noch im Gerät. Der andere saß aber nur stumm auf dem Sofa und starrte den Blonden an. Wie jetzt? Er sollte hier in dieser Wohnung einen Konzertauftritt hinlegen? Eine Privatvorführung vor Reita? Als wäre es ihm nicht schon peinlich genug nur auf dem Sofa zu sitzen und dort genauestens unter die Lupe genommen zu werden! Mit der Fernbedienung in der Hand kam Reita zurück zum Sofa und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Fehlt noch was?“ Ähm… Mut? Oder eine Bühne? Und Fans? Ja, das fehlte ihm für eine Performance! Er hatte noch nie so richtig vor jemandem Vorspielen müssen. Bis auf den Tag, an dem er bei An Cafe einsteigen wollte. Und zweimal, als sie bei Labels vorgespielt hatten. Aber das war schon Jahre her und da hatte er zusammen mit der ganzen Band gespielt. Das hier war etwas ganz anderes! „Fang schon an!“ Unsicher erhob sich Kanon auf den Befehl des Blonden hin seinem Platz auf. Stehen. Das war schon einmal ein guter Anfang! Nur wie weiter? Er hörte zwar die Anfangsklänge von „Maple Gunman“ schon, doch er wusste einfach nicht, was er machen sollte. Was erwartete Reita denn jetzt genau von ihm? Hilfesuchend sah er den Älteren an. Eigentlich hatte er sich die Reaktion schon denken können: ein genervtes Seufzen. Von Freundlichkeit und Mitgefühl natürlich keine Spur. Ohne seinen Gast weiter zu beachten, legte sich der Blonde selbst seinen Bass um und schloss ihn dann an denselben Verstärker an, mit dem er auch schon kurz davor Kanons Instrument verbunden hatte. Reita spielte noch ein bisschen an dem Gerät herum, bevor er seine Hand das erste Mal über die Saiten seines Basses gleiten ließ. Die Klänge dröhnten in Kanons Kopf nach. Es war laut! Ihn störte es zwar nicht, aber was die Nachbarn zu diesem rücksichtslosen Verhalten sagten, wollte er lieber gar nicht erst wissen. Der Blonde schien sich über so etwas gar keine Gedanken machen. Zufrieden grinste er und richtete sich mit einem überheblichen „Sieh zu und lerne“ an seinen verwirrten Schüler. Kapitel 6: Wie man zwischen die Fronten gerät --------------------------------------------- tut uns wirklich leid >___< die letzten tage warn ziemlich stressig und so langsam fängt die prüfungszeit an, sodass wir nich dazu gekommen sind, uns bei jedem für sein kommi zu bedanken .__." trotzdem haben wir uns nich weniger gefreut! vielen vielen dank! ^___^ Und viel Spaß beim Weiterlesen! _______________________________________ Wie man zwischen die Fronten Gerät Zufrieden grinste Reita und richtete sich mit einem überheblichen „Sieh zu und lerne“ an seinen verwirrten Schüler. Mit einem Satz sprang der Ältere auf den Couchtisch, wobei die Hälfte der Sachen, die sich darauf befanden, zu Boden ging. Einige der anderen Dinge kickte er unachtsam beiseite, um sich mehr Platz zu verschaffen. So löste Reita also das Problem mit der nichtvorhandenen Bühne. Sehr kreativ. Breitbeinig baute sich der Blonde jetzt vor Kanon auf und begann das Lied auf der DVD zu begleiten. Und es war furchtbar! Zwar hatte der Blonde kein Problem in den Rhythmus zu finden, doch das war schon das einzig Positive an seinem Spiel. Kanon konnte gar nicht hinhören, wie Reita dieses Lied vergewaltigte. Wie konnte man nur so einen Schwachsinn spielen und dabei so selbstsicher grinsen? Das Grinsen wurde noch breiter, als der Ältere mit Spielen aufhörte und sich an Kanon wendete. „Und? Wie war ich?“ „Schrecklich!“ Der Schwarzhaarige versuchte zwar sonst seine Meinung für sich zu behalten, aber hier konnte er nicht anders. Doch anstatt dass Reita vom Tisch sprang und ihm einen Schlag verpasste, wie Kanon es erwartet hätte, nickte er nur zustimmend. „Und hast du mir angesehen, dass ich keine Ahnung davon habe, was ich gerade mache?“ Der Jüngere blinzelte kurz verwirrt, schüttelte dann aber den Kopf. Das war der Plan gewesen! Und er war voll aufgegangen, da hatte er keine andere Wahl als das zuzugeben. Auch wenn Reitas Spiel schrecklich gewesen war, hatte sein Auftreten davon keinen Schaden genommen und das konnte Kanon einfach nur bewundern. Er wollte das auch können! Er wollte auch so selbstsicher auf der Bühne stehen und jeden seiner Fehler gekonnt und professionell durch sein Auftreten überspielen! Vom Ehrgeiz gepackt ging er ein paar Schritte zurück und schob seinen Bass zurecht. Das wäre doch gelacht, wenn er nicht zumindest annähernd so cool sein konnte wie Reita! Er würde dem anderen zeigen, dass er hier keinen Anfänger vor sich hatte, dem er von grundauf alles beibringen musste! Der Einstieg in das Lied war kein Problem. Er schloss die Augen und stellte sich vor, die jubelnde Menge im Hintergrund wäre hier wirklich vor ihm. Irgendwie fühlte sich die Vorstellung zusammen mit den Saiten an seinen Fingern richtig gut an und der Wunsch nach einem Live kam in ihm auf. Je länger er spielte, desto mehr wollte er nun wirklich auf dieser Bühne stehen und für diese Menge spielen. Desto mehr ging er in seinem Spiel auf. Die Klänge seines Basses zogen sich durch seinen ganzen Körper. Die Schreie der Fans dröhnten in seinem Kopf. Er spürte die sanften Vibrationen unter seinen Füßen, die deshalb zustande kamen, weil Reita zuvor die Lautstärke aufgedreht hatte. Reita! Sofort öffnete Kanon die Augen und hielt mitten im Lied inne. Der Blonde stand vor ihm, hatte ein Grinsen auf dem Gesicht und die Arme vor der Brust verschränkt, bevor er nach der Fernbedienung griff und auf Pause drückte. „Jetzt haben wir zumindest was, womit wir arbeiten können“, meinte er relativ zufrieden und nickte. „Auch wenn wir noch einiges zu tun haben. Du musst die Menge angucken! Sonst wird das mit der Selbstsicherheit nichts. Und darfst dich nicht wegen irgendwas aus der Ruhe bringen lassen. Und steh nicht die ganze Zeit so stocksteif auf einer Stelle!“ Kanon wollte gerade sagen, dass er auf der Bühne ja auch mehr herumlief als hier in einer kleinen Wohnung, aber Reita fuhr schon fort. „Aber dein Bassspiel ist echt nicht übel.“ Wieder war es an dem Jüngeren, verwirrt zu blinzeln. War das ein Kompliment? „Und guck nicht jedes Mal so ungläubig, wenn jemand etwas Positives über dich sagt. Das ist vielleicht niedlich, wenn man ein Mädchen in der Pubertät ist. In deinem Alter ist es nur noch nervig.“ Das tat weh. Wieso musste Reita eigentlich immer so direkt sein? Kanon nickte erneut, um zu zeigen, dass er verstanden hatte. Ob er es schaffte die Anweisung umzusetzen, war ein ganz anderes Thema... „Hast du Notenblätter dabei?“ Verwirrt blinzelte Kanon seinen Gegenüber an. „Wie bitte?“ „Ob du Noten dabei hast? Irgendetwas zum Spielen?“, kam die genervte Antwort, begleitet von einem Augenrollen. „Ähm ja. Das meiste hab ich auf meinem Laptop, aber ich hab auch einen Ordner mit einigen Stücken dabei.“ Der Blonde sprang von seiner „Bühne“ und ging auf Aois Zimmer zu. „Gut, dann haben wir für's Erste etwas zum Üben! Ich hol die Noten.“ Bevor Kanon sich überhaupt überlegen konnte, ob er das Verhalten des Anderen jetzt unhöflich finden sollte, war dieser schon hinter Aois Tür verschwunden, um dort wahrscheinlich Kanons Eigentum zu durchwühlen. „Und stell du dich schon einmal auf den Tisch!“ Der An Cafe-Bassist seufzte resigniert. Das konnte ja noch ein lustiger Tag werden. Zu Kanons Erstaunen waren die nächsten paar Stunden gar nicht so unerträglich wie er befürchtet hatte. Vielleicht lag es daran, dass er schon auf das Schlimmste gefasst gewesen war, doch als „Bassist“ war Reita eindeutig angenehmer als als „Gastgeber“. Sie spielten einige alte An Cafe-Songs, um warm zu werden. Besser gesagt war es für Kanon nur eine kleine Fingerübung. Es war eher der blonde Bassist, der sich mit den, größtenteils für ihn unbekannten, Noten abmühte. Allerdings lernte Reita schnell und reagierte recht gelassen, wenn der andere ihn auf einen Fehler aufmerksam machte. Noch mehr als Reitas Bereitschaft ihm zuzuhören erstaunte es Kanon jedoch, dass er sich überhaupt traute, den Älteren zu kritisieren. Zwar fing er sich noch ein paar Schläge auf den Hinterkopf ein, aber alles in allem verging ihre erste Probe ohne größere Katastrophen. Sie übten sogar einige der neuen Gazette-Lieder miteinander, was Kanon doch etwas stolz machte. Da waren ganz neue Kompositionen dabei, die außer der Band noch nie jemand gehört hatte. Nicht einmal das Management! Irgendwann beschlossen sie etwas zu essen und spielten anschließend noch ein paar weitere Stücke, bis Aoi irgendwann zurückkam und sich zu ihnen setzte. Kanon war mit einem Schlag viel nervöser als zuvor. Mittlerweile hatte er sich daran gewöhnt, vor Reita zu spielen, aber jetzt, da jemand Neues dabei war, war es schon wieder etwas ganz anderes. Zum Glück unterbrach ihn das Telefon. „Ja?“, meldete sich der Gitarrist und im selben Moment entgleisten ihm seine Gesichtszüge. Er formte mit den Lippen ein unverkennbares „Kai“. Kanon sah zu dem Blonden. Und er sah es in dessen Kopf rattern, bis er schließlich nach Luft schnappte. „Oh…“ Der Jüngste sah zwischen den beiden hin und her. Aoi schaltete auf Lautsprecher um und stellte das Telefon auf den Wohnzimmertisch, bevor er sich ebenfalls wieder auf das Sofa setzte. „Ich hab euch bestimmt fünf Mal angerufen, aber wahrscheinlich hattet ihr die Anlagen mal wieder viel zu laut! Und jetzt sagt mir nicht, ihr wärt von der Außenwelt abgeschnitten gewesen und konntet deshalb nicht Bescheid geben, dass ihr nicht kommt! Wenn euch der Kleine so auf Trapp hält, dann schickt ihn halt wieder weg! Aber deshalb nicht zur Probe zu kommen ist… ist…“ Er suchte nach dem richtigen Wort. „Verantwortungslos?“, half Reita nach und fing sich einen bösen Blick von Aoi ein. „Genau!“, bestätigte der Drummer und verstummte dann. Kanon biss sich auf die Lippe und begann, mit seinem Piercing zu spielen. Die anderen waren nicht bei der Probe gewesen. Und die musste ja dann heute oder gestern gewesen sein, wenn es an ihm lag, dass sie sie verpasst hatten. „Wir habens einfach vergessen“, nuschelte Aoi, aber Kai schien ihn verstanden zu haben. „Ich hab euch doch extra noch am Abend vorher dran erinnert! Ist meine Standpredigt so an euch vorbeigegangen?“ Ganz dunkel schlich sich ein Satz in Kanons Gedächtnis. Der Drummer hatte es ihnen wirklich gesagt. Er war sogar dabei gewesen. Es war eine Drohung gewesen, Aoi und Reita sollten ja nicht mit einer gerissenen Saite antanzten. Morgen. Das bedeutete, dass es gestern gewesen sein musste. Gestern, als sie seelenruhig vor dem Fernseher gesessen und das Live von An Cafe angeguckt hatten. „Ihr wisst schon, dass wir in 6 Tagen einen Live-Auftritt haben und davor nur noch einmal proben? Oder ist euch das etwa völlig egal?“ „Oh, jetzt fängt er wieder an in rhetorischen Fragen zu reden. Das bedeutet, dass er wirklich angepisst ist“, informierte der blonde Bassist Kanon frech grinsend, woraufhin dieser nichts erwiderte. Kai hörte sich nicht danach an als würde er in seinem Zustand einen Witz auf seine Kosten vertragen. Wenn Reita sein Leben für eine gute Pointe riskierte, dann bitte. Kanon hing allerdings an seinem Leben. Und tatsächlich ertönte schon kurz nachdem der Satz ausgesprochen war ein bedrohliches „Was hast du gerade gesagt Reita?“ aus den Lautsprechern des Telefons. Der Angesprochene zuckte zusammen. Anscheinend war der Blonde doch nicht so todesmutig wie Kanon gedacht hatte. Er hatte einfach nur die Leistung seines Telefons unterschätzt. „I… Ich habe gesagt, dass ich heute den ganzen Tag mit Kanon geübt habe“, stotterte Reita ängstlich und zischte dem Schwarzhaarigen noch ein „Sag’s ihm!“ zu. „Ähm… ja. Das hat er“, pflichtete Kanon bei, obwohl er sich dabei doch etwas unwohl fühlte. Er hatte nicht wirklich Lust zwischen die Fronten zu geraten. Da konnte er ja nur verlieren! Das Gefühl falsch gehandelt zu haben wurde noch stärker, als er aufblickte und das böse Funkeln in Aois Augen sah. Der Gitarrist sah zwar seinen Mitbewohner an und nicht ihn, doch trotzdem fühlte sich Kanon wie ein Verräter. Während er und Reita heute nämlich geprobt hatten, war Aoi in der Stadt shoppen gewesen und hatte so nichts vorzuweisen, um Kai zu besänftigen. „Ich ruf gleich Uruha an und mach mit ihm für morgen einen Termin zum Üben aus“, meinte der Gitarrist zerknirscht. „Du musst nichts mit ihm ausmachen. Das hab ich schon für dich gemacht. Du stehst morgen pünktlich um 10 Uhr vor Uruhas Haustür. Und bring ihm am besten einen Sake und eine ernst gemeinte Entschuldigung mit. Er hatte eigentlich schon andere Pläne und ist ziemlich sauer, dass er diese absagen musste, nur weil ihr zu blöd seid, um auf den Kalender zu schauen. Hast du mich verstanden?“ „Ja, Kai“, antwortete Aoi fast schon unterwürfig auf die Anweisungen seines Leaders. „Gut. Und Reita!“ Der Angesprochene zuckte zusammen. „Ja?“ „Du stehst um 10 vor meiner Haustüre und wir gehen den Rhythmus durch!“ Kanon sah ganz deutlich, wie die Gesichtszüge des Bassisten entgleisten. Ein wütender Kai war wohl wesentlich schlimmer als ein angepisster Uruha. „Es kann nicht sein, dass du deine eigenen Pflichten wegen Kanon vernachlässigst! Wenn das noch mal vorkommt, zieht er wieder aus. So leid mir das für ihn tut. Habt ihr mich verstanden?“ Nein! Er wollte noch nicht gehen! Gerade fing er doch damit an, sich hier sogar ein bisschen wohl zu fühlen. Ein eingeschüchtertes „ja“ kam von beiden Seiten, woraufhin Kai seufzte. „Schön. Dann gebt mir den Kleinen mal.“ Kanons Blick wanderte erschrocken vom Telefon zu Reita und anschließend zu Aoi. Was wollte Kai denn jetzt von ihm? Er hatte doch gar nichts gemacht! Reita nickte in Richtung Telefon, um ihn somit aufzufordern, das Gerät zu nehmen. Der Schwarzhaarige saß aber noch immer unbeweglich da, bevor er sich Aoi zuwandte. Er musste ihm helfen! Doch statt das zu tun, nahm der Gitarrist das Telefon, stellte den Lautsprecher aus und drückte ihm das Gerät in die Hand. Na toll. „Hey! Wieso hast du denn den Lautsprecher ausgemacht?“, beschwerte sich Reita sofort und funkelte seinen Mitbewohner an. „Weißt du, manche Leute haben auch noch eine Privatsphäre.“ „Aber nicht, wenn sie hier wohnen!“ Zögernd legte Kanon das Telefon an sein Ohr. „Ja?“ „Hey!“, hörte er sofort Kais Stimme. Allerdings ziemlich freundlich. Fast schon mitleidig. Und wieder bemerkte der Bassist, was der Gazette-Leader doch für eine gespaltene Persönlichkeit hatte. Das war ja schon fast gruselig! „Kommst du mit den beiden Chaoten klar oder soll ich Reita morgen ein Vortrag über Gastfreundlichkeit halten?“ „Ähm…“ Er sah seine Mitbewohner an und grinste leicht bei dem Anblick. Sie saßen mucksmäuschenstill da und versuchten irgendetwas vom Gespräch zu belauschen. Leise lachend beantwortete er Kais Frage. „Nein, alles bestens. Danke.“ „Wirklich? Er hätte das sowieso mal wieder nötig.“ Wieder ein leises Lachen, was Aoi und Reita nur noch mehr verwirrte. Vielleicht würde es hier wirklich noch ziemlich amüsant werden. „Also, wegen mir nicht… Aber ich halte dich sicher nicht davon ab.“ „Über was reden die beiden denn?“, hörte er den Blonden aufgebracht Aoi fragen. „Vielleicht beschwert sich Kanon gerade darüber, dass du ein unhöflicher Arsch bist.“ „Vielleicht beschwert er sich auch darüber, dass du ihn mit deinen sabbernden Blicken sexuell belästigst.“ „Ich sabbere gar nicht!“ „Fangen die beiden schon wieder mit Streiten an?“, hörte Kanon den Leader verzweifelt fragen. Als er dann bejahte seufzte Kai gequält. „Bist du sicher, dass bei dir alles in Ordnung ist?“ Der Bassist sah wieder zu seinen beiden Gastgeber, die angefangen hatten, sich gegenseitig Kopfnüsse zu verpassen. „Ich komm schon klar“, antwortete er belustig. Solange er nicht das Angriffsziel war, konnte er auch mit den Streitereien leben. „Na schön, aber wenn du ein Problem hast, dann meld dich einfach bei mir.“ „Das mach ich. Danke, Kai.“ Kanon war für die Unterstützung des Leaders wirklich dankbar. Es war gut Kai auf seiner Seite zu haben. Allerdings fühlte er sich auch etwas schuldig, weil seine Gastgeber wegen ihm ihre Probe verschwitzt hatten. Er würde darauf achten, dass sie am nächsten Morgen beide pünktlich das Haus verließen und wenn er sich mit ihnen deshalb anlegen musste! Mit diesem Vorsatz im Hinterkopf verabschiedete er sich von Kai und stellte das Telefon zurück auf seine Station. Als er dann allerdings am nächsten Morgen um halb neun aufwachte, staunte er nicht schlecht, dass er schon Stimmen aus dem Wohnzimmer vernahm. Zu Kanons Erstaunen schafften es seine beiden Gastgeber nicht nur an diesem Tag rechtzeitig aufzustehen, sondern verließen sogar pünktlich das Haus. Kanon war ziemlich erleichtert, dass alles so reibungslos verlief. Er hatte sich zwar vorgenommen sich notfalls mit den beiden Chaoten anzulegen, doch er war nicht ganz sicher, ob er sich das wirklich getraut hätte. Kai Standpauke am Abend zuvor schien als Ansporn völlig genügt zu haben. Auch wenn Aoi ihm beim Hinausgehen noch versicherte, dass er sich nur so zeitig auf den Weg zu Uruha machte, damit Kai Kanon nicht nach Hause schickte und Aoi dessen Gesellschaft etwas länger genießen durfte. Obwohl der Jüngere in dem Moment nichts darauf erwiderte, sondern nur knallrot anlief, musste er zugeben, dass es ihm ähnlich ging. Kapitel 7: Wie man lernt, was Mode bedeutet ------------------------------------------- Gleich zu Anfang ne kleine Info.. Es kommen in den nächsten Wochen noch 1 oder 2 Kapitel und dann müssen wir 2-3 Wochen Pause machen, weil wir Uniprüfungen haben. Dann gehts für n Monat weiter und dann müssen wir schon wieder Pause machen, weil ich (Keia) im Urlaub bin und da kein Internet hab >__< naja.. aber bis es soweit is, dauerts noch n paar wochen ^^ und jetz viel spaß beim lesen von "Wie man lernt, was Mode bedeutet" mit 2 kleinen Gastauftritten xD __________ Sie standen in der ziemlich vollen Bahn Richtung Innenstadt. Reita war ja einfach nicht aus dem Bett gekommen, obwohl Kanon ziemlich unnachgiebig an dessen Tür geklopft hatte. Zwar hatte er sich noch nicht richtig getraut, reinzugehen und den anderen Bassisten aus dem Bett zu werfen, aber er war dann doch ganz stolz auf sich, dass er zumindest alle fünf Minuten dafür gesorgt hatte, dass Reita keinen angenehmen, dauerhaften Schlaf gehabt hatte. Aber gerade weil er diesen Mut, den anderen zum Aufstehen zu zwingen, dann doch noch nicht aufgebracht hatte, waren sie erst um die Mittagszeit, in der ja sowieso immer viel los war, losgefahren. Deshalb war die Bahn auch so voll. Ein wenig gelangweilt betrachtete Kanon die vorbeiziehende Landschaft. Mittlerweile wusste er, wie viele Haltestellen es bis in die Innenstadt waren. Seitdem er und Reita zum ersten Mal zusammen Bass gespielt hatten, waren vier Tage vergangen, in denen er einmal wegen einem Treffen mit Miku und einmal, weil er mit Aoi etwas aus einem Studio abholen musste, diese Strecke gefahren war. An der siebten Haltestelle quetschten sie sich zusammen mit einigen anderen Leuten nach draußen und machten sich auf den Weg zu einer Treppe nach oben, um ein paar Minuten später an den stark befahrenen Straßen der Innenstadt zu stehen. „Wo willst du denn eigentlich hin?“ Kanon wusste zwar, dass Reita ihm neue Klamotten verpassen wollte, aber wo, darüber hatten sie nicht wirklich gesprochen. „Zeig mir mal, wo du so deine Klamotten kaufst!“ Der Schwarzhaarige hob eine Augenbraue. „Also… Eigentlich hab ich nicht wirklich bestimmte Läden, in die ich immer wieder gehe…“ „Und das nur, weil du nicht weißt, wo die besten Klamottenläden sind!“, rief Reita triumphierend aus, ganz so als wäre es völlig egal gewesen, was Kanon geantwortet hätte. Er hätte sowieso mit diesem Satz darauf reagiert. „Und genau deshalb sind wir hier.“ Selbstzufrieden nickte er mit dem Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. Der Kleinere seufzte. Er hatte sich immer noch nicht richtig an diese selbstzufriedene Art gewöhnt, aber zumindest kam er besser damit klar, als in den ersten beiden Tagen. Auch das rücksichtslose Verhalten seines Gastgebers kannte er schon zu genüge und so wunderte er sich nicht wirklich darüber, dass sich Reita direkt ins Gedränge der Einkaufspassage warf ohne sich noch einmal umzudrehen. Kanon hatte es schwer zwischen den Menschenmassen den anderen im Blick zu behalten. Zwar waren die blonden Haare des Älteren ein Vorteil zwischen all den dunklen Köpfen, doch irgendwann verlor der Schwarzhaarige auch diese aus dem Blick. Na wunderbar! Jetzt hatte er Reita doch tatsächlich verloren! Beziehungsweise hatte Reita ihn verloren! Er war schon dabei sein Handy aus der Tasche zu ziehen, um den Älteren anzurufen, als er ziemlich grob am Arm gepackt wurde. Kanon wusste nicht recht, ob er erleichtert oder sauer auf Reita sein sollte, der ihn jetzt mit einem „Was bist du denn so langsam!“ weiter durch die Menge zog. Wenigstens hatte der Ältere wirklich darauf geachtet, seinen Schützling nicht zu verlieren. Aoi hatte Reita schließlich ganz klar gemacht, dass er gar nicht erst zurückkommen müsse, falls er Kanon nicht wieder heil nach Hause brachte. Der Schwarzhaarige lächelt bei der Erinnerung an diese Drohung. Aoi war schon ein wahrer Freund und Kanon war ziemlich stolz darauf, ihn als solchen bezeichnen zu dürfen. Er hatte das Gefühl sich von Tag zu Tag besser mit Aoi zu verstehen. Ihm immer näher zu kommen… „Da sind wir!“ Ruckartig wurde der Schwarzhaarige zur Seite gezogen und fand sich im Eingangsbereich eines Klamottenladens wieder. Dass Reita auch immer so grob sein musste! Dagegen kamen nicht einmal die süßesten Gedanken an! Seufzend ließ sich Kanon von den Älteren durch den halben Laden schleifen. Irgendwann schien er an seinem Ziel angekommen zu sein und ließ das Handgelenk des Jüngeren wieder frei, was dieser erst einmal inspizieren musste. „Das brauch ich noch zum Bass spielen“, murmelte er ungehalten und rieb sich über die leicht schmerzende Stelle. „Beschwer dich nicht, sonst kommst du nächstes Mal an die Leine!“ „Du müsstest eher an die Leine“, grummelte der Schwarzhaarige vor sich hin und ließ sein Handgelenk wieder sinken. Davor, dass Reita seine Worte gehört haben könnte, hatte er eigentlich keine Angst, denn dieser hatte sich schon wieder umgedreht und rannte halb durch das Geschäft. Kanon musste gucken, dass er hinterherkam. Der Laden sah für ihn eigentlich mehr oder weniger normal aus. Ein ganz normaler Klamottenladen eben. Bunte Kleidungsstücke. Teile, von denen er eigentlich nicht gedacht hatte, dass Reita sie anziehen würde. Oder dass er ein Geschäft betrat, das solche Teile besaß. „Hier kaufst du ein?“, rief er diesem zu, der sich gerade an zwei kichernden Mädchen vorbeiquetschte, die den Blonden musterten. Kanon kam nicht drum herum sich zu fragen, ob sie den anderen auch erkannten, wenn er sein Nasenband so wie jetzt nicht trug und keine so aufwändig gestylten Haare hatte. Und was würde eigentlich passieren, wenn er erkannt wurde? Wenn jemand ein Foto dabei hatte? Er würde Reita später fragen. Oder morgen. „Du kannst ja nicht jeden Tag in Harajuku einkaufen gehen! Und du kriegst auch hier doch ganz anständige Klamotten. Du musst nur wissen wo!“, wurde ihm geantwortet, jedoch ohne dass sich Reita zu ihm umwandte. Stattdessen hielt er in einer Ecke an und stemmte die Hände in die Hüfte. „Hier, siehst du? Hier bekommst du anständige Hosen.“ Die nächste Stunde verbrachte Kanon damit, sich in das ein oder andere Kleidungsstück zu zwängen. Reita hatte wirklich fast immer etwas auszusetzen. Letztendlich schafften sie es aber mit einer neuen Hose vor dem Geschäft zu stehen. Kanon war jetzt schon geschafft. Und das hier war sicher erst der Anfang! Der Blonde sah nämlich nicht so aus, als würde er sich damit schon zufrieden geben. Als sie schließlich vor dem Geschäft standen, sah er den Jüngeren prüfend an. „Okay. Der Anfang wäre geschafft.“ Wie erwartet. Das würde ein langer Tag werden. Und ein sehr anstrengender. Kanon konnte nur hoffen, dass sie heute alles bekamen, was Reita wollte. Noch so einen Tag würde er vielleicht wirklich nicht überleben. Während Reita ihm mal wieder einen kleinen Vortrag über Outfits und wie diese das Selbstbewusstsein beeinflussen können hielt, ließ Kanon seinen Blick durch die Menschenmassen gleiten. So viele Leute, die sich durch die vollen Straßen quetschten. Und es schienen in der letzten Stunde noch mehr geworden zu sein. Gelangweilt beobachtete der Schwarzhaarige die fremden Passanten, bis er an einem Gesicht hängen blieb, das ihm gar nicht so unbekannt vorkam. Er runzelte die Stirn. Spielte seine Vorstellungskraft ihn nur einen Streich? „Hey! Du hörst mir ja gar nicht zu!!“ Erst als Kanon den Schlag auf den Hinterkopf spürte, fiel ihm wieder ein, dass er nicht alleine unterwegs war. Als wäre er aus einer Trance erwacht, zeigte er auf die ihm bekannte Gestalt auf der anderen Straßenseite. „Ist das nicht Nao?“, fragte er Reita, der jetzt auch in die Richtung schaute, in die der andere deutete. Der Nao-Doppelgänger schien nicht alleine unterwegs zu sein. „Das ist nicht nur Nao. Da ist auch Kai!“, informierte der Blonde Kanon und ließ dann einen schrillen Pfiff los, das dem Schwarzhaarigen die Ohren sausten. „Wir hätten auch einfach rüber gehen können“, murrte Kanon und rieb sich über sein Ohr. „Ich hab jetzt bestimmt einen Tinitus.“ „Stell dich nicht immer an, wie ein Mädchen!“, kam die freundliche Antwort, während der Ältere weiterhin versuchte auf sich aufmerksam zu machen. Kanon war schon kurz davor zu entgegnen, dass er gerade nicht derjenige war, der sich auf Zehenspitzen stellte und blöd in der Gegend herumwinkte. Der Anblick erinnerte ihn mehr an ein Fangirl bei einem Konzert als an einen erwachsenen Mann. Allerdings schien das peinliche Herumgehampel zu wirken, denn Nao sah jetzt zu ihnen herüber und machte auch seinen Nebenmann auf sie aufmerksam. Unsicher winkte Kanon den beiden auf der anderen Straßenseite zu, woraufhin diese zurückwinkten. Bildete er sich das nur ein oder sahen die beiden so aus, als fühlten sie sich ertappt? Wahrscheinlich war es wirklich nur Einbildung, denn keine Sekunde später forderte sie Kai durch Handzeichen dazu auf, zu ihnen zu kommen. Ohne ein Wort der Beschwerde begann sich Reita durch die Menschenmassen zu kämpfen, was Kanon, der diesem stumm folgte, lächeln ließ. Da konnte der Blonde noch so viel wedeln und pfeifen. Wenn der Leader das Zeichen gab, dass man kommen sollte, musste man sich eben bewegen. Das hatte Reita anscheinend auch schon gelernt. „Was macht ihr denn hier?“, fragte Nao schließlich, als sie sich endlich durch die Masse gequetscht hatten. Er wirkte nervös. Vielleicht bildete es sich Kanon aber auch einfach nur ein. Reita schien das allerdings nicht zu stören. Oder er bemerkte es einfach nicht. „Wir haben ein Date“, antwortete er so selbstsicher wie immer. Würde der An Cafe-Bassist nicht mittlerweile an solche ironischen Antworten gewöhnt sein, würde er jetzt wahrscheinlich empört protestieren. Tat er aber nicht. Und Kai würde sicher auch die Augen bei dieser Bemerkung verdrehen. Tat er aber nicht. Der Leader, der eigentlich an solche Aussagen von Reita gewohnt sein müsste, wirkte ebenso ertappt. Was war denn hier los? „Also… haben wir natürlich nicht wirklich“, meinte jetzt auch der Blonde verwundert, um die seltsame Stimmung aufzuklären, die sich breit gemacht hatte. „Wir kaufen dem Kleinen nur was zum Anziehen.“ „Oh! Ihr shoppt!?“ Nao schien das plötzlich total interessant zu finden. „Also… da vorne hats super Läden! Los, kommt mit!“ Er griff Kai am Handgelenk und zog ihn hinter sich her durch die Menschenmenge. „Hey! Wartet mal!“ Sofort stürmte Reita hinterher und Kanon konnte nicht anders als es ihm gleichzutun. Ein paar Minuten kämpften sie sich durch die Menge, immer auf der Suche nach Naos seltsamen grünen Hut im Gedränge. Gut, dass er so ein Ding aufhatte. Nicht, dass Kanon es sonderlich geschmackvoll fand, aber zumindest konnten sie die beiden Leader dann nicht so leicht verlieren. An einer Ecke holten sie die anderen endlich ein. Würde es der Schwarzhaarige nicht besser wissen, dann würde er fast sagen, die beiden wirkten überrascht, dass Reita und er nicht im Gedränge verloren gegangen waren. Aber da hatten sie noch mal Glück gehabt. Dank Naos Hut. „Ihr könnt doch nicht einfach so losrennen!“, murrte der blonde Bassist, als sie endlich wieder zum Stehen gekommen waren. „Ihr habt uns ja eingeholt“, entgegnete Kai… zerknirscht? Oder interpretierte Kanon in den missmutigen Gesichtsausdruck des sonst so fröhlichen Drummers einfach zu viel hinein? Wahrscheinlich, denn Reita ignorierte die plötzliche schlechte Laune seines Leaders einfach und konzentrierte sich stattdessen auf Nao. „Und wo sind jetzt diese super Läden?“ „Ähm…“ Der Angesprochene sah etwas hilflos zu Kai und dann auf den Einkaufsladen vor dem er stehen geblieben war. Nach den Ausstellungsstücken im Schaufenster zu urteilen, verkaufte dieses Geschäft nur Bekleidung für ältere Damen. „Du hast doch nicht wirklich diesen Laden hier gemeint oder?“, hakte der Blonde skeptisch nach. „Oder doch? Hast du hier etwa den hässlichen Hut her?“ Kanon hatte nicht übel Lust Reita jetzt einen kräftigen Schlag auf den Hinterkopf zu verpassen. Er selbst konnte bei Nao auch oft nur den Kopf schütteln. Schließlich waren ihre beiden Bands schon einige Male miteinander unterwegs gewesen, sodass er den extravaganten Kleidungsstil des Älteren zur Genüge kannte. Aber er wäre nie im Leben auf die Idee gekommen dem anderen seine Meinung so unverblümt mitzuteilen. Manchmal konnte man sich bei Reita einfach nur fremdschämen. Vor allem wenn der Blonde dann so wie jetzt nur wartend da stand und gar nicht mitbekam, dass er einmal wieder zu weit gegangen war. So wirkte er auch etwas überrascht, als Nao ihn böse anfunkelte. „Ich lass mich doch nicht von einem Kerl, der als Accessoire ein Band im Gesicht trägt, beleidigen! Der Hut ist toll und das wüsstest du, wenn du Geschmack hättest! Und du willst Kanon in Modefragen beraten?“ Nao schüttelte nur den Kopf. „Ich zeig euch jetzt, was Mode ist! Mitkommen!“ Schon stapfte der Drummer los, woraufhin Reita nur verständnislos über diesen kleinen Wutausbruch die Schultern zuckte und zusammen mit Kai und Kanon die Verfolgung aufnahm. „Na großartig“, hörte Kanon den Gazetteleader zerknirscht murmeln. Und dieses Mal hatte er sich das wirklich nicht eingebildet! „Es tut mir Leid, wenn wir uns so aufdrängen. Es sah so aus, als wolltet ihr beide lieber ungestört bleiben“, meinte der Schwarzhaarige entschuldigend. „Was?“ Kai fuhr herum. „Nein, nein!“, meinte er dann schnell. „Nein.“ Kopfschüttelnd sah er den Jüngeren an und versuchte seine Antwort überzeugend rüberzubringen. „Wirklich nicht, nein.“ Ein paar „nein“s zu viel, um wirklich überzeugend zu wirken. Schmunzelnd machte Kanon, dass er Reita hinterherkam. Darauf, ihn noch einmal zu verlieren und dann wieder so angefahren zu werden, hatte er keine Lust. Und er hatte das Gefühl, als würde Kai momentan neben sich stehen. Der würde ihm dann also auch nicht wirklich helfen können. „Ich wusste es doch!“, hörte er Reitas Stimme ein paar Meter entfernt, bevor sie zu den beiden aufschlossen und den Laden betrachteten, vor dem Nao und Reita stehengeblieben waren. „Super Laden.“ Die Ironie in der Stimme des Blonden war nicht zu überhören. Zwar sah er nicht ganz so omahaft aus wie der, vor dem sie vorhin gestanden hatten, aber trotzdem ziemlich extravagant. Und es sah ganz danach aus, als hätte Nao seinen grünen Hut hier gekauft, denn ein ähnliches Exemplar stach ihm sofort ins Auge. Vielleicht würde die nächste Stunde ganz interessant werden, aber mit Sicherheit würden sie hier nichts für Kanon finden. Und selbst wenn, dann würde sich Reita sicher aus Prinzip dagegen wehren, ihn hier etwas kaufen zu lassen. „So. Keine Widerrede. Wir gehen da jetzt rein und kaufen dir was!“ Wie er es vorher bei Kai gemacht hatte, griff Nao jetzt nach Kanons Handgelenk und zog ihn in den eher unbelebten Laden. Was hier an Menschen fehlte, machten die Farben aber sofort wieder wett. Keine Spur von Schwarz und Weiß. Stattdessen aber alle anderen Farbpaletten. Grinsend drehte sich der Bassist nach den beiden Gazettemembern um. Kai sah so aus, als wäre er das alles schon gewohnt, betrat aber trotzdem deutlich seufzend den Laden, während Reita unschlüssig davor stand, den Mund offen, ganz so als wollte er fragen, ob das hier gerade ein Scherz war. War es aber nicht, denn Nao stemmte die Hände in die Hüften. „Jetzt stell dich nicht so an! Ich will gar nicht wissen, in was für Geschäften du schon alles warst!“ Der blonde Bassist wollte gerade etwas darauf erwidern, als ein mahnendes „Reita“ neben ihn von Kai ertönte. Fast drohend sah der Leader den anderen an, woraufhin dieser seinen Mund wieder zuklappte. Anscheinend hatte der Drummer keine Lust auf Streit. Oder Nao löste in ihm irgendeinen Beschützerinstinkt aus. Diesen schien die Szene aber eher zu belustigen, denn er lachte nur leise auf. „Keine Sorge, Kai. Mit dem werde ich schon alleine fertig. Wenn Tora das kann, kann ich das auch!“ Reita rümpfte die Nase. Es sah nicht so aus als würde es ihm gefallen, dass man sagte, irgendjemand würde mit ihm „fertig werden“. Auch wenn es sich dabei um einen gute Freund wie Tora handelte. Reita war in der Zeit, in der Kanon bei ihnen wohnte, zwei Mal abends aus gewesen und Aoi hatte ihm verraten, dass er dann meistens mit dem dunkelhaarigen Gitarristen von Alice nine um die Häuser zog. Kanon hatte es etwas komisch gefunden, dass so eine nette und angenehme Person – so schätzte er Tora jedenfalls ein – wirklich mit Reita befreundet war. Allerdings hatte er sich darüber nicht sehr viele Gedanken gemacht, sondern lieber die ungestörte Zeit genossen, die er mit Aoi gehabt hatte. „Wenigstens schleppt Tora mich nur in Bars und nicht in Bekleidungsgeschäfte für Irre“, murmelte Reita leise und bekam dafür von seinem Leader einen bösen Blick. Nao schien das nicht weiter zu stören. Immer noch mit Kanon im Schlepptau lief er zielstrebig ins Innere des Ladens. „Das wird lustig!“, versprach er dem Schwarzhaarigen und setzte ihm auch prompt irgendeinen Hut auf den Kopf. Kanon konnte ihn nicht wirklich erkennen, aber er sah ziemlich pink aus. Ein Seufzen entwich ihm und er glaubte hinter sich noch zwei Seufzer zu hören. Resigniert betrachtete Kanon sein Spiegelbild. Anfangs hatten die Outfits ihn noch geschockt, doch nach den ersten 10 war er jetzt doch ziemlich abgehärtet. Trotzdem kam es ihm so vor, dass jedes Kleidungsstück, welches Nao ihm strahlend in die Hand drückte, noch ein Stück ausgefallener war als das zuvor. Langsam verließ Kanon seine Umkleide und war schon darauf gefasst, dass Nao schon mit einem neuen Outfit auf ihn wartete. Allerdings war der Einzige, der zu sehen war, Reita. „Kai und Nao sind noch auf der Suche nach einem neuen Horrorfetzen für dich.“ „Und wir stehen einfach hier rum?“, fragte er den anderen sofort. Eigentlich hatte er damit gerechnet, dass ihn der Blonde sofort ins am weitesten entfernte Stadtviertel Tokyos zerren würde, sobald Nao sie für eine Sekunde aus den Augen ließ. Reita schaltete erstaunlich schnell, auch wenn es trotzdem ein paar Augenblicke dauerte, bis er ihn tatsächlich am Arm packte und Richtung Ausgang zog. Kanon atmete erleichtert aus. Zwar war es nicht gerade höflich, sich einfach so aus dem Staub zu machen, aber schließlich konnte er die Flucht dann immer noch auf Reita schieben. Und Kai würde sicher nicht eine Sekunde an dessen Schuld zweifeln. Oder war das etwa unfair? Einfach so das Vertrauen des Leaders auszunutzen? Schließlich hatte er Reita ja auf die Idee gebracht, zu verschwinden. Ein schrilles Piepen riss ihn aus seinen Gedanken. Die Alarmanlage. Einer von ihnen beiden musste sie ausgelöst haben, denn sie standen am Ausgang und der ohrenbetäubende Ton war kaum zu ertragen. Fast! Fast hätten sie es geschafft! Aber nein, er musste ja irgendwas vergessen auszuziehen. „Was hast du denn schon wieder mitgehen lassen?“, fuhr ihn Reita an und Kanon sah erschrocken an sich herunter, bevor er den knallgelben Armreif entdeckte. Der Blonde packte seinen Arm, zog den Reifen grob ab und warf ihn der Angestellten zu, die gerade vom Inneren des Ladens auf sie zukamen. Kanon seufzte und wollte schon ein entschuldigendes Lächeln aufsetzen, um das Versehen aufzuklären, doch Reita zog ihn augenblicklich weiter. Was sollte das? Sie konnten doch nicht einfach wegrennen! Was, wenn da Security hinter ihnen her waren? Das machte es doch nicht besser, wenn sie wie fliehende Diebe aussahen! Aber er schaffte es nicht, den Älteren zum Stehen zu bewegen. Weder mit Worten, noch indem er versuchte, sich zu befreien. Zu allem Überfluss riss ein paar Meter weiter jemand an seinem anderen Arm, sodass er stolpernd mit Reita zum Stehen kam und sich umwandte. Aber dort stand nicht wie erwartet ein Securityman, sondern Aoi, der sie ungläubig anstarrte. „Was macht ihr denn da?“ Kanon war sich nicht einmal sicher, ob er sich freute, den anderen in einem solchen Augenblick zu begegnen, aber lange hatte er auch nicht Zeit darüber nachzudenken. Reita fluchte nur vor sich hin, griff jetzt auch noch nach Aois Arm und zog ihn und den schwarzhaarigen Bassisten weiter durch die Menge. Kapitel 8: Wie man sich einen Kaffee verdient --------------------------------------------- „Will mir vielleicht jemand erklären was hier los ist?“ Der Gitarrist sah Kanon fragend an, doch zum Erstaunen beider war es Reita, der darauf antwortete. „Wir sind auf der Flucht.“ „Was? Vor wem?“ „Vor der Security“, informierte der Jüngste Aoi, woraufhin der Blonde ihn direkt wieder verbesserte. „Quatsch. Doch nicht vor der! Vor Kai und Nao!“ „Ihr seid auf der Flucht vor Kai?!“ Panisch blickte der Gitarrist sich um und ließ sich ohne eine weitere Beschwerde mitziehen. Die Flüchtlinge bogen um die nächste Ecke, wo Reita die beiden auch wieder losließ. „Haben wir sie abgehängt?“, wollte Aoi sofort nervös wissen. Kanon nahm sich vor, ihm noch zu erklären, dass Nao und Kai sie jetzt nicht direkt verfolgt hatten. Auch der Blonde schien wieder entspannter dadurch, dass er einige Distanz zwischen sich und den Laden mit den grellen Klamotten gebracht hatte. So zuckte er auf die Frage seines Freundes nur mit den Schultern. „Egal. Ich hol mir jetzt erst mal einen Kaffee.“ „Was?! Ich dachte wir sind auf der Flucht und du holst dir jetzt nen Kaffee?“, fragte Aoi mit einem gehetzten Gesichtsausdruck. „Ich musste mich gerade eine gefühlte Ewigkeit lang von Nao quälen lassen. Ich verdiene einen Kaffee!“ Kanon glaubte sich bei Reitas Worten verhört zu haben. „Du standest doch die ganze Zeit nur herum und hast gemeckert. Wenn, dann verdiene ICH einen Kaffee! Schließlich musste ich mir diese ganzen schlimmen Outfits anziehen.“ „Ja, aber da zuzusehen hat mich schon genug gequält!“ „Wow, danke für das Kompliment!“ Kanon funkelte den Blonden böse an. Seine Nerven lagen so schon blank, doch Reita wusste wirklich wie man jemanden zur Weißglut trieb. „Ich versteh immer noch nicht, was los ist!“, mischte sich Aoi wieder frustriert ein. Während Reita nur die Augen verdrehte und ohne ein weiteres Wort ging – wahrscheinlich um sich seinen „wohlverdienten“ Kaffee zu besorgen – begann Kanon Aoi auf den neusten Stand zu bringen. Nach ein paar Minuten kam Reita wieder mit zwei Bechern zurück, von denen er einen kommentarlos Kanon überreichte. Dieser war dann doch etwas verwundert, nahm den Kaffee aber mit einem „Danke“ an. Vielleicht half es doch, wenn er dem Blonden ab und zu mal seine Meinung sagte. Aoi hingegen starrte sein Bandmitglied an als würde er sagen wollen „Danke, dass du mich mal wieder eiskalt ignorierst“, verkniff sich aber den Kommentar. Ob der Ältere wohl auch einen Kaffee verdient hatte? Wer wusste, wie lange er schon in der Stadt war und… was auch immer gemacht hatte? „Willst du n Schluck?“, fragte Kanon deshalb und hielt ihm den Plastikbecher entgegen. Aois Ausdruck änderte sich von einer Sekunde auf die nächste, sodass er den Jüngeren jetzt überrascht ansah, dann aber lächelnd den Kopf schüttelte. „Ich hab noch nicht draus getrunken“, wandte Kanon ein. Vielleicht wollte er ja auch einfach nicht aus demselben Becher trinken, aus dem der Bassist vorher getrunken hatte. „Nein, darum geht’s nicht.“ Aoi lachte amüsiert. „Schon okay. Ist deiner.“ Unschlüssig zog der Dunkelhaarige den Becher wieder weg und trank selbst einen Schluck. „Und? Habt ihr schon was gefunden?“ Der Gitarrist blickte neugierig auf die Tüte in Kanons Hand. „Ne Hose für den Kleinen. Und wir waren auf dem besten Weg, auch noch mehr zu finden, bis wir auf den Kerl mit dem supermodischen“ – man hörte die Ironie deutlich heraus – „Kleidungsstil gestoßen sind.“ „Nao?“, fragte Aoi sofort, was Kanon zum Lachen brachte. Naos Freizeitkleidung war wohl ein allgemein bekanntes Phänomen. „Genau“, bestätigte Reita noch, bevor er den letzten Schluck Kaffee trank, was bei ihm wohl bedeutete, dass die Pause damit beendet war. „So. Und jetzt suchen wir weiter. Und wenn jemand Nao oder Kai sieht, dann sagt er mir sofort Bescheid!“ Ohne auf eine Antwort zu warten, drehte sich der Blonde um und machte sich auf den Weg durch die Menge. Kanon schüttete den Kaffee noch runter und machte dann, dass er hinterherkam. Dass Aoi jetzt Teil der Gruppe war, schien beschlossene Sache zu sein. Naja, stören würde es den Jüngsten sicher nicht. Keine fünf Minuten später hatte Reita sie schon in das nächste Geschäft gezerrt und stand jetzt etwas unschlüssig zwischen den Regalen. „Und jetzt?“, fragte Aoi genervt, nachdem der Blonde sie eine Minute lang angeschwiegen hatte. „Hmmm…“ Aoi rollte die Augen. Was für eine informative Antwort! Kanon grinste währenddessen in sich hinein. Anscheinend wusste der andere Bassist einfach nicht mehr, in was für ein Outfit er ihn stecken solle. Kanon wusste zwar, dass Reita oft keine Ahnung hatte, was er tat, aber er zeigte es selten so offen wie in diesem Moment. Ein unschlüssiger Reita war schon ein lustiger Anblick! Allerdings verging Kanon die gute Laune sofort wieder, als der Blonde sich mit einem diabolischen Grinsen an ihn wendete. „Wie wär’s mit einem hübschen Kleid?“ „Bitte was?“ Der Schwarzhaarige hoffte sich verhört zu haben, doch bei Reitas hämischem Gesichtsausdruck verging ihm diese Hoffnung. „Stell dich nicht so an! Du hattest schon Kleider an! Ich hab Fotos davon gesehen. Echt niedlich.“ „Ich kauf mir doch kein Kleid! Das waren nur Ausnahmen!!“ „Das heißt nicht, dass wir daraus nicht eine neue Gewohnheit machen können.“ Kanon überlegte sich gerade mit welchen Gegenständen in seiner Umgebung er Reita am besten erschlagen konnte, um ihm sein blödes Grinsen aus dem Gesicht zu wischen, als Aoi sich wieder einmischte. „Ok. Genug jetzt. Reita du hattest deine Chance. Jetzt bin ich dran.“ Der Blonde zog eine Augenbraue in die Höhe. „Und wieso?“ „Weil ich mich mit shoppen viel besser auskenne als du.“ Der Bassist zuckte daraufhin nur mit den Schultern. Entweder sein Kollege hatte ihn tatsächlich überzeugt oder er hatte wirklich keine Idee mehr, in was für Klamotten er Kanon stecken wollte. Aoi sah das Schweigen jedenfalls als Triumph an und stellte sich jetzt neben Reita und somit Kanon gegenüber. Nervös begann dieser auf seinem Piercing zu kauen. Er wusste nicht, ob er wirklich erfreut darüber war, dass Aoi ihm jetzt Sachen aussuchen wollte. Anders als bei Reita fühlte er sich immer schrecklich eigenartig, wenn der Gitarrist ihn lange ansah. Vielleicht weil er es von dem Blonden durch den Bassunterricht schon gewöhnt war. Immerhin war es ihm bei diesem anfangs auch unangenehm gewesen. Ja, er musste sich nur daran gewöhnen, dass Aoi ihn so ansah. Das würde im Laufe des Tages sicher besser werden. „Am besten wärs, wenn du erstmal deine neue Hose anziehst. Dann können wir da was Passendes dazu suchen“, meinte der Älteste und nickte anschließend zur Bestätigung. „Und wir können auch gleich entscheiden, ob Reita die gut ausgesucht hat oder ob wir sie gleich wieder umtauschen gehen“, schickte er noch leise hinterher, was ihm einen Stoß von Reitas Ellbogen in seine Rippen einbrachte. Kanon konnte nicht anders als zu grinsen. „Also… dann geh ich mich mal umziehen.“ Gemütlich schlenderte er in Richtung Umkleide. Vor ein paar Minuten noch hatte er gehofft, sie würden schnell etwas Passendes zum Anziehen finden und er konnte den Abend gemütlich zu Hause verbringen. Jetzt aber fiel ihm auf, dass es ihm eigentlich gar nicht so viel ausmachte, hier zu sein. Zu Hause konnte er immer rumsitzen, aber mit Aoi Shoppen konnte er nicht jeden Tag. Und mit Reita natürlich. Nachdem er die Hose angezogen hatte, betrachtete er sich im Spiegel. Sah das gut aus? Ob Aoi sie wohl zurückgeben wollte? Oder ob sie ihm gefiel? Unschlüssig stand er vor seinem Spiegelbild. Und jetzt? „Jetzt komm da raus! Oder wie lang brauchst du?“, wurde ihm sofort auf seine mentale Frage geantwortet. Allerdings ziemlich harsch, sodass er sich gar nicht erst überlegen musste, wer da mit ihm sprach. Noch einmal tief durchatmend schob er den Vorhang zu Seite. Was stellte er sich eigentlich so an? Sie hatten die Hose doch sogar schon gekauft! Reita hatte sie als gut empfunden und er selbst hätte sie ja sicher nicht genommen, wenn sie ihm nicht gefallen hätte. Trotzdem war es ein seltsames Gefühl, von Aoi jetzt von oben bis unten gemustert zu werden. Es schienen unendlich lange Minuten zu vergehen, bis der Schwarzhaarige endlich nickte. „Gefällt mir!“ Kanon hörte den Stein von seinem Herzen fallen. Nur, um sich einen Augenblick später wieder selbst zur Ordnung zu rufen. Wieso fiel ihm denn jetzt ein Stein vom Herzen? Weil er jetzt nicht zurück zu dem Laden rennen musste, in dem sie die Hose gekauft haben? Wahrscheinlich lag es daran, ja. Auch Reita schien sich über Aois Urteil zu freuen. „Ich sag dir doch immer, ich hab Geschmack. Die Hose ist spitze!“ Der Gitarrist verdrehte bei diesem Eigenlob nur genervt die Augen. „Jetzt übertreib mal nicht gleich.“ „Übertreiben? Kleiner, dreh dich mal um.“ Kanon brauchte einen Moment um zu verstehen, dass er gemeint war. War das jetzt Reitas Ernst? Dem auffordernden Blick nach zu urteilen schon. Seufzend drehte der Jüngste den anderen seinen Rücken zu und fragte sich, wie das Aoi jetzt von ihrem Einkauf überzeugen sollte. Kanon war froh, dass seine Begleiter sein Gesicht nicht sehen konnten, als ein anerkennender Pfiff hinter ihm erschallte. Und er war sich ziemlich sicher, dass der Pfiff nicht von Reita kam. „Die Hose IST spitze.“ Kanons Gesicht wurde noch etwas röter, als er Aois faszinierte Stimme hörte. „Die sitzt echt toll!“ Der Schwarzhaarige konnte förmlich den Blick des Gitarristen auf sich spüren und es machte ihn mehr als nur nervös. „Ich habs doch gesagt“, warf Reita dann noch ein. „Vielleicht sollte er sich mal bücken?“ Ok, das reichte Kanon jetzt wirklich! Er war doch keine Schaufensterpuppe, die man einfach so ohne Schamgefühl anstarren konnte! Ohne auf eine Aufforderung zu warten, drehte er sich wieder um. Die beiden hatten jetzt wirklich lang genug seine Rückseite betrachtet! Vorwurfsvoll sah er Reita an, der ihn dazu gebracht hatte, sich umzudrehen. Dieser machte sich aber gar nichts daraus, sondern schenkte ihm nur ein Grinsen, weshalb er auch schnell wieder auf den Boden guckte. Aois Blick wollte er gar nicht sehen. Es war ihm irgendwie peinlich. Jetzt, nachdem der Ältere so anerkennend seine Kehrseite beurteilt hatte. „Jetzt sucht mir schon was zum Anziehen raus!“, murrte der Bassist vor sich hin, um sich abzulenken. Die Wangen knallrot. Bestimmt. So fühlte er sich zumindest. Kanon bekam noch mit, wie Aoi die Hände in die Hosentaschen steckte und davon schlenderte, bevor er sich endlich wieder getraute, aufzusehen. Reita hatte sich allerdings immer noch nicht auf den Weg nach Klamotten gemacht – oder er überließ diese Sache jetzt wirklich ganz dem anderen -, sondern grinste ihn weiter an. „Was?“, fuhr Kanon den Blonden leicht gereizt an. Dabei wusste er aber, dass ihn seine rot angelaufenen Wangen nicht so ernsthaft und glaubwürdig aussehen ließen wie er es gern hätte. Aber dieses überhebliche Grinsen würde ihn eines Tages sicher noch in den Wahnsinn treiben. Und jetzt hielt es der andere noch nicht mal für nötig, ihm zu antworten! Wie sollte das denn weitergehen? Ein paar Sekunden lang starrten sie sich noch an, bis Aoi die zu knistern beginnende Atmosphäre auflöste. „Hab ich was verpasst?“ „Nein“, knurrte Kanon nur, Reita dabei nicht aus den Augen lassend, und verschwand mit den Klamotten, die er Aoi aus der Hand genommen hatte, in der Umkleide. Dort atmete er erstmal tief durch. Schön. Jetzt hatte er auch noch Aoi angefahren, nur wegen Reitas Überheblichkeit. Nur weil er selbst diese nicht einfach ignorieren konnte. Aber was sollte er auch machen, wenn der andere Bassist so grinste, als wüsste er etwas, was alle anderen nicht wussten. Viel zu schnell hatte er sich umgezogen. Viel zu schnell musste er wieder raus und sich vor den anderen beiden präsentieren. Dabei wollte er sich doch erstmal beruhigen! Die Wut auf Reitas Überheblichkeit war mittlerweile Unbehagen darüber, dass er Aoi angefahren hatte, gewichen. Zögernd verließ er die Kabine, wo er sich auch direkt dem Auslöser seines mulmigen Gefühls konfrontiert sah. Vor ihm stand der Gitarrist und lächelte mit seiner freundlichen und liebevollen Art an, die Kanon in den letzten paar Tagen schon so oft genießen durfte. Vielleicht hatte er seinen kleinen Gefühlsausbruch gar nicht so richtig registriert? Möglich wäre es. Schließlich fehlte dem Älteren auch Reita gegenüber manchmal das Taktgefühl. Wieso sollte er dann auch alle Stimmungsschwankungen von Kanon mitbekommen? Dem Bassisten fiel bei dieser Überlegung ein Stein vom Herzen und er mühte sich sogar ein kleines Lächeln ab, das sein Gegenüber mit einem noch breiteren Strahlen beantwortete. „Sieht gut aus! Allerdings solltest du das Oberteil etwas weiter runterziehen.“ Gerade hatte es Kanon mit Mühe und Not geschafft bei dem Kompliment des Älteren nicht schon wieder rot anzulaufen, da stand dieser schon neben ihm und begann sein Oberteil zurecht zu ziehen. Erneut merkte er wie ihm die Hitze zu Kopf stieg. Das war so langsam ja nicht mehr normal, so oft wie er anlief! Es wurde wirklich Zeit, dass Reitas Training anschlug! „Ähm… wo ist eigentlich Reita?“ Kanon hörte in seiner eigenen Stimme die Nervosität, aber vielleicht brachte ihn ein Gespräch ja auf andere Gedanken, während Aoi an seinem Oberteil nestelte. „Ich hab ihn mit ein paar einfachen Anweisungen losgeschickt. Deiner Stimmung nach zu urteilen, brauchtest du mal eine Pause von ihm.“ Kanon schluckte. Also hatte es der andere doch bemerkt. „Ich mag’s nicht, so eindringlich gemustert zu werden“, gab der Jüngere peinlich berührt zu, was Aoi nur auflachen ließ. „Wie kann man nur so toll aussehen und gleichzeitig so schüchtern sein?“ Kanon war froh, dass es sich hier nur um eine rhetorische Frage handelte und der Ältere keine Antwort von ihm verlangte. Er hätte nicht gewusst, was er darauf hätte sagen sollen. Zu allem Überfluss war Aoi dazu übergegangen, ihm behutsam über den Oberkörper zu fahren. Natürlich nur um den Stoff glatt zu streichen. Trotzdem ein Gefühl, dass den Jüngeren irgendwie überforderte. Kapitel 9: Wie man stört ------------------------ 10 Kommis?! Leute, ihr seid wirklich toll >____< Vielen vielen Dank für jedes einzelne! Wir haben uns unheimlich gefreut! >__< trotzdem werden wir wie schon angekündigt eine kleine Pause von etwa 2 Wochen machen.. Wir schreiben beide die nächsten Wochen über Prüfungen und werden deshalb wenig zum schreiben kommen. Aber es geht anschließend auf jeden Fall weiter! ^^ Und jetzt viel Spaß mit Kapitel 9 - Wie man stört ________________ Zu allem Überfluss war Aoi dazu übergegangen, ihm behutsam über den Oberkörper zu fahren. Natürlich nur um den Stoff glatt zu streichen. Trotzdem ein Gefühl, dass den Jüngeren irgendwie überforderte. Nicht, dass er wirklich wollte, dass der andere aufhörte… „Stör ich etwa?“ Kanon zuckte zusammen und machte automatisch einen Schritt zurück, als er bemerkte, dass Reita grinsend und mit zwei Shirts über dem Arm neben ihnen stand. „Äh…“, brachte er nur geistreich heraus und lief gleich mal wieder rot an. Aoi schien sich daraus aber nicht viel zu machen. „Immer, Reita. Immer“, meinte er lachend und nahm ihm die Klamotten ab, um sie zu inspizieren. „Dir sollte man echt ne Glocke umbinden, damit man immer weiß, wo du als nächstes auftauchst.“ „Aber sonst geht’s dir noch gut?“ Das Grinsen des Bassisten war wie aus seinem Gesicht gewischt, als er die Arme vor der Brust verschränkte und beleidigt wieder davon stapfte. „Bring nächstes Mal was Anständiges mit!“, rief ihm Aoi noch hinterher und betrachtete dann wieder den Jüngeren vor sich ganz so als hätte Reita nie gestört. „Also, ich finde das Oberteil toll! Aber vielleicht sollten wir erstmal noch ein paar andere ausprobieren, bevor wir uns überlegen, welches wir kaufen.“ Damit legte er alle Oberteile, die er Reita abgenommen hatte, außer einem auf einem Kleiderständer neben sich ab. „Das hier könnte man vielleicht gebrauchen.“ Er faltete es auseinander und hielt es vor sich, sodass auch Kanon das weiß-graue Shirt sehen konnte. „Willst du das mal anziehen?“ Das war wahrscheinlich das erste Mal an diesem Tag, dass man den An Cafe-Bassisten fragte, was er selbst wollte. Seine Laune hob sich unheimlich, sodass er sofort nickte und mit dem Teil wieder einmal in einer Umkleide verschwand. Gerade als er sich ausziehen wollte, fiel sein Blick auf sein Spiegelbild und er hob die Augenbrauen. Das Shirt passte doch eigentlich perfekt. Und genau so wie es jetzt war, war es auch gewesen, als er nach draußen gegangen war. Man konnte es eigentlich gar nicht weiter runter ziehen. Und der Stoff war auch aus einem Material, das nur wenige Falten warf. Kanon versuchte den Gedanken wieder abzuschütteln, der sich gerade in seinem Kopf bildete. Trotzdem stellte er sich selbst unweigerlich die Frage, wieso Aoi so gründlich über sein Oberteil gestrichen hatte. Wollte der Ältere ihn etwa… berühren? Nur bei der bloßen Vorstellung daran, begann die Haut des Bassisten leicht zu kribbeln. Schnell streifte er das Oberteil ab und schmiss es in eine Ecke als wäre es für dieses eigenartige Gefühl verantwortlich. Das war doch schwachsinnig! Reitas dämliche Anspielungen ließen ihn Gespenster sehen. Aoi hatte überhaupt keine Hintergedanken, wenn er ihn berührte. Überhaupt keine! Hastig zog er das neue Shirt an, das Aoi ihm mitgegeben hatte. Der Gitarrist fragte sich sicher schon, wofür er solange brauchte. Dieses Mal achtete er aber ganz genau darauf, dass das Oberteil zu hundert Prozent richtig saß. Allerdings war das vielleicht auch ein bisschen auffällig. Und er hatte auch nicht wirklich etwas dagegen von Aoi berührt zu werden. Also schob er das Shirt wieder etwas höher so, dass es Falten warf. Konnten auch ruhig mehrere sein, damit Aoi länger etwas zu tun hatte… Überrascht starrte Kanon sein Spielbild an. Er war doch gerade nicht wirklich dabei sein Oberteil extra zerknüllt wirken zu lassen, damit der Ältere es ihm glatt streichen würde? Frustriert zog er das helle Shirt wieder zu recht und verließ dann die Kabine, bevor er noch ganz an sich selbst verzweifelte. „Das ist schön“, kommentierte Aoi auch sofort lächelnd. Jemand, der so freundlich strahlte, konnte doch überhaupt keine Hintergedanken haben! „Der Aufdruck gefällt mir.“ Verwirrt sah Kanon an sich herunter. Er war so damit beschäftigt gewesen, das Oberteil richtig zu positionieren, dass ihm das Bild auf dem Stoff gar nicht aufgefallen war. „Tja, ihre jungen Leute könnt eben noch so etwas extravagantes tragen“, seufzte der Gitarrist gespielt, was Kanon eine Augenbraue heben ließ. „Fünf Jahre sind jetzt auch nicht die Welt“, entgegnete der Bassist etwas mürrisch, was den Älteren nur auflachen ließ, bevor er sich mit einem „Stütz mich! Ich bin so alt, ich glaub ich kann mich nicht mehr auf den Beinen halten“ auf Kanon stürzte, der wiederum auch kichern musste. „Jetzt stör ich aber wirklich!“ Kanon hörte schlagartig auf zu kichern und hätte Aoi fast fallen gelassen, so erschreckte er sich bei Reitas Satz. Warum tauchte der Blonde denn auch ständig mitten aus dem Nichts auf? Und auch der Gitarrist hatte sich wohl selbst ein wenig erschreckt, denn Kanon hatte ganz deutlich gespürt, wie der Ältere zusammengezuckt war. Nicht stark, aber trotzdem merklich. „Immer! Das hab ich dir doch vorhin schon gesagt!“ Aoi ließ lachend – war es ein unsicheres Lachen? – von dem Bassisten ab und nahm Reita das Shirt, das dieser mitgebracht hatte, vom Arm. Kanon kam es fast so vor, als wollte sich der andere nur mit irgendetwas beschäftigen, um nicht weiter auf dem Thema rumreiten zu müssen. Aber es kam ihm ja auch nur fast so vor. Warum sollte Aoi diesem Thema schon ausweichen wollen? Sie hatten schließlich nur rumgealbert, gelacht, der Ältere war ihm… um den Hals gefallen… hatte seine Nähe gesucht… ihn berührt… Kanon schluckte. Blödsinn! Er bildete sich aufgrund von Reitas Andeutungen schon wieder Sachen ein. Das musste abgestellt werden! Aber schnell! Immerhin würde er noch einige Tage mit Aoi unter einem Dach wohnen und er konnte es sich nicht leisten, jedes mal so rot wie eine Tomate anzulaufen, wenn der andere ihn anfasste! „Aber vorhin…“ Reita schien ein wenig überfordert. „Da hast du das doch nicht ernst gemeint, oder?“ „Hast du ne Ahnung!“, lachte Aoi wieder und betrachtete das Shirt so, als wäre es das erste mal, dass er ein solches Kleidungsstück sah. „Das ist nicht gut. Such was anderes!“ Damit drückte er Reita das Shirt wieder in die Hand und schubste ihn weg. „Hey, ich bin doch nicht dein Dienstmädchen!“, kam es grummelnd von diesem. „Wer ist zum Shoppen losgefahren? Also stell dich nicht so an! Du wolltest Kanon neue Klamotten suchen, dann tu das auch!“ Dass Aoi eigentlich derjenige gewesen war, der beschlossen hatte, sich einzumischen und bei der Kleidungssuche zu helfen, erwähnte Kanon nicht. Sollte Reita doch loslaufen! Allerdings schien die Aussage diesen auf ein ganz anderes Thema zu bringen. „Sag mal, was machst du eigentlich hier?“ Der Schwarzhaarige hob skeptische eine Augenbraue. „Was meinst du mit ‚hier‘?“ „Na ja, wie kommt es dazu, dass wir uns rein zufällig hier in der Stadt treffen? Oder hast du uns etwa gesucht?“ Der Angesprochene antwortete nicht, sondern blickte nur kurz zu Kanon hinüber. Wenn dieser es nicht besser wüsste, würde er sagen, dass Aoi ertappt wirkte. „Quatsch“, meinte der Ältere nachdrücklich. „Ich hatte nur Lust in die Stadt zu gehen.“ „Du warst doch erst in der Stadt“, hakte der Blonde noch einmal nach. Ihm schien es zu gefallen, seinen Freund immer mehr in Verlegenheit zu bringen. Allerdings wandelte sich der Blick des Gitarrist nun von unsicher zu aggressiv. „Seit wann brauch ich denn deine Erlaubnis, um aus dem Haus zu gehen?“, fragte er angriffslustig. „Außerdem kann ich auch gleich wieder abhauen, wenn ich dich so nerve. Dann kannst du ruhig noch ein paar Stunden planlos von einem Geschäft zum nächsten laufen.“ „Nein!“, rief Kanon sofort, ohne sich viele Gedanken darüber zu machen. Er hatte wirklich keine Lust weiterhin von Reita durch die Gegend gezogen zu werden. Aoi lächelte ihn dankbar an. „Damit wäre das Thema wohl erledigt. Und jetzt geh noch ein paar Oberteile suchen.“ Mit einem mürrischen „Ich weiß trotzdem nicht, was du hier zu suchen hast“ zog der Blonde dann wieder davon. Anscheinend hatte er eingesehen, dass sie ohne Aois Mithilfe noch den ganzen Tag in dem Laden verbringen würden. Trotzdem musste Kanon dem anderen Bassisten recht geben. Aoi hatte sich zwar gerechtfertigt, aber nicht wirklich erklärt, was er hier machte. Wie wahrscheinlich war es schon, dass sie sich zufällig beim Shoppen trafen? „Ich bin euch nicht gefolgt.“ Kanon zuckte zusammen, als er bemerkte, dass er die ganze Zeit Aoi gemustert hatte. Ihm musste seine Frage ja förmlich ins Gesicht geschrieben gewesen sein! Nichtsdestotrotz war es nicht Kanon, sondern der Ältere, der peinlich berührt wirkte. „Ok“, meinte der Bassist etwas betreten. „Allerdings wäre es auch nicht schlimm, wenn es so wäre. Ich bin froh, dass du da bist.“ Auch wenn er direkt rot anlief, war Kanon stolz auf sich die Worte ausgesprochen zu haben. Er sollte das viel öfter machen. Sagen, was er dachte. Das Gefühl danach war wesentlich besser als das, wenn er ständig darüber nachdachte, ob er jetzt etwas hätte sagen sollen oder doch besser nicht. „Wie lieb.“ Aois sanftes Lachen ließ ihn noch röter anlaufen. Ja, er musste auf jeden Fall öfter sagen, was er dachte. Wenn er den anderen dadurch zu so einem Lachen brachte. „Freut mich, dass ich dir nicht auf den Geist gehe.“ „Nein, tust du nicht!“ Kanons Mund war mal wieder schneller als sein Kopf, denn die Worte waren ihm erneut viel zu schnell rausgerutscht. Aoi schien sich daran aber nicht zu stören. „Ach übrigens haben wir morgen Probe“, wechselte er das Thema. „Wir geben übermorgen ein Konzert und deshalb proben wir morgen noch mal in der Halle. Reita will dich mitnehmen.“ Der Jüngere sah sofort erschrocken auf. Er? Allein unter ganz Gazette? Oh Gott. „Eigentlich wollte er dir das gar nicht sagen und dich morgen früh wecken und einfach mitnehmen, aber ich glaube es ist nur fair, wenn du dich darauf einstellen kannst.“ Oh ja, darauf musste er sich wirklich einstellen. Er wäre morgen früh aus allen Wolken gefallen, wenn Reita ihm das mal so eben eröffnet hatte. „Und ähm… Warum soll ich mit?“ Aoi zuckte mit den Schultern. „Ich schätze, er will dir eben in authentischer Umgebung zeigen, was einen seiner Meinung nach „richtigen“ Bassisten ausmacht.“ Na wenn er nur zugucken musste, dann konnte er vielleicht damit leben. Immerhin würde er seine ganze Energie damit verbrauchen, zwischen den anderen Membern zu überleben. Wirklich viel hatte er von ihnen zwar nicht mitbekommen, aber Miyavis Geburtstagsparty hatte ihm einen sehr guten Einblick gegeben. Reita kannte er ja mittlerweile, Ruki hatte er als kleinen Giftzwerg kennen gelernt und Uruha konnte er gar nicht richtig einschätzen. Dafür würde er mit Kai wohl keine Probleme haben. Andererseits hatte der Leader auch gesagt, er musste ausziehen, wenn er die anderen zu sehr ablenkte. Das bedeutete also, dass er sich morgen einfach still in irgendeine Ecke setzen und zusehen würde. Das war wahrscheinlich sowieso das Beste. „Hey, guck nicht so verängstigt! Ich pass schon auf dich auf.“ Lachend musterte ihn der Gitarrist. Er hatte mal wieder erraten, was er gedacht hatte. Langsam machte das wirklich Angst. „Und sobald wir dir ein schönes Outfit zusammengestellt haben, fühlst du dich morgen sicher auch viel wohler.“ „Dann sind wir heute also nur shoppen gegangen, damit ich euch morgen nicht blamiere?“, fragte Kanon trocken. Schließlich konnte er sich das bei Reita gut vorstellen. Und nachvollziehen konnte er es irgendwie auch. Von Aoi bekam er daraufhin nur einen mitfühlenden Blick und ein Seufzen geschenkt. „Ich habe überhaupt keine Angst davor, dass du mich vor irgendjemanden blamieren könntest“, meinte der Ältere ungewohnt ernst. „Und auch wenn Reita gerne auf besonders fies tut, weiß er ganz genau, dass jemand mit so viel Talent wie du sich gar nicht blamieren kann.“ Kanon wollte gerade ein „Danke“ stottern, als er unterbrochen wurde. „Sprecht ihr etwa über mich?“ Aoi verdrehte bei der Frage des blonden Bassisten nur die Augen, was Kanon auch sehr gut nachvollziehen konnte. Reitas Angeschleiche konnte einem wirklich auf die Nerven gehen! Ohne zu antworten nahm Aoi seinem Freund den Stapel Kleidungsstücke ab. Anscheinend hatte Reita keine Lust mehr ständig durch die Gegen zu rennen und hatte deshalb dieses Mal etwas mehr an Auswahl mitgebracht. Eine gute Entscheidung, denn Aoi sortierte die meisten Sachen gleich wieder aus, bis er nur noch fünf Oberteile in der Hand hatte. „Die können wir probieren. Der Rest ist Müll. Und das holst du noch einmal in einer Größe kleiner. Das kann ruhig etwas enger anliegen.“ Statt sich zu beschweren, grinste Reita den Gitarristen nur dreckig an, bevor er mit einem unschuldigen „Wenn du darauf stehst“ wieder loszog. Scheinbar war der Blonde zufrieden, sobald er nur ein bisschen Sticheln konnte. Das war gut zu wissen. Während Kanon seine mentale „Wie besänftige ich Reita“-Liste fortsetzte, bekam er von Aoi schon die Oberteile in die Hand gedrückt. „Hey, nicht träumen“, meinte der Ältere lachend. „Das hier ist schließlich professionelles Shoppen und kein Vergnügen!“ Mit diesen Worten wurde Kanon sanft und doch bestimmend zurück zu seiner Kabine geschoben. Schnell stellte Kanon fest, dass Aoi nur zur Hälfte Recht mit seiner Aussage hatte. Zwar war es wirklich anstrengend sich jedes Mal Aois kritischen Blick auszusetzen, nur um dann ein neues Kleidungsstück überreicht zu bekommen, doch irgendwie hatte er auch seinen Spaß daran. Der Ältere schaffte es wirklich fast bei jedem neuen Oberteil ihn zu berühren. Ob er es ihm nun zu recht zog oder wieder sanft den Stoff glättete. Kanon wusste nicht, ob der Ältere das mit Absicht machte. Eigentlich konnte er sich das nicht wirklich vorstellen. Vielleicht war Aoi einfach ein Mensch, der nicht so berührungsscheu war wie er selbst. Und trotzdem stellte sich ihm die Frage jedes Mal wieder. Mit jedem Mal, wenn der Ältere an seinem Shirt zupfte. Es ließ sich einfach nicht abstellen. Diese ständige Frage. Und irgendwann kam noch eine zweite Frage dazu, mit der er sich den Rest des Abends herumschlug. Sogar noch, als sie zusammen vor dem Fernseher saßen. Und auch noch, als er ins Bett ging. Die Frage lenkte ihn sogar davon ab, dass er morgen den Tag mit ganz Gazette verbringen würde. Warum beschäftigte es ihn eigentlich so, ob Aoi ihn nun absichtlich berührte oder nicht? Kapitel 10: Wie man beobachtet ------------------------------ Es hat länger gedauert als wir gedacht haben.. aber wir hatten ein paar probleme mit dem schreiben >__< sorry dafür! Wir hoffen, es läuft jetz wieder ^^ und auch jetzt müssn wir gleich die nächste pause ankündigen .__." Weil wir beide in den Urlaub gehen und nich gleichzeitig weg sind (würde ja alles einfacher machen, wenn wir gleichzeitig wegfahrn. Also, warum sollten wir auch? ûu") kommt jetz ne pause von etwa 2 Monaten, weil wir in dieser Zeit kein Internet haben. Ein Oneshot is so gut wie fertig und wir hoffen, wir schaffen ihn noch. wenn ja, kommt er in den nächsten tagen/wochen (wird ein weiteres kapitel von "kyoosha - beyond the curtain"). Wenn nicht dann ziemlich bald, wenn wir beide wieder da sind ^^ danke, dass ihr euch durch das lange vorwort gekämpft habt xD" und viel spaß mit kapitel 10! __________ Kapitel 10 Wie man beobachtet Er fühlte sich wirklich nicht ganz so unwohl, wie er es erwartet hatte, als sie die Konzerthalle erreichten. Kai war natürlich schon da und wuselte in der Gegend herum, um noch dies und das zu regeln, und Uruha saß am Rand der Halle und zupfte auf seiner Gitarre. Als er die drei Neuankömmlinge bemerkte, blickte er kurz auf, wandte sich aber mit einem „Ruki ist hinten“ wieder dem Instrument zu. „Dann gehen wir da auch mal schnell hin und laden unser Zeug ab.“ Aoi ging voraus und führte Kanon hinter der Bühne in einen der Backstageräume, in dem Ruki gerade, als sie ankamen, mit einem Elektroniker über das Licht diskutierte. „Eigentlich ist das ziemlich schwachsinnig, das heute schon bis ins Detail zu planen“, flüsterte ihm Aoi zu. „Wir werfen am Konzerttag sowieso wieder alles um und wollen es anders. Besonders unser „Ich bin der Mittelpunkt und brauch deshalb auch ganz viel Licht“-Bassist.“ Kanon sah grinsend zu Reita, der seine Basstasche gerade auf das Sofa gelegt hatte und das Instrument nun auspackte. Er konnte sich gut vorstellen, dass sich die Gazette-Member im letzten Moment noch einmal umentschieden und alles neu planten. Bei den An Cafe Konzerten war das allerdings die Ausnahme. Sie waren dann doch relativ gut, was die Planung anging. „Leg deine Sachen einfach irgendwo ab.“ Aoi tat dasselbe mit seiner Gitarre. „Ich geh mal eben Kai suchen und frag ihn, wie weit er ist.“ „Ich komm mit“, hängte Kanon schnell an. Er wollte wirklich nicht mit Reita und Ruki alleine bleiben. Der Gitarrist sah ihn kurz verdutzt an, bevor er auflachte. „Ich bin doch gleich wieder da“, meinte er dann lächelnd. „Und Ruki wird schon nicht versuchen dich aufzuessen. Oder Ruki?“ „Hab heute schon gegessen“, war die trockene Antwort des Sängers, der sich nun vom Elektroniker abwendete und auf einen der Stühle setzte. Mit einem aufmunternden Schulterklopfen verließ Aoi den Raum. Kanon merkte sofort, wie die Unsicherheit in ihm aufstieg. Also war Aoi der Grund, weshalb er sich bis jetzt einigermaßen wohl gefühlt hatte? Zu allem Überfluss bemerkte er noch, wie Ruki ihn unverblümt musterte. Er war froh, dass er eines der Outfits trug, die sie gestern gekauft hatten. So musste er sich wenigstens keine Gedanken über sein Erscheinungsbild machen. Aoi hatte ein ziemlich sicheres Händchen dafür bewiesen, Sachen herauszusuchen, in denen Kanon sich gut fühlte und die gleichzeitig gut aussahen. Nicht einmal Reita hatte etwas zu meckern gefunden und selbst Kanon war überrascht gewesen, dass ihm die Kleidungsstücke, die er zusammen mit dem Gitarristen ausgesucht hatte, an ihm selbst gefielen. Vielleicht hatte Reita Recht und der Kleidungsstil hatte doch Einfluss auf das Selbstbewusstsein. Doch egal wie sehr ihm das hellgraue Shirt mit dem Aufdruck und die schwarze Jeans heute morgen noch gefallen hatten, unter Rukis musternden Blick war er einfach nur nervös. Und das war eine ganz andere Nervosität als wenn Aoi ihn ansah! „Hey, hör auf damit! Weißt du eigentlich wie schwer es war wenigstens ein bisschen Selbstsicherheit in den Burschen zu prügeln? Und jetzt starrst du das einfach alles weg!“ Auch wenn es nicht gerade freundlich war, hätte Kanon nie damit gerechnet, dass Reita ihn mal in Schutz nehmen würde. Und er hätte auch nie damit gerechnet, dass er wirklich froh darüber sein würde! Als Rukis Blick allerdings von ihm zu Reita wanderte, kannte seine Dankbarkeit fast keine Grenzen. „Wenn das so leicht geht, was hast du denn dann die ganze Woche über mit ihm gemacht?“ „Hey, ich musste ja erstmal ne Basis schaffen!“, konterte der Blonde. „Das wird schon noch! Warts ab!“ Gerade noch war er Reita unheimlich dankbar dafür, dass er von ihm verteidigt worden war, und schon machte er diese Dankbarkeit wieder völlig zunichte. Kanon gefiel es ganz und gar nicht, dass sie schon wieder so über ihn redeten. Als wäre er ein Versuchsobjekt, das verschiedene Stadien durchlaufen musste. Na gut. Objektiv betrachtet war er ja wirklich so was in der Richtung. Eine Erkenntnis, die ihn deprimierte. Hoffentlich kam Aoi schnell wieder, bevor sein Selbstbewusstsein völlig in den Keller sackte. Der ließ allerdings länger auf sich warten. Zum Glück waren Ruki und Reita schnell auf ein anderes Thema gekommen, während Kanon in eigenen Gedanken versunken war. Erst als er gefragt wurde, ob der grüne Tee vom Kombini hier um die Ecke oder der am Bahnhof von Shibuya besser war, blickte er wieder auf. Er hatte natürlich keine Ahnung. Woher sollte er auch wissen wie der grüne Tee vom Kombini hier schmeckte? Eine Antwort wurde ihm zum Glück erspart, als Aoi mit Kai im Schlepptau hereinkamen. „Wir wurden an jeder Ecke angehalten, weil wahrscheinlich jedes Mitglied vom Staff, das gerade im Haus ist, irgendeine Frage hatte und unser Leader hier hat natürlich immer eine ausführliche Antwort parat“, entschuldigte sich der Schwarzhaarige. Kai lachte leise und trat in den Raum, um Uruha Platz zu machen, den sie unterwegs wohl ebenfalls aufgegabelt hatten. Die nächsten zehn Minuten erklärte Kai einige Sachen für den kommenden Tag, bevor alle ihre Instrumente schnappten und sich auf den Weg zur Bühne machten, um ein letztes Mal vor dem Konzert zu proben. Während sie ihre Instrumente anschlossen, wurde Kanon auf einen der Zuschauerstühle in der ersten Reihe gesetzt, von wo aus er den anderen bei ihren Vorbereitungen zusah. Je länger er guckte, desto mehr wollte er selbst auch wieder ein Konzert geben. Aber momentan konnte er sich nur auf die nächste anstehende Probe freuen. Kanon war gerade dabei auf seinem Handy Terukis Nachricht zu suchen, in der ihr neuester Probetermin notiert war, als er plötzlich einen Schlag auf den Hinterkopf bekam. Er musste gar nicht aufsehen, um zu wissen, wer da vor ihm stand. „Hey, ich hab dich nicht zum Faulenzen mitgenommen! Pass gefälligst auf!“, schnauzte der andere Bassist ihn an. Kanon rieb sich murrend den Kopf. Wieso war Reita auch so leise? Zu Hause stapfte er doch auch immer laut von einem Zimmer ins andere ohne Rücksicht auf Verluste. „Ich pass doch auf“, antwortete der Schwarzhaarige beleidigt. „Und welche Lieder haben wir bis jetzt gespielt?“ Kanon biss sich schuldbewusst auf die Unterlippe. Ertappt. „Hab ich’s mir doch gedacht!“ Triumphierend ließ sich Reita auf den Platz neben Kanon nieder und auch wenn ihm das selbstgefällige Verhalten des anderen mal wieder auf die Nerven ging, wusste Kanon, dass er Recht hatte. Er war hier auf einer Probe von „the Gazette“! Selbst jetzt, wenn die fünf Jungs es nicht ernst nahmen, waren sie noch besser als andere Bands es jemals sein würden! Teruki hatte ihm damals schließlich vorgehalten, was für ein Privileg es war von zwei so großartigen Musikern umgeben zu sein. Und jetzt waren es sogar fünf! Nur weil er Aoi und Reita jeden Tag sah, durfte er das hier nicht als Zeitvertreib ansehen, sondern als Chance etwas zu lernen. Kanon steckte also sein Handy wieder weg und sah Reita an, der anscheinend nur auf diese Reaktion gewartet hatte. „Geht doch“, kommentierte er noch selbstgefällig, bevor er zur Sache kam. „Ich will, dass du dir alles ganz genau anschaust. Vor allem solltest du aber auf Aoi achten.“ „Wieso auf Aoi?“, fragte Kanon nervös. War das wieder nur so eine blöde Anspielung? Reita verdreht nur die Augen, rang sich am Ende aber doch eine Antwort ab. „Wie ich performe müsstest du so langsam mal wissen“, gab er dann trocken an. „Uruhas Stil passt einfach nicht zu deinem Charakter und Drummer und Sänger zu beobachten, ist etwas witzlos. Bleibt also noch Aoi.“ „Ähm… okay.“ Mit Reita zu diskutieren brachte sowieso nichts. Und wenn er jetzt damit anfangen würde, dann würde der Blonde sicher nur wieder irgendwelche Schlüsse ziehen und fragen, warum er Aoi nicht beobachten wollte. Und es war ja nicht so, dass er nicht wollte! Er wollte nur nicht wieder irgendwelchen Anspielungen ausgesetzt sein. Er hätte sich wahrscheinlich sowieso auf den schwarzhaarigen Gitarristen fixiert. Genau aus den Gründen, die Reita eben genannt hatte. Nur zu Lernzwecken. „Reita! Beweg dich hier hoch! Wir warten nur noch auf dich!“ Kai saß nach dieser kurzen Pause schon wieder hinter seinem Schlagzeug und auch die anderen schienen bereit zum Weiterspielen zu sein. Reita ließ sich nicht zweimal so freundlich bitten und stand im nächsten Moment auch schon mit seinem Bass auf der Bühne. Doch statt den anderen zu bedeuten, dass er bereit war, machte er einen Schritt nach vorne zu Aoi und schien ihm etwas zu sagen, was Kanon natürlich nicht hören konnte. Aber der Gitarrist sah sofort herüber. Toll, sie redeten über ihn. Und was würde er jetzt dafür geben, dass er wüsste, was Reita gesagt hatte. Dieser grinste ihn aber nur an, drehte sich dann zu den anderen um und nickte als Zeichen, dass er auch endlich soweit war. Aois Blick ruhte noch immer auf ihm. Es sah so aus als würde er überlegen, bevor er dem Bassisten ein kurzes Lächeln schenkte und sich dann auf seine Gitarre konzentrierte. Kanon bekam gar nicht wirklich mit, wie Kai den Takt anschlug. Erst als Aoi seine Finger bewegte, bemerkte er, dass das Lied angefangen hatte. Er war so auf die fließenden Bewegungen des Gitarristen fixiert, dass er auch nicht hörte, dass Uruha zu langsam spielte und der Leader das Lied deshalb nach ein paar Momenten abbrach. Erst als sich auch die Finger Aois von den Saiten entfernten und er somit die kontinuierliche Bewegung unterbrach, sickerte die Information zu ihm durch und er sah zu dem blonden Gitarristen hinüber, der gerade von Kai angemotzt wurde. Irgendwie konnte es Kanon nachvollziehen. Das hier war die letzte Probe vor dem Konzert. Wenn jetzt nicht alles glatt lief, würden sie mit einem ziemlich bedrückenden Gefühl nach Hause gehen. Und er wollte nicht, dass Aoi heute Abend bedrückt auf dem Sofa saß und sich um Morgen Gedanken machte. Uruha musste unbedingt im richtigen Takt spielen! Nach der Standpauke schien sich der blonde Gitarrist etwas besser zu konzentrieren, was Kanon erleichtert aufatmen ließ. Er wollte nicht, dass Aoi sich schlecht fühlte. Eigentlich sollte er sich eher um Reita Sorgen machen, weil der seine Launen schließlich an ihm ausließ! Doch trotzdem waren ihm die Gefühle des Schwarzhaarigen um einiges wichtiger… „Beweg mal deine Hüfte mehr!“ Sofort blickte Kanon auf, als er den ruppigen Tonfall erkannte. Allerdings war es dieses Mal nicht er, der eine der barschen Anweisungen bekam. „Reita!“, antwortete Aoi empört und blickte peinlich berührt zu Kanon hinunter, der erst gar nicht verstand, sich dann aber wünschte im Erdboden versinken zu können. Jetzt hatte er vor lauter Nachdenken über Aoi ganz vergessen diesen weiter zu beobachten! „Hey, du musst dem Kleinen schon was bieten, wenn er nicht ganz wegdriften soll!“ Kanon rutschte noch etwas tiefer in seinen Stuhl. Scheinbar hatte Reita bemerkt, dass er nicht bei der Sache gewesen war. „Also stell dich nicht so an und gib dir etwas mehr Mühe!“ „Genau dasselbe könnte ich auch zu dir sagen, Reita!“, ertönte plötzlich Kais Stimme, sodass Reita kurz zusammenzuckte. Wohl auch zu Recht. Schließich hatte er mitten in einem Stück eine Diskussion anfangen wollen. „Ein bisschen mehr Konzentration, sonst sitzen wir hier noch ewig!“, meinte der Leader dann weiter. „Und Reita, wenn du noch einmal blöd reinredest und Ruki damit aus dem Konzept bringst, hat er meine Erlaubnis dich mit dem Mikro zu verprügeln!“ Der kleine Sänger grinste hämisch in die Richtung des Blonden, welcher darauf nichts erwiderte. Stattdessen schenke Reita Aoi einen Todesblick und danach – wie konnte es auch anders sein – Kanon. Dieser seufzte nur. War ja klar, dass das alles jetzt wieder seine Schuld war! Allerdings sollte er sich vielleicht wirklich besser konzentrieren. Erneut gab Kai den Takt an und die fünf begannen noch einmal mit demselben Lied. Sobald Aoi wieder mit Spielen begonnen hatte, konnte Kanon seine Augen nicht mehr von ihm lassen. Wie er es davor geschafft hatte, den Schwarzhaarigen nicht zu beobachten, war ihm ein Rätsel. Es war eine Verschwendung, den fließenden Bewegungen des Gitarristen nicht seine volle Aufmerksamkeit zu schenken. Allerdings hatte Kanon auch das Gefühl, dass sich Aoi jetzt etwas mehr reinhängte als davor. Gut, schließlich wollte er ja auch, dass der andere zeigte, was er draufhatte. Eine halbherzige Lektion brachte ihm schließlich gar nichts. Während er so den Bewegungen des Gitarristen folgte, kam er nicht drumherum, ihn zu bewundern. Was würde er dafür geben, selbst auch so einen Hüftschwung draufzuhaben. Aber wahrscheinlich würde das bei ihm nicht mal annährend so gut aussehen wie bei Aoi. Kanon fragte sich, ob er überhaupt schon einmal solche Bewegungen bei irgendjemandem gesehen hatte und kam zu dem Schluss, dass der Schwarzhaarige die beste Körperbeherrschung hatte, die er je gesehen hatte. Und das würde ihm auch niemand ausreden können. Kurz sah er zu Uruha, bemerkte aber schnell, dass Reita Recht gehabt hatte. Dessen Stil war zwar nicht schlecht, aber er passte wirklich nicht zu ihm selbst. Und außerdem war er nicht so sexy wie Aois. Sofort wanderte sein Blick zurück, um sich weiter die Bewegungen des Schwarzhaarigen einzuprägen und auch ja nichts zu verpassen. Was genau er davon in seine eigene Bühnenperformance übernehmen konnte, würde er später überlegen. Das würde ihm jetzt viel zu viel Konzentration rauben. Die nächste Stunde verging viel zu schnell. Zumindest hätte Kanon nicht gedacht, dass sie schon so lange probten, aber Kai war wohl der Ansicht, dass es Zeit für eine Kaffeepause war. Während Aoi, Reita und Ruki zum nächsten Kaffeeautomaten unterwegs waren, um für alle einen Becher zu holen, setzte sich Uruha neben ihn. Kai war schon wieder irgendwohin verschwunden. „Du hast nen guten Tag erwischt. Aoi ist heute ziemlich gut. Kaum Fehler und so“, meinte er und streckte sich kurz. Wow. Plante Uruha gerade wirklich ein Gespräch mit ihm anzufangen? Das wäre dann wohl das erste Mal. Er konnte sich zumindest nicht daran erinnern, dass er wirklich schon mit dem anderen geredet hatte. Selbst auf Miyavis Party nicht. Oder der Alkohol war Schuld an einem Gedächtnisschwund. Gerade öffnete er den Mund, um zu antworten, als er ein leises Summen hörte. Sofort griff der Gitarrist in seine Hosentasche und zog sein Handy daraus hervor, was wahrscheinlich der Auslöser gewesen war. Mit einem abwesenden „Ich muss kurz…“ stand er auf und tippte wild auf dem kleinen Gerät rum. So viel also zum Thema ‚erstes Gespräch mit Uruha’. Allerdings blieb Kanon nicht lange alleine. Er konnte schon von weiten sehen, wie Kai zielstrebig auf ihn zulief und sich auf den Platz des Gitarristen setzte. Kanon fühlte sich etwas mulmig. Der sonst so fröhliche Drummer sah ernst zu ihm herüber. „Reita hat gemeint, dass ihr zusammen die neuen Songs geprobt habt?“ Der Schwarzhaarige antwortete mit einem Nicken. Kais Stimme klang so neutral. So ungewohnt professionell. „Wir sind jetzt eigentlich mit der Probe fertig. Ich will nur noch einmal die neuen Stücke spielen damit alles richtig sitzt. Das bedeutet trotzdem, dass jeder sein Bestes geben muss. Verstehst du das?“ „Natürlich“, antwortete Kanon verblüfft. Er wusste gar nicht, wie oft Teruki ihre Proben noch bis spät in die Nacht verlängert hatte, bis sich alles so angehört hatte wie es sollte. Leader waren eben Perfektionisten. Das war ihr Job! Trotzdem war es Kanon schleierhaft, weshalb Kai ihm das erzählte. Auch als sich das Gesicht des Drummers erhellte und er den Bassisten nun wieder ein Lächeln schenke, hatte Kanon das Gefühl er haben irgendetwas Wichtiges verpasst. „Wenn das so ist, wäre es mir natürlich eine Freude mit dir weiter zu proben.“ „Was?!“ Ok, er hatte definitiv etwas verpasst! ~~ Kapitel 11: Wie man jemanden bevorzugt -------------------------------------- Wir sind wieder da ^__^ Und hoffen, dass wir die Abstände, was das hochladen angeht, beibehalten können und jede Woche ein neues Kapitel fertig bekommen. Viel Spaß beim Lesen mit Kapitel 11! ________________________ Kapitel 11 Wie man jemanden bevorzugt Kai sah ihn verdutzt an. „Ich hatte gerade eine ziemlich heftige Diskussion mit Reita. Er wollte unbedingt, dass du heute spielst. Hat er dir nichts gesagt?“ Der Drummer sah den Jüngeren nur kurz an, bevor er aufseufzte. „Natürlich hat er dir nichts gesagt. Was soll’s. Du packst das schon.“ Kanon antwortete immer noch nicht. Er sollte wirklich mit Gazette proben? Eine echte Probe vor einem Konzert? Er hatte zwar damit gerechnet zu spielen. Sonst hätte er schließlich seinen Bass nicht mitschleppen müssen. Jedoch hatte er gedacht, dass Reita ihn vielleicht mal zur Seite zog und sie gemeinsam weiter übten, aber nicht, dass der Blonde ihn direkt mit den anderen auf die Bühne stellen wollte! „Ich bin wieder da. Was hab ich verpasst?“ Uruha ließ sich jetzt auf der anderen Seite des Bassisten nieder. „Kanon ist für heute unser Bassist“, antwortete Kai für den Jüngeren, was Uruha zum Schmunzeln brachte. „Das hört sich interessant an. Und wieso guckt er dann so geschockt?“ „Reita hat ihn nicht in diesen grandiosen Plan eingeweiht.“ Uruha verdrehte bei den Worten des Leaders die Augen und schenkte Kanon einen mitfühlenden Blick. „Das ist mal wieder typisch! Ich versteh eh nicht, wie du es mit den beiden Pestbeulen aushältst.“ „Man lernt mit der Zeit ein paar Tricks“, lachte der Bassist leise. Er überging den Kommentar einfach, dass seine beiden Mitbewohner „Pestbeulen“ waren. Auf Reita traf das manchmal vielleicht wirklich zu, aber nicht auf Aoi. Er hätte nie gedacht, dass er mit diesem so gut auskommen würde. „Ach, also wählst du auch immer Reitas Lieblingsfilme aus?“, fragte Uruha nach und Kanon nickte grinsend. Dann war das also ein offenes Geheimnis. „Oder bestichst ihn mit Bier?“ Ein weiteres Nicken von Kanon. „Oder warst mit Aoi auf dem Dach?“, stieg Kai mit ein. Mit Aoi auf dem Dach? Wieso das denn? Überrascht schüttelte er auf dem Kopf, aber bevor er weiterfragen konnte, meldete sich Uruha wieder zu Wort. „Was macht Aoi auf dem Dach?“ Anscheinend war er nicht der Einzige, der sich das fragte. Und anscheinend hatte mal wieder nur der Leader von Gazette den wirklichen Überblick. „Oh! Dann war er wohl noch nicht sonderlich gestresst, seit du bei ihnen wohnst.“ Kai lächelte ihn an. „Wenn er wirklich seine Ruhe braucht, geht er aufs Dach.“ Eine Notiz auf seinem mentalen Zettel. Der für Aoi war noch nicht wirklich voll, im Gegensatz zu dem von Reita. Vielleicht lag es daran, dass er den Schwarzhaarigen noch nie besänftigen musste? Aoi hatte ihn noch nie wirklich angefahren. Das Einzige, was auf seinem mentalen Zettel stand, war, dass er es nicht mochte, wenn Kanon ständig versuchte, ihnen keine Last zu sein. Und das hatte er in den letzten Tagen so gut es ging befolgt. Er hatte sich zwar in der Wohnung nützlich gemacht und aufgeräumt oder gekocht, aber er hatte nicht mehr erwähnt, dass er ihnen nicht zur Last fallen wollte. So war auch die Diskussion über Aois Schlafplatz unter den Tisch gefallen, auch wenn sich Kanon immer noch nicht ganz wohl dabei fühlte. „Jetzt macht doch mal die Tür auf, Ruki!“, hörte Kanon plötzlich gedämpft von der anderen Seite der Tür, die ein paar Meter entfernt von ihnen war und vom Gang in die Halle führte. „Wie denn?? Ich hab beide Hände voll!“ „Aoi?!“ „Ich auch, du Trottel!“ „Nenn mich nicht Trottel, du Idiot!“ Mit einem Augenverdrehen erhob sich Kai von seinem Platz und ging auf die Tür zu. „Bitte schließ sie ab!“, rief Uruha ihm hinterher, was mit lauten Protest von außerhalb beantwortet wurde. Der Gitarrist seufzte gespielt auf, als ihr Leader den Dreien die Tür öffnete und diese dann sofort Uruha böse anstarrten. Kanon versuchte so gut es ging ein Grinsen zu unterdrücken. Man konnte über Gazette sagen was man wollte, doch unterhaltsam waren sie auf jeden Fall. Warum hatte er bloß Angst vor diesem Tag gehabt? Allerdings fiel ihm die kommende Probe ein und das Grinsen verging ihm schlagartig wieder. Das war wirklich ein Grund, um sich mulmig zu fühlen. „Hier, extra mit Milch.“ Verdutzt sah Kanon in Aois lächelndes Gesicht. Das freundliche Strahlen zog ihn so in seinen Bann, dass er denn Becher in der Hand des Älteren erst gar nicht registrierte. „Danke“, erwiderte er ebenfalls lächelnd und nahm den Kaffe entgegen. Wenigstens hatte er auf der Bühne dann die Möglichkeit Aoi von Nahem beobachten zu können. Auch wenn er nicht wusste, ob das wirklich positiv war. Auf der einen Seite war der Ältere zwar die eine Person, bei der er sich sicher fühlte, doch auf der anderen Seite machte ihn Aois Nähe auch nervös. Trotzdem konnte er nicht anders als den Älteren dankbar anstrahlen, dafür, dass er für ihn da war. „Aoi, so nett kenn ich dich ja gar nicht.“ Das Lächeln des schwarzhaarigen Gitarristen verschwand sofort aus seinem Gesicht, als er sich Uruha, von dem die Äußerung kam, zuwandte. „Als hätte ich dir noch nie einen Kaffee mitgebracht“, murrte der Ältere, was den anderen noch mehr zu freuen schien. Anscheinend glaubte er einen wunden Punkt bei Aoi gefunden zu haben. Was natürlich lächerlich war! Kanon war schließlich nicht Aois wunder Punkt! „Ja, aber wenn du mir einen Kaffee mitbringst, dann bekomm ich von dir nie ein Lächeln und wie ich meinen Kaffee trinke vergisst du auch jedes Mal. Bei Kanon scheinst du es dir ja gemerkt zu haben“, stichelte der Blonde weiter. „Kanon wohnt ja auch bei mir. Da muss ich eben wissen, wie er seinen Kaffee trinkt.“ Besagtem Mitbewohner wurde plötzlich ganz warm. Aoi hatte „bei mir“ gesagt. Nicht „bei uns“. „Das heißt, du machst ihm jeden Morgen seinen Kaffee?“, fragte Uruha weiter und nippte an seinem Getränk. Ihm entging sicher nicht, dass der Schwarzhaarige so langsam nervös wurde. Denn nicht mal Kanon entging diese Tatsache. „Ja und? Ich mach sowieso Kaffee. Da kann ich seinen ja gleich mit machen.“ „Ja, aber für mich machst du keinen!“, mischte sich der blonde Bassist jetzt grinsend ein. „Du schläfst ja auch bis Mittag! Dein Kaffee wär kalt, bis du mal aufstehst. Und ich warte doch nicht mit dem Kaffeetrinken, bis du dich mal dazu herablässt, aus deinem heiß geliebten Bett zu kriechen.“ „Aber auf den Kleinen wartest du.“ Bamm. Kanon sah, wie Aoi den Mund öffnete, aber kein Gegenargument über die Lippen brachte, sondern die anderen eher ein wenig hilflos und mit noch immer offenem Mund ansah. Der Jüngste hatte nicht gewusst, dass Aoi immer mit dem Kaffee auf ihn wartete. Eigentlich hatte er eher gedacht, dass sie eben zufällig gleichzeitig aufstanden. Im Nachhinein irgendwie eine naive Annahme. „Könntet ihr jetzt mal damit aufhören?! Ich darf doch Kaffee machen, wann und für wen ich will!“, brachte der Gitarrist schließlich raus und setzt den Becher an die Lippen, um einen großen Schluck zu nehmen und damit zu demonstrieren, dass das Gespräch für ihn beendet war. Auch wenn sich Kanon ein bisschen schuldig fühlte, dass er hier ja eigentlich Grund dieses Streits war, kam er nicht drumherum, sich auch irgendwie zu freuen. Er mochte es, dass Aoi sich seine Gewohnheiten merkte. Und er mochte den Gedanken daran, dass der andere morgens mit dem Kaffee auf ihn wartete. Vielleicht würde er demnächst mal früher aufstehen? Das einzige Mal, dass er vor Aoi wach gewesen war, war nämlich der erste Morgen gewesen. Seitdem verbrachte er eigentlich jeden Morgen zusammen mit dem Älteren, einer schönen Tasse Kaffee und der Hoffnung dass Reita noch etwas länger schlafen würde als am Tag zuvor. Aber egal wie lang der Blonde schlief, die Zeit mit Aoi war immer zu kurz. Eine Tatsache, die Kanon anfangs hauptsächlich darauf geschoben hatte, dass er keine Lust auf den anderen Bassisten hatte. Allerdings musste er sich eingestehen, dass das nicht der einzige Grund war. Er verbrachte schlicht und einfache gerne Zeit mit Aoi. Und zwar am liebsten alleine. Er genoss ihre Gespräche und die Art wie der Ältere ihm seine volle Aufmerksamkeit schenkte. Und was wohl am erstaunlichsten war: Er mochte sich selbst auch mehr, wenn Aoi da war. Kanon fühlte sich in der Gegenwart des Gitarristen einfach wohl. Wie von selbst wanderte sein Blick zu dem Verursacher seiner Gedankengänge, der immer noch leicht missmutig wirkte. Kanon hätte ihm gerne seine Überlegungen mitgeteilt. Ob sich Aoi dann wohl besser gefühlt hätte? Doch vor den anderen würde er garantiert nichts sagen. Und selbst wenn sie alleine wären, würde er sich wohl nicht trauen. Diese Gefühlsmischung aus Sympathie und Bewunderung war ja etwas, was er noch nicht einmal selbst verstand. Kanon schreckte zusammen, als sich plötzlich Uruha schlagartig neben ihm erhob. Vielleicht war es auch gar nicht so schlagartig, denn Kai stand fast im selben Moment auf. Anscheinend war entschieden worden, dass die Pause jetzt zu Ende war. Kanon hoffte inständig, dass das die einzige Information war, die er nicht mitbekommen hatte. Das konnte sonst ziemlich unangenehm für ihn werden. Noch unangenehmer als es eh schon werden würde… Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend trank der Bassist den letzten Schluck seines Kaffees und ging dann zum Mülleimer, um den Becher zu entsorgen. Aoi tat es ihm gleich. Zu Kanons Bedauern hatte sich an dem Gesichtsausdruck des Älteren nicht viel verändert. Er sah immer noch angepisst aus. „Trotzdem danke“, meinte Kanon so leise, dass ihn nur der andere verstehen konnte. „Was?“ Ok, vielleicht war es doch zu leise gewesen. „Trotzdem danke für den Kaffee“, murmelte der Jüngere und kam sich dabei reichlich dämlich vor. Er hätte einfach den Mund halten sollen! Als sich dann aber ein Schmunzeln auf die Lippen seines Gegenübers stahl, wusste er, dass er doch die richtige Entscheidung getroffen hatte. „Immer wieder gern.“ „Hört auf zu Turteln und schließt lieber mal den Bass an!“, unterbrach Reita mal wieder völlig taktlos ihr Gespräch. Wobei „Gespräch“ vielleicht ein bisschen übertrieben war. Aoi ließ sich davon aber nicht beirren und verlor sein Schmunzeln nicht, während er die Treppen zur Bühne hinaufging, auf der Kai schon hinter seine Drums saß. Kanon schnappte sich seinen Bass, der an der Wand gelehnt hatte, und machte, dass er hinterherkam. Auf der Bühne nahm er ihn aus dem Basskoffer und schloss ihn ohne Probleme an den Verstärker an, was ihn Reita ein wenig schadenfroh angrinsen ließ. Der Blonde hatte nämlich schon Anstalten gemacht, ebenfalls auf die Bühne zu kommen, wahrscheinlich um ihm beim Anschließen zu helfen. Ganz so unerfahren war er dann aber doch nicht. Schließlich war das hier nicht das erste Mal, dass er seinen Bass an einen Verstärker anschloss. Reita vergaß wohl ganz gern, dass Kanon ebenfalls einer Band angehörte, die nicht erst gestern angefangen hatten, Lives zu geben. Und in der Zeit, in der er nun schon in seiner neuen kleinen Wohngemeinschaft wohnte, hatte er das selbst manchmal in den Hintergrund geschoben. So wie ihn Reita gelegentlich behandelte, verlor man aber wirklich sein ganzes Selbstvertrauen. Irgendwie der gegenteilige Effekt davon, weshalb er eigentlich bei Aoi und dem Bassisten eingezogen war. Der Klang seines eigenen Basses ließ ihn zusammenzucken. Er hatte nur probeweise eine Saite angeschlagen und sofort dröhnte der tiefe Ton in seinen Ohren. Ohne zu zögern drehte er sich zum Verstärker um und wollte gerade leiser stellen, als Reita von seinem Platz vor der Bühne aufsprang. „Du machst das nicht leiser! Das muss so sein!“ „Aber das ist viel zu laut! Dann hört man die Gitarren doch gar nicht mehr!“, warf Kanon etwas kleinlaut ein. „Die sind zu zweit! Du musst hier gegen zwei Gitarren anspielen! Das schaffst du nie, wenn du den Bass noch leiser drehst. Das ist schon die unterste Grenze.“ Hilflos sah sich der Schwarzhaarige zu Aoi um, der seiner Gitarre jetzt ebenfalls ein paar Klänge entlockte. Allerdings war es nicht der Gitarrist, der ihm antwortete. „Wir wollen die Bedingungen bei der Probe möglichst ähnlich zu denen beim Konzert haben“, ertönte die Stimme des Leaders von hinten. „Also lass die Lautstärke am besten so, wie wir sie von unserem größenwahnsinnigen Bassisten auch während dem Konzert zu hören bekommen werden.“ Reita nickte Kanon rechthaberisch zu. Entweder er hatte Kai nicht richtig zugehört oder er betrachtete Größenwahn als ein Kompliment. „Da hast du’s gehört, Kleiner! Und wenn du gleich auf mich…“ „Ich fang jetzt mit den Proben an und jedem, der kein Instrument oder Mikro in der Hand hat, schmeiß ich dann einen Stick an den Kopf“, unterbrach Kai seinen Bassisten und funkelte ihn sauer an. Ruki schien die ganze Sache ziemlich zu belustigen. „Mach doch, Kai. Sehr viel kannst du da eh nicht kaputt machen.“ Sofort wandte sich Reita dem Sänger zu, um etwas zu erwidern. „Reita!!!“ Kanon zuckte bei der lauten Stimme des Leaders zusammen. Scheinbar war dieser kurz vorm Platzen. Auch der blonde Bassist schien das bemerkt zu haben, denn er sprang mit einem „Schon weg!“ zu den Sitzplätzen, wo er sich dann ganz still und artig in die erste Reihe setzte. Kanon seufzte erleichtert auf. Zwar hatte Reita mal wieder seinen Willen durchsetzen können, aber wenigstens war er fürs Erste von der Bühne und deren näheren Umgebung verbannt worden. Wie er Kai um diese Gabe beneidete! „Sind alle bereit?“, ertönte dessen Stimme laut und er ließ seinen Blick über die einzelnen Musiker schweifen. Zumindest glaubte Kanon das. Es brauchte einen Moment bis er realisierte, dass der Dunkelhaarige hinter dem Schlagzeug eigentlich nur ihn ansah. Auch der Rest der Band schenkte ihm jetzt abwartende Blicke. Schnell nickte er auf Kais Frage hin, obwohl er ganz und gar nicht bereit war. Aber er bezweifelte auch, dass er jemals für diese Probe bereit sein würde und noch weiter wollte er sie jetzt auch nicht herauszögern. Ob es wohl ein gutes Zeichen war, dass der Rest wenigstens ein bisschen auf ihn Rücksicht nahm? Oder bedeutete das nur, dass sie ihm nichts zutrauten? „Denk nicht so viel nach.“ Kanon zuckte leicht zusammen, obwohl die Worte nur sehr leise gewesen waren. Aoi. Wer sonst? Der Schwarzhaarige stand rechts von ihm und nur ein wenig nach vorne versetzt, sodass Kanon ihn auch problemlos flüstern hören konnte, ohne dass Kai etwas davon mitbekam. „Du kannst die neuen Lieder schließlich genauso gut wie Reita und ich, also versuch ein bisschen Spaß daran zu haben. Wir kriegen das zusammen schon hin.“ Ja, warum eigentlich nicht? Vielleicht sollte er wirklich nicht so viel nachdenken. Einfach versuchen Spaß zu haben, schließlich hatte er nicht jeden Tag die Möglichkeit mit Gazette zu proben. Dieser plötzliche Schub an Mut lag nicht an der Tatsache, dass ihm irgendjemand Mut machte. Es waren Aois Worte, die ihm Mut machten. Die Tatsache, dass der Gitarrist an ihn glaubte. Dass er daran glaubte, dass sie es zusammen hinbekamen und nicht, dass Kanon das alleine irgendwie schaffen musste. „Machen wir mit Chizuru weiter.“ Kanon war Kai dankbar für die paar Sekunden, die er ihm ließ, um kurz die neuen Lieder durchzugehen und sich an den richtigen Anfang zu erinnern. Er war sich nämlich sicher, dass der Leader nicht so lange gewartet hatte, als Reita noch gespielt hatte. ___ Kapitel 12: Wie man Konzertbedingungen schafft ---------------------------------------------- Kapitel 12 Wie man Konzertbedingungen schafft Der Einstieg klappte ganz gut, auch wenn Kanon anfangs noch angespannt war und immerzu auf seinen Bass starrte. Eine Aktion, die deutlich von Unsicherheit zeugte. Irgendwann fiel es ihm auf und er versuchte, den Blick von seinem Bass zu lösen, da er keine große Lust darauf hatte, später von Reita wieder angemeckert zu werden. Was aber sowieso passieren würde. Um wenigstens die Fehler und Anzeichen von Unsicherheit zu vermeiden, die sich vermeiden ließen, sah er auf. Als erstes fiel sein Blick auf Reita, was ihn aber nicht weniger unsicher machte, da er von diesem mehr als kritisch angestarrt wurde. Also wandte er seinen Blick wieder ab und sah dafür Aoi an. Da sie nur leicht versetzt standen, konnte er sehen, dass der Schwarzhaarige seinen Bewegungen auf der Gitarre folgte und nur ab und zu den Blick hob. Erst als das Lied endete, merkte Kanon, dass es gar nicht so schwierig gewesen war, das Lied zu spielen. Seine Finger hatten sich irgendwann von ganz allein bewegt. Wenn er genau zurückdachte, dann ab dem Moment, in dem er sich abgelenkt und seine Aufmerksamkeit etwas anderem geschenkt hatte. Jemand anderem. Kaum waren die letzten Töne des nächsten Liedes verklungen, meldete sich auch schon Reita zu Wort. „Jetzt steht doch nicht so stocksteif da! Das geht so doch nicht! Spiel doch mal jemanden an, Aoi!“ Aoi sah zuerst den blonden Bassisten an und anschließend Uruha. „Nicht den!“, warf Reita sofort ein, als hätte er die Gedanken des anderen gelesen. „Ruki?“, war Aois nächste Frage. „Nein, den auch nicht! Der spielt schon mit sich selbst genug!“ In Kanon machte sich ein seltsames Gefühl breit. Reita meinte ihn. Aoi sollte ihn anspielen. Er war sich nur nicht so ganz sicher, ob das seltsame Gefühl daher kam, dass Aoi genau das tun sollte, oder weil dieser ihn als letztes nannte. Als letzte Möglichkeit. Wollte ihn der Gitarrist nicht anspielen? „Das hier ist doch nur eine Probe. Wieso sollte ich plötzlich damit anfangen, jemanden anzuspielen?“ „Weil Kai vorhin meinte, dass wir Konzertbedingungen schaffen sollen. Und auf Konzerten spielst du mich auch manchmal an“, konterte der blonde Bassist, woraufhin sein Kollege missmutig die Arme verschränkte. „Selten“, antwortete Aoi bockig. Kanon fühlte sich immer unwohler. Er hatte nicht erwartet, dass der Ältere ihn so abstoßend finden würde. „Mein Gott, dann spiel ich eben Kanon an!“ Verwirrt sah der Bassist jetzt zu Uruha, von dem die Ankündigung kam, und er fühlte sich noch ein Stückchen unwohler. Schließlich wusste er von den Live-DVDs wie sich der Größere bewegte. Bevor Kanon allerdings selbst etwas zu dem Thema sagen konnte, schaltete sich Aoi wieder ein. „Das kannst du gleich mal wieder vergessen!“, fauchte er den anderen Gitarristen an, welcher ihn daraufhin nur überrascht musterte. Ebenso wie Kai, Ruki und Kanon. Reita grinste nur dümmlich vor sich hin. „Ich meine, wenn Uruha ihn antanzt, hat er doch einen Schock fürs Leben. Das grenzt dann ja schon an sexueller Belästigung“, versuchte der Älteste seinen Ausbruch zu erklären. „Dann mach’s halt selbst. Hauptsache wir werden hier irgendwann fertig. Ich hab heute noch besseres vor!“, antwortete der Blonde und sah dabei ziemlich beleidigt aus. Nach so einer Anschuldigung irgendwie auch verständlich. „Mach ich auch. Natürlich nur, wenn du nichts dagegen hast von mir angespielt zu werden?“ Das erste Mal seit diesem Gespräch drehte sich Aoi Kanon zu. Der Jüngere hatte sich schon so damit abgefunden, dass über seinen Kopf hinweg entschieden wurde, dass er gar nicht mehr mit einem eigenen Stimmrecht gerechnet hatte. „Ähm… ich hab kein Problem damit“, antwortete Kanon schnell und versuchte dabei seine Nervosität zu verbergen. Als Aoi ihn dann noch leicht anlächelte, wusste er gar nicht mehr, was er denken sollte. War er dem Älteren seit Beginn dieser Diskussion nur darum gegangen, dass er nicht wollte, dass Kanon sich unwohl fühlte? „Gut. Nachdem wir diesen wichtigen Sachverhalt geklärt haben, können wir ja weiterproben. Oder hast du sonst noch irgendwelche Verbesserungsvorschläge, Reita?“ Dieser nickte sofort. „Also am Besten wäre es, wenn…“ „Reita!“, fauchte Uruha den Blonden an, was Kanon ziemlich zusammenzucken und selbst den Angesprochenen verstummen ließ, sodass sich dieser wieder auf seinen Platz setzte. Wow, der Gitarrist konnte wirklich Angst einflößend sein. Gut dass er nicht der war, der ihn gleich antanzen würde. Wer wusste, was der Größere mit ihm anstellte, wenn er sich irgendwie falsch verhielt. Reita konnte er mittlerweile einschätzen und wusste in etwa, wie weit er es bei ihm treiben konnte, aber mit Uruha hatte er bis jetzt noch nicht sonderlich viel zu tun gehabt. Da fühlte er sich doch wesentlich wohler, wenn sich Aoi um ihn… kümmerte. Kai schlug den ersten Takt an und alle stiegen ein. Soweit kein Problem. Aber je weiter das Lied fortschritt, desto feuchter wurden Kanons Hände. Er hatte fast schon Angst, sein Plektrum zu verlieren. Aber der Gedanke daran, dass Aoi ihn irgendwann im Laufe des Liedes antanzte, ließ ihn nicht mehr los. Er wurde immer nervöser. Warum machte es der Ältere denn nicht einfach? Dann musste er sich nicht mehr weiter damit herumschlagen, wie er sich denn dann am besten verhalten sollte. Wie sollte er sich denn bewegen, wenn Aoi bei ihm war? Sollte er den anderen einfach machen lassen? Aber einfach nur still dazustehen, zeugte ja auch nicht gerade von sicherem Auftreten und Reita wollte ihn schließlich testen. Da war sich Kanon sicher. Er wollte nur prüfen, wie er mit einer solchen Situation umging. Und er würde es Reita zeigen! Ganz bestimmt! Der schwarzhaarige Bassist war froh, dass er diesen Entschluss gefasst hatte, kurz bevor sich Aoi in seine Richtung bewegte. Hätte er nämlich Zeit gehabt, darüber nachzudenken, hätte er diesen Entschluss sicher schnell wieder verworfen. Der Ältere war schneller bei ihm, als er erwartet hatte. Einen Augenblick lang schienen beide nicht richtig zu wissen, was sie machen sollten, aber dann schien sich Aoi wieder zu fassen. Er stellte sich vor ihn, den Rücken Reita zugewandt, und begann seine Hüften zu bewegen. Es sah genau so aus wie auf den Live-DVDs, die sich Kanon angesehen hatte. Mit dem Unterschied, dass er jetzt mittendrin war. Er musste schlucken als er sah, wie verführerisch ihn der Gitarrist anlächelte. Der Ältere schien ganz in seinem Element zu sein. Kanon versuchte sich zusammenzureißen und den anderen nicht nur anzustarren. Schließlich hatte er sich etwas vorgenommen. Außerdem war es auch nicht das erste Mal, dass er angetanzt wurde. Er war selbst Mitglied einer Band! Er war auch ein Profi! Wobei es schwierig war bei diesem Hüftschwung professionell zu bleiben. Nichts desto trotz machte der Jüngere jetzt einen Schritt nach vorne, sodass er Aoi noch näher war, und ging etwas in die Knie. Das Lächeln des Gitarristen wurde etwas breiter und er kam Kanon noch ein Stückchen näher. Der Ältere ging selbst ein bisschen tiefer in die Knie, wohin Kanon ihm auch sofort folgte, um wieder auf Augenhöhe zu sein. Sie standen nun so nahe wie es möglich war, ohne dass sich ihre Instrumente berührten. Und Kanon wusste nicht, ob er noch mehr Nähe überhaupt verkraften würde. Ihm war furchtbar heiß. Ob das an Aois rhythmischen Bewegungen lag? Oder vielleicht auch an dem verführerischen Blick mit welchem der Ältere ihn fixierte? Leider hatte er nicht mehr genug Zeit, um es herauszufinden, denn plötzlich war Aoi weg. Damit meinte er allerdings nicht, dass der Ältere auf seinem Platz zurückgekehrt war. Er war einfach weggerannt. Verdutz stellte sich Kanon wieder richtig hin. Was war denn jetzt los? Und warum stand auf einmal Ruki vor ihm und schrie sich die Seele aus dem Leib? Etwas verdutzt sah er in Reitas Richtung. Dem Gesichtsausdruck des Blonden zur Folge war er mal wieder dabei alles falsch zu machen. Reita schrie dem Jüngeren etwas entgegen, was ganz nach einem „Hinterher!“ klang. Dabei zeigte er auf die andere Seite der Bühne, wo eigentlich Uruha stand. Als Kanon dann aber wirklich Reitas Finger folgte, konnte er in der anderen Ecke der Bühne Aoi ausmachen, welcher ihm jetzt auch zuwinkte. Peinlich berührt rannte Kanon auf die andere Seite. Er war nur hier zum Spielen! Niemand hatte ihm gesagt, dass er auch performen musste! Niemand hatte ihm überhaupt gesagt, dass er hier etwas anderes tun musste als aufzupassen und sich einzuprägen, wie man auf der Bühne selbstbewusst performte. Indem er anderen dabei zusah! Aber rumzicken konnte er ja jetzt auch nicht und damit Gazettes Probe zerstören. Also stellte er sich neben Aoi und betrachtete die leeren Zuschauerreihen, zwischen denen nur ab und zu ein Staffmember vorbeihuschte und ihnen nicht wirklich Aufmerksamkeit zu schenken schienen. Für sie war das hier schließlich Alltag. Für Kanon nicht. Sein Kopf war bestimmt knallrot, weil er mal wieder erst so spät verstanden hatte, was hier gerade passierte, deshalb versuchte er Reita so gut es ging zu übersehen. Umso mehr achtete er auf Aoi, den er in seinem Augenwinkel sah, um auch ja nicht zu verpassen, wenn dieser wieder zurück auf seinen Platz ging. „Schnell reagiert“, hörte er neben sich und blickte überrascht auf. Eigentlich hatte Kanon gedacht, der Schwarzhaarige meinte diese Worte ironisch, aber dessen Lächeln zufolge war es nicht so. Vielleicht kam es ihm selbst nur wie eine Ewigkeit vor, in der er da völlig planlos hinter Ruki gestanden und versucht hatte, die Situation zu erfassen. Oder Aoi wollte ihn aufmuntern. Denn auch als der Bassist ein paar Augenblicke später einen verstohlenen Blick zur Seite warf, bemerkte er, dass ihn der andere noch immer anlächelte. Naja, so sehr musste er dann doch nicht aufgemuntert werden, oder? Nicht, dass es ihn störte, wenn Aoi ihn anlächelte… Eigentlich war es sogar ganz angenehm. Bis auf das nervöse Gefühl, dass sich in solchen Momenten in ihm ausbreitete. Obwohl sich sogar das irgendwie gar nicht so schlecht anfühlte wie sich nervöse Gefühle normalerweise anfühlten. Bei seinen ganzen Überlegungen hatte Kanon fast schon wieder verpasst, wie Aoi mit ihm sprach. „Gleich kommt Uruha wieder her, dann gehst du zurück, wo wir vorhin waren.“ „Und du?“, versuchte Kanon die Klänge aus den Boxen zu übertönen. „Ich geh vor zu Ruki.“ Und ließ ihn allein zurück? Nein! Kanon wollte nicht, dass Aoi zu Ruki ging. Dann war er alleine auf seiner Seite und außerdem war Aoi dann… naja, bei Ruki eben! Er wollte zusammen mit Aoi spielen. Da hatte sich dieser kleine Sänger nicht einzumischen! Aber weder hatte er den Mut dazu das zu sagen, noch die Zeit, denn Uruha kam schon wieder auf sie zu, sodass Kanon keine andere Wahl blieb als Aois Anweisung zu folgen. Etwas widerwillig stellte sich der Bassist zurück auf seinen alten Platz und sah zu, wie Ruki sich währenddessen pervers grinsend von Aoi anspielen ließ. Die Freunde standen zwar nicht so eng aneinander wie er und der Gitarrist davor, aber schon der Gesichtsausdruck des Sängers war zu viel. Und jetzt lächelte Aoi auch noch zurück! Kanon kannte von den Gazette-DVDs diese Blicke. Es war für die beiden Musiker nur Teil der Performance. Und trotzdem machte es Kanon so krank, dass er am liebsten… Ein Pfiff riss ihn aus seinen Gedanken. Es war Reita, der ihn mahnend von seinem Platz aus anstarrte. Sofort wurde der Schwarzhaarige wieder knallrot. Er konnte sich schon denken wieso. Er hatte die ganze Zeit nur zu Aoi und Ruki gestarrt und kein einziges Mal in die Zuschauerreihen. Keine wirklich gute Performance. Er war froh, dass Kai dem anderen Bassisten verboten hatte, die Probe ein weiteres Mal zu stören. Auf die blöden Kommentare konnte er wirklich verzichten. Auch wenn er sich eingestehen musste, dass Reita hier Recht gehabt hätte. Umso mehr konzentrierte sich der Schwarzhaarige jetzt auf die Zuschauertribünen. Auch wenn er nicht sehr viel Sinn darin erkennen konnte leere Sitzplätze anzustarren. Als er dann eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahrnahm, war er wirklich erleichtert. Anscheinend kam Aoi endlich zurück. Kanon ließ seinen Blick zur Seite wandern, um den Gitarristen ein Lächeln zu schenken, welches ihm auch augenblicklich im Halse stecken blieb. Die Anspannung war sofort wieder da. Das war nicht der Gitarrist. Zumindest nicht der, den er erwartet hatte. Schnell richtete er seinen Blick wieder nach vorne und spielte weiter. Was sollte er auch anderes machen? Vor Uruha weglaufen? Das wäre wirklich ziemlich kindisch und unfreundlich. Der Ältere war schließlich nett zu ihm gewesen. Wobei dieses laszive Grinsen auf den Lippen des Gitarristen nicht gerade nett ausgesehen hatte. Kanon schluckte schwer und hoffte auf ein Wunder. Das Wunder kam. In Form eines lauten Knalls und eines fluchenden Rukis. „Verdammt Aoi! Was soll denn die Scheiße?“ „Das fragst du mich? Du hast mir doch ein Bein gestellt und mich zum Hinfallen gebracht!“ Tatsächlich saß der Schwarzhaarige jetzt auf dem Boden, was wahrscheinlich auch den lauten Knall erklärte. „Ich hab dir das Bein gestellt? Du Idiot bist mir auf den Fuß getreten, als du an mir vorbei stürmen wolltest! Was hattest du denn eigentlich vor?“ Kurz sah Aoi zu Kanon herüber und dann zu Uruha, der jetzt ratlos neben dem Bassisten stand. Der Älteste schien kurz nicht zu wissen, was er antworten sollte, bis es ihm dann doch rausplatzte: „Wir haben ausgemacht, dass du Kanon nicht zu nahe kommst!“ Dabei funkelte er Uruha böse an, der auch sofort begann sich zu verteidigen. „Ich wäre bei dem Part aber zu Reita rüber gegangen. Jetzt sei doch nicht gleich eifersüchtig!“ „Das bin ich gar nicht! Ich will nur nicht, dass wir wegen sexueller Belästigung angezeigt werden, weil du dich nicht unter Kontrolle hast!“ Schallendes Gelächter unterbrach die hitzige Diskussion. Verwirrt und ratlos blickte Kanon zu Reita rüber, der sich auf seinem Zuschauerplatz nicht mehr einzukriegen schien, was Aoi wohl nur noch wütender machte. Zumindest lief dessen Kopf rot an. „Sorry“, brachte der blonde Bassist einen Moment später zwischen zwei Lachanfällen raus. „Der Satz war nur zu geil.“ Kanon hörte den anderen nur noch immer wieder ein „Weil sich Ruha nicht unter Kontrolle hat…“ murmeln, während sich Aoi aufrappelte. „Ich hab echt kein Bock mehr hierdrauf!“ Damit stapfte er ohne ein weiteres Wort und den Kopf immer noch ziemlich rot von der Bühne und durch die Tür, die in die Backstageräume führte. Kanon war überfordert. Sollte er mitgehen? Aber vielleicht hatte er ja auch von ihm die Nase voll. Außerdem hatte er Angst von Aoi angeschnauzt zu werden. Trotzdem war da der innerlichen Drang, dem Schwarzhaarigen nachzugehen. Reita und Kai nahmen ihm die Entscheidung ab, als der Leader die Probe mit einem Seufzen für beendet erklärte, da jetzt ja sowieso nichts anständiges mehr anzufangen sei, und sich der andere Bassist zu ihm auf die Bühne begab. „Also das mit der Konzentration müssen wir wirklich noch üben.“ Er hatte noch immer ein breites Grinsen auf den Lippen und es hatte nicht den Anschein, als würde es bald verschwinden. Kanon verstand nicht so ganz, was eigentlich mit Reita los war und warum er in so schallendem Gelächter ausgebrochen war, aber er beließ es dabei und fragte nicht nach. In den letzten Tagen hatte er gelernt, dass er Gazette – oder zumindest Reita – einfach nie wirklich verstehen würde und damit musste er sich zufrieden geben. Er hatte ja schon genug damit zu tun, aus Aoi schlau zu werden. Während Ruki und Kai ihre Sachen zusammensuchten und Uruha schon wieder wie wild auf seinem Handy herumtippte, nahm Kanon ebenfalls sein Instrument ab, um es wegpacken zu können. „Was machst du denn, Kurzer? Wir üben noch ein paar Sachen!“ „Was? Aber… ich dachte die Probe wäre vorbei!“ Und dass sie jetzt wieder nach Hause fahren könnten. „Für die anderen schon, aber nicht für dich. Wir müssen uns noch irgendwas überlegen, was du besonderes auf der Bühne machen könntest. Irgendwas, was sonst niemand macht.“ Kanon seufzte schwer. Der Tag war schon anstrengend genug gewesen. Eigentlich wollte er nur noch mit Aoi auf dem Sofa liegen und sich mit ihm heimlich über den Film lustig machen, den Reita an diesem Abend aussuchen würde. Leider schien ihm der Blonde diese Ruhe nicht gönnen zu wollen. Stattdessen hielt der Ältere wieder irgendeine seiner Reden und nahm Kanon dabei auch noch den Bass aus der Hand. Der Schwarzhaarige runzelte verwirrt die Stirn. Hatte Reita etwa vergessen, dass Kanon seinen eigenen Bass mitgebracht hatte? Er benahm sich nämlich als wäre es seiner. Unbeirrt redete dieser weiter und legte währenddessen auch noch den Gurt um. Zeit zum Protestieren! Kapitel 13: Wie man (sich fast eine) fängt ------------------------------------------ Vielen vielen dank für eure kommentare xD und viel spaß mit dem nächsten Kapitel! _________________ Kapitel 15 Wie man (sich fast eine) fängt Kanon seufzte schwer. Der Tag war schon anstrengend genug gewesen. Eigentlich wollte er nur noch mit Aoi auf dem Sofa liegen und sich mit ihm heimlich über den Film lustig machen, den Reita an diesem Abend aussuchen würde. Leider schien ihm der Blonde diese Ruhe nicht gönnen zu wollen. Stattdessen hielt der Ältere wieder irgendeine seiner Reden und nahm Kanon dabei auch noch den Bass aus der Hand. Der Schwarzhaarige runzelte verwirrt die Stirn. Hatte Reita etwa vergessen, dass Kanon seinen eigenen Bass mitgebracht hatte? Er benahm sich nämlich als wäre es seiner. Unbeirrt redete dieser weiter und legte währenddessen auch noch den Gurt um. Zeit zum Protestieren! _______________ „Ähm… was machst du da?“, unterbrach der Jüngere irgendwann. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass Reita vor lauter Reden vergaß sich auf andere Dinge zu konzentrieren, aber das ging doch zu weit. „Da du heute so viel Bühnenpräsenz und Engagement wie ein Kartoffelsack hast, probier ich selbst ein paar Sachen aus. Vielleicht kommt uns dann ja die Idee wie wir deine Performance retten können.“ Kanon war so eigenartige Gedankengänge und auch an die Beleidigungen schon gewöhnt. Was ihn viel mehr störte, war die Tatsache, dass Reita begann an seinem Instrument rumzuschrauben. „Das ist mein Bass“, meinte er nur trocken, woraufhin er ein genau so trockenes „Ich weiß“ entgegnet bekam. Er seufzte wieder. Der Kerl war doch nicht auszuhalten! „Kannst du nicht einfach kurz deinen holen?“ „Wieso? Deiner ist doch gleich hier und jetzt hör auf zu zicken, sonst kommen wir nie nach Hause!“ Ohne auf eine Antwort zu warten schloss Reita das Instrument wieder an. Kanon spürte wie sich in ihm alles zusammenzog. Er konnte es überhaupt nicht leiden, wenn jemand seine Instrumente benutzte! Selbst dann nicht, wenn es ein so erfahrener Musiker wie der Blonde war. Sobald der Bass nämlich eingesteckt war, begann Reita über die Bühne zu rennen, zu hüpfen, sich zu drehen und alle möglichen und unmöglichen Bewegungen zu machen, die ihm sonst noch so einzufallen schienen. Eins musste Kanon ihm wirklich lassen: Der Blonde war voll dabei. Vielleicht lag es aber auch daran, dass er die halbe Probe nur dagesessen und zugesehen hatte. Trotzdem lenkte ihn das nicht genug von der Tatsache ab, dass Reita nur bei einem falschen Schritt zum Beispiel stolpern und damit das Instrument ruinieren könnte. Und dann wäre das definitiv das Ende. Für Reita. So zurückhaltend Kanon auch war und so viel sich der andere bei ihm herausnehmen konnte... Das ging dann doch zu weit. Bei seinem Bass verstand er keinen Spaß. „Kannst du ein bisschen vorsichtiger sein? Ich will wirklich nicht, dass er kaputt geht“, versuchte er es noch mal, aber der Ältere schien ihn gar nicht wahrzunehmen, sondern hüpfte munter weiter über die Bühne wie ein kleines Kind, das zu lange still sitzen und sich jetzt austoben musste. Mittlerweile hatten sich Ruki und Uruha auch davongemacht und waren jetzt wahrscheinlich schon auf dem Heimweg, während Kanon hier immer noch rumstand und Reita dabei zugucken musste, wie er seine Hyperaktivität auslebte. Mit seinem Bass! Kai saß immer noch hinter seinen Drums und kritzelte auf einem Blatt herum. Das Leben als Leader war wohl wirklich nicht sonderlich einfach. Aber das Leben mit Reita genauso wenig! „Reita! Hör schon auf mit dem Kinderkram und komm jetzt!“ Unerwartet war dem Schwarzhaarigen Aoi zur Hilfe gekommen, der mit verschränkten Armen in der Tür stand. Seine Jacke hatte er schon angezogen und der Gitarrenkoffer lehnte am Türrahmen. „Jaja, gleich! Ich will nur noch was ausprobieren“, hörte Kanon hinter sich von der Bühne, aber er kümmerte sich nicht darum. Viel mehr Aufmerksamkeit schenkte er dem Gitarristen, der die Augen verdrehte und den Gurt des Gitarrenkoffers über eine Schulter warf, um Reita zu zeigen, dass er keine Lust mehr hatte zu warten. „Reita! Lass das!“, hörte Kanon plötzlich panisch hinter sich. Kai hatte sich eingeschaltet. Das bedeutete nichts Gutes. Sofort fuhr der An Cafe-Bassist herum und sah gerade noch, wie Reita leicht in die Knie ging. Den Bass hatte er abgenommen und die eine Hand darunter, die andere an das Griffbrett gelegt. Kanon konnte sich sehr gut vorstellen, was der Blonde vorhatte, doch wirklich glauben wollte er es nicht. Der Idiot hatte doch nicht wirklich vor seinen heißgeliebten Bass… Bevor Kanon den Gedanken überhaupt fertig formulieren konnte, sah er schon wie Reita noch einmal Schwung holte und das Instrument dann hoch in die Luft warf. „REITA!“, rief der Schwarzhaarige aufgebracht. In jeder anderen Situation hätte er sich wohl selbst vor seiner lauten Stimme erschreckt, aber dieses Mal kochte er vor Wut. Auch Reita zuckte bei Kanons lautem Geschrei zusammen, was dafür sorgte, dass er fast den Bass fallen ließ, den er gerade versuchte heil wieder aufzufangen. „Spinnst du? Wegen dir wär er jetzt fast runtergefallen!“ Kanon konnte es nicht glauben. Er hatte sich von Reita viel gefallen lassen, doch das ging eindeutig zu weit. Jetzt war er auch noch so dreist und beschuldigte ihn! Wütend stampfte er auf den Blonden zu. „Ich soll spinnen?“, schrie er aufgebracht. „Tickst du eigentlich noch ganz richtig, so ne Scheiße mit meinem Bass zu machen?!“ „Ich hab ihn doch aufgefangen!“, begann Reita sich zu verteidigen, was Kanon nur noch wütender werden ließ. „Er wär dir fast runter gefallen!“ „Nur weil du so geschrien hast!“ „Mach doch deine eigenen Instrumente kaputt!“ Inzwischen hatte Kanon den anderen Bassisten erreicht und wollte ihm den Bass aus der Hand reißen, was Reita aber mit einem schnellen Schritt nach hinten verhinderte. „Gib mir meinen Bass zurück“, knurrte Kanon in einer Tonlage, die er selbst gar nicht von sich kannte. „Erst wenn du aufhörst dich wie ein Kleinkind zu benehmen.“ „Du bist doch derjenige, der wie ein arroganter Dreijähriger selbstgefällig durch die Welt stapft!“, schrie der Jüngere aufgebracht, worauf Reitas Gesicht einen Tick roter wurde. „Sag das noch mal!“, bellte der Blonde angriffslustig und kam wieder einen Schritt auf ihn zu. Kanon war viel zu wütend, um sich bedroht zu fühlen oder überhaupt zu registrieren, was hier gerade passierte. Ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden machte auch er einen Schritt nach vorne und öffnete den Mund, um zum nächsten Schlag anzusetzen, als ihn plötzlich zwei Arme packten und nach hinten zogen. Zwei starke Arme, die er weder von Reita, noch von Aoi kannte. Bevor er wusste, wie ihm geschah, hatte ihn Kai schon zu dem schwarzhaarigen Gitarristen, der plötzlich neben ihm auf der Bühne stand, geschoben und machte stattdessen selbst wieder einen Schritt auf Reita zu, um ihm den Bass aus der Hand zu reißen. Der Blonde ließ diesen ohne Widerstand los, hatte aber immer noch den angriffslustigen Ausdruck in den Augen, mit denen er abwechselnd Kanon und Kai anfunkelte. Der Leader drückte den Bass seinem Besitzer in die Hand, ohne den Blick von Reita zu nehmen. Plötzlich fühlte sich Kanon gar nicht mehr wohl. Die Situation war wohl irgendwie aus dem Ruder gelaufen, so sehr hatte er sich da hineingesteigert. Und jetzt war er Schuld daran, dass sich die beiden Member so wütend anfunkelten. „Hey…“, wollte er ansetzen, um die Situation zu entschärfen, aber im gleichen Augenblick spürte er eine Hand auf seiner Schulter, die ihn bestimmt davon abhielt, auf die beiden zuzugehen. „Reita braucht manchmal jemanden, der ihn in seine Schranken weist. Und niemand kann das so gut wie Kai“, meinte Aoi leise. „Aber… Sie gucken sich doch nur an!“, warf Kanon ebenso leise, aber energisch ein, während er sich neben den Älteren stellte. Reita hatte damit aufgehört, dem Kleineren Blicke zuzuwerfen und schenkte seine volle Aufmerksamkeit nun Kai. Ein paar Augenblicke sagte niemand etwas, bevor Aoi fortfuhr: „So läuft ihr kleiner Machtkampf immer ab. Und irgendwann gibt Reita dann auf und…“ „Los, gehen wir nach Hause!“ Kanon blinzelte verwirrt bei den Worten des anderen Bassisten, der Kai noch ein letztes Mal böse ansah, bevor er sein Instrument griff und an den dreien vorbeiging. „Was? Aber…“ Der Jüngste konnte nicht glauben, dass es das wirklich gewesen sein sollte. Das war dieser stumme Machtkampf? Und dann gab Reita einfach auf? „Das geht wirklich jedes Mal so. Manchmal kürzer, manchmal länger. Und meistens brummt er dann auf der Heimfahrt vor sich hin“, erklärte Aoi, während sich Kai seufzend wieder hinter sein Schlagzeug verzog, um dort weiter irgendetwas aufzuschreiben. Eine ganz normale Situation also. Merkwürdige Band. „Er fährt mit uns nach Hause?“ Kanon erschrak bei diesem Gedanken. Eben hatte ihn Reita doch noch so angrifflustig angefahren und jetzt sollten sie im gleichen Auto sitzen? Außerdem… Wenn er es genau nahm, dann war er ja auch noch sauer auf den Bassisten. Sein Bass hätte einen Totalschaden erleiden können! „Keine Sorge, er regt sich jetzt viel lieber über Kai auf. Das ist auch immer so. Er hat wahrscheinlich schon wieder ganz vergessen, wieso es überhaupt dazu kam.“ Kanon wusste nicht, ob er deshalb erleichtert oder wütend sein sollte. Natürlich war er froh, wenn Reita nicht sauer auf ihn war. Der Ältere war ja so schon gemein genug. Aber eigentlich hatte Reita auch gar kein Recht dazu! Er hatte sich schließlich falsch verhalten! „Lass uns jetzt gehen. Ich will endlich nach Hause“, meinte Aoi zu ihm und verabschiedete sich noch kurz von seinem Leader. Der Jüngste war sich nicht sicher, was er zu Kai sagen sollte. Sollte er sich dafür bedanken, dass er bei der Probe dabei sein durfte? Würde Kai ihm das nach seinem Streit mit Reita abkaufen? Doch bevor er sich entscheiden konnte, richtete schon der Drummer das Wort an ihn: „Schön dass du da warst, Kanon! Bis bald!“ Der Angesprochene versuchte Sarkasmus herauszuhören, doch da war keiner. Nur ein freundliches Lächeln. „Danke… Bis bald.“ Damit wandte sich auch er von der Bühne ab und folgte Aoi in den Backstagebereich. Wirklich eine merkwürdige Band… Aoi hatte mit seiner Prognose Recht behalten. Die gesamte Rückfahrt über grummelte Reita vor sich hin, wenn er seinen Leader gerade nicht laut verwünschte. Sein Mitbewohner schien das Verhalten einfach zu ignorieren. Wahrscheinlich auch die beste Methode. Trotzdem konnte Kanon es nicht lassen den Blonden böse anzuschauen, wenn sich ihre Blicke kreuzten. Vielleicht war er nicht mehr so in Rage wie in der Konzerthalle, aber einfach vergessen, was Reita mit seinem Bass angestellt hatte, konnte er dann doch nicht. So war die Stimmung die ganze Heimfahrt über angespannt und Kanon war wirklich erleichtert als Reita nach Betreten ihrer Wohnung wortlos in sein Zimmer stapfte. „Der wird sich wieder beruhigen“, meinte Aoi schulterzuckend und ließ sich dann auf ihr Sofa fallen, um den Fernseher einzuschalten. Kanon setzte sich nickend neben ihn. Auch wenn Reita gerade nicht seine größte Sorge war. Er hatte immer noch den freundlichen Gesichtsausdruck des Drummers in seinem Kopf. „Glaubst du Kai ist sauer auf mich?“, fragte er dann nach ein paar Minuten reumütig. Sofort hatte er die volle Aufmerksamkeit seines Sitznachbarn. „Unsinn! Kai weiß, wie Reita manchmal sein kann. Wir alle wissen das! Und solang du nicht bei der Probe oder irgendeiner Besprechung störst, ist Kai wirklich ein Engel.“ Aoi stockte einen Moment, bevor er etwas nachdenklicher fortfuhr. „Meistens jedenfalls. Zur Zeit ist er etwas merkwürdig.“ „Merkwürdig?“, hakte Kanon nach, als der andere wieder innehielt. „Naja, an einem Tag läuft er mit seinem breitesten Grinsen durch die Gegend und am nächsten tickt er aus, nur wenn man ihn mal anruft. Reita hatte neulich vergessen, wann wir Probe haben und dann hat ihn Kai bestimmt zehn Minuten lang eine Predigt gehalten, warum er nicht jemand anderes fragen kann. Dann hat Rei den restlichen Tag kein Mucks mehr von sich gegeben, obwohl ja nur ich zu Hause war und sich Kai sonst wo rumtrieb.“ Aoi lachte bei der Erinnerung daran und Kanon ließ sich davon anstecken. Dass er sauer auf Reita war, hatte er fast schon vergessen. Darum konnte er sich auch morgen kümmern. Und wegen Kai musste er sich wohl auch keine Gedanken machen. Der Gitarrist hatte ihn mal wieder überzeugt und auch von seinen Sorgen abgelenkt. „Ich hab Hunger. Lass uns irgendwas zu Essen machen!“ Damit schaltete Aoi einen Musiksender ein und stand auf, um zur Kochnische zu gehen. Kanon folgte ihm sofort. Fast wie ein Schoßhündchen, dachte er ein wenig ärgerlich, aber ohne wirklich einen ernsten Gedanken daran zu verschwenden, dass er das in Zukunft lassen sollte. Schließlich hatte er auch Hunger. Wieso sollte er also nicht auch in die Küche gehen? „Machen wir für Reita auch was?“, erkundigte er sich, während er den Reiskocher füllte. „Der soll selber rauskommen, wenn er was will“, wurde ihm in selbstverständlichem Ton geantwortet. „Er riecht das Essen bestimmt sowieso gleich.“ Aber Reita kam nicht und Kanon stellte sich unwillkürlich die Frage, ob er Schuld daran war. Vielleicht war der Blonde ja immer noch sauer auf ihn. Aber eigentlich hatte er dazu doch gar keinen Grund! Er war es doch, der so mit Kanons Bass umgegangen war. Nicht umgekehrt! Verstohlen sah er zur geschlossenen Zimmertür des Bassisten hinüber. Ob Reita wohl ihn und Aoi lachen hörte? Ob er wohl hörte, wie sie sich amüsierten? Ohne ihn? Kanon fragte sich, ob der Blonde eifersüchtig werden konnte. Schließlich war er es immer gewesen, der die Abende mit Aoi verbracht hatte, und plötzlich kam jemand anderes und drängte sich dazwischen. Die Erkenntnis traf ihn schlagartig, sodass er mitten in seiner Bewegung innehielt und den Reiskocher anstarrte. Irgendwie mochte er Reita ja und irgendwie waren sie Freunde, was ihm ja auch gefiel, aber Kanon wollte, dass Reita eifersüchtig war. Er wollte, dass der andere sah, dass Aoi Spaß hatte. Dass er mit ihm Spaß hatte! Kapitel 14: Wie man sich entschuldigt ------------------------------------- Kapitel 14 Wie man sich entschuldigt Gedankenverloren stocherte Kanon in seinem Reis herum. Reita hatte sein Zimmer immer noch nicht verlassen. Eigentlich war Kanon ja gern alleine mit Aoi, aber er musste sich eingestehen, dass seine Gedankengänge immer eigenartiger und untypischer für ihn wurden, wenn es dazu kam. Wieso gefiel ihm die Vorstellung, dass Reita wegen seiner guten Beziehung zu Aoi eifersüchtig war? Hatte ihn die Zeit mit dem Blonden wirklich so schadenfroh gemacht? Oder war der Bassist gar nicht der Grund? Verstohlen sah er zu seinem Gegenüber am anderen Ende des Esstischs, der natürlich genau in diesem Moment auch in seine Richtung blicken musste. Er erwiderte Aois Lächeln nur halbherzig und starrte dann erneut in seine Reisschüssel. Es ging ihm nicht um Reita, sondern um Aoi. Er wollte, dass alle wussten, wie gut er sich mit dem Gitarristen verstand. Und er wollte auch, dass sie alle eifersüchtig auf ihn waren, weil das für ihn eine Art Beweis wäre. Ein Beweis dafür, dass ihn und Aoi wirklich etwas Besonderes verband! Kanon runzelte die Stirn. Verband sie überhaupt etwas Besonderes? Und wieso wollte er das eigentlich? „Hey, Kleiner!“ Erschrocken ließ Kanon seine Stäbchen fallen. Er wusste, dass er gemeint war. Und er wusste auch, wem die Stimme gehört hatte. Langsam drehte er sich um und sah Reita betont lässig in seiner Zimmertür lehnen. „Ja?“, antwortete Kanon etwas unsicher, da der Blonde ihn doch ziemlich ernst anstarrte. Hatte Aoi nicht gesagt, Reita würde das alles wieder vergessen? So sah das nämlich gerade gar nicht aus. „Kannst du mal kurz in mein Zimmer kommen?“ Kanon schluckte. Und so hörte sich das auch gar nicht an! So langsam bekam er es wirklich mit der Angst zu tun. „Wir essen gerade, Reita“, schaltete sich Aoi jetzt ein, woraufhin ihn der Bassist einen ziemlich genervten Blick zuwarf. „Es braucht nicht lange. Ich hab ihm nur kurz was mitzuteilen.“ Kanon konnte in Aois Augen sehen, dass auch dieser nicht einschätzen konnte, was Reita mit ihm vorhatte. Seufzend stand er auf und ging zu Reita. Er hatte doch eh keine andere Wahl. Entweder machte er, was der ältere Bassist von ihm verlangte, oder er würde rausgeschmissen werden. Sofort verkrampfte sich alles in ihm. Wollte Reita ihn etwa loswerden? „Setz dich hin“, wurde er sofort angewiesen und Kanon setzte sich ohne Widerworte auf den Schreibtischstuhl, allerdings nicht, ohne vorher den Blick verstohlen durch das Zimmer wandern zu lassen. Er war schon eine Woche hier und nicht einmal war er in Reitas Zimmer gewesen. Aber er hatte darin ja auch nichts zu suchen gehabt, schließlich gab es hier, wie der Jüngere jetzt bemerkte, auch nicht mehr als einen Schreibtisch, auf dem der Laptop des Blonden stand, sein Bass und ein Bett. Zumindest war das alles, was Kanon so auf den ersten Blick identifizieren konnte. Neben Klamotten und Zetteln, die überall im Zimmer verstreut lagen. „Bist du jetzt fertig?“ Kanon hob sofort wieder den Blick und sah Reita an, der mit verschränkten Armen an der Tür lehnte und ihn abschätzig ansah. Wahrscheinlich meinte er Kanons Inspektion des Zimmers. Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr der Blonde fort. „Du hast dich vorhin bei unserem Test gut geschlagen.“ „Test?“ Was für ein Test? Reita wollte ihm doch nicht weismachen, dass die ganze Sache auf der Bühne vorhin einer von seinen dämlichen Tests gewesen war. Dieser stieß sich aber von der Tür ab und schlenderte langsam durch das kleine Zimmer. Kanon sah er dabei nicht an. „Klar“, gab er nur als Antwort und betrachtete die Klamotten vor seinem Bett als hätte er sie noch nie gesehen. „Oder glaubst du ich würde mich einfach so von irgendjemandem anschreien lassen?“ Dem Jüngeren fehlten die Worte. Wie konnte das Ego eines einzelnen Menschen nur so groß sein? Am liebsten hätte er ihm geantwortet, dass er gern mal sehen würde, wie Reita Kai anschrie, aber er verkniff sich den Kommentar. „Aber wie gesagt… Du warst gut. Und du hast mich überrascht!“ „Wieso?“ Kanon runzelte die Stirn. Wollte er das überhaupt wissen? „Ich hab dich noch nie so ausflippen sehen. So langsam schlagen meine Methoden an. Deine Reaktion war gut. Also… für deine Verhältnisse zumindest. Eigentlich wollte ich dir gar nicht mitteilen, dass es nur ein Test gewesen ist, aber dafür hast du noch zu viele charakterliche Schwächen. Sonst hättest du dir die nächsten paar Tage nur Vorwürfe gemacht und das macht meine Arbeit ja auch nicht leichter. Aber jetzt weißt du ja Bescheid und kannst den Vorfall einfach vergessen.“ Kanons Wut wurde bei jedem dieser Worte nur größer. Wie konnte man nur so ein arroganter Idiot sein? So furchtbar selbstverliebt? Vielleicht sollte er wirklich einen Streit provozieren, um dem Blonden mal so richtig die Meinung sagen zu können! Und gerade als er alle Gemeinheiten in seinem Kopf durchging, fiel ihm etwas auf. Reita blickte immer noch auf den Boden. Das war sonst gar nicht seine Art. Eigentlich sah er bei solchen Aussagen seinen Gegenüber immer provozierend an, doch er hatte Kanon kein einziges Mal angesehen. Wenn er genauer darüber nachdachte, waren auch die Worte ziemlich untypisch gewesen. Reita hatte immer wieder betont, dass der Jüngere richtig und gut gehandelt hätte und dass sie den Vorfall vergessen sollten. Zusammen mit dem eigenartigen Verhalten, konnte das für Kanon nur eines bedeuten. „War das gerade so eine Art Entschuldigung?“ Eigentlich konnte er das Gesagte selbst nicht wirklich glauben, aber als Reita ihn dann noch geschockt anstarrte und sogar ein bisschen rot wurde, gab es für Kanon kein Zweifel mehr. Sofort war alle Wut wie weggefegt. Reita hatte sich entschuldigt! Zwar nicht sehr gut, aber immerhin. Und da konnte sich der Blonde jetzt auch nicht mehr rausreden. „Das war auf keinen Fall eine Entschuldigung! Wie kommst du nur auf einen solchen Schwachsinn!“ „Ich verzeihe dir“, meinte der Schwarzhaarige nur grinsend und stand auf, um das Zimmer zu verlassen. Er ging gerade aus der Tür, als ihm der Blonde noch ein „Du verzeihst MIR?! Wenn schon, dann verzeih ich DIR!!“ hinterherrief. Noch immer ein breites Grinsen auf den Lippen setzte sich Kanon zurück an den Tisch und schob sich wortlos eine Ladung Reis in den Mund. Aoi sagte nichts, sondern grinste nur ebenso breit zurück, als Reita die Tür zu seinem Zimmer zuknallte. Das war heute auf jeden Fall ein Punkt für Kanon. Wahrscheinlich sein eindeutigster, seit er eingezogen war. „Wen bringst du morgen eigentlich mit?“, fragte Aoi ihn nebenbei, als sie gemeinsam abspülten. Reita hatte sich den ganzen Abend nicht mehr blicken lassen. „Wen? Wohin?“, stellte Kanon die Gegenfrage, während er die abgetrockneten Gläser zurück in den Schrank räumte. Aoi hielt inne und sah den Jüngeren zweifelnd an. „Das darf doch nicht wahr sein!“, rief er irgendwann Kopf schüttelnd, was den anderen ebenfalls das Handtuch sinken ließ. „Reita sollte dir zwei Pässe für das Konzert morgen besorgen! Also… Wenn du kommen willst. Aber der Idiot hat natürlich mal wieder alles vergessen! Reita!!“ Bevor Kanon etwas erwidern konnte, war Aoi schon zum Zimmer des besagten Bassisten gestürmt und hatte dessen Tür aufgerissen. „Kannst du nicht anklopfen?!“, wurde ihm sofort entgegengebrüllt. „Kannst du dich nicht um die Sachen kümmern, die man dir aufträgt?!“ „Was ist denn jetzt schon wieder??“ „Du hast Kanon die Karten nicht gegeben! Du hast ihn nicht mal gefragt, ob er zum Konzert kommen will!“ Kurz herrschte Schweigen, bevor das Geschrei weiterging. „Ja und? Dann hab ichs halt vergessen!“ Reita schien heute wirklich ziemlich gereizt zu sein. „Hier hast du die Dinger!“ Kanon sah, wie der Blonde Aoi etwas – wahrscheinlich die Karten – in die Hand drückte, ihn anschließend vollständig aus dem Zimmer schob, um die Tür wieder zu schließen. Der Gitarrist holte noch Luft, beließ es dann aber doch bei einem wütenden Schnauben und kam seufzend zurück an den Tisch, wo er die Karten auf den Tisch legte. „Das war so klar, dass er es vergisst! Ich hätte es wissen müssen.“ Dann wandte er sich wieder Kanon zu. „Also du kannst morgen gerne kommen, wenn du magst und dir das jetzt nicht zu plötzlich ist. Und die andere Karte kannst du auch jemandem geben. Ist jetzt nur wirklich kurzfristig. Reita sollte das eigentlich gleich erledigen, als du hier eingezogen bist.“ Kanon fühlte sich leicht überrumpelt. Er hatte selbst noch gar nicht darüber nachgedacht auf das Konzert zu gehen. Aber eigentlich stellte er sich das ziemlich cool vor. Wenigstens konnte Reita ihn dieses Mal nicht einfach auf die Bühne schicken. Oder ihm sagen, wen er zu beobachten hatte. Obwohl es auch ohne Reitas Anweisungen wohl aufs gleiche Resultat hinauslaufen würde. Nur dass er Aoi morgen über zwei Stunden beobachten konnte… „Und? Kommst du?“ In der Stimme des Älteren klang Unsicherheit mit, die wahrscheinlich daher kam, dass Kanon ziemlich lang nichts gesagt hatte. Und er hoffte inständig Aoi konnte dieses eine Mal seine Gedanken nicht erahnen. „Natürlich komm ich!“, antwortete der Bassist grinsend, was auch auf die Lippen des Älteren ein Lächeln zauberte. Egal, ob Reita ihn dabei haben wollte oder wie chaotisch es werden würde. Nur dieses Lächeln war Kanon der ganze Aufwand wert. Und außerdem wusste er genau wen er sich zur Unterstützung rufen würde… „Das wird sicher toll! Und auch ziemlich informativ. Es ist immer gut zu sehen wie sich andere Bands auf Konzerte vorbereiten! Und dann auch noch eine so erfolgreiche Band!“ Kanon nickte und grinste innerlich in sich hinein. Es war eine gute Idee gewesen Teruki mitzunehmen. Er hatte es vermisst Zeit mit dem Älteren zu verbringen und es machte um einiges mehr Spaß mit dem gut gelaunten Drummer durch die Backstagebereiche der riesigen Halle zu laufen als es alleine zu tun. Teruki war gerade erst angekommen und hatte Kanon direkt zu einer kleinen Inspektion entführt. Der Schwarzhaarige hatte kein Problem damit. Schließlich war bis zum Konzert noch über eine Stunde Zeit und bei den eigenen Auftritten war man immer viel zu aufgeregt, um sich wirklich mal alles in Ruhe anzuschauen. Am Anfang des Rundgangs hatte er noch ein schlechtes Gewissen gehabt, weil er sich bei niemandem abgemeldet hatte, aber das hatte sich auch schon geklärt. Teruki und er waren nämlich schon gefühlten tausend Mal Kai über den Weg gelaufen, der immer in irgendwelche Gespräche verwickelt war. Einmal hatte er sogar Kabel getragen! Er mochte diese Eigenschaft am Gazette-Leader. Dass sich dieser für wirklich nichts zu schade war und sich um alles kümmerte. Denn obwohl es wirklich eine Menge Leute gab, die für die Technik zuständig waren, packte Kai trotzdem mit an. Kanon und Teruki wichen dem Staff so gut es ging aus, um nicht im Weg zu stehen, auch wenn Aoi ihnen vorhin versichert hatte, dass sie nicht im Weg waren und dass öfters mal jemand backstage kam. Seltsam nur, dass sie sonst keine bekannten Gesichter sahen. Ob der Gitarrist das nur sagte, damit sie sich besser fühlten? Etwa eine halbe Stunde vor Beginn des Konzerts sahen sie von der Band niemanden mehr. Wahrscheinlich sammelten sie sich gerade irgendwo mental. „Wo sollen wir eigentlich hin?“, fragte ihn Teruki, als es so langsam unruhig in der Halle wurde. „Reita hat gesagt, ich soll mich an eine Seite der Bühne stellen, weil wir der Band da am nächsten sind und ich von da aus besser beobachten könnte.“ Kanon verschwieg seinem Leader, dass Reita ihm auch die Möglichkeit gegeben hatte, in den Zuschauerraum zu gehen. Erstens, weil er dieses Konzert wirklich seine ganze Aufmerksamkeit der Band schenken wollte und er nicht wusste, inwiefern das möglich war, wenn sie im Fangedränge erkannt werden würden. Und zweitens, weil er so wirklich um einiges näher am Geschehen war. Also machten sie sich auf den Weg durch den Backstagebereich zur Bühne und kamen auf Aois Seite raus. Ja, hier hatten sie wirklich eine sehr gute Sicht. Die Minuten vergingen. Die Geräuschkulisse wurde lauter. Und als sich Kanon so umsah und die Mitarbeiter beobachtete, bemerkte er Tora und Saga auf der anderen Seite der Bühne. Es sah ganz danach aus, als hätten sie ebenfalls Backstagepässe bekommen und sahen sich das Konzert von hier aus an. Der schwarzhaarige Bassist hob die Hand, um den beiden zu winken, und wurde auch sofort von Tora gesehen. Dieser deutete auf sie, griff nach Sagas Hand, der ein wenig überfordert zu ihnen herüberguckte, und zog ihn wieder Richtung Backstagebereich. „Also sind wir heute doch nicht die einzigen VIP-Gäste“, meinte Kanon gut gelaunt, was von Teruki allerdings nur mit einem „Mhm“ beantwortet wurde. Der Bassist war etwas verwirrt. Er hatte immer gedacht der Ältere mochte Tora und Saga. Schließlich waren ihre Bands schon ein paar Mal zusammen trinken gewesen und hatten sich gut amüsiert. Auch als die beiden bei ihnen ankamen, schien ihm Teruki zurückhaltender zu sein als sonst. Vielleicht hätte der Drummer auch lieber die Zeit mit ihm alleine verbracht, nachdem sie sich solange nicht gesehen hatten. Oder er bildete sich das Ganze nur ein. Kanon hatte auch gar keine Möglichkeit sich länger darüber Gedanken zu machen, denn kaum hatte er die Neuankömmlinge begrüßt, begann schon das Intro, welches den Anfang des Konzerts ankündigte. Es war nur noch das ohrenbetäubende Kreischen der Fans zu hören. Kanon glaubte nicht, dass es noch lauter werden konnte, doch als Kais Silhouette dann auf der dunklen Bühne zu erkennen war, wurde er eines besseren belehrt. Der Schwarzhaarige ärgerte sich ein bisschen, dass sie sich für diese Seite entschieden hatten, da die Bandmitglieder von der anderen die Bühne betraten. Er hätte Aoi gerne noch einmal viel Glück gewünscht. Und den anderen natürlich auch! Als er dann aber Aois dunkle Gestalt erkennen konnte, beglückwünschte er sich für seine Platzwahl. Selbst in der Dunkelheit schien vom Backstagebereich genug gedämpftes Licht auf die Bühne, um den Schwarzhaarigen auf seiner Position gut sehen zu können. Sogar sein Lächeln war zu erkennen, als er in ihre Richtung schaute. Kanon erwiderte das Lächeln strahlend und winkte, bis ihm endlich auffiel, dass er sich wie ein verliebtes Fangirl verhielt. Schnell nahm er die Hand wieder runter und hörte auf Aoi anzustarren. Stattdessen fiel sein Blick auf eine andere lächelnde Person. Reita! Zwar war es bei ihm eher ein Schmunzeln, aber es war… freundlich. Kanon war einen Moment ziemlich verstört. Der Blonde war an dem Tag wieder völlig normal zu ihm gewesen und hatte den Vorfall des gestrigen Tages wohl hinter sich gelassen, aber so ein nettes Lächeln hatte er dennoch noch nie bei dem anderen gesehen. War das wirklich an ihn gerichtet? Vielleicht hatte er aber auch nur die Aktion von ihm und Aoi eben bemerkt. Aber hätte Reita ihm dann nicht ein hämisches Grinsen geschenkt? Kanon konnte sich keine weiteren Gedanken darüber machen, denn Kai schlug den Takt an und eröffnete somit das Konzert. Als der Bass einsetzte, vibrierte sofort der Boden unter ihren Füßen und Teruki wippte mit dem Fuß im Takt mit. Tora stand neben Kanon und sah der Band mit verschränkten Armen und leicht grinsend zu, während Saga unruhig neben dem Gitarristen stand. Was war denn heute los? Verhielten sich wirklich alle so seltsam oder bildete sich Kanon das nur ein? _______________________ Das wars mal wieder für diese Woche. Vielen Dank wie immer an unsere fleißigen Kommentarschreiber und auch sonst an alle, die noch dabei sind! ^___^ Vielleicht sieht man ja ein paar von euch morgen aufm guild-konzert ^^ Kapitel 15: Wie man die Pause verbringt --------------------------------------- Kapitel 15 Wie man die Pause verbringt Das Konzert nahm seinen Lauf und er prägte sich Aois Bewegungen genau ein. So wie Reita es ihm aufgetragen hatte. Selten sah er den anderen zu, außer wenn Uruha mal auf ihre Seite der Bühne kam und den schwarzhaarigen Gitarristen antanzte. Dann beobachtete er auch diesen genau. Ganz genau. „Ich hab gehört du wohnst jetzt bei den beiden!“, hörte Kanon nach einigen Liedern Toras laute Stimme an seinem Ohr, woraufhin er ihn ansah und kurz nickte. Das war wahrscheinlich verständlicher, als einfach zurückzubrüllen. „Und kommt ihr klar?“ Wieder nickte Kanon. „Aber Reita ist manchmal echt anstrengend!“, schrie er zurück, was Tora aber nur mit einem Lachen beantwortete. Klar sah dieser das wahrscheinlich ein bisschen anders. Mittlerweile hatte er mitbekommen, dass Reita und Tora oft miteinander Trinken gingen und wahrscheinlich so was wie beste Freunde waren. Auch wenn Kanon nicht so ganz verstand, wie man so gut mit dem Blonden befreundet sein konnte. Dafür regte er sich viel zu oft über diesen auf. „So schlimm ist er nicht“, rief der Gitarrist wie als Antwort auf seinen Gedankengang und wandte seinen Blick wieder dem Bassisten auf der Bühne zu, schweifte aber schnell wieder ab. „Und du? Mir hat da jemand erzählt, du kommst ziemlich gut mit Aoi klar?!“ Reita. Der Kerl war doch wirklich nicht auszuhalten! Konnte der mal aufhören, ständig alles auszuplaudern? Außerdem… Ja und? Dann kam er halt gut mit Aoi klar. Was war dabei? Das bedeutete doch nicht gleich, dass er sich an ihn ranmachte! Nein, bestimmt nicht! Trotzig verschränkte Kanon die Arme vor der Brust und starrte besagten Bassisten an. Der aber bemerkte den Blick natürlich nicht, sondern brüllte seinen Liedpart gerade ins Mikro. „Ja, aber ich komm auch gut mit Kai aus. Und Shou kommt gut mit Takuya aus. Und Saga mit Teruki“, gab er mürrisch zurück. Sie kamen alle gut miteinander aus, aber das bedeutete doch nicht gleich, dass sie alle was mit dem anderen hatten! „Die sind aber alle nicht so drauf wie Aoi es manchmal ist. Manche finden ihn sogar noch fieser als Reita!“ Kanon starrte Tora geschockt an. Sollte das etwa ein Scherz sein? Wie um seiner Aussage noch zu bekräftigen, drehte sich dieser nun seinem blonden Bandkollegen zu: „Wen findest du schlimmer: Reita oder Aoi?“ Kanon hatte damit gerechnet, dass Saga über diese Scherzfrage lachen würde. Reita war natürlich schlimmer! Stattdessen machte er ein Gesicht, als müsse er sich zwischen Pest und Cholera entscheiden. Überrascht blickte Kanon wieder auf die Bühne. Er musste die Antwort gar nicht hören. Schon Sagas lange Bedenkzeit war für ihn Antwort genug. Wie konnte man Aoi nur für genau so gemein halten wie Reita? Oder sogar gemeiner?! Er war doch immer so liebenswürdig und freundlich. Ein richtiger Engel! Naja, vielleicht war der Vergleich momentan nicht ganz so passend, wenn man den lasziven Hüftschwung des Gitarristen betrachtete. Trotzdem! Aoi war toll! Und genau genommen machten ihn diese Bewegungen nur noch toller… Erst als Tora ihn freundschaftlich auf die Schulter schlug, erinnerte der Jüngere sich wieder an das eigentliche Thema. „Das sollte jetzt auch nicht irgendeine Anspielung sein“, meinte der Gitarrist neben ihm und nahm somit den Gesprächsfaden wieder auf. „Dann verstehst du dich eben gut mit Aoi. Ist ja nichts dabei.“ Kanon wusste, dass die Worte versöhnlich auf ihn wirken sollten, aber Toras Gesichtsausdruck machte dem Älteren einen Strich durch die Rechnung. Er grinste. Hämisch. So wie es Kanon nur von einer Person gewöhnt war. „Reita hat eindeutig einen schlechten Einfluss auf dich“, meinte er trotzig, worauf sein Nebenmann nur lachte. Damit schien das Thema für ihn erledigt zu sein. Kanon hatte allerdings Schwierigkeiten das Gespräch zu vergessen. Wieso reagierte er auch immer so sensibel? Tora war ein Freund und er war sich sicher, dass er es garantiert nicht böse gemeint hatte. Das war alles Reitas Schuld, weil er ihn viel zu oft mit seinen blöden Anspielungen genervt hatte. Das Konzert nahm seinen Lauf. Ab und zu, wenn es nach ein paar Liedern dunkel auf der Bühne wurde und die Band ein paar Sekunden zum Luft holen und trinken hatten, bildete sich Kanon sogar ein, dass Aoi durch die Dunkelheit zu ihnen rübersah, was ihn mal wieder unbewusst zum Lächeln brachte. Zweimal verschwand das Lächeln aber sofort wieder, als er Tora, der das mal wieder beobachtet haben musste, neben sich leise lachen hörte. Okay, so langsam sah er ein, wieso sich dieser so gut mit Reita verstand. Die beiden hatten ziemlich ähnliche Charaktere – oder zumindest lachten sie über dasselbe. Auch wenn ihm Tora doch noch nicht ganz so hämisch vorkam. Bei ihm war es eher ein amüsiertes Lachen. Allerdings sprach er ihn nicht mehr darauf an. Sollte der Gitarrist doch lachen. Das Problem war eher, dass dieser nach dem Konzert sicher Reita von seinen Beobachtungen erzählen würde und Kanon darum keinen ruhigen Abend haben würde. „Gleich ist Pause“, meinte der Bassist nach einiger Zeit schließlich. Er kannte zwar nicht den ganzen Konzertverlauf auswendig, aber dadurch, dass er bei der Generalprobe dabei gewesen war, hatte er sich zumindest gemerkt, dass die Jungs nach Filth in the beauty Pause machten und anschließend nur noch zum Encore rausgingen. Und gerade der Anfang dieses Lieds wurde eben eingespielt. Er sah Tora neben sich nicken. „Sie kommen dann hier raus.“ Kanon wandte sich erstaunt zu seinem Nebenmann um. „Aber vorhin sind sie doch…“ „Das machen sie in der Halle oft so. Gehen auf der einen Seite rein und kommen auf der anderen wieder raus. Der Weg von beiden Seiten zum Backstagebereich ist gleichlang.“ Der andere kannte sich aus. Und Kanon brachte keinen Ton mehr raus. Was war los mit ihm? Vorhin wollte er doch, dass sie an ihm vorbeikamen, damit er ihnen Glück wünschen konnte und jetzt machte ihn die Tatsache nervös? Vielleicht sollte er einfach behaupten, dass er aufs Klo musste, aber das konnte er irgendwie auch nicht machen. Obwohl… wieso eigentlich nicht? Es erwartete schließlich niemand von ihm, dass er hier war. Wahrscheinlich würde die Band direkt vorbeistürmen und ihn gar nicht weiter beachten. Als das Lied dann allerdings zu Ende war, wurde er schnell eines Besseren belehrt. Kaum waren die Scheinwerfer auf der Bühne ausgegangen, stolperte ihm schon Aoi entgegen. „Und, wie fandest du’s?“ Kanon musste grinsen. Der Ältere war noch völlig aus der Puste und wollte trotzdem gleich seine Meinung hören. Irgendwie süß! „Das war echt super!“, meinte er anerkennend, während sich Aoi leicht auf ihn stützte. Er sah wirklich ziemlich fertig aus. Allerdings war der Gitarrist nicht der Einzige. Selbst Reita hatte dieses Mal keinen blöden Kommentar für ihn übrig, als er an ihnen vorbei Richtung Backstagebereich lief. „Vielleicht sollte ich jetzt auch“, murmelte Aoi sichtlich erschöpft, doch anstatt mit Ruki und Uruha mitzulaufen, die gerade ebenfalls an ihnen vorbeischwankten, legte er einen Arm um Kanons Schulter und trottete dem Rest hinterher. Der Jüngere wollte noch Teruki einen entschuldigenden Blick zuwerfen, dass er ihn jetzt hier allein stehen ließ, doch zu seiner Verwunderung war der Drummer gar nicht mehr da. Genauso wie Tora und Saga. Wann waren die denn alle verschwunden? Allerdings konnte er sich nicht weiter mit diesen Gedanken beschäftigen, denn der Gitarrist in seinem Arm wurde mit jedem Schritt schwerer. Er konnte das nur zu gut nachvollziehen. Sobald das Adrenalin nachließ, fühlte man sich nur noch tot. Und Aoi hatte wirklich alles gegeben! Er musste es ja wissen! Schließlich hatte er den Älteren ganz genau beobachtet. Da hatte er sich auch wirklich eine Pause verdient. Umso glücklicher war Kanon, als sie endlich den Backstagebereich erreicht hatten. „Hinlegen“, hörte er nur leise neben sich, wobei „hinfallen“ wohl treffender gewesen wäre. Der Ältere in seinen Armen ließ sich einfach plumpsen und zog Kanon, der den Sturz eigentlich nur abbremsen wollte, gleich mit sich mit. Er konnte nur noch einen kleinen, überraschten Schreckensschrei ausstoßen, bevor er neben Aoi auf dem Boden lag. „Tschuldige“, nuschelte der Gitarrist neben ihm leise, rührte sich sonst jedoch nicht, bis auf die Tatsache, dass er seinen Arm von Kanon zog. Dieser stützte sich auf und setzte sich erschrocken neben ihn. „Hey… Alles klar bei dir?“ Der Ältere lag schnell atmend auf dem Boden. Die Augen geschlossen und sein ganzer Körper von Schweiß bedeckt. Er sah völlig fertig aus. „Brauch nur kurz ne Pause“, wurde ihm geantwortet. Aber Aoi sah aus als bräuchte er eine längere Pause als nur diese paar Minuten, die er vor dem Encore bekommen würde. Suchend sah sich Kanon um. Den anderen Vieren schien es nicht besser zu gehen. Ruki lag auf der Couch, Reita saß mit dem Rücken an eben dieses Möbelstück gelehnt, hatte seine Augen ebenfalls geschlossen und den Kopf in den Nacken gelegt. Uruha saß auf einem Stuhl, hatte aber den Kopf in den Armen auf dem Tisch vergraben und Kai kam eben in den Raum und ließ sich auch einfach an der Wand auf den Boden sinken. Es kam doch auch manchmal vor, dass Gazette kein Encore gaben, oder? Sie konnten doch unmöglich in der Verfassung noch mal da raus gehen! Kanons Blick wanderte zurück zu dem ausgepowerten Körper neben sich. Aoi hatte sich immer noch nicht gerührt und der Bassist wollte gerade aufstehen, um ihm etwas zu trinken zu holen, als schon eine Frau mit ein paar Handtüchern und Flaschen Wasser angerannt kam, die sie an die fünf Gazettemember verteilte. Eine Flasche wurde hastig neben Aoi abgestellt, die Kanon sofort nahm, um sie aufzuschrauben. „Hier, trink was!“ Er berührte die Hand des Gitarristen mit der Flasche, die dieser zögernd nahm und endlich die Augen öffnete. Der Jüngere atmete erleichtert aus, als er ein kleines Lächeln auf den Lippen des anderen sah und sich dieser schwerfällig aufsetzte. Sofort nahm er einen großen Schluck und fuhr sich daraufhin mit dem Handtuch über sein Gesicht. „Mach dir keine Sorgen. Mir geht’s gut.“ Er musste wohl Kanons besorgten Gesichtsausdruck bemerkt haben. Und tatsächlich wurde dieser ein wenig ruhiger, als ihn Aoi erneut anlächelte und somit wirklich besser aussah als wenn er bewegungslos auf dem Boden lag. Zwar ging seine Atmung immer noch viel zu schnell und auch der Schweiß glänzte noch auf seiner Haut, aber jetzt hatte das irgendwie auch etwas… Schönes. Kanons Gesicht wurde schlagartig rot. Er durfte den Gedanken jetzt keinesfalls weiterführen. Daraus konnte ja nichts Gutes werden! Gott sei Dank folgte schon gleich eine Ablenkung in Form von lauten „Encore“-Rufen, die von der Konzerthalle bis hier her in den Backstagebereich zu hören waren. Zwar hatte man schon davor vereinzelte Rufe gehört, doch jetzt schien das gesamte Publikum ein gemeinsamen Rhythmus gefunden zu haben. Auf Aois Gesicht breitete sich ein zufriedenes Strahlen aus, was Kanon ihm auch nicht verdenken konnte. Er wusste selbst, wie viel Kraft einem diese Rufe geben konnten. Als er das hörte, wäre er am liebsten gleich selbst auf die Bühne gesprungen. Ob das den Gazette-Fans gefallen hätte, ist da noch eine ganz andere Frage. Eine etwas wichtigere Frage war allerdings, ob Aoi überhaupt zu einer Zugabe im Stande war. Zwar lächelte er wie wild und seine Augen funkelten aufgeregt, aber körperlich ging es ihm nicht wirklich besser. „Geht ihr nochmal raus?“, fragte Kanon den Älteren vorsichtig. „Also das hat Kai zu entscheiden, aber so wie sich das Publikum anhört, glaube ich schon.“ Kanon nickte nur. Der Gitarrist schien so glücklich und da wollte er nicht der besorgte Spielverderber sein. Leider hatte er Aoi mal wieder unterschätzt. „Machst du dir etwa Sorgen?“, fragte dieser grinsend, wobei er sich ehrlich über das Mitgefühl zu freuen schien. „Du siehst schon ein bisschen kaputt aus“, gab Kanon verlegen zu, woraufhin Aoi auflachte. „Ich komm mal auf eines deiner Konzerte und schau mir an, wie du vor der Zugabe aussiehst.“ Die Worte hätten vorwurfsvoll klingen können, doch das taten sie nicht. Immer noch grinste der Ältere ihn an, was Kanon nun auch erwiderte. „Dann kannst du mich ja in den Backstagebereich schleppen.“ „Mit dem größten Vergnügen.“ „Schleppen?“, störte Reitas Lachen ihr Gespräch, sodass sich Kanon zu ihm umdrehte. Der Blonde wurde gerade von einer Stylistin wieder so gut es ging hergerichtet, damit sie wieder raus gehen konnten. „Du würdest den Kleinen doch auf Händen tragen, so ein Federgewicht ist der!“ Aoi wollte etwas erwidern, wurde dann aber von einer anderen Stylistin unterbrochen, die jetzt an ihm herumhantierte. Dafür übernahm Tora das Antworten. Zum Glück. Kanon hatte nämlich keine Lust, Reitas Sticheleien einfach so auf sich sitzen zu lassen, nur wusste er selbst nicht wirklich, was er sagen sollte. „Und du scheinst gar nicht so fertig zu sein, wie du mir eben weis machen wolltest, wenn du schon wieder solche Sprüche reißen kannst. Von wegen „Oh Gott, ich bin ja so abgegangen. Ich kann mich kein Stück mehr bewegen“.“ Tora saß ein Bein angezogen auf der Couch, auf die sich Reita zum Stylen gesetzt hatte, und grinste den Blonden frech und ein wenig schadenfroh an. „Fall du mir nicht auch noch in den Rücken!“ Eingeschnappt stand dieser auf und drehte sich demonstrativ von Tora weg, was Kanon zum Lachen brachte. So, da gab es also wirklich jemanden, der Reita in seine Schranken weisen konnte – abgesehen von Kai natürlich, aber der schaffte das ja sowieso bei jedem. „In zwei Minuten gehen wir wieder raus!“, warf eben dieser dann noch ein und beendete ihr Gespräch damit. Die Band bereitete sich lieber auf ihr Encore vor, statt sich gegenseitig zu ärgern. „Komm, wir gehen schon mal vor“, Tora griff nach Kanons Arm und zog ihn ein Stück mit sich. „Hier stören wir grad eh nur.“ „Aber…“ Er wollte Aoi doch noch viel Glück wünschen! „Die kommen sowieso wieder hier lang. Lass ihnen jetzt doch mal noch ne Minute!“ Und damit verließen sie den Raum und gingen dem Fangeschrei entgegen. ~~ Tut uns leid, dass wir momentan nich zum bedanken für die kommis kommen, aber die uni hat wieder angefangen und wir sind beide bisschen im stress >_< legt sich aber hoffentlich in den nächsten tagen wieder. aber trotzdem vielen vielen dank an euch!! ^__^ Kapitel 16: Wie man Gerüchte verbreitet --------------------------------------- Kapitel 16 Wie man Gerüchte verbreitet Als sie wieder an der Seite der Bühne ankamen, war die Lautstärke fast ohrenbetäubend. „Da bekommt man richtig Lust selbst mal wieder ein Konzert zu geben, oder?“, fragte Tora, woraufhin Kanon kräftig nickte. Es fehlte ihm wirklich, selbst ein Bad im Scheinwerferlicht und im Fangeschrei zu nehmen. Vielleicht zeigten Reitas Methoden doch so langsam ihre Wirkung? Wobei eine innere Stimme in Kanon sich sträubte das zuzugeben. Was es auch war, er musste Teruki unbedingt noch einmal fragen, wann ihre nächste Probe anstand! Verwirrt sah er sich um. Wo war der Drummer überhaupt? Vielleicht wusste Tora ja Bescheid. Saga schien nämlich auch verschwunden zu sein. Bevor er allerdings nachfragen konnte, kamen ihn schon Gazette entgegengelaufen, angeführt von Kai und einem breitgrinsenden Reita. Der Bassist schien sich furchtbar auf den kleinen Soloauftritt mit Kai zu freuen. Er nahm sich nicht einmal mehr die Zeit bei Kanon und Tora stehen zu bleiben, sondern warf dem schwarzhaarigen Bassisten nur noch ein „Sieh zu und lerne“ entgegen, bevor er schnurstracks die Bühne betrat. Kanon schnaubte über die selbstgefällige Art, was von Tora nur mit einem weiteren Lachen beantwortet wurde. Das Schlimme daran war, dass Reita dieses Mal das Recht hatte so von sich eingenommen zu sein! Staunend sah Kanon dem Blonden dabei zu, wie er über die gesamte Bühne stolzierte und die Fans antrieb. Egal was für persönliche Probleme er mit Reita hatte. So ein Auftritt verlangte Respekt! Erst als ihm von hinten auf die Schulter getippt wurde, wandte er sich von der Show ab. „Wir gehen dann später wieder von der anderen Seite von der Bühne. Frag mich nicht, was dieses ganze Hin und Her soll. War Rukis Idee. Wartest du dann da?“, fragte Aoi, woraufhin Kanon lächelnd nickte. Sein Gegenüber erwiderte das Nicken und wollte gerade an ihm vorbei, als dem Bassisten etwas einfiel. „Viel Glück!“ Aoi schenkte ihm ein weiteres Lächeln, bevor er von Uruha auf die Bühne gezogen wurde. Teruki und Saga tauchten im Laufe der Zugabe auch wieder auf und sie warteten gemeinsam, bis sich die Band völlig erschöpft von der Bühne schleppte, um zu duschen. Es vergingen noch ein oder zwei Stunden, in denen sie im Backstageraum warteten und über das Konzert redeten, bis alle fertig waren. Anschließend machten sie sich auf den Heimweg. Aoi lächelte einfach nur glücklich vor sich hin – so schien es Kanon zumindest –, während Reita immer wieder davon anfing, wie geil das Konzert doch war. Als sie aber zu Hause ankamen, fiel Reita totmüde ins Bett und auch Aoi schien ziemlich fertig zu sein, weshalb sich Kanon in sein Zimmer verzog und somit die Couch freimachte. Die folgenden Tage vergingen nicht anders als die vorherigen mit dem Unterschied, dass das Hauptgesprächsthema das Konzert war und Reita ihn immer wieder auf diesen und jenen Schritt hinwies, den er dort gemacht hatte. Kanon ließ alles über sich ergehen, auch, weil er jetzt live gesehen hatte, dass Reita wirklich gut war. Besonders Ride with the Rockers hatte ihn beeindruckt. Ein Lied nur für Drums und Bass. Mit nur diesen beiden Musikern auf der Bühne. Das forderte eine Menge Selbstbewusstsein und auch Können. Nur leider war das Reita wohl nach diesem Konzert noch deutlicher bewusst geworden, sodass dieser noch selbstsicherer war als schon zuvor. Wenn das überhaupt möglich war. Eine halbe Woche nach dem Konzert fand sich Kanon in An Cafes Proberaum wieder. Teruki hatte eine Probe angesetzt und auch wenn der Bassist momentan nicht zu Hause wohnte und auch mehr mit Gazette als mit seiner eigenen Band zu tun hatte, war er natürlich immer noch Teil dieser Band und musste sich so auch um seine eigenen Pflichten kümmern. Gedankenverloren saß er auf dem Sofa und zupfte auf seinem Bass, während er wartete, bis auch die Letzten, Teruki und Miku, eintrafen. Yuuki und Takuya waren dabei sich angeregt zu unterhalten. Wirklich UNTERHALTEN! Kanon konnte es kaum fassen, dass zwei Menschen in seiner Umgebung miteinander reden konnten und sich nicht stritten. Natürlich führte er auch genug normale Gespräche mit Aoi, aber mit Reita schien es fast unmöglich zu sein auf anständige Weise zu kommunizieren, wenn es nicht gerade um Musik, Filme oder Videospiele ging. Er hatte sich schon größtenteils mit dem ruppigen Umgangston abgefunden, sodass er sich an diese Harmonie erst wieder gewöhnen musste. Plötzlich wurde laut die Tür aufgeschlagen und Teruki betrat zielstrebig den Raum, dicht gefolgt von Miku, welcher aber eher vor sich hin schlurfte. „So Kinder, dann fangen wir gleich an. Wir sind spät dran!“, meinte ihr Drummer enthusiastisch, woraufhin Takuya ihn skeptisch musterte. „Und an wem liegt das bitte?“ „Ich wär rechtzeitig gewesen, wenn Miku nicht gemeint hätte, er müsse sich noch einen Tee kaufen und wir deshalb den Zug verpasst hätten!“ „Ich bin Sänger und Tee ist gut für den Hals!“, rechtfertigte sich der Blonde, während er das Mikro anschloss. Auch Takuya und Kanon machten sich bereit damit es endlich losgehen konnte. Yuuki stand schon hinter seinem Keyboard. „Es war ein Eistee, Miku!!“, erwiderte Teruki frustriert, als auch er sich an sein Schlagzeug setzte. Kanon versuchte ein Grinsen zu unterdrücken. Soviel zum Thema Harmonie. Die Probe verlief ziemlich reibungslos. Kanon genoss es mal wieder einige Lieder am Stück spielen zu können ohne ständig beobachtet und kritisiert zu werden. Er fühlte sich richtig befreit und konnte endlich die ganze angestaute Energie rauslassen, die sich seit dem Gazette-Live aufgebaut hatte. Gerade hatten sie „Escapism“ fertig gespielt, als er merkte, dass ihn die anderen verwundert anstarrten. „Was?“, fragte er völlig außer Atem. Wieso war er eigentlich so außer Atem? Und wieso stand er plötzlich bei Miku vorne? „Was war denn das gerade für eine Showeinlage?“, fragte ihn der Sänger grinsend, was den Bassisten noch mehr verwunderte. Aber da antwortete auch schon Teruki für ihn: „Also entweder er hat heute schon einen Liter Kaffee mit Red Bull getrunken oder Reitas Training trägt seine ersten Früchte.“ „Wow.“ Miku sah ihn anscheinend wirklich beeindruckt an. „Was denn? Würdet ihr nicht mal froh drüber sein, wenn euch nicht ständig jemand kritisiert?“, murrte Kanon. „Ich muss das doch ausnutzen, dass Reita nicht jeden meiner Schritte verfolgt.“ „Ich hab gar nicht damit gerechnet, dass das wirklich was bringt! Oder dass Reita wirklich so konsequent sein Training durchzieht.“ Miku legte das Mikro zur Seite, was der Schwarzhaarige mit erhobener Augenbraue beobachtete. Was kam denn jetzt? „Ja, erzähl mal! Was musst du denn so machen?“, warf jetzt auch Yuuki ein und kam hinter seinem Keyboard vor, um sich neben den Sänger zu stellen. Beide starrten Kanon erwartungsvoll an. „Und stimmt es, dass Uruha vor den Konzerten immer was trinkt?“ Jetzt kam sogar Takuya von der anderen Seite zu ihm rüber. „Da gibt’s so Gerüchte! Vielleicht sollte ich das…“ „Wenn du dich vor einem unserer Konzerte besaufst, brauchst du deinen Fuß gar nicht erst auf die Bühne setzen!“, schaltete sich Teruki sofort ein und bekam von dem Gitarristen einen schuldbewussten Blick zugeworfen. Okay, das Thema war wohl erledigt. Ein anderes war immer noch das, dass da jetzt drei neugierige An Cafe-Member vor Kanon standen, die sich wohl nicht mit einem einfachen „Reita versucht halt, mich selbstbewusster zu machen“ abspeisen lassen würden. Als dann auch noch Teruki die Drumsticks zur Seite legte, wusste der Bassist, dass er einem ausführlichen Bericht nicht entgehen konnte. Also verbrachten sie die nächste halbe Stunde damit, dass sich die An Cafe-Member in Kanons Leben mit Reita und Aoi einmischten. Zum Einen wollten sie natürlich ganz genau von seinem Alltagsleben mit den Beiden hören und konnten nur mitleidig nicken, als Kanon erzählte, wie anstrengend sein „Trainer“ war. Hierbei ließ er allerdings gekonnt das kleine Detail aus, dass Reita so anstrengend war, weil er ständig dämliche Andeutungen machte. Und zum Anderen wollten die anderen natürlich wissen, wie Gazette denn probten und sich auf Konzerte vorbereiteten. „Es ist echt gemein, dass nur du und Teruki Backstagepässe bekommen habt! Ich wär auch gern auf’s Konzert gegangen“, warf Yuuki neidisch ein, als Kanon bei seiner Erzählung dann am gestrigen Tag angekommen war. Dem Bassisten gefiel der Neid seiner Kollegen irgendwie. Schließlich musste er sich ja auch oft genug von Reita fertig machen lassen. Da hatte er sich auch ein bisschen Extraaufmerksamkeit von seinen Freunden verdient. „Vielleicht hätte ich dich ja statt Teru mitnehmen sollen“, meinte er grinsend. „Der war eh das halbe Konzert verschollen.“ „Wieso sollte ich dir auch dabei zusehen, wie du die ganze Zeit Aoi anhimmelst? Irgendwann hab ich davon eben eine Pause gebraucht.“ Schlagartig verschwand das Lächeln aus Kanons Gesicht und er merkte, wie er rot wurde. Das konnte doch nicht wahr sein! Hatten sich etwa alle gegen ihn verschworen? Anscheinend schon, denn von Yuuki war ein bedeutungsschweres „Ohhh…“ zu hören, während Takuya und Teruki direkt loslachten. „Ist da etwa jemand verliebt?“, wollte Miku sofort wissen. Kanon wollte gerade mit seinem Protest beginnen, als Yuuki ihn direkt weiter bombardierte: „Steht Aoi denn auf Kerle?“ „Gerüchten zufolge schon“, meinte Takuya ganz sachlich, was Kanon doch stutzig werden ließ. „Woher kennst du denn Gerüchte über Aoi?“ Vor allem Gerüchte über dessen Sexualität? Gerüchte, die Kanon niemals gehört hatte?? „Von Shou.“ „Und was sind das für Gerüchte?“ „Gerüchte eben.“ Kanon wurde immer wütender. Dass man dem Gitarristen auch jede Information einzeln entlocken musste! Zu allem Überfluss mischte sich jetzt auch Teruki wieder ein. „Bist du etwa eifersüchtig?“ „Nein, bin ich nicht!“, platze es dem Schwarzhaarigen jetzt heraus. „Ich bin mit Aoi nur befreundet!“ „Verständlich“, meinte Takuya trocken, woraufhin Kanon wieder den Jüngeren ins Visier nahm. „Was willst du denn jetzt schon wieder damit andeuten?“ „Nur, dass Aoi anscheinend genau so schrecklich wie Reita sein soll. Hab ich gehört.“ „Dann solltest du nicht alles glauben, was du hörst“, knurrte Kanon zurück. „Ich hab euch doch erzählt wie freundlich Aoi ist.“ „Schon, aber Shou kennt ihn schon ein bisschen länger und er meint, dass Aoi ein richtiges Arschloch sein kann.“ „Und wenn Shou sagt, Reita ist in Wirklichkeit ein Außerirdischer, dann glaubst du ihm das auch oder wie?“ Wobei der Gedanke manchmal gar nicht so abwegig war. Takuya verschränkte daraufhin nur beleidigt die Arme. „Aber Shou weiß wirklich…“ „Und du glaubst ihm aufs Wort. Jaja…“ Kanon verdrehte die Augen. Er hatte keine Lust sich zu streiten, nur weil Takuya seinem neuen Freund mehr glaubte als ihm. Moment. Takuya glaubte Shou mehr als ihm selbst? Seinem eigenen Bandmitglied, mit dem er schon so einiges durchgemacht hatte? „Seit wann bist du eigentlich so eng mit Shou befreundet?“, fragte der Bassist neugierig. Er hatte in den letzten Tagen, in denen er nicht so viel Kontakt mit seinen Membern gehabt hatte, wohl einiges verpasst. „Seit Miyavis Geburtstagsparty hängen die beiden ständig aufeinander“, antwortete Miku stattdessen und wippte anzüglich mit den Augenbrauen. „Wehe du fängst schon wieder damit an!“, fuhr Takuya jetzt eher bittend als drohend auf und Kanon kam das plötzlich merkwürdig vertraut vor. Ihr Gitarrist hatte also auch mit solchen Anspielungen zu kämpfen! Es war dasselbe wie bei ihm und Aoi. Wieso interpretierten die anderen denn immer gleich überall etwas hinein? Er und Aoi waren genau so nur Freunde wie Takuya und Shou! Oder? Sofort hatte er Mitleid mit dem Jüngeren. Und als Miku dann unter den neckischen Blicken von Yuuki und Teruki weiterstichelte, schritt er ein. „Jetzt lasst den Kleinen doch.“ Klasse, jetzt gewöhnte er sich sogar noch Reitas Redeweisen an. Dabei konnte er es doch selbst nicht sonderlich leiden, wenn der Blonde ihn „Kleiner“ nannte. „Du gewöhnst dir schlechte Eigenschaften an“, murrte Takuya ihn sogar gleich noch an, obwohl er ihm gerade eben zur Hilfe gekommen war! Aber Kanon wollte keinen Streit anfangen, deshalb antwortete er nur ausweichend: „Wenn man Tag und Nacht mit denen zusammenhockt, kommt man da nicht drumrum.“ Und schon waren sie wieder beim eigentlichen Thema und der Bassist musste weiter von seinem Alltag erzählen. Irgendwann unterbrach Teruki jedoch die Erzählstunde damit sie weiter proben konnten. Kanon war das eigentlich nur Recht. Es war zwar schön mit seinen Freunden über die letzten zwei Wochen reden zu können, aber er war immer noch voller Energie, die er ausleben wollte. Bei der Probe durfte er dann feststellen, dass er wohl auch die anderen mit seiner Energie angesteckt hatte. Und so rannten Miku, Takuya und er wie wild durch den Proberaum, während Yuuki hinter seinem Keyboard mittanzte und Teruki das alles grinsend beobachtete. Nichtsdestotrotz war es der Leader, der das Spektakel nach fünf Liedern schon wieder beendete. „Was ist denn?“, fragte Takuya völlig aus der Puste und blieb abrupt stehen, als Teruki plötzlich mit Spielen aufhörte. Dies führte allerdings dazu, dass Miku hinten in den Jüngeren hineinlief, weshalb dieser fast hinfiel. Kanon musste Kichern. Er hatte diesen liebenswürdigen Chaotenhaufen wirklich vermisst! Allerdings wollte auch er gerne wissen, weshalb die Probe erneut unterbrochen wurde. Und weshalb Teruki gerade ihn jetzt so wissend angrinste. „Kanon hat Besuch.“ Kapitel 17: Wie man sich retten lässt ------------------------------------- Ganz herzlichen Dank für eure Kommentare ^____^ Und viel Spaß beim nächsten Kapitel! Endlich gibts mal wieder ne Portion Aoi und Kanon ûu" __________________________ Kapitel 17 Wie man sich retten lässt „Was ist denn?“, fragte Takuya völlig aus der Puste und blieb abrupt stehen, als Teruki plötzlich mit Spielen aufhörte. Dies führte allerdings dazu, dass Miku hinten in den Jüngeren hineinlief, weshalb dieser fast hinfiel. Kanon musste Kichern. Er hatte diesen liebenswürdigen Chaotenhaufen wirklich vermisst! Allerdings wollte auch er gerne wissen, weshalb die Probe erneut unterbrochen wurde. Und weshalb Teruki gerade ihn jetzt so wissend angrinste. „Kanon hat Besuch.“ Sofort wanderten die Augen des Bassisten zur Tür und tatsächlich konnte er da eine Person erkennen, die dort am Rahmen lehnte. „Ich wollte nicht stören“, meinte Aoi lächelnd. „Ich dachte die Probe geht nur bis um vier?“ Kanon war in dem Moment völlig perplex. Sie hatten nie ausgemacht, dass Aoi ihn abholen kam! Er hatte nur mal nebenher erwähnt, wo ihr Proberaum war. Unglaublich, dass sich der Ältere das gemerkt hatte! Leider war es dann Teruki, der ihm seine Freude verdarb. „Wir brauchen noch ein Weilchen bis wir mit der Setlist durch sind und…“ „Ach was“, unterbrach Miku den Drummer. „Lass Kanon doch den Spaß. Wir haben gehört, dass so schon genug gefoltert wird, da musst du als Sklaventreiber nicht noch einen draufsetzten.“ Kanon wusste, dass sein Freund ihm nur helfen wollte, doch er wünschte sich, er hätte es gelassen. Aoi musste ja nicht unbedingt wissen, dass er hier über Reita lästerte. Der Gazette-Gitarrist lachte zu seiner Erleichterung aber nur kurz und winkte dann ab. „Ich pass schon auf ihn auf. Und vor mir musst du ja keine Angst haben, oder?“ Der Bassist schüttelte augenblicklich hektisch den Kopf, was Yuuki und Miku nur leise zum Lachen brachte. „Wenn es euch nichts ausmacht, kann ich auch hier warten bis ihr fertig seid“, fuhr der Älteste fort, was Kanon zögern ließ. Er war sich nicht sicher, ob es ihre Probe wirklich vorantrieb, wenn Aoi hier war und sie dadurch vor Aufregung alles verpatzten. Und dann hätten sie sich vor ihm blamiert. ER hätte sich vor ihm blamiert! Der Leader fragte allerdings gar nicht erst, sondern nickte. „Das sollte ein Ansporn sein.“ Bei Teruki hatte wohl die Tatsache überwogen, dass sie sich besonders anstrengen würden, wenn der Schwarzhaarige anwesend war. So würden sie wenigstens die Probe anständig durchziehen können. Kanon war noch völlig mit der Frage beschäftigt, ob er jetzt richtig performen oder es lieber ruhig angehen sollte, als Teruki schon den Takt anschlug. Panisch suchte er in seinem Kopf nach den richtigen Noten, um sich nicht gleich im ersten Moment zu blamieren, und schaffte sogar seinen Einsatz. Verstohlen sah er zu Aoi herüber, der die Tür hinter sich geschlossen und auf die Armlehne des kleinen Sofas im Raum gesetzt hatte. Der Gitarrist lächelte ihm fröhlich zu. Fast so als würde er sich sogar freuen bei ihrer Probe zusehen zu können und als hätte er nichts anderes zu tun. Und was, wenn Aoi von Reita geschickt worden war, um ihn heimlich auszuspionieren wie er auf seiner eigenen An Cafe-Probe so drauf war? Nein. Kanon verwarf den Gedanken sofort wieder. Sowas machte der Gitarrist nicht. Er würde sich sicher nicht so von Reita rumkommandieren lassen. Oder später all seine Fehler an diesen verraten. „Vorhin warst du viel lockerer!“, meinte Miku in einer Singpause leise zu ihm und grinste dabei bis über beide Ohren. „Na los, beweg dich mal ein bisschen!“ Kanon hätte den Sänger am liebsten seinen Bass an den Kopf geschmissen. Oder doch lieber dessen eigenes Mikro. Das Problem war nur: Miku hatte Recht. Wenn er weiter so stocksteif dastand, dann würde das bedeuten, er wäre ein absolut hoffnungsloser Fall, dem man einfach nichts beibringen konnte. Also tat er das, was ihm der Blonde geraten hatte: Er bewegte sich mehr, wenn auch nicht ganz so wie er vorhin abgegangen war. Ganz so ausgelassen und unkontrolliert musste er sich vor Aoi dann doch nicht verhalten. Auch seine Kollegen hielten sich wieder etwas mehr zurück und so beendeten sie die Probe nach vier weiteren Liedern ohne irgendwelche peinlichen Vorfälle. Kanon seufzte erleichtert auf, als Teruki das Ende verkündete. Da Aoi nicht in schallendem Gelächter ausgebrochen war, hatte er sich wohl einigermaßen gut geschlagen. Der Ältere nickte ihm sogar anerkennend zu, woraufhin er rot wurde. Als der Bassist allerdings Mikus fragenden Blick sah, riss er sich wieder zusammen. Er wollte die Vermutung der anderen ja nicht auch noch bekräftigen. „Wenn die Probe vorbei ist, kann ich doch jetzt gehen?“, fragte Kanon Teruki. Eigentlich hatte er damit nur von seiner Gesichtsfarbe ablenken wollen und nicht wirklich damit gerechnet, dass der Leader überlegen musste. „Eigentlich wäre es mal wieder an der Zeit den Proberaum aufzuräumen.“ Die anderen vier begannen zu stöhnen. Das Aufräumprogramm beinhaltete alles: vom Boden putzen bis hin zu Kabeln sortieren. Und es brauchte ewig! „Muss das heute sein?“, fragte Kanon genervt und sah zu Aoi rüber. Zwar verzog der Ältere keine Miene, aber noch länger wollte er ihn auch nicht warten lassen. Außerdem hatte Kanon auch einfach keine Lust aufs Aufräumen! „Um ehrlich zu sein haben Kanon und ich noch einen Termin.“ Verwundert sah der Bassist den Älteren an. Einen Termin? „Davon hat Kanon aber gar nichts erwähnt“, meinte Teruki jetzt skeptisch, woraufhin ihm Aoi einen ziemlich kalten Blick schenkte. „Hat er aber“, war die Antwort, die schon einen leicht feindseligen Unterton hatte. Anscheinend wirkte dieser nachdrückliche Tonfall bei Teruki, denn er seufzte dann ergeben. „Na schön. Kanon, du kannst gehen.“ Der Schwarzhaarige begann zu jubeln während Takuya, Miku und Yuuki gleich anfingen zu protestieren. Allerdings war das Kanon ziemlich egal. Er hatte die letzten paar Wochen genug über sich ergehen lassen. Jetzt konnten die anderen ihm auch diese kleine Freude gönnen. Diese sahen das wohl anders, denn während er seinen Bass verstaute und Aoi dankend angrinste, waren die drei immer noch nicht mit ihren Beschwerden am Ende. „Ist ja gut! Dafür muss Non-chan nächstes Mal alleine wischen!“, meinte Teruki frech grinsend und wuschelte Kanon dabei einmal durch die Haare, woraufhin dieser dem Leader die Zunge rausstreckte. Teruki würde wohl nie damit aufhören ihn wie einen kleinen Bruder aufzuziehen. Aber das störte Kanon auch gar nicht. Und heute noch weniger, wo er sich dank Aois Hilfe so toll vorm Aufräumen hatte drücken können! So schnell hatte er wahrscheinlich noch nie seine Sachen gepackt. Kaum zwei Minuten waren vergangen, als Kanon Aoi vor sich aus dem Raum schob. Dieser winkte den anderen kurz freundlich zu. „Danke, dass ich zugucken durfte!“ Der Bassist hatte aber wohl nicht vor, die Zeit lange mit Abschiedsfloskeln zu verbringen. Sonst überlegte es sich der Leader noch anders und ihm fiel noch etwas viel Gemeineres ein, als nur allein den Fußboden zu putzen. „Bis dann!“, verabschiedete sich Kanon und hörte noch Terukis „Ich schreib dir, wann die nächste Probe ist!“, bevor die Tür auch schon zugefallen war und er mit dem Schwarzhaarigen in einem kleinen Flur stand. „Non-chan?“, grinste ihn der Ältere an, während sie sich auf den Weg zum Parkplatz machten. Kanon zuckte nur mit den Schultern. „Teruki hat damit angefangen.“ Und immer wenn ihn dieser besonders niedlich fand, nannte er ihn bei dem Kosenamen. Kanon hatte sich mittlerweile daran gewöhnt, allerdings störte ihn die Tatsache, dass ihn die anderen immer dann so nannten, wenn sie ihn nicht wirklich ernst nahmen und das damit auch demonstrativ zeigten. „Ich glaub, du hast ne tolle Band“, kam es plötzlich von Aoi, was Kanon überrascht zum Lachen brachte. „Manchmal können sie einem wirklich auf den Geist gehen…“ Zum Beispiel wenn Miku ihn dazu nötigte, sich mehr zu bewegen. Oder wenn sie jedes kleine Detail aus seinem Leben bei Gazette wissen wollten. Oder jetzt, wo sie auch noch mit diesen dämlichen Andeutungen angefangen hatten. Jedoch kam er nicht drumherum dann doch zu lächeln. „Aber stimmt. Sonst kann ich mich nicht beschweren.“ Es war ja fast schon rührend, wie sie sich um ihn gesorgt hatten, als er von Reitas Quälereien erzählt hatte. Doch, er hatte eine tolle Band. Aoi steckte die Hände in die Hosentaschen und nickte nur fröhlich, als sie den Parkplatz erreichten. Er war ziemlich leer. Drei oder vier Autos standen dort, aber keins davon gehörte Reita und Aoi. War der Gitarrist etwa gar nicht mit dem Auto gekommen, sondern mit der Bahn? Allerdings ging der Ältere nicht in die Richtung der nächsten Bahnhaltestelle, sondern schlenderte auf eine Maschine zu, der Kanon noch gar keine Beachtung geschenkt hatte. „Du hast ein Motorrad?“, fragte er verwundert, während Aoi einen Schlüssel aus der Tasche zog und ihn in die Zündung steckte. Damit hatte sich die Frage wohl von selbst beantwortet. Der Bassist trat etwas näher heran, um das unbekannte Gefährt genauer zu betrachten. Wieso war ihm das Motorrad nie aufgefallen? Zwar schien es in seiner schwarzen Farbe eher unauffällig und er kannte sich auch nicht wirklich mit Motorrädern aus, aber dieses hier hatte wirklich etwas von einer schlichten Schönheit. Und wenn er Aois stolzen Gesichtsausdruck richtete deutete, sah der das wohl genauso. „Tolle Maschine oder? Leider wurde sie mir bei meinem Einzug mit Reita zur Hälfte enteignet, wie alles was ich bis dahin besaß“, meinte der Gitarrist schulterzuckend, was Kanon zeigte, dass es sich dieses Mal um keine ernstgemeinte Beschwerde handelte. „Außerdem glaub ich, er wollte das Motorrad nur wegen der Marke.“ Grinsend blickte Kanon bei der Anspielung des Älteren auf den „Suzuki“-Schriftzug an der Seite des Motorrads. Allerdings fielen ihm im gleichen Moment auch feine Kratzspuren auf dem schönen Metall auf. „Reitas Schuld“, knurrte Aoi, der anscheinend Kanons Blick verfolgt hatte. „Ein Glück für dich, dass ich ein so viel besserer Fahrer bin als der Trottel!“ Kanon sah den Älteren verwundert an, als sein Gehirn endlich die Worte verarbeitet hatte. „Wir fahren damit nach Hause?“ Eigentlich konnte er sich die Antwort ja denken. Wieso sollte Aoi wohl mit einem Motorrad kommen, wenn er ihn nicht damit abholen wollte? Nur war Kanon noch nie auf einem Motorrad mitgefahren. „Dein erstes Mal?“, fragte Aoi ihn mit einem leicht zweideutigen Grinsen, welches Kanon eher von Reita kannte. In jedem anderen Moment wäre er jetzt wohl dunkelrot angelaufen, doch gerade war er mit der Situation noch etwas überfordert. „Wo soll ich denn meinen Bass hin?“, wollte Kanon verunsichert wissen, woraufhin ihm ein rücksichtsvolles Lächeln geschenkt wurde. „Du schulterst deinen Basskoffer wie sonst auch immer. Das klappt wunderbar!“ „Aber…“ Der Jüngere öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber ihm fiel nichts ein. Um ehrlich zu sein, war ihm die Maschine ganz einfach nicht geheuer. Er war schließlich noch nie auf so einem Teil gefahren. „Willst du lieber mit den Öffentlichen fahren?“ Kanon überraschte Aois Frage. Jetzt hatte er sich schon fast damit abgefunden, eine neue Erfahrung zu machen und dann stellte ihn Aoi doch wieder vor die Alternative. Zumindest glaubte er, dass es eine ernst gemeinte Frage war, denn er konnte in Gesicht des anderen keinen Anflug von Ironie finden. Er sah ihn einfach nur an. Weder vorwurfsvoll, noch spöttisch. Vielleicht hatte er ja plötzlich ein kleines bisschen ein schlechtes Gewissen, weil er ihn so drängte? „Kannst du nicht einfach sagen, dass wir jetzt mit dem Teil fahren? Oder dass die nächste Haltestelle viel zu weit weg ist, um dahin zu laufen?“, brachte Kanon mit einem verunglückten Grinsen über die Lippen. Eigentlich wollte er schon mit Aoi nach Hause fahren. Er brauchte nur einen kleinen Schubs. Aoi lachte kurz, was den Jüngeren sofort ein wenig entspannte. „So. Ich steig jetzt auf und dann setzt du dich hinter mich und wir fahren los.“ Das war mal ein Machtwort. Und Kanon war froh, dass der andere auf seinen Vorschlag eingegangen war. Jetzt blieb ihm schließlich keine andere Wahl mehr. Ihm lagen noch so viele Fragen auf der Zunge. Ob das Teil wirklich sicher war. Wie lange Aoi schon seinen Führerschein hatte. Wie viele Unfälle er schon gebaut hatte. Wie viele Leute er schon mit nach Hause genommen hatte… Aber er fragte nicht. Das würde nur zeigen, dass er Angst hatte. Und die zeigte er jetzt schon genug, indem er so zögerte. Der Ältere nahm den einen Helm, der am Lenker hing, und gab ihn Kanon. „Hast Glück, dass den niemand geklaut hat. Eigentlich dachte ich ja, ihr wärt schon fertig und wir würden gleich los.“ „Sorry…“, nuschelte Kanon und fühlte sich gleich schuldig, dass Aoi so lange hatte warten müssen. „Ach was, kein Problem“, lächelte ihn dieser an und nahm auch den zweiten Helm vom Lenker, um ihn sich gleich aufzusetzen. Anschließend setzte er sich auf das Motorrad und drehte den Schlüssel um. Das Geräusch der Maschine jagte Kanon einen Schauer über den Rücken. Verdammt, er musste sich zusammen reißen! Das hier war nur ein Motorrad wie es schon hunderttausend andere Menschen gefahren waren. Und er musste ja nicht mal fahren! Nur hinten drauf sitzen und sich festhalten! Noch einmal rückte Kanon seinen Basskoffer zurecht, bevor er den Helm aufsetzte und eines seiner Beine über den Sitz schlang. Sofort rutschte er ein bisschen von Aoi weg. Es war schon komisch dem Älteren so nah zu sein. Zu allem Überfluss nahm dieser noch seine Hände und legte sie sich selbst an die Taille. Kanon hoffte nur, dass keiner seiner Member sie jetzt so sah. Das war garantiert guter Stoff für ein Gerücht! Ein anderer Teil von ihm wollte aber auch irgendwie, dass man sie zusammen sah. Und wirklich unbequem war diese Position auch nicht… „Bereit?“, erklang jetzt Aois Stimme, die ihn daran erinnerte, dass die eigentliche Herausforderung noch gar nicht begonnen hatte. Der Jüngere nickte und hörte mit mulmigem Gefühl dabei zu, wie der Motor noch einmal aufheulte und sie dann losfuhren. Das mit dem Abstand zwischen ihm und Aoi hatte sich ziemlich schnell erledigt. Kaum hatten sie den Parkplatz verlassen und der Ältere Gas gegeben, hatte Kanon seinen Griff verstärkt. Aoi schien es nicht viel auszumachen. Eher im Gegenteil! Kanon hatte das Gefühl, sobald er sich etwas entspannte und den Griff wieder lockerte, gab der Fahrer wieder ein bisschen mehr Gas, woraufhin Kanon sich noch fester an ihn schmiegte als zuvor schon. Aber garantiert bildete er sich das nur ein. Was würde Aoi schon damit bezwecken wollen? Ihn zu ärgern? Kanon konnte sich das nur schwer vorstellen, denn bei jeder roten Ampel, an der sie hielten, erkundigte sich Aoi nach seinem Befinden. Und mit jedem Mal wurde das Lächeln des Bassisten ein Stück ehrlicher und breiter. Kapitel 18: Wie man entführt wird --------------------------------- Kapitel 18 Wie man entführt wird Eigentlich machte das richtig Spaß! Es war ein aufregendes Gefühl die Geschwindigkeit so hautnah mitzuerleben und sich in jede kleine Kurve reinzulehnen. Man fühlte sich viel aktiver am Geschehen beteiligt, als wenn man nur in einem Auto saß. Vielleicht sollte er auch mal darüber nachdenken, einen Motorradführerschein zu machen. Dann konnte er mal Aoi mitnehmen. Was aber eigentlich ziemlich schwachsinnig wäre, weil der ja selber ein Motorrad hatte. Kanon schüttelte über seine Gedankengänge den Kopf. An einer roten Ampel drehte sich Aoi wieder einmal leicht zu ihm um. Der Bassist musste sich ziemlich anstrengen, den anderen zu verstehen, denn die Helme und das Geräusch der Motoren machten das schon sehr schwierig. „Hast du heut noch was vor?“ „Was?“, rief Kanon reflexartig. „Ob du noch was vor hast!“ Okay, er hatte sich nicht verhört. Warum fragte Aoi das denn? Er schüttelte den Kopf und schickte dann noch ein „Nein“ hinterher, weil sich der Ältere schon wieder zur Ampel, die mittlerweile grün war, umgedreht hatte und Gas gab. Er gab kein Zeichen, dass er verstanden hatte und Kanon überlegte sich schon, ob er einfach noch mal antworten sollte. Allerdings kam er vor Schreck gar nicht mehr dazu, als Aoi plötzlich und ziemlich rasant die Spur wechselte, um kurzfristig abzubiegen, und sie dadurch ein Hupen vom Auto hinter ihnen erhielten. Der Gitarrist rief irgendetwas, aber Kanon konnte nicht raushören, ob er sich vielleicht für seinen Fahrstil entschuldigte oder sich über den Autofahrer aufregte. Erst als sie schon längst abgebogen waren, bemerkte er, dass er sich bei dieser Aktion völlig panisch an Aoi festgekrallt hatte. Sofort ließ er locker und lief rot an. Zum Glück hatte er aber den Helm auf, sodass niemand seine neue Gesichtsfarbe bemerken konnte. Vor allem Aoi nicht. Sie fuhren noch ein paar Minuten und kamen dann in einen weniger belebten Stadtteil. Zumindest was Fahrzeuge anging. Was machten sie denn hier? Kanon konnte sich nicht daran erinnern, schon einmal hier gewesen zu sein und ganz und gar nicht, dass Aoi und Reita hier wohnten. Vielleicht musste der andere ja noch irgendwas besorgen? Als sie dann allerdings vor einem Café statt vor einem Einkaufsladen zum Halten kamen, war Kanon verwirrt. „Was machen wir denn hier?“, fragte er seinen Fahrer, als dieser auf einem freien Parkplatz angehalten und den Motor ausgeschalten hatte. „Ich dachte, wir trinken hier vielleicht einen Kaffee. Natürlich nur, wenn du willst.“ Für Kanon war es immer eigenartig Unsicherheit in Aois Stimme zu hören. Eigentlich war er doch der Unsichere! Wobei er sich schon denken konnte, dass seine Frage für Aoi ein bisschen abwertend geklungen haben musste. Was sollten sie denn sonst in einem Café machen?! „Klar, ich würde gern mit dir einen Kaffee trinken!“, meinte der Jüngere fröhlich und schwang sich direkt von dem Motorrad, um seine Worte noch zu bekräftigen. Er konnte förmlich sehen wie die Last von Aois Schultern fiel, als dieser merkte, dass er Kanon doch nicht ohne dessen Zustimmung entführt hatte. Der Gitarrist konnte manchmal so niedlich sein! Bei dem Gedanken konnte sich der Jüngere ein Grinsen nicht verkneifen. „Du kannst natürlich auch einen Beruhigungstee haben“, neckte ihn der Ältere, was Kanon mit einem nicht ernst gemeinten Brummen kommentierte und sich umständlich aus dem Helm schälte. Wieso sah das bei Aoi denn so leicht aus? Zum allem Überfluss hörte er von dem Gitarrist ein leises Kichern, als er sich endlich befreit hatte. „Deine Haare stehen ja in alle Richtungen!“ Schon war der Ältere selbst von seiner Maschine gestiegen und versuchte grinsend Kanons Frisur wieder zu richten, was dieser perplex über sich ergehen ließ. Eigentlich musste er sich doch so langsam mal daran gewöhnt haben, dass Aoi kein Problem mit körperlicher Nähe hatte. Wieso war er denn trotzdem immer so nervös? Und dieser liebevolle Gesichtsausdruck verstärkte das Kribbeln nur weiter! Er konnte gar nicht wegsehen! Obwohl ihm das bewusst war, starrte er Aoi weiter an. „Du hast echt deine ganze Frisur ruiniert.“ Der Ältere nestelte noch immer an seinen Haaren herum, aber Kanon scherte sich nicht weiter darum. Er nickte nur leicht und brachte ein geistreiches „Der Helm“ über die Lippen. Ja, der war schließlich Schuld. „Klar“, lachte Aoi leise und zog seine Hände zurück. „So, jetzt bist du wieder hübsch. Obwohl das gerade auch wirklich niedlich aussah!“ Der Angesprochene rührte sich immer noch nicht. Vielleicht sollte er den Helm noch einmal auf- und wieder absetzen. Würde Aoi seine Haare dann noch mal richten? „Wir nehmen die Helme am besten mit rein.“ Kanon nickte daraufhin nur wieder. Stimmt ja. Sie wollten ja einen Kaffee trinken gehen. Oder vielleicht auch zwei? Vielleicht konnten sie ja auch den ganzen Nachmittag hier sitzen. Zu tun hatten sie sonst ja nichts. Zumindest nichts, was sich nicht auch auf den nächsten Tag schieben ließ. Aoi lächelte ihn noch einmal an, bevor er sich umdrehte und auf die Tür des Cafés zusteuerte. Kanon folgte ihm gleich und kam so langsam wieder zu sich. Er fühlte sich irgendwie komisch. Anders. Durch den Wind. Als sie das Café betraten, hüllte es sie gleich in eine angenehme, beruhigende Atmosphäre. Kanon mochte es sofort. Es roch nach Kaffee und etwas, was er nicht so richtig einordnen konnte, aber er musste dabei irgendwie an Schokolade denken. Obwohl das Café relativ gut besucht war, waren die Stimmen der Gäste doch ziemlich leise. Gerade in der richtigen Lautstärke, um sich wohl zu fühlen. Der Drang danach, seine Jacke auszuziehen und sich gleich gemütlich in eine Ecke zu setzen, überkam Kanon, aber er folgte Aoi durch den doch recht großen Raum ohne etwas zu sagen. Dieser nickte der jungen Bedienung auf deren Begrüßung hin freundlich zu und drehte sich anschließend zu Kanon um. „Was hältst du von dort drüben?“ Er deutete auf einen Tisch an der einen Wand des Cafés. Nicht direkt am Eingang, aber auch nicht im hintersten Eck, sodass sie doch noch vom Treiben draußen etwas mitbekommen konnten. „Es ist schön hier“, meinte Kanon als sie sich dann hingesetzt hatten. „Ein Geheimtipp von Uruha. Manchmal ist der auch für was gut.“ Der Jüngere konnte da nur nickend zustimmen. Ein wirklich beruhigender Ort, an dem man die Hektik der Großstadt für eine Weile einfach vergessen konnte. Er bedauerte etwas, dass er nicht schon heute Morgen gewusst hatte, dass sie noch weggehen würden. Dann hätte er etwas von seinen neuen Sachen angezogen und nicht diese alten Klamotten, die eigentlich nur für die Probe gedacht waren. Kanon wusste, dass diese Überlegungen ziemlich lächerlich waren. Sie waren nur in einem Café und nicht bei einem Date! Wobei der Ablauf ihn schon ein bisschen an eine Verabredung erinnerte. Erst wurde er unverhofft von dem Älteren abgeholt. Die aufregende Motorradfahrt. Jetzt noch der überraschende Besuch in dem hübschen Café. Hinzu kam noch wie liebevoll der Ältere ihn behandelte und ihm jetzt einfach nur lächelnd gegenübersaß. Und wie die Frau mit dem Block neben dem Gitarristen stand und ihn ebenfalls anlächelte. Wenn auch etwas verwirrter… Kanon brauchte einen Moment, um sich wieder in der Realität zu Recht zu finden. Während er seinem eigenartigen Tagtraum nachgehangen war, war anscheinend die Bedienung an ihren Tisch getreten. „Ähm… einen Cappuccino, bitte“, nuschelte er und sah peinlich berührt dabei zu, wie die Kellnerin etwas auf ihren Block schrieb und wieder ging. Wie zu erwarten war, hatte sie Aois Bestellung schon aufgenommen gehabt und nur darauf gewartet, dass Kanon aus seinem Trancezustand erwachte. Der Ältere musste jetzt auch für völlig verrückt halten! Dieser zeigte allerdings vollstes Verständnis. „Ich bin auch manchmal nach einer harten Probe ziemlich neben der Spur.“ Kanon nickte. Aoi musste ja nicht wissen, was ihn wirklich abgelenkt hatte. Er wusste schließlich nicht einmal selbst genau, was diese Gedanken sollten! „Das war übrigens eine tolle Probe! Ich hab dich zwar nicht so oft spielen sehen wie Reita, aber du hast Fortschritte gemacht.“ Irgendwie missfiel es Kanon zu hören, dass Reitas schwachsinnige Methoden anscheinend doch etwas gebracht hatten. Erst von seinen Membern und jetzt auch noch von Aoi. „Natürlich fand ich dich davor auch schon toll! Also… als Bassist, mein ich.“ „Aha. Nur als Bassist also.“ Kanon zog die Augenbrauen hoch und blickte demonstrativ auf den Tisch. Nur um den anderen nach einer Sekunde der Stille und des Nachklangs eingeschüchtert anzusehen. Wie die Worte aus seinem Mund gekommen waren, konnte er sich selbst nicht erklären. Er hatte Aoi gerade dazu provoziert, dass dieser sagen sollte, er fand Kanon auch als Menschen toll! Super, wie er den anderen gerade in die Ecke getrieben hatte. Der Gitarrist sah ihn im ersten Moment wirklich sprachlos an, musste dann aber gleich lachen, nachdem sich ihre Blicke getroffen hatten. Er durchschaute Kanon sofort. Viel zu schnell, das hatte dieser schon bemerkt. Wenn es doch nur andersrum genauso wäre! „Erinnerst du dich an Miyavis Party? Als wir im Pool gelandet sind?“ Der Jüngere sah Aoi verwirrt an. Er erinnerte sich ganz dunkel daran. Und das auch nur, weil er noch wusste, dass er gegen Ende ziemlich gefroren hatte, was wahrscheinlich daher gekommen war, dass er unfreiwillig ein Bad genommen hatte. Wie die meisten anderen Gäste auch. „Reita hat uns beide reingeschubst. Du warst ziemlich betrunken und konntest vor Panik nicht alleine schwimmen.“ Aoi musste bei diesem Gedanken leicht schmunzeln, Kanon dagegen senkte peinlich berührt den Blick. Das hatte er doch schon fast erfolgreich verdrängt! Dass ihn der andere so betrunken gesehen hatte. Er war nicht oft so betrunken wie er an diesem Tag gewesen war. Allerdings erinnerte er sich durch den Denkanstoß um einiges besser und er nickte. „Wärst du irgendjemand gewesen, hätte ich dich gnadenlos abgeschüttelt und jemand anderem aufgetragen, dich zu retten, nachdem ich wieder auf dem Trockenen gewesen wäre“, erklärte ihm Aoi freiheraus. „Aber dich konnte ich doch nicht einfach ertrinken lassen.“ „Stimmt“, grinste Kanon. „Teruki hätte dich einen Kopf kürzer gemacht!“ Aber das liebevolle Lächeln, das sich plötzlich auf dem Gesicht des Gitarristen ausbreitete, gab dem Jüngeren mit einem Mal das Gefühl, dass er da irgendwas falsch verstanden hatte. Aoi schien es ihm allerdings nicht erklären zu wollen und nachfragen traute er sich auch nicht. Stattdessen fiel ihm etwas anderes Wichtiges zu diesem Thema ein. „Ich weiß nicht, ob ich dir das an dem Abend gesagt hab weil ich ja ziemlich betrunken war, aber: Danke, dass du mich vorm Ertrinken gerettet hast.“ „Jederzeit wieder.“ Kanon sah zu dem Anderen auf und erwiderte das Lächeln des Älteren ehrlich. Es kam ihm vor als hätte sie Ewigkeiten da gesessen und sich nur gegenseitig angeschaut, als ihre Zweisamkeit von der Bedienung gestört wurde. Dieses Mal hatte der Jüngere allerdings das Gefühl, dass er nicht alleine in irgendeinem Schwebezustand versunken war. Betreten rührte er in seinem Cappuccino rum, um Aoi nach diesem eigenartigen Moment nicht anschauen zu müssen, als der Ältere wieder die Stimme erhob. „Du scheinst dich ja mit Teruki ziemlich gut zu verstehen.“ Etwas verwirrt sah Kanon seinen Gegenüber an. „Ähm… ja“, meinte er, nicht ganz sicher worauf Aoi hinauswollte. „Ihr scheint euch sogar sehr gut zu verstehen.“ „Wir haben früher eine Weile zusammen gewohnt. Das verbindet“, erklärte der Jüngere. Der Gitarrist nickte ernst und schien das Thema auf sich beruhen zu lassen, als er dann doch erneut das Wort ergriff. „Also, Reita und ich wohnen auch zusammen und er hat keinen Kosenamen für mich. Außer man lässt ‚Idiot‘ als Kosename gelten.“ Kanon sah den Älteren überrascht an. „Du glaubst doch nicht etwa, dass Teruki und ich…“ Der Gedanke war so abwegig, dass er ihn nicht einmal aussprechen konnte. Glaubte Aoi wirklich, dass er mit dem Leader zusammen war? Allem Anschein nach schon, denn der Ältere rutschte jetzt nervös auf seinem Stuhl herum und schien sich nicht sehr wohl in seiner Haut zu fühlen. Kanon konnte sich gerade so ein Lachen verkneifen. „Teruki ist für mich wie ein großer Bruder“, beteuerte er dem Älteren und wusste gar nicht, wieso dieser nach der Aussage so viel entspannter aussah. Und wieso es ihm selbst so wichtig war, dass Aoi wusste, dass er nichts mit Teruki hatte. „Ich dachte nur…“, meinte der Ältere verlegen und nahm den Löffel, um in seinem eigenen Kaffee herumzurühren. „Weil ich ja nicht wirklich viel von deinen Freunden weiß und so. Ich hab keine Ahnung, wie eng ihr befreundet seid. Hab euch ja nur eben und auf Miyavis Party so wirklich gesehen…“ „Wir können gern mal zusammen weggehen!“ Aoi war niedlich, wenn er verlegen war. Und Kanon konnte sich einfach nicht vorstellen, dass seine Bandkollegen ihn nicht mögen würden. Egal was für Gerüchte Takuya da verbreitet hatte. Bei diesem Gedanken fiel ihm aber auch gleich Takuyas anderes Gerücht ein. Dass Aoi auf Männer stand. Sofort wurde ihm ganz warm. Das waren gerade eindeutig die falschen Gedanken! Zu seinem Vorteil war der andere immer noch damit beschäftigt in seinem Kaffee zu rühren, sodass er wohl nichts bemerkte. „Wenn ihr mich mitnehmt…“, kam es irgendwann lächelnd von diesem, ganz so als hätte er wirklich eine Weile darüber nachdenken müssen. „Klar!“ Kanon freute sich darüber, dass Aoi anscheinend wirklich mitkommen wollte. Er wusste zwar nicht so genau, ob seine Bandmember sich anständig benehmen konnten, wenn der Gazettegitarrist dabei war, aber denen würde er schon klar machen, dass Aoi kein Objekt zum Anstarren war. Oder dass andeutende Blicke und wissendes Grinsen da fehl am Platz waren. Aber Kanon wollte den Älteren dabei haben. Er mochte es, wenn der Ältere Interesse an seinem Leben zeigte. Wenn er sich für ihn interessierte. Kapitel 19: Wie man sich mit Bassisten anlegt --------------------------------------------- Vielen dank für jedes einzelne Review >____< Wir hoffen, die ff gefällt euch weiterhin.. vor allem wenns jetz mal (Achtung, betonung ûu") langsam ein bisschen zur sache geht xDD Viel Spaß ^^ _________________________ Kapitel 19 Wie man sich mit Bassisten anlegt Es war immer wieder ein seltsamer Moment, wenn Aoi verlegen oder so zurückhaltend war. Irgendwie unglaublich niedlich, aber auch so ungewohnt. Es kam einfach nicht oft vor. Aber es kam auch nicht oft vor, dass sich Kanon zu solchen Sachen hinreißen ließ wie auf einem Motorrad mitzufahren! Sie beeinflussten sich gegenseitig wohl mehr als er gedacht hatte. Und Kanon konnte nicht bestreiten, dass ihm der Gedanke gefiel. Es war irgendwie aufregend. Selbst nachdem sie schon ihren zweiten Cappuccino getrunken und ein ganz normales Gespräch aufgenommen hatten, fühlte sich der Jüngere immer noch angespannt. Es war nichts Negatives! Eher ein Kribbeln wie er es sonst auch oft spürte, wenn Aoi ihn ansah. Nur dass es jetzt nicht mehr aufhörte. Obwohl er sich wohlfühlte schien heute eine Spannung zwischen ihm und dem Älteren zu herrschen und jedes Mal wenn sich ihre Blicke kreuzten, glaubte er in den Augen seines Gegenübers zu erkennen, dass dieser es genauso empfand. Aber wahrscheinlich bildete er sich das nur ein. Was sollte sie beide denn Übernatürliches verbinden? Das, was er spürte, war sicher nur die Atmosphäre des Cafés, die ihn ja schon bei ihrem Eintreffen verzaubert hatte. Gepaart mit dem Koffein ergab das dann dieses eigenartige Gefühl, das er jetzt gerade hatte. Aus diesem Grund bestellte er sich auch einen Tee, als die Bedienung das nächste Mal an ihrem Tisch vorbeikam. Wie sich herausstellte war der Wechsel eine ziemlich gute Idee, denn darauf folgte noch eine Tasse, gefolgt von einem Stück Kuchen und noch zwei Tassen. Wäre er beim Koffein geblieben, hätte er wohl nach der dritten Runde aufgehört und ihm wäre wahrscheinlich aufgefallen wie es draußen langsam dunkler wurde. So traf den Jüngeren fast der Schlag, als sein Blick zufällig an seinem Gesprächspartner vorbei auf die große Uhr über der Eingangstür fiel. „Es ist ja schon fast 10!“ Überrascht drehte sich jetzt auch Aoi um und blickte auf die Uhr, bevor er sich wieder zurückdrehte und ungläubig aus der Fensterfront blickte. Kanon konnte nicht anders als zu lachen. Sie saßen schon fast fünf Stunden in diesem Café! Wie hatten sie denn bitte so die Zeit vergessen können? Draußen war es schon dunkel und auch die Gäste waren weniger geworden. Wenn sich Kanon genauer umschaute, schienen die restlichen Besucher nur noch Liebespaare zu sein. Eine Tatsache, die ihn irgendwie plötzlich ziemlich nervös machte. „Vielleicht sollten wir uns so langsam mal auf den Heimweg machen“, warf jetzt auch Aoi ein. „Ja, nicht dass sich Reita noch Sorgen macht.“ Nachdem Kanon den Satz ausgesprochen hatte, sahen sie sich beide nur für einen Moment an, bevor sie gleichzeitig loslachten. „Der war gut“, grinste der Ältere schließlich und winkte anschließend der Bedienung zu, damit sie zahlen konnten. „Wir sollten uns wahrscheinlich eher Sorgen um ihn machen. Wer weiß, was der allein zu Hause anstellt. Ich hätte mein Zimmer abschließen sollen.“ „Aber du wusstest ja auch nicht, dass wir danach noch weggehen.“ Zumindest hatte es für Kanon eher wie eine Spontanentscheidung ausgesehen, als Aoi vorhin so plötzlich die Spur gewechselt und die Richtung geändert hatte. Dieser grinste jetzt aber nur verlegen und beschäftigte sich sehr intensiv mit seinem Geldbeutel. Na gut, dann war das wohl doch geplant gewesen. Der Bassist war ein wenig erstaunt, warum ihn der andere dann nicht einfach frei heraus gefragt hatte, ob er danach nicht noch auf einen Kaffee irgendwohin mitfahren wollte. War Aoi etwa… schüchtern? Nein,. Aoi war nicht schüchtern. Und außerdem war das hier ja kein Date! Sie waren nur einen Kaffee trinken. Fünf Stunden lang. Zu zweit. In einem Café, in dem jetzt nur noch Liebespaare saßen. Die Fahrt nach Hause verlief ähnlich spektakulär wie die Fahrt ins Café. Kanon brauchte auch wieder einen Augenblick, um sich an das Gefühl auf dem Motorrad zu gewöhnen, aber dann machte es ihm wirklich Spaß. Aoi sollte ihn öfters abholen kommen. Reita war nicht zu Hause, worüber Kanon froh war. Der Abend war so angenehm ruhig verlaufen, dass er jetzt keinen hyperaktiven Bassisten brauchte, der der Meinung war, auch noch am späten Abend seine Lektionen durchsetzen zu müssen. Und genau das traute er dem Blonden nämlich zu. Außerdem wollte er dem anderen Bassisten auf keinen Fall berichten müssen, dass dessen Methoden wirklich bei ihm anschlugen. Obwohl er genau wusste, dass er es irgendwann machen musste. Allerdings konnte er sich damit auch am nächsten Tag beschäftigen und heute noch ein bisschen die Gesellschaft des Gitarristen genießen. Der Ältere schien einen ähnlichen Gedanken zu haben, denn obwohl er den Fernseher angeschaltet hatte, hatte er nur Augen für Kanon, der wie immer neben ihm Platz genommen hatte. Schnell entstand wieder ein Gespräch, wobei der Jüngere im Nachhinein gar nicht mehr so genau wusste, worüber sie sich unterhalten hatten. Aber eigentlich war das auch egal. Er genoss es Aois volle Aufmerksamkeit zu haben und dem Anderen seine schenken zu können. Ihr Gespräch wurde allerdings unterbrochen, als die Wohnungstür laut aufgeschlagen wurde und der blonde Bassist ohne einen Gruß eintrat. In der angenehm ruhigen Atmosphäre kam Reita Kanon wie ein Eindringling vor. Dabei war das ja eigentlich seine Wohnung. „Ach, ihr seid ja auch mal wieder da. Dachte schon, ihr wärt durchgebrannt.“ Kanon seufzte. Konnte dieser Trampel sich nicht einmal normal verhalten? „Durchbrennen und dir die Wohnung überlassen? Du spinnst wohl!“, entgegnete Aoi dem Blonden und schenkte Kanon dabei ein fast entschuldigendes Lächeln. Schon niedlich, dass Aoi sich wegen seines Mitbewohners schuldig fühlte. Dabei war eigentlich Reita Kanons Gastgeber und nicht der Gitarrist! Der „Eindringling“ stapfte indessen zum Kühlschrank und nahm sich von dort eine Wasserflasche. „Wieso bist du eigentlich schon so früh zurück?“ Kanon musste bei Aois Frage schmunzeln. Der Ältere hatte zwar versucht neutral zu klingen, doch der Vorwurf war trotzdem deutlich zu hören gewesen. „Wieso früh?“, meinte der Angesprochene verwundert, als er die Wasserflasche wieder abgesetzt hatte. „Es ist schon nach 2 Uhr.“ Zum zweiten Mal an diesem Abend wechselten Aoi und Kanon einen überraschten Blick. Was war heute nur mit der Zeit los? Es kam Kanon so vor als hätten sie sich vor 10 Minuten erst hingesetzt! Reita schien den Blickaustausch zu sehen und lachte daraufhin hämisch auf. „Vor lauter Turteln die Zeit vergessen? Das ist aber niedlich!“ Aoi schien aber schon mit irgend sowas gerechnet zu haben, denn er entgegnete ohne zu zögern und in einem ziemlich schnippischem Ton: „Und du? Niemanden abgekriegt und deshalb schon zurück?“ Kanon musste sich ein Lachen verkneifen. Er hatte absolut keine Lust von Reita angefahren zu werden. Das Lachen zu unterdrücken fiel ihm allerdings gar nicht schwer, als der Blonde langsam die Wasserflasche sinken ließ und Aoi einen derartigen Todesblick schenkte, dass sich Kanon unter diesem wahrscheinlich sofort entschuldigt und sich in sein Zimmer verkrochen hätte. „Pass auf, was du sagst!“, knurrte er bedrohlich. „Ich verführ schließlich keine kleinen unschuldigen Bassisten.“ Die Atmosphäre hatte sich schlagartig geändert. Reita wirkte wirklich wütend. Anders als sonst, wenn sich ein Gespräch zu einem Streit entwickelte, aber jeder wusste, dass es nicht wirklich ernst gemeint war. Diesmal schien es allerdings so als hätte Aoi einen wunden Punkt getroffen und er war kurz davor den Gitarristen zurückzuhalten, den anderen weiter zu provozieren. Der hatte die Situation aber anscheinend ganz gut selbst erkannt und zuckte nur mit den Schultern. Wahrscheinlich um die Stimmung wieder zu lockern. „Wir wollten sowieso gerade ins Bett.“ Auch wenn sie davon kein Wort gesagt hatten, nickte Kanon nur zustimmend. Das war jetzt wohl sowieso das Beste. „Willst du zuerst ins Bad?“, fragte ihn Aoi mit einem Lächeln auf den Lippen. Wieder nickte Kanon und warf Reita einen verstohlenen Blick zu. Der Blonde beobachtete sie aber nur weiter mit ziemlich finsterer Miene, also verschwand er schnell im Bad, um sich die Zähne zu putzen. Im Wohnzimmer hörte er Stimmen. Aoi und Reita redeten miteinander, aber er konnte nicht verstehen, worum es ging. So sehr er sich auch anstrengte. Ob die beiden wohl auch sonst gut befreundet waren? Kanon wüsste zu gern über was für Dinge sie miteinander redeten. Wie eng diese Freundschaft war. Vielleicht würde er Aoi in einem passenden Moment mal fragen. Als er fertig war traute er sich erst gar nicht aus dem Bad. Das erste Mal seit langem fühlte er sich wieder wie ein Störenfried in der Wohnung. Obwohl Reita ziemlich gemein sein konnte, hatte er Kanon nie das Gefühl vermittelt er wär ein ungebetener Gast. Vielleicht eher ein ungebetener Mitbewohner. Und Aoi hatte ihn ja von Anfang an freundlich aufgenommen. So hatte Kanon ziemlich schnell vergessen, dass er mit seinem Aufenthalt eigentlich in die Privatsphäre der beiden eindrang. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf öffnete er leise die Badezimmertür. Er wollte die beiden Freunde nicht in ihrem Gespräch stören, aber auf der anderen Seite wollte er auch nicht so wirken als ob er lauschen würde. Aoi saß immer noch auf der Couch, den Kopf zum Küchentisch gedreht neben dem der blonde Bassist nun stand. „Aber falls du mal reden willst, dann sag Bescheid.“ Kanon konnte sich nicht daran erinnern Aois Stimme je so sanft und einfühlsam gehört zu haben, wenn dieser mit Reita geredet hatte. Allerdings hatte er den Blonden auch noch nie mit einem solchen Gesichtsausdruck gesehen. Er wirkte richtig verletzlich. Als Reita dann allerdings Kanon erblickte, veränderte sich sein Ausdruck. „Kann ich jetzt ins Bad?“, fragte er den Jüngeren in einem ganz normalen Tonfall. Vielleicht nicht ganz so angriffslustig wie sonst. „Ähm… klar.“ Bei Kanons Antwort nickte Reita Aoi noch einmal zu und ging dann an Kanon vorbei. Dieser stand verwirrt vor der nun geschlossenen Badezimmertür. „Ist alles in Ordnung?“, fragte er etwas besorgt, woraufhin Aoi nur aufseufzte. „Keine Ahnung. Er will’s mir nicht sagen.“ Kanon nickte. Ob Reita vielleicht irgendwie eifersüchtig war? Schließlich hatte Kanon gerade beobachtet, dass seine beiden Gastgeber auch ganz anders miteinander umgehen konnten. Wie echte Freunde! Und jetzt kam er einfach hier her und stahl Reita die Zeit mit seinem besten Freund. „Egal, was ihn beschäftigt, es hat sicher nichts mit dir zu tun.“ Überrascht sah Kanon Aoi an, der ihn jetzt wieder einfühlend anlächelte. Der Ältere schien ihn von Tag zu Tag besser lesen zu können! Trotzdem fiel es ihm schwer seinen Worten zu glauben, wenn er von Reita keine Bestätigung dafür erhielt. Und das würde sicher nicht passieren, denn dieser würde weder von sich aus etwas dazu sagen, noch würde Kanon das Thema anfangen. „Wenn es ihm nicht passen würde, dass du hier wohnst, hätte er dich schon längst rausgeschmissen. Aber hat er je auch nur irgendwie erwähnt, dass du störst?“ Aoi erhob sich vom Sofa und ging zu einem kleinen Schrank in der Ecke des Raumes, um dort sein Bettzeug rauszuziehen. „Nein…“, murmelte der Jüngere leise, während aus dem Bad zu hören war, wie die Dusche anging. „Na siehst du? Rei hat auch Probleme wie jeder normale Mensch und wenn er meint, die alleine lösen zu müssen, dann können wir nicht viel dagegen machen. Er ist halt ein Sturkopf.“ Mit einem fast schon mitleidigen Lächeln breitete er eine dünne Decke über dem Sofa aus. Kanon ging ohne etwas zu sagen zu ihm rüber und half ihm beim Beziehen des provisorischen Bettes. Dabei warf er Aoi einen Seitenblick zu. Er sah irgendwie traurig aus. Ob es ihn wohl mitnahm, dass Reita ihm nicht erzählte, was los war? „Redet er denn sonst mit dir, wenn er Probleme hat?“ Wieso ihn das interessierte, konnte er selbst nicht wirklich sagen. Vielleicht war er einfach nur neugierig, wie gut die beiden wirklich befreundet waren. Vielleicht machte sich ein Teil in ihm aber auch wirklich Sorgen um den sonst doch so selbstsicheren Reita, an dem alles Emotionale irgendwie vorbeizuziehen schien. „Naja, wirklich reden tut er ja sowieso nicht. Dafür ist er sich viel zu cool.“ Aoi zuckte mit den Schultern, während er seine Decke auf die Couch warf. „Aber irgendwie rückt er schon meistens mit der Sprache raus.“ Sein Blick wanderte zur Badezimmertür und Kanon fiel auf, dass die Dusche nicht mehr lief. „So. Danke fürs Helfen“, meinte der Ältere schließlich etwas lauter und lächelte ihn ehrlich an. Das Lächeln versetzte Kanon schlagartig wieder in die Stimmung bevor Reita aufgetaucht war. Der Blonde hatte ihn fast vergessen lassen, was an dem Tag alles passiert war. Wie toll er das Motorradfahren gefunden hatte. Und das Café. Und die Gespräche mit Aoi. Und irgendwie auch diesen selbst… „Danke für den schönen Abend“, meinte er leise. Nicht weil er Angst vor einem bissigen Kommentar von Reita hatte, sondern weil der Abend nur ihnen gehört hatte. Weil die Worte nur für sie beide gedacht waren. Aoi schien das ähnlich zu sehen, als er dem Anderen ein leises „Ich danke dir“ zuflüsterte. Kanon lächelte den Älteren an. Es kam ihm irgendwie vor wie das Ende eines Dates. Wobei es ja gar kein Date gewesen war! Und jetzt auch garantiert nichts passieren würde, was sonst am Ende eines Dates geschehen konnte! Und er wusste nicht, wieso er schon wieder so seltsame Gedanken hatte! „Ich geh jetzt mal ins Bett.“ Kanon hielt es wirklich für das Beste dieser Atmosphäre zu entfliehen. Egal wie schön er sie eigentlich fand. Außerdem würde Reita jeden Moment das Bad verlassen und er wollte den Abend lieber mit Aoi alleine beenden. Sie wünschten sich noch beide eine gute Nacht und Kanon verschwand, von seinen eigenen Gefühlen etwas irritiert aber lächelnd, in Aois Schlafzimmer. Kapitel 20: Wie man sich ein bisschen amüsiert ---------------------------------------------- so.. kommen wir mal wieder zu einem kapitel a la: Kanon und Aoi allein zu haus xD wir wünschen viel spaß beim lesen ^__^ __________________ Kapitel 20 Wie man sich ein bisschen amüsiert Am nächsten Tag schien Reita wieder ganz der Alte zu sein. Kanon wusste nicht recht, ob er sich über diese Entwicklung freuen sollte. Als er dem Blonden allerdings auf reichliches Nachfragen mitteilte, dass seine Band meinte, seine Fähigkeiten hätten sich seit seinem Umzug verbessert, hatte er seine Antwort. Er wünschte es Reita zwar nicht traurig zu sein, aber ein bisschen weniger von dieser Selbstsicherheit würde ihm garantiert auch nicht schaden. Den ganzen Tag über prahlte der Ältere damit, dass sogar andere Kanons Fortschritte bemerkt hatten – dank ihm natürlich – was dem Schwarzhaarigen ein paar Mal schier zur Verzweiflung brachte. „Bin heut Abend weg“, erwähnte Reita irgendwann zusammenhangslos, während sie abends am Tisch saßen und zusammen aßen. Etwas, was nicht sehr oft vorkam. Aber weil sie den Tag über nicht viel zu tun und deshalb Zeit gehabt hatten, hatte Kanon vorgeschlagen, mal wieder zu kochen. Der Blonde hatte mittlerweile wohl auch bemerkt, dass so etwas nur noch selten vorkommen würde, sobald der Jüngste wieder ausgezogen war, deshalb war er an diesen Abenden seltsamer Weise nie beschäftigt, sondern saß brav mit am Tisch. „Wohin geht’s?“ Aoi schob sich ein Stück Hühnchen in den Mund „Ach, mal sehen. Weiß nicht so genau.“ Der Angesprochene zuckte mit den Schultern, während er aufstand und sich noch eine Ladung Reis aus dem Reiskochen holte. „Hab auch keine Ahnung, wen Tora und Saga noch mitbringen. Aber wird wohl später, schätz ich.“ Kanons erster Gedanke dabei war, dass er mit Aoi den Abend über alleine war. Und dass er keine Angst haben musste, dass Reita irgendwann dazwischenplatzte. Denn wenn es „später“ wurde und er mit den beiden von alice nine weg war, dann bedeutete das, dass sie sich maßlos betranken und er wirklich erst in den Morgenstunden nach Hause kommen würde. Reita war schneller weg als Kanon gucken konnte. Was wahrscheinlich daran lag, dass er sich vor dem Abwasch drücken wollte und sein Treffen als Vorwand dafür nahm. Wie der Jüngere nämlich von Aoi erfuhr, trafen sie sich nie vor zehn und die Uhr am Herd zeigte gerade mal acht. Aber Kanon störte es nicht. Er war froh, dass von dem anderen Reita von gestern nichts mehr übrig war und er ganz normal weg ging, um Spaß zu haben. Und außerdem war er gern mit Aoi alleine. Auch wenn er irgendwie das Gefühl hatte, dass der Abend anders werden würde als die vorigen, die sie alleine verbracht hatten. Eine Weile spülten sie noch stumm ab, bis Aoi dann die Stille durchbrach: „Wie wär’s wenn wir uns auch mal ein bisschen amüsieren und was trinken? Was Reita und Tora können, können wir schon lange!“ „Haben wir denn etwas anderes als Bier im Haus?“, fragte Kanon skeptisch, woraufhin Aoi wissend lächelte. Statt zu antworten legte er den Schwamm zur Seite und öffnete die Schranktür neben der Spüle. Der Jüngere staunte nicht schlecht. Er hatte gedacht, er hätte schon jeden der Küchenschränke einmal durchwühlt, weil ihm beim Kochen immer wieder Sachen gefehlt hatten und seine Gastgeber ihm auch nie hatten sagen können, wo sich das Gesuchte befand. Aber an diesen Schrank hätte er sich wohl erinnert! Der kleine Raum war vollgestopft mit lauter verschieden Alkoholflaschen. „Der Kühlschrank immer nur halb gefüllt, aber Alkohol in Massen!“, meinte Kanon neckend, was den Gitarristen zum Lachen brachte. „Sei froh! Seitdem du da bist, gehe ich um einiges regelmäßiger Lebensmittel einkaufen!“ Kanon seufzte bei der Antwort theatralisch auf. „Du bist so gut zu mir!“ „Klar! Für dich nur das Beste!“ Einen Moment grinsten die beiden sich nur an. Kanon liebte die kleinen Neckereien mit dem Älteren. Obwohl er zugeben musste, dass es sich schon fast wie flirten anhörten. Natürlich nur für Außenstehende! Er wusste ja, dass Aoi nicht mit ihm flirtete. Und er auch nicht mit Aoi! „Und? Was hältst du von meinem Vorschlag?“ Der Bassist wusste kurz nicht, was sein Gegenüber genau meinte, bis er dann wieder in die offene Schranktür sah. „Ähm…klar.“ Der Ältere strahlte bei Kanons Antwort übers ganze Gesicht. Bei diesem Lächeln hätte Kanon wohl allem zugestimmt! Als Aoi dann anfing den Schrankinhalt auf den Küchentisch zu stellen, fragte er sich allerdings, ob Aois Gabe ihn zu beeinflussen wirklich so positiv war. Es war wirklich viel Alkohol! Und er war viel Alkohol nicht gewohnt! Klar gingen sie öfters mal einen Trinken, aber das hier sah eher danach aus, als wollte der Gitarrist ein Saufgelage veranstalten und ihn später aus dem Klo ziehen! „Erstmal ein Bier?“ Aoi streckte ihm eine schon geöffnete Flasche davon entgegen, die Kanon dankend und auch erleichtert annahm. Wenigstens würden sie es langsam angehen lassen. Beim Trinken. Der Ältere warf sich auf die Couch und streckte sich erstmal. „Aber nicht dass du einschläfst!“, warnte Kanon und schlenderte grinsend zu ihm rüber, um sich dann ebenfalls auf das Sofa fallen zu lassen. „Damit du den ganzen Alkohol für dich hast?“, antwortete ihm Aoi lachend und rappelte sich wieder etwas auf, um nach der Fernbedienung zu greifen und einen Musiksender einzuschalten. „Das hättest du wohl gern!“ „Ich hab heut für euch gekocht! Da wär das als Belohnung doch drin oder?“ Kanon nahm einen Schluck vom Bier und merkte, wie seine Laune stieg. Dass das schon vom Bier kam, bezweifelte er allerdings. „Eine Belohnung wünscht der feine Herr also auch noch! Neben der kostenlosen Unterkunft und den professionellen Trainingsstunden von dem von sich am meisten überzeugtesten Bassisten auf der ganzen Welt!“ Kanon antwortete mit einem Lachen. Schließlich hatte Aoi ja Recht. Das Kochen war letztendlich wohl so etwas wie ein kleines Dankeschön für die Mühe, die sich die beiden mit ihm gaben. Vor vielleicht zwei Wochen hätte er jetzt wohl wieder sofort ein schlechtes Gewissen bekommen, aber das hatte ihm Aoi gründlich ausgeredet. „Hat Reita dich eigentlich auch so behandelt, wenn er nicht mit dir zufrieden war?“ „Hm… Am Anfang hat ers versucht, aber ich hab ihn immer angefahren und deshalb hat er ziemlich schnell damit aufgehört.“ „Aber dann streitet ihr doch auch oft, oder? Wieso seid ihr dann überhaupt zusammengezogen?“ „Ich glaube, Reita braucht jemanden, der ihm Grenzen setzt. Zwar jemanden, der ihn akzeptiert, wie er ist, aber der ihm nicht alles durchgehen lässt.“ Plötzlich lachte Aoi. „Oh man, das klingt ja fast wie in einer Beziehung!“ Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, hörte er auf zu lachen. „Nicht, dass ich eine Beziehung mit Reita führen würde!“, erklärte er hastig. „Der ist überhaupt nicht mein Typ. Du bist… ähm…“ Aois Erklärung geriet ins Stocken und endete damit, dass er den Mund öffnete und wieder zumachte ohne etwas zu sagen. Kanon beobachtete seinen Gegenüber belustigt, der jetzt aussah wie ein Fisch auf dem Trockenen. Zwar hätte er gerne noch das Ende des Satzes gehört, weil er sich nicht wirklich denken konnte, was Aoi ihm hatte sagen wollen, aber wenigstens wusste er jetzt, dass der Ältere wohl tatsächlich auf Männer stand. Nicht, dass das irgendeinen Unterschied machen würde. Es war schließlich egal, welche Sexualität seine Freunde hatten! Kanon beschloss den Gedankengang an der Stelle zu beenden und nahm nochmal einen großen Schluck von seinem Bier. Dabei wanderte sein Blick vom immer noch ein bisschen verlegenen Aoi zum Fernseher. „Guck mal! Die kenn ich.“ Bei Kanons Ausruf blickte auch Aoi zum Bildschirm, auf dem gerade das PV zu Gazettes „Regret“ zu sehen war. Der Bassist musste bei dem Anblick lachen. Der Ältere war wirklich so in Gedanken gewesen, dass er sein eigenes Lied nicht bemerkt hatte! „Ich hab gehört, die sollen gut sein“, meinte Kanon grinsend, um den Älteren ein bisschen aus der Reserve zu locken. Als dieser jetzt sein Grinsen erwiderte, wusste er, dass er es auch geschafft hatte. „Hab ich auch gehört. Und der Gitarrist soll echt toll sein.“ Kanon nickte zustimmend. „Auf den steh ich total. Der ist echt heiß. Du meinst doch diesen ‚Uruha‘ oder?“ Der Bassist begann bei Aois empörten Gesichtsausdruck lautstark zu lachen, woraufhin ihn der Ältere leichte in die Seite knuffte. „Unglaublich wie frech die heutige Jugend geworden ist. Meine Antwort auf diese Unverschämtheit bekommst du, wenn ein PV von euch läuft!“ Die nächste Stunde verbrachten sie damit, vor dem Fernseher zu sitzen und auf ein PV von An Cafe zu warten. Das Vorhaben geriet aber immer mehr in Vergessenheit, als sie damit anfingen, die gezeigten Bands auseinanderzunehmen. „Ich frag mich jedes Mal, wenn ich das PV sehe, ob sich alice nine in Wirklichkeit am Tag vor dem Dreh die Birne weggesoffen haben, sodass sie einen Ersatz nehmen mussten“, meinte Aoi Kopf schüttelnd, als Yami ni chiru sakura lief. „Ich mein… Schau sie dir mal an! Und schau sie dir heute an! Vor allem Tora!“ Er deutete jetzt lachend auf den langhaarigen, wirklich merkwürdigen Gitarristen. Kanon sah auf den Bildschirm und musste dem anderen Recht geben. Unglaublich, wie sehr sich die Band innerhalb von zweieinhalb Jahren verändert hatte! Wirklich lachen musste er allerdings erst, als das Video zu Ende ging und plötzlich die ersten Takte von Sentimental na onigokko zu hören waren. „Guck mal!“ Der Bassist deutete auf den Bildschirm, auf dem gerade Aoi zu sehen war. „Schau dir mal die an! Vor allem den Gitarrist! Sehr seltsamer Style.“ Der Angesprochene nickte. „Stimmt. Uruha war schon immer seltsam.“ Dafür boxte ihn der Jüngere lachend in den Oberarm. „Hey, klau nicht meine Strategie!“ „Solltest ein Patent drauf anmelden“, grinste Aoi nur zurück und nahm eine der Alkoholflaschen vom Tisch, um ihre Gläser noch mal aufzufüllen. Kanon fühlte sich gut. Er wusste nicht genau, ob es am Alkohol lag, dass er so gut drauf war, oder an der Tatsache, dass er neben Aoi saß und sie so viel Spaß hatten – auch wenn andere Bands insgeheim darunter leiden mussten. Ein An Cafe PV war in der letzten Stunde zum Glück noch nicht gelaufen, aber wahrscheinlich würde er sich auch nicht sonderlich darüber aufregen, wenn es dazu kam und sie seine eigene Band einmal gründlich durch den Kakao zogen. Dafür ging es ihm gerade viel zu gut. Er beobachtete Aoi dabei, wie er den Alkohol mischte. Kanon mochte das fröhliche Grinsen auf dessen Lippen. Die aufmerksamen Augen, die die Flüssigkeit betrachteten. Die Haarsträhnen, die ihm dabei ins Gesicht fielen. Schlagartig wandte der Bassist den Blick von Aoi ab und starrte auf den Bildschirm. Er musste seine Gedankengänge besser kontrollieren. Natürlich mochte und bewunderte er den Älteren. Und zwar seit dem Moment seines Einzugs von Tag zu Tag mehr. Daran war ja nichts auszusetzen. Aber das grenzte so langsam ja schon an Schwärmerei! „Alles klar bei dir?“, hörte er eine besorgte Stimme neben sich, was ihn zum Lächeln brachte. Er fand es immer so rührend wenn sich Aoi um ihn sorgte. „Alles in Ordnung. Ich war nur ein bisschen in Gedanken, aber jetzt bin ich wieder voll da.“ „Na dann.“ Der Ältere überreichte ihm grinsend eines der vollen Gläser, woraufhin sie sich wieder dem Musiksender zuwendeten. Schnell hatten sie das Gespräch wieder aufgenommen und alle unerwünschten Gedanken waren vergessen. Oder zumindest nach hinten geschoben worden. Kanons Laune wurde immer besser, was wohl nicht nur an der guten Gesellschaft lag, sondern auch an den unterschiedlichen Alkoholsorten, die sie nun jede einzeln probierten. Nach einem besonders fiesen Schnaps, den anscheinend Uruha irgendwann einmal angeschleppt hatte, merkte Kanon, wie seine Augenlieder langsam schwerer wurden. Er seufzte. Meistens fand er ja die Eigenheit seines Körpers auf zu viel Alkohol mit Schlaf zu reagieren ziemlich nützlich. So konnte er wenigstens nicht zu viel Unsinn anstellen, bei dem er am nächsten Tag dann nur beschämt den Kopf schütteln konnte. Heute allerdings verfluchte er diese Eigenschaft. Er hätte gerne noch weiter mit Aoi über Bands hergezogen. Auch ruhig ohne weiteren Alkohol! Doch sobald bei ihm die Müdigkeit einsetzte, war es völlig sinnlos sich dagegen zu wehren. Er merkte schon wie sein Körper immer schwerer wurde. Genau wie seine Lider. „Aoi?“, murmelte er leise und rutschte etwas näher an seinen Nebensitzer, damit ihn dieser besser verstehen konnte. „Ich glaub, ich schlaf gleich ein…“ „Oh, okay.“ Der Jüngere musste Aois Gesicht gar nicht sehen, um sich dessen Gesichtsausdruck denken zu können. Der Ältere klang überrascht. Und vielleicht ein wenig enttäuscht? „Soll ich dich ins Bett bringen?“ Kanon lächelte bei der fürsorglichen Frage leicht und kuschelte sich noch ein bisschen näher an den Älteren. „Nein. Hier ist genau richtig.“ Warm und kuschelig. Es war ein mehr als angenehmes Gefühl hier einzuschlafen. Der Jüngere spürte noch, wie Aoi seine Position ein wenig änderte, und dann eine Hand, die sich sanft um seine Schulter legte. Genau richtig. Kapitel 21: Wie man sucht und findet ------------------------------------ Wie man sucht und findet Als Kanon aufwachte, war das Erste, was ihm in den Blick fiel, die Flaschen auf dem Tisch. Sie hatten nicht so viele geleert wie er zu Beginn des Abends befürchtet hatte. Trotzdem hatten sie bei ihm ihre Wirkung gezeigt. Bei Aoi konnte er das allerdings nicht so richtig sagen. Er hatte ihn erst einmal wirklich richtig betrunken erlebt. Das war auf Miyavis Geburtstagsparty gewesen und an die waren seine eigenen Erinnerungen ein wenig verschwommen. Aus verständlichem Grund. Langsam setzte sich der Bassist auf und sah sich um. Der Raum lag im Dunkeln. Der Fernseher war ausgeschaltet. Nur der schwache Lichtschein der Straßenlaterne fiel ins Zimmer. Aoi war nicht zu sehen. Dafür aber eine Decke, die gerade den Weg auf den Boden fand. Kanon hob sie auf und kuschelte sich an sie. Sie roch nach Aoi. Bei genauerer Betrachtung stellte er fest, dass es tatsächlich die Decke des Älteren war. Wie ein kleines Kind schlang er sie um sich und stand auf, um zu seinem Zimmer zu tapsen. Vorsichtig öffnete er die Tür und blickte in den Raum. Aber er war leer. Auch aus dem Bad kam kein Geräusch und bei Reita nachzuschauen, traute er sich nicht. Was sollte Aoi auch in Reitas Zimmer? Kanon warf der geschlossenen Tür zum Zimmer des Blonden einen feindlichen Blick zu. Und wenn Aoi doch dort drin war? Und… wenn Reita auch dort drin war? Die leuchtende Anzeige der Anlage sagte ihm, dass es 1.17 Uhr war. Zu früh für den Blonden schon zu Hause zu sein. Eigentlich. Er überlegte und kam schließlich zum Schluss, dass er nachgucken musste. Noch leiser als zuvor drückte er die Klinke zu Reitas Zimmer runter und öffnete langsam die Tür. Der schwache Lichtschein fiel sofort in den kleinen Raum. Direkt auf das Bett. Es war leer. Erleichtert atmete Kanon aus und schloss die Tür wieder. Dafür tat sich ihm jetzt wieder die ursprüngliche Frage auf: Wo war Aoi? Vielleicht war ihm langweilig geworden, weil Kanon eingeschlafen war, und war deshalb rausgegangen, um zu feiern. Der Ältere war ja noch ziemlich wach und aufgedreht gewesen. Eigentlich wäre es das Logischste in diesem Moment gewesen ins Bett zu gehen. Nur war Kanon jetzt überhaupt nicht mehr müde. Außerdem fühlte er sich alleine in der dunklen Wohnung. War er in den letzte Wochen hier jemals alleine gewesen? Die Frage war nur, was er gegen die Einsamkeit machen sollte. Aoi konnte überall sein! Wobei Kanon das eigentlich bezweifelte. Der Ältere hätte ihm sonst einen Zettel hinterlassen und er konnte keinen sehen. Angestrengt überlegte Kanon, wohin der Gitarrist verschwunden sein konnte. Und zu seiner eigenen Verwunderung hatte er sogar eine Idee. Er konnte sich daran erinnern, dass Kai mal beiläufig einen Ort erwähnt hatte, an dem sich der Ältere manchmal aufhielt. Schnell ging Kanon in Aois Zimmer und nahm sich den Ersatzschlüssel der Wohnung, den der Ältere ihm mal gegeben hatte. Jetzt, wo er eine Vermutung hatte, wollte er auch unbedingt wissen, ob sie stimmte. Die Decke nahm er mit. Wenn er Recht hatte, würde er sie wahrscheinlich brauchen. Kaum war die Tür ein Spalt weit offen, kam dem Bassisten die kalte Nachtluft entgegen. Vorsichtig betrat er den Vorsprung, von dem eine kleine Treppe weiter aufs Dach des Gebäudes führte. Ein bisschen mulmig war ihm schon dabei. Natürlich gab es ein Geländer, weshalb der Vorsprung eigentlich nichts anderes war als ein kleiner Balkon. Allerdings sahen die Metalltreppen nicht sehr einladend aus. Vor allem nicht in der Dunkelheit. Entschlossen wickelte Kanon die Decke etwas fester um seinen Körper und stieg die Stufen empor, während er sich wünschte, dass Aoi wirklich auf dem Dach war. Sonst wäre er ganz umsonst raus in die Kälte! Als er oben ankam, stellte er erfreut fest, dass er wirklich nicht alleine auf dem Dach war. Etwas weiter weg saß eine Person. Kanon glaubte Aoi in ihr zu erkennen, doch es war ziemlich dunkel und der Mond nur eine dünne Sichel, die in dieser Nacht kein Licht spenden würde. Trotzdem war sich Kanon sicher. Allein die ganze Art, wie er da mit dem Rücken an der steinernen Absperrung am Rand des Daches lehnte. Ein Bein hatte der Sitzende angezogen und eine Flasche in der Hand. Den Kopf an den Stein hinter sich gelehnt. Das Dach war nicht besonders groß. Kein Wunder, wenn man bedachte, dass es nur zwei Wohnungen auf einem Stockwerk gab. In der Mitte schien so etwas wie ein Lüftungsschacht die Ebenheit des Daches zu unterbrechen, aber sonst war es relativ aufgeräumt und sauber. Erst als er ein leises „Kanon?“ hörte, bemerkte der Bassist, dass er immer noch unbewegt an der Treppe stand, und blicke zu dem anderen hinüber, der ihm jetzt den Kopf zugewandt hatte. Es war eindeutig Aoi. Aber im gleichen Moment kam ihm die Erkenntnis, dass dieser bestimmt nicht einfach aus Langeweile hierher gekommen war. Widerwillig erinnerte er sich an das Gespräch mit Kai. Der Drummer hatte ihm gesagt, Aoi würde nur hierher kommen, wenn er seine Ruhe brauchte. Und vor wem brauchte Aoi denn seine Ruhe, wenn nur er und Kanon selbst in der Wohnung waren? „Ich… Ich wollte nur sehen, wo du bist.“ Das wollte er ja wirklich nur tun. „Also… Ich geh dann wieder.“ Kanon machte auf dem Absatz kehrt. Was hatte er sich eigentlich dabei gedacht?! Er hatte doch gewusst, dass, wenn Aoi wirklich auf dem Dach war, dieser allein sein wollte. Dass er aus gutem Grund an einem so einsamen Ort war! Das metallene Geräusch der kleinen Stufen klang in seinen Ohren, als er Aois Rufen hörte. Kanon war schon fast an dem kleinen Absatz der Treppe angekommen, als er sich umdrehte und den Älteren oben stehen sah. Und dann rutschte er ab. Er fiel nur eine Stufe, aber kam mit einem dumpfen Laut auf den Knien auf. Es war weniger der Schmerz, der ihn zusammenzucken ließ, als er auf dem kalten Metall aufkam, sondern das Geräusch, das die Treppe von sich gab. Sie wackelte bedrohlich. Und unter ihm war eine scheinbar endlose Leere bis zur Straße. Er hatte Angst. „Kanon! Hast du dir weh getan?“ Die Treppe geriet noch mehr ins Wackeln. Der Bassist spannte seinen gesamten Körper an. Er konnte seinen Blick nicht mehr von dem Gitter unter seinen Händen nehmen. Erst als sich eine Hand auf seine Wange legte und seinen Kopf sanft aber bestimmt von dem Untergrund wegdrehte, löste er sich ein wenig aus seinem Schockzustand. Selbst in der Dunkelheit konnte er in Aois Augen Sorge erkennen. Vielleicht lag das auch daran, dass sich ihre Gesichter so furchtbar nah waren. „Ist alles bei dir in Ordnung?“ Dieses Mal nickte Kanon, auch wenn er sich immer noch ziemlich zittrig fühlte. „Ich hab mich nur erschreckt“, murmelte er leise. „Tut mir Leid. Ich wollte dir nicht nachspionieren.“ „Das muss dir nicht Leid tun.“ „Ich wollte dich nicht stören.“ „Ich hab dich gern bei mir.“ „Am besten geh ich wieder rein und…“ „Kanon? Leistest du mir ein bisschen Gesellschaft? Natürlich nur, wenn du willst und wenn wirklich alles in Ordnung ist.“ Der Bassist hatte sich so auf seine Entschuldigung konzentriert, dass er Aois Antworten gar nicht richtig gehört hatte. Erst bei den letzten Worten, als der Ältere plötzlich angefangen hatte seine Finger zärtlich über die Wange streichen zu lassen, auf der immer noch seine Hand lag, schenkte Kanon ihm wieder seine volle Aufmerksamkeit. Umso überraschter war er von dem Vorschlag des Älteren. Und der Zärtlichkeit, mit der Aoi ihn ansah. Und dem liebevollen Lächeln. War der Ältere ihm noch ein Stück näher gekommen? „Ich würde dir gerne noch ein wenig Gesellschaft leisten“, hauchte er leise. Aois Lächeln wurde stahlender, so wie Kanon es schon öfter beobachtet hatte. Und wie auch sonst war er diesem Lächeln sofort verfallen. So ließ er sich auch ohne irgendwelchen Widerstand zu leisten von Aoi auf die Beine ziehen. Scheinbar hatte sich das Gitter leicht in sein Fleisch gebohrt und hinterließ nun an den Stellen einen beißenden Schmerz. Was den Bassisten allerdings mehr sorgte, war das krächzende Geräusch der Treppe, als sie aufstanden. „Nicht!“, rief er aus einem Reflex heraus und stand wie versteinert da. Den Blick auf das Gitter gerichtet, durch das er unfreiwillig auf die scheinbar so endlos weit entfernte Straße unter sich sah. „Hast du dich verletzt?“ Aoi klang wirklich besorgt. Er hatte vom Aufhelfen noch immer einen Arm um den Jüngeren gelegt und ließ ihn auch jetzt nicht los. Kanons Herz schlug so schnell. Die Treppe hatte mittlerweile wieder in den Ruhezustand gefunden, trotzdem stand er angsterfüllt da. „Komm, gehen wir hoch und dann schauen wir uns mal an, ob du dir was aufgeschlagen hast.“ Der Gitarrist wollte ihn mit sich ziehen, aber Kanon setzte nur zögernd einen Fuß vor den anderen. Wieso war ihm eigentlich nicht aufgefallen wie instabil die Treppe zu sein schien, als er zum ersten Mal nach oben gegangen war? Er drückte sich ein bisschen näher an Aoi, woraufhin sich dessen Griff um seine Schulter verstärkte. Und gleich wurde es wärmer und Kanon fühlte sich sicherer. Es war merkwürdig. Der Ältere konnte ihm ja auch nicht helfen, wenn die Treppe wirklich so instabil war, wie sie aussah, aber trotzdem fühlte er sich sicherer bei ihm. Plötzlich fiel es ihm viel leichter, die Stufen hinaufzugehen und als sie oben waren, fand er es fast schon schade, denn jetzt würde ihn Aoi sicher loslassen. Aber nichts dergleichen passierte. Erst als er mit dem Älteren an dessen früherem Sitzplatz auf dem Dach angekommen war, löste er seinen Arm von ihm. „Setz dich. Ich hol nur kurz was.“ Und damit ließ ihn Aoi alleine und rannte zurück zur Treppe. Kanon sah ihm reglos hinterher. In seinem Kopf drehte sich alles und das kam sicher nicht vom Alkohol. Aber bevor er weiter darüber nachdenken konnte, stand der andere auch schon wieder bei ihm. In der Hand hielt er die Decke, die der Bassist bei seinem kleinen Sturz wohl hatte fallen lassen. „Hier.“ Aoi trat vor ihn und legte sie ihm um die Schultern. Aber die Wärme, die sie ihm vorhin gegeben hatte, blieb aus. Er wollte die Decke nicht. Er wollte viel lieber, dass ihm Aoi die Wärme gab, die er vorhin gespürt hatte. „Tut es sehr weh?“, fragte der Ältere besorgt und legte seine Hand auf Kanons Oberschenkel nachdem er sich neben ihn gesetzt hatte. “Nicht weiter schlimm“, meinte dieser wahrheitsgemäß. Seine Knie brannten zwar leicht, doch wurden die Schmerzen von dem Gefühl überschattet, das Aois Hand auf seinem Bein hinterließ. Er wollte dem Älteren näher sein. So nah wie eben auf der Treppe. „Allerdings ist mir immer noch ein bisschen kalt.“ Kanon kaute nervös auf seinem Piercing herum, hoffend dass Aoi den billigen Trick nicht durchschaute. Zu seiner Erleichterung nahm der Gitarrist tatsächliche die Hand von seinem Bein und legte seinen Arm dann um den Jüngeren. „Besser?“, fragte Aoi und klang dabei leicht belustigt. Kanon war das eigentlich egal. Er wusste, dass der Ältere ihn damit nicht auslachen wollte. Das war einfach nicht seine Art. „Viel besser“, gestand der Jüngere und rutschte Aoi sogar noch ein bisschen näher. Sein Herz schlug schneller. Sein gesamter Körper kribbelte. Im gleichen Moment fühlte er sich entspannt und geborgen. Ihm waren diese gesamten Kleinigkeiten schon so oft aufgefallen. Wieso hatte er sich immer dagegen gewehrt? Wieso hatte er sich immer nur tot gestellt und gewartet bis der Moment vorbei war, anstatt es einfach zu genießen? Denn es gab so viel, was man in Aois Nähe genießen konnte! Ein zufriedenen Seufzen verließ seine Lippen, woraufhin Aoi ihn kurz etwas fester an sich drückte. Grinsend sah Kanon zu dem Älteren und ließ dann seinen Blick über die Umgebung schweifen. Die Dächer der anderen Häuser waren nicht sehr viel höher als ihr eigenes. Nur vereinzelnd stachen einsame Wolkenkratzer in die Höhe, doch je weiter man sah, desto mehr gab es von ihnen. Bis sie in der Ferne den gesamten Horizont bedeckten. Eigentlich bot dieses Dach keinen besonders schönen Ausblick. Erst als Kanon den Kopf gen Himmel hob, konnte er nachvollziehen, was Aoi immer wieder hier hoch lockte. Es standen ein paar Wolken am Himmel und trotzdem war der Blick atemberaubend. Die Lichter der Innenstadt waren zwar noch immer hell, aber weit genug entfernt, sodass Kanon die Sterne sehen konnte. Ein leises „Wow“ kam ihm über die Lippen, während er den Kopf weiter in den Nacken legte. Kanon konnte sich nicht daran erinnern, wann er den Himmel zuletzt betrachtet und dabei ein so unbeschreiblich gutes Gefühl gehabt hatte. Er spürte, wie Aoi neben ihm ebenfalls nach oben sah, und lächelte anschließend. Es war schön hier zu sein. Es war schön, die Sterne betrachten zu können und währenddessen eingekuschelt in eine Decke Aoi neben sich sitzen zu haben. Ja, er war wirklich froh darüber, hier rauf gekommen zu sein. Kapitel 22: Wie man sich verliebt --------------------------------- _ Kanon konnte sich nicht daran erinnern, wann er den Himmel zuletzt betrachtet und dabei ein so unbeschreiblich gutes Gefühl gehabt hatte. Er spürte, wie Aoi neben ihm ebenfalls nach oben sah, und lächelte anschließend. Es war schön hier zu sein. Es war schön, die Sterne betrachten zu können und währenddessen eingekuschelt in eine Decke Aoi neben sich sitzen zu haben. Ja, er war wirklich froh darüber, hier rauf gekommen zu sein. Aus den Augenwinkeln warf er dem Älteren einen Blick zu und wurde schlagartig rot, als er bemerkte, dass ihn dieser genau so verstohlen ansah. „Ähm… Ich…“, stotterte Kanon los. Verdammt, schon wieder ertappt! Er schloss den Mund allerdings, als er bemerkte, dass Aoi ebenso peinlich berührt zu sein schien. Das war… niedlich! „Hier.“ Er löste die Decke von einer Schulter und hielt sie dem anderen vor die Nase. Dass sie in der Breite nicht reichen würde, bedachte Kanon nicht wirklich. Erst als sie Aoi nach kurzem Zögern annahm und dieser näher an ihn heranrutschte, ging dem Bassisten ein Licht auf und ohne zu Überlegen lachte er kurz über sich selbst. Er hatte es tatsächlich unbewusst geschafft, dass Aoi näher zu ihm gerutscht war. Ihm noch mehr Wärme schenkte. „Warum lachst du?“, fragte der Ältere ein wenig verwirrt, während er sich die Decke um die Schulter legte. Ja, mist. Warum? Sein Lachen verschwand schlagartig. Alkohol machte unvorsichtig. Eindeutig. Weil ihm keine anständige Antwort einfiel und er Aoi ganz sicher nicht die Wahrheit sagen würde, schüttelte er nur zögernd den Kopf. Der andere sah ihn einen Augenblick fragend an, begann dann aber zweideutig zu grinsen und lachte schließlich, während er Kanon spielerisch an sich drückte. „Du verschlagener Kerl!“ Der Jüngere wurde sofort rot, schwieg aber. Was sollte er denn bitte groß sagen, wenn es schließlich die Wahrheit war? „So ist es eben gemütlicher“, rechtfertigte er sich leise, während er sich noch ein klein wenig mehr an Aoi schmiegte. Er war sich selbst nicht sicher, woher plötzlich dieser Mut kam. Vielleicht vom Alkohol. Vielleicht war er noch leicht benebelt vom Schlafen. Vielleicht vom wunderschönen Nachthimmel. Vielleicht kam dieser Mut aber auch daher, dass das Gefühl in Aois Nähe zu sein zu schön war, um es einfach wieder ziehen zu lassen. Außerdem schien es dem Älteren nichts auszumachen, so wie dieser vor sich hin grinste. „Es ist schön hier“, meinte Kanon, nachdem sie eine Weile lang einfach still gewesen waren. „Ja, das find ich auch. Ich komm gerne hier her, um mich einfach mal für eine Weile von der Realität auszuklinken. So eine Art Geheimversteck.“ „Kommt außer dir niemand hier her?“ Aoi räusperte sich verlegen. „Ich glaube außer uns weiß niemand der Hausbewohner, dass man aufs Dach kann.“ Kanon wollte gerade nachhaken, wieso das denn keiner wusste, ließ es dann aber doch sein. Er war auch noch nie auf so einem Dach gewesen. Und wenn er an die krächzende Treppe dachte, konnte er sich auch nicht vorstellen, dass dieses Dach wirklich frei zugänglich war. „Aoi? Haben du und Reita etwa mal die Tür aufgebrochen?“ Wäre er mit Reita hier, wäre er wohl schon lange auf diese Schlussfolgerung gekommen. Er vergaß gerne, dass auch Aoi eine andere Seite hatte. Dieser schien auch nicht unbedingt zu wollen, dass Kanon diese Seite kannte, denn der Ältere rutschte jetzt unruhig auf seinem Platz herum. „Es war keine Absicht! Der Fernsehempfang war so schlecht und ich glaubte, dass es vielleicht an der Satellitenschüssel liegt und wollte dann auf’s Dach nachsehen. Ich dachte, dass die Tür nur klemmt und hab mich ein bisschen stärker dagegen gedrückt. Und dann war sie auch schon auf.“ „Einfach so“, lachte Kanon, nachdem er sich die Geschichte angehört hatte, und nickte nur verstehend. „Ja!“ Aoi sah ihn an und der Bassist bekam fast schon Mitleid. So wie der Ältere ihm gerade diesen bittenden Blick zuwarf, dass er ihm doch glauben sollte. „Schon gut.“ Kanon kuschelte sich mit einem Grinsen wieder an den anderen, der ein Stück von ihm weggerutscht war, um ihn ansehen zu können und somit glaubhafter zu wirken. „Ich bin froh, dass du dachtest, die Tür klemmt.“ Der Bassist war sich nicht sicher, ob er es sich nur eingebildet oder ob er tatsächlich ein „Ich auch“ als Antwort bekommen hatte, aber er wollte nicht nachfragen. Er wollte lieber in dem Glauben leben, dass er es wirklich gehört hatte. Um sich abzulenken, sah er wieder nach oben und betrachtete die Sterne. „Bist du oft hier?“ „Manchmal“, antwortete Aoi nach kurzem Zögern. „Warst du in der Zeit, in der ich bei euch wohne, mal hier oben?“ Kanon erinnerte sich dunkel daran, dass Kai ihm gesagt hatte, der Gitarrist kam hier rauf, wenn er seine Ruhe brauchte oder gestresst war. Wieder ein Zögern. „Einmal.“ „Wann?“ Kanon dachte nicht mehr darüber nach, welche Fragen seinen Mund verließen. Er sprach einfach aus, was ihm im in den Kopf kam. Und irgendwie blieb auch das unangenehme Gefühl aus, das ihn meistens überkam, wenn er bemerkte, was für Sachen er da gerade fragte. „In der ersten Nacht, nachdem du eingezogen bist.“ Aois Stimme war beruhigend. Vielleicht lag es daran, dass Kanon einfach fragte und genau so einfach eine Antwort bekam. Vielleicht lag es an der ganzen Atmosphäre, die ihn irgendwie einlullte und in der er sich geborgen fühlte. Er hatte das Gefühl, dass sie über alles reden konnten ohne über irgendwelche Folgen nachzudenken. „Warum?“ Diesmal zögerte der Ältere länger. Kanon sah ihn an, aber Aoi blickte nur weiter in den Himmel, bevor er leicht lächelte. „Es war ungewohnt, dich plötzlich in der Wohnung zu haben.“ Kanon nickte leicht und fühlte sich durch die Worte des anderen auch nicht gekränkt. Für ihn war es anfangs schließlich auch ungewohnt gewesen. Der Ältere schien seine Aussage aber sogleich wieder zu bereuen. „Nicht, dass ich dich nicht da haben wollte!“, fügte er schnell hinzu. „Ich hab Reita schließlich an sein Versprechen erinnert! Sonst hätte er es sicher schon lange vergessen gehabt. Ich war nur aufgeregt und das war alles so neu…“ Aois Worte verloren sich in der Stille. Kanon wusste gar nicht, was er sagen sollte. Aoi hatte Reita an sein Versprechen erinnert? Also hatte er es eigentlich Aoi zu verdanken, dass Reita ihn jeden Tag aufs Neue quälte und fertig machte? Vor ein paar Tagen wäre er darüber noch sauer geworden oder hätte dem Älteren wenigstens Vorwürfe gemacht. Nun empfand er überhaupt nichts in diese Richtung. Er war sogar froh. Er war froh darüber, dass er bei Aoi wohnen konnte. Sonst hätten sie sich nie so gut kennen gelernt. Er würde den Älteren nicht jeden Tag sehen, mit ihm zusammen essen, mit ihm reden. Aoi hätte ihn nie in das Café eingeladen und sie hätten auch niemals zusammen auf diesem Dach gesessen. Und das waren alles so wichtige Momente für Kanon. Wichtiger als er es sich bis jetzt selbst eingestanden hatte. Verstohlen sah er Aoi von der Seite an. Sah das Lächeln, dass ihm so lieb geworden war. Die Augen, die ihn immer so mitfühlend anschauten und ihm scheinbar alle Sorgen nehmen konnten. Nahm den Geruch wahr, dem er schon nach seinem Einzug in Aois Zimmer verfallen war. Vielleicht war er nicht nur dem verfallen. „Ist irgendetwas?“ Die beruhigende Stimme nah an seinem Ohr. Der warme Atemzug auf seiner Haut spürbar. Die hübschen Lippen zu einem fast spitzbübischen Lächeln verzogen. Kanon schüttelte leicht den Kopf. „Nein, es ist nichts.“ Und er wusste doch, dass es anders war. Von „nichts“ klopft einem das Herz nicht so schnell. „Nichts“ sorgt nicht für ein flaues Gefühl im Magen. Wäre wirklich „nichts“, dann würde er sich hier oben nicht so wohl fühlen, sondern unten in Aois Bett liegen und schon längst schlafen. „Wenn du was hast, kannst dus mir ruhig sagen.“ Wieder diese Stimme. Diese Fürsorge. Aber doch alles andere als aufdringlich. Und weiterhin das so schnell klopfende Herz. Er schüttelte wieder den Kopf. Als könnte er seine Gedanken dadurch loswerden. Wollte er sie denn loswerden? Zu welchem Schluss würde er kommen, wenn er jetzt weiterdachte? Kanon sah aus den Augenwinkeln, wie Aoi nach seiner Bierflasche griff und einen Schluck trank. „Willst du auch? Ich hab leider nur die eine mit hochgenommen. Dachte nicht, dass ich Besuch bekomm.“ Noch immer hatte der Ältere dieses Lächeln auf den Lippen, während er ihm die Flasche entgegenhielt. Was brachte ihn dazu, so zu lächeln? So dauerhaft. Wortlos nahm Kanon die Flasche entgegen und sah sie einen Moment an. „Bist du betrunken?“, sprach er einfach so seine Gedanken aus. Das wäre zumindest eine Erklärung. Vielleicht war er selbst ja auch betrunken, merkte es nur gar nicht. Das würde das flaue Gefühl erklären. Und den schnellen Herzschlag. „Ich denke nicht, nein“, antwortete Aoi nach kurzem Überlegen. „Ist schon ne Weile her, dass wir getrunken haben.“ Und damit hatte er Recht. Kanon konnte all diese Dinge nicht auf den Alkohol schieben, auch wenn er spürte, dass er durch seine Adern floss. Aber sie hatten sich nicht so betrunken wie auf Miyavis Party und außerdem wusste er gar nicht, wie lang er geschlafen hatte. Es konnte nicht am Alkohol liegen. Er setzte die Flasche an die Lippen, aber seine Gedanken schweiften viel zu sehr ab, sodass er gar nicht wirklich trank. „Ich bin froh hier zu sein“, nuschelte er irgendwann gegen das Glas. Dabei wusste er selbst nicht so genau, ob er damit meinte bei Aoi und Reita eingezogen zu sein oder jetzt hier mit dem Gitarristen auf dem Dach zu sitzen. „Ich auch.“ Bei Aois Worten machte sein Herz einen Sprung. Sein Griff um die Flasche verstärkte sich. Das war nicht normal. Die ganze Stimmung. Sein flaues Gefühl. Und dass der Ältere ihn dauerhaft anlächelte. Ohne weiter darüber nachzudenken gab er Aoi die Flasche zurück, welcher sofort die Stirn in Falten zog. „Du hast doch noch gar nichts getrunken.“ Kanon spürte, wie er rot wurde. Wieso verwirrte die Nähe des Älteren ihn so, dass er noch nicht einmal die einfachsten Gedanken ausführen konnte? Vielleicht lag es daran, dass in seinem Kopf gerade genug andere Gedanken herumwirbelte, die alle etwas komplizierter waren. Und die sich alle um den hübschen Gitarristen drehten. Nur leider konnte er das Aoi nicht sagen. Also nahm er diesem die Flasche noch einmal ab, trank einen kleinen Schluck und drückte sie dem Älteren wieder in die Hand. Dieser sah auf die Flasche in seinen Händen, dann auf Kanon und begann zu lachen. Als ihm klar wurde, dass seine Aktion wohl eher für noch mehr Verwirrung gesorgt hatte, begann auch der Bassist über sich selbst zu lachen. Sein Verstand schien nicht mehr beurteilen zu können, was vernünftig war und was nicht. Eigentlich sollte ihm das ja Angst machen. Aber das tat es nicht. In diesem Moment gab es nur Aoi und ihn. Wahrscheinlich war es nur Einbildung, aber der Ältere schien noch ein Stück näher gerutscht zu sein. Aois Lachen bereitete ihm eine wohlige Gänsehaut, die auch blieb, als dieser mit Lachen aufgehört hatte. Stattdessen lächelte er. Das liebevolle Lächeln, das Kanon jedes Mal völlig umwarf. Er konnte nicht anders als selbst zu verstummen und das Lächeln zu erwidern. Er hatte es sich wirklich nicht eingebildet. Sie saßen enger zusammen als davor. Der Andere war ihm so nah, dass einer von ihnen sich nur ein Stück nach vorne beugen müsste, um… Bildete er sich das nur ein oder war Aois Blick wirklich kurz über seinen Mund gehuscht, bevor er Kanon wieder in die Augen sah? Aois Atmung war schneller geworden. War das einzige Geräusch in der sonst so vollkommenen Stille, die sie umgab. Sein ganzer Körper kribbelte und er bemerkte ganz am Rande, wie die Hand des Älteren, dessen Arm immer noch um ihn lag, um ihn zu wärmen, ganz langsam über seine Haut wanderte und eine angenehme Wärme darauf zurückließ. Genauso wie der Atem des anderen, der sanft über sein Gesicht strich. Kanon war sich nicht sicher, ob er je schon einmal so eine Art von Wärme wahrgenommen hatte. Sie waren sich so nah. Sein Kopf verharrte in Stille und war wie leergefegt. Nur sein Herz schlug schmerzhaft schnell in seiner Brust. Nur Aoi, der ihn so intensiv ansah, sodass der Jüngere fast vergaß zu atmen, war wichtig. Es gab nichts sonst in diesem Moment. Keine Kälte, vor der ihn der andere schützte. Keine Sterne, die so wunderschön über ihnen leuchteten. Es gab nur Aoi und ihn. Sie waren sich so nah, dass Kanon gar keine andere Wahl hatte, als die letzten Zentimeter zu überbrücken. _ Kapitel 23: Wie man sein Bett teilt ----------------------------------- Vielen vielen vielen Dank für die 10 Kommentare zum letzten Kapitel >___< Wir würden euch ja jetzt eigentlich dafür gern irgendeinen gefallen tun.. und viele von euch wären sicher schon über einen positiven Ausgang der momentanen Situation zwischen Aoi und Kanon glücklich, aber.. ähm.. ja.... ^^" Lest am besten selbst xD Kleine Ankündigung noch: Wir machen ne Weihnachtspause! Sorry dafür >_< An Silvester sind wir wieder mit nem neuen Kapitel da, aber das kann sich ein Tag nach vorne oder hinten verschieben, weil wir an silvester kein internet haben. So und jetzt viel Spaß ^__^ __________________ Kapitel 23 Wie man sein Bett teilt Sie waren sich so nah, dass Kanon gar keine andere Wahl hatte, als die letzten Zentimeter zu überbrücken. Und als sich sein Körper gerade wie von allein ein Stück vorbeugen wollte, brach Aoi den Blickkontakt ab. Kanon war wie vor den Kopf gestoßen, als der andere über das Dach blickte und ihn plötzlich spielerisch an sich drückte und leise lachte. „Du bist niedlich!“ Was? Was war das denn jetzt? Der Bassist sah den anderen perplex an, aber dieser griff nur grinsend nach seiner Flasche, um zu trinken. Also löste auch Kanon den Blick von ihm. Immer noch sprachlos. Und plötzlich kam ihm die ganze Situation, die erst ein paar Sekunden her war, unwirklich vor. Hatte er sich das nur eingebildet? Hatte er sich nur eingebildet, Aois Blick wäre über seinen Mund gehuscht? Bildete er sich jetzt genau so ein, dass dessen Lachen nervös klang? Aber selbst, wenn… Er saß hier mit Aoi und hatte sich vorgestellt, wie es wäre, ihn zu küssen. Nein. Er war nur eine Sekunde davon entfernt gewesen, ihn zu küssen! In seinem Körper wurde das Kribbeln wieder unkontrollierbar stärker. Sein Herz schlug ihm noch immer bis zum Hals und seine Hände waren kalt und feucht. Unauffällig versuchte er sie an seiner Hose abzuwischen, aber Aoi bemerkte es, stellte die Flasche zur Seite und griff nach einer der Hände. Kanons Herz machte einen Sprung. In seinem Kopf drehte sich alles. „Ist dir kalt?“ Aois Stimme drang wie durch eine Nebelwand zu ihm hindurch. Dafür spürte er umso deutlicher wie zart der Ältere über seine Hand streichelte. „Wir sind schon eine ganze Weile in der Kälte. Vielleicht sollten wir wieder rein gehen.“ Kanon nickte benommen. Er war schon lang genug dieser romantischen Stimmung ausgesetzt. Vielleicht wurden seine Gedanken in einer gewohnten Umgebung wieder klarer. Also ließ er es zu, dass Aoi ihn auf die Beine zog. Der Arm des Älteren lag immer noch um Kanon, als sie zusammen zurückliefen. Aoi war ihm wieder so nah. Sein Gesicht. Die Lippen, die ihn nicht geküsst hatten. Die er hatte küssen wollen. Es immer noch wollte! Nur am Rande bekam er mit, wie sie die instabile Treppe herunterstiegen, vor der er vorhin noch solche Angst gehabt hatte. Seine Gedanken beschäftigten sich mit etwas ganz anderem. Erst als sie die Wohnung betraten und Aoi sich von ihm entfernte, kam Kanon wieder in der Realität an. Trotz der warmen Heizungsluft, zog er die Decke gleich ein wenig fester um sich. Lieber wär er in der Kälte in Aois Armen geblieben als hier in der Wohnung ohne die Nähe des Älteren auskommen zu müssen. Aber das hätte er sich etwas früher überlegen müssen. Jetzt blieb ihm nichts anderes übrig als auch seine Schuhe auszuziehen und Aoi ins Wohnzimmer zu folgen, der ohne ein Wort zu sagen vorgegangen war. Bildete er sich das ein oder wirkten die Bewegungen des Gitarristen wirklich etwas fahrig, als er begann sein Bettzeug herzurichten? Kanon wurde aus dem Älteren nicht schlau. Gerade hatte er ihn noch ganz nah an sich gedrückt und jetzt sah Aoi ihn nicht einmal an. Wahrscheinlich war es wirklich nur Einbildung. Genau wie er sich eingebildet hatte, der Ältere wolle ihn küssen. Trotzdem kam es ihm so vor, als ob Aoi ihn ignorieren würde. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit des Schweigens, in der Kanon einfach nur neben dem Sofa gestanden hatte, sah Aoi ihn kurz an. Und hielt auch sofort in seiner Bewegung inne. „Oh“, meinte er nur leise und sah an dem Bassisten empor. Verwirrt folgte dieser dem Blick und wusste auch sofort, was Aoi meinte. Die Decke, die Kanon immer noch um seinen Körper geschlungen hatte war voll mit Dreck. „Oh“, wiederholte der Jüngere und sah den anderen anschließend an als würde er darauf warten, dass dieser entschied, was als nächstes passierte. Tatsächlich war es Aoi, der als erstes das Wort ergriff. „Ach… So kalt ist es nicht.“ Obwohl für ihn damit das Thema erledigt zu sein schien und er sich wieder dem Sofa zuwandte, sah er nachdenklicher aus und seine Bewegungen waren jetzt wirklich fahrig. Endlich hatte sich auch Kanon wieder gefasst und legte die Decke über einen der Küchenstühle, bevor er in sein Zimmer verschwand, um dort die richtige Bettdecke zu holen. Erst nahm er Aoi das Bett weg und dann machte er auch noch dessen Decke unbrauchbar! „Nimm die!“ Neben dem Sofa angekommen, streckte Kanon dem anderen die warme Bettdecke entgegen. Der Ältere hielt einen Moment in seiner Handlung inne und lächelte ihn dann an. Es war so viel schöner, wenn Aoi ihn nicht ignorierte. „Ach was! Die behältst du mal schön bei dir.“ Damit wandte er sich wieder dem provisorischen Bett zu und nickte zufrieden. „Das geht so schon.“ „Habt ihr keine andere Decke?“ „Nur Reitas. Und daran denken wir lieber gar nicht erst. Jetzt geh lieber ins Bett. Schlaf gut!“ Aois liebevoller Blick konnte den Anschein nicht in den Hintergrund schieben, dass der Ältere ihn nicht mehr im Zimmer haben wollte. Aber Kanon wollte hier sein. Er wollte jetzt nicht allein in seinem Bett liegen, sondern bei Aoi sein. Der Jüngere erwiderte nichts mehr. Er stand einfach neben dem Sofa, die Decke in den Armen und sah den anderen an. Er wollte jetzt nicht gehen. „Brauchst du noch irgendwas?“ Aoi hatte sich mittlerweile auf die Couch gesetzt und blickte jetzt verwundert zu Kanon hoch. Dieser schüttelte den Kopf, rührte sich aber nicht weiter. Er wollte bei Aoi bleiben. „Morgen früh haben wir ein Bandtreffen. Wenn du magst, kannst du mitkommen“, informierte ihn dieser etwas unsicher. Wahrscheinlich wusste er nicht so ganz, was er gerade mit Kanon machen sollte. Der Bassist nickte. „Dann… solltest du jetzt aber ins Bett gehen.“ Aois Blick wanderte auf die Leuchtanzeige des DVD-Players, aber Kanon folgte seinem Blick nicht. Es war egal wie viel Uhr es war. „Es ist schon wirklich-“ „Kommst du mit?“, entfuhr es dem Jüngeren plötzlich. Man sah Aoi an, dass er von der Frage überrascht war und Kanon selbst ging es ähnlich. Wie kam er nur dazu den Älteren so etwas zu fragen? Naja, eigentlich kannte er den Grund. Er wollte in Aois Nähe bleiben. Und dieser Wunsch, der stärker war als je zuvor seitdem sich die beiden kannten, gab ihm Mut. „Schlaf doch einfach mit mir in deinem Bett. Es ist groß genug für uns beide und so hättest du auch eine Decke.“ Jetzt war es raus. Nervös sah Kanon den anderen an, immer noch mit der eben genannten Decke in seinen Armen. Wartend. Wenn er jetzt eine Abfuhr bekam, würde er sich wahrscheinlich vor Scham für die nächsten paar Tage in Aois Zimmer einschließen. Aber er hatte es einfach riskieren müssen. Leider ließ sich der Ältere mit seiner Antwort ziemlich viel Zeit. So wie er immer wieder hadernd zur Couch und dann zu Kanon schaute, schien es selbst nicht genau zu wissen, was er machen sollte. Unruhig rieb er seine Hände an seiner Hose ab. Eine Geste die der Bassist nur zu gut von sich selbst kannte. Schließlich hatte er auf dem Dach dasselbe gemacht. Aoi war scheinbar nervös, was Kanon aber nicht ganz verstehen konnte. Er hatte Aoi nie so eingeschätzt, dass es ihm zu intim wäre, wenn sie sich ein Bett teilen würden. Doch selbst wenn das der Grund der Nervosität war, schien er trotzdem nicht ganz abgeneigt von dem Gedanken zu sein. Kanon versuchte den Älteren möglichst lieb und unschuldig anzublicken in der Hoffnung, dass dessen Entscheidung dann zu seinen Gunsten ausfiel. Und tatsächlich: Kaum hatten sich ihre Blicke das nächste Mal gekreuzt, seufzte Aoi leise. „Und dir macht das wirklich nichts aus?“ Als Antwort schenkte Kanon ihm ein breites Grinsen. „Es ist schließlich dein Bett“, gab er zu bedenken, woraufhin ihm der Ältere ein leichtes Lächeln schenkte. „Ich geh dann kurz ins Bad!“ Der Gemütszustand des Jüngeren hatte sich schlagartig geändert und so legte er die Decke kurzerhand auf dem Sofa ab und verschwand vor sich hin lächelnd ins Bad. Ein paar Minuten später war von dieser fröhlichen Heiterkeit aber nur noch wenig übrig. Kanon lag im Bett. Die Tür war angelehnt und er hörte das Wasser im Bad laufen. Sein Herz schlug schnell und seine Hände hatten sich in die Decke gekrallt, bevor er sich zum bestimmt fünften Mal aufsetzte und das Bett betrachtete. Ja, es war groß. Das hatte er schon beim ersten Mal bemerkt, als er Aois Zimmer betreten hatte. Aber war es wirklich groß genug für sie beide? Es war ja immer noch ein Einzelbett. Stell dich nicht so an!, ermahnte er sich in Gedanken. Das war schließlich nicht das erste Mal, dass er mit einem Freund im gleichen Bett schlief! Nur das erste Mal, dass es jemand war, den er eben noch fast geküsst hätte. Kanon drückte die Decke fester an sich und hörte, dass eine Tür geöffnet wurde. Reita war noch nicht zu Hause und er würde sicher nicht so vorsichtig die Wohnung betreten. Sofort legte er sich wieder hin und zog die Decke bis zum Hals. Wo waren nur seine Nerven hin? Er hörte Schritte durch die Wohnung und sah, wie der Lichtschein, der vom Wohnzimmer in das Zimmer fiel, verschwand, bevor die Tür weiter geöffnet wurde. Kanon lag mit dem Rücken zur Wand und dem Gesicht ins Zimmer, sodass er sah, wie Aoi in sein Blickfeld trat. Der Ältere trug nur Shorts und ein Shirt. Hatte Kanon ihn in den letzten Wochen eigentlich schon mal so wenig bekleidet gesehen? Wieso hatte Aoi denn so wenig an?! Erneut ermahnte sich der Jüngere. Was sollte Aoi denn sonst zum Schlafen tragen? Er konnte froh sein, dass es die letzte Woche so kühl gewesen war, sonst hätte Aoi sicher auch das Shirt weggelassen. Wobei das Wort „froh“ ihm bei genauerem Nachdenken nicht wirklich passte. Er hätte wohl eher einen Herzinfarkt erlitten, so stark wie das arme Ding jetzt schon in seiner Brust schlug. Aber eigentlich wäre es ihm das wert gewesen. Ein genervtes Seufzen entfuhr ihm. Wieso konnte sein Gehirn sich nicht einmal wie das Gehirn eines Erwachsenen verhalten? „Oh, entschuldige. Hab ich dich geweckt?“ Aoi stand jetzt neben dem Bett. Da er gerade erst den Raum betreten hatte, hatten sich seine Augen wohl noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt und er hatte auch nicht bemerkt was für Blicke Kanon ihm schenkte. Ein Vorteil für den Jüngeren, der Aois sorgevollen Gesichtsausdruck trotz des fehlenden Lichts gut erkennen konnte. „Nein, ich war noch wach“, antwortete er leise. Trotzdem änderte sich nichts an der Miene des Älteren. „Und du bist dir sicher, dass das für dich in Ordnung ist?“ „Leg dich endlich hin, Aoi“, erwiderte Kanon nur liebevoll und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Er fragte sich wirklich, wo er den Mut hernahm Aoi zu sowas zu überreden, wenn dieser es scheinbar gar nicht wollte. Aber etwas in Kanon sagte ihm, dass das nicht der Grund für Aois Unsicherheit war. Er wusste, dass man den Gitarristen zu nichts zwingen konnte. Das hatten ihm die Streitereien zwischen dem Älteren und Reita schon oft genug vor Augen geführt. Also wollte Aoi das doch auch! Hoffte Kanon zumindest. Die Matratze neben ihm gab leicht nach, als sich Aoi endlich aufs Bett legte und dann zögerlich unter die Decke rutschte. Kanons Herz klopfte noch schneller. Sie waren sich nah. Ziemlich nah. Der Jüngere hatte nämlich nicht bedacht, dass das Bett zwar groß war, die Decke aber nicht. Zumindest nicht groß genug, dass jeder von ihnen an einem Ende des Bettes schlafen konnte und die Wahrscheinlichkeit somit gering war, dass sie sich ausversehen berührten. „Geht das so?“, fragte Aoi irgendwann und Kanon spürte den warmen Atem des anderen auf seinem Gesicht. Er war viel zu nah. „Ja“, flüsterte der Angesprochene zurück. Es war so still im Raum, dass er sich nicht traute, lauter zu sprechen. Er traute sich ja nicht mal richtig zu atmen! „Gut.“ Wieder war es still. Kanon hatte die Augen fest geschlossen. Aoi musste ja nicht unbedingt mitbekommen, wie er ihn durch die Dunkelheit hindurch anstarrte. Ab und zu durchbrach ein Auto, das draußen vorbeifuhr, die Stille. Es war seltsam. Sie hatten sich keine gute Nacht gewünscht, aber trotzdem sagte keiner mehr etwas. Sollte er vielleicht wirklich einfach versuchen zu schlafen? „Kanon?“, hörte er es plötzlich ganz leise von seinem Gegenüber. Fast so als dachte dieser, er würde schon schlafen. „Ja?“, antwortete der Jüngere ebenso leise und öffnete die Augen. Aoi lag ihm zugewandt. Wieder ein Augenblick Stille. „Ist dir immer noch kalt?“ Kanon war einen Moment verwundert. Was sollte er denn darauf antworten? Eigentlich war ihm nicht mehr kalt. Aois Körper schenkte ihm unter der Decke Wärme und schließlich waren sie jetzt in der Wohnung. In Aois Zimmer war es eigentlich immer warm. „Ja.“ Seine Lippen formten die Worte wie von allein und das Hauchen verließ seinen Mund ohne sein Zutun. Die Stille war schrecklich. Kanons Herz schien sich zu überschlagen. Sein Hals war wie zugeschnürt. Seine Hände feucht. Und dann rührte sich Aoi. Er spürte wie sich die Decke bewegte und der Ältere ein Stück näher zu ihm rutschte, bevor sich ein Arm um seinen Körper legte. Kanon konnte gerade so den Drang unterdrücken, nach Luft zu schnappen. „Schlaf gut.“ Aoi war ihm so nah. „Du auch…“ Kanons Kopf war irgendwo in Aois Halsgegend, sodass der Ältere nicht sah, wie starr sein Blick war. Wie weit aufgerissen die Augen. Er konnte sich nicht beruhigen. Konnte das Gefühl nicht zurückdrängen, das der Arm um seinen Körper hinterließ. Ihm war so warm. Es fühlte sich an wie in einer Sauna, obwohl ihm sein rationaler Verstand sagte, dass es hier unmöglich so warm sein konnte. Ob Aoi sein Herz wohl schlagen hörte? Spürte er wie hart und schnell es gegen seine Brust pochte? Wie es eine Sache unmissverständlich klar machte? Diese eine Tatsache ans Licht brachte? Kanon war verliebt. Kapitel 24: Wie man aufsteht ---------------------------- Wir hoffen ihr habt alle schöne feiertage gehabt und dankeschön, dass ihr ein bisschen länger auf dieses kapitel gewartet habt ^^ euch einen guten rutsch und ein frohes neues jahr! ^___^ und viel spaß beim lesen des nächsten kapitels! ___________________ Kapitel 24 Wie man aufsteht Mürrisch grummelte Kanon im Halbschlaf. Irgendetwas störte seine Ruhe. Auch die Person neben ihm regte sich jetzt. Zog ihn noch ein bisschen näher an seine warme Brust. Kanon seufzte wohlig in die Umarmung und merkte, wie er wieder wegdriftete. Keine Sekunde später saß Kanon kerzengerade im Bett, als ein lauter Schrei zu hören war. Panisch sah er zu Aoi rüber, den das Geräusch auch geweckt zu haben schien. Allerdings versetzte es ihn nicht in Panik. „Nur mein Handywecker“, murmelte der Ältere leise. Tatsächlich konnte Kanon jetzt, wo sein Kopf etwas klarer war, die Klänge von Hyena erkennen. Seufzend ließ er sich zurückfallen, während Aoi auf sein Handy drückte und es dann zurück auf den Nachtisch legte. „Kein sehr friedlicher Start in den Morgen“, gab Kanon murrend zu bedenken. „So wach ich wenigstens auf.“ Der Jüngere gab als Antwort nur ein Brummen von sich. Er hörte, wie Aoi leise darüber lachte und wieder seinen Arm um ihn legte. Eigentlich wollte Kanon nicht so mürrisch sein, aber er hatte wirklich zu wenig Schlaf bekommen. Als sie ins Bett gegangen waren, war es ja schon fast wieder Morgen gewesen. Außerdem hatte es eine Ewigkeit gebraucht bis er es endlich geschafft hatte einzuschlafen! Zu viele Gedanken waren ihm durch den Kopf geschwirrt. Zu schnell hatte sein Herz geklopft. Und dann hatte der Verursacher auch noch die ganze Zeit neben ihm gelegen! Genau so wie jetzt. Aoi drückte ihn nun sogar noch näher an sich. Scheinbar war der Ältere morgens ziemlich verschmust. Sofort schmiegte sich auch der Jüngere noch ein bisschen mehr an den warmen Köper neben sich. Später konnte er immer noch behaupten, er hätte noch halb geschlafen und wäre deshalb nicht zurechnungsfähig gewesen. Obwohl er in diesem Moment gar nicht mehr an Schlaf denken konnte. Dafür klopfte sein Herz wieder viel zu schnell und er dachte an seinen nächtlichen Gedankengang. Daran, dass er sich eingestanden hatte, verliebt zu sein. Kanon presste die Augen zusammen. Er wollte jetzt nicht darüber nachdenken. Vor dem Einschlafen hatte er sich völlig in dieses Gefühl hineingesteigert, aber jetzt dachte er rationaler darüber nach. Was Aoi wohl darüber dachte? Und was Aoi wohl gedacht hatte, als sie sich fast auf dem Dach geküsst hatten? „Wir sollten aufstehen“, nuschelte dieser und verhinderte somit, dass Kanon tiefer in seine Gedanken abdriftete. „Wieso?“, nuschelte dieser zurück. „Bandtreffen… Aber du kannst auch ruhig weiterschlafen.“ Aoi nahm den Arm von ihm und schlug langsam die Decke zurück. Automatisch tat es ihm Kanon gleich. Er mochte es nicht, dass der andere einfach so ohne Vorwarnung seinen Arm von ihm nahm. Und er würde jetzt nicht allein in dieser Wohnung bleiben, wo ihn seine Gedanken noch verrückt machen würden! Der Jüngere setzte sich auf den Rand des Bettes und beobachtete Aoi, wie dieser ein paar Kleidungsstücke aus dem Schrank zog und ihn anschließend überrascht ansah. „Ich komm mit“, erklärte Kanon. „Schlafen kann ich später auch noch.“ „Okay.“ Ein Lächeln bildete sich auf Aois Lippen. „Ich geh schnell duschen.“ Damit verschwand er aus dem Zimmer. Kanon hörte, wie der andere an Reitas Tür klopfte. „Reita!“ Keine Antwort. Die Tür wurde geöffnet. „Rei, steh auf!“ Das Grummeln drang bis zu Kanon und ließ diesen leicht schmunzeln. Was hatte er auch anderes erwartet? Zwei Minuten später wurde Reitas Tür zugeknallt und Aois lautes „Aber denk ja nicht, dass ich dich bei Kai irgendwie raushauen werd!“ hallte durch die ganze Wohnung, bevor der Gitarrist ebenfalls vor sich hingrummelnd ins Bad stapfte und Kanon mit seinen Gedanken wieder allein ließ. Aois Handyuhr zeigte halb 9 an. Wann waren sie wohl schlafen gegangen? Oder besser: Wann hatte Kanon einschlafen können? Der Gedanke an den letzten Abend bescherte ihm ein wohliges Gefühl. Er wollte öfter solche Abende mit Aoi verbringen. Viel öfter. Am besten jeden Abend. Seufzend ließ er sich zurück aufs Bett fallen. Es war noch warm. Es war warm, weil Aoi darin gelegen hatte. Kanon kuschelte sich hinein und dämmerte gerade wieder weg, als er spürte, wie eine Decke über ihn gelegt wurde. „Schlaf doch noch ein bisschen. Du musst wirklich nicht mitkommen. Wird bestimmt langweilig. Nur Programmierungszeug und so.“ Bei dem liebevollen Blick, der der Ältere ihm schenkte, hätte er ihn am liebsten zu sich zurück ins Bett gezogen. Nur ging das leider nicht. Erstens wusste er nicht wie Aoi auf so einen Angriff reagieren würde und zweitens musste dieser zur Besprechung. Und Kanon würde ihn dahin begleiten! Er hatte sich schon aufgesetzt, um zu protestieren, als ihm ein unschöner Gedanke in den Sinn kam. Vielleicht wollte Aoi ihn auch einfach nicht mitnehmen. „Natürlich will ich dich dabei haben!“, meinte der Ältere lächelnd und ging zu seinem Schrank. Kanon blickte ihm skeptisch hinterher. Das war jetzt wirklich gruselig! „Woher…?“ „Immer wenn du denkst, du hast etwas falsch gemacht oder du gehst mir auf die Nerven, setzt du den wirklich unglaublichsten Hundeblick auf, den ich jemals gesehen hab“, unterbrach ihn Aoi, bevor er seine Frage überhaupt stellen konnte. Kanon wurde rot und überlegte sich, sich wieder unter der Decke zu verstecken. Das war ihm jetzt wirklich noch nie aufgefallen! Zu seinem Glück schaute der Gitarrist gar nicht mehr in seine Richtung. Stattdessen hatte er ein schwarzes Hemd aus dem Schrank gezogen, dass er jetzt über sein Tanktop zog und redete dabei munter weiter: „Ich glaub bei diesem Blick könnte ich dir überhaupt nichts abschlagen.“ „Gut zu wissen“, antwortete Kanon, bevor er überhaupt über die Worte nachgedacht hatte. Aoi tat so als hätte er die Aussage überhört, doch eine der Schranktüren war verspiegelt und so konnte Kanon ganz deutlich sehen, wie der Ältere in sich hinein grinste. Gut so. Anscheinend war er wieder etwas lockerer als am Vorabend. Etwas, was der Jüngere nicht unbedingt von sich selbst behaupten konnte. Fasziniert saß er auf dem Bett und beobachtete, wie Aoi sein Hemd zuknöpfte. Wie würde er erst reagieren, wenn Aoi sich richtig vor ihm umziehen würde? Oder am besten nur aus… „Also, kommst du mit?“ Kanon nickte schnell auf die Frage und hoffte, dass Aoi nicht auch seinen Blick für nicht jugendfreie Gedanken entschlüsseln konnte. „Ich geh lieber auch duschen.“ Damit verschwand er mit sicher feuerroten Wangen ins Bad. Sie gehörten zu den Letzten, die den Proberaum von Gazette betraten. Zu Kanons Überraschung befand sich nicht nur diese Band in dem Zimmer, sondern auch ganz alice nine! Der Lautstärkepegel war ziemlich hoch, wobei aber sofort auffiel, dass nur der eine Teil der Anwesenden dafür verantwortlich war. Tora schien noch an den wenigen Stunden Schlaf zu nagen zu haben, wobei Kanon schon ziemlich beeindruckt war, dass dieser überhaupt den Weg hierher gefunden hatte. Anders als Reita, der jetzt seelenruhig zu Hause im Bett lag. Nao stand an eine Wand gelehnt und bemerkte, wie Aoi und Kanon den Raum betraten, woraufhin er Kai, der neben ihm stand, wohl darauf aufmerksam machte. Dieser sah nämlich sofort zur Tür und seufzte ein „Na endlich!“, bevor er ein paar Schritte in die Mitte des Raumes machte. Gefolgt von Nao. Der An Cafe-Bassist zog ein wenig den Kopf ein. Schließlich wollte er ja noch unbedingt Duschen gehen und war Schuld daran, dass sie erst auf den Punkt im Proberaum ankamen. Aoi griff aber nur wortlos nach seinem Handgelenk und zog ihn zu dem einzig freien Sessel im Raum. Kanon überkam eine Gänsehaut, als ihn die Haut des anderen berührte. Er wollte dessen Hand nehmen, aber er traute sich nicht. Also ließ er sich einfach von Aoi mitziehen. Als sich dieser aber in den breiten Sessel setzte, wusste Kanon nicht so ganz, was er machen sollte. Daneben setzen? Auf die Lehne? Oder stehen bleiben? Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, als Aoi zur Seite rutschte und an seinem Arm zog, sodass der Jüngere wie von selbst neben dem anderen zum Sitzen kam. Obwohl kein Zentimeter Platz zwischen ihnen war, fühlte er sich nicht eingequetscht. Nein, es fühlte sich sogar gut an! Fast so wie gestern auf dem Dach. Mit dem Unterschied, dass sie hier von zwei Bands beobachtet wurden. Besonders Shou schenkte Kanon ein ziemlich zweideutiges Grinsen, was diesen sofort davon ausgehen ließ, dass Takuya seinem neuen besten Freund alle Vorkommnisse ihrer letzten Probe haarklein erzählt hatte. Und wie er die beiden einschätzte, hatten sie auch gleich irgendwelche abwegigen Schlussfolgerungen zu Aoi und ihm gezogen. Wobei Takuyas Vermutungen ja gestimmt hatten. Zumindest was Kanon selbst betraf. „Reita! Wo steckt der denn wieder?“ Kanon sah überrascht zu Kai, der ziemlich aufgebracht schien. War das der Grund, weshalb die Besprechung anscheinend immer noch nicht begonnen hatte? Wenn Kanon genau darüber nachdachte, hatten sie Reitas Abwesenheit wirklich noch nicht weiter kommentiert. Und er konnte sich auch nicht daran erinnern, dass Aoi seinem Leader eine SMS deshalb geschickt hätte. Dem Gitarrist war das wohl auch gerade aufgefallen. „Ähm... Reita kommt heute nicht“, meinte Aoi etwas kleinlaut. Kai starrte den Schwarzhaarigen nur geschockt an und Kanon empfand mal wieder nur Mitleid mit dem Gazette-Leader. Dieser schien kurz davor an die Decke zu gehen. Und Toras Beschwerde darüber, dass Reita einfach schwänzen durfte und er nicht, verbesserten die Stimmung auch nicht wirklich. „Reg dich doch nicht so auf“, meinte Aoi zu dem Drummer „Er hat doch dafür einen Ersatz geschickt! Wenn du mich fragst, viel besser als das Original.“ Kanon wurde rot, als Aoi dann auch noch einen Arm um ihn legte. Jetzt waren sie sich wirklich nah. Leider konnte er diesen Moment nicht genießen, weil Kai dem Gitarristen einen ziemlich finsteren Blick schenkte. „Ich glaube das hat’s nicht wirklich besser gemacht“, flüsterte Kanon dem Älteren leise ins Ohr. Aoi antwortete zwar nicht, aber der Bassist glaubte zu spüren, wie der Ältere eine Gänsehaut bekam und leicht erschauderte. Kanon verkniff sich ein Grinsen. Er sollte Aoi öfter ins Ohr flüstern, um zu schauen, ob die Reaktion wirklich dadurch ausgelöst wurde. Und wenn das der Fall war, musste er das noch öfter machen! Es brauchte nicht lang bis Kai Aoi dazu brachte, Reita anzurufen und sie einen verschlafenen Bassisten in der Leitung hatten, der die Ruhe weg hatte und darum auch von Kai ordentlich die Meinung gesagt bekam. Kanon kam sich ein bisschen fehl am Platz vor. Allein Aois Arm um seiner Schulter beruhigte ihn ein wenig und ließ das An Cafe-Mitglied nicht ganz so fremd in einer Runde aus PSC-Mitgliedern wirken. Außerdem musste er sich gerade mit einem ganz anderen Problem herumschlagen. Er musste unbedingt der Versuchung widerstehen, sich noch näher an Aoi zu kuscheln! Shous wissender Blick ging ihm ja so schon auf die Nerven! Wer wusste schon, was für ein Kommentar der Sänger loslassen würde, wenn Kanon der Versuchung nachgab! Erst als es plötzlich merkwürdig still wurde, schenkte er den anderen wieder seine Aufmerksamkeit. Hatte er was verpasst? Ja, sah ganz danach aus. Shou muss nämlich etwas Interessanteres gefunden haben als seine Spekulationen um Aoi und Kanon. Und… Er selbst konnte sich gerade nicht vorstellen, dass irgendetwas interessanter war als Aoi! „Wie lange seid ihr beiden schon… schon… ein Paar?“ Sagas Frage ließ Kanons Kopf herumfahren. Was?? Seit wann waren Aoi und er denn ein Paar? Und überhaupt… so offensichtlich verhielten sie sich doch gar nicht, oder? Und wieso kam gerade Saga darauf? Für einen Moment fiel ihm das Atmen schwer. Als dann aber plötzlich Nao ein stolzes „Seit einem Monat“ von sich gibt, stieß er lautlos den Atem aus. Es ging um Nao und Kai! Und Kanon hatte sich sogar so ertappt gefühlt, dass ihm die Tatsache, dass Saga nicht ihn, sondern die beiden bei seiner Frage angesehen hatte, gar nicht seltsam vorgekommen war. Nur mühsam schaffte er es, sein vor Aufregung schlagendes Herz zu beruhigen. Die Stimmung war betreten. Kanon ließ seinen Blick ein wenig schweifen und bemerkte, dass die alice nine-Member zwar geschockt aussahen, er sich jedoch mehr um Uruha und Ruki Sorgen machen sollte. Die beiden sahen nämlich aus, als hätte Kai ihnen eben verkündet, der jährliche PSC-Fitness-Test stünde wieder an und er selbst hätte die Manager daran erinnert. „Das ist also der Grund, weshalb du in letzter Zeit so selten an dein Handy gehst“, kommentierte Ruki die neue Entwicklung trocken und schenkte Kai dabei einen ziemlich eisigen Blick. Die beiden Drummer konnten einen schon Leid tun. Es war doch schön, dass sie sich gefunden hatten! Shou schien der Einzige zu sein, der auch Kanons Meinung war. „Ich wünsch euch beiden jedenfalls alles Gute!“, meinte der Sänger nur fröhlich und umarmte daraufhin seinen Leader und dann Kai, die zwar beide etwas überrumpelt aber auch glücklich wirkten. Jetzt stand auch der Rest auf, um dem Paar zu gratulieren. Enthusiastisch tat Kanon es ihnen gleich. Zwar kannte er Nao nicht allzu gut und Kai sogar noch weniger, aber er wollte den beiden trotzdem alles Gute wünschen. Vielleicht weil er sich an ihrer Stelle auch ein bisschen Unterstützung von den eigenen Freunden erhoffen würde. Kaum war der Jüngste aufgestanden, fiel ihm aber sofort sein eigener Fehler auf. Es war nicht der ‚Rest‘ aufgestanden, sondern nur Tora, Saga und Hiroto. Die Gazette-Mitglieder hatten sich alle nicht von der Stelle bewegt. _____________________ vielleicht ist es ganz gut zu wissen, dass wir die Bandbesprechung nicht vollständig und ausführlich beschreiben werden. Ihr könnte sie aber in "kyoosha - leading heartbeat" in den letzten beiden Kapiteln nachlesen. Dort ist die Szene ausführlicher aus der Sicht von Nao beschrieben. Kapitel 25: Wie man mit Regeln umgeht ------------------------------------- Nochmal kurz der Hinweis, dass die Szene mit der Bandbesprechung in "kyoosha - leading heartbeat" in den letzten beiden Kapiteln (Epilog) ausführlicher und aus Naos Sicht nachzulesen ist ^^ Ansonsten wünschen wir viel Spaß beim Lesen des nächsten Kapitels! __________ Kapitel 25 Wie man mit Regeln umgeht Kaum war Kanon aufgestanden, fiel ihm aber sofort sein eigener Fehler auf. Es war nicht der ‚Rest‘ aufgestanden, sondern nur Tora, Saga und Hiroto. Die Gazette-Mitglieder hatten sich alle nicht von der Stelle bewegt. „Was hat der denn vor?“, hörte er Uruhas skeptische Stimme hinter sich und wäre am liebsten im Erdboden versunken. Er war doch eigentlich nur als stiller Beobachter hier! Wieso hatte er nicht einfach schön bei Aoi im Sessel bleiben können, statt sich hier zum Gespött von Gazette zu machen? Die schienen ja geschlossen gegen diese Beziehung zu sein. Und eigentlich hatte Kanon nicht unbedingt Lust sich gegen Uruha und Ruki zu stellen. Und gegen Aoi schon gar nicht. „Hey, Kleiner. Sag bloß du blamierst dich schon wieder!“, ertönte Reitas Stimme laut, sodass es jetzt wirklich alle mitbekommen hatten. Anscheinend war Aois Handy auf Freisprechanlage gestellt worden, damit auch Reita alles mitbekam. Kanon stand immer noch wie erstarrt im Raum und wusste nicht, was er machen sollte. Schön, dass der blonde Bassist ihn auch zur Lachnummer machen konnte, wenn er eigentlich gar nicht anwesend war. Hilfesuchend wandte er seinen Blick seiner letzten Hoffnung zu, die im Sessel saß und ihn ebenfalls mit hochgezogenen Augenbrauen ansah. Okay, wo war die nächste Tür? Zu Kanons Erleichterung musste es aber gar nicht dazu kommen, dass er kopflos aus dem Raum stürmte, denn Aoi stand jetzt entschlossen auf. „Er blamiert sich überhaupt nicht, sondern wir, weil wir uns hier wie patzige Vorschulkinder aufführen. Also steht endlich auf!“ Dem Bassisten fiel ein Stein vom Herzen, als der andere als erstes auf Nao zutrat und ihn in die Arme nahm. Er war gerettet. Sogar Uruha und Ruki, die ganz und gar nicht so aussahen als hätten sie das vorgehabt, gratulierten Kai und Nao. Während sich Kanon und Aoi in dem Chaos aus Stimmengewirr von alice nine und Umarmungen und Glückwünschen, die Ruki und Uruha den beiden Drummern gerade schenkten, wieder auf dem Sessel niederließen, hörte der Jüngste, wie Aoi ein „Beschissene Regel. Hab ich schon immer gesagt!“, murmelte. Eine Regel? Es gab eine Regel? Für was? Kanon sah seinen Nebensitzer einen Moment an, bevor dieser fragend zurückblickte. Ganz nach dem Motto: Frag, wenn du was wissen willst! Der Bassist zögerte nicht lange. „Was ist das eigentlich für eine Regel?“ Kanon hob die Augenbrauen, als ihm der Angesprochene erzählte, Kai und Nao hätten die Regel aufgestellt, dass es keine brancheninternen Beziehungen bei Alice nine und Gazette geben dürfte. Was war das denn für eine Regel? Und vor allem… hatten sich wirklich alle an so einen Schwachsinn gehalten? Hatte sich Aoi daran gehalten? Aber was die wichtigste Frage war: Hatte er sich noch immer daran zu halten? In Kanon breitete sich plötzlich ein mulmiges Gefühl aus. Was war denn, wenn Aoi eine brancheninterne Beziehung wollte? Oder wenn jemand anderes aus der Branche eine Beziehung mit Aoi wollte? Sein Magen verkrampfte sich. „Also heißt das, dass die Regel aufgehoben ist?“ Kanon wär Uruha in diesem Moment am liebsten um den Hals gesprungen. Endlich stellte jemand die alles entscheidende Frage! Kai überlegte. Scheinbar hatten sich Nao und er noch keine Gedanken darüber gemacht, ob sie ihre Band-Mitglieder auf die restliche Musikbranche loslassen sollten. Innerlich hoffte Kanon auf eine positive Antwort und er sah Einigen der anderen an, dass es ihnen wohl ähnlich ging. „Ja, ich denke schon“, meinte der Gazette-Leader bedächtig, bevor er sich an seinen Freund richtete. „Oder Nao?“ Als sich auf Naos Lippen ein Lächeln ausbreitete war die Entscheidung für alle im Raum klar. Kanon merkte, wie die ganze Anspannung seinen Körper verließ und bildete sich sogar ein Aoi neben sich befreit aufseufzen zu hören. Er sah zu dem Älteren und schenkte ihm dann ein scheues Lächeln, was dieser kurz erwiderte, bevor sie beide schnell den Augenkontakt lösten. Ob Aoi gerade wohl denselben Gedanken hatte wie er? Kanons Magen verkrampfte sich erneut. Oder ob er vielleicht daran dachte mit jemand anderem eine Beziehung anzufangen? Der Bassist versuchte den Gedanken schnell zu vergessen und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die anderen Anwesenden. Kai und Nao waren immer noch dabei sich verliebt in die Augen zu schauen. Und anscheinend bekamen sie dabei nicht mit, dass sich die restlichen Mitglieder ihrer Band leicht eigenartig verhielten. Einige vielsagende Blicke wurden ausgetauscht, während Uruha ziemlich aufgedreht wirkte. Kanon kam es vor als wäre das nur die Ruhe vor dem Sturm. Wahrscheinlich war Kais und Naos Beziehung nicht das einzige Geheimnis, das an diesem Tag ans Licht kommen sollte… Eine halbe Stunde später standen Aoi und Kanon vor dem Proberaum und waren bereit zu gehen. Der Bassist seufzte erschöpft. Innerhalb der 30 Minuten war so viel passiert, dass man damit ganze Stunden hätte füllen können. Kanons Müdigkeit kehrte so langsam zurück und er wollte zurück in Aois Bett. Natürlich mit Aoi! Leider mussten sie noch auf Ruki warten, der mit ihnen zur Bushaltestelle laufen würde. Dieser stand einige Meter von ihnen entfernt und verabschiedete sich gerade von Miyavi. Der, wie sie gerade erfahren hatten, schon seit längerem dessen fester Freund war. Eine der Informationen, die die letzte halbe Stunde nicht gerade langweilig gemacht hatte. „Bis später dann!“, winkte Miyavi ihm noch nach und verschwand dann um eine Ecke, wohl zurück zu seinem eigenen Proberaum. Der Gazette-Sänger wollte gerade zu Kanon und Aoi gehen, die ungeduldig, aber trotzdem wissentlich grinsend warteten, als Kai den Kopf zur Tür herausstreckte. „Ist Kanon noch da?“ Die Frage beantwortete sich von selbst, als sein Blick auf den Bassisten, der ein paar Meter vom Gazette-Proberaum entfernt stand, fiel. „Kommst du noch mal kurz?“ Der Angesprochene sah kurz zu Aoi, der nur genervt die Augen verdrehte. Da hatte der Ältere schon auf Ruki warten müssen und jetzt auch noch das! Was wollte Kai denn von ihm? „Geht ganz schnell“, fügte dieser noch hinzu, ganz so, als könnte er Gedanken gelesen - oder einfach nur aus Aois Augenrollen schließen – und verschwand wieder ohne eine Antwort abzuwarten im Proberaum. „Wenn der Leader ruft…“, seufzte Aoi nur und schob Kanon in die Richtung, aus der sie eben gekommen waren. Mittlerweile befanden sich nur noch Kai, Nao und Saga im Raum. Der Bassist unterhielt sich mit Nao, während Kai gerade versuchte, wieder etwas Ordnung in den Proberaum zu bringen. Als er sah, dass Kanon seiner Bitte wirklich nachgekommen war, ließ er allerdings Unordnung Unordnung sein und wandte sich dem Bassisten zu. Dieser war wirklich gespannt darauf, was der Gazette-Leader denn diesmal von ihm wollte. „Und? Wie läufts so mit Reita? Alles klar bei euch?“ Kanon sah Kai verwirrt an. War das jetzt nur eine schonende Einstiegsfrage oder war das wirklich alles, was der Leader wissen wollte? „Gut?“, gab er deshalb vorsichtig als Antwort. Kai sah ihn zweifelnd an. „Wirklich?“ „Ja.“ Kanon musste leicht schmunzeln. Wenn das wirklich alles war, dann war diese Fürsorge wirklich niedlich. „Warum fragst du?“ „Weil ich weiß, dass sich Reita ziemlich viel rausnimmt.“ „Aber ich hab ja immer noch Aoi.“ Bei dem Gedanken wurde ihm gleich ein wenig wärmer. Ja, Aoi stand schließlich immer auf seiner Seite, selbst wenn Reita bissig wurde. Oder gerade dann. Sein Lächeln verblasste allerdings ein wenig, als er daran dachte wie der Blonde vor kurzem aus der Haut gefahren war. Trotzdem hatte er das Gefühl, es wäre besser, wenn er Kai davon nichts erzählte. Es ging ihn selbst ja nicht mal was an, also sollte er solche Dinge auch nicht weitererzählen. Vor allem nicht, wenn Reita nicht mal mit Aoi redete. „Okay, dann…“ Kai schien Kanons kleine Gefühlsschwankung aber nicht zu bemerken, denn er sah kurz zu Nao, der sein Gespräch mit Saga gerade beendet hatte. Der Bassist verließ mit einem kurzen Gruß den Raum und mit einem Mal hatte Kanon das Gefühl, dass er hier stören würde. „Aoi wartet auf mich also…“ Kai schien in Gedanken schon ganz wo anders zu sein. Nur die Tatsache, dass Nao jetzt auf sie beide zukam, schien ihn schon völlig aus dem Konzept zu bringen. „Ähm ja, wenn was ist dann ruf einfach an“, nuschelte der Drummer abwesend. Kanon musste grinsen als Nao dann bei seinem Gegenüber angekommen war und die beiden sich verträumt in die Augen schauten. Sie schienen ihn schon ganz vergessen zu haben. „Gerüchten zufolge bist du aber nicht sehr gut auf dem Handy erreichbar“, erwiderte der Bassist und spielte damit auf den Vorwurf an, den Ruki vorgebracht hatte. Kai löste seinen Blick von Nao und sah den Schwarzhaarigen verwirrt an. Scheinbar war Kais Verstand momentan gar nicht in der Lage die Anspielung zu verstehen. Dem anderen Drummer war die kleine Neckerei wohl nicht entgangen. „Du solltest nicht so viel Zeit mit Aoi und Reita verbringen. Das macht dich richtig frech!“ Kanon lächelte bei der Bemerkung von Nao nur spitzbübisch an, der das Lächeln erwiderte. Kai stand wohl immer noch auf dem Schlauch. Vielleicht sollte er die beiden jetzt auch von seiner Anwesenheit erlösen. „Dann lass ich euch beide Mal allein.“ Kanon bekam noch ein gespielt übertriebenes „Na endlich!“ von Nao mit auf dem Weg, bevor er grinsend zur Tür ging. Die beiden waren ein wirklich süßes Paar! Seine gute Stimmung wurde aber gleich wieder getrübt, als er schon durch die Tür hindurch Aois aufgebrachte Stimme hörte. Kanon seufzte. Er hatte wenig Lust darauf, dass der Gitarrist und Ruki sich auf dem gemeinsamen Heimweg stritten. Streitereien gab‘s bei ihnen zu Hause schon genug! Als er dann gerade den Flur betrat, konnte er Rukis provozierende Stimme hören: „Ich mein ja nur, dass du dich nicht so rühmen solltest, weil du dich an die Regel gehalten hast. Du hattest nur Glück, dass du den Kleinen nach der Regel vernaschen wirst und Reita schon vor ihr hattest!“ Die Tür zum Proberaum fiel laut ins Schloss. Kapitel 26: Wie man mit unerwarteten Geständnissen umgeht --------------------------------------------------------- heut wollen wir euch gar nich lang auf die Folter spannen und warten lassen xD Viel Spaß mit dem nächsten kapitel und dankeschön für eure tollen kommis ^___^ _______________ Kapitel 26 Wie man mit unerwarteten Geständnissen umgeht Kanons gute Stimmung wurde aber gleich wieder getrübt, als er schon durch die Tür hindurch Aois aufgebrachte Stimme hörte. Der Bassist seufzte. Er hatte wenig Lust darauf, dass der Gitarrist und Ruki sich auf dem gemeinsamen Heimweg stritten. Streitereien gab‘s bei ihnen zu Hause schon genug! Als er dann gerade den Flur betrat, konnte er Rukis provozierende Stimme hören: „Ich mein ja nur, dass du dich nicht so rühmen solltest, weil du dich an die Regel gehalten hast. Du hattest nur Glück, dass du den Kleinen nach der Regel vernaschen wirst und Reita schon vor ihr hattest!“ Die Tür zum Proberaum fiel laut ins Schloss. ___ Kanon hatte sie leise schließen wollen, um die beiden Bandkollegen nicht bei ihrer Diskussion zu stören. Als er Rukis Worte jedoch gehört hatte, war sie ihm einfach aus der Hand gerutscht. Die beiden Gazette-Member sahen sofort zu ihm rüber. Aoi ziemlich erschrocken und Rukis Blick wanderte auch sofort zurück zu ihrem Gitarristen. Es war weniger die Tatsache, dass auch der Sänger der Meinung war, es würde mehr zwischen Kanon und Aoi laufen. An diese Anspielungen hatte sich der Jüngste schon gewöhnt und außerdem trat sie völlig in den Schatten, wenn er daran dachte, wie der Satz geendet hatte. Aoi hatte Reita vor der Regel gehabt. Einen Augenblick versuchte Kanon eine andere mögliche Interpretation zu finden, aber er gab diesen halbherzigen Versuch ziemlich schnell auf. Daran gab es nichts anders zu interpretieren. Aoi und Reita waren zusammen gewesen. Keine Frage. All seine Befürchtungen, die er beiseite geschoben hatte, waren wahr geworden. Die beiden waren mehr als nur Mitbewohner. Und dass sie jetzt ja anscheinend nichts mehr miteinander hatten, war nebensächlich. Allein die Tatsache, dass da etwas gewesen war, warf Kanon völlig aus der Bahn. Erst Rukis trockenes „Oh…“ setzte die scheinbar stillstehende Zeit wieder in Bewegung. Aoi scherte sich aber nicht sonderlich um den Sänger, sondern machte unsicher einen Schritt auf Kanon zu, der immer noch neben der Tür stand. „Das hast du gehört, oder?“ Es tat weh, dass Aoi ihm nichts davon erzählt hatte. Dass er es ihm wohl auch weiterhin verheimlicht hätte. Aber noch mehr quälte Kanon die Frage, warum er ihm nichts erzählt hatte. Schließlich war das doch Vergangenheit, oder? Da wäre es doch egal gewesen. Der Bassist biss die Zähne zusammen. Seine Gedankengänge waren mal wieder einfach nur kindisch. Warum erwartete er eigentlich von Aoi, dass ihm dieser immer alles erzählte? Der Ältere hatte schließlich absolut keinen Grund, sich vor ihm für irgendetwas zu rechtfertigen. Aoi konnte tun und lassen, was er wollte. Sie waren nicht zusammen. „Dass du was mit Reita hattest?“ Kanon versuchte lässig die Hände in die Hosentaschen zu stecken und ging zu den beiden Freunden hinüber. „Würd mich wundern, wenn Kai und Nao das nicht auch gehört hätten.“ Damit nickte er mit dem Kopf in Richtung Zimmer, aus dem er eben gekommen war. Bei Aoi angekommen sah er genau die Verwirrung in dessen Augen. Aber was sollte er denn tun? Ihm jetzt hier eine Szene machen? Sie waren nicht im Kindergarten. Heulen konnte er zu Hause auch noch. Trotzdem richtete der Bassist seinen Blick gen Boden und ging langsam an den beiden Bandmitgliedern vorbei. Aoi konnte seinen Gesichtsausdruck immer ziemlich gut interpretieren und in diesem Moment hätte er darin wohl Emotionen gesehen, die Kanon lieber für sich behalten wollte. Der Bassist hörte hinter sich, wie Aoi dem Sänger ein „Idiot!“ zufauchte, was dieser natürlich nicht auf sich sitzen ließ. „Ich kann doch nichts dafür, dass du es ihm nicht erzählt hast! Das ist deine eigene Schuld!“ „Jetzt spiel nicht den Moralapostel! Du hast Miyavi sicher auch nicht erzählt mit wem du schon alles geschlafen hast!“ „Das musst ich auch nicht, weil ich noch nie einen meiner besten Freunde gevögelt habe!“ „Das kommt nur daher, dass wir dich alle nicht wollten!“ „Hey!“ Sowohl Aoi als auch Ruki schreckten kurz zusammen, als Kanon seine Stimme erhob. Er hatte lange genug mit angehört wie die beiden sich gegenseitig die Schuld zuwiesen. Aufgebracht blickte er Aoi in die Augen und wollte ihm eigentlich so viel sagen. Er mochte die aggressive Seite des Gitarristen nicht, in der dieser seine eigenen Freunde beschimpfte und verletzte. Er mochte es nicht, dass Aoi ihm die Geschichte mit Reita verheimlicht hatte. Und dass es überhaupt eine Geschichte gab! Und dass er eigentlich gar kein Recht hatte sich darüber aufzuregen. Das alles hätte er dem Gitarristen nur allzu gerne gesagt. Stattdessen sah er wieder auf den Boden. „Können wir jetzt einfach zur Bushaltestelle gehen? Ich fühl mich gerade ziemlich müde.“ Wie zu erwarten war, verlief die Heimreise still. Ruki hatte sich mit einem leisen Gruß an der Haltestelle verabschiedet, als Aoi und Kanon in ihren Bus eingestiegen waren. Unter anderen Umständen hätte der Sänger Kanon sicher Leid getan. Wenn der angriffslustige Frontmann sich so zurückhaltend verhielt, musste er sich wirklich mies fühlen. Allerdings war der Bassist gar nicht richtig in der Lage, um im diesen Moment Mitgefühl zu empfinden. Auch Aois schuldbewusste Seitenblicke ignorierte er einfach. Wahrscheinlich würde er sich später selber schlecht fühlen, dass er den anderen so ignorierte, aber er war einfach wütend. Wütend auf sich selbst, dass ihn das alles so wütend machte! Und enttäuscht. Sie wechselten kein Wort auf dem gesamten Heimweg. Nur Aois vorsichtiges „Kanon?“ als sie an der Haltestelle angekommen waren und das den Angesprochenen aus seinen Gedanken riss, war das einzige Wort, das fiel. Zu Hause angekommen, verzog sich Kanon mit einem „Ich geh schlafen. Die letzte Nacht war kurz“ in sein Zimmer und warf sich dann wirklich gleich aufs Bett. Es roch nach Aoi. Natürlich tat es das. Sie hatten die letzte Nacht zusammen in diesem Bett gelegen. Nachdem sie den wahrscheinlich schönsten Abend verbracht hatten, an den sich Kanon momentan erinnerte. Seine Hände krallten sich in die Decke. Verdammt, was sollte das?! Es war doch gar nicht schlecht gelaufen! Ja, Aoi hatte ihn nicht küssen wollen und deshalb hatte er sich Gedanken gemacht, aber wenn er jetzt so darüber nachdachte, dann hätte er doch deshalb nicht aufgegeben, oder? Die Gedanken drehten sich in seinem Kopf. Und obwohl er wütend war, musste er sich fragen, ob er denn jetzt aufgeben würde. Immerhin war es ja nicht so, dass Aoi und Reita immer noch zusammen waren. Das war vor Kais und Naos Regel gewesen und die musste wohl schon ein Weilchen stehen. Kanon biss die Zähne zusammen. Wieso konnte diese Wut denn nicht einfach verschwinden? Diese Wut darauf, dass Aoi ihm nichts erzählt hatte. Die Wut auf Reita, weil er das gehabt hatte, was Kanon wollte. Er wollte mit Aoi zusammen sein. Das wurde ihm mehr und mehr klar. Ja, er war verliebt in Aoi. Und im Moment war er wütend auf Aoi. Keine gute Mischung. Vielleicht sollte er einen der beiden Teile einfach versuchen, beiseite zu schieben. Und Kanon wusste genau, welcher von beiden Teilen das sein würde. Er wusste, dass es nicht lange brauchen würde, bis er nicht mehr wütend war. Auch wenn er jetzt überhaupt nicht das Gefühl hatte, dass das bald vorbeigehen würde. Andererseits musste er auch aufpassen, wie lang er das noch so weitertrieb. Wie lang sich Aoi noch schuldig fühlen würde. Denn auch solche Gefühle konnten sehr schnell in Wut umschlagen. Und das Letzte, was er wollte, war, dass Aoi sich von ihm abwendete. Seufzend rollte er sich auf die Seite und schloss für einen kurzen Moment die Augen. „Kanon?“, flüsterte ihm eine Stimme leise zu, so als wolle sie ihn eigentlich gar nicht aus seinem Schlaf entreißen. Langsam öffnete der Angesprochene die Augen. Durch das Fenster schien immer noch das Tageslicht. Die Geräusche schienen stattdessen nur gedämpft seine Ohren zu erreichen. Der Bassist zog die Beine an den Körper und kuschelte sich noch ein bisschen mehr unter die warme Decke, während er zu Aoi hoch sah, der lächelnd vor dem Bett stand. Er fühlte sich von der Anwesenheit des Älteren kein Stück irritiert. So als gehöre Aoi an seine Seite, wenn er aufwachte. Vielleicht kam ihm die Präsenz des Gitarristen so natürlich vor, weil das Zimmer diesem gehörte. Vielleicht hatte es aber auch mit seinem Gefühl zu tun, dass sie beide zusammengehörten. Leider wurde seine harmonische Stimmung von den Erinnerungen an Aoi und Reita getrübt. Dem Älteren schien es da ziemlich ähnlich zu gehen, denn das liebevolle Lächeln wich aus seinem Gesicht und er blickte sich ein wenig verloren um. „Es tut mir Leid, dass ich dich wecke, aber ich hab dir Tee gemacht. Es war gestern Nacht sehr kalt und ich will nicht, dass du dich erkältest.“ Kanon wusste nicht genau, was er darauf erwidern sollte. Ein Teil in ihm freute sich natürlich, dass Aoi sich Sorgen machte. Doch eigentlich wusste der Gitarrist ziemlich gut, weshalb Kanon ins Zimmer geflüchtet war. Und das hatte garantiert nichts mit einer Grippe zu tun. Als Aoi keine Antwort bekam, räusperte er sich verlegen und stellte die eben erwähnte Tasse Tee auf die kleine Ablage neben dem Bett. Kurz stand er einfach nur da und sah Kanon an. Er schien zu überlegen, ob er wieder den Raum verlassen oder bleiben sollte. Nach einem leisen Seufzer setzte er sich dann schlussendlich neben Kanon auf die Bettkante. „Du solltest ihn trinken, während er noch warm ist.“ Der Jüngere hatte einen bissigen Kommentar auf den Lippen, dass er auch ganz gut alleine den Tee trinken konnte, ohne dass er dafür einen Aufpasser brauchte, allerdings schluckte er die Worte herunter und setzte sich stattdessen wirklich auf. Ohne etwas zu sagen, nahm er die Tasse in beide Hände und betrachtete den Tee. Es waren so widersprüchliche Gefühle, die sich in ihm ausbreiteten. Einerseits war er wütend und enttäuscht. Andererseits wollte er nicht wütend sein. Zumindest nicht auf Aoi. Er hasste es, auf ihn wütend zu sein. Es war so viel unerträglicher, als wenn er auf Reita wütend war. Eine Weile saßen sie einfach so stumm an der Bettkante. Kanon starrte in die Tasse und bemerkte immer wieder, wie Aoi den Mund öffnete, um etwas zu sagen, ihn dann aber wieder schloss, ohne dass irgendein Ton seine Lippen verlassen hatte. Normalerweise mochte er die Stimmung, die zwischen ihnen herrschte, wenn sie alleine waren, doch dieses Mal war es anders. Kanon wusste, dass sie darüber reden mussten, wenn er weiter hier wohnen wollte. Vor allem, weil er auch nicht genau wusste, wie er sich Reita gegenüber verhalten sollte, wenn das so weiterging. Die Stimmung war erdrückend. Unerträglich. Ein leises „Danke“ verließ plötzlich seinen Mund. Er betrachtete weiter das mittlerweile nicht mehr dampfende Getränk, bevor er einen Schluck davon nahm. Aoi war so fürsorglich und er benahm sich wie ein kleines bockiges Kind. Das hatte der Ältere nicht verdient, oder? Außerdem wusste Kanon nicht, wie lange er noch so bockig sein konnte, ohne dass es dem anderen irgendwann auf die Nerven ging und dieser es aufgab, nett zu sein. „Ich wäre schließlich auch Schuld, wenn du dich erkältest. Ich bin immerhin einfach so verschwunden.“ Aois Stimme klang warm. Und sie verbreitete in Kanons Körper eine viel schönere Wärme als der Tee. „Ich hätte dich nicht suchen müssen.“ „Ich fand es aber sehr schön von dir gefunden zu werden.“ Kanon merkte wie sich bei Aois kleinem Geständnis ein Lächeln auf seine Lippen schlich. Hatte er gerade nicht noch gedacht, es wäre schwierig nicht mehr wütend auf den Älteren zu sein? Aoi schien zu wissen, wie man ihn besänftigte. Trotzdem war Kanons Problem damit noch nicht gelöst war. Wie wenn er seine Gedanken gelesen hätte, seufzte Aoi nun verzweifelt auf. „Es tut mir Leid, dass ich nie erwähnt hab, dass Reita und ich mal etwas miteinander hatten.“ Nur allein die Worte versetzten dem Bassisten einen Stich, was er sich allerdings nicht anmerken lassen wollte. „Geht mich ja auch nichts an, also wieso solltest du es dann auch erwähnen?“ „Weil ich ehrlich zu dir sein will.“ „Dann hättest du es mir sagen sollen“, antwortete der Jüngere trocken. Aoi seufzte erneut. „Ich wollte dich einfach nicht verschrecken. Ich dachte, es wäre für dich dann unangenehm mit uns beiden zusammenzuwohnen.“ Kanon zuckte mit den Schultern, aber wusste eigentlich genau, dass Aoi mit der Vermutung Recht hatte. Der Einzug war so schon eigenartig gewesen und mit diesem Vorwissen wäre er sich wohl noch viel mehr wie ein Störenfried vorgekommen. „Außerdem“, setzte Aoi noch einmal verlegen an „wollte ich nicht, dass du mich nur als Reitas ‚ex-Liebhaber‘ ansiehst.“ Dieses Mal konnte Kanon nicht anders als Nicken. Aois Angst war irgendwie nachvollziehbar. Wenn Kanon das früher gewusst hätte, hätte das seine Beziehung zu Aoi vielleicht wirklich beeinflusst. Leider wusste er aber auch nicht wie sehr es ihn weiterhin beeinflussen würde. Trotzdem ging es ihm jetzt ein wenig besser. Schließlich hatte Aoi es nicht geheim gehalten, weil Kanon ihm nicht wichtig war, sondern gerade weil er es war! Allerdings schwirrten noch zu viele Fragen in seinem Kopf herum. „Wie lange wart ihr zusammen?“ Kanon fiel es schwer die Worte überhaupt auszusprechen. Umso erstaunter war er, als sein Gegenüber zu lachen begann. „Wir waren überhaupt nicht zusammen! Das hätte ganz sicher zu Toten geführt!“ Der Jüngere blickte zum ersten Mal, seit er sie in die Hand genommen hatte, von seiner Tasse auf. Sein verwirrter Blick traf auf Aoi belustigten Blick, der sich aber schnell in Erstaunen wandelte. „Du dachtest…“ Ja, das hatte er gedacht. Dass Aoi und Reita wirklich zusammen gewesen waren. Was hätte er denn auch sonst denken sollen? Mit einem Schlag war die Wut verschwunden. Kanon war einfach nur verwirrt. Das war eine völlig neue Sichtweise! „Nein!“, schüttelte der Gitarrist heftig den Kopf. „Ich war nie mit Reita zusammen! Das war nur…“ Er blickte verlegen weg. Und so langsam dämmerte es Kanon. Die beiden waren nie zusammen gewesen, hatten aber etwas miteinander gehabt. Bedeutete das, die beiden hatten nur… „Wir haben nur einmal…“ Peinliches Schweigen herrschte im Raum. Kanon starrte Aoi nur wortlos an. Die beiden hatten nur miteinander geschlafen! Er wusste nicht, ob ihn das freuen oder er noch wütender darüber sein sollte. Das bedeutete doch irgendwie, dass Aoi ja anscheinend nichts gegen One-Night-Stands einzuwenden hatte und er hatte ihn eigentlich nie als jemanden eingeschätzt, der einfach so mit irgendjemandem in die Kiste sprang. Vielleicht kannte er Aoi ja doch nicht so gut wie er gedacht hatte. Aber andererseits breitete sich gerade eine große Erleichterung in ihm aus. Der Ältere war nie mit Reita zusammen gewesen. Es gab also eigentlich keine große Geschichte, die die beiden Bandmitglieder verband. Nichts, was sie so verband, dass sie eine Beziehung geführt hatten. Trotzdem… Eine Geschichte gab es. Und Kanon brannte darauf zu erfahren, was zwischen den beiden passiert war. Kapitel 27: Wie man sich informiert ----------------------------------- kein vorwort, dafür diesmal ein kleines nachwort xD Viel Spaß beim lesn ^^ ____ Kapitel 27 Wie man sich informiert Eine Geschichte gab es. Und Kanon brannte darauf zu erfahren, was zwischen den beiden passiert war. Zu fragen traute er sich aber einfach nicht. Es war ein so intimes Thema, dass es wahrscheinlich nur unangenehm für sie beide war, wenn er jetzt Einzelheiten wissen wollte. Zu seiner Überraschung war es aber Aoi, der sichtlich verlegen weitersprach. „Wir haben wirklich nur einmal… Kurz nach unserem Einzug. Und…“ Er hob den Blick und sah Kanon an. Es wirkte fast entschuldigend. „Da war wirklich nicht mehr!“ Kanon merkte, dass Aoi das Thema jetzt am liebsten beenden wollte, doch es gab noch eine Frage, die er unbedingt zu stellen hatte. „Machst du… sowas öfters?“ Der Jüngere traute sich gar nicht es auszusprechen und hoffte, dass Aoi verstand, dass er von One-Night-Stands sprach. Er musste es einfach fragen. Denn falls der wirklich unwahrscheinliche Fall eintreffen sollte und Aoi würde sich ihm nähern, so wollte er wenigstens jetzt schon wissen, ob er dann nur einer von vielen sein würde. Der Ältere schien wirklich einen Moment lang nicht zu wissen, was Kanon meinte. Als er dann aber verstand, schüttelte er bestimmend den Kopf. „Nein! Sonst mache ich solche Sachen wirklich nicht! Ich teile schließlich nicht mit jedem dahergelaufenen Idioten mein Bett.“ Erst durch Aois freches Grinsen bemerkte Kanon, dass diese Anspielung wohl auf ihn bezogen war. „Das ist schön zu wissen“, antwortete er dem Älteren schmunzelnd und wollte in dem Moment eigentlich nichts anderes als sich mit Aoi wieder in das eben besagte Bett zu kuscheln. Allerdings wusste er auch, dass es nicht so leicht ging. Ihm schien die Geschichte immer noch nicht ganz schlüssig, doch er wollte jetzt auch nicht weiter nachhaken. Er konnte nur hoffen, dass das mulmige Gefühl, das er immer noch schwach verspürte, irgendwann wieder ganz verschwinden würde. Wahrscheinlich musste er die neuen Informationen erst noch richtig verdauen. Anscheinend war auch für Aoi das Gespräch beendet, denn dieser richtete sich auf und wirkte wie schon zuvor ein bisschen verloren. „Vielleicht willst du ja später wieder rauskommen und wir kochen zusammen was? Nur wenn du Lust hast! Und du mit deinem Tee fertig bist…“ Die letzten Worte des Gitarristen waren nur noch ein leises Nuscheln, was Kanon wiederum zum Lächeln brachte. Er hatte Aoi eindeutig lange genug die kalte Schulter gezeigt. „Meinen Tee kann ich auch in der Küche fertig trinken.“ Die Stimmung lockerte sich auf, während sie zusammen in der Küche standen. Kanon hatte nicht gedacht, dass er nach so kurzer Zeit schon wieder so unbeschwert mit dem anderen umgehen konnte. Reita hatte sich immer noch nicht blicken lassen. Aoi hatte zwar gesagt, er wäre in seinem Zimmer, aber keiner von ihnen hatte große Lust dazu, nach dem Blonden zu sehen. Kanon wusste immer noch nicht, ob er Reita dann einfach so ganz normal gegenübertreten konnte. Erst am Abend bemühte sich der Gazette-Bassist aus seinem Zimmer. Kanon hatte ein mulmiges Gefühl, als er diesem gegenübertrat, aber Reita schien das gar nicht zu interessieren. Oder zu bemerken. Sein Blick wanderte von dem Blonden zu Aoi, der neben ihm am Herd stand. Der Gitarrist musste seinen Blick bemerkt haben. Es war einfach zu offensichtlich. Trotzdem schnitt er wie zuvor weiter das Gemüse. Fast schon zu genau. Er sah nicht auf. Kanon sah wieder zurück zu Reita, der am Kühlschrank stand und sich etwas zu Trinken nahm. Er konnte nicht verhindern, dass sich seine Gedanken selbstständig machten. Reita und Aoi? Zusammen im Bett? Er konnte sich das gar nicht vorstellen. Moment. Er wollte sich das gar nicht vorstellen! Er hatte zwar schon davor darüber nachgedacht, ob sie mehr waren als nur Mitbewohner, aber so weit war er nie in seiner Vorstellung gegangen. Und irgendwie passte es auch gar nicht. Aoi und Reita passten nicht zusammen. Anders als Aoi und er selbst. __ Mit jeder Minute, die er mit Aoi verbrachte, rückte die Gazette-Bandbesprechung weiter in die Ferne. Kanon musste mittlerweile nicht mehr jedes Mal, wenn er Reita oder Aoi ansah, an die Tatsache denken, dass die beiden zusammen in einem Bett gelegen hatten. Trotzdem… Der Gedanke schlich sich ab und zu immer noch in seinen Kopf. Vor allem, als er zwei Tage später Bandprobe hatte. „Und es gibt wirklich nichts Neues?“, hakte Miku nach, als Kanon gerade seinen Bass aussteckte. Dieser seufzte entnervt auf. Teruki hatte bei Beginn der Probe gemeint, dass sie Kanon erst danach ausquetschen durften, weil er keine Lust hatte schon wieder zu überziehen. Schließlich heißt es ja: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Wobei es einer ganz sicher nicht als Vergnügen ansah… „Hat euch die Tratschtante nicht schon über alles aufgeklärt?“ Kanon nickte bei den Worten in Takuyas Richtung. Der Gitarrist verzog bei dem Begriff „Tratschtante“ keine Miene. Anscheinend hatte er sich schon daran gewöhnt, dass er und Shou jetzt als solche betitelt wurden. Stattdessen zuckte der Braunhaarige nur selbst mit den Schultern. „Über das Treffen hat Shou mich aufgeklärt, doch eine echte Überraschung war ja nicht dabei. Kai mit Nao, Miyavi mit Ruki, Uruha mit Gackt, Tora mit Saga oder auch nicht…“ „Du mit Shou…“, fügte der Bassist wie selbstverständlich hinzu, woraufhin Takuya sofort verstummte. Ein wirklich außergewöhnliches Phänomen, denn seit er mit Shou so gut befreundet war, hatte Kanon den Jüngeren noch nie sprachlos gesehen. „Hat dir dein allerbester Freund etwa nicht gesagt, dass auch eure Beziehung besprochen wurde?“ Tatsächlich hatte Ruki Shou aus lauter Boshaftigkeit darüber, dass dieser sich über ihn lustig gemacht hatte, bei Nao angeschwärzt, selbst eine Beziehung mit Takuya zu haben. Kanon wusste, dass das völliger Quatsch war. Der Gitarrist würde so etwas sicher nicht vor seiner Band geheim halten. Sie hatten schließlich nie so schwachsinnige Regeln besessen. Trotzdem schien Takuya die Tatsache, doch nicht alles zu wissen, aus dem Konzept zu bringen. Leider aber nur sehr kurz. „Vielleicht hat er’s einfach nicht erwähnt, weil es totaler Schwachsinn ist. Dafür hat Shou mir aber erzählt, dass du und Aoi ziemlich verliebt gewirkt habt.“ „So? Hat er das also?“ Kanon verschränkte mit hochgezogener Augenbraue die Arme. Es war seltsam, aber irgendwie fiel es ihm leichter mit diesen Gerüchten klar zu kommen, jetzt wo er wusste, dass sie wahr waren. Zumindest von seiner Seite aus. Das Abstreiten war wahrscheinlich nur ein Anzeichen gewesen, dass das Gerücht der Wahrheit entsprach. Aber würde das dann nicht bedeuten, dass das bei Takuya auch so war? „Ja! Und Aoi hat sogar einen Arm um dich gelegt!“ Kanon konnte nicht anders als kurz zu lachen. Versuchte ihn Takuya da gerade vergeblich und auf fast schon kindische Art und Weise zu ärgern und von sich selbst abzulenken? „Und du hast ihm mit total rotem Kopf was ins Ohr geflüstert!“, setzte der Jüngste noch oben drauf. Okay, so langsam wurde das doch ein bisschen unangenehm. Das, was Kanon da geflüstert hatte, war zwar völlig nebensächlich gewesen, aber so genau beobachtet zu werden, war dann doch ein wenig unheimlich. Der Bassist hörte auf zu lachen und packte seinen Bass in den Koffer, bevor er sich wieder zu dem anderen umdrehte und die Hände in die Hüften stemmte. „Dein Freund ist wirklich ein kleiner Spion!“ „Shou beobachtet nur.“ Takuya schien zufrieden zu sein, als er bemerkte, dass es der Schwarzhaarige mittlerweile doch nicht mehr ganz so leicht nahm. Kanons Verstand setzte eine Sekunde aus, als seine Lippen die Worte formten. „Wie lange beobachtet er Aoi denn schon?“ Erst als sein Gegenüber nicht sofort antwortete, verstand er seinen eigenen Gedankengang, der hinter dieser Frage steckte. War er wirklich gerade dabei, das Gespräch auf die Sache zwischen Aoi und Reita zu lenken? Dachte er wirklich, er könnte durch Takuya an mehr Informationen über das Verhältnis zwischen den beiden kommen? Und überhaupt… Er hatte doch eigentlich gedacht, er hätte damit abgeschlossen! Oder es zumindest akzeptiert. Und jetzt versuchte er hinterrücks mehr darüber herauszufinden? Über Takuya, der sicher gleich Shou erzählen würde, was er da eben gesagt hatte? Die Augenbrauen des Gitarristen wanderten bedrohlich weit in die Höhe. Mist. „Aha!“, kam es plötzlich von Miku, der sich die ganze Zeit über im Hintergrund gehalten und dem Gespräch nur grinsend gelauscht hatte. „Dann gibt es also doch etwas, was du uns noch nicht erzählt hast?“ Wieder waren alle Augenpaare auf den Bassisten gerichtet, der am liebsten laut losgebrüllt hätte. Wieso dachte denn jeder in seiner Band, er müsse jede noch so kleine Information aus Kanons Leben wissen? Okay, vielleicht war seine Verliebtheit keine echte Kleinigkeit, aber das ging die anderen trotzdem nichts an! Allerdings konnte er seine Freunde in dem Moment nicht anbrüllen und dann eingeschnappt verschwinden, weil er schließlich jetzt etwas von Takuya wissen wollte. Wenn er sich richtig erinnerte, hatte der Gitarrist schon bei der letzten Probe von Gerüchten gesprochen, die Aoi betreffen sollten. „Ich will ja nur wissen, ob Taku irgendetwas über Reita und Aoi weiß. Das ist nur allgemeines Interesse über meine Gastgeber“, meinte Kanon schulterzucken und außer Teruki schienen ihm das auch alle abzunehmen. Während der Leader ihm noch einen skeptischen Blick schenkte, sahen Miku und Yuuki schon abwartend zu Takuya. Damit hatte Kanon schon erreicht, was er erreichen wollte. Der Gitarrist tratschte einfach viel zu gern, um sich das entgehen zu lassen. „Es gibt Gerüchte über die beiden.“ „Du meinst, dass die beiden mal etwas miteinander hatten?“, hakte Yuuki nach, woraufhin Takuya nickte. „Ob es wahr ist oder nicht, ist ziemlich schwer zu sagen. Ganz Gazette bestreiten dieses Gerücht. Allerdings ist auch das wieder ziemlich auffällig, weil die Band sonst selten so geschlossen auftritt.“ Kanon versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass diese Informationen für ihn nicht neu waren – außer, dass er wusste, dass sie wirklich stimmten. Leider. Der Bassist räusperte sich und hoffte, dass seine nächsten Worte möglichst gleichgültig klangen: „Und soll da immer noch was laufen?“ Er sah aus den Augenwinkeln wie Teruki anfing zu grinsen, doch er richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf Takuya, der zu Kanons Freude den Kopf schüttelte. „Soll anscheinend eine einmalige Sache gewesen sein. Heißt es zumindest.“ „Ich nehm mal an, du hast Aoi oder Reita nicht selber gefragt?“, wollte der Bassist ganz sicher gehen. „Shou sagt das.“ Takuya war so schön sachlich, wenn es um Gerüchte ging! Zwar erzählte er wohl wirklich alles, was er gehört hatte, aber eben auch nur das und nicht irgendwelche Dinge, die er sich selbst dazugesponnen hatte. Und er sagte, wenn etwas nur ein Gerücht war. Kanon nickte, so als würde es wirklich dasselbe sein. Er wollte den Jüngeren jetzt nicht verärgern. Der war schließlich seine wichtigste Informationsquelle! Zumindest seine wichtigste unabhängige. Eine Frage blieb allerdings noch. Warum stritten Gazette das Gerücht ab? Was hatten sie davon? Verständlich, wenn sie es nicht der Öffentlichkeit preisgaben, aber alice nine zählten doch schon zu Gazettes engstem Freundeskreis und wenn die es nicht wussten, wusste es dann überhaupt irgendjemand? Vielleicht würde Kanon Aoi doch noch mal fragen. Irgendwann, wenn es gerade passte. „Aber…“, setzte Takuya plötzlich an und grinste verschwörerisch. Kein gutes Zeichen. „Vielleicht kannst du uns da ja mehr drüber sagen?“ Vier Paar Augen richteten sich auf den Schwarzhaarigen. „Hey! Du bist hier der Spion, nicht ich!“ Verteidigte sich dieser schnell. Wenn Gazette bestritten, dass zwischen Aoi und Reita etwas gelaufen war, dann hatte es einen Grund. Welcher auch immer das sein sollte. Und dann würde Kanon sicher nicht einfach so dieses gut gehütete Geheimnis ausplaudern. Wenn Reita das erfuhr, wäre er tot! Und an Aois enttäuschtes Gesicht wollte er gar nicht denken. „Aber du siehst die beiden 24 Stunden am Tag!“, warf jetzt auch Teruki mit einem Schmunzeln ein. Verräter!! Kanon hatte ihm hoch angerechnet, dass sich ihr Leader mehr oder weniger raushielt und ihn manchmal sogar aus der ein oder anderen Situation durch die Verdonnerung zum Proben gerettet hatte. Mürrisch warf er Teruki einen bösen Blick zu, was diesen aber nicht sonderlich störte. „Das heißt ja trotzdem nicht, dass wir über alles reden.“ „Zum Beispiel redet ihr nicht darüber, warum Gazette eine so wichtige Tatsache abstreiten“, grinste jetzt auch noch Yuuki. „Jungs! Ich weiß nicht, warum Gazette irgendwas abstreitet und ich weiß auch nicht was genau zwischen Reita und Aoi abgeht.“ Und das war ja noch nicht mal gelogen. „Wirken sie denn auf dich so, als würde da etwas abgehen?“, schaltete sich jetzt auch Miku in das Gespräch mit ein. Kanon stutzte. Schließlich war das die Frage, mit der er sich die letzte Tage herumgeschlagen hatte. Aoi hatte es dementiert, aber entsprach das wirklich der Wahrheit? War da nicht vielleicht doch noch irgendetwas, was die beiden Mitbewohner verband? Und zwar nicht nur auf einer freundschaftlichen Ebene? ___ Kein sehr spannendes Kapitel ^^" Hoffentlich hats euch trotzdem gefallen. Und für alle, die sich mit dem jetzigen Wissen über das... Vorkommnis zwischen Reita und Aoi nicht zufrieden geben wollen, haben wir ne gute Nachricht ^^ Wir schreiben gerade an nem oneshot zu den beiden. Und er spielt in der Zeit, kurz nachdem sie zusammen gezogen sind ûu" Is allerdings noch unsicher, wann wir damit fertig werden, weil learning by doing einfach an erster stelle steht ^^ Aber wenn wir ihn hochgeladen haben, werden wir euch hier auf jeden fall informieren. Er wird dann unter der OS-Sammlung "kyoosha - beyond the curtain" online stehen. Bis dahin.. weiterhin viel spaß mit learning by doing und natürlich vielen vielen dank für eure kommentare ^____^ Kapitel 28: Wie man verdrängt ----------------------------- Kapitel 28 Wie man verdrängt Kanon versuchte sich an einen Moment zu erinnern, den man vielleicht irgendwie romantisch deuten konnte. Doch er fand nichts. Selbst wenn die beiden Kollegen gerade nicht stritten oder sogar zur Abwechslung mal nett zueinander waren, erschien Kanon das immer nur rein freundschaftlich. „Eigentlich glaube ich nicht, dass da etwas läuft“, gestand Kanon seinen Bandmitgliedern und auch sich selbst. Wieso machte er sich denn dann so verrückt? Allerdings fiel ihm jetzt eine Tatsache ein, die ihm irgendwie nicht so passte. „Aber Reita ist in letzter Zeit sehr schlecht drauf. Selbst für seine Verhältnisse!“ Der Bassist hatte sich in den letzten Tagen immer öfter vor ihm und Aoi zurückgezogen. Er ging abends auch nicht mehr aus und saß meistens in seinem Zimmer herum. Es schien ihm auch gar nicht mehr so viel Spaß zu machen auf Kanon herumzureiten – natürlich tat er es trotzdem. „Du glaubst also, er ist eifersüchtig?“, schlussfolgerte Yuuki. Kanon zuckte nur mit den Schultern. Er hatte es nicht selbst aussprechen wollen, weil es doch ziemlich arrogant klang. Schließlich wohnte Reita mit Aoi zusammen! Sie waren beste Freunde! Wieso sollte er bitte auf Kanon eifersüchtig sein? Und dennoch hatte die Frage oft genug in seinem Kopf herumgespukt. „Ich glaube nicht, dass Reita eifersüchtig ist“, entgegnete Takuya wieder in seinem sachlichen Tonfall. „Wäre das der Fall, hätte er dich schon lange rausgeschmissen. Und vor allem hätte er dich gar nicht erst zu sich eingeladen!“ „Er konnte ja nicht wissen, dass Aoi und ich uns so gut verstehen würden.“ „Also ich glaube, Reita weiß ganz genau, dass Aoi an dir interessiert ist. Schließlich war es damals Aoi, der vorgeschlagen hat, dass wir auch zu Miyavis Geburtstagsfeier kommen.“ Kanon starrte Takuya an. „Aoi?“ Aoi hatte sie zur Party des Solokünstlers eingeladen? „Was sollte Aoi für einen Grund haben, uns…“ Und da klickte es in seinem Kopf. Aber konnte das wirklich sein? Hatte der Gazette-Gitarrist etwa schon damals ein Auge auf ihn geworfen? Aber… Sie hatten sich doch noch gar nicht gekannt! Die Blicke, die sich auf Kanon richteten, und das wissende Grinsen seiner Bandmitglieder sprachen allerdings Bände. Sie dachten das Gleiche. „Dann sollten wir uns wohl bei dir für die Einladung bedanken. Nicht bei Miyavi“, meinte Miku und grinste ihn weiterhin an. „Aber… Wieso? Ich hab ihn davor doch noch nie persönlich getroffen!“ So leicht gab er sich nicht irgendwelchen Hirngespinsten hin. Er wollte Erklärungen! Logische Erklärungen! „Jetzt denk doch mal nach!“ Yuuki boxte ihn leicht in die Seite, woraufhin Kanon ihn empört ansah. „Es ist ja nicht so, dass wir noch nie im Fernsehn waren. Vielleicht fand er dich süß und wollte sehen, ob du auch hinter der Kamera so drauf bist.“ Dem Bassisten fiel zu seiner Verwunderung keine Erwiderung ein. Vielleicht war es ja wirklich so? „Frag ihn doch einfach mal“, warf Teruki jetzt mit einem Schmunzeln ein. „Ich werd ihn bestimmt nicht fragen!“ Er wollte einfach nur widersprechen, aber im nächsten Augenblick schien Kanon der Vorschlag seines Leaders gar nicht so abwegig. Es war doch nicht weiter verfänglich, einfach mal zu fragen, ob Aoi wüsste, warum Miyavi sie eingeladen hatte. Auch wenn er sich nicht wirklich vorstellen konnte, dass der Ältere dann sagte, er hätte sie vorgeschlagen, weil er sehen wollte, ob er Kanon auch noch in Natura mochte. Obwohl… Mittlerweile traute er Aoi viel zu. Er war immer wieder von dessen unverblümten Antworten überrascht. Und dann? Dann würde er selbst wieder dastehen, rot anlaufen und nicht wissen, was er erwidern sollte. Das hatte sich dann also auch erledigt. Er musste irgendwie anders an diese Antwort kommen. „Woher weißt du das eigentlich wieder?“ „Na von Shou! Und der weiß es von Saga und der von Tora und der von Reita“, wurde ihm wie selbstverständlich geantwortet. Und der Bassist wusste nicht richtig, ob er sich darüber freute, dass Takuya so ein gutes Gedächtnis hatte. Das würde Kanon irgendwann bestimmt mal zum Verhängnis werden. „Du erzählst doch Shou nichts hiervon, oder?“, fragte der Schwarzhaarige verängstigt und als er Takuyas Grinsen sah, wusste er, dass er allen Grund dazu hatte Angst zu haben. „Was soll ich ihm nicht erzählen?“ „Na, dass ich dich über Aoi ausgequetscht hab!“ Kaum hatten die Worte Kanons Mund verlassen, wusste er, dass er lieber hätte still sein sollen. „Ich dachte das wär nur allgemeines Interesse an deinen Gastgebern“, meinte der Gitarrist grinsend. „Teru, sag ihm, dass das ein bandinternes Gespräch war!“, richtete sich Kanon jetzt fast flehend an seinen Leader. Dieser lächelte aber nur amüsiert zurück. Verräter! „Ich bezweifel, dass das etwas bringen würde. Ich glaub, Takuya kann gar nicht anders, als Shou alles zu erzählen, was er weiß. Die Information wird eh nie bei Aoi ankommen.“ Leider konnte Kanon die gelassene Meinung des Drummers nicht teilen. Wenn die Kette in die eine Richtung funktionierte, dann sicher auch in die andere. Vielleicht sollte er den anderen die Mühe sparen und direkt Reita sagen, dass er versucht hatte Aoi und ihm hinterher zu spionieren. Mit einem Mal kam dem Bassisten noch ein ganz anderer Gedanke. Wenn Reita wirklich ein Glied in dieser Kette war, dann hatte er sicher auch Informationen, die Kanon nicht hatte. Vielleicht waren die dämlichen Anspielungen des Blonden gar nicht so dämlich. Vielleicht wusste er einfach mehr, als Kanon… „Willst du deine Gedanken nicht mit uns teilen?“ Erschrocken sah der Schwarzhaarige zu Takuya herüber, der immer noch grinste. „Mit dir teil ich so schnell gar nichts mehr“, knurrte Kanon und merkte dabei, dass er sich deutlich böser anhörte als sonst. Anscheinend hatte auch Reitas Aggressivität ein bisschen auf ihn abgefärbt. Tatsächlich streckte der Gitarrist ihm nur kurz die Zunge raus, traute sich aber nicht ihn weiter zu quälen. Kanon war ganz froh darüber. Bevor Takuya es schaffte ihm noch mehr Informationen zu entlocken! „Und damit hätten wir eine weitere Probe sehr harmonisch beendet“, seufzte Teruki. ___ Sanfte Gitarrenklänge begrüßten Kanon, als er die Wohnungstür öffnete. Er bemühte sich, so leise wie möglich zu sein, um Aoi nicht zu stören. Der Ältere saß auf dem Sofa, seine Akkustikgitarre auf dem Schoß und in eine ruhige Melodie vertieft, die der Bassist nicht kannte. Auf Zehenspitzen stieg er die kleine Stufe zum Wohnzimmer hinauf und lehnte seinen Bass dort an die Wand, bevor er sich umdrehte und ein paar Schritte neben dem Sofa stehen blieb. Aoi hatte die Augen geschlossen und schlug ununterbrochen die Saiten an, um ihnen die sanfte Melodie zu entlocken, die durch das Zimmer schwebte. Auf Kanons Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. Er liebte es, dem anderen in solchen Augenblicken zuzuhören. Leider kam das nicht zu oft vor. Entweder Aoi probte für ihre Konzerte oder er unterbrach seine neuen Kompositionen, um etwas auf Notenblättern zu notieren. So versunken wie jetzt erlebte Kanon den anderen selten. Unwillkürlich breitete sich ein warmes Gefühl in ihm aus. Sein Blick wanderte wie von selbst von Aois Fingern, die die Saiten anschlugen, zu dessen Gesicht. Zu seinen Lippen. Und er musste an den Abend auf dem Dach denken. Wieso hatte Aoi ihn nicht geküsst? Wieso hatte er ihn nicht geküsst? Er hätte es tun können, aber er hatte zu lange gezögert. Seine Chance vertan. Vielleicht war es Aoi ja ähnlich gegangen? Was wäre, wenn er sich jetzt neben ihn setzen würde? Es war eine ähnliche Atmosphäre. Ähnlich ruhig und friedlich. Kanons Herz begann wieder zu schlagen. Sollte er? Traute er sich das? Auf dem Dach war er nicht mehr vollkommen nüchtern gewesen. Außerdem schlaftrunken. Und eine Ausrede für sein Verhalten hatte er dank der Kälte auch gehabt. Konnte er es jetzt tun? Wo ihm all das fehlte? Sein Körper war schneller als sein Kopf, als er zur Couch hinüberging und sich vorsichtig neben den Älteren setzte. Dieser hörte sofort auf zu Spielen und sah überrascht auf. „Bist du gerade heim gekommen? Ich hab dich gar nicht gehört!“ Kanon nickte kurz, deutete dann aber auf das Instrument. „Spielst du noch ein bisschen?“ Aois Überraschung hielt nur noch einen Augenblick an, bevor er den Kopf mit einem Lächeln senkte und neu ansetzte. Der Bassist glaubte seinen Ohren nicht, als plötzlich ein lautes „Was??“ durch die Wohnung hallte und daraufhin auch Aoi sofort von der Gitarre abließ. Im selben Augenblick kam Reita auch schon aus seinem Zimmer gestürmt und hielt Aoi sein Handy vor die Nase, zog es aber eine Sekunde später wieder weg. „Wie konnten wir das vergessen?!“ „Ich wüsst gern erstmal worums geht! Zeig her!“ Damit ergriff der Älteste das Gerät und starrte darauf. Einen Moment herrschte Stille, bevor er es dem anderen wieder zurückgab. „Ich hab neulich noch dran gedacht! Aber heute…“ „Wie du hast neulich noch dran gedacht!? Ich dachte das wär in 2 Wochen!?“ „Ich kann doch nichts dafür, wenn du dir die Daten falsch notierst!“, erwiderte Aoi giftig. „Wollt ihr mich mal aufklären?“, fragte Kanon in die angespannte Stille, woraufhin Reita ihm sein Handy reichte. „Die Probe beginnt am 17. um 8 Uhr. Keine Minute später!! Wehe, du drückst dich wieder! Und such deinen Reisepass. PS: Gruß an Kanon“ Der Bassist las die Nachricht auf dem Handydisplay einige Male, doch konnte keinen tieferen Sinn erkennen. Dem Wortlaut nach zu urteilen, hatte Reita die SMS von Kai erhalten, welcher anscheinend immer noch wütend war, dass dieser die letzte Besprechung geschwänzt hatte. Mehr konnte Kanon damit jedoch nicht anfangen. „Wozu brauchst du denn deinen Reisepass?“, fragte er den Blonden verwundert. Reita starrte ihn nur verwirrt an. Auch Aois Blick war ähnlich wie der seines Kollegen, wenn auch etwas schuldbewusster. „Du weißt es gar nicht, oder?“ Kanon sah seinen Nebensitzer nur fragend an. Was wusste er nicht?! „Wenigstens bin ich mal nicht der Einzige, der keine Ahnung hat“, hörte Kanon den anderen Bassisten vor ihm grummeln, ignorierte es allerdings. Es interessierte ihn viel mehr aus welchem Grund Aoi immer weiter in sich zusammensackte und ihn reuevoll anblickte. „Wir gehen auf Europatour“, nuschelte der Schwarzhaarige so leise, dass Kanon erst glaubte sich verhört zu haben. Vielleicht wünschte er es sich aber auch nur. „Ich wollt‘s dir ja sagen, aber es war anfangs noch so viel Zeit bis dahin und dann hab ich’s irgendwie… verdrängt.“ Kanon traute seinen Ohren nicht. Gazette würden auf Tour gehen? Nach Europa? „Aber… wann??“ Mit einem Mal ergab die Nachricht von Kai Sinn. „Fliegt ihr etwa schon am 17.?“ „Quatsch“, mischte sich jetzt der Blonde ein. Aoi schien indessen immer noch etwas abwesend. „Zwei Tage lang haben wir Intensivprobe. Wir fliegen am 19. Oktober.“ Kanon schluckte bei den Worten des Bassisten. Das war schon in 5 Tagen! Er hatte nur noch 5 Tage mit Aoi, bevor man ihn wieder vor die Tür setzte! „Tut mir Leid“, murmelte Aoi vor sich hin. „Ich hätts dir wirklich früher sagen müssen.“ Der Ältere kam ihm ein bisschen vor wie ein getretener Hund. Es tat ihm wirklich Leid und Kanon wollte nicht, dass sich der andere deshalb schlecht fühlte. Außerdem konnte er dem Gitarristen ja gar nicht böse sein. Er war eher erschrocken und traurig darüber, dass ihre gemeinsame Zeit so abrupt abgebrochen wurde. Nur noch 5 Tage. Der Satz schwirrte in seinem Kopf herum. Vielleicht war es aber auch besser so. Hätte er von vorneherein gewusst, wie lange er hier bleiben sollte, hätte er wahrscheinlich immer nur auf den Kalender geguckt und bemerkt, dass dieser Tag, an dem er ausziehen musste, viel zu schnell näher kam. Dann hätte er die Zeit mit den beiden Chaoten, die ihm letzten Endes doch ans Herz gewachsen waren – der eine aber wohl um einiges mehr als der andere – bestimmt nicht so genießen können wie er es jetzt getan hatte. „Mach dir keinen Kopf.“ Kanon versuchte Aoi anzulächeln und er hoffte, dass ihm das auch ehrlich gelang. „Ich hätte ja auch mal nachfragen können, was ihr in nächster Zeit so vorhabt.“ Das fiel ihm erst jetzt auf. Er hatte nicht einmal nachgesehen, ob Gazette demnächst auf Tour gehen würden. Es war ihm nicht einmal in den Sinn gekommen! Wie dumm. Von dem Schwarzhaarigen bekam er darauf keine Antwort, sondern nur einen betrübten Blick geschenkt. „Schön! Wenn ihr das jetzt geklärt habt, dann könnten wir uns ja jetzt mal wieder auf das eigentliche Problem konzentrieren!“, warf Reita in die bedrückende Stille und ließ Kanon und Aoi somit aufschauen. „Wo ist mein Reisepass?“ ______________ Mit diesem Kapitel haben wir unsere Grundstory "kyoosha - happy birthday to myself" was die Kapitelanzahl betrifft überschritten >__< war nie geplant.. aber na gut ^^" Wir hoffen, ihr bleibt auch weiterhin dabei... Wie viele Kapitel auch immer noch kommen werden xD Kapitel 29: Wie man sich einnistet ---------------------------------- Kein großes Vorwort diesmal, aber für ein Dankeschön für eure tollen kommentare is immer platz ^___^ Und noch ne kleine anmerkung: Wir haben nach... 29 Kapiteln.. auch mal ein Titelbild xD korai hat sich drangesetzt und das is das ergebnis ^^ Ein trailer sollte eigentlich auch noch kommen. Ich hoffe, ich schaff das in den ferien jetzt. Genau so wie der OS noch aussteht. So, jetzt wisst ihr bescheid über unsere nächsten Planungen xD Und natürlich viel Spaß auch weiterhin mit learning by doing! _________ Kapitel 29 Wie man sich einnistet „Schön! Wenn ihr das jetzt geklärt habt, dann könnten wir uns ja jetzt mal wieder auf das eigentliche Problem konzentrieren!“, warf Reita in die bedrückende Stille und ließ Kanon und Aoi somit aufschauen. „Wo ist mein Reisepass?“ Wieder Stille. Diesmal war sie aber nicht bedrückend, sondern es schwebte eher ein Anflug von Unglauben in der Luft. „Manchmal überrascht es selbst mich noch wie taktlos du sein kannst. Und dabei sind meine Erwartungen an dich schon minimal.“ Kanon konnte sich Aois Meinung nur anschließen. Gerade hatte er erfahren, dass er in fünf Tagen ausziehen musste und es interessierte Reita kein Stück. Irgendwie hatte Kanon immer angenommen, dass der Blonde ihn wenigstens etwas mochte. Scheinbar war das aber nicht der Fall. „Wieso sollte ich jetzt plötzlich Taktgefühl zeigen?“, fragte der Gazette-Bassist verärgert. „Ich hab gerade erfahren, dass ich in fünf Tagen am anderen Ende der Welt sein und da eine Tour haben werde! Der Kleine wird in der Zeit nur blöd auf unsere Couch rumliegen und meine Chips essen!“ Kanon brauchte einige Sekunden um den Vorwurf zu verarbeiten. Hatte Reita wirklich das gesagt, was er glaubte? „Das heißt, ich werde hierbleiben?“ „Natürlich bleibst du hier! Ich bin noch nicht ganz mit dir fertig. So leicht kannst du dich nicht aus dem Staub machen!“ Am liebsten wär Kanon dem Bassisten um den Hals gesprungen. Er konnte bleiben! Er musste diese Wohnung, welche ihm inzwischen wirklich ans Herz gewachsen war, nicht schon so bald verlassen. Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen bei dem Gedanken daran, dass Reita das gemeinsame Wohnen als eine Strafe für Kanon ansah. Vielleicht war es anfangs eine gewesen, doch jetzt war er über jeden verbleibenden Tag froh. Aois Gedanken schienen Kanons ähnlich zu sein, denn er lächelte den Jüngeren jetzt auch breit von der Seite an. „Dann sollten wir jetzt mal damit anfangen Reis Reisepass zu suchen“, meinte Aoi erfreut, woraufhin Kanon voller Tatendrang nickte. Wahrscheinlich hätte er sich auch gefreut, wenn er das Klo hätte putzen müssen. Hauptsache er durfte hier bleiben! „Na endlich!“, rief Reita entnervt aus. Anscheinend verstand er wirklich nicht, worum es Aoi und Kanon ging, sondern ärgerte sich nur über die Verzögerung. „Ich such in meinem Zimmer. Kleiner, du fängst hinten in der Küche an. Aoi, du bleibst mal hier.“ Nickend standen Aoi und der Bassist auf. Kanon machte sich direkt auf den Weg in die Kochnische, um die ganzen Blätter auf dem Esstisch zu durchsuchen. Allerdings glaubte er hinter sich zu hören, wie Aoi seinem Mitbewohner ein leises „Danke“ zuflüsterte. Der Papiersalat auf dem Esstisch brachte sie nicht weiter. Zumindest nicht, was den Reisepass betraf. „Ich glaub ich hab ne Mahnung gefunden!“, rief Kanon irgendwann quer durch die Wohnung und hielt besagten Brief hoch. Irgendjemand musste vergessen haben, die Miete zu bezahlen. In drei Schritten war Aoi, der zuvor die Schubladen beim Fernseher durchsucht hatte, bei ihm. „Pscht!“ „Wer hat ne Mahnung bekommen?“ Reita steckte seinen Kopf durch den Türspalt. „Niemand!“, antwortete der Gitarrist sofort und riss Kanon das Papier aus der Hand, um es zwischen den restlichen Briefen zu vergraben. Einen zweifelnden Blick später war der Blonde auch schon wieder verschwunden. „Er hält mir das ewig vor, wenn er erfährt, dass ich vergessen hab, das Geld zu überweisen“, erklärte Aoi dem verwirrten Kanon leise, während er sich zu ihm hinunterbeugte. „Wenn er was vergisst, mach ich ihn nämlich normalerweise fertig… Das wäre ein gefundenes Fressen für ihn!“ Der Bassist musste leicht schmunzeln. „Du bist ziemlich vergesslich in letzter Zeit.“ „Scheint so“, meinte der Angesprochene leicht verlegen, zwinkerte ihm dann aber kurz zu und schlenderte zurück zum Fernsehschrank. Kanon verharrte noch einen Augenblick in der Position und sah Aoi lächelnd hinterher. Er mochte es, wenn sie kleine Geheimnisse hatten, von denen niemand anderes wusste. Selbst wenn es nur um eine blöde Rechnung ging, die sie vor Reita geheim hielten. Es verband sie. Diese kleinen Augenblicke, in denen sie miteinander tuschelten. Mit diesem Gedanken aber verschwand das Lächeln auch gleich wieder aus seinem Gesicht. Er hatte nur noch vier Tage. Vier Tage, die er genießen musste. Vielleicht sollte er versuchen, sich Aoi weiter zu nähern, aber vielleicht sollte er die restlichen Tage auch einfach nur genießen. Seine Gedanken waren so durcheinander wie das Chaos auf dem Tisch. Und Kanon war sich nicht sicher, ob er es irgendwie ordnen konnte. „Ich hab ihn!“, kam es aus Reitas Zimmer. Kanon ließ sofort alle Zettel fallen und ging zurück zur Couch. Gott sei Dank musste er sich jetzt nicht durch das Chaos wühlen! „Und ich hab deinen Führerschein gefunden!“, rief Aoi laut zurück und setzte sich dann zeitgleich mit dem Jüngeren aufs Sofa. Er lächelte Kanon amüsiert an und hielt mit einer Hand den eben gefundenen Schatz in die Höhe. „Mein Perso wär mir zwar lieber, aber das ist ein Anfang“, antwortete Reita, als er aus seinem Zimmer stürmte, sich dem Ausweis aus Aois Hand schnappte und gleich weiter ins Bad lief ohne sein Tempo auch nur zu verlangsamen. „Gern geschehen“, meinte der Gitarrist noch sarkastisch, doch sein Ton hörte sich nicht wirklich vorwurfsvoll an. Wahrscheinlich empfand er eine viel zu große Schadenfreude darüber, dass Reita jetzt so in Hektik war, als dass er wirklich sauer auf ihn sein konnte. „Ich glaub, der ist für heute Abend beschäftigt“, grinste Aoi seinem Nebensitzer entgegen. Den Geräuschen nach zu urteilen war der Blonde gerade dabei den Wäschekorb auszuleeren. „Ich hab gehofft, dass Reita dich während unserer Tour hier bleiben lässt, aber ich hatte auch Angst weil seine Laune in letzter Zeit so schlecht war, dass er dich dann einfach rausschmeißt“, gestand Aoi dem Jüngeren. „Ich wollte nicht, dass du schon gehst, also hab ich dir nichts von Europa erzählt. Und Reita auch nicht.“ „Dann ist dein Plan ja ziemlich gut aufgegangen“, meinte Kanon und musste bei Aois schuldbewusstem Gesichtsausdruck Grinsen. „Du wusstest also, dass Reita sich die Daten falsch notiert hatte?“, schlussfolgerte er, woraufhin der Blick des Gitarristen sofort zum Bad huschte. Als allerdings kein wütender Reita raus stampfte, entspannte er sich wieder etwas „Da er das Thema die letzten paar Tage nie angeschnitten hat, hab ichs mir gedacht.“ Kanon schüttelte tadelnd den Kopf, woraufhin Aoi noch ein bisschen mehr in sich zusammensackte. Allerdings war Kanons tadelnder Blick nur gespielt und er war dem Älteren in Wirklichkeit ziemlich dankbar. Hätte er von der Tour gewusst, hätte er seinen Aufenthalt sicher vor der Abreise seiner Gastgeber beendet. Oder Reita hätte sein „Projekt“ davor abgeschlossen. „Wenn du in der Zeit nicht hier bleiben willst, dann kannst du auch nach Hause gehen. Wir zwingen dich nicht! Ok, Reita vielleicht schon, aber dem kann ich das auch wieder ausreden! Nur weil ich will, dass du bleibst, musst du nicht auch bleiben.“ Kanon wurde innerlich ganz warm, als er Aois Worte hörte. Aoi wollte, dass er blieb! Er wollte ihn bei sich haben! „Ich will aber bleiben“, antwortete Kanon mit leiser und doch fester Stimme, bevor er schmunzelnd hinzufügte: „Wenn ihr damit leben könnt, dass ein Fremder eure Wohnung auf den Kopf stellt.“ „Also erstmal“, erwiderte der Ältere sofort. „Bist du…“ „Kein Fremder“, vervollständigte Kanon mit einem gespielt genervten Augendrehen den Satz. Aoi ließ sich davon allerdings nicht beirren, sondern fuhr mit einem Nicken fort. „Und dann... Kannst du die Wohnung sicher nicht noch mehr auf den Kopf stellen als sie sowieso schon ist.“ „Und da bist du dir ganz sicher?“ Kanon hob verschwörerisch grinsend die Augenbrauen, was Aoi einen Moment zögern ließ, bevor er antwortete. „Okay, vielleicht bin ich mir doch nicht so ganz sicher. Aber ich glaube, ich lass es einfach mal drauf ankommen.“ Dass Reita fluchend an der Couch vorbeizischte und wieder in seinem Zimmer verschwand, bekam Kanon nur am Rande mit. Sollte der Blonde doch alleine seine Sachen suchen. Er hatte sie ja sicher auch alleine verschlampt. „Da fällt mir ein… Wann kommt ihr überhaupt zurück?“ Und schon war das Hochgefühl wieder verschwunden, das er immer hatte, wenn er so ungezwungen mit Aoi redete und herumalberte. „Wir sind nicht lange weg. 2 Wochen glaub ich. Wir müssten am 2. November wieder zurück sein. Aber ich schreib Kai nachher noch ne SMS. Muss ich sowieso machen, sonst ruft er heute Abend an und fragt, ob wir seine Nachricht bekommen haben. Und wenn er sowieso schon dabei ist, findet er sicher auch wieder irgendein Thema zum Meckern.“ „Ihr seid ganz schön fies zu Kai“, stellte Kanon mit einem leichten Lächeln fest. Normalerweise stand er ja auf Aoi Seite, aber der Gazette-Leader war immer so nett zu ihm, dass er sich fragte, ob dieses Verhalten Kais gegenüber Aoi und Reita nicht auch ein bisschen deren eigene Schuld war. Zu seinem Erstaunen schien der Gitarrist das aber ganz ähnlich zu sehen, denn er widersprach dem nicht wirklich. „Beruht auf Gegenseitigkeit“, lachte er. „Aber bis jetzt hatten wir noch nie wirklich große Probleme deshalb. Also kein Grund das zu ändern.“ „Wenn du Kai jetzt auch noch zu Moralpredigten ermutigst, dann haben wir die längste Zeit zusammengewohnt!“, rief Reita dazwischen, als er mal wieder an der Couch vorbeirauschte, um zurück ins Bad zu stürmen. Sah nicht danach aus, als hätte er seinen Personalausweis schon gefunden. Aoi seufzte genervt. Wieso musste sich Reita auch immer in jedes Gespräch einmischen? Wie ein kleines Kind, das immer im Mittelpunkt stehen musste! „Wie wär’s, wenn wir uns mal wieder was zum Essen bestellen und einen Film anschauen? Das haben wir schon lange nicht mehr gemacht!“, schlug Aoi Kanon vor und ignorierte seinen Mitbewohner einfach. Der Angesprochene zog eine Augenbraue in die Höhe. „Wir haben uns erst vorgestern was zum Essen bestellt.“ „Aber keine Pizza!“ „Stimmt. Das ist schon mindestens eine Woche her“, antwortete Kanon sarkastisch, lächelte seinen Nebensitzer aber auch gleich wieder an. Wenn Aoi es wollen würde, würde Kanon mit ihm auch tagelang trocknes, altes Brot essen. Allerdings behielt der Bassist das lieber für sich und stimmte der Pizza dann doch zu. „Wenn ihr entscheidet, was wir essen, such ich den Film aus!“ Schon war Reita aus dem Bad ins Wohnzimmer gerannt und hatte sich vor seiner DVD-Sammlung positioniert. Aoi und Kanon tauschten einen verwirrten Blick aus. „Du schaust doch eh nicht mit! Du suchst noch deine Unterlagen zusammen!“, meckerte Aoi seinen Mitbewohner an, der sich nicht einmal die Mühe machte sich für seine Antwort umzudrehen, sondern weiter nach dem passenden Film suchte. „Ich kann suchen und schauen. Das nennt man Multitasking!“ „Ich dachte, das können nur Frauen“, meinte Kanon grinsend. Langsam drehte sich der Blonde um und schenkte dem Jüngeren einen Todesblick, der sich gewaschen hatte. Kanon war das allerdings egal, weil Aoi lauthals zu lachen begonnen hatte und sich dabei seitlich an ihn lehnte. Wieder stieg die Laune des Bassisten an. Und das hatte sicher nichts mit seinem Kommentar zu tun… Der Rest des Tages verlief wie viele andere davor auch. Im Laufe des Films, den natürlich Reita ausgesucht hatte, obwohl er kaum anwesend war, bestellten sie sich ein paar Pizzen und verbrachten einen ganz gewöhnlichen Abend zusammen. Der Unterschied war nur, dass Kanon dieses Mal auffiel, wie sehr das schon alles zu seinem Tagesablauf geworden war. Er hatte Angst davor, dass sich sein Tagesablauf bald wieder ändern würde. Zuerst in der Zeit, in der Gazette in Europa waren, und danach, wenn er wieder ausziehen musste. Und das würde er irgendwann müssen. So weit war er noch nicht in seine Traumwelt abgetaucht, dass er davon ausging, einfach für immer hier bleiben zu können. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis der Film zu Ende war, als ein Piepen die heimische Atmosphäre störte. Kanon brauchte einen Augenblick und einen fragenden Blick von Aoi, bis er seinen SMS-Klingelton erkannte. Er machte allerdings keine Anstalten aufzustehen. Wer auch immer das war, er würde wegen ihm jetzt nicht diese gemütliche Position verlassen. Der Gitarrist griff aber plötzlich und ungefragt nach der Fernbedienung und drückte auf Pause. Das Bild auf dem Fernseher erstarrte. „Willst du nicht nachsehen?“, fragte er und erklärte dann gleich weiter: „Ich werd dann immer ganz hibbelig, wenn ich hör, dass ich eine SMS bekommen hab, aber nicht weiß von wem.“ „Also eigentlich…“, setzte Kanon an, stand dann aber doch seufzend auf, als der andere ihm einen unverständlichen Blick schenkte. Vielleicht war es ja wichtig. Auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, was jetzt wichtiger sein konnte, als mit Aoi einen gemütlichen Abend zu verbringen. Ein wenig missmutig schlurfte er in sein Zimmer und nahm sein Handy vom Bett, um die eingegangene SMS zu lesen. Wir gehen morgen was Trinken. Mit Saga und Shou. Bist du auch dabei? Miku Einen seiner beiden verbliebenen Abende, die er noch mit Aoi hatte, opfern, um mit seiner Band was Trinken zu gehen und sich vom Klatschtantenduo ausfragen zu lassen? Na da konnte er sich wirklich was Besseres vorstellen. Kanon wollte gerade schon tippen, als sein Blick durch die Tür fiel und er Aoi bemerkte, der auf dem Sofa kniete und seinen Kopf auf seinen Armen auf der Lehne gebettet hatte. Der Gitarrist schenkte ihm einen neugierigen Blick. Vielleicht gemischt mit ein bisschen Missmut? Eifersucht? Oder wünschte sich das Kanon gerade nur? Aber Aoi konnte ja schließlich nicht wissen, dass die SMS nur von Miku kam und von keinem heimlichen Verehrer. Aber würde der Ältere eifersüchtig sein, wenn Kanon einen Verehrer hätte? Schmunzelnd sah der Bassist von Aoi weg und wieder auf sein Handy. Vielleicht sollte er es einfach versuchen? Schließlich hatte ihm Aoi mit seinem kleinen One-Night-Stand auch eine schwere Zeit beschert. Zwar war das eigentliche Vergehen schon ein paar Jahre her, aber eine kleine Rache war da wohl erlaubt. Wenn Aoi überhaupt eifersüchtig reagieren würde. Kapitel 30: Wie man eben doch auszieht -------------------------------------- Kapitel 30 Wie man eben doch auszieht „Was Wichtiges?“, wurde ihm jetzt vom Wohnzimmer aus zugerufen und die Stimme des Gitarristen klang bei Weitem nicht so beiläufig, wie es dieser wohl gerne gehabt hätte. Kanon konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, doch da er auf das Display schaute, vermutete Aoi sicher er freue sich über die Nachricht. Er fixierte das kleine Ding in seinen Händen noch ein paar Sekunden und tat so als würde er etwas eintippen, um Aoi das Gefühl zu geben die SMS wäre ihm wichtiger als er. Was natürlich Unsinn war. Ihm war ja eigentlich total egal gewesen, wer ihm da schrieb. Ganz nebensächlich schaute er jetzt von seinem Handy auf und zu dem Gitarristen rüber, der schon ziemlich unruhig wirkte. „Geht nur um ne Verabredung morgen“, antwortete er knapp und wartete auf eine Reaktion. Tatsächlich glaubte er zu sehen, wie Aois Gesichtszüge langsam entgleisten und dieser schwer schluckte. Wurde er sogar ein bisschen blasser? Kanon entschloss sich dazu, dass er sich den Älteren mal von Nahem anschauen musste und stand von dem Bett auf, um wieder zum Sofa zu schlendern. „Bin mir aber noch nicht sicher, ob ich hingeh“, meinte er schulterzuckend und ließ sich wieder neben Aoi nieder. Der Ältere hatte noch mehr an Gesichtsfarbe verloren als Kanon gedacht hatte. „Ich… Ich wusste nicht, dass du…“, stotterte der Gitarrist, bevor er einmal tief ausatmete und sich wieder zu sammeln schien. „Mit wem ist denn diese Verabredung?“ Es war für Kanon schwer sein Hochgefühl zu unterdrücken. Das wirkte auf ihn doch sehr eindeutig! Da konnte er jetzt ja auch mit der Quälerei aufhören. „Mit meiner Band. Hab ich das nicht grade gesagt?“ Zum zweiten Mal entgleisten Aois Gesichtszüge, bevor er ein leicht empörtes „Nein!“ von sich gab. „Oh… Ach so“, meinte Kanon unschuldig und konnte ein Lachen nicht unterdrucken. „Na was dachtest du denn!?“ Der andere zuckte nur leicht mit den Schultern und wandte sich dann ein bisschen beleidigt dem Fernseher zu, auf dem noch immer das Standbild zu sehen war. Der Jüngere war sich nicht ganz sicher, ob er es ein bisschen zu weit getrieben hatte, als er aber Aois leise gemurmeltes „Jag mir doch nicht so nen Schrecken ein…“ hörte und eindeutig Erleichterung auf dessen Gesicht sah, legte er das Handy auf den Wohnzimmertisch und machte es sich wieder auf der Couch gemütlich. Er hatte sich gerade wieder in die Decke gekuschelt und die Beine angezogen und wollte Aoi fragen, ob sie weitergucken wollten, als sich dieser schlagartig zu ihm umwandte. „Morgen??“ Es dauerte einen Augenblick, bis Kanon verstand, was genau damit gemeint war, bevor er nickte. „Aber… in drei Tagen haben wir Probe! Und wenn du morgen Abend nicht da bist, dann…“ Gegen Ende war der Gitarrist immer leiser geworden, aber er wusste, worauf dieser hinauswollte. Daran hatte er ja selbst auch schon gedacht. Sie hatten nicht mehr viel Zeit miteinander. In Kanon machte sich ein warmes Gefühl breit, als ihm bewusst wurde, dass auch Aoi die Zeit wohl als viel zu knapp befand. „Wieso? Hast du morgen Abend was vor?“ Erst in diesem Moment kam ihm etwas in den Sinn. Es wäre zwar schöner, die verbliebene Zeit mit dem Älteren alleine zu verbringen, aber… „Nein, ich dachte nur…“ „Wenns dir nicht zu anstrengend ist, kannst du morgen auch mitkommen. Wenn du willst. Und dich mit meiner Band rumschlagen willst.“ Kanon sah, wie Aoi die Augenbrauen hob. Es hatte sein Interesse geweckt! Das war doch schon mal ein gutes Zeichen. „Shou und Saga kommen auch, also machts ihnen sicher nichts aus, wenn du auch dabei bist. Was meinst du dazu?“ Sie hatten ja sowieso vor Kurzem abgemacht, mal alle zusammen wegzugehen. Die Gelegenheit also. Der Ältere überlegte einen Moment und lachte dann leise. Ein noch besseres Zeichen! „Wenn Shou und Takuya dabei sind, dann kann ich dich doch nicht mit den beiden alleine lassen!“ „Du kommst also mit?“ „Wenn du mich mitnimmst?“ Kanon strahlte übers ganze Gesicht und griff dann sofort nach seinem Handy, um Miku eine Antwort zu schicken. Währenddessen ließ er sich Aois Aussage noch mal durch den Kopf gehen und kam für einen Moment beim Tippen ins Straucheln. Aoi wusste davon. Dass Takuya und Shou zu Klatschtanten mutiert waren. Seine Kettentheorie war also richtig. Aber konnte er jetzt im Umkehrschluss wirklich davon ausgehen, dass Reitas Anspielungen der Wirklichkeit entsprachen, weil dieser ein Teil der Kette war und seine Informationen direkt von Aoi bekam? „Ist irgendetwas?“ „Ähm.. nein“, beantwortete Kanon die Frage des Älteren schnell. Zu schnell, wenn er Aois skeptischen Seitenblick betrachtete. Wieso musste Aoi ihn auch so genau beobachten? Und wieso dachte er denn an so etwas, wenn er doch ganz genau wusste, dass er dann immer rot im Gesicht wurde?! „Glaubst du Reita will auch mitkommen?“, fragte er den Gitarristen, um vom eigentlichen Thema abzulenken. Scheinbar mit Erfolg, denn Aoi machte ein nachdenkliches Gesicht, ehe er rief: „Rei! Hast du Bock morgen Abend mit Kanon, mir und Kanons Band wegzugehen?“ „Als ob ich nichts Besseres zu tun hätte“, grummelte der Blonde, während er ein Haufen Klamotten aus seinem Zimmer ins Bad trug. Anscheinend wollte er die gesamte Kleidung mit nach Europa nehmen und musste sie davor noch waschen. „Auch gut. Kann er mich schon nicht in Verlegenheit bringen“, meinte Aoi grinsend und bekam darauf nur ein giftiges „Das hab ich genau gehört!“ aus dem Bad als Antwort. Kanon erwiderte Aois Grinsen trotzdem und schrieb dann die SMS fertig. Das würde sicher ein interessanter Abend werden. „Dürft ihr eigentlich so viele Klamotten mitnehmen wie Reita ins Bad schleppt?“, fragte Kanon dann, obwohl er sich die Antwort schon denken konnte. „Nein.“ Genau womit er gerechnet hatte. „Und wann willst du ihm das sagen?“ „Ach… vielleicht morgen.“ Kanon schüttelte bei Aois Antwort den Kopf, doch er konnte sich ein Lächeln einfach nicht verkneifen. Er hatte eben zu gerne Geheimnisse mit dem Gitarristen. Die Folge ihres kleinen Geheimnisses war, dass Reita im Laufe des nächsten Tages die gesamte Schmutzwäsche der Wohngemeinschaft gewaschen hatte, bevor Aoi endlich mit der Wahrheit herausrückte. Zwar verschwand Reita daraufhin wütend in seinem Zimmer, doch wenigstens war der angestaute Wäscheberg mal wieder beseitigt. „Er drückt sich eh immer vorm Waschen“, kommentierte der Gitarrist Kanons doch etwas schuldbewussten Blick, während er den Wäschekorb mit seiner und Kanon sauberer Wäsche nahm – natürlich hatte Reita nur seine Sachen rausgefischt und die anderen zerknüllt liegenlassen. „Ich glaub, ich sollte auch mal ein bisschen packen, aber du kannst mir gerne Gesellschaft leisten und mich gleich beraten, was ich später anziehen soll.“ Fröhlich nickte Kanon. Er fühlte sich zu dem Tag vor fast zwei Wochen zurückversetzt, an dem sie zusammen Klamotten kaufen gewesen waren, nur dass es jetzt andersrum war. Zeigte das nicht auch irgendwie einen Fortschritt? Eine Entwicklung? Jetzt war schließlich er derjenige, der mitbestimmen durfte, was Aoi anziehen sollte. Und dieser Gedanke machte ihn irgendwie glücklich. Sie hatten ihre Wäsche auf Kanons Bett geworfen und waren gerade dabei, diese zu sortieren und zusammenzulegen, als Aoi ein Oberteil hochhob und es genau betrachtete. „Hm… Was meinst du dazu?“ Der Ältere sah ihn an und hielt das Shirt in seine Richtung. Es hatte einen dunklen Leopardenaufdruck, der Kanon unwillkürlich eine Augenbraue heben ließ. Er stand nicht wirklich auf solche Muster, aber er hatte schon bemerkt, dass Aoi nichts gegen sie hatte, deshalb hatte er nie was gesagt. „Okay okay.“ Der andere musste ihn gerade ziemlich genau beobachtet haben, denn er lachte und faltete das Teil schnell zusammen, um es im untersten Fach seines Schranks zu verstauen. „Also manchmal unterscheidet sich unser Geschmack dann schon ziemlich.“ Dass man so viel sagen konnte, nur indem man unwillkürlich eine Augenbraue hob, brachte auch Kanon zum Lachen. Das blieb ihm dann aber im Halse stecken, als er plötzlich bemerkte, wie sich Aoi sein Shirt über den Kopf zog und jetzt mit nacktem Oberkörper neben ihm stand. Was zur…? Wieso… ? Der Bassist starrte ihn an. Viel zu offensichtlich. Ließ seinen Blick über die freigelegte Haut wandern. Sie war so makellos. Lud förmlich dazu ein sie zu berühren. In seinem Bauch begann es urplötzlich zu kribbeln. Dass sein Mund offen stand, bemerkte er gar nicht. Wie auch, wenn da derjenige, in den er verliebt war, halbnackt vor ihm stand! Man sollte meinen, Kanon hätte auf diesen Moment vorbereitet sein müssen, denn seit sie auf dem Dach gewesen waren und seit er sich eingestanden hatte, dass er verliebt war, hatte er immer wieder den Gedanken zurückdrängen müssen, wie es wäre, wenn sich Aoi vor ihm umziehen würde. Vor ihm ausziehen würde. Und jetzt tat er es einfach? Einfach so? Nein, er war darauf nicht vorbereitet gewesen. Aber was hätte alle mentale Vorbereitung schon gebracht, wenn dann sein Körper verrückt spielte? Seine Kehle wurde ganz trocken und sein Herz schien ihm aus der Brust springen zu wollen. Er brauchte all seine Beherrschung, um nicht einfach die Hand auszustrecken und über diesen wohlgeformten Körper zu streichen. „Alles in Ordnung?“, wurde Kanon vom Älteren gefragt. Die Frage musste ja kommen, wenn er ihn so lange anstarrte! „Ähm… ja! Ich überlege mir nur, was wir dir jetzt anziehen könnten“, antwortete er schnell und wär seine Stimme dabei nicht so zittrig gewesen, hätte Aoi es ihm vielleicht sogar abgekauft. Stattdessen lächelte der Ältere ihn nur spitzbübisch an. „Und ich hab schon gehofft, du würdest mich aus einem anderen Grund anstarren.“ Sofort drehte sich Kanon von dem Gitarristen weg. Sein Gesicht brannte wie Feuer. Ohne weiter zu überlegen riss er Aois Kleiderschrank auf. Fahrig durchstöberte er die Hemden an den Bügeln, wobei er sich nicht einmal sicher war, ob er momentan blau von rot unterscheiden konnte. Ob sich Aois Haut wohl genau so sanft anfühlte, wie sie aussah? „Ziemlich große Auswahl“, lachte er nervös. Wie sollte er auch etwas finden? Kein Kleidungsstück der Welt konnte diesen Anblick übertreffen! „Ich kann ja mehrere Sachen anprobieren. Wir haben ja Zeit“, erklang es jetzt ganz nah an Kanons Ohr. Er hielt kurz in der Bewegung inne. Aoi stand jetzt unmittelbar hinter ihm. Er konnte seinen Atem spüren. Seinen Duft wahrnehmen. Seine Körperwärme fühlen. Wie würde diese betörende Wärme wohl sein, wenn sie sich wirklich berühren würden? Wenn kein lästiger Stoff seinen Körper bedecken würde und Aoi ihm noch ein bisschen näher war? Hautkontakt. „Wie wär’s mit dem hier?“ Kanon hatte ein Oberteil aus dem Schrank gezogen. Irgendeins. Eigentlich hatte er nur mal wieder etwas sagen wollen, um die gefährlichen Gedanken abzuwenden. „Hmm... ich weiß nicht. Ich glaub, das ist eher dein Stil“, meinte Aoi wieder nah an Kanons Ohr. „Vielleicht solltest du’s mal anprobieren.“ Die Stimme des Älteren klang nicht mehr herausfordernd oder neckend. Sie war weich. Angenehm. Leise. Und so nah. Kanon war kurz davor, sich einfach mit dem Rücken an die Brust hinter sich zu lehnen. Die Augen zu schließen. Aoi zu küssen. Sein Herz schlug so unglaublich stark und er führte einen hoffnungslosen Kampf mit sich selbst. Es fühlte sich an als würden seine Lungen nicht genügend Sauerstoff bekommen und gleichzeitig kämpfte er dagegen an zu schnell zu atmen. Zu auffällig zu atmen. Er musste sich nur umdrehen. Aoi war nur Zentimeter von ihm entfernt. Es benötigte nur ein Bruchteil einer Sekunde, bis er seine Hand auf den nackten Oberkörper legen und darüber streichen könnte. Bis seine Lippen auf Aois liegen würden. Nur ein Bruchteil einer Sekunde! „Das ist mir zu groß“, brachte Kanon aber stattdessen nur zittrig heraus und zog kaum hörbar die Luft ein, als der andere um ihn herumgriff und ihm das Oberteil aus der Hand nahm. Sanft berührte er dabei den Arm des Bassisten, der nicht verhindern konnte, dass sich eine leichte Gänsehaut darauf ausbreitete. Verdammt, sein ganzer Körper verriet ihn! Sein ganzes Verhalten. Einfach alles. Aoi müsste ganz schön dämlich sein, das nicht zu bemerken. Es besserte sich auch nicht, als ihn dieser sanft an den Schultern zu sich umdrehte. Kanon versuchte seinem Blick auszuweichen und auf den Boden zu sehen, aber stattdessen blieb er an dem nackten Oberkörper vor sich hängen. Es war wie eine Sucht. Er konnte einfach nicht wegsehen. Und er konnte sich auch nicht dagegen wehren, als Aoi das Oberteil einfach fallen ließ und nach dem Saum seines Shirts griff, um es langsam nach oben zu ziehen. Er konnte einfach nichts dagegen tun. Mit klopfendem Herzen hob er die Arme. Ohne ihm auch nur ein Wort des Widerspruchs entgegenzubringen. Er ließ einfach zu, dass Aoi mit zarten Berührungen seine Haut streifte. Ihn auszog. _____ Jaa, es gibt eben nicht nur eine Art von "ausziehen" ;) Und am Ende noch ein Dankeschön an HikariNoMizuki, klene-Nachtelfe und Pappteller für die lieben kommis ^___^ Kapitel 31: Wie man sich näher kommt ------------------------------------ kein großes vorwort diesmal.. würde euch ja nur weiter auf die folter spannen xD aber ein riesen großes danke für eure kommentare müssen wir trotzdem loswerden! ^_____^ Und jetz viel spaß mit ~ Kapitel 31 Wie man sich näher kommt Mit klopfendem Herzen hob er die Arme. Ohne ihm auch nur ein Wort des Widerspruchs entgegenzubringen. Er ließ einfach zu, dass Aoi mit zarten Berührungen seine Haut streifte. Ihn auszog. Kanons Shirt landete achtlos auf dem Boden. Eine Gänsehaut breitete sich auf seinem Körper aus, die sicher nicht von der Temperatur ausgelöst wurde. Sie kam eher von dem Blick, mit dem der Ältere ganz unverhohlen die eben freigelegte Haut betrachtete. Ob ihm Kanons Körper gefiel? Der Jüngere konnte in Aois Blick nicht viel lesen. Er kannte ihn nicht. Zumindest nicht mit dieser Intensität. Kanon glaubte, dass die innere Anspannung ihn bald zerreißen würde. Er versuchte seine Atmung so ruhig wie möglich zu halten, doch es war zwecklos. „Du hyperventilierst ja fast.“ Aois Stimme war weich. Ebenso wie es die Hand war, die nun zärtlich auf Kanons Brust lag. Der Bassis zog scharf die Luft ein. Wusste Aoi eigentlich was er da mit ihm machte? „Und dein Herz schlägt so schnell.“ Die Hand streichelte kaum merkbar über Kanons Brust. Aois Finger fuhren leicht sein Schlüsselbein nach. Beschleunigten Kanons ohnehin schon zu heftigen Herzschlag noch um einiges. Der Blick des Jüngeren war wieder starr auf Aois Oberkörper gerichtet. Er wusste nicht, was er antworten sollte. Was er tun sollte. Er konnte an nichts denken außer an die sanfte Berührung. Es benötigte all seiner Körperbeherrschung, um nichts Dummes anzustellen, und ein Teil von ihm verfluchte den Älteren dafür, dass er es ihm immer schwerer machte ruhig zu bleiben. Der andere Teil hoffte allerdings darauf, dass der Ältere weiter ging. Noch einen Schritt wagte. Vielleicht sogar auch mehrere. Denn obwohl Kanon schon mit dieser einen Berührung nicht umgehen konnte, so sehnte er sich trotzdem nach viel mehr Überforderung. Und tatsächlich verringerte Aoi den Abstand zwischen ihnen noch ein wenig. „Vielleicht ja doch eine Grippe“, murmelte der Ältere gedankenabwesend. „Vielleicht“, antwortete der Jüngere zittrig und versuchte einen Schauer zu unterdrücken. Zwecklos. Aoi stockte in seiner Bewegung. „Ist dir kalt?“ Sofort sah Kanon auf und wollte es schon bestreiten. Er wollte nicht, dass Aoi genauer darüber nachdachte, dass sie gerade halb nackt in seinem Schlafzimmer standen und sich eigentlich Hemden anziehen wollten. Doch als er dann den Blick des Älteren sah, glaubte er, dass Aoi auf etwas anderes hinauswollte. Kanon wusste nicht, was er tun sollte. Er konnte sich nicht rühren. War völlig überfordert mit allem. Er konnte sich nicht daran erinnern, je schon mal so zerstreut gewesen zu sein. Und endlich erlöste ihn eine kleine Tat aus seiner Starre. Aois Hand fuhr von Kanons Schlüsselbein zu seiner Schulter hinauf, während seine Mundwinkel ein leichtes Lächeln hervorbrachten. So liebevoll und voller Gefühl, dass es der Jüngere nicht mehr aushielt. Er musste gar keinen Schritt mehr machen, um Aoi noch näher zu sein. Er lehnte sich einfach nur ein wenig vor, legte seinen Kopf auf die Schulter seines Gegenübers und platzierte seine Hand auf dessen Brust, während dieser im gleichen Moment den anderen Arm hob und ihn auf Kanons Rücken legte. Wann war eigentlich der Moment erreicht, in dem ein Herz einfach nicht mehr schneller schlagen konnte? Kanon fühlte sich so, als würden gleich Tränen des Glücks über seine Wangen fließen. Einfach nur hier zu stehen und Aois warme Haut unter seinen Fingerkuppen zu spüren, war in diesem Moment alles, was er brauchte. Alles, was ihm in den letzten Tagen gefehlt hatte. Er hörte das Herz des anderen schlagen. Fühlte es durch dessen warme Brust hindurch. Und es schlug nicht weniger schnell als sein eigenes. Allein diese Tatsache veranlasste Kanon dazu zu lächeln. Er schloss die Augen, ließ sein Kopf ein wenig sinken, um ihn besser zu hören, und lauschte einfach nur dem gleichmäßigen Klang. Er beruhigte ihn. Normalisierte seine Atmung allmählich und ließ ihn den Moment genießen. Kanon spürte, wie Aoi den Kopf leicht an seinen eigenen lehnte. Ihren Körperkontakt noch verstärkte. Der Jüngere dachte an nichts mehr. Es genügte ihm völlig, hier zu stehen. Aois Haut unter seiner. Dessen Arme auf seinem Rücken und der leichte Druck, den diese auf ihn ausübten. Es war alles perfekt. „Du zitterst“, hörte Kanon den anderen nach einer kleinen Ewigkeit sagen. Ganz leise und ganz nah an seinem Ohr. Und tatsächlich. Er hatte es gar nicht richtig bemerkt, aber er hatte wirklich begonnen zu zittern. Oder zumindest leicht zu frösteln. Obwohl Aois Haut so warm war. Obwohl sie ihm so viel Wärme schenkte. Er fühlte, wie er ganz sanft weggeschoben wurde. Der fehlende Kontakt sorgte nur dafür, dass es Kanon noch kälter wurde. Er noch mehr zitterte. „Wir sollten dir wieder was anziehen“, meinte Aoi sanft. Der Ältere entfernte sich sogar noch ein Stück von Kanon, um das Hemd aufzuheben, welches er fallen gelassen hatte. Der Bassist konnte ein leichtes Murren nicht unterdrücken, aber sagte sonst nichts. Er wusste, dass der Moment vorbei war, auch wenn er dem Älteren am liebsten um den Hals gesprungen wäre, um den Körperkontakt sogar noch mehr zu intensivieren. Doch statt sich jetzt an diesen unglaublichen Körper pressen zu dürfen, musste er sich mit einem Fetzen Stoff begnügen. Zu seiner Freude reichte der Ältere ihm das Hemd allerdings nicht, sondern legte es Kanon selbst um und begann dann die Knöpfe zu schließen. Kanon genoss es, dass Aoi ihm immer noch so nah war. Es war als würde es Aoi ebenfalls schwer fallen sich von dem Jüngeren zu trennen. Vielleicht spürte er es auch. Spürte auch, wie richtig diese Nähe zwischen ihnen war. Leider sah der Ältere nicht Kanon an, sondern hatte den Blick immer noch auf das Hemd gerichtet, welches er langsam zuknöpfte. Der Jüngere wollte, dass Aoi ihn anschaute. Er wollte wissen, ob dieser genau so dachte. Genau so fühlte. Möglich wäre es doch, oder? Entschlossen legte Kanon seine Hände auf Aois Oberarme. Er wollte nicht nur da stehen und warten. Er wollte keine Chance vergehen lassen. Der Jüngere übte keinen Druck aus, doch trotzdem stoppte Aoi in seiner Bewegung. Langsam sah der Gitarrist zu Kanon auf. Es lag keine Verwunderung in seinem Blick. Dafür so viel Anderes. So viel Neues gemischt mit so viel Altem, sodass Kanon den Blick nicht deuten konnte. Trotzdem glaubte er etwas zu erkennen. Etwas, was er damals schon auf dem Dach in Aois Blick gesehen hatte und was ihm jetzt den Mut gab, Aoi wieder ein Stückchen näher zu ziehen. „Was treibt ihr beide eigentlich da drin!?“ Kanon machte erschrocken einen Schritt zurück, als er Reitas Stimme durch die Tür hörte, und wandte den Blick sofort dorthin. Aber diese blieb zu. Zum Glück. Der Blonde musste sie ja nicht gerade sehen, wie sie beide so nah beieinander gestanden hatten und sich… Ja was eigentlich? Das Kribbeln in Kanons Bauch, das für einen kurzen Moment in den Hintergrund gerutscht war, machte sich sofort wieder bemerkbar. So als verlangte es wieder nach Aufmerksamkeit. Als verlangte es nach einer natlosen Fortsetzung an den vorigen Augenblick. Und Kanon selbst verlangte auch danach. Er sah Aoi wieder an und dieser erwiderte seinen Blick. Wenn auch wesentlich erschrockener und ratloser als Kanon selbst war. Allein diese Tatsache fand der Bassist so unglaublich niedlich, dass er nicht drumherum kam verträumt zu lächeln. Der andere war nicht oft sprachlos. Oder ratlos. Hatte das dann jetzt eine tiefere Bedeutung? Sein Lächeln wurde ihm aber gleich aus dem Gesicht gewischt, als sich Reita wieder bemerkbar machte. „Ich komm jetzt rein! Und wehe ich seh irgendwas, was ich nicht sehen will!“ Was?? Reita konnte jetzt nicht reinkommen! Er war nur halb angezogen und Aoi hatte gar kein Oberteil an! Außerdem war er jetzt viel zu verplant, um irgendein anständiges Gespräch auf die Reihe zu bekommen! Und sein Gesicht war bestimmt total rot! Reita konnte jetzt nicht reinkommen! Hektisch sah Kanon zu Aoi, der wohl nicht weniger in Panik war, aber zumindest handeln konnte und irgendein Shirt aus dem Schrank riss. Der Jüngere hingegen wandte sich dem Spiegel zu und fummelte mit zittrigen Händen an den Knöpfen seines Hemds rum. Im Spiegelbild sah er, wie die Tür sich dann tatsächlich einen Spalt öffnete und Reitas Kopf hereinschaute. „Ihr könnt mir ruhig mal antworten!“, sagte er aber nur mit einer erhobenen Augenbraue und warf den beiden einen prüfenden Blick zu. „Und du kannst damit aufhören, einfach in mein Zimmer zu platzen!“, antwortete ihm Aoi, allerdings weitaus weniger angriffslustig als er sonst in einer solchen Situation war. „Wenn ihr euch hier tot stellt, muss ich doch mal nachgucken!“ „Was willst du denn?“ Die Stimme des Gitarristen klang gereizt. Kanon bekam aus den Augenwinkeln mit wie er sich das Shirt über den Kopf zog, nach dem er eben so wahllos gegriffen hatte. „Hab ich doch eben gesagt! Gucken ob ihr noch lebt!“ „Tun wir.“ Einen Moment herrschte Stelle, bevor Reita die Augen verdrehte und die Tür wieder zuschlug. Aber nicht, ohne ein „Knöpf dein Hemd richtig zu, Kleiner!“ in den Raum zu werfen. Der Angesprochene sah an sich herunter und tatsächlich. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er es falsch geknöpft hatte. Es fühlte sich an als würde auch noch das restliche Blut, das noch nicht in seinem Kopf war, genau dorthin schießen. „Deshalb wollte ich’s dir ja zumachen“, meinte Aoi grinsend, was Kanon nur mit einem „Haha.“ kommentierte. Als sein Blick dann aber über den Älteren wanderte, musste auch Kanon schmunzeln. „Wenigstens trag ich mein Oberteil richtig rum.“ Aoi schenkte Kanon einen verwirrten Blick und schien dann aber doch zu begreifen. „Verdammt“, murmelte der Ältere leise, als er sich im Spiegelbild betrachtete. Die Nähte seines Shirts befanden sich außen und den Aufdruck konnte man nur leicht durch den Stoff hindurch ausmachen. Als er sich und Aoi so im Spiegel betrachtete, musste Kanon schon zugeben, dass sie ein eigenartiges Paar abgaben. Er mit seinem schräg geknöpften Hemd und Aoi, der die Innenseite seines Shirts eben nach außen trug. Kurz trafen sich die Blicke der beiden im Spiegel und sie musste gleichzeitig anfangen zu lachen. Sie sahen auch wirklich zu bescheuert aus! „Was Reita jetzt wohl denkt?“, kicherte der Jüngere und wischte sich ein paar Lachtränen aus den Augen. Ihr Plan sich ganz unauffällig anzuziehen war wohl gescheitert, also würde Reita sicher annehmen, sie wären davor halbnackt in Aois Schlafzimmer gewesen – was ja auch stimmte. Nur hatten sie nicht das gemacht, wovon der Blonde nun garantiert ausging. „Ach, lass Reita doch seinen Spaß!“, meinte Aoi schmunzelnd, während er das Shirt auszog und richtig herum wieder an. Kanon fand es ein bisschen schade, dass Aois Oberkörper jetzt bedeckt war, aber vielleicht war das auch besser so. So blieb das Blut wenigstens in seinem Gehirn. Der Jüngere setzte sich auf’s Bett und beschäftigte sich wieder mit dem Knöpfen des Hemdes. In der Zwischenzeit hatte Aoi damit begonnen seinen Schrank zu durchstöbern. Stimmt ja! Eigentlich waren sie ja hier, um für den Abend ein passendes Outfit zu finden und weil Aoi packen musste. Scheinbar wollte der Gitarrist jetzt mit der Tätigkeit fortfahren. Es war komisch wie plötzlich alles wieder normal war. Hatten sie sich vor einigen Minuten wirklich noch so nahe gestanden? Der Gedanke daran, was weiter hätte passieren können, wenn Reita nicht dazwischengeplatzt wäre, machte ihn verrückt! Aber wenigstens wusste er jetzt eins: Aoi mochte ihn. Und das war keine Einbildung. Keine Wunschvorstellung. Naja, eine Wunschvorstellung war es schon, aber eine, die wahr war! Konnte er nicht einfach wieder zu dem anderen gehen und da weitermachen, wo sie aufgehört hatten? Seine Frage beantwortete sich von selbst, als Aoi ein paar Klamotten auf das Bett neben Kanon warf und dann begann zu sortieren. „Das kann ich mitnehmen, oder?“ Er hielt dem Jüngeren ein hellrotes Shirt entgegen, wie Aoi es manchmal in seiner Freizeit trug. Der Bassist zwang sich ein Lächeln aufs Gesicht und nickte dann. „Klar!“ Entweder bemerkte der andere die Zwanghaftigkeit nicht oder er ignorierte sie. Kanon konnte es nicht wirklich sagen, aber es wäre das erste Mal, dass Aoi ihn nicht durchschaute. Oder ihn ignorierte. Und egal welcher Fall der Wahrheit entsprach, er stellte sich die Frage, warum es so war. „Wow! Wie die Zeit vergeht!“, warf Aoi plötzlich wenig später ein. Der Koffer war etwa bis zur Hälfte gefüllt mit Kleidung. Alles wild durcheinander, sodass Kanon annahm, er packte gerade noch nicht wirklich, sondern entschied nur, was mitkam. Tatsächlich war es schon Abend und sie sollten sich so langsam fertig machen, wenn sie nicht zu spät kommen wollten. Drei Oberteile und zwei Hosen waren auf dem „Für heute Abend“-Stapel gelandet – wie Aoi ihn nannte. „Meinst du das kann ich zusammen anziehen?“, fragte er und zog eine dunkle Jeans und ein schwarzes Oberteil aus dem Stapel. „Ich find das schöner“, antwortete Kanon ehrlich und griff nach einem weißen Shirt von demselben Stapel. „Okay, danke! Wenn ich dich nicht hätte!“, grinste ihn Aoi an und nahm ihm das Oberteil aus der Hand. Dann zog er sich das Shirt über den Kopf, nachdem er Kanon den Rücken zugewandt hatte. Und dem Jüngeren damit einen tiefen Stich versetzte. __ Kapitel 32: Wie man Sorgen überschminkt --------------------------------------- Kapitel 32 Wie man Sorgen überschminkt Kanon starrte lustlos sein Spiegelbild an. Seitdem er vor 10 Minuten zu Aoi gemeint hatte, er würde sich für den Abend frisch machen gehen, hatte er es gerade mal geschafft sich die Haare zu kämmen. Er hatte keine Lust sich jetzt zu stylen und wegzugehen. Eigentlich wollte er nur denken und analysieren. Er wurde aus Aoi einfach nicht schlau! In diesem einen Moment schienen sie sich so furchtbar nah gewesen zu sein. Nicht nur körperlich! Kanon hatte etwas im Blick des Älteren gesehen. Oder war es nur seine eigene Verliebtheit gewesen, die sich in Aois Augen reflektiert hatte? Schlug sein eigenes Herz inzwischen so laut, dass er sich nur einbildete, es würde mit dem des Gitarristen im Einklang schlagen? Aber hatte sich diese Umarmung doch nicht eingebildet! Ebensowenig wie die fadenscheinige Begründung für diesen Körperkontakt! Wieso benahm sich dann der Ältere so als wäre es wirklich nicht mehr? Nur eine Einbildung. Kanon seufzte schwer. Er bereute es einen Moment, Aoi zu dem Abend eingeladen zu haben. Wenn nicht, hätte er wenigstens mit seinen Freunden sprechen können. Noch ein paar Vorschläge gesammelt, wie man dieser Ratlosigkeit entfliehen konnte. Kanon wusste allerdings, dass dann immer noch Shou und Saga dabei gewesen wären. Und wahrscheinlich wär er wieder zu stolz, um zuzugeben, dass er verliebt war. Außerdem wollte er den Abend immer noch mit Aoi verbringen. Er wollte den Älteren bei sich haben. Egal wie sehr das seine ganze Gefühlswelt auf den Kopf stellte. Sein Blick wanderte von seinem Spiegelbild herab aufs Waschbecken. Kanon konnte sich gerade nicht selbst in die Augen schauen. Er wünschte, er hätte den Mut einfach zurück zu Aoi zu gehen. Ihn zu fragen, was das sollte. Er wünschte, er hätte den Mut zu fragen, ob das für den Älteren nur ein Spiel war. Den Mut, die Vollendung des Moments einzufordern. Den Mut, auf seinen ersehnten Kuss zu bestehen. Er wünschte, er hätte diesen Mut. Natürlich hatte er ihn nicht. Und woher sollte er ihn auch so plötzlich nehmen? Nein, wahrscheinlicher war es, dass sie so lange umeinander herumschleichen würden, bis Aoi irgendwann das Interesse verlor. So würde es enden. Kanons Blick fiel auf die Tasche mit seinen Stylingutensilien neben dem Waschbecken. Er zögerte einen Moment, griff dann aber doch danach, um ein paar Sachen daraus hervorzuziehen. Ob die Schminke seine Gedanken unter sich begraben konnte? Verbergen konnte, dass er kurz davor war, Tränen der Verzweiflung zu weinen? Er hoffte es. Es musste nicht die ganze Welt wissen, dass er Probleme hatte. Probleme mit dem Mann, der den ganzen Abend bei ihm sein würde, aber doch nicht nah genug. Also trug er das Make-up auf. Er versuchte es nicht anders zu machen als sonst. Sich nicht zu überschminken, denn auch das würde wahrscheinlich Fragen der anderen mit sich ziehen. Mit jedem Handgriff wurde er unsicherer. Er versteckte sich hinter einer Fassade. Sogar vor seinen besten Freunden. Würde es ihm wirklich besser gehen, wenn ihn niemand in einer unbemerkten Sekunde fragte, was los war? Wenn alle dachten, es ginge ihm gut? Wollte er seine besten Freunde überhaupt täuschen? Sein Gedankengang endete damit, dass er sein Gesicht wusch und das Make-up im Abwasserkanal verschwand. Nur damit Kanon in den Spiegel blicken und die teilweise verlaufene Schminke betrachten konnte. Ja, es gab diese Augenblicke. In denen seine Fassade, seine Fassung verschwamm. Und in letzter Zeit waren diese Augenblicke meistens gewesen, wenn er mit Aoi zusammen gewesen war. „Kanon? Bist du noch da drin?“ Der Angesprochene bekam einen Schrecken, als er Aois Stimme aus dem Wohnzimmer hörte. Natürlich war er noch im Bad! Und er war keinen Schritt weiter als vorher. Mit der Ausnahme, dass er sein Gesicht jetzt erstmal noch richtig waschen durfte. „Ich brauch noch kurz!“, rief er schnell, bevor er hektisch damit begann, die Reste seiner unüberlegten Waschaktion zu beseitigen. Er würde wohl noch ein bisschen länger brauchen als „kurz“. Seufzend nahm er ein feuchtes Tuch und begann, seine Augen von dem schwarzen Geschmiere zu befreien. Und dann? Wieder schminken? Es lassen und sich Aois fragenden Blick aussetzen, weil er so lange im Bad gewesen war und trotzdem aussah wie davor? Er wusste es nicht. Vielleicht sollte er einfach die Tür verriegeln und für immer in diesem Badezimmer bleiben und sich von Seife ernähren. Toilette und fließendes Wasser gab’s schließlich auch. Als hätte jemand seine Gedankengänge verfolgt, wurde die Badezimmertür mit einem Mal stürmisch aufgerissen. Der Gedankenleser war heute allerdings nicht Aoi, sondern Reita. Kanon war einen Moment sogar erleichtert, dass es der Blonde war, weil er nicht mehr so recht wusste, wie er sich gegenüber Aoi verhalten sollte. Als Reita dann allerdings die Tür wieder hinter sich schloss und sich wie ganz selbstverständlich neben Kanon vor den Spiegel platzierte, wurde der Schwarzhaarige doch ein bisschen sauer. Hatte man hier denn gar keine Privatsphäre? Zu allem Überfluss begutachtete ihn der Blonde auch noch mit hochgezogener Augenbraue. „Du bist aber noch nicht sehr weit gekommen.“ „Ich bin ja auch noch nicht fertig“, zischte Kanon böse zurück, um Reita klarzumachen, dass er ihn hier gerade störte. Und anscheinend hatte der Ältere den Wink tatsächlich verstanden. „Bist du etwa sauer, weil ich dich und Aoi vorhin gestört hab?“ Ein ziemlich dreckiges Grinsen breitete sich auf Reitas Gesicht aus, welches ihm Kanon am liebsten aus dem Gesicht geschlagen hätte. Allerdings wusste er auch, dass Reita nicht sein eigentliches Problem war. Naja, irgendwie schon, weil er den Moment wirklich gestört hatte. Aber eigentlich war Kanon vor allem auf sich selbst sauer. Also atmete er noch einmal tief durch und schminkte sich weiter ab. „Aoi und ich haben nichts gemacht, also kannst du uns auch gar nicht gestört haben.“ Er wusste, dass Reita sich nicht damit zufrieden geben würde. Schließlichen hatten er und Aoi sich halbnackt in den Armen gelegen. „Dann will ich besser nicht wissen, was ihr treibt, wenn ich deiner Ansicht nach störe.“ Das Grinsen des Blonden wurde noch breiter, während er ein paar seiner Stylingutensilien von der Ablage nahm, sie betrachtete und wieder zurücklegte. So ging das ein paar Mal, bis Kanon genervt seufzte. „Was machst du da eigentlich? Ich kann mich nicht schminken, wenn du ständig vor meinem Gesicht rumfuchtelst!“ „Ich guck was ich mir für Europa neu kaufen muss!“ Der Jüngere hielt für einen Moment in seinem Tun inne und betrachtete Reita im Spiegelbild, der gerade dabei war, seinen Kajal unter die Lupe zu nehmen. „Dir ist schon klar, dass ihr grade mal knapp 2 Wochen weg sein werdet?“ Der benahm sich ja fast so, als würden sie drei Monate auf Tour gehen. Und als würde es in Europa keine Kosmetik geben. „Ja und?“ Reita sah ihn ebenfalls durch den Spiegel an und sein Blick wirkte völlig verständnislos. „Wenn mir was ausgeht, dann haben die das in Europa bestimmt nicht.“ Kanon verdrehte die Augen und machte sich anschließend daran, seine Haare in die richtige Position zu bringen. Eigentlich schwachsinnig, weil er sich ja noch nicht umgezogen hatte, aber wirklich auftakeln würde er sich auch nicht. Schließlich ging er ja eigentlich nur mit seinen Freunden weg. Er betrachtete sein Spiegelbild und schüttelte dann leicht den Kopf. Wenn das wirklich sein Standpunkt war, dann hätte er sich jetzt beim Styling sicher nicht so viel Mühe gegeben. Sein Unterbewusstsein machte einfach was es wollte! „Rei, geh mal zur Seite. Ich muss da jetzt hin.“ Kanon sah im Spiegelbild, wie Aoi mit diesen Worten das Bad betrat. „Du kannst auch noch 10 Minuten warten. Bis ich fertig bin. Oder der Kleine“, wurde ihm aber ebenso wirsch geantwortet. „Wir müssen in ner halben Stunde los und du kannst das auch noch machen, wenn wir weg sind.“ Was?? Stand er schon so lange im Bad? Erschrocken betrachtete Kanon sein Spiegelbild. Er sah nicht wirklich danach aus, als ob er sich schon so lange gestylt hätte. Doch entweder fiel es Aoi nicht auf oder er ignorierte die Tatsache einfach, denn anders als sein toller Mitbewohner hatte er kein blöden Kommentar auf Lager. Stattdessen schob der Gitarrist Reita ziemlich ruppig zur Seite und stellte sich dann auf dessen Platz neben Kanon. „Lass den Scheiß, Aoi! Ich hab’s genau so eilig wie ihr!“ Der Blonde quetschte sich wieder mit vor den Spiegel, sodass Aoi nun halb hinter Kanon stand. Dank des Größenunterschieds war das aber kein wirkliches Problem. Zumindest nicht für den Gitarristen. Kanon verwirrte diese körperliche Nähe nur. Natürlich empfand er sie immer noch als angenehm. Aber irgendwie war es ihm jetzt unangenehm, sie angenehm zu finden. Wie gesagt: Verwirrend. Doch auch das schien Aoi zu ignorieren. „Und was hast du heute noch vor? Ziehst du mit deinem geliebten Tora noch ein letztes Mal um die Häuser, bevor ihr euch so schrecklich lange nicht mehr gemeinsam abfüllen könnt?“ Reita schnaubte verächtlich, was wohl seine Antwort auf Aois zweite Frage sein sollte. „Ich komm mit euch mit.“ Sowohl Kanon als auch Aoi sahen den Blonden jetzt verwundert an, der in aller Seelenruhe begann seine Haare zu stylen. „Wer hat dich denn eingeladen?“, wollte Aoi jetzt von seinem Mitbewohner wissen. „Na, du! Gestern Abend.“ „Das weiß ich schon noch, du Idiot. Aber du hast gestern abgesagt.“ „Und jetz hab ich’s mir anders überlegt!“ „Das kannst du aber nicht einfach so entscheiden!“ „Und wieso nicht?“ Aoi Blick wanderte jetz demonstrativ zu Kanon, der nur irritiert zurückschaute, bis ihm endlich einfiel, was der Ältere wollte. Schließlich war es seine Band. Da hatte er anscheinend zu entscheiden. Er sah zu dem anderen Bassisten, der ihn jetzt ebenfalls fragend ansah. Es wär schon ziemlich gemein, Reita jetzt hier zu lassen und er wollte es sich mit dem Blonden nicht verscherzen. Außerdem bedeutete Reitas Anwesenheit zwangläufig, dass er weniger mit Aoi alleine sein würde. Und solange er sich noch nicht von der Schlafzimmerszene erholt hatte, kam Kanon das ganz gelegen. „Ich ruf mal an… und frag die anderen.“ Damit verschwand der Jüngste aus dem Bad. Gerade noch gerettet. Und so konnte er die Schuld auf die anderen schieben. Denn er wollte weder dass Reita wütend war, wenn er ihm absagte, noch dass Aoi sauer auf ihn war. So wie es aussah, war der Schwarzhaarige nämlich nicht sonderlich davon begeistert, dass Reita mitkommen würde. Und das würde er bestimmt. Warum sollte seine Band auch was dagegen haben? Einen Anruf und zehn Minuten später stand er mit einer Zusage und in neuer Kleidung wieder im Bad. Reita nickte ihm zufrieden zu, als er das Ergebnis des Telefonats verkündete, und zischte dann an ihm vorbei in sein eigenes Zimmer. Aoi stand immer noch vor dem Spiegel und bearbeitete seine Haare. Er sagte überhaupt nichts dazu, also schlich Kanon leise neben ihn und nahm ebenfalls seinen Kamm von der Ablage. Jetzt bekam er doch ein bisschen ein schlechtes Gewissen. Immerhin hatte er doch genau gesehen, dass Aoi nicht sonderlich begeistert von dem Plan Reita mitzunehmen gewesen war. Seine Stimmung besserte sich auch nicht, als sie da so nebeneinander standen, also nahm Kanon seinen Mut zusammen. „Bist du sauer?“ Aoi warf ihm durch den Spiegel einen kurzen Blick zu, bevor er sich wieder seinem eigenen Spiegelbild zuwandte und an seinen Haaren weiterzupfte. Eigentlich sahen sie fertig gestylt aus, aber er zupfte weiter. „Reita kann manchmal nur so furchtbar anstrengend sein.“ „Aber meine Band auch. Es würde also sowieso kein ruhiger Abend werden“, versuchte Kanon zu erklären. Der Ältere sollte nicht sauer auf ihn sein. Nicht so kurz bevor Gazette nach Europa gingen. Trotzdem wollte er Reita auch nicht wieder ausladen. Aoi antwortete nicht mehr, sondern sprühte noch ein bisschen Haarspray auf seine Haare. Verdammt, jetzt bekam er wirklich noch schlechte Laune! Vielleicht wäre es ja doch besser, Reita einfach zu sagen, dass die anderen doch dagegen waren. Aber allein schon der Gedanke, die Zusage jetzt zurückzuziehen war lächerlich und kindisch. „Jetzt guck nicht so!“ Kanon sah bei Aois Worten auf und blickte dessen Spiegelbild an. Der Ältere richtete ein paar Strähnen, schien sich aber gar nicht richtig darauf zu konzentrieren, sondern lächelte Kanon leicht an. „Ich hab Rei ja gestern selbst angeboten mitzukommen. Ich hab nur Angst, dass er mich blamiert.“ Verwirrt sah Kanon Aoi dabei zu, wie er weiter an seinen schon perfekt sitzenden Haaren zupfte und sich dabei selbst kritisch beäugte. Vielleicht hatte Kanon die Zeichen falsch gedeutet. Bei geneuerer Betrachtung wirkte der Gitarrist gar nicht wirklich sauer. Eher angespannt. Nervös? „Willst du etwa einen guten Eindruck auf meine Freunde machen?“, hakte der Bassist grinsend nach, was Aoi kurz in seiner Bewegung stocken ließ. Eigentlich schon Antwort genug. „Ein guter erster Eindruck ist immer wichtig“, wich der ältere der Frage aus. „Aber meine Band kennt dich doch schon von Myv’s Geburtstag. Und abgeholt hast du mich ja auch mal.“ „Ich hoffe mal, sie nehmen den Geburtstag nicht als Referenz“, nuschelte Aoi so leise, dass Kanon nicht wusste, ob Aoi mit ihm oder mit sich selbst geredet hatte. Der Jüngere versuchte den Teil der Party, an den er sich erinnern konnte, in seinem Gedächtnis zu suchen. Er konnte jetzt nicht wirklich sagen, was für ein Eindruck seine Band von dem Älteren gehabt hatte. Er selbst hatte ihn als nett in Erinnerung, was wahrscheinlich auch daran lag, dass Aoi ihm das Leben gerettet hatte. Allerdings wirkte der Ältere in Gegenwart seiner Band schon ziemlich anders als sonst. Gemeiner. Irgendwie verständlich, dass er sich da um seinen Ruf sorgte. Weshalb es ihn überhaupt intressierte, was Kanons Band dachte, war noch einmal eine andere Frage. „Also mir gegenüber haben sie nie etwas Negatives gesagt. Ich glaub sie mögen dich.“ Aoi hatte sich nun Kanon zugewendet und den Jüngeren so hoffnungsvoll angeschaut, sodass es sich dieser nicht verkneifen konnte ein „Und nach heute Abend mögen sie dich sicher noch mehr!“ anzuhängen. Wieso tat er das eigentlich? Gerade hatte er sich noch alleine im Bad einschließen wollen, um Aoi und seinen Gefühlen aus dem Weg zu gehen und im nächsten Moment versuchte er den Älteren aufzuheitern und schmolz unter dessen Lächeln mal wieder dahin. Er erkannte sich selbst nicht wieder. „Vielleicht sollten wir mal los“, meinte Aoi und warf seinem Spiegelbild noch einen letzten prüfenden Blick zu. „Wir sollten nicht zu spät kommen, wenn wir schon über erste Eindrücke reden.“ „Schon so spät?“ Kanon sah in den Spiegel und versuchte mit ein paar hektischen Bewegungen seine Haare zu richten. Wenn sich Aoi so herausputzte, musste er sich selbst doch auch zumindest ein bisschen Mühe geben. „Naja, da hat vorhin irgendjemand eine halbe Ewigkeit das Bad besetzt.“ Aoi sah ihm schmunzelnd zu und drehte sich dann um. „Außerdem siehst du gut so aus“, warf er noch hinterher und verschwand dann aus dem Bad und ließ einen Kanon zurück, dessen Gesicht einen leichten Rotton angenommen hatte. ____ Sorry >_< diesmal is nich viel passiert... das nächste kapitel wird wieder anders! Schließlich is es zeit für die jungs, mal wieder rauszukommen xD Bis dann! ^^ Kapitel 33: Wie man Bands zusammenführt --------------------------------------- Kapitel 33 Wie man Bands zusammenführt Eine halbe Stunde später standen sie mit Miku, Yuuki und Teruki im Schlepptau vor der Bar, in die sie gehen wollten. Miku hatten sie unterwegs zufällig aufgegabelt und Teruki und Yuuki hatten schon am Treffpunkt auf sie gewartet. „Fehlen noch Saga und unsere Klatschtanten“, merkte der Leader an und zog sein Handy aus der Tasche, um darauf herumzutippen. „Taku hat vor fünf Minuten geschrieben, dass sie die Bahn verpasst haben.“ „Ich denk mal, dass es Shou ist, der bei ihm ist“, konnte sich Aoi nicht verkneifen und erntete Lachen von den anderen. „Was ist mit Saga?“ Miku bekam auf seine Frage hin aber nur ratlose Blicke. Vielleicht hatte er sich ja auch nur verspätet. „Können wir nicht schon mal reingehn?“, begann Reita kurz darauf zu quengeln und Kanon fragte sich doch mal wieder, warum er ihn mitgenommen hatte. Mittlerweile hatte sich die Stimmung zwischen Aoi und ihm wieder gelockert. Trotzdem war er sich nicht so sicher, wie er reagieren würde, wenn irgendjemand wieder mit nervenden Gerüchten aufkam. Und er war sich ziemlich sicher, dass das irgendwann im Laufe des Abends der Fall sein würde. Nur solange Takuya und Shou noch nicht da waren, war die Chance darauf zumindest um einiges geringer. „Ich glaub, wir können genau so gut drinnen warten“, entschied Teruki schließlich, woraufhin Reita zufrieden als Erster die Bar betrat. Im Inneren übernahmen allerdings Miku und Yuuki die Führung, die sogleich den Stammtisch der Band ansteuerten. „Seid ihr öfter hier?“, fragte Aoi, nachdem er sich neben Kanon am Tisch niederließ. Wenn Kanon recht überlegte, war der Ältere die ganze Zeit noch nicht von seiner Seite gewichen. Irgendwie süß. „Ab und zu mal. Die Bar liegt ziemlich nah an unserem Proberaum. Außerdem ist sie nie sonderlich überfüllt. Perfekt zum Entspannen“, antwortete Teruki auf Aois Frage, welcher zustimmend nickte und sich umsah. Kanon hoffte, es handelte sich nicht nur um ein Höflichkeitsnicken. Sie saßen hier nicht wirklich in einem Szene-Lokal. Es gab nicht mehr als eine Dartscheibe in der Ecke und einen Billiardtisch in der anderen. Auch war die Musik nicht ohrenbetäubend aufgedreht, sondern in einer Lautstärke, dass man sich auch noch unterhalten konnte. Mit einem Mal wurde Kanon nervös. Er selbst empfand das Lokal als angenehm und gemütlich, aber neben ihm saß immer noch ein Mitglied von Gazette. Keine Band, die für ihre angenehmen und gemütlichen Feiern bekannt war. „Hoffe, das ist euch nicht zu langweilig“, grinste Miku Reita und Aoi an. Kanon schluckte schwer. Zwar wollte er das auch gerne wissen, aber Miku war da schon immer etwas direkter gewesen als er. Zu seinem Glück hatten seine beiden Mitbewohner ja wenig Probleme mit Direktheit. „Mit der richtigen Menge an Alkohol ist doch so gut wie nichts langweilig“, antwortete Reita schulterzuckend. Kanon seufzte. Vielleicht nicht wirklich freundlich, aber die Antwort hätte auch viel schlimmer ausfallen können. Entweder Reita riss sich mal von selbst zusammen oder Aoi hatte ihm vorher noch den Kopf gewaschen, als es Kanon nicht mitbekommen hatte. „Ich find’s hier echt gemütlich“, ergänzte Aoi und Kanon war erleichtert als er die Ehrlichkeit in Aois Stimme hörte. Gemütlich war vielleicht nicht das ideale Wort für eine Party, aber sie hatten sich ja auch nur getroffen, um zusammen was zu trinken, zu reden und beisammen zu sitzen. Mehr war ja eigentlich gar nicht geplant gewesen. Auch wenn er vermutete, dass Reita wahrscheinlich etwas anderes erwartet hatte. Dankbar lächelte Kanon Aoi an, bevor sein Blick zum Eingang fiel und von dort aus gerade Saga auf sie zukam. Er begrüßte die Runde und ließ sich anschließend auf dem Stuhl neben Kanon nieder. „Ich wusste gar nicht, dass ihr auch kommt!“, war das Erste, was er sagte und wandte sich dabei an die beiden Gazette-Member. „Naja, Reita hat sich auch erst vor ner Stunde dazu entschlossen.“ Aoi warf dem Blonden einen vorwurfsvollen Blick zu. „Ich hab halt erst vor ner Stunde gemerkt, dass ich doch Zeit hab!“, antwortete dieser bockig. „Außerdem hat mir ja auch niemand gesagt, dass der da…“, er nickte kurz in Sagas Richtung, „auch kommt.“ „Du hast nicht gefragt.“ „Und du hast mich nur gefragt, ob ich mit dir, Kanon und seiner Band was Trinken will.“ „Jetzt vertragt euch mal wieder“, warf der An Cafe-Bassist ein wenig besorgt ein. Er hatte wirklich keine Lust, dass das hier zu einem Dauerstreit ausartete, auch wenn er nicht genau wusste, wie ernst ihre kleine Argumentation war. Saga sah auch nur ein wenig hilflos in die Runde. „Es ging mir nur ums Prinzip.“ Reita verschränkte die Arme vor der Brust und warf Aoi noch einen feindseeligen Blick zu, der sich aber sofort in Luft auflöste, als die Bedienung an ihren Tisch trat, um ihre Bestellungen aufzunehmen. Es dauerte nicht lange bis alle ein Bier vor sich stehen hatten. „Seit wann trinkst du denn Bier?“, sah Teruki den Bassisten verwundert an. Kanon hatte den anderen ja noch gar nicht erzählt, dass er seit er bei Reita und Aoi wohnte, ab und zu mal mit seinen Mitbewohnern eine Flasche trank. Am Anfang ja noch mehr oder weniger widerwillig, weil er sich irgendwie dazugehörig fühlen wollte, aber mittlerweile trank er es ohne große Probleme. Vielleicht mochte er es sogar? Das hatte allerdings immer noch nicht seine Frage beantwortet. Und damit die Tatsache, dass Aoi und Reita jetzt wussten, dass er ja eigentlich gar kein Bier trank. Genau diese beiden warfen ihm nämlich jetzt einen sehr neugierigen und fragenden Blick zu. „Haben wir den Kleinen etwa zu bösen Dingen verführt?“, fragte Reita grinsend. Sie hätten ihn doch zu Hause lassen sollen. „Tut jetzt nicht so als hättet ihr mich noch nie Bier trinken gesehn. Wenn ich Lust hab, trink ich halt mal eins“, grumelte der Schwarzhaarige vor sich hin, was seine drei Bandmember dazu brachte ihn nur auch anzugrinsen. „Stimmt. Kanon ist der große Biertrinken unter uns!“, stimmt Yuuki Kanon zu, wobei sein Kommentar doch ziemlich ironisch klang. „Verräter.“ Kanon schenkte noch jedem seiner Bandmitglieder einen Todesblick, bevor er einen großen Schluck aus der Flasche nahm. Zu allem Überfluss sah er auch noch, wie sich Aoi neben ihm das Kichern verkneifen musste. Schön, dass er die Lachnummer des Abends war! So hatte er sich das eigentlich nicht vorgestellt. „Ich hoffe wir verderben ihn euch auch nicht zu sehr“, stichelte Reita gleich weiter. War ja klar, dass dem das gefiel. „Ach… Kanon ist gar nicht so unschuldig wie er immer tut.“ Teruki schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. Was an dieser Aussage aber genau aufmunternd sein sollte, konnte Kanon nicht genau erkennen. „Ich glaub, das mit der Unschuld können andere besser beurteilen als ich.“ Reitas Blick wanderte bei den Worten zu Aoi, der in dem Moment genau so geschockt aussah wie Kanon sich fühlte. Der Blonde wollte jetzt doch nicht wirklich allen mitteilen, dass er die beiden beinahe halbnackt in Aois Schlafzimmer aufgefunden hatte? Dem hämischen Grinsen auf Reitas Lippen nach, wäre er dazu moralisch garantiert in der Lage. Und die neugierigen Blicke ihrer Sitznachbarn, stachelten den Blonden auch noch zusätzlich an. Zum Glück sah Kanon in diesem Moment seine Retter die Bar betreten. „Da sind Shou und Taku!“, rief er übertrieben enthusiastisch, um die Aufmerksamkeit auf die Neuankömmlinge zu richten. Als die beiden sich dem Tisch näherten, sprang Kanon sofort auf und umarmte Takuya, der etwas überfordert wirkte. Zwar begrüßten sie sich oft so, wenn sie privat unterwegs waren und sich lang nicht mehr gesehen hatte, doch selten so stürmisch. Kanon war das ziemlich egal. Wär es nötig gewesen, hätte er den Jüngeren gedrückt bis dieser rot angelaufen wäre, nur um dem Moment zu entkommen. „Versuchst du da jemanden einfersüchtig zu machen?“, hörte Kanon aber kurz darauf nah an seinem Ohr, weshalb er Takuya ganz schnell wieder losließ. Der Jüngere sah ihn nur grinsend an und zuckte kurz die Schultern. „Könnt ja sein.“ Damit ließ er den Bassisten einfach stehen und ging von einem ebenso breit grinsenden Shou gefolgt zum Tisch rüber, um die anderen zu begrüßen. Kleiner Teufel. Murrend ging Kanon auch wieder zum Tisch zurück. Er hatte sich einen gemütlichen Abend mit seiner Band vorgestellt, aber stattdessen lief das hier in eine völlig andere Richtung. Reita war heute wohl in Streitlaune, Teruki ließ ihn mit der Bier-Geschichte ins Fettnäpfchen treten und Takuya brachte ihn schon mit seinem ersten Satz in Verlegenheit. Die beiden Neuankömmlinge zogen sich zwei Stühle vom Nachbartisch heran und setzten sich dann zu den anderen. Nebeneinander natürlich. Es hatte wirklich den Anschein, als würde die beiden nichts trennen können. Irgendwie war Kanon neugierig wie die beiden Freunde miteinander umgingen. Ob da wirklich nur Freundschaft war. Vielleicht wurde der Abend ja doch ganz aufschlussreich. Schließlich hatte er sie seit sie so eng befreundet waren gar nicht mehr zusammen gesehen. Aoi und Reita hatten ihn einfach ständig in Schach gehalten. „Und was habt ihr getrieben, dass ihr so spät seid?“, wollte Miku von den beiden wissen, aber Takuya winkte nur ab. „Die Bahn hatte Verspätung.“ „So lange?“, fragte Kanon, während er sich wieder neben Aoi setzte. Sie waren immerhin schon bestimmt eine halbe Stunde hier. „Ja“, nickte Shou ohne zu zögern. Na gut, die beiden waren wirklich ein eingespieltes Team. Das würde noch spannend werden. Schnell wurde aus einem großen Gespräch viele kleine. Aoi und Reita unterhielten sich angeregt mit Teruki und Miku über Europa, bis der Leader sich plötzlich an Kanon wandte: „Da fällt mir grad ein: Wir haben am Montag ein Photoshoot. Ich kann dich abholen, wenns dir passt.“ „Weißt du denn wo Aoi und Reita wohnen? Die sind in Europa, aber ich wohn noch weiter bei ihnen“, erklärte der Angesprochene. Gazette flogen am Freitag, also in vier Tagen. Das bedeutete, am Montag würde er schon alleine sein und da war ihm jede Abwechslung willkommen. Teruki schwieg aber einen Moment. „Ja, ich weiß“, meinte er zögernd und an die beiden Gazette-Member gewandt, die eifrig nickten. „Aber wieso wohnst du dann bei ihnen?“ Jetzt war Kanon seinerseits etwas verwirrt. „Wie… Ich weiß? Woher wusstest du denn, dass sie nach Europa fliegen?“ „Das bekommt man doch mit“, schaltete sich jetzt auch Yuuki nicht weniger verwirrt ein. Kanon schenkte sich die Antwort und sah stattdessen betreten zur Seite. Zu seiner Überraschung begegnete sein Blick nicht dem seines direkten Sitznachbar, sondern Reitas, der seine Vergesslichkeit wohl auch lieber verschweigen wollte. Kanon war das nur Recht. Er war sich ziemlich sicher, dass Aoi ihn nicht ans Messer liefern würde und so konnte er sich eine Peinlichkeit schon ersparen. Denn eigentlich war das echt peinlich. Er war Musiker! Er kannte sich doch in der Branche aus. Und wenn eine Band ihre erste Europatour hatte, gehörte das sicher zu den wichtigen Neuigkeiten. Vor allem wenn man auch noch mit zwei dieser Bandmitgliedern zusammenwohnte! Allerdings stellte sich dann auch die Frage in welchen Sphären Reita wohl in letzter Zeit schweben musste, dass er seine eigene Europatour fast verpasst hätte. „Damit wär allerdings immer noch nicht die Frage geklärt, wieso du in der Zeit weiterhin bei Aoi und Reita wohnst“, merkte Saga grinsend an. Hatten sich eigentlich alle gegen ihn verschworen? „Fang du jetzt nicht auch noch so an“, knurrte Kanon mürrisch zurück, woraufhin Saga mit den Schultern zuckte. „Ich find’s nur auffällig. Du könntest in der Zeit ja genau so gut zu Hause wohnen.“ Kanon fiel darauf keine Antwort ein. Zumindest keine, die er geben wollte. Er konnte Saga jetzt schlecht erzählen, dass die Wohnung so etwas wie sein zweites Zuhause geworden war und er sich durch diese mit Aoi verbunden fühlen würde, so lang dieser in Europa war. „Er soll da bleiben, weil ich noch nicht mit ihm fertig bin und aus ihm schließlich ein anständiger Bassist werden soll“, vernahm Kanon jetzt Reitas Stimme, wobei dessen Betonung eindeutig auf dem provozierenden Wort „anständig“ lag. Saga zog eine seiner Augenbrauen in die Höhe, während er den Gazette-Bassisten betrachtete. Scheinbar hatte ihn Reitas kleine Spitze vom eigentlichen Thema abgelenkt. Gut so. Schließlich war Reitas Begründung auch wenig stichhaltig. „Also wenn du mal wirklich anständig Bass spielen willst, dann kannst du mich jederzeit besuchen kommen“, meinte Saga nun übertrieben freundlich zu Kanon. Der Schwarzhaarige antwortete darauf erst einmal gar nichts. Er erinnerte sich noch gut daran, dass sich die beiden Bassisten schon auf Miyavis Party öfters gestritten hatten. Reitas Freundschaften waren wirklich merkwürdig. Sicher, Kanon und seine Freunde stichelten auch oft – besonders seit da diese Sache mit Aoi war – aber bei dem Blonden kam ihm das irgendwie immer ernster vor. Bösartiger. Aber das war wahrscheinlich einfach seine Art und so wies aussah, suchte er sich seine Freunde wohl auch nach diesem Prinzip aus. Kapitel 34: Wie man einen (guten) Eindruck hinterlässt ------------------------------------------------------ sorry, bei der ganzen aufregung heute hab ichs voll vergessen... Hier kommt aber trotzdem noch und gerade noch rechtzeitig das nächste Kapitel. ______________________ Kapitel 34 Wie man einen (guten) Eindruck hinterlässt Reitas aggressive Laune besserte sich mit jeder Flasche Bier. Nach den drei ersten hatte Kanon den anderen eigentlich darauf aufmerksam machen wollen, dass es vielleicht besser wäre, sich nicht die Birne wegzusaufen, aber dann war es eine Aktion von Aoi gewesen, die ihn hatte innehalten lassen. Die Hand des Älteren auf seinem Oberschenkel, was Kanons Herzem einen Tritt und damit einen ziemlich großen Hüpfer verpasst hatte. Aois Kopfschütteln war von ihm nur nebenbei wahrgenommen worden. Kanon war einen sehr langen Moment auffällig verwirrt gewesen, bis er verstanden hatte, dass der Gitarrist damit meinte, er sollte Reita darauf jetzt nicht ansprechen. „Lass ihn lieber. Wenn er sich vornimmt morgen wegen einem Kater bis um 4 im Bett zu liegen, dann zieht er das auch durch. Außerdem ist er so erträglicher… oder zumindest besser drauf.“ Aoi hatte besagter Person einen Blick zugeworfen. „Erträglich ist der nie.“ Und dieser eine kurze Moment, in der Aois Hand auf seinem Oberschenkel gelegen hatte, beschäftigte Kanon jetzt bestimmt schon seit zwei Stunden. Er spürte die Wärme von Aois Hand noch immer durch den Stoff seiner Jeans. Die anderen hatten es sicher nicht bemerkt. Diese kleine Geste. War wohl auch besser so, denn er sah genau, wie ihn Takuya und Shou ziemlich genau im Auge behielten, egal mit wem sie redeten oder was sie sonst so trieben. Die Gespräche waren lauter geworden. Die Themen sinnloser. Immer wieder sah sich der Bassist unruhig um, aber es waren mittlerweile nur noch ein paar Stammgäste im Raum, die sich nicht sonderlich an der merkwürdigen Runde störten. Gut so, sonst konnten sie ja nie wieder kommen! Trotzdem überkam den Schwarzhaarigen jedes Mal ein mulmiges Gefühl, wenn er zu Reita blickte. Der Ältere hatte schon einiges an Alkohol getrunken, was man ihm auch ansah. Und es war nicht nur Bier gewesen. Außerdem gefiel es Kanon gar nicht, dass der Blonde schon seit einer ziemlich langen Zeit mit Shou und Takuya rumhing. Was hatten die drei wohl zu bereden? Kanon schluckte schwer, als ihm das wohl offensichtlichste Thema einfiel. Schließlich tratsche Reita fast genauso gern wie die beiden. Bei dem Gedanken rutschte Kanon etwas unruhig auf seinem Stuhl hin und her. „Alles in Ordnung?“, fragte Aoi fürsorglich, was Kanon kurz aus der Bahn warf. Er hatte gar nicht mitbekommen, dass der Ältere ihn beobachtet hatte. Außerdem lag die Hand des Gitarristen erneut auf seinem Oberschenkel, während er sein Gesicht sehr nah an das des Jüngeren brachte, um nicht gegen das Stimmengewirr anschreien zu müssen. „Ähm… ja. Alles okay“, krächzte Kanon zurück, was der Ältere nur mit einem skeptischen Blick kommentierte. Verständlich. In Anbetracht seines wildklopfenden Herzens und seines wahrscheinlich völlig roten Gesichts war „okay“ wohl nicht der passende Ausdruck. Er sollte damit aufhören, Aoi anlügen zu wollen. Der Ältere durchschaute ihn eh immer. „Bist du müde?“ Wieder die fürsorgliche Stimme so nah an seinem Ohr, dass er eine Gänsehaut bekam. Die warme Hand auf seinem Oberschenkel. Kanon versuchte sich zusammenzureißen und sich auf die Frage zu konzentrieren. „Schon ein bisschen“, gestand er Aoi und auch sich selbst ein. Er fühlte sich wirklich leicht schläfrig. „Dann gehen wir, sobald wir unsere Getränke leer haben“, entschied der Gitarrist daraufhin. Kanon überlegte kurz, ob er widersprechen sollte aber ließ es dann bleiben. Sie waren schon eine ganze Weile hier und er hatte für diesen Abend wirklich genug. Und da Aoi wusste, was Müdigkeit unter Alkoholkonsum bei Kanon bewirken konnte, würde sich der Ältere wohl auch nicht von seinem Entschluss abbringen lassen. Der Bassist hatte sowieso das Gefühl, dass sich die Runde bald auflösen würde. Saga warf immer wieder einen Blick auf die Uhr, während Shou und Takuya sowieso schon irgendwohin verschwunden waren. Genau! Wo steckten die beiden denn? Kanon hatte nicht mitbekommen, wie sie sich verabschiedet hatten. Wahrscheinlich weil Aoi ihn gerade so sehr abgelenkt hatte. „Wo sind denn die Tratschtanten?“, mischte er sich kurz in das Gespräch zwischen den restlichen Anwesenden Teruki, Miku, Yuuki und Saga ein. Da fiel dem Schwarzhaarigen aber auch gleichzeitig auf, dass noch jemand fehlte. „Und Reita!“ Erst verstanden sich die drei beängstigend gut und jetzt waren sie auch noch weg! Er musste sie finden! Bevor ein Unglück passierte! Kanon wusste von Aoi, dass Reita zu einem lebenden Wasserfall mit sehr großem Mitteilungsdrang mutierte, wenn er genug getrunken hatte. Seine Frage nach Takuya und Shou beantwortete sich allerdings von selbst, als er die beiden gerade aus der Richtung kommen sah, in der die Toilette lag. Jetzt gingen sie auch noch zusammen aufs Klo! Wobei ihn das Grinsen, das die beiden auf den Lippen hatten, sehr beunruhigte. Kanon konnte sich wirklich keinen Reim daraus machen. Eigentlich glaubte er Takuya ja, wenn er sagte, sie wären nur Freunde. Aber wenn sich dann solche Szenen abspielten, stellte er wirklich alles infrage. Aber auch einen Anhaltspunkt auf das Grinsen und gleichzeitig auf die Frage, wo Reita war, bekam Kanon, als sich Takuya und Shou gerade wieder an den Tisch setzten. Der Blonde kam ebenfalls aus der Richtung der Toilette. Was ging hier denn bitte vor sich?! Was machten Reita, Takuya und Shou denn gleichzeitig auf der Toilette, von der zwei von den dreien dann auch noch mit einem so breiten Grinsen zurückkamen? Hilfesuchend drehte sich Kanon zu Aoi um, der aber auch nur mit gehobener Augenbraue beobachtete, wie Reita ein wenig unsicher auf den Beinen zurück zum Tisch kam. „Weißt du, was da…“ „Ich hab keine Ahnung“, unterbrach ihn der Gitarrist, bevor Kanon überhaupt seine Frage fertig stellen konnte. Schön. Waren sie also schon zu zweit. „Aber vielleicht sollten wir gehen, bevor er auf die dumme Idee kommt sich noch ‘ne Runde zu bestellen.“ Kanon nickte. Tatsächlich hatte sich Reita wieder neben seinem Bandkollegen gesetzt und blickte mit Bedauern auf seine leere Bierflasche. „Du kannst gleich wieder aufstehen, Rei. Wir gehen jetzt.“ Der Angesprochene sah Aoi verwirrt an. „Schon?!“ „Ja, schon.“ „Ihr seid ja langweilig“, schmollte der Blonde und spielte mit dem Etikett seiner Bierflasche rum. Wenn man ihn nicht kannte, würde man ihn wohl fast als „niedlich“ bezeichnen. Allerdings kannte Kanon den Bassisten inzwischen gut genug und auch Aoi zeigte wenig Erbarmen. „Musst du nächstes Mal eben wieder mit Tora weg, wenn wir dir zu langweilig sind“, antwortete der Gitarrist trocken und Kanon hatte das Gefühl, dass die beiden nicht zum ersten Mal ein solches Gespräch führten. Zu Kanons Verwunderung grummelte Reita nur etwas vor sich hin, doch hatte sonst nichts zu erwidern. Das ging ja leichter als er gedacht hatte! „Ihr wollt gehen“, schaltete sich Teruki jetzt ein, was Kanon bejahte. Einen Moment schenkte der Leader ihm einen ziemlich undefinierbaren Blick. Er schien zu überlegen, wie er seine nächsten Worte formulieren sollte. „Wollt ihr uns noch irgendetwas mitteilen, bevor ihr geht?“, fragte der Drummer dann vorsichtig, während er Kanon und Aoi eindringlich musterte. Plötzlich verstummten die weiteren Gespräche am Tisch und alle sahen nun neugierig zu den beiden Angesprochenen, von denen noch keiner geantwortet hatte. Aber was auch? Verwirrt sah Kanon den Gitarristen an, der aber genau so ratlos schien. „Lasst sie doch, Jungs! Wenn sie noch nich soweit sin, es bekanntzugeben…“ Reita war wieder aufgestanden und hatte einen Arm um Aois Schulter und den anderen um Kanons gelegt. Der Jüngere fühlte sich alles andere als wohl in seiner Haut, als er verstand, woraufhin die anderen anspielten. Das Unwohlsein wich aber schnell, denn Aoi schien davon wohl nicht ganz so überrumpelt zu sein. „Wir gehen jetzt, Rei“, meinte er nur seufzend. Kanon konnte keinen Ärger oder Unwohlsein in der Stimme hören. „Was? Wir gehen? Warum denn?“, antwortete der Blonde ihm sofort bestürzt und ließ die beiden los, um einen Schritt nach hinten zu machen und seinen Bandmember erschrocken anzusehen. Dieser drehte sich aber nur mit einem Augenrollen zu Reita um. „Das haben wir dir eben schon mal gesagt!“ Der Angesprochene überlegte einen Moment und nickte dann zögerlich. „Ja, kann schon sein…“ „Also dann“ Aoi schob den Stuhl zurück und stand auf, was ihm Kanon gleichtat, nachdem er seinen letzten Schluck Bier ausgetrunken hatte. „War schön mit euch!“ Teruki nickte grinsend. „Kanon kann dich gern mal wieder mitbringen.“ „Und was ist mit mir?“, rief Reita sofort empört dazwischen. „Über dein Verhalten reden wir nochmal und dann sehen wir weiter“, antwortete stattdessen Aoi, was der Blonde mit einem „Heut hab ich mich doch benommen!“ kommentierte. Zehn Minuten später hatten es Aoi und Kanon geschafft, Reita aus der Bar zu bekommen. Nur knapp hatten sie einem kleinen Zickenkrieg entgehen können, weil Reita gemeint hatte, noch unbedingt in einem unbemerkten Augenblick Sagas Cocktail austrinken zu müssen, was dieser natürlich auch nicht kommentarlos hingenommen hatte. Jetzt standen sie am Eingang und versuchten Reita in Richtung Bahn zu bekommen. Der hatte es aber anscheinend nicht sonderlich eilig. Wäre auch ein bisschen schwierig geworden, da Kanon nicht so ganz wusste, nach spätestens wie vielen Metern der Blonde gegen die nächste Laterne gelaufen wäre, würden sie sich beeilen müssen. „Trinkt der immer so viel?“ Mit dem Kopf nickte er Richtung Reita, der ein paar Meter hinter ihnen lief und irgendwas vor sich hinbrabbelte. „Ich glaub das Problem war gar nicht so sehr die Menge, sondern eher der Tequilla, den Takuya und Shou ihm eingeflößt haben.“ Überrascht blickte Kanon den Älteren an. Er hatte das gar nicht mitbekommen! Also war Reita eigentlich nur das Opfer irgendwelcher geheimen Intrigen. „Und wieso bist du dann sauer auf ihn?“ Der Bassist sah den Blonden bemitleidend an, wie dieser ganz alleine hinter ihnen hertapste und Selbstgespräche führte. Konnte Aoi kein Erbarmen zeigen? Anscheinend nicht. „Ich bin ja gar nich wirklich auf ihn sauer“, seufzte der Gitarrist. „Ich wollte heute Abend einfach einen guten Eindruck machen und nicht ständig darauf aufpassen müssen, dass der Idiot sich benimmt.“ Jetzt waren sie also wieder bei diesem Thema angekommen. „Ich glaub du hast einen sehr guten Eindruck hinterlassen“, versuchte Kanon Aoi aufzumuntern, auch wenn er dessen Sorge nicht so ganz nachvollziehen konnte. „Mit Sicherheit einen besseren als ich bei deiner Band.“ Aoi war bei den Worten des Jüngeren einfach stehen geblieben, was diesen dazu veranlasste ebenfalls stehen zu bleiben und den Gitarristen verwirrt zu mustern. Dieser schenkte ihm nur einen ziemlich ähnlichen Blick. „Soll das ein Scherz sein? Meine Band liebt dich!“ Kanon zog bei diesen Worten eine Augenbraue in die Höhe. „Wir sprechen aber beide schon von derselben Band, oder?“ Gazette sollte ihn lieben?! Das waren für ihn ja mal eine ganz neue Informationen. Für Aoi schien diese Tatsache allerding auf der Hand zu liegen. „Die mögen dich alle! Uruha war nett zu dir und wollte dich sogar anspielen! Und du hast es geschafft, dass Ruki sich wegen etwas schuldig fühlt. Das schafft auch nicht jeder! Kai mag dich auch…“ „Kai mag doch jeden“, unterbrach Kanon Aois Fantasiegespinste. „Er hat dich bei einer Generalprobe mitspielen lassen! Und Rei mag dich eh. Sonst hätte er dich schon lange rausgeschmissen.“ Der Jüngere wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Wenn Aoi das mit so viel Bestimmtheit erzählte, hörte es sich wirklich danach an als würden dessen Kollegen ihn mögen. „Glaub mir, würde ich morgen hingehen und sagen, wir wären ein Paar, würden sie dich mit offenen Armen empfangen.“ Kanon wurde mit einem Schlag heiß und kalt gleichzeitig. Im ersten Moment traute er seinen Ohren nicht. Im zweiten Moment spürte er, wie ihm das Blut in den Kopf schoss. Aoi konnte doch nicht einfach solche Sachen sagen! Es überrumpelte ihn immer total und er wusste nicht, was er darauf antworten sollte. „Wär bei meiner Band auch so…“, nuschelte er leise zurück und hörte Aoi leise lachen: „Dann bin ich ja beruhigt.“ Einen Moment lang hörte Kanon nichts anderes außer Reita, der immer noch vor sich hin quasselte, und die Motoren der wenigen Autos, die auf der kleinen Nebenstraße, die sie gerade entlanggingen, fuhren. „Wie kommst du eigentlich drauf?“, fragte Kanon dann in die Stille. Irgendwie war ihm erst jetzt aufgefallen, dass ihm Aois Aussage zwar aus der Fassung gebracht hatte, aber nicht in dem Sinn, dass er sie völlig abwegig fand. Der Bassist hatte es einfach als natürlich angesehen, dass der andere jetzt zu Gazette gehen könnte und ihn als sein Freund vorstellen könnte. Es lag einfach nur daran, dass es Aoi als so völlig natürlich ausgesprochen hatte. Vielleicht sogar zu natürlich. Es klang ein bisschen wie etwas, das nur rein theoretisch möglich wäre, aber nie passieren würde. Wahrscheinlich lag es daran, dass Aoi es so gerade heraus gesagt hatte. Dass er solche Dinge einfach so aussprechen konnte. Kanon würde sich das nie trauen. Weder im Spaß, noch im Ernst. Dafür hatte er viel zu viel Angst und das machte ihn irgendwie selbst wütend. Man hatte ja gemerkt, wohin ihn seine Feigheit geführt hatte. „Ich dachte nur…“, antwortete ihm Aoi fröhlich ein paar Augenblicke später. Überrascht sah Kanon auf. Der andere machte eine Miene als hätte gerade jemand einen Witz erzählt, über den er sich jetzt noch immer insgeheim amüsierte. Sein verschmitztes Lächeln verschwand auch nicht, als er den Jüngeren ansah. Dieser erwiderte den Blick zuerst ein wenig skeptisch, konnte dann aber nicht anders als selbst auch zu grinsen. Schließlich hatte Aoi gerade zugegeben, dass er darüber nachdachte mit Kanon zusammen zu sein. Naja. Auf jeden Fall konnte man das irgendwie in seine Worte hineininterpretieren. Und gepaart mit diesem anbetungswürdigen Lächeln war es nur allzu leicht sich in dieser Traumwelt zu verlieren. Kapitel 35: Wie man offene Geheimnisse lüftet --------------------------------------------- Tut uns Leid, dass wir nicht dazu gekommen sind, uns bei jedem für die Kommis zu bedanken und eine Info-ENS zu verschicken. Momentan gehts hier einfach drunter und drüber >_< Trotzdem an dieser Stelle ein ganz ganz großes Dankeschön an unsere Kommischreiber! Jetzt sind es schon über 200 Reviews! Vielen vielen Dank!! Wirklich! >___< Und dann noch eine sache, die ich letzte woche völlig vergessen hab: Endlich ist das Trailervid zu learning by doing online! Viel Spaß beim Anschauen ^__^ http://www.youtube.com/watch?v=PnxCcYFik-k Und viel Spaß auch mit dem nächsten Kapitel! ______________________ Kapitel 35 Wie man offene Geheimnisse lüftet Kanon erwiderte den Blick zuerst ein wenig skeptisch, konnte dann aber nicht anders als selbst auch zu grinsen. Schließlich hatte Aoi gerade zugegeben, dass er darüber nachdachte mit Kanon zusammen zu sein. Naja. Auf jeden Fall konnte man das irgendwie in seine Worte hineininterpretieren. Und gepaart mit diesem anbetungswürdigen Lächeln war es nur allzu leicht sich in dieser Traumwelt zu verlieren. Bevor dies allerdings geschehen konnte, schlang sich ein Arm um Kanons Schulter und er spürte, wie sich jemand ziemlich unvorsichtig auf ihm abstützte. Reita. „Endlich hab ich euch eingeholt! Was rennt ihr denn so?“, maulte der Blonde. Aois Lächeln wurde schlagartig schmaler, während er die Augen verdrehte und sich langsam wieder in Bewegung setzte. Auch Kanon lief wieder los, auch wenn das gar nicht so einfach war. Schließlich missbrauchte Reita ihn immer noch als Gehhilfe. „Wir können nichts dafür, wenn du so trödelst“, kommentierte Aoi trocken, was der Blonde natürlich nicht einfach so hinnahm. „Ich trödel gar nicht! Hätten wir ein Fahrrad, wären wir viel schneller.“ „Mit dir fahr ich garantiert nie wieder Fahrrad!“, antwortete der Ältere, woraufhin Reita ein leises „Langweiler“ murmelte und Kanon damit zum Grinsen brachte. Soweit Kanon sich noch erinnern konnte, hatten Reita und Aoi nach Miyavis Geburtstagsparty versucht, gemeinsam auf einem Fahrrad nach Hause zu fahren. Er wusste zwar nicht, wie die Geschichte geendet hatte, doch kannte er seine beiden Mitbewohner inzwischen lang genug, um sich diese Katastrophe ausmalen zu können. Er musste Aoi unbedingt mal nach genaueren Informationen fragen. Das war sicher ‘ne witzige Geschichte. „Und könntest du endlich mal aufhören so an Kanon dranzukleben?!“ Aoi schenkte seinen Gefährten einen ziemlich zerknirschten Seitenblick. „Wieso? Wirst du etwa eifersüchtig?“ Bei diesen Worten schmiegte Reita schon fast zärtlich seine Wange an die des anderen Bassisten. Kanon interessiert Reitas Verhalten nur bedingt. Viel spannender war es, Aoi bei dieser Geste zu beobachten. Der Ältere schenkte seinem Kollegen einen Todesblick, der sich gewaschen hatte. Als der Blonde dann Anstalten machte Kanon noch stärker an sich zu drücken, ergriff Aoi dessen Arm und zog ihn ziemlich unliebsam von seinem Opfer weg. Kanon war das Antwort genug. Er mochte das Gefühl, dass sich in diesem Moment in ihm ausbreitete. Ja, es gefiel ihm, dass er so etwas wie Eifersucht in Aoi auslösen konnte. Das bedeutete etwas. Trotz der Zweifel, die Kanon immer wieder hatte, wenn es um Aois Gefühle ging, gab es eben auch diese Momente, in denen er glaubte, dass der andere wirklich etwas für ihn empfand. Und selbst wenn die Zweifel ein paar Minuten später wiederkamen, genoss er das Gefühl für den Gitarristen wichtig zu sein – vielleicht sogar wirklich etwas Besonderes zu sein – sehr. In solchen Momenten wünschte er sich allein mit Aoi zu sein. Obwohl er wusste, dass er dann auch wieder einen Rückzieher machen würde. Er war einfach nicht gut in solchen Dingen. Annähern. Andeutungen machen. Er überließ das den anderen. Kanons Gedankengang wurde abrupt gestört, als er spürte, wie sich ein Arm unsanft auf seiner Schulter platzierte. Aois Arm. Der Ältere war ihm plötzlich unglaublich nah! Was war denn jetzt passiert? „Reita, lass mich los!“ Der Arm auf seiner Schulter ruckelte, entfernte sich aber nicht. „Stell dich nich so an!“, hörte er Reitas Stimme direkt hinter sich. Das war der Moment, in dem Kanon begriff, dass der Bassist wohl mal wieder der Meinung war, Amor spielen zu müssen und deshalb Aois Arm um seine Schulter gelegt hatte und ihn dort ziemlich verbissen festhielt. So gern der Jüngste auch gewollt hatte, dass der Arm des anderen genau dort liegen blieb, machte er nach der ersten Verwirrung doch einen kleinen Schritt nach vorne, sodass ihm der Arm von der Schulter rutschte, um Aoi aus seiner Lage zu befreien. „Kannst du mal aufhören dich so kindisch zu benehmen?“, fuhr dieser Reita gleich an, der abwehrend einen Schritt nach hinten machte. „Ich will doch nur helfen!“ Kanon wäre am liebsten zu Reita gerannt und hätte ihn dafür umarmt. Das war mehr als nur niedlich! Allgemein schien der Blonde viel feinfühliger zu sein, wenn er betrunken war. Auch wenn er das Ganze ruhig etwas subtiler machen könnte. „Auf deine Hilfe kann ich auch gut verzichten“, entgegnete Aoi kalt und verschränkte seine Arme vor der Brust. Der Ältere wirkte irgendwie angespannt, was Kanon wunderte. Wieso sollte der Gitarrist denn angespannt sein, wenn sein betrunkener Kumpel in Erzähllaune war? Außer natürlich Reita wusste etwas, was Kanon nicht erfahren sollte. Ein wirklich interessanter Gedanke. Dann sollte Kanon die Chance wohl ausnutzen und den Blonden immer schön in seiner Nähe behalten. Vielleicht bekam er so ja zufällig irgendetwas mit? Nur wie sollte er den anderen Bassisten wieder an seine Seite bekommen? Kanon versuchte es mit der einfachsten Methode und lächelte den Blonden freundlich an. Sofort wurde das Lächeln erwidert und Reita gesellte sich an seine Seite, anscheinend glücklich sich nicht mehr mit seinem angepissten Bandkollegen unterhalten zu müssen. Kanon grinste in sich hinein. Das war ja leichter als er gedacht hatte! Reita schien betrunken viel einfacher im Umgang zu sein als im nüchternen Zustand. Vielleicht auch ein gutes Stück anhänglicher, aber das störte Kanon nicht wirklich. So langsam konnte er auch gut nachvollziehen, wieso Tora so oft mit dem Blonden trinken ging. Das war ja so richtig amüsant! „Ich merk’s sofort, wenn zwei Leute aufeinander stehn. Das hab ich im Blut!“, redete der Bassist direkt munter darauf los. „Bei Myv und Ruki hab ich’s auch gewusst.“ Ein entnervtes Stöhnen von Aoi war zu hören. „Das wussten wir alle! Das konnte sogar ein Blinder sehen!“ „Ich wusste aber vor euch, das Ruki richtig verliebt ist! Und das mit Uruha und Gackt wusste ich auch! Und das zwischen euch beiden…“ Reita zeigte mit dem Finger auf Aoi und dann auf Kanon, während das Grinsen auf seinem Gesicht immer breiter wurde. Der Jüngere wurde schon ganz hibbelig. Was war mit ihm und Aoi? Wie würde Reita den Satz jetzt beenden? Es war schon komisch. Sonst ärgerten ihn Reitas Anspielungen immer nur, doch dieses Mal wollte er unbedingt dessen Meinung wissen. „Was?“, fragte Kanon sogar, als er diese Anspannung nicht mehr aushielt. Aoi war merkwürdig ruhig geworden und warf Reita nur den ein oder anderen bösen Blick zu. Dieser grinste weiter vor sich hin und legte Kanon dabei wieder den Arm um die Schulter, bevor er seinem Gesicht plötzlich ganz nah kam. Dem Jüngsten war das gerade egal. Reita war ihm ja eben schon mal so nah gewesen und außerdem wollte er die Antwort wissen! Egal wie! Er roch den Alkohol des anderen und ein bisschen unwohl wurde ihm dann doch, als er Reitas Atem an seinem Ohr hörte und spürte. Ganz anders als bei Aoi. Bei Aoi bekam er eine angenehme Gänsehaut, wenn ihm dieser so nah war. Aber jetzt nahm er das nur auf sich, weil er nicht anders konnte. Und egal wie gut er mit Reita befreundet war oder noch sein würde, Kanon hoffte, dass er ihm nicht unbedingt noch mal so nah kommen musste. Der Blonde war einfach nicht der Typ für so eine Art von Nähe. „Das zwischen euch beiden…“, wiederholte Reita schließlich leise. Das folgende, mahnende „Reita!!“ von Aoi ließ den Blonden noch leiser weitersprechen. „Das weiß ich auch.“ Erneut wurde der Arm von Kanons Schulter gezerrt und Reita von ihm weggezogen. „Ich hab doch gesagt, du sollst aufhören Kanon so auf die Pelle zu rücken!“ „Aber er hat doch gar nichts gesagt! Wenn er sagt, ich soll das nicht machn, dann hör ich auch auf! Muss er doch selber wissn.“ Kanon musste leicht grinsen. Er war sich nicht sicher, ob Reita wirklich damit aufhören würde, würde er das verlangen. Aber er wusste auch nicht genau, wie der Blonde drauf war, wenn er betrunken war. Aber eigentlich wollte er ja gar nicht, dass er damit aufhörte. Na gut, Reita musste ihm nicht unbedingt so nahe kommen, aber wenn das der Preis war, um solche Information zu bekommen, dann musste er den wohl zahlen. Reite glaubte also tatsächlich, dass zwischen ihnen etwas lief. Kanon hätte gern eine genauere Erklärung bekommen, aber vielleicht folgte die ja noch, sobald Aoi wieder etwas unachtsamer werden und Reita weiterquasseln lassen würde. Doch auch schon dieser kleine Kommentar des Blonden bescherte Kanon ein Gefühlshoch. Schließlich war Reita Aois bester Freund und hatte die letzten Wochen mit den beiden zusammengewohnt. Wer konnte schon ein besseres Urteil über Kanons und Aois Beziehungsstatus fällen als der Blonde? Mal abgesehen von den beiden vielleicht selbst. Und da Kanon sich nicht traute Aoi wegen diesem Thema anzusprechen, war Reitas Meinung doch ein ziemlich wichtiger Ansatzpunkt. Aoi schien über Reitas Aussagen allerdings nicht so wirklich glücklich zu sein. Seine angespannte Miene blieb. Sogar als sie endlich ihre sich Haltestelle erreichten und sich setzten um auf die Bahn zu warten, würdigte er Reita keines Blickes. Dies konnte allerdings auch daran liegen, dass der Blonde sofort versucht hatte, sich neben Kanon zu setzten. Aoi hatte den erneuten Annäherungsversuch dadurch verhindert, dass er seinen Kollegen unliebsam zur Seite schob, um selbst zwischen den beiden Platz zu nehmen. Der Jüngste konnte bei diesem Verhalten nur schmunzeln. Er glaubte fast, dass Reita seinen Bandkollegen mit Absicht provozierte. Vielleicht hatte er ja genug von blöden Kommentaren und brachte den Älteren lieber mit Eifersüchteleien zur Weißglut? Aber vielleicht wollte er auch tatsächlich mit Kanon nur über diese Angelegenheit reden. Vielleicht wünschte er es seinem Freund einfach mit dem Jüngeren glücklich zu sein. Oder Kanon war naiv und Reita viel zu abgefüllt. Als die Bahn dann vor ihnen hielt und der Schwarzhaarige dabei zusah, wie schwankend Reita aufstand, musste er sich eingestehen, dass seine letzte Vermutung wohl zutraf. Da hatten Takuya und Shou ja ganze Arbeit geleistet. Plötzlich fiel ihm auch wieder die Frage ein, die ihn vorhin noch so brennend interessiert hatte. „Rei?“, fragte er den blonden Bassisten, der sich auf einen der Zweierplätze gesetzt hatte. Aoi und Kanon saßen hinter ihm. Der Jüngere stockte kurz als er den Namen ausgesprochen hatte. Das hörte sich irgendwie komisch an. Hatte er Reita schon jemals so genannt? Den Angesprochenen schien das aber überhaupt nicht zu stören – oder er bemerkte es einfach nicht – denn er wandte seinen Kopf zu ihnen und sah Kanon erwartungsvoll an. „Wo warst du vorhin eigentlich?“ „Wann?“ „Na kurz bevor wir gegangen sind.“ „Hä?“, gab der Blonde geistreich von sich. „Na als du auf dem Klo warst!“ Genervt verdrehte Kanon die Augen. Im einen Moment schien Reita alles und jeden zu durchschauen und im nächsten war er so schwer von Begriff, dass sich der Jüngste wirklich die Frage stellte, ob das ein und dieselbe Person sein konnte. Aoi musste bei der Antwort leise lachen, wohingegen Reita eher verwirrt war. „Aber dann weißt du doch wo ich war!“ Kanons Lippen verließ erneut ein Seufzer. „Ich wollte wissen, was du da…“ Okay, die Frage war vielleicht doch nicht so ganz durchdacht gestellt. Was sollte Reita schon antworten, wenn er ihn fragte, was er auf dem Klo gemacht hatte. „Wieso warst du mit Taku und Shou auf dem Klo?“, fragte er stattdessen. Es wurde still. Nur ein alter Mann vorne im Bus litt unter einem Hustenanfall und von irgendwoher durchbrach eine Hupe das ständige Motorengeräusch des Busses. Reita schien wirklich so als würde er nachdenken. „Wann?“, fragte er dann wieder, was jetzt auch Aoi genervt seufzen ließ. „Bevor Taku und Shou grinsend vom Klo zurückgekommen sind!“, kam er dem An Cafe-Bassisten zu Hilfe. „Tu nicht so als könntest du dich nicht erinnern!“ Reita grübelte aber wirklich noch ein bisschen weiter und Kanon hatte das Gefühl, als spielte er das nicht nur vor. Dann plötzlich starrte der Blonde die beiden an. „Fuck…“ Im gleichen Moment fasste er sich an die Nase – oder zumindest an das Nasenband und tastete danach. Sah fast danach aus als würde Reita sicher gehen wollen, dass seine Nase noch da war. In dem Moment dämmerte es Kanon. Und als auch Aoi laut loslachte, war alles klar. „Das hast du nicht gemacht!“, brachte der Älteste ungläubig heraus, während er nach Luft schnappte. „Ich glaub schon“, meinte der Blonde so kleinlaut, dass er einem schon fast Leid tun konnte. Aber eben nur fast. Denn auch Kanon konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er sich vorstellte, wie Reita seine Nase vor Takuya und Shou entblößte. Deshalb hatten die beiden den Bassisten also so gnadenlos abgefüllt! Und Kanon hatte schon Angst gehabt, dass es wieder irgendetwas mit ihm und Aoi zu tun hatte. Doch zur Abwechslung hatte der Blonde sich mal nur selbst in die Scheiße geritten. Die Frage war eigentlich nur, wie sie das gemacht hatten. „Wie haben die beiden dich denn dazu überredet?“, fragte der Jüngste grinsend. Aoi erholte sich so langsam wieder von seinem Lachanfall. „Die haben gemeint, dass ich sicher gar keine Nase besitze…“ Aoi begann wieder lauthals zu lachen, während Kanon den betrunkenen Bassisten nur ungläubig anstarrte. „Darauf bist du doch nich reingefallen oder?“ Kanon hatte zwar schon gemerkt, dass Reita im alkoholisierten Zustand etwas verwirrt war, doch so blöd konnte er doch nicht sein, dass er Takuya und Shou das abgekauft hatte. „Natürlich bin ich darauf nich reingefallen. Bin doch nicht bescheuert!“, verteidigte sich der Betrunkene empört, bevor er kleinlaut hinzufügte: „Aber dann haben die gemeint, ich würd meine Nase sicher verstecken, weil sie hässlich ist…“ Aoi stöhnte laut auf. „Darauf reinzufallen ist genauso bescheuert, Rei!“ „Gar nicht“, antwortete Reita pampig und befühlte durch das Band wieder seine Nase. Leider musste Kanon Aoi recht geben. Auf den Trick reinzufallen, war nicht gerade intelligent. Beim nächsten Bandtreffen würde er Takuya sagen, dass er und Shou sich wenigstens einen besseren Plan hätten ausdenken können. Ihr Vorgehen zeugte nicht von sehr viel Kreativität. Reita schien allerdings ganz andere Probleme zu haben. „Mein Nase ist doch nicht hässlich, oder?“, fragte er unsicher seine beiden Hintermänner. Kanon konnte gar nicht anders als darauf zu antworten – vor allem weil er nicht glaubte, dass Aoi seinem Kumpel diese Freude gemacht hätte. „Also ich find deine Nase nicht hässlich!“ Er sah, wie sich ein Lächeln auf Reitas Lippen ausbreitete. Und wieder eine gute Tat vollbracht. „Aww… Der Kleine will mich aufheitern! Wie niedlich!!“ Als der Blonde ihm dann auch noch durchs Haar strubelte, bereute Kanon seine Aussage schon wieder. Reita schien ihn nicht mal im betrunkenen Zustand ernst nehmen zu können! Aoi lachte leise neben ihm, ganz so als hätte er schon mit einer solchen Aussage gerechnet. Nein, nicht nur dass Reita ihn nicht ernst nahm. Er hasste es, wenn Aoi auch noch über ihn lachte. Zwar wusste Kanon, dass es sicher kein gemeines, schadenfrohes Lachen war, aber trotzdem fühlte er sich dann immer so dumm, dass er sich am liebsten irgendwo verstecken wollte. „Jetzt hast du seine Haare zerstört!“ Bevor Kanon reagieren konnte, zupfte Aoi an seiner Frisur herum und sein Gefühl sich verstecken zu müssen, löste sich damit in Luft auf. Das war schon das zweite Mal, dass der Ältere das bei ihm machte. Und würde Reita sie nicht so eindringlich mustern, würde Kanon diese Aufmerksamkeit des Ältesten auch sicher genießen können. Der Blonde sah sie aber nur so breit grinsend an, dass es sicher auch Aoi bemerkt hatte, sodass er ein paar Sekunden später die Hände wieder zu sich nahm. Reita konnte wirklich alles verderben. Kapitel 36: Wie man sich raushält --------------------------------- Kapitel 36 Wie man sich raushält Der Heimweg verlief mehr oder weniger ohne weitere Zwischenfälle. Wenn man davon absah, dass sie Reita geradeso daran hindern konnten sich in irgendeine Hecke zu werfen, um sich dort zu verstecken, weil er meinte, einen Polizisten gesehen zu haben. Dass der Blonde eigentlich gar nichts angestellt hatte, war diesem wohl glatt entfallen. Als sie endlich zu Hause angekommen waren, war Kanon ziemlich müde. Ob das am Alkohol lag, von dem er ja eigentlich gar nicht viel getrunken hatte, oder an der Uhrzeit, konnte er nicht genau sagen. Reita schien allerdings alles andere als müde zu sein. Der Weg von der Bushaltestelle nach Hause schien ihn sogar wieder aufgeweckt zu haben. „Und jetzt gucken wir noch nen Film! Und n Bier will ich auch!“, verkündete er, als er sich auf der Couch fallen ließ. Aoi schien damit allerdings gar nicht einverstanden zu sein. „Nichts da! Du verziehst dich jetzt in dein Zimmer und legst dich ins Bett! Wir wollen schlafen!“ „Ach, schlafen?“, fragte der Blonde mit einem perversen Grinsen auf den Lippen. „Oder wollt ihr nur da weitermachen, wo ich euch vorhin im Schlafzimmer gestört habe?“ Kanon merkte, wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg, als er sich unweigerlich wieder vorstellte, Aois nackten Oberkörper an seinem zu spüren. Peinlich berührt versuchte er weder Reita noch Aoi anzuschauen. „Reita…“, mahnte der Älteste seinen Freund und Kanon musste Aoi gar nicht ansehen, um dessen Gefühlslage zu erraten. Die Stimme des Gitarristen klang schon fast gefährlich. Allerdings schien das den Blonden nur weiter anzustacheln. „Oder hab ich gar nicht gestört, weil ihr schon fertig ward?“ Bei den Worten hob Kanon reflexartig seinen Kopf und starrte den anderen Bassisten erschrocken an. Reita machte zwar viele blöde Anspielungen, aber das ging jetzt wirklich zu weit. „Kannst du nich mal mit dem Scheiß aufhören?!“, schrie Aoi den Blonden wütend an. Kanon zuckte zusammen. Am liebsten hätte er sich jetzt einfach in Aois Zimmer verkrochen. Er mochte es nicht den Älteren so wütend zu sehen. Auch Reita hatte aufgehört zu grinsen. „Wenn du mir mal was erzählen würdest, müsste ich nicht so blöd rumfragen!“, verteidigte sich der Blonde und war vom Sofa aufgesprungen. „Da gibt es aber nichts zu erzählen!“, antwortete der Gitarrist und Kanon spürte ein Ziehen in seiner Herzgegend. Er wollte gern woanders sein und nicht dabei zuhören müssen, wie sich die beiden wegen seiner Beziehung zu Aoi stritten. Er sollte etwas sagen. Hier ging es schließlich um ihn! Stattdessen stand er einfach nur stumm da und wartete bis Reita wieder das Wort ergriff. „Klar, was sollte es bei so einer Szene auch zu erzählen geben!“, meinte der Blonde aufgebracht, bevor er seufzend hinzufügte: „Wir sind doch beste Freunde! Wieso sagst du mir nicht einfach, dass ihr zwei zusammen seid?!“ Stille. „Wir… sind nicht zusammen.“ Aois Stimme klang neutral. Keine Verwunderung über die Frage, aber auch keine Trauer bei der Antwort. Zumindest wollte Kanon es nicht zulassen, dass er sich das selbst einbildete. „Jaja…“, nickte Reita nur und winkte ab. Die Stimmung war gekippt. Aus einem fröhlichen, übermütigen Reita war ein… ja was eigentlich? Genervt? Enttäuscht? Verletzt? Was war Reita denn jetzt? „Sagt mir wenigstens Bescheid, wenn ihrs auf die Reihe bekommen habt.“ Damit verschwand der Blonde in sein Zimmer. Die Tür fiel lauter ins Schloss als normalerweise. Aoi und Kanon standen beide wortlos da und sahen Reita hinterher. Der Jüngste fühlte sich schlecht. Wirklich schlecht. Wieso war er denn nicht eingeschritten?! Wieso hatte Aoi sie beide allein verteidigen müssen?! Wieso bekam er denn nie seinen Mund auf!? Nach einer schier endlos langen Stille ging der Gitarrist zum Wohnzimmerschränkchen, um dort das Bettzeug für sich rauszuholen. „Da die Couch jetzt endlich frei ist…“ Kanon hätte gern noch etwas gesagt. Er hätte gern gesagt, dass es ihm Leid tat, Aoi nicht zur Seite gestanden zu haben, obwohl es um sie beide ging. Und dass er nicht wollte, dass Aoi dachte, er wäre ein Feigling. Obwohl er doch genau das war, oder nicht? Vielleicht wäre das Ganze anders ausgegangen, wenn er Reita gesagt hätte, dass sie nicht zusammen waren. Aber wie immer brachte er nichts dergleichen über die Lippen. Stattdessen verschwand er ins Bad und verabschiedete sich dann mit einem betretenen „Gute Nacht“ von Aoi, der auf dem Sofa saß, den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen. Darauf wartend, dass Kanon das Bad frei machte. Der Älteste sah müde aus und Kanon wusste, dass es nicht nur an der späten Stunde lag. Weil der Bassist eine Stunde später immer noch wach in seinem Bett lag, bekam er auch mit, wie im Wohnzimmer eine Tür aufging. Er vernahm leise Stimmen und obwohl er nicht verstand, was sie sagten, beruhigte es ihn unheimlich und ein kleines Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. Fünf Minuten später war er eingeschlafen. ___ Unsicher stand Kanon in Aois Zimmer und starrte die Tür an. Er war schon vor einer halben Stunde aufgewacht und hatte sich noch unruhig im Bett herumgewälzt, doch es half nichts. Er war einfach nicht mehr müde. Normalerweise wäre er wahrscheinlich gleich aufgestanden und hätte sich von Aoi ein liebevolles Lächeln und einen heißen Kaffee geben lassen, aber heute Morgen machte ihn die Vorstellung dem Gitarristen gegenüberzustehen irgendwie unsicher. Er hatte sich gestern so feige verhalten, dass er sich momentan selbst nicht leiden konnte. Wie sollte er sich denn verhalten? Sich bei Aoi entschuldigen? So tun, als ob nichts gewesen wäre? Kanon wusste, was er wirklich zu tun hatte, was er aber niemals über sich bringen würde: Reitas Thema aufgreifen und dann endlich Klarheiten schaffen. Die Idee verwarf er sofort wieder. Es war für ihn ja schon eine riesige Überwindung überhaupt diesen Raum zu verlassen! Und dann auch noch soweit gehen und Aoi zur Rede zu stellen? Dem Älteren vielleicht sogar sagen, dass er sich in ihn verliebt hatte?! Kanon atmete einmal tief durch, um sich selbst vom Hyperventilieren abzuhalten. Er musste aus diesem Zimmer raus. Er machte sich ja nur selbst verrückt mit seinen Überlegungen! Entschlossen öffnete er die Tür und versuchte beim Betreten des Wohnzimmers so normal wie möglich zu wirken. Aoi saß gerade am Esstisch und blätterte in einer Zeitschrift herum. Wahrscheinlich in einer der Musikmagazine, von denen die gesamte Wohnung belagert war. Aoi und Reita hatten wohl jede Zeitschrift, die auch nur ansatzweise etwas mit Musik zu tun hatte, abonniert. Und manche sogar doppelt. Nun richtete Aoi seine Aufmerksamkeit allerdings nicht mehr auf die Zeitschrift, sondern sah stattdessen dem Neuankömmling lächelnd entgegen. „Morgen“, meinte er so freundlich wie immer, stand bei den Worten auf und machte sich gleich daran zwei Tassen Kaffee einzuschenken. Kanon erwiderte den Gruß und setzte sich an den Esstisch. Genau so, wie er es jeden Morgen machte. Mit dem Unterschied, dass das kleine Ritual sonst eine Unmenge an Glücksgefühlen in ihm auslöste. Er nahm Cornflakes und Milch und schüttete sie in eine der Schüsseln, die schon auf dem Tisch standen. Aoi hatte anscheinend schon gegessen, denn er schob Kanon nur eine der Tassen zu und ließ sich dann ihm gegenüber auf einen Stuhl sinken. „Was hast du heute vor?“ „Muss ein paar Lieder durchgehen, die mir Teruki gestern geschickt hat“, antwortete er dem Älteren. Ja, ein bisschen arbeiten wäre wirklich nicht schlecht. Er hatte die Arbeit in den letzten Tagen wirklich etwas vernachlässigt. Und Ablenkung brachte sie auch. Kanon konnte Aoi nur bewundern. Der Gitarrist schien kein Mensch zu sein, der sich oft über irgendetwas Gedanken machte. Bei ihm schien die Welt irgendwie immer in Ordnung zu sein. Oder er war einfach nur ein guter Schauspieler. Aber Kanon hatte nicht das Gefühl, als würde ihm Aoi etwas vorspielen. Ach, könnte er doch nur ein bisschen mehr sein wie der Ältere… „Und ihr?“, fragte Kanon nach und schob sich einen Löffel Cornflakes in den Mund. Aoi nickte Richtung Bad, aus dem das Rumpeln der Waschmaschine zu hören war. „Noch die letzten Sachen waschen und dann packen. Kai wird uns morgen und übermorgen so fordern, dass wir nicht mehr viel Zeit für irgendwas anderes haben werden.“ „Kann ich euch irgendwie helfen?“ Kanon wollte nicht rumsitzen, während Aoi und Reita so im Stress waren. „Du hast doch selbst zu tun, hast du doch eben gesagt“, antwortete ihm sein Gegenüber lachend. „Aber nicht so viel wie ihr!“ Nach kurzem Zögern antwortete Aoi: „Naja, die Klamotten müssen in den Trockner, aber mehr fällt mir gerade nicht ein.“ Wenigstens das hatte er geschafft. Aoi sah ihn mittlerweile nicht nur als Gast, sondern auch als Mitbewohner an. „Alles klar.“ Er schenkte dem Älteren ein kleines Lächeln. „Ist Reita schon wach?“ „Ich hab ihn vorhin fluchen gehört und er hat noch Klamotten zum Waschen rausgebracht, aber seitdem hat er sich in seinem Zimmer verkrochen.“ „Kater?“, fragte Kanon grinsend und deutete das Lächeln auf Aois Lippen als ein Ja. Kanon hätte sich auch wirklich gewundert, wenn es Reita nach den Unmengen, die er am vorigen Abend getrunken hatte, nicht schlecht gehen würde. Und so, wie er die Stimmung am Ende noch runtergezogen hatte, hatte der Blonde das auch irgendwie verdient. Kanon wurde noch ein Stück unwohler, als er an den Abend dachte, und Aois Gedanken schienen wohl in die gleiche Richtung zu gehen, denn dieser setzte nun seine Kaffeetasse auf dem Tisch ab und meinte betreten: „Tut mir übrigens Leid wie der Idiot sich gestern noch benommen hat. Das hättest du wirklich nicht mit anhören müssen.“ Überrascht sah Kanon auf. Meinte Aoi das tatsächlich ernst? Anscheinend schon, denn der Ältere schenkte ihm gerade ein ziemlich entschuldigendes Lächeln. Das konnte doch nicht sein! Wie schaffte es der Ältere nur immer alles so hinzudrehen, dass er allein an allem Schuld war? „Da musst du dich doch nicht entschuldigen!“, meinte der Jüngere ungläubig. „Ich hätte auch einfach mal etwas sagen können bei Reitas… Vorwürfen.“ „Rei ist aber mein bester Freund und nicht deiner. Du konntest ja nicht wissen wie man in dem Moment mit ihm umgehen sollte. Das weiß manchmal ja nicht mal ich“ „Trotzdem. Nächstes Mal sag ich auch was!“ Kanon fragte sich, woher plötzlich seine Entschlossenheit kam, obwohl er vor ein paar Minuten noch völlig verunsichert gewesen war. Wahrscheinlich daher, dass er es nicht mochte, wenn Aoi sich die Schuld für alles selbst gab. Genauso wie Aoi es eben auch nicht leiden konnte, wenn Kanon sich wegen jeder Kleinigkeit schlecht fühlte und sich entschuldigte. In diesem Punkt schienen sie sich recht ähnlich zu sein. Kanon war stolz tatsächlich den Mut gefunden zu haben mit Aoi über das Thema zu reden. Sein Versprechen, sich bei Reitas nächsten Vorwürfen selbst einzubringen, wurde von Aoi mit einem grinsenden „Da wird Rei aber Augen machen“ kommentiert, was Kanon auch zum Grinsen brachte. Jetzt musste er nur noch im passenden Moment den Mut aufbringen, um was zu erwidern, wenn der Blonde wieder Anspielungen oder Ähnliches machte. Er schreckte zusammen und hatte schon Angst, dass er sich mal wieder zu viel vorgenommen hatte, als die Tür zu Reitas Zimmer aufging. Er wollte zwar den Mut aufbringen, aber konnte man ihm denn nicht ein bisschen Zeit zum Sammeln geben?? Zu Kanons Glück schlurfte der Blonde aber nur mit einem genuschelten „Morgn“ zum Tisch und setzte sich zu den beiden. Normalerweise war Reita kein Morgenmensch, der es sich erstmal am Frühstückstisch gemütlich machte und dort in Ruhe seinen Kaffee trank. Heute schien er es aber nicht sonderlich eilig zu haben. Vielleicht waren die Müdigkeit und die Kopfschmerzen, die er zu haben schien, der Grund dafür. „Kauf nächstes Mal Tabletten die wirken. Die funktionieren nämlich nie“, nuschelte er weiter, während er sich Kaffee in eine Tasse goss. Aoi kommentierte das nur mit einem Grinsen in Kanons Richtung, was dieser erwiderte. Schön, dass man ihm noch ein bisschen Schonzeit ließ, bevor er wirklich den Mut aufbringen musste, sich mal Reita entgegenzustellen. „Wenn du morgen auch noch so drauf bist, überlebst du Kai nicht“, meinte Aoi mit einem unterdrückten, schadenfrohen Grinsen auf den Lippen. „Welche Tabletten hast du denn genommen?“ „Na die aus dem Bad.“ Der Blonde nahm einen kleinen Schluck vom Kaffee. Seit dem Kaffeegespräch mit Gazette hatte sich Aoi angewohnt für Reita auch noch eine Tasse mit zu kochen. „Wir haben noch welche im Bad?“ Der Gitarrist wirkte jetzt doch ein bisschen verwirrt. „Wo denn?“ „Na im obersten Fach. Ganz am Rand“, wurde jetzt ähnlich verwirrt geantwortet. Ein paar Sekunden war es still, bis Aoi ein Licht aufzugehen schien. „Nimm die nicht mehr… Ich glaub die sind uralt. Ich wusste nicht mal, dass da welche sind!“ Schnell stand er auf und ging in sein Zimmer, um von dort eine Schachtel mitzubringen und sie vor Reita auf den Tisch zu legen. „Du hast die vor mir versteckt?!“ „Du hast ja nicht gefragt!“ „Weil ich dachte, im Bad wären die Richtigen und keine, die mich halb umbringen!“ Kanon konnte nicht anders als dem Gespräch grinsend zu folgen. Es war nichts Ernstes wie am vorigen Abend, sondern einfach nur ein kleiner Streit unter zwei Freunden. Kein Grund für ihn also, sich einzumischen. Seelenruhig trank er seinen Kaffee weiter und sah dann Reita nach, der irgendwann mit seiner Kaffeetasse und der Packung Tabletten in sein Zimmer davonstapfte. Kapitel 37: Wie man einfach nicht anders kann --------------------------------------------- Sorry, dass es mit zwei Tagen verspätung on kommt, aber diesmal können wirs wirklich beruhigt auf animexx schieben, die uns scheinbar nach dem Aprilscherz vergessn habn... Dafür jetz ganz ganz viel spaß beim Lesen! ____________ Kapitel 37 Wie man einfach nicht anders kann Erst am Nachmittag kam der Blonde wieder aus seinem Zimmer gekrochen. Den Flüchen und seinem panischen Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war er tatsächlich nochmal eingeschlafen und hatte in der Zeit logischerweise nicht gepackt. Kanon und Aoi versuchten während den schon fast hysterischen Anfällen des Bassisten möglichst ernst zu wirken, doch begannen sie jedes Mal unkontrolliert zu lachen, sobald dieser das Wohnzimmer verlassen hatte. Anders als sein Kollege hatte Aoi den Tag genutzt, um mit Kanons Unterstützung seinen Koffer fertig zu packen. Dem Jüngeren war es zwar irgendwie schwer gefallen, Aoi dabei zuzusehen, doch war er auch jedes Mal furchtbar stolz gewesen, wenn ihm etwas eingefallen war, was der Gitarrist sonst vergessen hätte. So hatten sie ihren letzten gemeinsamen Tag mehr oder weniger ruhig verbracht und Kanon fand sich am Abend wie gewöhnlich mit seinen Gastgebern zusammen vorm Fernseher wieder. Bevor sie schlafen gingen, schaffte es Kanon noch aus Aoi die Uhrzeit rauszuquetschen, wann er und Reita am nächsten Morgen aufstehen mussten. Schließlich wollte Kanon den Älteren wenigstens nochmal sehen, bevor sie den ganzen Tag voneinander getrennt sein würden. Am nächsten Morgen erwachte Kanon allerdings nicht von den schrillen Tönen seines Weckers, sondern von den Sonnenstrahlen, die durch das Zimmerfenster schienen. Verwirrt sah er auf seinen Wecker, der ihm anzeigte, dass es bereits nach 9 Uhr war. Wieso war sein Alarm nicht angegangen? Frustriert stapfte Kanon ins Wohnzimmer. Wie erwartet war er alleine hier. Jetzt würde er den Älteren erst wieder am Abend zu sehen bekommen und das nur, weil er zu blöd war, um seinen Wecker zu stellen! Wütend auf sich selbst schlurfte er zur Kaffemaschine, um dann dort zu merken, dass die Maschine noch an war und sich sogar noch Flüssigkeit in der Kanne befand. Genau genug für eine Tasse. Neben der Maschine standen schon eine Tasse und die Milch für ihn bereit. Überrascht bemerkte der Schwarzhaarige jetzt auch den beschriebenen Zettel unter der Tasse. Mit einem Lächeln, las er die kleine Botschaft und all die Wut war kurz vergessen: „Hoffe, du hast mir bis heute Abend verziehen, aber ich konnte dich einfach nicht so schrecklich früh aufstehen lassen! Aoi“ Er hatte an ihn gedacht. Ihn nicht einfach vergessen und war dann zur Probe verschwunden. Kanon ließ sich auf einen der Küchenstühle fallen – es war der, auf dem Aoi gewöhnlich saß – und las die Worte noch einmal durch. Sie waren an ihn gerichtet. An ihn allein. Ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, als er daran dachte, was sich am Morgen abgespielt haben musste. Aoi hatte sich wahrscheinlich in sein Zimmer geschlichen, um den Wecker auszuschalten. Das Lächeln verblasste allerdings, als ihm dabei einfiel, dass der Ältere ihn dann ja beim Schlafen gesehen hatte. Was, wenn er im Schlaf irgendwas vor sich hingemurmelt hatte? Oder wenn er sogar gesabbert hatte!? Ein wenig verstimmt legte er den Zettel wieder auf den Tisch und ging dann zur Kanne, um seinen Kaffee zu trinken. Als Aoi und Reita am Abend nach Hause kamen, hatte Kanon das geschafft, was er ja eigentlich schon am vorigen Tag machen wollte: Die Lieder bearbeiten, die ihm Teruki geschickt hatte. In den knapp drei Wochen, in denen er jetzt schon nicht mehr in seiner eigenen Wohnung wohnte, hatte er die Arbeit ein wenig schleifen lassen, was wahrscheinlich daran lag, dass er die Zeit lieber mit Aoi verbracht hatte. Darum fühlte er sich heute auch beruhigt, endlich mal wieder längere Zeit gearbeitet zu haben. Der Abend war relativ kurz, weil Reita und Aoi ziemlich fertig zu sein schienen. Kai musste sie ganz schön beansprucht haben. Sie bestellten sich noch was zu essen und saßen ein bisschen vor dem Fernseher, bevor sich Reita ungewöhnlich früh in sein Zimmer verabschiedete. Kanon und Aoi saßen noch zusammen auf der Couch, als der Jüngere plötzlich bemerkte, dass Aois Atem ungewöhnlich ruhig ging. Verwundert drehte er den Kopf und kam nicht drumrum zu lächeln. Er war eingeschlafen. Sonst war es doch eher andersrum, aber diesmal war es Kanon, der seinen Nebensitzer jetzt beim Schlafen zusah. In diesem Moment wünschte er sich, dass das öfter passieren sollte. Es war ein schönes Gefühl, dieses so friedlich scheinende Gesicht zu betrachten. Erneut merkte er, wie ein warmes Kribbeln seinen Körper erfüllte. Er hoffte, dass er heute Morgen nur halb so toll ausgesehen hatte wie diese schlafende Schönheit neben ihm. Allerdings bezweifelte er es stark. So göttlich konnte doch kein Normalsterblicher aussehen. Bevor Kanon genau wusste, was er da tat, hatte er schon seine Hand ausgetreckt. Er musste Aoi einfach berühren. Er musste diese sanfte Haut unter seinen Fingern spüren, um sicher sein zu können, dass er sich diese wunderschöne Person nicht nur einbildete. Vorsichtig glitt sein Zeigefinger über die Wange des Schlafenden und obwohl er diesen kaum richtig berührte, flatterten dessen Augenlider auf. Kanon wusste, dass er in diesem Moment eigentlich sofort seine Hand wegziehen und schnell irgendeine lahme Antwort hervorstottern sollte, bevor er peinlich berührt ins Schlafzimmer verschwand. Aber er konnte nicht. Aois Anblick war jetzt nur noch unbeschreiblicher. Der Ältere blickte ihn nun verträumt an und ein kleines Lächeln zierte seine Lippen, welches Kanon am liebsten mit einem Kuss versehen hätte. So benebelt waren seine Gedanken allerdings dann doch nicht. Trotzdem ließ er es sich nicht nehmen dem Älteren eine seiner Haarsträhnen aus dem Gesicht zu streifen, während er leise flüsterte: „Vielleicht sollte ich mal ins Bett gehen und dich schlafen lassen.“ Bei den Worten verschwand das Lächeln auf den Lippen des Älteren und er zog seine Stirn auf eine Art kraus, die Kanon stark an ein kleines Kind erinnerte. „Du kannst auch noch hier bleiben und Fernsehn gucken. Is ja noch nich so spät“, nuschelte der Ältere verschlafen. Kanon wollte antworten, dass es ihm nichts ausmachte etwas früher ins Bett zu gehen, doch da hatte sich Aoi schon auf dem Sofa zusammengerollt und seinen Kopf auf Kanons Schoß gebettet. Der Jüngere erstarrte kurz. Damit hatte er jetzt wirklich nicht gerechnet. Aois Atmung wurde erneut langsamer und Kanon war sich ziemlich sicher, dass der Ältere einfach auf seinem Schoß eingeschlafen war. Einfach so, ohne dass dieser ihn danach gefragt hatte, warum er ihm so über die Wange gestrichen hatte. Nicht einmal einen fragenden Blick hatte Kanon erhalten! Nichts. Nur ein Lächeln. Ein umwerfendes Lächeln, das ihn hatte erstarren lassen. Ein Anflug dieses Lächelns lag immer noch auf den Lippen Aois. Und da bemerkte es Kanon erneut und mit einer Intensität, die ihn selbst überraschte. Er war Aoi so gut wie verfallen. Das war keine Frage mehr. Er hatte sich in dieses Lächeln verliebt. In die sanften Blicke. In die liebevollen Worte. Er liebte Aoi. Kanon konnte nicht anders als ihm vorsichtig durch die schwarzen Haare zu streichen. Sie fühlten sich perfekt unter seinen Fingern an. Und dann dieses Gesicht, das so aussah, als könnte kein einziges harsches Wort über seine Lippen kommen. Er wollte sie küssen. Diese Lippen, die gerade dazu einluden, sie zu berühren. Sein Herz schlug schneller. Seine Fingerspitzen suchten ihren Weg über die Wange des Älteren. Über die scheinbar so makellose Haut. Ganz leicht ließ er sie darüberstreichen. Doch dann hielt Kanon inne. Zögernd zog er die Hand zurück. Aber statt sich ganz aus der Situation zurückzuziehen, begann er wieder damit, durch die Haare zu streichen. Ganz davon zu schweigen, dass er Aoi aus dieser Position heraus sowieso nicht küssen konnte… Er konnte doch jetzt nicht solche Sachen machen! Wenn schon, dann musste er warten, bis Aoi wach war. Er konnte den Älteren jetzt nicht feige küssen, während dieser schlief. Nein, er musste den Mut schon unter realen Bedingungen aufbringen. Wenn er Aoi schon küsste, dann in vollem Bewusstsein. Wenn. Wie viel Zeit vergangen war, in der er Aoi einfach nur durch die Haare gestrichen und ihn angesehen hatte, wusste er nicht. Er hatte nicht auf die Uhrzeit geachtet. Sie war völlig egal gewesen. Es hatte Kanon genügt, einfach hier zu sitzen und Aoi beim Schlafen zuzusehen. Wer wusste schon, wie oft er diese Gelegenheit noch bekommen würde? Er hatte sie schließlich auch noch nie zuvor gehabt. Ja, ein paar Mal war er vor dem Älteren aufgewacht und hatte kurz über die Sofalehne gelinst, aber das war nicht zu vergleichen mit diesem Mal. Ein lauter Knall ließ Kanon zusammenschrecken und er hielt schon Reita für den Übeltäter, als ihm auffiel, dass das Geräusch vom Fernseher gekommen war. Er hatte sich so auf Aoi konzentriert, dass er seine restliche Umwelt ganz ausgeblendet hatte. Leider musste er direkt für seine Unachtsamkeit büßen, denn der Ältere begann sich nun zu strecken. Anscheinend hatte ihn Kanons schnelle Bewegung geweckt. Der Bassist hätte sich am liebsten selbst dafür geohrfeigt, dass er diesen wunderschönen Moment zerstört hatte, doch als Aoi dann verschlafen zu ihm aufblickte, war all seine Wut plötzlich wie weggeblasen. Das konnte auch nur Aoi in ihm auslösen. Er schenkte dem Gitarristen sein wärmstes Lächeln, was dieser auch sofort erwiderte. Sein Kopf war nach oben gedreht, sodass er Kanon anschauen konnte und ihm schien seine Position nicht im Geringsten unangenehm zu sein. Von Aois Verhalten ermutigt fuhr Kanon dem Älteren noch einmal durch die Haare und ließ seine Hand dann anschließend auf dessen Wange ruhen. Anstatt ihn skeptisch zu betrachten, schloss Aoi nur die Augen und schmiegte sich der Handfläche des Jüngeren noch weiter entgegen. Dabei stieß er ein genießerisches Seufzen aus, welches eine Gänsehaut auf Kanons Körper hinterließ. Er wollte solche Laute öfter von Aoi hören. Viel öfter. Dieser hatte seine Augen wieder geöffnet und fixierte nun die Person über sich. Kurz fragte Kanon sich, was Aoi wohl denken würde, doch eigentlich war das im Moment nicht weiter wichtig. Es war auch nicht wichtig, was er dachte, oder Reita. Oder dass sie noch kein einziges Wort gewechselt hatten und nichts weiter taten als sich tief in die Augen zu schauen. Aoi begann seine Position zu ändern. Langsam setzte er sich auf und stützte sich mit der einen Hand auf der Lehne neben Kanon ab, während seine andere noch auf dessen Oberschenkel weilte. Kanons Finger ruhten noch immer sanft auf Aois Wange. Er brachte es einfach nicht über sich die Hand wegzuziehen. Und der Ältere hätte sich bestimmt auch schon aus dieser Position befreit, wenn sie ihm unangenehm wäre. Aber er tat es nicht. Sie sahen sich nur an. So nah. Aoi war ihm so nah. Er war Aoi so nah. Es war ähnlich wie in dem Moment auf dem Dach, in dem Kanon das Gefühl gehabt hatte, dass nun nicht mehr viel für einen Kuss fehlte. Ein Kuss. Kanons Herz schlug bei diesem Wort ein paar Takte schneller. Er konnte den warmen Atem auf seinem Gesicht spüren, der durch Aois leicht geöffneten Mund kam. Sein Blick wanderte von den Augen vor sich zu den Lippen und wieder zurück. Kanon nahm alles plötzlich viel intensiver war. Die Hand auf seinem Oberschenkel. Den sanften Atem auf seinem Gesicht. Den Blick, der ihn wie magisch anzog. Und mit einem Mal stieg in ihm das unglaubliche Verlangen auf, Aoi zu küssen. Es war nicht so, dass er es einfach nur unbedingt wollte. Er hatte fast das Gefühl, als würde es ihn zerreißen, wenn er es jetzt nicht täte. Und er hatte auch das Gefühl, dass es dem anderen genauso ging. Kanons Augen fielen zu, als er Aois Lippen auf seinen eigenen spürte. Es war ein Gefühl, das er nicht beschreiben konnte. Es war genauso wie er es sich vorgestellt hatte und doch ganz anders. Aois Lippen waren weich. Warm. Und lösten dieses Gefühl in ihm aus. Unbeschreiblich. Ein Kribbeln entstand in seinem Bauch, wie er es noch nie zuvor gefühlt hatte. Seine Hände wurden feucht. Fühlten sich so kraftlos an. Nur am Rande nahm er wirklich wahr, dass er hier auf der Couch in der Wohnung zweier Gazette-Member saß und Aoi küsste. Ihn wirklich küsste. ___________________________ nur ein wort: endlich xD Kapitel 38: Wie man einen Vertrauten einläd ------------------------------------------- Vielen vielen Dank für euren ganzen kommis >___< Mehr als irgendwann sonst T_T Danke! >_< ja, endlich haben die beidens geschafft ^__^ Wir wünschen viel spaß beim weiterne lesen! ____________ Kapitel 38 Wie man einen Vertrauten einläd Die Lippen lösten sich viel zu schnell wieder von seinen eigenen. Um genau zu ein war es nur ein kleiner Augenblick gewesen, in dem sich ihre Lippen berührt hatten. Viel zu kurz. Dennoch wurde Kanon sofort die Schwere dieser kleinen Tat bewusst. Er hatte Aoi geküsst. Wirklich geküsst! Oder hatte dieser etwa ihn geküsst? Der Jüngere konnte es nicht mehr genau sagen. Er hatte nicht nachgedacht. Eine unüberlegte Handlung. Aoi saß jetzt wieder neben ihm auf dem Sofa, doch Kanon nahm ihn gar nicht richtig wahr. Viel zu sehr war er mit seinem pochenden Herzen, mit seinen wirbelnden Gedanken beschäftigt. Er musste hier weg. „Ich geh jetzt mal schlafen“, meinte er mit brüchiger Stimme, auch wenn schlafen momentan ziemlich undenkbar war. Trotzdem stand er von der Couch auf ohne auf eine Antwort zu warten. Vielleicht hatte er auch eine bekommen und sie einfach überhört. Wie ferngesteuert verließ er das Wohnzimmer und ließ die Tür zu Aois Raum achtlos hinter sich ins Schloss fallen, bevor er sich selbst aufs Bett warf. Zu mehr fühlte er sich körperlich auch gar nicht imstande. Er musste sich viel eher darauf konzentrieren, sich nicht von seinen Gefühlen und Gedanken überrollen zu lassen. Er hatte Aoi geküsst! Freude. Wie standen sie jetzt zueinander? Sie mussten darüber reden. Unsicherheit. Oder bereute Aoi das Ganze? Spielten seine Erinnerungen ihm einen Streich und der Kuss war nur von ihm selbst ausgegangen? Hielt Aoi ihn jetzt vielleicht für verrückt und er hatte dessen Freundlichkeit immer nur fehlgedeutet? Angst. Aber… oh Gott! Er hatte Aoi geküsst!! So drehten sich seine Gedanken immer weiter im Kreis. Richtigen Schlaf bekam er in dieser Nacht fast keinen. Wenn, dann träumte er vom Kuss oder davon, dass Aoi ihn rausschmeißen würde. Oder ihn vielleicht nochmal küsste. Immer wieder leckte der Bassist sich über die Lippen, darauf hoffend sie würden wenigstens noch ein bisschen nach dem Älteren schmecken. Sein Blick wanderte öfters zur Tür. Er wünschte sich das Aoi zu ihm reinkam, doch im nächsten Moment hatte er wieder Angst davor den Älteren zu sehen. Was sollte er denn dann auch sagen? Aber er kam nicht. Kanon machte sich völlig umsonst Gedanken. _ Als die ersten Sonnenstrahlen schwach durch sein Fenster fielen, gab er es auf. Er konnte sowieso nicht mehr schlafen. Mit einem Seufzen stand er auf und tapste leise zu seinem Laptop, um sich anschließend wieder auf sein Bett zu setzen. Die Decke schlang er sich um den Körper und den Laptop stellte er sich auf den Schoß. Wenn er schon nicht schlafen konnte, dann konnte er auch gleich ein bisschen arbeiten. Zumindest so lange er noch irgendeine stupide Arbeit hatte, die nicht zu laut war und Aoi oder sogar Reita aufweckte. Die Uhr auf dem Bildschirm zeigte 6.26Uhr. Viel zu früh. Er würde heute viel Kaffee brauchen, um nicht einzuschlafen, bis die beiden wieder nach Hause kamen. Und er wollte dann nicht schlafen. Das hier war sein letzter Tag mit Aoi. Kanon hielt inne. Das mit dem Ablenken und Arbeiten klappte ja wirklich toll. Wieder einmal leckte er sich unbewusst über die Lippen, aber natürlich schmeckte er nicht, was er erhoffte. Der Kuss war schon einige Stunden her. Außerdem war es ja gar kein richtiger Kuss, wenn er genauer drüber nachdachte. Ihre Lippen hatten sich berührt. Sie hatten ja sonst nichts gemacht. Es waren nur ihre Lippen gewesen, die Kontakt gesucht hatten. Also doch wie bei einem Kuss. Der Bassist schüttelte den Kopf, um die wirren Gedanken zu vertreiben. Das führte ja doch zu nichts. Er hatte sich schließlich schon die halbe Nacht solche Gedanken um die Ohren geschlagen. Jetzt sollte er lieber etwas Sinnvolles tun. Mit diesem Entschluss wandte er sich wieder dem Bildschirm vor sich zu. Es war 7.02Uhr, als er leises Klirren aus der Küche hörte. Aoi musste aufgestanden sein. Eigentlich würde Kanon jetzt nach draußen gehen, aber er traute sich nicht. Er schob die Begegnung lieber auf den Abend. Bis dahin war noch ein bisschen Zeit vergangen und vielleicht war er mit seinen Gedanken bis dann schon weiter. Auch wenn er es selbst bezweifelte. Kanon versuchte sich wieder auf seine Arbeit zu konzentrieren. Doch egal wie stumpfsinnig das Geschäft war, machte er andauernd nur Leichtsinnsfehler. Sein ganzer Körper schien unter Hochspannung zu stehen und bei jedem lauteren Geräusch aus der restlichen Wohnung, zuckte er unwillkürlich zusammen. Das war wirklich nicht zum Aushalten! Frustriert starrte der Bassist seinen Desktop an, als plötzlich ein weiteres Fenster aufblinkte. Jemand hatte ihn angeschrieben! Ablenkung! Solang es nur nicht Takuya war, um ihn auszuquetschen… Zu seiner Freude war es nicht die kleine Tratschtante. Teruki (7:24) ach… welch seltener Besuch! Wieso bist du denn schon wach?? Kanon fühlte sich bei den Zeilen fast ein bisschen schuldig. Er war in letzter Zeit echt selten erreichbar. Zwar antwortete er brav auf SMS, aber seine Online-Kontakte hatte er seit seinem Umzug wirklich ziemlich vernachlässigt. Aber dafür hatte er ja in den kommenden zwei Wochen wieder genügend Zeit! Kanon (7:26) Dir auch einen schönen Morgen! Konnte heute Nacht nicht richtig schlafen und habs inzwischen einfach aufgegeben. In dem Moment in dem er seine Nachricht freigegeben hatte, bereute er seine Wortwahl auch schon wieder. Wieso hatte er das denn so geschrieben? Jetzt würde der Drummer sicher nachhaken. Kanon betete, dass der Ältere nicht die Verzweiflung zwischen den Zeilen erkannte. Teruki (7:27) Du konntest nicht schlafen? Hört sicher aber nicht sehr gut an. Is irgendwas? Kanon schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. Genau das hatte er doch nicht haben wollen! Wo war die Ablenkung, die er so dringend benötigte? Er überlegte sich, wie er Teruki jetzt am besten abwimmeln konnte, als plötzlich etwas anderes seine volle Aufmerksamkeit beanspruchte. Da waren Schritte. Vor dem Zimmer. Direkt davor! Wie erstarrt saß er auf dem Bett. Was sollte er tun? Was, wenn Aoi jetzt reinkam? Er war noch nicht bereit für ein Gespräch! Die Schritte waren verstummt, doch er wurde das Gefühl nicht los, das jetzt jemand direkt vor der Tür stand. Aoi. Ganz sicher. Bevor Kanon sich einen Fluchtplan überlegen konnte, vernahm er erneut Schritte und eine Stimme. Reita. „Lass dem Kleinen etwas Ruhe, Aoi“ Er glaubte zu hören, wie Reita sich wieder von dem Zimmer entfernte. Ein Moment war es still. Dann schien auch Aoi zu gehen. Zumindest hörte Kanon Schritte, die immer leiser wurden. Kurz danach fiel die Wohnungstür ins Schloss. Der Bassist seufzte erleichtert. Da hatte Reita ihn gerade noch gerettet. Die Stimme des Blonden hatte so ungewohnt einfühlsam geklungen. Ob Aoi wohl mit ihm geredet hatte? Irgendwie beneidete Kanon den Gitarristen um die Möglichkeit, sich immer mit einem Vertrauten austauschen zu können. Vielleicht war Reita nicht der beste Weggefährte der Welt, aber immer noch besser als gar keiner. Kanons Blick fiel wieder auf den Bildschirm und überflog noch einmal kurz Terukis Antwort. „Is irgendwas?“ Er stockte. Warum eigentlich dieses Selbstmitleid? Er hatte doch jemanden! Teruki hatte doch gerade vor einem Moment gefragt, ob es ihm gut ging! Er hatte ihn zum Reden aufgefordert, falls irgendwas los war. Und dann stellte sich Kanon so an als hätte er keine Freunde auf der Welt. Da war ja wirklich jemand sehr dankbar. Kanon (7:31) Naja, hier geht’s grad ein bisschen drunter und drüber… Teruki (7:31) Ach stimmt! Gazette fahren ja nach Europa. Haben sicher viel zu tun. Kanon (7:32) Ja, das auch… Ach, er sollte nicht ewig um den heißen Brei herumreden, sondern endlich fragen, ob sie sich treffen konnten! Kanon (7:32) Sie sind aber gerade raus. Haben den ganzen Tag Intensivprobe. Teruki (7:33) Du hast die Wohnung für dich? Kanon musste leicht grinsen. Das ging doch mal wirklich sehr schön in die richtige Richtung. Kanon (7:33) Lust mir Gesellschaft zu leisten? Die Antwort kam schneller als er gucken konnte. Teruki (7:33) Klar! _____ Eine gute Stunde später klingelte es an der Tür. Kanon schreckte ein wenig zusammen bis ihm einfiel, dass das ja Teruki sein musste. Der Bassist fühlte sich mittlerweile ein bisschen mulmig. Immerhin hatte er jetzt eine ganze Stunde Zeit gehabt, um darüber nachzudenken, ob es eine gute Idee war Teruki einzuladen. Erstmal gehörte die Wohnung gar nicht ihm. Was würden Aoi und Reita denn dazu sagen, wenn er einfach jemanden in ihre Wohnung einlud? Und außerdem… Er hatte mit Teruki ja eigentlich reden wollen. Über Aoi. Über sich. Nur jetzt war er sich da irgendwie gar nicht mehr so sicher. Nach einer kurzen Begrüßung trat der Leader in das Wohnzimmer und sah sich mit großen Augen um. Als erstes fiel sein Blick natürlich auf das uralte, braune Sofa und anschließend auf die bunt zusammengewürfelten Küchenstühle. „Und hier wohnst du?“, fragte der Leader geschockt, was Kanon doch etwas verwunderte. „Ähm… ja.“ „Oh Mann. Hätt ich gewusst, was für ein Saustall das ist, hätte ich dich nicht gezwungen hier her zu kommen.“ „Jetzt übertreibst du aber“, meinte der Bassist lachend, doch anscheinend meinte der Drummer es völlig ernst. „Übertreiben? Das ist ein einziger Saustall.“ „Als wir zusammen gewohnt haben, sahs auch nicht immer sauber aus.“ Irgendwie fühlte sich Kanon von Terukis herablassender Art gekränkt. Jetzt lud er ihn ein und der Ältere konnte nichts weiter machen als sich beschweren! „Bei uns sah es nie so aus!“ Auch Kanon ließ seinen Blick nach diesen Worten nochmal durch das Zimmer schweifen. Okay, es sah echt schlimm aus! Wahrscheinlich hatte er sich schon viel zu sehr daran gewöhnt, dass überall Magazine rumlagen. Und Notenblätter. Und CDs. Und DVDs. Und Geschirr… „Ich hätte vielleicht aufräumen sollen, bevor du gekommen bist“, gab er dann kleinlaut zu, wofür er von Teruki einen ziemlich eigenartigen Blick erntete. Allerdings wollte er nicht weiter darauf eingehen, sondern lieber ein guter Gastgeber sein. „Willst du vielleicht einen Kaffee? Zum Frühstück kann ich dir leider nur Müsli anbieten und da ist die Auswahl auch sehr begrenzt. Rei war diese Woche mit Einkaufen dran und der weigert sich Sachen zu kaufen, die er selbst nicht isst, also…“ „Kaffee ist genug“, antwortete Teruki grinsend. Immer noch mit diesem eigenartigen Blick. Kanon nickte daraufhin nur und steuerte die Kaffemaschine an. Teruki folgte ihm und setzte sich dann an den Esstisch auf einen der drei freien Stühle auf dem gerade kein Müll gelagert wurde. So langsam verstand Kanon Terukis Erstaunen über den Zustand der Wohnung. Vielleicht sollte er mal versuchen ein bisschen aufzuräumen, während Gazette in Europa waren. Terukis Blick wanderte jetzt skeptisch zwischen den verschiedenen Stühlen hin und her. „Wieso…“ „Die beiden konnten sich auf keine Stühle einigen, also hat jeder der Gazette-Member einen von sich beigesteuert“, erklärte Kanon, worauf ihn der Drummer ein sarkastisches „Logisch“ erwiderte. Grinsend setzte sich Kanon zu seinem Freund. Er selbst hatte anscheinend gar nicht gemerkt wie völlig verquer die Welt war, in der er jetzt lebte. „Und auf wessen Stuhl sitz ich jetzt?“, wollte Teruki dann neugierig wissen. „Kais. Da sitz ich sonst immer.“ Ein Grinsen schlich sich jetzt auf die Lippen des Älteren. „Und auf wessen Stuhl sitzt du?“ „Auf Aois“, antwortete er ohne nachzudenken. War ja auch nicht sonderlich schwer sich das zu merken. Schließlich saß er sonst immer neben Reita und direkt Aoi gegenüber. Sodass er ihn immer angucken konnte. Mühelos. Teruki schien wohl genau den gleichen Gedanken zu haben, denn er führte die Kaffeetasse stumm an die zu einem Grinsen verzogenen Lippen und trank einen Schluck. Kanon tat es ihm gleich. Wobei er natürlich nicht grinste. Dass er aber auch immer so leicht zu durchschauen war! „Und wenn du mir jetzt auch noch sagst, dass du gerade aus Aois Tasse trinkst, dann wundert es mich gar nicht, warum du nicht richtig schlafen kannst.“ Kanon verschluckte sich fast bei Terukis Aussage. „Tu ich gar nicht!“, protestierte er gleich nachdem er seinen kleinen aber leider sehr auffälligen Hustenanfall überwunden hatte. Mitten ins Schwarze getroffen. Eigentlich könnte der Ältere solche Aussagen ja auch einfach machen, um ihn zu ärgern, aber er tat es anders als Takuya. Kanon hatte nicht das Gefühl, dass Teruki ihn mit seinen Aussagen aufziehen wollte. Es war eher die liebevoll neckende und zugleich fürsorgliche Art eines Freundes. Und dem Bassist wurde in diesem Moment ziemlich deutlich bewusst, dass er genau diesen Freund jetzt brauchte. Dadurch, dass die anderen ihn immer nur mit der Beziehung zu Aoi aufzogen, hatte er nie so richtig daran gedacht, wirklich ernst mit ihnen über dieses Thema zu sprechen, aber jetzt, wo Teruki so vor ihm saß, spürte er dieses Bedürfnis mehr als zuvor. Er brachte nur keinen Ton raus. „Und wo schläfst du?“, fragte sein Gegenüber irgendwann, nachdem eine Zeit lang niemand was gesagt hatte. Da hatte er den Moment mal wieder verpasst. Kanon schlug sich innerlich selbst gegen die Stirn, war sich aber genauso sicher, dass das nicht die letzte Gelegenheit an diesem Tag gewesen war, um zu reden. „In Aois Zimmer.“ Er blickte kurz zu besagter Tür. „Reita gehört das Zimmer daneben.“ „Und Aoi schläft… wo?“ „Auf der Couch.“ Sofort musste er an die Nacht denken, in der Aoi bei ihm im Bett geschlafen hatte. Nein, die Gedanken mussten sofort wieder weg! Er durfte jetzt nicht rot werden! „Das hört sich aber ein bisschen enttäuscht an“, stellte Teruki grinsend fest. Kanon fiel darauf keine Erwiderung ein. Er hätte es natürlich abstreiten können, wie sonst auch immer. Aber was würde ihm das bringen? Nur irgendwie brachte er auch nicht den Mut auf, es einfach offen auszusprechen. Wieso konnte er nicht einfach zugeben, dass er es lieber hätte, wenn Aoi mit ihm in einem Bett schlief? Wieso konnte er das nicht einmal einem seiner besten Freunde verraten? Kapitel 39: Wie man ein Stückchen Wahrheit preisgibt ---------------------------------------------------- Kapitel 39 Wie man ein Stückchen Wahrheit preisgibt Niedergeschlagen nippte er an seinem Kaffe und entzog sich damit den neugierigen Fragen des Drummers. Auch dieser schien sich jetzt mit seiner Tasse zu beschäftigen und einige Minuten herrschte Stille. Bis der Ältere die Stille sanft durchbrach. „Was ist los, Kanon?“, fragte Teruki mitfühlend. Es erinnerte Kanon an die Art mit der Reita heute Morgen mit Aoi geredet hatte. Es war die Stimme eines Freundes, der einen beschützen wollte. Der einem wirklich helfen wollte. Und Kanon brauchte diese Hilfe momentan. Der Jüngere nahm all seinen Mut zusammen und sah dann seinen Gegenüber an. Er musste dieses Gespräch jetzt führen, wenn er nicht völlig durchdrehen wollte! „Aoi und ich haben uns gestern geküsst. Glaube ich…“ Teruki zog eine Augenbraue in die Höhe. „Du glaubst?“ Sein Gesichtsausdruck versteinerte sich plötzlich. „Du warst doch dabei nicht betrunken, oder?“ „Nein!“ Kanon holte nochmal tief Luft und begann dann von dem Abend zu erzählen. Er versuchte dabei seine Gefühle für den Gitarristen möglichst für sich zu behalten. Es war ja schon schwer genug gewesen, sich selbst einzugestehen, dass er verliebt war. Zu seiner Erleichterung ließ Teruki ihn in Ruhe erzählen ohne ihn dabei zu unterbrechen. Auch als Kanon am Ende der Geschichte angekommen war, bei dem er fluchtartig das Wohnzimmer verlassen hatte, schwieg Teruki noch einige Sekunden. Er schien sich ganz genau zu überlegen, was er nun zu Kanon sagen sollte, und dafür war dieser dem Älteren dankbar. Nach einer gefühlten Ewigkeit ergriff der Drummer dann das Wort. „Also, da ihr nicht zufällig mit den Mündern aufeinander gefallen seid, kann ich dir versichern, dass das ganz eindeutig ein Kuss war.“ Kanon fiel bei diesem Satz ein ziemlich großer Stein vom Herzen und unwillkürlich musste er sogar einen kurzen Moment leicht lachen. Erstmal hatte er endlich mit jemandem über die Geschichte geredet und dann mochte er Terukis Art darauf zu reagieren. Er antwortete nicht mit einem überlegenen Grinsen und einem „Ha! Hab ichs doch gewusst!“. Nicht, dass Kanon das von dem anderen erwartet hatte, aber man wusste ja nie. „Gut, dass wir das geklärt haben.“ Schmunzelnd sah er den Drummer an, der ihm jetzt auch ein Lächeln zuwarf. „Also… ihr habt euch seitdem nicht mehr gesehen?“, setzte Teruki das Gespräch schließlich fort. Kanon schüttelte den Kopf. Gesehen hatten sie sich nicht. Aber seinem Freund zu sagen, dass Aoi heute Morgen vor seiner Tür gestanden und sich nicht reingetraut hatte, ließ er nach der ersten Überlegung doch sein. Er musste ihm ja jetzt auch nicht gleich alles erzählen. Immerhin brauchte er erstmal jemanden, mit dem er überhaupt reden konnte! Und allein diese Tatsache, dass er jemand anderem von gestern Abend erzählte, war schon ein großer Schritt. Zwar war es etwas, über das er ja eigentlich als erstes mit Aoi selbst reden sollte, bevor er hinter dessen Rücken Teruki einweihte, aber andererseits wusste Reita ja anscheinend auch davon. Und alles für sich behalten war sicher auch nicht gesund. „Und hast du jetzt irgendwas Bestimmtes vor? Aoi hat ja seitdem keine Anstalten gemacht mit dir zu reden“, stellte der andere fest und irgendwie klang es fast so, als würde er das dem Gazette-Gitarristen ein wenig übel nehmen. Vielleicht sollte er ja doch von heute Morgen erzählen? „Naja, aber ich hab ja geschlafen.“ Zumindest hatte Aoi das gedacht. „Aber gestern Abend ja nicht“, warf Teruki weiter ein und Kanon mochte die Richtung, in die dieses Gespräch ging, plötzlich gar nicht mehr so sonderlich. „Er wollte vorhin in mein Zimmer kommen, glaub ich“, seufzte er schließlich doch. Er konnte es nicht ertragen, Aoi die Schuld zuzuschieben, dass sie seit dem Kuss nicht mehr miteinander geredet hatten. „Und wieso, glaubst du, ist er nicht reingekommen?“ Kanon fuhr sich durch die Haare und seufzte dabei laut. Wenn er das nur wüsste! „Keine Ahnung. Sie mussten halt schnell zur Probe oder er bereut es und weiß jetzt nicht, wie er es mir sagen soll“, antwortete der Jüngere und war selbst überrascht darüber, wie verzweifelt seine Stimme am Ende geklungen hatte. Er hatte wirklich Angst. Angst davor, von Aoi abgewiesen zu werden. Wieder herrschte Stille. Einen Moment wünschte sich Kanon, Teruki würde ihm einfach nur sagen, was er hören wollte. Dass, was die anderen ständig zu ihm sagten. Dass Aoi in ihn verschossen war und sie beide schon fast ein Paar waren. Allerdings würde der Drummer das nicht tun. Und das war wohl auch genau das, was Kanon jetzt brauchte. Eine ernste und sachliche Meinung. „Ich glaube nicht wirklich, dass Aoi den Kuss bereut“, begann Teruki und dem Bassisten fiel bei den Worten ein Stein vom Herzen. „Ich hab euch ja jetzt schon ein paar Mal zusammengesehen und er scheint dich echt zu mögen. Schon bei Miyavis Geburtstag hat er dich ständig angeschmachtet! Ich glaube er ist einfach… unsicher.“ „Unsicher?“, wiederholte Kanon skeptisch. Das sollte die Erklärung sein? Er machte den großen Aoi von Gazette „unsicher“? „Ist doch gut möglich“, meinte der Ältere schulterzuckend. „Ihr wohnt zwar zusammen, aber eigentlich kennt ihr euch doch erst seit drei Wochen. Da ist es noch gar nicht so leicht den anderen einzuschätzen. Und um einschätzen zu können, ob man mit demjenigen wirklich eine Beziehung oder ähnliches will, reicht die Zeit auch noch nicht.“ Kanon verschluckte sich bei den Worten fast noch einmal an seinem Kaffee. Eine Beziehung?? Natürlich hatte er schon viel über sich und den Gitarristen nachgedacht und er wollte ihm auch nahe sein. Aber so eine richtige Beziehung… Soweit hatte sein Gedankengang dann doch nie gereicht. „Hab ich da etwa nen wunden Punkt getroffen?“ Teruki konnte sich ein kurzes Lachen wohl doch nicht verkneifen, als Kanon ihn geschockt anstarrte. „Das kam nur irgendwie… überraschend“, antwortete ihm der Jüngere wahrheitsgemäß. „So weit hab ich jetzt noch gar nicht wirklich gedacht.“ „Ein Zeichen mehr dafür, dass drei Wochen zu wenig Zeit für sowas sind.“ Schmunzelnd hob Teruki seine Tasse wieder an die Lippen und trank aus. Kanon kam sich wirklich so vor als wäre er noch nie verliebt gewesen. Aber irgendwie war es ja auch das erste Mal, dass er in so einer verwirrenden Situation war wie jetzt mit Aoi! Man wohnte schließlich nicht einfach so mit jemandem unter einem Dach ohne ihn davor wirklich persönlich gekannt zu haben und plötzlich bemerkt man, dass man verliebt ist! Und einmal nicht hingeguckt und schon ist die Zeit, in der man zusammenlebt, vorbei, noch bevor man die Sache klären konnte. Darauf würde es nämlich hinauslaufen. Ein Seufzen entwich ihm. Wenn er doch nur wüsste, was Aoi dachte… „Du bist viel zu ungeduldig!“, stellte Teruki fest. „Sowas entwickelt sich nicht von heute auf morgen. Aoi muss sicher auch erstmal darüber nachdenken. Lass ihm etwas Zeit, Kanon.“ Der letzte Satz erinnerte den Angesprochenen ziemlich stark an den Satz, den er heute Morgen von Reita durch die Tür hatte hören können. Dass Aoi ihm etwas Ruhe lassen sollte. Und wahrscheinlich hatten er und Teruki ja auch Recht. Vielleicht machte er sich wirklich viel zu früh so einen Kopf darum. Aber andere Menschen wohnten ja auch nicht unter einem Dach, während sie sich verliebten! Das beschleunigte doch schließlich irgendwie alles! Sie teilten ihr tägliches Leben miteinander. Normalerweise ging das doch immer andersrum. Verlieben und dann zusammenziehen. „Okay“, seufzte Kanon leise und sah seinen Gegenüber wieder an, auf dessen Gesicht immer noch ein freundliches Lächeln zu sehen war. Seine Stimmung hellte sich ein bisschen auf, sodass er sogar zum Scherzen imstande war. „Vielleicht seh ich auch einfach nur Gespenster und er mag mich gar nicht so sehr wie ich denk, sondern benutzt mich nur zur Ablenkung von Reita.“ Dass dieser Satz Aoi gegenüber ziemlich gemein klang und mit dem Hintergedanken an die Geschichte zwischen den beiden Mitbewohnern noch mehr Tiefe bekam, bemerkte Kanon erst, als er ihn ausgesprochen hatte. „Der ist nämlich ganz schön anstrengend!“, fügte er deshalb noch schnell hinzu, aber Terukis Lächeln wirkte plötzlich wie eingefroren. Es schien, als hätte es an Wärme verloren, und der Jüngere hatte direkt das Gefühl etwas Falsches gesagt zu haben, obwohl der Satz für den anderen ja gar nicht die Intensität und Bedeutung haben konnte, die er für ihn selbst hatte. Schließlich wusste der Leader ja nichts von Aoi und Reita. „Ich kann für dich nur hoffen, dass Aoi nicht einer von diesen Idioten ist, die andere zur Ablenkung benutzen, weil sie mit ihrem Leben nicht klar kommen“, meinte der Ältere schließlich und die Trauer in seiner Stimme war nicht zu überhören. „Ist bei dir alles in Ordnung, Teruki?“ Der Angesprochene schüttelte auf Kanons Frage hin leicht den Kopf. „Mach dir mal um mich keine Sorgen. Das wird wieder! Vergiss nur nicht, dass du anderen Menschen mit unüberlegten Handlungen mehr Schmerz zufügen kannst als dir vielleicht bewusst ist.“ Kanon nickte. Er hatte zwar den großen Zusammenhang nicht verstanden, aber es schien Teruki wichtig zu sein dem Jüngeren diese Lektion mitzugeben. „Gut“, meinte der Leader auf Kanons Reaktion hin und schenkte diesem sogar ein leichtes Lächeln. Der Bassist überlegte, ob er Teruki fragen sollte, was diesen so bedrückte, doch er ließ es dann lieber. Er wollte den Älteren schließlich nicht bedrängen. Trotzdem… interessieren würde es ihn schon. Vielleicht fragte er einfach mal Takuya… Kanon Augen weiteten sich als ihm noch ein ganz anderer Gedanke im Bezug zu dem redseligen Gitarristen einfiel. „Dir ist aber hoffentlich klar, dass dieses Gespräch unter uns bleibt?“, fragte er seinen Leader in einem verzweifelten Tonfall. Er wollte gar nicht darüber nachdenken, was mit seinen Informationen passierte, wenn Takuya und Shou sie in die Hände bekamen. Da hätte er den Kuss ja gleich aufnehmen und ein YouTube-Video daraus machen können! „Ich werd schon nichts von unserem kleinen Gespräch erzählen“, meinte der Ältere grinsend. „Ich erzähl Takuya einfach, dass du in Aois Bett schläfst und auf dessen Stuhl sitzt. Das wird ihn fürs erste zufrieden stellen.“ Kanon sah Teruki geschockt an, der daraufhin anfing zu lachen. Beleidigt überkreuzte der Jüngere die Arme. „Verräter“, murmelte er gekränkt, war auf der anderen Seite aber auch froh, dass Teruki wieder so unbefangen lachen konnte. Er fühlte sich ein bisschen schuldig, dass der Leader anscheinend auch Probleme haben musste, von denen er nichts wusste. Kanon hatte zwar immer mal wieder kurz einen traurigen Ausdruck auf dem Gesicht des anderen gesehen, aber er hatte es immer auf irgendetwas anderes geschoben. Auf Überarbeitung. Stress. Er wusste zwar, dass es eine schlechte Ausrede war, aber immerhin hatten sie sich in den letzten drei Wochen ja auch nicht sonderlich oft gesehen. Trotzdem… Er würde Takuya irgendwann mal danach fragen. Momentan sah es nämlich ganz danach aus als suchte Teruki eher ein bisschen Ablenkung. „Hey, wenn ich Taku gar nichts erzähl, dann hast du erst recht keine ruhige Minute mehr!“, fuhr der Ältere fort. „Glaubst du wirklich, er und Shou geben sich damit zufrieden, wenn ich sage, dass hier absolut nichts Außergewöhnliches passiert? Ein bisschen Aufregung muss schon sein.“ Kanon seufzte. „Da haben wir uns wirklich zwei Tratschtanten angelacht!“ Teruki grinste ihn verschwörerisch an. „Aber die sind erst so dick befreundet, seit sie zusammen in Miyavis Kleiderschrank eingesperrt waren!“ Der Jüngere musste lachen. Das stimmte allerdings. Aber bei Sticheleien zu ihrer eigenen Beziehung reagierte Takuya immer ziemlich zickig. Teruki blieb noch den ganzen restlichen Tag über und Kanon merkte, dass er seine Freunde mehr vermisste als er gedacht hatte. Es tat gut, mal wieder einen Tag über alte Geschichten und bandinterne Dinge zu lachen. Mit jemandem zu lachen, den er schon länger kannte als gerade mal ein paar Wochen. Sie kochten, inspizierten die Wohnung und warfen sogar einen kurzen Blick in Reitas Raum. Wobei sich aber keiner der beiden An Cafe-Member wirklich in das Zimmer traute. Am späten Nachmittag begannen sie damit, noch ein paar Lieder durchzugehen, die Kanon in der Zeit, in der er jetzt hier wohnte, bearbeitet hatte, und Teruki beschloss, in den kommenden zwei Wochen neben dem anstehenden Photoshooting noch einige weitere Proben einzuschieben. „Damit wir dich auch mal wieder ein bisschen zu Gesicht bekommen“ war seine Erklärung, die Kanon ziemlich freute. Es war also nicht nur er selbst, der seine Freunde vermisste. Kapitel 40: Wie man sich entschließt zu warten ---------------------------------------------- Vielen Dank für eure lieben reviews in letzter zeit ^___^ bevors weitergeht, wollen wir noch kurz drauf hinweisen, dass wir sonntag oder montag den oneshot zu aoi und reita unter "kyoosha - beyond the curtain" hochladen werden. Als kleines Ostergeschenk sozusagen ^^ Würd uns freuen, wenn ihr da mal reinschaut! Ansonsten jetzt weiterhin viel Spaß mit dem nächsten kapitel von learning by doing! ________ Kapitel 40 Wie man sich dazu entschließt zu warten Kanon stand in dem kleinen Flur der Wohnung und sah Teruki dabei zu, wie dieser seine Schuhe anzog. Eigentlich hätte er den Älteren gerne noch ein bisschen dabehalten, aber es war schon abends und in etwa zwei Stunden würden Aoi und Reita nach Hause kommen. Kanon hatte zwar nicht vor Terukis Besuch vor seinen Gastgebern zu verheimlichen, doch Aoi und Reita hatten nach so einem anstrengenden Tag sicher keine Nerven mehr für ungebetene Gäste. „So, dann mach ich mich jetzt mal auf den Weg“, meinte Teruki, als er sich dann auch die Jacke angezogen hatte. Kanon nickte lächelnd und schenkte seinem Freund dann eine lange Umarmung. „Danke, dass du gekommen bist.“ Der Jüngere war froh einen so guten Freund an seiner Seite zu haben. Die Aussprache hatte ihm wirklich gut getan. „Kein Problem! Und nachdem man sich an das Chaos gewöhnt hat, ist es hier auch ganz gemütlich“, gab Teruki dann grinsend zu, als er sich von der Umarmung löste. Kanon musste daraufhin lachen und ließ seinen Blick über die Umgebung schweifen, die er schon so ins Herz geschlossen hatte. „Du bist wirklich gerne hier, oder?“ Er sah den Älteren verdutzt an und nickte dann lächelnd. War sein Blick wirklich so leicht zu deuten? Allerdings hatte Kanon auch kein Problem mit dieser Frage. Er wohnte inzwischen wirklich gerne hier. Teruki erwiderte sein Lächeln, doch es wirkte etwas gequält. „Alles in Ordnung?“, fragte Kanon verwundert, woraufhin der Ältere schwer seufzte. „Ich will ja kein Spielverderber sein, aber vergiss bitte nicht, dass das hier nicht die Realität ist. Du hast dich den ganzen Tag wie ein Gastgeber benommen, obwohl du doch selbst nur ein Gast bist. Ich will nur nicht, dass der Auszug für dich am Ende zu schwer wird.“ Teruki lächelte den Jüngeren mitfühlend an, dem selbst aber das Lächeln vergangen war. Stattdessen schüttelte er nur den Kopf. „Wird es schon nicht. Ich kann ja sicher herkommen, wann ich will.“ „Bestimmt“, stimmte der Leader zu. „Schließlich hast du ja auch noch eine eigene Wohnung, für die du nicht ewig umsonst Miete zahlen kannst.“ Kanon nickte und zwang sich ebenfalls wieder ein Lächeln auf die Lippen, als er sich von Teruki noch einmal kurz verabschiedete und dann die Tür hinter ihm schloss. Das hier war nicht die Realität. Er war selbst nur ein Gast. Und er würde ausziehen müssen. Früher oder später. Kanon gingen all diese Worte durch den Kopf, als er sich umdrehte und dann auf das Sofa fallen ließ. Warum hatte ihm Teruki denn jetzt so gnadenlos mit der Wahrheit konfrontieren müssen? Der Tag war schön gewesen! Er hatte sich ausgesprochen und Spaß mit seinem Freund gehabt. Und kaum war dieser Weg, schlug ihm die Realität wieder mit voller Kraft ins Gesicht. Sein Blick wanderte über die auf dem Wohnzimmertisch verteilten Notenblätter und die Schale mit Süßigkeiten nebendran. Eine Flasche Cola und zwei Gläser waren ebenfalls auf dem Boden stehen geblieben, weil auf dem Tisch kein Platz mehr gewesen war. Es stimmte. Er hatte sich wirklich wie ein Gastgeber benommen. Und nicht nur so benommen, er hatte sich auch so gefühlt! Als wäre das hier seine Wohnung. Aoi hatte es tatsächlich geschafft, dass er sich nicht mehr nur wie ein Gast hier fühlte. Er hatte diese Wohnung zu seinem zweiten Zuhause gemacht, das er bald wieder verlassen musste. Seufzend lehnte er sich zurück. Zum Aufräumen hatte er gerade wirklich absolut gar keine Motivation. Konnte er auch noch später machen. __ Kanon wachte von der Kühlschranktür auf, die zugeschlagen wurde. Er konnte das Geräusch sofort zuordnen. Anschließend folgte ein leises aber bestimmtes „Pscht!!“, was den Schwarzhaarigen lächeln und die Augen aufschlagen ließ. Er war auf dem Sofa eingedöst. „Jetzt hast du ihn geweckt!“ „Gut so! Faulenzt den ganzen Tag nur rum und dann soll ich auch noch Rücksicht auf ihn nehmen“, murrte Reita aus Richtung der Kochnische. Als Antwort war ein Seufzen zu hören. Kanon drehte seinen Kopf und als er den Verursacher des Geräuschs erblickte, schien sein Herz kurz stehen zu bleiben. Dabei hatte er doch damit gerechnet, dass es schwer sein würde, Aoi wieder anzusehen nach ihrem… ihrem Kuss. Sofort schossen ihm tausend Gedanken durch den Kopf und er versuchte sich an Terukis Worte zu erinnern. Er musste sich und Aoi Zeit geben. „Tschuldige, dass der Trampel dich geweckt hatte.“ Der Ältere lächelte ihn schüchtern an. Unsicher. Kanon fiel wieder ein, dass Aoi von Reita genau denselben Rat bekommen hatte. Und auch Aoi schien sich diesen zu Herzen zu nehmen. Zeit lassen. Abwarten. Jetzt war es an Kanon zu zeigen, dass er mit dieser Taktik einverstanden war. „Ist schon okay“, antwortete er lächelnd und setzte sich auf, sodass der Gitarrist neben ihm Platz nehmen konnte, was dieser auch sofort tat. Eine Zeitlang sahen sie sich einfach nur an. Kanon fand ihr Schweigen nicht unangenehm. Ebenso wenig das dümmliche Grinsen, dass er gerade sicher zur Schau stellte. Er konnte einfach nur an Aois Lächeln denken, welches dieser ihm gerade schenkte. Denn auch wenn sie nicht darüber redeten, so hieß das Lächeln doch irgendwie, dass er den Kuss nicht bereute. Das hoffte Kanon zumindest. „Was ist das in der Pfanne? Das schmeckt ja super!“ Reitas Gebrüll durchbrach den zarten Moment, doch Kanon war nicht wirklich böse darüber. Wahrscheinlich war es besser so. „Teruki war vorhin hier und wir haben zusammen gekocht. Ich hab euch extra etwas aufgehoben.“ Der Jüngste sah keinen Sinn darin seinen Besucher zu verheimlichen und scheinbar störte es auch keinen weiter. „Wenn ich gewusst hätte, dass der kochen kann, dann hätte ich lieber Teruki hier einziehen lassen! Aber vielleicht will der trotzdem noch kommen. Da finden wir schon noch Platz…“ „Hör auf, Leute dazu einzuladen bei uns zu wohnen!“, unterbrach Aoi Reitas Gedankengang und erhob sich wieder von der Couch, um sich auch etwas zum Essen zu holen. „Ach so! Teruki ist hier nicht erwünscht, aber der Kleine wird behandelt wie ein König?“ „Der König“, Kanon betonte das Wort übertrieben stark, „hat dir zufällig dein Abendessen gekocht!“ Naja, zwar nicht alleine, aber immerhin war er daran beteiligt gewesen. Erst Reitas anschließend leicht ungläubiger Blick ließ den Jüngsten begreifen, dass er sich gerade gegen den Blonden gewehrt hatte. Dass er es nicht Aoi überlassen hatte, sich zu verteidigen. Dessen Blick schien im ersten Moment auch leicht ungläubig, bevor er ihm amüsiert grinsend zuzwinkerte und sich ein Stück Fleisch aus der Pfanne in den Mund schob. Auch Reitas Blick veränderte sich schließlich und er hob tadelnd eine Augenbraue und zuckte mit den Schultern, bevor er sich einen Teller aus dem Schrank nahm und voll lud. Kanon hatte ihn sprachlos gemacht! Tatsächlich! Ein bisschen Stolz auf sich selbst grinste er jetzt auch Aoi an und ging dann zum Kühlschrank, um sich ein Glas Cola einzuschenken und dann an den Tisch zu setzen. Es war eigentlich total kindisch sich über so einen kleinen Sieg zu freuen, aber er tat es. Vielleicht tat er es auch besonders, weil Aoi ihn danach so angesehen hatte. Als wäre er auch stolz auf ihn! Ein schöner Gedanke. Nachdem sich die beiden Gazettemember ihr Essen aufgewärmt und an den Tisch gesetzt hatten, stellte Kanon die Frage, die ihm schon die ganze Zeit auf dem Herzen lag. „Wann müsst ihr morgen raus?“ „Kai holt uns um fünf ab“, antwortete ihm Aoi mit bedrückter Stimme. Zumindest kam es ihm so vor, darum versuchte der Jüngste die Stimmung ein bisschen zu heben. „Hey, ihr fahrt nach Europa! Ich wünschte, wir könnten auch wieder hin.“ Zwar gab es Planungen für eine Europatour, aber wirklich definitiv stand es noch nicht fest. Das Gespräch während sie aßen drehte sich ausschließlich um ihre einzelnen Konzerte, die sie schon in Europa gegeben hatten, und damit zusammenhängende Erfahrungen. Sogar als sie fertig mit Essen waren, saßen sie noch einige Zeit da, so sehr in ihr Gespräch vertieft. Es schien ganz so, als hätte Kanon wirklich geschafft, die betrübte Stimmung aufgrund des Abschieds in Aufregung zu verwandeln. Und Aufregung und Vorfreude standen Aoi eindeutig besser als Traurigkeit. Irgendwann während ihres Gespräches war Reita aufgestanden und ins Bett gegangen. Kanon und Aoi saßen noch eine Weile zusammen und unterhielten sich über unwichtige Dinge. Der Jüngere wünschte sich, dass der Abend einfach nie vorbeigehen würde. Dass er für immer hier mit dem Gitarristen sitzen und Unterhaltungen ohne tieferen Sinn führen konnte. Nur um den Älteren reden zu hören. Aber er wusste genau, dass das nicht möglich war. „Ich sollte auch schlafen gehen. Wir müssen morgen früh raus“, meinte Aoi irgendwann leise. Kanon nickte und lächelte verständnisvoll. Er hatte das Gefühl, dass auch Aoi mit ihrer unfreiwilligen Trennung zu kämpfen hatte und er wollte es dem Älteren so leicht wie möglich machen. Dieser erwiderte das Lächeln mit seiner warmen Art, bei der es in Kanon immer anfing zu kribbeln. „Ich würde dich so gerne mitnehmen“, gestand der Gitarrist sanft und das Kribbeln wurde nur noch intensiver. „Ich hab sogar Kai gefragt! Aber der hat gesagt, wenn er Nao nicht mitnehmen kann, dann darf ich dich auch nicht mitnehmen.“ Aoi zuckte grinsend mit den Schultern und Kanon versuchte seine Gedankengänge unter Kontrolle zu halten. Er durfte da nichts reininterpretieren. Nur weil ihre Freundschaft mit der Beziehung von Kai und Nao verglichen wurde, musste das nichts bedeuten. Außerdem hatte ja noch nicht einmal Aoi diesen Vergleich aufgestellt. Und trotzdem schlug sein Herz wieder viel zu schnell. Dabei wollte er es doch lockerer angehen lassen! Wahrscheinlich würden ihm die 14 Tage Auszeit ganz gut tun. Auch wenn ihm die Vorstellung doch Sorgen bereitete. „Dann geh ich jetzt mal ins Bett und lass dich schlafen.“ Aoi nickte darauf und wirkte doch ziemlich niedergeschlagen. Auch als Kanon dann aufstand, um ins Schlafzimmer zu gehen, saß der Ältere nur traurig auf seinem Stuhl. Kanon konnte das gar nicht mit ansehen. Das war ja herzzerreißend! „Aber wir sehen uns ja morgen früh nochmal“, meinte er gespielt gut gelaunt. „Und dieses Mal lässt du meinen Wecker schön an! Sonst musst du dich gar nicht erst trauen aus Europa zurückzukommen!“ Kanon erntete daraufhin ein Lachen von dem anderen, bevor er wirklich in sein Zimmer verschwand und die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. ___ Als er seinen piependen Wecker um kurz vor vier murrend ausstellte, wünschte sich Kanon einfach nur, dass sie doch früher ins Bett gegangen wären. Nachdem er bestimmt zwei Stunden lang noch wach gelegen hatte, hatte er vielleicht gerade mal vier Stunden Schlaf bekommen. Er hoffte nur, Aoi war ausgeruhter als er. Schwerfällig stieg er aus dem Bett und zog sich schnell etwas an, als er eine leise Melodie aus dem Wohnzimmer hörte und er daraufhin in eben dieses Zimmer ging. Er sah aufgrund der Lehne nur eine Hand, die blind nach dem Handy auf dem Tisch tastete und anschließend einen Kopf, der über die Lehne schielte. Kanon hielt unbewusst die Luft an, als er den Kopf des verschlafenen Gitarristen sah. Die verwuschelte Frisur und die halbgeöffneten Augen waren so unglaublich niedlich, dass der Jüngere einen Moment brauchte, um sich zu sammeln. Erst dann schaffte er es, den anderen anzusprechen. „Morgen.“ „Du bist schon auf?“ Aoi strich sich übers Gesicht und anschließend über seine Haare, bevor er ganz vom Sofa aufstand. Kanon nickte nur kurz. Er wollte sich wenigstens noch ein bisschen nützlich machen, indem er Kaffee kochte. Die beiden hatten ja sicher noch genug zu tun, bis Kai sie abholte. „Und du? Kein Ruki, der dich mit nem wahnsinnigen Schrei weckt?“ „Damit du davon auch noch aufwachst?“ Aoi schlurfte, anscheinend so langsam wach, ins Bad. „Habs umgestellt, seit du davon so erschrocken bist!“ Die Antwort hörte Kanon noch aus dem Bad, aber sie interessierte ihn eigentlich nicht sonderlich. Etwas anderes beschäftigte ihn viel mehr: Dieser Augenblick hatte sich seltsam angefühlt. Sein Unterbewusstsein hatte fast damit gerechnet, dass Aoi jetzt zu ihm kam, ihm einen Kuss gab und ihn mit einem lächelnden Gesicht und einem „Guten Morgen“ begrüßte. Und je länger Kanon darüber nachdachte, desto richtiger hätte sich eine solche Begrüßung angefühlt. Und desto mehr wurde ihm bewusst, dass es eben nur sein Wunschdenken war. Eigentlich sollte er froh sein, überhaupt von Aoi am Morgen begrüßt zu werden! Das war schließlich der letzte gemeinsame Morgen für die nächsten zwei Wochen. Der letzte gemeinsame Morgen. Der Gedanke spukte in seinem Kopf herum, als sich der Bassist zur Kaffeemaschine umdrehte und sie einschaltete. Ja, er sah schon: Das würde wirklich ein toller Tag werden. Kapitel 41: Wie man geht ------------------------ erstmal vielen dank für eure reviews ^___^ und dann.. möchten wir nochmal kurz drauf aufmerksam machen, dass unser prequel zu dieser ff, allerdings zu rei und aoi, online steht: http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/407122/248497/ Wahrscheinlich kommt am Sonntag der zweite Teil davon online. Und jetzt viel Spaß beim nächsten Kapitel von learning by doing ^^ ____________ Kapitel 41 Wie man geht Kanon starrte in seine halb leere Kaffeetasse und kaute dabei nachdenklich auf seinem Piercing. Seit einigen Minuten war es still. Sein Blick huschte über die beiden Personen, die mit ihm am Tisch saßen. Reita war kurz nach ihm und Aoi aufgestanden und hatte sich, ohne zu murren, gerichtet. Der Älteste hatte Kanon heimlich verraten, dass die ausbleibende Abfälligkeit bei Reita ein ziemlich eindeutiges Anzeichen für Nervosität wäre. Kanon hatte nur genickt und Aoi nicht gesagt, dass man auch ihm die Anspannung gut ansehen konnte. Es war ja irgendwie auch verständlich. Erst der lange Flug und dann ein voller Terminkalender. Verschiedene Länder, verschiedene Sprachen, verschiedene Menschen. Am vorherigen Abend hatten sie all das lange besprochen, doch Kanon merkte, dass es Reita und Aoi erst jetzt richtig erreicht hatte. Nachdem sich die beiden Gazette-Mitglieder fertig gerichtet und ihr Gepäck schon ins Wohnzimmer gestellt hatten, setzten sie sich mit Kanon an den Tisch und tranken gemütlich ihren vorerst letzten Kaffee in ihrer Wohnung. Am Anfang war es tatsächlich noch gemütlich gewesen, doch mit voranschreitender Zeit wurde die Stimmung immer angespannter. Irgendwann merken sie alle, dass ein weiteres Gespräch nur ein Zwang gewesen wäre und verstummten. Kanon war froh, dass sie am Abend davor noch so ausgelassen gesprochen hatten und auch, dass er noch einige Zeit mit Aoi alleine gehabt hatte, bevor sie sich nun zwei Wochen lang nicht mehr sehen würden. Er sah schüchtern auf und suchte dann den Blick des Gitarristen, der ihm daraufhin entgegen lächelte. Erst gezwungen. Dann immer wärmer. Ein schönes Lächeln. Ein lautes Geräusch ließ Kanon zusammenzucken und seinen Blickkontakt mit Aoi abbrechen. Es war ein Bass. Reitas Bass. Ein Geräusch, das Kanon schlucken ließ. Der Blonde zog sein Handy aus der Tasche und drückte den eingehenden Anruf weg. „Kai steht unten vor der Tür.“ Kanons Blick wanderte zur Uhr. Das war gemein! Kai sollte erst in 5 Minuten da sein! Unterbrach einfach seinen Blickkontakt mit Aoi und klaute ihm dann auch noch wertvolle Zeit! Kanon sah dabei zu wie Reita sich erhob. „Ich geh schon mal runter.“ Aoi nickte als Zeichen, dass er verstanden hatte, rührte sich sonst aber nicht. Auch nicht, als der Blonde die Haustür hinter sich zuwarf. Es kam kein zweideutiger Kommentar mehr. Keine Mahnung, dass Aoi nicht noch ewig brauchen sollte. Einfach nichts. Und das machte diesen Augenblick noch schwerwiegender. Sogar Reita schien das verstanden zu haben. Der Jüngere schluckte, als er wieder zu dem anderen blickte, der ihm gegenüber saß und ihn einfach nur ansah. Kanon spürte, wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg. Sein Blick wanderte über den Tisch. Er fand es seltsam, so eindringlich von Aoi angesehen zu werden. Mit einem Seufzen erhob sich dieser dann aber. „So, ich sollte auch mal runter.“ Kanon stand fast im selben Moment auf und begleitete ihn dann zu seinem Gepäck. Sonderlich viel war es nicht. Nicht wirklich genug, um Aoi beim Tragen helfen zu müssen. Um noch einmal mit nach unten gehen zu können und die Zeit des Abschieds noch ein paar Augenblicke zu verlängern. Aber andererseits wussten sie beide auch, dass es wohl besser wäre, sich hier oben zu verabschieden. Kurz standen sie da und sahen sich unschlüssig an. Und jetzt? Wie sollte dieses Verabschieden denn aussehen? Aoi nahm ihm diese Entscheidung ab, als er ihn einfach kurzerhand an sich zog und ihm eine Umarmung schenkte. „In zwei Wochen bin ich wieder da.“ Kanon spürte den warmen Lufthauch bei diesen Worten nah an seinem Ohr und eine Gänsehaut lief über seinen Rücken. Auch sein Herz schlug gleich einen Takt schneller. „Ich“ hatte er gesagt. Nicht „wir“. „Ich warte hier“, flüsterte der Bassist als Antwort, bevor sich Aoi wieder von ihm löste und ihm nochmal ein Lächeln schenkte und nickte. Er glaubte Traurigkeit hinter diesem Lächeln erkennen zu können. Dann griff Aoi nach seinem Gepäck. Die Instrumente waren schon am Vorabend verstaut worden. Nur noch ein Koffer und eine kleinere Tasche waren übrig, die sich der Ältere jetzt umhängte und dann die Tür öffnete. Aoi drehte sich noch einmal um. „Bis dann also!“, sagte er nach kurzem Zögern. „Bis dann“, antwortete ihm auch Kanon, bevor der Gitarrist schließlich wirklich die Treppen nach unten ging und der Jüngere die Tür schloss. Einen Moment stand er noch unschlüssig da, bevor er ins Wohnzimmer zurückging. Er konnte einfach nicht anders. Vorsichtig trat er ans Fenster und sah zur Straße runter. Dort stand wirklich Kai mit einem ziemlich großen Auto und hatte Reita anscheinend gerade dabei geholfen, dessen Gepäck in den Kofferraum zu packen. Zwei Köpfe konnte Kanon im Inneren des Wagens ausmachen. Wahrscheinlich Ruki und Uruha. Auch Reita stieg jetzt auf dem Rücksitz ein und Kanon konnte selbst durch das geschlossene Fenster das Gezanke hören, wer in der Mitte sitzen musste. Die anderen Passagiere, die mit denen nach Europa fliegen mussten, taten ihm jetzt schon Leid. Allerdings interessierte ihn das Schauspiel nur bedingt. Konzentriert sah er auf die Haustür und als diese sich dann endlich öffnete, machte sein Herz einen kleinen Sprung und verkrampfte sich danach augenblicklich. Beides aus dem Grund, dass er wusste, dass er Aoi gerade zum letzten Mal sah, bevor dieser nach Europa ging. Kanon versuchte sich jedes Detail des Gitarristen einzuprägen, auch wenn er wusste, dass es sinnlos war. Er kannte schon dessen Art zu gehen. Dessen Art sich zu bewegen. Und trotzdem hätte er ihn noch stundenlang beobachten können. Aber auch Aois Koffer war mit Kais Hilfe schnell verstaut. Kanon spürte, wie sich etwas in ihm zusammenbraute. Aoi hatte vorhin am Tisch auf etwas gewartet. Auf irgendeine Aktion, des Jüngeren, welcher dazu aber nicht in der Lage gewesen war. Kanon hatte nicht gewusst, wie er reagieren sollte. Jetzt wusste er es. Er hätte es Aoi sagen sollen. Er hätte Aoi sagen sollen, dass er ihn liebte, bevor dieser nach Europa ging. Er spürte es ganz tief in sich. Spürte wie die Worte heraus wollten. Und es war noch nicht zu spät. Kanon packte den Fenstergriff und versuchte fast panisch das Fenster zu öffnen. Es klemmte. Es war nicht das erste Mal, dass er das bemerkte, doch das erste Mal, dass es ihn wirklich störte. Verzweifelt riss er am Griff. Er musste es öffnen. Er musste Aoi doch noch sagen, was er fühlte! Sein Blick huschte nach unten aus Angst, das Auto könnte schon weg sein. Aber das war es nicht. Es stand noch da. Genau, wie Aoi. Kanon hielt sofort in seiner Bewegung inne. All seine Panik war auf einmal verflogen. Aoi sah zu ihm hoch. Sah ihn genau an. Und lächelte. Kein klarer Gedanke war mehr in Kanons Kopf verankert. Sein Plan hatte sich selbst über den Haufen geworfen, bevor er auch nur daran hatte denken können. Da war nur noch Aois Lächeln. Zu perfekt, um es mit einer unüberlegten Tat zu zerstören. Unwillkürlich schlich sich auch auf sein eigenes Gesicht ein Lächeln. Aois war einfach ansteckend. Kanon ließ den Fenstergriff los und hob stattdessen nur die Hand zum Abschied. Aoi tat es ihm gleich. Und damit war das drückende Gefühl des Abschieds verschwunden. Es war einfach von Aois Lächeln weggewischt worden. Sogar jetzt, als der Gitarrist die Hand wieder sinken ließ und mit seinen Lippen ein „Bis bald“ formte. Sogar, als er ins Auto stieg und dieses langsam losfuhr. Das drückende Gefühl war verschwunden, denn Kanon wusste ja, dass Aoi wiederkommen würde. Es war nur ein Abschied für zwei Wochen und dann würde er zurück sein. Dann würden sie wieder zusammen wohnen. Als das Auto um die Ecke bog und aus seinem Blickfeld verschwand, sah Kanon noch ein paar Sekunden hinterher, drehte sich aber anschließend um und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Die benutzten Kaffeetassen standen neben der Spüle. Eine Musikzeitschrift lag noch auf dem Küchentisch. Es war zwar aufgeräumter als sonst, aber trotzdem fühlte es sich so an, als könnten Aoi und Reita jeden Moment wieder durch die Tür kommen. Als ein Schlüssel ins Türschloss gesteckt wurde und Reita tatsächlich reingerannt kam, dachte Kanon zuerst, sein Gefühl spielte ihm einen Streich. Aber nachdem der Blonde für ein paar Sekunden in seinem Zimmer verschwunden war und dann triumphierend seinen Reisepass hochhaltend wieder rausgestürmt kam, hob Kanon nur verwirrt die Augen. „Vergessen!“, grinste ihn Reita an, bevor er mit einem „Bis dann!“ auch schon wieder die Haustür hinter sich ins Schloss fallen ließ. Der Schwarzhaarige starrte die Tür völlig überrumpelt an. Erst ein paar Augenblicke später machte sich ein Gedanke in seinem Kopf breit und er konnte nicht anders als kurz zu lachen: Das war so typisch! Es brauchte einen weiteren Moment, bis er begriff, dass, wenn Reita wieder hier war, auch das Auto unten stehen musste! Aber gerade als er sich wieder zum Fenster umdrehen wollte, um nachzusehen, hielt er inne. Konnte er sich denn nochmal von Aoi verabschieden? War ein Abschied nicht genug? Als eine Autotür zugeschlagen wurde, konnte er allerdings nicht anders. Er wandte den Kopf und sah gerade noch, wie das Auto losfuhr. Und Aois Gesicht, auf das er in der Dämmerung noch einen flüchtigen Blick durch das Fenster werfen konnte. Er sah zu ihm hoch zauberte Kanon erneut ein Lächeln aufs Gesicht, bevor das Auto ein weiteres Mal – und diesmal wirklich das letzte Mal für diesen Tag – aus seinem Blickfeld verschwand. Dann herrschte Stille. Kanon war nie wirklich bewusst gewesen, wie bedrückend eine solche Stille doch sein konnte. Er lebte schon seit einigen Jahren alleine und hatte die Ruhe immer genossen. Er hatte gedachte, er gehöre zu den Menschen, denen es nichts ausmachte auch mal alleine zu sein. So war es bis jetzt doch immer gewesen. Aber anstatt ihn selbstbewusster zu machen, hatte ihn Reita anscheinend zu mehr Abhängigkeit erzogen. Ein Schuss, der wohl nach hinten losgegangen war. Wobei es sich wohl eher um Aois Schuld als um Reitas handelte. Oder am Ende doch nur um seine eigene? Kanon verwendete den Rest des Tages darauf, die Stille irgendwie zu verdrängen. Auch wenn es ihm schwer fiel. Er hatte nie gewusst, dass es auch still sein konnte, wenn Musik lief oder der Fernseher. Irgendwann ging er zu der Taktik über, sich nicht nur mit einer Sache ablenken zu wollen. So endete es damit, dass er gleichzeitig an seinem Laptop arbeitete und laut Musik hörte. Zwar war es so sehr viel schwieriger, sich auf die Arbeit zu konzentrieren und er kam nur schleppend voran, doch eigentlich war das nicht so schlimm. Im Gegenteil. Er musste sich ja auch Ablenkung für die nächsten Tage aufsparen. _ Seufzend stellte er den Laptop zur Seite und rieb sich die Augen. Es hatte keinen Sinn mehr. Er würde am nächstens Tag weiter arbeiten. Kanons Blick wanderte zum Fenster, von dem aus er vor Stunden noch Aoi hintergeschaut hatte. Jetzt konnte er draußen nur noch die Nacht erkennen. Kanon stand auf und versuchte den Gedanken zu verdrängen, dass es eine einsame Nacht werden würde. Stattdessen suchte er sich in der Küche etwas Essbares zusammen. Er hatte den Tag über nur eine Schale Müsli über seinem Laptop gegessen. Hunger hatte er trotzdem keinen. Alleine essen machte einfach keinen Spaß. Trotzdem saß er ein paar Minuten später vor dem Fernseher und aß aus einer Schüssel, in die er einfach alle Reste zusammengeworfen hatte. Das Abendprogramm ließ wirklich zu wünschen übrig, aber vielleicht lag es auch daran, dass es schon nach 11 war. Immer wenn sein Blick auf die Uhr fiel, stellte sich Kanon die gleiche Frage: Warum war er eigentlich noch wach, wenn er sich doch so einsam fühlte? War es nicht besser, einfach ins Bett zu gehen? Und auch wenn er die Antwort immer wieder verdrängte, wusste er, dass sie der Grund war, weshalb er hier noch saß. Automatisch rechnete er die Stunden zurück. Rechnete aus, wie spät es jetzt wohl bei Aoi sein musste. Ob er schon in Europa gelandet war. Die Antwort auf seine Frage war, dass Kanon hoffte, Aoi würde sich melden, sobald er konnte. Und er wollte zu diesem Zeitpunkt nicht schlafen. Aber wann immer dieser Gedanke auch aufkam, drückte er ihn sofort wieder zurück. Er sollte sich nicht so viel Hoffnung machen. Aoi hatte sicher zu tun, wenn er ankam. Lieber sollte er schlafen gehen und dann, wenn es gar nicht anders ging, morgen weiter auf eine Nachricht warten. Er sollte- Kanon konnte seine Gedanken nicht mehr zu Ende denken. Als er sein Handy piepen hörte, sprang er reflexartig auf, obwohl das kleine Gerät doch direkt neben ihm auf dem Sofa lag und ihm von dort munter entgegenblinkte. Im ersten Moment starrte Kanon sein Handy nur an. Es war eine neue Textmitteilung eingegangen. Den ganzen Tag hatte er auf diesen Moment gehofft und jetzt stand er da und starrte das kleine Ding an. Aoi hatte eine Nachricht geschrieben. Es musste einfach Aoi sein! Langsam ließ er sich wieder auf das Sofa fallen – das Handy dabei nicht aus den Augen lassend. Ein paar Atemzüge später nahm er es in die Hand, um die Nachricht zu lesen. Kapitel 42: Wie man Kontakt hält -------------------------------- Dankeschön für eure vielen reviews ^__^ Und sorry, dass das chap heute so spät kommt >_< Hoffentlich schaffens die Freischalter heute noch... Viel Spaß beim Lesen! _________________________ Kapitel 42 Wie man Kontakt hält „Kennst du das Gefühl, wenn du glaubst, du hättest dich nicht anständig von jemandem verabschiedet? Ich hab das irgendwie… Hoffe bei dir is alles okay. Wir sind gut angekommen, aber ich bin total fertig! Würd gern bisschen ausruhen, doch das lässt Kai natürlich nicht zu. Alter Sklaventreiber!“ Kanon las die SMS von Aoi immer wieder und wusste trotzdem nicht, was er davon halten sollte. Er wusste es nicht, weil die Nachricht zweigeteilt war. Das Ende war ungefähr das, was er erwartet hatte. Standardinformationen gepaart mit einer Beschwerde über Kais Arbeitsethos. Das Übliche. Der Anfang der Nachricht war eher das, was Kanon sich insgeheim gewünscht hatte. Oder es ging zumindest in die Richtung. Genau konnte er es natürlich nicht sagen, weil er auch nicht wusste, worauf Aoi hinauswollte. Aoi hatte das Gefühl sich nicht „anständig“ von Kanon verabschiedet zu haben. Aber was hieß schon „anständig“? Hätte die Umarmung länger, das Abschiedswort rührender sein müssen? Hatte sich der Ältere eigentlich gewünscht, dass Kanon ihn noch bis zum Auto begleitete? Natürlich fiel Kanon noch sofort ein anderer Aspekt ein, der zu einer „anständigen“ Verabschiedung gehören könnte: Ein Kuss. Wollte Aoi darauf hinaus? Kanon stöhnte laut auf. Wie konnte dieser Kerl ihn nur so furchtbar verwirren? Und das nur mit einer einfachen SMS?! Vielleicht war das auch der falsche Moment, um sich darüber Gedanken zu machen. Schließlich war die Nachricht schon vor fünf Minuten bei ihm eingetroffen und wenn er nicht bald antwortete, dann legte Aoi sein Handy vielleicht auf die Seite oder machte es sogar aus. Kanon entschloss sich daher den ersten Teil der SMS fürs erste zu ignorieren und sich auf den Rest zu konzentrieren. „Freut mich, dass ihr gut angekommen seid.“ Der Schwarzhaarige überlegte kurz und betätigte dann die Löschtaste seines Handys. „Freut mich, dass du gut angekommen bist. Hier ist alles soweit in Ordnung. Nur ungewohnt still. Viel Spaß bei eurem ersten Konzert! Ich hoff, du schreibst bald wieder.“ Kanon starrte den letzten Satz an und löschte ihn sofort wieder. Das konnte er unmöglich schreiben! „Ich warte auf deine nächs“ Auch diesen Satz löschte er, bevor er ihn zu Ende getippt hatte. Auf seiner Lippe kauend saß er da und starrte die Nachricht an. Er wollte noch irgendwas schreiben, aber was? Irgendwas, was nicht zu aufdringlich kam. „Ich hoff, die SMS aus Europa sind nicht so teuer.“ Der Schwarzhaarige runzelte die Stirn. Das gefiel ihm zwar auch nicht 100%ig, aber irgendwann musste er die Nachricht ja mal abschicken! Er atmete noch einmal tief durch, bevor er auf „Senden“ drückte und auf dem Display las, dass die SMS verschickt worden war. Das Handy landete wieder neben Kanon auf dem Sofa, während er sich zurücklehnte, die Augen schloss und einen Seufzer ausstieß. Schwerstarbeit! Er konnte sich nicht daran erinnern, dass ihm eine SMS zu schreiben schon mal so schwer gefallen war. Nachdem er einen Moment in Ruhe durchgeatmet und sich von der Nervosität erholt hatte, übermannte ihn endlich ein anderes Gefühl. Aoi hatte an ihn gedacht. Er hatte sich bei ihm gemeldet! Endlich! Ein breites Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. Wahrscheinlich waren sie eben erst in Europa angekommen und Aoi hatte gar nicht früher schreiben können, aber trotzdem kam es Kanon vor als hätte er ewig auf diese Nachricht gewartet! Es hatte sich wirklich gelohnt noch so lange wachzubleiben. Jetzt konnte er beruhigt schlafen gehen. Wobei er sich auch nicht sicher war, ob er jetzt wirklich schlafen konnte. Vielleicht würde ihm Aoi ja nochmal schreiben? Kanons Blick wanderte zur Uhr am DVD-Player. Es war dort ja schließlich erst 15 Uhr! Sein gesunder Menschenverstand siegte dann aber doch und er erhob sich, um ins Bad zu gehen. Irgendwann musste er ja mal schlafen. Einen Augenblick war dem Bassisten sogar in den Sinn gekommen, seine Schlafzeiten einfach an Aois anzupassen, aber sogar er hatte nach ein paar Sekunden darüber lachen müssen. Das war dann wohl doch ein bisschen zu verrückt. Schließlich hatte Kanon auch noch ein Leben. Und dieses Leben spielte sich in den nächsten 14 Tagen großteils in seiner Band ab, die ihn bei seiner Überlegung wahrscheinlich sofort einen Vogel gezeigt hätte. Kurze Zeit später stand er wieder im Wohnzimmer. Es war eigenartig schlafen zu gehen, ohne dass ihm eine gute Nacht gewünscht wurde. Aber was sollte er schon bitte anderes tun? Er konnte ja nicht 14 Tage lang wach bleiben. Nur… Der Gedanke in das kalte Bett zu steigen und seinen eigenen Gedanken so schutzlos ausgeliefert zu sein gefiel Kanon überhaupt nicht. Das einzig Positive daran war, dass es sich wenigstens um Aois Bett handelte. Allerdings hatte es schon lange aufgehört nach dem Älteren zu riechen und so war dies auch nichts weiter als eine blasse Erinnerung. Natürlich gab es eine Möglichkeit sich dem Gitarristen wieder etwas näher zu fühlen… Kanon schüttelte den Kopf. Das konnte er nicht bringen. Er war schließlich ein erwachsener Mann und kein kleines Kind mehr! Was würde man denn von ihm denken?! Doch auf der anderen Seite… Wieso sollte es jemals jemand erfahren? Schließlich war er allein. Ganz allein… „Kanon, du bist so erbärmlich“, murmelte er leise vor sich hin als er sich dann letztendlich doch Aois Decke aus dem Schrank holte. Dieselbe Decke, welche Kanon schon damals auf dem Dach Wärme geschenkt hatte. Zwar hatte Aoi sie danach gewaschen gehabt, doch inzwischen roch sie wieder angenehm nach dem Älteren. Etwas glücklicher mit seiner Situation schlenderte Kanon ins Schlafzimmer und kuschelte sich unter die Decke. Er nahm einen tiefen Atemzug und schloss die Augen. Stellte sich einfach für einige Sekunden vor Aoi wäre direkt neben ihm. Wenn er Glück hatte, inspirierten ihn diese Gedanken vielleicht zu Träumen, in denen er den Gitarristen wieder sehen konnte. Trotz dieser harmonischen Illusion, die er versuchte aufzubauen, linste er immer wieder zu seinem Handy, welches er neben sich auf den Nachtisch gelegt hatte. Vielleicht schrieb Aoi ja doch noch… Irgendwann schlief Kanon endlich ein. Ohne die ersehnte SMS. Die SMS kam auch am nächsten Morgen nicht. Was ja eigentlich auch kein Wunder war, schließlich war es in Europa mitten in der Nacht. Aber auch am Morgen danach keine neue Nachricht. Und auch nicht am Morgen danach. Mittlerweile war es der fünfte Morgen nach Gazettes Abreise. Kanon hatte drei Bandproben hinter sich und merkte mal wieder, dass er am Ende eines solchen Tages wesentlich ausgelaugter war als wenn er nur hier an seinem Laptop saß. Die Proben lenkten ihn aber auch mehr von seiner Einsamkeit ab als er gedacht hatte. Die kam allerdings trotzdem immer wieder zurück. Vor allem, wenn er kochte. Er hatte, als Aoi und Reita noch da gewesen waren, nie für sich allein gekocht. Und in den letzten Tagen hatte er oft vor oder nach den Proben mit seiner Band gegessen. Nur jetzt stand er mal wieder am Herd. Es war Mittag und sie hatten beschlossen zwei Tage Pause zu machen. Übermorgen stand ein Fotoshooting an und am Tag darauf ging es mit den Proben weiter. Seufzend warf Kanon dem Handy auf dem Küchentisch einen kurzen Blick zu. Er hatte Aoi noch zweimal geschrieben. Am Tag nach ihrer Abreise und heute Morgen. Es war nichts zurückgekommen und der Bassist hatte sich hoch und heilig selbst geschworen nicht mehr zu schreiben bis er eine Antwort bekam. Aoi musste schließlich einen Grund haben, warum er sich nicht meldete. Ganz egal was für einer es war, Kanon machte es sicher nicht besser, wenn er ihn mit SMS bombardierte. Nachdem sich sein Handy auch nach sekundenlangem Anstarren trotzdem nicht gerührt hatte, wanderte sein Blick weiter zum Kühlschrank, an dem Kanon zwischen einigen weiteren Zetteln den Aufschrieb von Aoi befestigt hatte. Darauf standen die Daten und Orte der Europatour. Er kannte den Plan schon auswendig. Bis gestern waren sie in Deutschland gewesen und heute und morgen hatten sie frei. Wo sie da waren wusste Kanon nicht. Und so langsam glaubte er auch nicht mehr daran, dass man ihm das mitteilen würde. Zumindest nicht durch eine SMS von Aoi. Und dennoch konnte er gegen die Hoffnung nicht ankämpfen. Vielleicht kam ja doch noch eine Nachricht. Doch selbst wenn, konnte er jetzt nicht den ganzen Tag darauf warten! Also machte er sich daran weiter Gemüse klein zu hacken und summte dabei vor sich hin. Er würde auch diesen Tag überstehen! Plötzlich stoppte er mitten in seiner Bewegung und verstummte. Hatte er da gerade ein Geräusch gehört? Kanon versuchte sich zu konzentrieren. Und tatsächlich. Er hörte es wieder. Scheinbar machte sich jemand an der Haustür zu schaffen. Der Bassist bekam leicht Panik. Soweit er wusste hatte nur Kai noch einen Ersatzschlüssel für die Wohnung. Und der stand gerade ganz sicher nicht vor der Tür. Kanon suchte verzweifelt nach einer logischen Erklärung und kam am Ende auf zwei mögliche Szenarien: Einbrecher oder Fangirls, die versuchten einzubrechen. Beides nicht sehr erfreulich. Die Tür ging auf. Ohne weiter zu überlegen, duckte sich Kanon hinter den Esstisch. Immer noch das Messer in der Hand, auch wenn er bezweifelte sich damit wirklich schützen zu können. Kanon hörte Schritte. Er schielte vorsichtig aus seinem Versteck hervor, um den ungebetenen Gast besser betrachten zu können. Leider handelte es sich nicht um ein zierliches Mädchen mit Gazette-Komplex, sondern scheinbar um einen groß gewachsenen Mann. Mehr konnte Kanon nicht erkennen, da der Einbrecher eine Kapuze trug und ihm den Rücken zutrete. Scheinbar hatte der Eindringling damit gerechnet, dass sich niemand in der Wohnung aufhielt, denn er hatte sich nicht einmal umgeschaut. Glück für den Bassisten, denn sein Versteck war nicht gerade schwer zu finden. Aber statt nach Bewohnern zu suchen, ging der Unbekannte geradewegs auf eines der DVD-Regale zu. Kanon unterdrückte ein Seufzen. Darüber wär Reita sicher nicht erfreut. Allerdings war Reitas Befinden gerade Kanons kleinstes Problem. Angespannt sah er dabei zu, wie der Einbrecher immer wieder Filme aus dem Regal zog und sie daraufhin aber wieder zurück stellte. Suchte er etwa nach wertvollen Filmen oder was? Eine andere Erklärung konnte der Bassist nicht finden, egal wie lange er darüber nachdachte. Mittlerweile war der Fremde bei Aois DVDs angekommen. Kanon betete inständig, dass der Ältere keine wertvollen DVDs besaß, denn er wollte ihm später nicht erklären, dass ein Einbrecher die DVDs geklaut hatte, während er selbst unbeweglich unter dem Esstisch gehockt hatte. Als er so darüber nachdachte, kam ihm plötzlich ein ganz anderer Gedanke: Was, wenn der Fremde gar keine Filme suchte? Was, wenn irgendetwas anderes in den Hüllen versteckt war? Drogen oder so! Kanon schüttelte nur eine Sekunden später den Kopf und ermahnte sich selbst. Er begann schon rumzuspinnen! Dabei war er doch eigentlich so gar nicht der Krimi-Fan. Sein Griff um das Messer wurde stärker. Was genau er damit anstellen wollte, wusste er nicht. Immerhin konnte er nicht einfach so auf einen wildfremden Menschen mit einem Messer losstürmen! Einbrecher hin oder her. Und Waffen hatte er an diesem bis jetzt auch noch nicht entdeckt. Suchend sah er sich um. Die Tür zu Aois Zimmer war nur wenige Meter entfernt. Er könnte sich darin verschanzen und einfach warten, bis er wieder alleine war. Aber wenn der Einbrecher eine Wohnungstür aufbekam, dann war eine Zimmertür sicher nicht gerade das größte Problem. Vor allem nicht, wenn er anscheinend wusste – oder dachte – dass niemand im Haus war oder bald zurückkommen würde. Dann hatte er ja alle Zeit der Welt. Gerade als sich Kanon überlegte, ob er seinen Plan nicht doch besser in die Tat umsetzen sollte – schließlich würde ihn der Fremde sofort bemerken, wenn sich dieser umdrehen und einen flüchtigen Blick in den Raum werfen würde -, als ein seltsames Geräusch in Kanons Ohren drang. Ein Blubbern. Sein Kopf schnellte in einer bösen Vorahnung herum und tatsächlich: Die Suppe, in die er das Gemüse hatte werfen wollen, begann zu kochen. Er hatte den Topf natürlich nicht mehr vom Herd gezogen, als er die Geräusche an der Haustür gehört hatte! Ebenso schnell wandte er sich wieder dem Fremden zu, von dem er dank der Tischplatte nur die Beine sehen konnte, und bekam gerade noch mit, wie sich dieser zu ihm umdrehte. Kapitel 43: Wie man mit Einbrechern umgeht ------------------------------------------ Wir haben zur Zeit ein bisschen Stress, weil Korai eine Woche lang nich da war und wir deshalb nich schreiben konnten. Aber auch wenn wir uns gerade nicht für jedes Kommi von euch einzeln bedanken können freuen wir uns trotzdem wirklich sehr darüber >__< Heute gibts mal ein ein bisschen längeres Kapitel. Hoffentlich bereuen wir das nich und kommen mit dem Schreiben trotzdem weiter hinterher xD" Und ihr erfahrt endlich, wer der Einbrecher ist xDD Viel Spaß beim Lesen ^__^ ___ Kapitel 43 Wie man mit Einbrechern umgeht Kanon hörte die Schritte des Fremden, doch er konnte ihn nicht sehen. Grund dafür war wahrscheinlich, dass er panisch die Augen zusammenkniff. Er war verzweifelt. Was sollte er schon ausrichten? Der Einbrecher hatte sicher eine Waffe! Musste er jetzt hier auf dem schmutzigen Fußboden sterben? Er hätte Aoi doch seine Gefühle gestehen sollen. Und jetzt würde es der Gitarrist nie erfahren! Doch vielleicht hatte der Einbrecher sein Versteck noch gar nicht gesehen! Wenn das der Fall war, hatte der Bassist noch den Überraschungseffekt auf seiner Seite. Er könnte aufspringen und die Schockstarre des Mannes nutzen, um das heiße Wasser über ihn zu kippen… „Kanon?“ Der Bassist riss überrascht die Augen auf. Nicht nur, dass der Einbrecher seinen Namen kannte, er selbst kannte auch die Stimme des Einbrechers! Sofort sah er zu dem Mann, der ihn über den Esstisch hinweg beäugte, und bestätigte somit seine eigene Vermutung. „Gackt??“ Kanon war überfordert. Wieso sollte Gackt bei Aoi und Reita einbrechen? Was konnten die beiden schon haben, was er nicht hatte? „Vielleicht solltest du den Topf vom Herd nehmen“, gab der Ältere sachlich von sich. Sofort sprang Kanon auf, als ob Gackts Worte ihn von einem Art Schockbann befreit hätten, und tat, wie ihm geheißen. Währenddessen kam der Solo-Künstler langsam um den Tisch und hob dann das Messer auf, welches Kanon vor ein paar Sekunden noch so panisch umklammert hatte. Gackt hatte sowohl seine Kapuze, wie auch die Sonnenbrille abgenommen, die er bei seinem Einbruch getragen hatte, und betrachtete das Messer skeptisch. „Ich wusste schließlich nicht, dass du es bist“, murmelte Kanon peinlich berührt. Ein Glück, dass er nicht wirklich auf den Älteren loggegangen war. „Nimm das nächste Mal wenigstens ein Fleischmesser.“ Kanon nahm sein kleines Gemüsemesser nickend entgegen und legte es dann neben den Kochtopf, dessen Inhalt wieder zur Ruhe gekommen war. Als er sich wieder umdrehte, saß Gackt schon am Tisch und musterte die Wohnung. Von Aois Platz aus! Das war sein Platz, wenn er und Reita nicht da waren! Und überhaupt… Gackt nahm sich schon viel heraus, sich einfach so zu setzen ohne aufgefordert worden zu sein. Nachdem er bei ihnen eingebrochen war. „Ich wusste gar nicht, dass jemand da ist“, murmelte er schließlich und wandte den Kopf wieder Kanon zu. Ja, sonst wäre er wohl auch nicht eingebrochen. Kanon sprach den schnippischen Gedanken nicht aus, was wohl auch schon daran lag, dass Gackt sicherlich nicht wirklich eingebrochen war. Warum sollte er auch? „Und ich wusste gar nicht, dass du Türen aufbrechen kannst“, verließ es dann doch ein wenig frech Kanons Mund. Er hatte Respekt vor Gackt. Wirklich großen Respekt. Aber trotzdem war das hier immer noch seine… ähm … Reitas und Aois Wohnung. Aber er wohnte hier auch! Und da konnte auch ein Gackt nicht einfach so reinschneien wie er wollte. „Aufbrechen?“ Kurz kramte der Ältere in seiner Hose und zog anschließend einen Schlüssel heraus, um ihn hochzuhalten. Oh. Er hatte einen Schlüssel?? Wieso hatte Gackt einen Schlüssel zu dieser Wohnung? „Ich dachte, nur Kai hätte einen Ersatzschlüssel!“ „Die Geschichte ist ein bisschen länger“, grinste ihn der Sänger an und verstaute das kleine Ding dann wieder sicher in seiner Tasche. „Erzähl ich dir beim Essen. Geht doch in Ordnung, wenn ich mitesse, oder?“ Es war nicht wirklich eine Frage, die Gackt ihm da stellte. Er sah Kanon nämlich mit einem Blick an als würde er keine Widerworte dulden. Als dieser dann nickte, verschwand der bestimmende Blick aber sofort und der Ältere lächelte ihn freundlich an und nickte. „Schön.“ „Ich hab aber nichts Besonderes da. Wollte eigentlich nur Suppe…“ „Kein Problem“, unterbrach ihn Gackt mit einer wegwischenden Handbewegung. „Okay, dann… mach ich jetzt mal hier weiter.“ Kanon kam sich ein bisschen vor wie ein Koch in einem Restaurant. Zum Glück war er schon relativ weit gekommen und es fehlte nicht mehr viel bis sie wirklich essen konnten. Gackt war die nächsten Minuten still und trotzdem hatte der Jüngere Probleme sich zu konzentrieren. Es war schließlich Gackt, der hinter ihm saß! Und außerdem wollte er unbedingt wissen, was der Sänger in seiner… in Aois und Reitas Wohnung zu suchen hatte. Ungeduldig wartete Kanon darauf, dass die Suppe endlich wieder zu köcheln begann und das Gemüse gar wurde. Plötzlich ertönte eine ohrenbetäubende Musik, die aber gleich danach wieder leiser wurde. Dennoch drehte sich Kanon überrascht um und suchte nach dem Schuldigen. Gackt. Natürlich. Wie hatte der Kerl es bitte geschafft zu der Musikanlange zu gehen, ohne dass Kanon es gehört hatte? „Ich fand es ein bisschen still und beim Essen ist ein wenig Hintergrundmusik doch ganz angenehm“, meinte der Ältere schlicht. Wieder fand Kanon dessen Benehmen ziemlich dreist, aber sagte trotzdem nichts weiter dazu. Er war so schon ein Angsthase und sich mich Gackt anlegen war nochmal was ganz anderes als sich mal ein bisschen mit Reita zu streiten. „Gutes Timing. Das Essen ist jetzt nämlich fertig.“ Kanon lächelte freundlich und füllte dann zwei Schüsseln mit der Suppe, während der Ältere zurück zum Tisch kam und sich wieder auf Aois Stuhl setzte. Das war Aois Platz! Und außer dem Gitarristen und Kanon sollte darauf niemand sitzen! „Ist das dein Platz?“ Kanon spürte wie er leicht rot wurde. Anscheinend hatte er dem Sänger einen ziemlichen Todesblick zugeworfen. Wenigstens schien dieser ihm nicht böse zu sein. Stattdessen stand er ganz gelassen wieder auf und setzte sich auf den Stuhl der gegenüber von Aois Platz stand. Auch wenn das nicht geplant war, stimmte die kleine Geste Kanon zufrieden. Vielleicht war Gackt doch nicht so dreist wie gedacht. Einige Minuten löffelten sie still ihre Suppe. Kanon war froh, dass wenigstens die Musik lief. Trotzdem war ihm die Situation irgendwie unangenehm. Schließlich wusste er immer noch nicht, was Gackt hier zu suchen hatte. Vielleicht war das so eine Art „Versteckte Kamera“ und er war gerade das Opfer? Wobei das schon eine recht seltsame Show wäre. Gackt lädt sich bei ahnungslosen Leuten zum Essen ein, nachdem er bei ihnen eingebrochen ist? Andererseits… Kanon wusste, dass der Sänger schon an so ziemlich jeder japanischen Fernsehshow teilgenommen haben musste und sich dort auch nicht scheute, irgendeinen Schwachsinn mitzumachen. Vielleicht war das hier ja doch nur auch so eine Show? „Und? Was machst du jetzt hier?“, fragte er dann schließlich einfach freiheraus. „Du wolltest mir die Geschichte mit dem Schlüssel erzählen.“ Für Kanon war es ein wenig seltsam, Gackt so vertraut anzusprechen. Schließlich war er doch schon ein paar Jahre älter und um einiges länger in der Musikbranche, aber auf der anderen Seite waren sie zusammen auf Miyavis Geburtstagsparty gewesen und wenn man sich nach dem Chaos nicht per Du ansprechen konnte, dann wahrscheinlich nie. Und Gackt schien das ja auch nicht zu stören. „Ach ja!“, meinte dieser und schob sich noch ein bisschen Gemüse in den Mund, bevor er mit seiner Erzählung begann. „Also, ums kurz zu sagen: Uruha hat mir den Schlüssel gegeben. Kai muss ihn irgendwo liegen gelassen haben und Uruha hat ihn dann halt eingesteckt.“ Gackt zuckte kurz mit den Schultern und grinste dann leicht. „Scheint so als wärs Kai peinlich gewesen das zuzugeben und hat sich irgendwie nen neuen angeschafft und deshalb hat Ruha den alten behalten. Soweit ich das mitbekommen hab.“ Okay, so lang war die Geschichte zwar nicht, aber er hatte immer noch nicht erklärt, warum er jetzt hier mit Kanon in Aois und Reitas Wohnung saß und mit ihm aß! „Und du hast hier was gemacht?“, hakte der Jüngere vorsichtig nach. „Ich such ne DVD von Uruha. Er muss sie Aoi und Reita irgendwann mal geliehen haben. Vor Jahren. Und jetzt will er sie zurück und hat mich gebeten, mal vorbeizuschauen.“ Kanon verdrehte die Augen. Okay, Einbruch aufgeklärt. „Scheint so als würden sie den Film vor ihm verstecken. Sagt Uruha zumindest, weil sie ihn angeblich nicht mehr finden. Aber Ruha ist der festen Überzeugung, sie wollen die DVD behalten.“ Gackt schmunzelte leicht und auch Kanon konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Es war nicht sehr unwahrscheinlich, dass eine DVD, die schon seit Jahren hier war und weder Aoi und Reita gehörte, irgendwo in dem Chaos einfach untergegangen war. „Dann hast du aber Glück, dass ich hier bin. Als Laie wärst du in Reitas kranken System allein sicher untergegangen.“ Kanon registrierte erst nachdem er die Worte ausgesprochen hatte mit wem er da redete. Hatte er Gackt gerade wirklich als „Laie“ bezeichnet? Seit wann redete er denn so respektlos mit Autoritätspersonen?! Wie erwartet hielt Gackt in seiner Bewegung inne und sah seinen Gegenüber mit hochgezogenen Augenbrauen an. Scheinbar war er es nicht gewöhnt, dass jemand so mit ihm redete. „Da bin ich dann aber gespannt“, meinte der Ältere dann doch schmunzelnd und aß weiter. Kanon seufzte verzweifelt. Wieso hatte er den Mund denn so voll genommen und behauptet, er verstand etwas von Reitas Ordnung? Anscheinend war das System noch kranker als gedacht! Gackt und er zogen schon fast seit einer halben Stunde wahllos irgendwelche DVDs aus den Regalen. Und immer wenn Kanon glaubte, das System verstanden zu haben, fand er einen Film, der alles wieder durcheinanderbrachte. Wie schaffte es Reita denn immer genau den Film aus dem Regal zu ziehen, den er auch suchte? Man musste allerdings dazusagen, dass Gackt Kanon auch nicht erzählen konnte, wie der Film hieß, den er suchen sollte. Wahrscheinlich wusste Uruha es auch nicht mehr und es ging ihm einfach nur ums Prinzip. Kanon und Gackt wussten nur, dass es sich um irgendeinen Kitschfilm handeln musste. Sicher der einzige seiner Art in dieser DVD-Sammlung. Es kam Kanon allerdings trotzdem vor wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. „Vielleicht sollte ich Uruha einfach eine Neue kaufen“, murmelte der Solokünstler nach weiteren fünf Minuten. Kanon ignorierte den Kommentar. Jetzt war seine Neugier schon geweckt. Konnte es ihm nach 26 Tagen in diesem Haushalt immer noch so schwer fallen, seine Mitbewohner zu verstehen? Der Bassist schloss die Augen und versuchte sich zu konzentrieren. Wo würde er an Aois und Reitas Stelle die DVD verstecken? „Hier gibt’s keine Kitschfilme.“ Gackt verschränkte schließlich die Arme vor der Brust und betrachtete die DVD-Sammlung noch einmal skeptisch. Es schien nicht so, als wollte er wirklich weitersuchen, also stellte auch Kanon den Film in seiner Hand wieder seufzend an seinen Platz zurück. Währenddessen hatte sich der Sänger umgedreht und ging ohne ein weiteres Wort auf Reitas geschlossene Zimmertür zu. „Hey! Das ist Reitas Zimmer!“, warf der Schwarzhaarige ein, während er schnell zu dem anderen rüberging. Der hatte nämlich schon die Tür zu besagtem Zimmer geöffnet und stand jetzt mitten im Raum. „‘Reitas Chaos‘ würde es wohl besser ausdrücken.“ Mit einem zweifelnden Blick und erhobener Augenbraue inspizierte Gackt das Zimmer ohne sich sonst viel zu rühren. Wahrscheinlich war der Sänger der Meinung es wäre besser, erstmal nichts anzufassen, und Kanon musste mal wieder zugeben, dass das vielleicht keine schlechte Idee war und wie passend „Chaos“ es doch traf. Wie sollten sie denn unter dem ganzen Müll von Papier, Klamotten und sonstigem Kram eine einzelne DVD finden? Und vor allem ohne dass Reita es merkte! Nachdem sich der Solokünstler einmal um die eigene Achse gedreht hatte, ging er kurzerhand in die Hocke. „Sieh an.“ Seine Augenbraue schob sich noch ein bisschen weiter in die Höhe, bevor ein breites Grinsen auf seinem Gesicht auftauchte und er unter das Bett griff. Kanon wollte sich gar nicht vorstellen, was da drunter so alles rumfuhr, aber als Gackt plötzlich eine DVD-Hülle mit ziemlich kitschigem Liebesfilmcover hervorzog, blieb dem Schwarzhaarigen der Mund offen stehen. Unter dem Bett?? Sehr einfallsreiches Versteck. Wirklich. Und so richtig glauben konnte er es auch noch nicht, dass sie plötzlich so schnell die verschollene DVD gefunden hatten! „Also doch versteckt!“, lachte Gackt und besah sich das Cover, woraufhin sein Gesichtsausdruck leicht angewiderte Formen annahm. „Das sollten wir vielleicht erstmal abwaschen.“ Er deutete auf die Hülle, auf der irgendeine rote Flüssigkeit ausgelaufen sein musste. Das entsprach doch schon viel eher Reita. Fünf Minuten später standen sie mit sauberer Hülle an der Küchenzeile. „Ich dacht schon wir finden das Teil nie!“ Erleichtert betrachtete Kanon die DVD, während der Ältere ihm zustimmte. Eigentlich wollte der Bassist ihm den Film schon geben, damit Gackt gehen konnte, aber dann war es doch reine Neugierde, die Kanon dazu trieb, die Hülle kurzerhand zu öffnen, um sich die DVD anzusehen. Umso größer war die Überraschung, dass sich keine DVD darin befand. Die Hülle war leer. Kanon stand wie versteinert da. Er hätte sie einfach geschlossen lassen sollen. Blöde Neugierde! „Das ist doch ein Scherz“, hörte Kanon Gackt neben sich. Seufzend schloss der Bassist die DVD-Hülle und überreichte sie dem Solokünstler. „Scheint als hätten wir erst die Hälfte geschafft.“ Gackt presste seinen Kiefer zusammen und ließ seinen Blick durch das Wohnzimmer schweifen. Kanon hatte nie gedacht, den Älteren mal so frustriert zu sehen. Gut zu wissen, dass Reita selbst Gackt zur Weißglut treiben konnte. Kanon wollte gerade fragen, ob er ihnen vielleicht erst mal einen Kaffee machen sollte, als der Ältere plötzlich losstürmte. Dieses Mal hatte er allerdings nicht Reitas Zimmer im Visier, sondern die Tür daneben. „Warte! Was hast du vor?“ Panisch rannte Kanon dem Solo-Künstler hinterher. „Die haben sich die Beute doch sicher aufgeteilt! Einer hat die Hülle und der andere die DVD!“, entgegnete Gackt bestimmt und öffnete bereits die Tür zu Aois Zimmer. „Halt!“ Der Jüngere packte den Arm des Sängers, um ihn davon abzuhalten den Raum zu betreten. So wütend wie der Ältere gerade schien, würde er sicher keine Rücksicht mehr nehmen und Aois ganzes Zimmer auf den Kopf stellen. Die Frage, ob es wirklich so ratsam war einen aufgebrachten Gackt am Ärmel festzuhalten, stellte sich Kanon erst danach. Wieder schenkte ihm der Ältere einen ziemlich skeptischen Blick. Wahrscheinlich hatten es sich noch nicht sehr viele Leute erlaubt, Gackt von etwas abzuhalten. Und wenn, hatten es sicher nur die wenigstens überlebt. Schnell ließ Kanon den Ärmel wieder los. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Nicht nur, dass der Mann vor ihm ihn sicher körperlich überlegen war, Gackt konnte auch mit Leichtigkeit seine ganze Karriere zerstören. Und trotzdem wollte Kanon ihn nicht einfach in Aois Zimmer gehen lassen. Aoi hatte ihm sein Zimmer anvertraut und er würde darauf auspassen! „Jetzt lass uns doch in Ruhe darüber reden“, meinte Kanon mit zitternder Stimme. „Über was sollen wir denn Reden? Die DVD befindet sich garantiert hier!“ „Vielleicht hat Reita auch beides! Aoi ist nicht so drauf wie der“, versuchte Kanon den Gitarristen in Schutz zu nehmen. Zwecklos. „Hey, wenn ich mich mit Uruhas Abgründen abfinden muss, dann musst du dasselbe bei Aoi machen.“ Abgründe? Bei Aoi? „Aoi hat keine…“ Mitten im Satz hielt er inne und fügte erst nach einigen Sekunden ein „Abgründe“ hinzu, das Gackt aber gar nicht mehr wirklich abgewartet hatte. Oh doch. Die hatte Aoi. „Siehst du!“, kam es aus dem Zimmer, in das der Ältere jetzt verschwunden war. Kanon traute sich nicht hinterherzugehen. Er wollte auch gar nicht. Es war Aois Zimmer und wenn er dessen Geheimnisse und „Abgründe“ kennen wollen würde, dann hätte er schon längst die Möglichkeit dazu gehabt. Er ließ Gackt also alleine suchen. Wenn er ihn schon nicht davon abhalten konnte, dann konnte er sich doch wenigstens weigern auch alles auf den Kopf zu stellen. Stattdessen kam ihm eine andere Idee. Kanon suchte etwa 15 Minuten bis er die DVD fand. In der Zwischenzeit hörte er wie Gackt eine Schublade nach der anderen öffnete. Einen Schrank nach dem anderen. Und ihm wurde immer unwohler dabei, was ihn gleichzeitig aber auch anspornte, den Film endlich zu finden, damit Aois Zimmer nicht ganz auseinandergenommen werden konnte. „Gackt!!“, rief Kanon, als er endlich das kleine Ding in den Händen hielt, nach dem sie jetzt schon so lange suchten. „Hast dus??“, kam es sofort aus dem Zimmer auf der anderen Seite des Raums. Triumphierend hielt der Bassist die DVD nach oben, als der andere seinen Kopf aus dem Zimmer steckte und anschließend ganz herüber kam. „Sie war in einer anderen Hülle??“ Kanon nickte. Der Film hatte tatsächlich einfach nur in einer anderen Hülle gesteckt! In einer, in der eigentlicher einer von Reitas blöden Actionfilmen gehörte. Sie hatten zwar zuvor die Regale durchsucht, aber natürlich nur die Hüllen dabei angesehen! „Nächstes Mal soll er sein Zeug selber holen!“ Mit diesen Worten nahm Gackt dem Jüngeren die DVD aus der Hand und steckte sie zurück in die Hülle, die auf dem Esstisch gelegen hatte. „Wie hat er es diesmal eigentlich gemacht, dich dazu zu überreden?“ Kanon ging ebenfalls zur Küchenzeile rüber und sah den anderen fragend an. Als dieser nicht sofort antwortete, sondern ein wenig ziellos – vielleicht sogar peinlich berührt? – durch den Raum sah, dämmerte es dem Schwarzhaarigen und er musste grinsen. Er wollte es vielleicht gar nicht so genau wissen. „Tja, was tut man nicht alles in einer Beziehung“, antwortete Gackt schließlich ausweichend. Kanon stutzte. „Beziehung? Ihr seid jetzt so richtig zusammen?“ „Ähm… ja?“ Der Ältere sah Kanon fragend an. Irgendwie verständlich. Schließlich punktete dieser mal wieder nicht wirklich mit Höflichkeit. „Das ist schön für euch“, stammelte der Bassist dann drauf los. „Letztes Mal, als ich Uruha getroffen hab, hieß es noch, es wäre nichts Festes. Und jetzt ist es das. Eine richtige Beziehung. Schön für euch. Echt… schön.“ Kanon biss sich auf die Lippen und zwang sich damit still zu sein. Der Jüngere empfand so etwas wie Eifersucht. Schließlich hatten Gackt und Uruha sich ebenfalls bei Miyavis Geburtstag das erste Mal getroffen. Genau wie er und Aoi. Nur mit dem Unterschied, dass Gackt und Uruha jetzt ein Paar waren und er und Aoi waren immer noch… er und Aoi. __ Kapitel 44: Wie man vermisst ---------------------------- Kapitel 44 Wie man vermisst „Ich sollte mich mal wieder auf den Weg machen. Danke für die Hilfe. Und ich hoffe, dir ist klar, dass die kleine Durchsuchung unter uns bleibt?“ Kanon schreckte aus seiner Gedankenwelt auf und sah zu Gackt, der sich wieder seine Sonnenbrille aufsetzte. Eigentlich hatte er auch gar nicht vorgehabt ihre kleine Aktion weiter zu erzählen. Schließlich würde er sich damit auch selbst belasten. Allerdings fiel ihm jetzt eine Möglichkeit ein, wie er das kleine Geheimnis noch etwas besser nutzen konnte. „Ich werde schon leise sein. Aber nur, wenn du mir noch einen winzigen Gefallen tust“, flötete er dem Älteren entgegen und sprang dann zurück zu Reitas DVD-Regal. „Die nimmst du auch noch mit.“ Freudestrahlend überreichte Kanon dem Sänger einen kleinen Stapel an Filmen, welche vom diesem nur skeptisch beäugt wurden. „Das ist meine Toplist der widerlichstem Filme, die Reita besitzt“, erklärte der Bassist. „Nimm sie bitte mit. Du kannst sie auch ruhig wegwerfen oder verbrennen. Mir egal.“ Interessiert schaute sich Gackt die Cover der Filme an, auf denen größtenteils nur Blut und abgetrennte Körperteile zu sehen waren. „Hab ich wenigstens bisschen Unterhaltung, bis Ruha zurück ist.“ Damit verabschiedete sich der Ältere und ließ Kanon wieder allein. Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, bemerkte dieser aber erstmal wieder, was es hieß, allein zu sein. Gackts Anwesenheit hatte ihm deutlich gemacht, dass es ihm sogar mehr oder weniger egal war, wer denn hier war. Hauptsache irgendjemand! In seiner eigenen Wohnung hatte er nie große Probleme gehabt allein zu sein. Obwohl er ja durch das Zusammenleben mit Teruki zuvor auch nicht an Einsamkeit gewöhnt war. Nur jetzt war es irgendwie anders. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass das Leben bei Aoi und Reita so aufregend war, dass ihm jetzt das Alleinewohnen erst richtig bewusst wurde. Er musste mal wieder irgendjemanden einladen. Wieso auch nicht? Jetzt würden es die beiden Wohnungsbesitzer ja sowieso nicht mitbekommen. Die Stille durchbrach schließlich ein Geräusch, das ihm das Herz höher schlagen ließ: Sein Handypiepen. Es hatte sich in den letzten Tagen öfters gemeldet, aber nie war die erhoffte SMS dabei gewesen. Natürlich freute er sich über Nachrichten seiner Band, aber noch mehr würde er sich über eine Nachricht von jemand anderem freuen. Von jemand bestimmtem. Mit klopfendem Herzen ging er zum Küchentisch rüber, auf dem sein Handy lag, und warf einen Blick aufs Display. Es war Aoi. Aoi! Endlich! Er hatte schon geglaubt, der Ältere hätte ihn einfach vergessen oder keine Lust mehr auf ihn und irgendwann hatte Kanon einfach Angst gehabt, ihm wirklich auf die Nerven zu gehen. Jetzt aber ermahnte er sich selbst sich zu beruhigen. Es war nur eine SMS! Er sollte sich nicht so anstellen! Kein Kuss. Kein Liebesgeständnis. Nur eine kleine kurze Nachricht. Schließlich nahm der Bassist das Handy in die Hand und öffnete sie. „Tut mir leid!“ Mit diesen Worten wurde er begrüßt und sie lösten ein Gefühl der Erleichterung in ihm aus. Es waren wirklich Worte, die Aoi ihm geschrieben hatte. Nur Aoi. Und nur an ihn. Auch wenn Kanon bemerkte, wie kitschig verliebt diese Gedanken waren, konnten sie sein Glücksgefühl nicht trüben. „Wir hatten die letzten Tage über keinen Empfang! Sind gerade in Deutschland und haben heute frei. Wie gehts dir?“ Kanon atmete einmal tief durch und ein Lächeln zierte seine Lippen. Es ging ihm gut. Nach einer solchen SMS konnte es ihm ja auch nur gut gehen! „Hey! Schön, wieder von dir zu hören! Mir geht’s gut. Hatte die letzten paar Tage viele Proben. Wie geht’s dir so?“ Kanon wartete noch ab, bis sein Handy ihm die Sendebestätigung anzeigte und ging dann ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen. Doch kaum hatte er den Raum verlassen, fing sein Handy an zu klingeln. Sofort rannte er zurück und schnappte sich das Telefon. Auf dem Display leuchtete ihm der Name „Aoi“ entgegen. Sein Herz hämmerte. Das war keine SMS. Das war ein Anruf! „Aoi?“ Der Bassist presste sich sein Handy gegen das Ohr. „Kanon?“ Diese Stimme. Kanon hatte gar nicht gemerkt, wie sehr er sie vermisst hatte. „Hey“, antwortete er sanft und ließ sich auf das Sofa plumpsen. Der Ältere antwortete ebenfalls mit einem „Hi“ und Kanon glaubte, ein Lächeln in den Worten gehört zu haben. Auch der Bassist begann zu lächeln, doch er versuchte sich zusammenzureißen. Wahrscheinlich hatte Aoi nicht aus Europa angerufen damit sie sich gegenseitig anschwiegen. Sein Herz schlug erneut schneller. Aoi rief ihn gerade tatsächlich aus Europa an! Ok… zusammenreißen! „Und? Wie gefällt dir Deutschland so?“ Zwar keine sehr tiefgründige Frage, aber immerhin. „Hm, ich bin hungrig“, murrte der Ältere zurück, was Kanon etwas verwunderte. So kurze und kryptische Aussagen war er eher von Reita gewöhnt. Wieso rief Aoi denn überhaupt an, wenn er so schlecht drauf war und anscheinend gar nicht reden wollte? Kanon traute sich nicht eine zweite Frage zu stellen und kurz herrschte Stille. Irgendwann hörte er Aoi gequält aufseufzen. „Wir hatten bis jetzt noch gar keinen ganzen Tag frei. Immer nur ein paar Stunden und in der Zeit hab ich entweder geschlafen oder gegessen. Doch jetzt hab ich so viel Zeit und ich glaub ich hab irgendwie… Heimweh.“ Kanon musste wieder lächeln. Obwohl Aoi irgendwie traurig zu sein schien, hörte es sich so niedlich an. Am liebsten würde er ihn jetzt umarmen. Ganz fest in seine Arme schließen. Ihm sagen, dass sie in einer Woche ja schon wieder zu Hause sein würden. „Europa ist ja auch ziemlich anders“, sagte Kanon schließlich und fügte noch ein leises „Und so weit weg…“ hinzu. Er hatte damals auch ein kleines bisschen Heimweh gehabt, als sie dieses Jahr nur ziemlich kurz in Europa und Amerika gewesen waren. Da konnte er Aoi ganz gut verstehen. „Und so andere Menschen…“, kam es ebenfalls leise aus seinem Handy. Kanons Herz machte wieder einen kleinen Hüpfer. Vielleicht bezog es Aoi ja auf die Menschen allgemein, aber vielleicht… ganz vielleicht war ja auch er damit gemeint. Er jedenfalls vermisste den Gitarristen. Jetzt, wo er dessen Stimme hörte, sogar noch viel mehr als er gedacht hatte. Am liebsten würde er diese Europatour verfluchen. Und er war auch schon mehrmals kurz davor gewesen, aber Kanon wusste, dass es eine Erfahrung war, die man genießen musste. Er wollte Aoi jetzt nicht die Laune verderben und ihm noch einreden, dass er so schnell wie möglich diese dumme Tour hinter sich bringen sollte. Aber verdammt… Er wollte genau das. Dass Aoi so schnell es ging wieder hier war. „Ich vermiss dich…“ Dass er die Worte ausgesprochen hatte, merkte Kanon erst, als es schon passiert war. Ihm wurde sofort heiß und er geriet leicht in Panik. Das hatte er jetzt doch eigentlich wirklich nicht sagen wollen! Natürlich vermisste er Aoi, aber… Aber… Das auszusprechen war eine ganz andere Sache!! Ihm wurde noch heißer, als von der anderen Seite her niemand antwortete. „Ich meine…“, begann er rumzustammeln. „Es ist so ruhig hier! Und… niemand ist da, weil… weil…“ Weil sie auf Europatour waren. Der Bassist verdrehte die Augen. Er blamierte sich mal wieder in Grund und Boden. „Ich vermiss dich auch.“ Die Worte an seinem Ohr wurden so sanft ausgesprochen, dass Kanon eine Gänsehaut bekam. Sofort verstummte er. Seine Panik verflog. Aoi vermisste ihn. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Plötzlich fühlte sich alles wieder gut an. Keine Panik. Keine Aufregung. Es fühlte sich einfach nur gut an, diese Worte von Aoi zu hören. Es fühlte sich richtig an diese Worte zu Aoi zu sagen und sie auch gesagt zu bekommen. Und Kanon konnte sich vorstellen, dass es sich bei einem anderen Geständnis ähnlich anfühlen würde. Allerdings war das nichts, worüber er sich jetzt den Kopf zerbrechen wollte. Lieber die restliche schöne Zeit genießen, in der er noch Aois Stimme hören durfte. Tatsächlich hatte der Ältere seine wortkarge Stimmung nun vollends abgelegt und begann Kanon von der Tour zu erzählen. Ein Großteil der Erzählung bestand natürlich wieder aus Beschwerden über seine Bandmember, doch das war dem Jüngeren egal. So lang er Aoi zuhören durfte und diesen sogar ab und zu mit kleinen Kommentaren zum Lachen bringen konnte, war ihm alles recht. Gerade als Aoi mitten in einer sehr ausführlichen Erklärung darüber war, wieso er nächstes Mal nicht neben Ruki im Bus sitzen wollte, wurde er von einem lauten Klopfen unterbrochen. „Warte mal kurz.“ Kanon hörte, wie Aoi ein ziemlich ruppiges „Herein“ rief und sich dann kurz mit jemanden unterhielt, bevor die Zimmertür wieder geschlossen und der Störenfried anscheinend verjagt war. „War nur Ruha. Wollte wissen, ob ich mit ihm essen gehen und mir bisschen die Stadt angucken will“, entschuldigte sich der Ältere, als er sich wieder den Hörer geschnappt hatte. Der Jüngere sah auf die Uhrzeit, die ihm vom DVD-Player her anblinkte. Sie telefonierten sicher schon 10 Minuten. Zwar noch nicht wirklich lang, aber schon diese kurze Zeit kosteten den Gitarristen sicher ein Vermögen. „Und? Gehst du mit?“, fragte der Jüngere vorsichtig, obwohl er sich die Antwort schon denken konnte. „Ach… eigentlich hab ich nicht wirklich Lust“, druckste der Ältere rum. Wieder wanderte Kanons Blick zur Uhr. Er hatte Aois Heimweh eigentlich schon lang genug ausgenutzt. „Geh doch mit! Das bringt dich sicher auf andere Gedanken und lenkt dich ab. Deine schlechte Laune geht sicher nicht davon weg, dass du einsam in einem Hotelzimmer sitzt.“ „Aber…“, meinte Aoi weiter, doch Kanon unterbrach ihn. „Nichts ‚aber‘. Ihr seid in Europa! Du musst doch was zu erzählen haben, wenn du wiederkommst!“ Er freute sich schon jetzt darauf. Wahrscheinlich würde Kanon bei den Erzählungen selbst ein bisschen Fernweh bekommen, schließlich hatten An Cafe nicht sonderlich viel Zeit für Sightseeing gehabt, aber gerade deshalb wollte er, dass Aoi mitging. Er würde es bereuen, die ganze Zeit nur in seinem Hotelzimmer gesessen zu haben. Kurz herrschte noch Stille am anderen Ende, bevor ein seufzendes „Na gut“ erklang. In Kanon mischte sich Triumpf mit einem leichten Anflug von Traurigkeit. Wenn Aoi mitging bedeutete das, sie mussten das Gespräch jetzt beenden. Der Ältere bestätigte das auch noch. „Ich muss mich dann jetzt umziehen. Ruha wollte in 15 Minuten los…“ „Okay.“ Wieder Stille. „Okay“, kam es dann auch von Aoi. Ganz so als wollte sich keiner zuerst verabschieden. Die Stimmung war drückend. So sehr, dass Kanon kurz davor war, den anderen zu bitten doch nicht mitzugehen. Er riss sich dann aber doch zusammen. So konnte das ja schließlich auch nicht ewig weitergehen. Und Aoi wirklich darum zu bitten kam eigentlich gar nicht infrage. Auch wenn er die Stimme des Älteren jetzt schon vermisste. „Ich meld mich wieder, sobald ich kann. Aber keine Ahnung wie das hier in den nächsten Tagen mit dem Empfang ist.“ „Alles klar.“ Kanon hasste das Gefühl nicht zu wissen, wann er wieder mit Aoi Kontakt haben würde. „Dann bis bald!“ „Bis bald! Und viel Spaß noch!“ „Danke, dir auch.“ Kanon konnte erneut ein Lächeln in den Worten hören. Ein kurzes Zögern folgte noch, bevor schließlich das Tuten aus dem Handy kam und der Bassist mit einem tiefen Seufzer auch auf den roten Hörer drückte. ______ Er war aufgeregt. Verdammt aufgeregt. Dabei wusste er gar nicht wirklich warum! Vielleicht hätte er doch zum Flughafen fahren sollen. Diesen Gedanken hatte Kanon dann aber nach ewigem hin und her verworfen. Sicher lauerten irgendwo Fangirls und er wollte nicht wie eins von diesen erscheinen und Aoi am Flughafen auflauern. Deshalb hatte er sich dazu entschieden, hier in der Wohnung zu warten. In Aois Wohnung. Dort, wo kein Fangirl Zutritt hatte. Der Bassist saß auf dem Sofa und zappte ziellos durchs Fernsehprogramm, während er nervös auf seiner Lippe kaute. Er hatte durch das Internet genau verfolgt, wann das Flugzeug gelandet war. Das war jetzt schon zwei Stunden her. Wie hatte er es nur geschafft zwei Wochen alleine zu überstehen, wenn ihn jetzt schon zwei Stunden beinahe umbrachten? Zwar hatte sich Aoi nach ihrem Telefonat regelmäßiger gemeldet, aber alle paar Tage eine SMS waren auch nicht mehr als ein Lichtstreifen am Horizont gewesen. Telefoniert hatten sie nicht nochmal. Ihr eines Gespräch war Kanon zu schön erschienen, dass jeder weitere Anruf wohl nur eine Enttäuschung mit sich gebracht hätte. Also hatte sich der Bassist an die SMS und die Erinnerungen an das Telefonat geklammert und so irgendwie die Zeit überstanden. Irgendwie… Kanon wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er ein Geräusch vor der Wohnungstür wahrnahm. Als dann noch ein Schlüssel von außen ins Schloss gesteckt wurde, sprang er sofort auf und starrte gebannt in Richtung Eingang. Seine Anspannung erinnerte ihn ein wenig an Gackts Einbruch. Mit dem Unterschied, dass es sich dieses Mal nicht um Angst, sondern um Vorfreude handelte. Denn er wusste dieses Mal genau, wem dieser Schlüssel gehörte. Aoi. Gleich würde der Ältere vor ihm stehen und ihn anlächeln. Alles begann zu kribbeln. Kanon ging jetzt einige Schritte in Richtung Hausflur. Sein Herz machte einen Luftsprung als endlich die Tür aufgerissen wurde. „Endlich wieder zu Hause! Hey Kleiner! Hast du was gekocht? Ich sterb gleich.“ Perplex sah Kanon dabei zu, wie Reita grinsend die Wohnung betrat und sofort die Kochnische ansteuerte. Selbst als der Blonde ihm beim Vorbeilaufen kurz die Haare verstrubbelte und ihm einen Klaps auf die Schulter gab, bewegte Kanon sich nicht und starrte weiter die offene Tür an. Ja, er hätte damit rechnen sollen, dass Reita auch reinkam. Und vielleicht auch, dass er als erstes die Wohnung betrat. Irgendwie hatte er den Blonden aber aus seinen Gedanken verdrängt und verdiente deshalb wohl auch diese enttäuschende Überraschung. Doch nachdem sich der Jüngere von seinem kurzen Schock erholt hatte, gab es für ihn nur noch eine entscheidende Frage: „Wo ist Aoi??“ „Der trägt das Gepäck. Hätte nicht gedacht, dass er so schwach ist und so ewig braucht, aber…“ Kanon bekam nicht mehr mit, wie der Satz endete. Und es interessierte ihn auch nicht. Fluchtartig rannte er aus der Wohnung. Die Treppen waren kalt und er wusste, dass er eigentlich nicht so rennen sollte, weil er nur sockig war. Doch das war in dem Moment alles zweitrangig. Kanon kam so ruckartig zum Stehen, dass er beinahe doch noch gestürzt wär. Er stand auf den Stufen zwischen dem dritten und vierten Stock. Sein Atem ging schnell und er wusste nicht ob das vom Rennen oder von der Person kam, die jetzt vor ihm stand. „Ich schwör dir Reita, nächstes Mal lass ich deine verfluchte Tasche einfach stehen und du kannst das Drecksding selbst tragen!“ Aoi schaute nicht auf, sondern ließ nur eine schwere Tasche in den Hausflur des dritten Stocks plumpsen, um seine Worte noch zu unterstreichen. Der Bassist stand nur da und sah den Älteren an. Er wirkte ziemlich geschafft und müde und trotzdem sah er umwerfend aus. Kanon spürte, wie seine Wangen bei diesem Gedanken warm wurden, aber es war ihm egal. Sein Atem ging immer noch schnell. Er wollte sich gar nicht beruhigen. „Trag deinen Scheiß alleine!“, gab Aoi nochmal von sich, schulterte seine eigene Tasche richtig und wollte gerade den restlichen Weg nach oben antreten, als er seinen Blick endlich hob und sich dieser mit Kanons kreuzte. Er hielt inne. Sie sahen sich einfach nur an. Und Kanon spürte es in jeder Faser seines Körpers: Er hatte Aoi so sehr vermisst wie noch nie jemand anderen vor ihm. Kapitel 45: Wie man heim kommt ------------------------------ Vielen vielen Dank für eure Kommis *__* Wie immer >___< Ihr seid klasse! Und endlich is Aoi wieder zurück xD Wir hoffen Gackt hat (euch) die Wartezeit gut durchstehn lassn ;) Das Kapitel heute ist ein super-special-Reitas-Geburtstagskapitel! xDD Mit ganz viel Reita!! (okay.. >_<" das war gelogen.. xD" so viel kommt er nich vor....) Viel Spaß beim Lesen ^^ ________________________ Kapitel 45 Wie man heim kommt „Trag deinen Scheiß alleine!“, gab Aoi nochmal von sich, schulterte seine eigene Tasche richtig und wollte gerade den restlichen Weg nach oben antreten, als er seinen Blick endlich hob und sich dieser mit Kanons kreuzte. Er hielt inne. Sie sahen sich einfach nur an. Und Kanon spürte es in jeder Faser seines Körpers: Er hatte Aoi so sehr vermisst wie noch nie jemand anderen vor ihm. Ruckartig und ziemlich unsanft fand Aois Tasche nach ein paar Sekunden, in denen sie einfach nur so dagestanden hatten, den Weg auf den Boden. Ohne dass sich ihre Blicke auch nur einen Moment voneinander lösten. Kanon hörte, wie oben in der Wohnung Musik angeschaltet wurde. Rockmusik, wie sie Reita eben hörte und wie sie normalerweise diese sanfte Stimmung, die gerade zwischen ihnen herrschte, zerstören würde. Aber diesmal nicht. Diesmal war dem Bassisten die Musik völlig egal. Es war Aoi, der zuerst reagierte und ihm mit einem Lächeln auf dem Gesicht die Arme entgegenstreckte und einen Schritt auf ihn zumachte. Aber es war Kanon, der mit zwei Sätzen unten an der Treppe stand und dem anderen praktisch in die Arme sprang. Aois Wärme breitete sich sofort in seinem ganzen Körper aus. Er hatte es so vermisst, den Älteren zu umarmen! Nicht, dass er es ständig gemacht hatte, als dieser noch da gewesen war… Aber das machte ihm erst recht klar, dass er es viel öfter tun sollte. Das letzte Mal hatten sie sich beim Abschied umarmt. Es war traurig gewesen. Mit dem Hintergedanken, dass diese Umarmung eigentlich nicht genug war. Aber diese Umarmung jetzt war so viel besser. So viel wärmer und löste so viel schönere Gefühle in ihm aus. Und daran, dass sie nicht genug war, dachte er gar nicht. Er war einfach nur froh, endlich wieder bei Aoi sein zu können. Der Gitarrist drückte Kanon fest an seine Brust, sodass dieser fast nicht mehr atmen konnte, aber es war ihm egal. Das einzig Wichtige war ihm, Aoi nahe zu sein. So nah wie nur irgendwie möglich. „Du bist wieder da“, nuschelte der Jüngere in Aois Schulter. Seine Worte waren leise gewesen, doch an der Art wie der Gitarrist ihn sogar noch ein Stück fester an sich drückte, merkte er, dass dieser ihn gehört hatte. „Scheinbar bin ich das.“ Kanon konnte das Schmunzeln in Aois Worten hören und begann selbst auch zu lächeln. Es war so angenehm diese Stimme wieder zu hören. Gott, wenn sie noch länger so da standen, würde er wohl noch anfangen vor Freude zu weinen. „Ich glaub, wir sollten so langsam mal hoch gehen.“ Kanon nickte bei den Worten und löste sich dann von Aoi. Heute machte es ihm nicht einmal etwas aus, dass der Ältere scheinbar seine Gedanken lesen konnte. Stattdessen grinste er Aoi breit an und hob dann dessen Tasche vom Boden auf, um sie selbst zu schultern. Anscheinend hatte der Gitarrist durch die Begrüßung ganz seinen Groll auf Reita vergessen, denn er schnappte wieder das Gepäck seines Mitbewohners und ging Kanon voraus die Treppen rauf. Gut gelaunt folgte ihm der Jüngere. Aoi war wieder da. Sein Aoi! Je mehr Treppen sie erklommen, desto lauter wurde die Musik. Kanon war wirklich froh, dass er Aoi entgegen gekommen war und sie so wenigstens ein bisschen ungestörte Zeit gehabt hatten. Denn jetzt wurde ihm immer bewusster, dass das die nächsten Stunden nicht mehr der Fall sein würde. „Aoi?“ Der Ältere hatte bereits das oberste Stockwerk erreicht und stand nun direkt vor der Wohnungstür im Hausflur. Aoi drehte sich um und sah Kanon fragend an, welcher zwei Stufen unter ihm stand. Er hielt Reitas Tasche lässig am Henkel und ließ sie über seine rechte Schulter baumeln, so als wiege sie nichts. Wie konnte man nur bei so einer normalen Pose so umwerfend aussehen? Die Musik war laut. Hallte durchs gesamte Haus. Aoi sah ihn immer noch verwirrt an. Kanon erklomm auch die letzten zwei Stufen und legte seine Lippen federleicht auf die Wange des Älteren. Es verging kaum eine Sekunde, da hatte sich der Jüngere auch schon wieder von Aoi entfernt und drängte sich mit einem glücklichen Grinsen an ihm vorbei in die Wohnung. Den Gitarristen einfach im Treppenhaus stehen lassend. Kanon war so guter Laune, dass er sogar Reita entgegen grinste, der wohl gerade zu einer Moralpredigt ansetzen wollte, warum nichts zu essen auf dem Tisch war. Aber das war Kanon egal. Es war ihm völlig egal. Sollte der Blonde doch meckern. So viel er wollte! Aoi war wieder da. Und er hatte diesem vor lauter überschwänglicher Freude einen Kuss gegeben! Okay, nur auf die Wange, aber es hatte ihn einfach überkommen und verstärkte sein Glücksgefühl nur noch mehr! Es war ihm nicht peinlich oder im Nachhinein unangenehm. Im Gegenteil! Am liebsten würde er es gleich nochmal machen! Kanon stellte Aois Tasche neben der Couch ab und deutete fröhlich aufs Telefon, das auf dem Wohnzimmertisch lag. „Ich dachte, wir bestellen ne Pizza. Zur Feier des Tages!“ Dann drehte er sich zu Aoi um, der gerade mit einem ebenfalls breiten Grinsen zur Tür rein kam und seine Tasche und seinen Koffer einfach im Vorraum stehen ließ. „Gute Idee!“, gab er seine Meinung dazu ab, während er sich die Schuhe auszog. Aois gute Laune stachelte Kanon nur noch mehr an und sein Grinsen wurde noch breiter. „Und Sekt hab ich auch gekauft!“ „Aww…“, fiel Reita dazwischen. „Da musstest du bestimmt deinen Ausweis zeigen!“ Aois Lachen ersparte dem Jüngsten eine Antwort. Bissig wäre sie sowieso nicht ausgefallen. Der Blonde konnte momentan nerven so viel er wollte, Aoi war wieder da. Alles andere war nebensächlich. „Bier hast du ja auch gekauft!“, bemerkte Reita dann doch etwas anerkennend, als sein Blick wieder in den Kühlschrank fiel. „Hast uns also doch nicht vergessen!“ „Wie kommst du denn darauf?“ Kanon würde sie doch nicht vergessen! Er hatte doch zwei Wochen lang nur auf diesen Moment gewartet! „Na du warst nicht am Flughafen! Aoi hat schon halb Panik bekommen!“ Kanon drehte sich augenblicklich zu dem Gitarristen um, welcher nun peinlich berührt auf den Boden schaute. Damit hatte der Jüngste jetzt irgendwie nicht gerechnet. „Ich dachte ein Wiedersehen zu Hause wäre irgendwie… intimer“, meinte Kanon dann leise und bekam dennoch ein schlechtes Gewissen. Vielleicht hätte er ja doch fahren sollen! Aber er hatte auch Angst davor gehabt, zu aufdringlich zu wirken. Hätte er sich etwa zusammen mit Gackt, Miyavi und Nao ans Terminal stellen und Aoi dann um den Hals fallen sollen? Schließlich waren sie kein Paar. Er hatte doch gar nicht das Recht dazu! Aber scheinbar sah Aoi das anders. „Ach, mach dir jetzt bloß keinen Kopf deshalb! Der Willkommensgruß war perfekt, genau so, wie er war!“ Kanon lächelte den Älteren breit an und wäre ihm am liebsten direkt wieder in die Arme gefallen. Perfekt. Vielleicht bezog Aoi das nicht nur auf ihre Umarmung, sondern auch auf den Kuss? „Jetzt geht das ständige Rumgesülze wieder los“, mischte sich Reita murrend in das Gespräch ein. „Aber immer noch besser als Aois sehnsüchtige Gejammer in Europa.“ „Was? So ein Unsinn! Das stimmt doch gar nicht!“, warf der Gitarrist sofort ein, wurde von seinem Bandkollegen aber gar nicht weiter beachtet. Dieser nahm stattdessen sein Gepäck und brachte es in sein Zimmer. „Das hat der sich gerade nur ausgedacht“, verteidigte sich Aoi jetzt auch vor Kanon. Dieser nickte nur grinsend. So aufgebracht reagierte der Gitarrist sonst nicht auf Reitas blöde Sprüche. Vielleicht weil an diesem wirklich etwas dran war? „Ist jemand in meinem Zimmer gewesen?“ Reita war wieder im Türrahmen zum Wohnzimmer aufgetaucht. „Was?“, fragte Kanon überrascht nach und versuchte die aufsteigende Panik zu unterdrücken, als er an Gackts und seine kleine Suche dachte. Aber der Sänger war doch nur einige Sekunden in Reitas Raum gewesen und hatte so gut wie nichts angefasst. Das konnte der Blonde gar nicht bemerken! „Ich will wissen, ob jemand in meinem Zimmer gewesen ist.“ Ok, anscheinend konnte er es doch merken. Und es schien ihm nicht sehr zu gefallen. Kanon hatte den anderen Bassisten lang nicht mehr so böse gesehen. „Reg dich ab, Rei. Kanon wird schon nicht deine Schubladen durchstöbert und nach Liebesbriefen gesucht haben.“ Von Reita kam nur ein unverständliches Knurren und ein anschließendes „Wenn irgendjemand in meinem Zimmer war…“, bevor er wieder in eben diesem verschwand. „Und? Wer war da?“ Aoi stieß Kanon leicht mit dem Ellbogen in die Seite und grinste ihn dann verschwörerisch an. „Gackt“, grinste der Angesprochene ohne zu zögern zurück. Er hatte dem Solosänger zwar gesagt, der Besuch würde unter ihnen bleiben, aber... Aoi war eine Ausnahme. Das ging schon in Ordnung. Er war ja auf seiner Seite und würde es Reita bestimmt nicht verraten. „Gackt??“ Jetzt war der Gitarrist doch etwas erstaunt. Kanons Blick wanderte erschrocken zu Reitas Zimmer. Die Tür war nur angelehnt und wenn sie zu laut sprachen, würde es der Blonde sicher mitbekommen. „Ich helf dir auspacken“, lenkte der Bassist ab. Wenn sie in Aois Zimmer waren, ließ es sich wesentlich leichter sprechen. „Gackt hat eine DVD von Uruha gesucht“, erklärte Kanon schließlich, nachdem Aoi damit begonnen hatte, seinen Koffer auszuräumen. Er selbst wurde dazu verdonnert sich aufs Bett zu setzen und das Ausräumen Aoi zu überlassen. „Eine DVD? Von Ruha?“ Der Ältere sah ihn einen Moment verständnislos an, bis seine Augen groß wurden und er sich schnell wieder dem Koffer zuwandte. „Stimmt… Der hat mal eine hier vergessen.“ Scheinbar schien sich Aoi wieder zu erinnern. „So ein kitschiges Ding! Ich musste echt lachen. Habt ihr ja auch gleich entsorgt“, lachte Kanon bei dem Gedanken daran, dass die beiden ja nicht sonderlich vorsichtig mit dem Film umgegangen waren. „Wo war sie denn?“ Der Gitarrist kramte weiter in seinem Gepäck und sortierte seine Klamotten auf zwei Stapel. „Die DVD in einer der anderen Hüllen und die Hülle unter Reitas Bett.“ „Also war wirklich jemand in seinem Zimmer“, stellte Aoi fest und hob endlich mal wieder den Blick. „Ja, aber eigentlich haben wir gar nichts angefasst! Ich versteh sowieso nicht, wie Rei bei seinem Chaos so schnell bemerkt hat, dass jemand drin war.“ „Organisiertes Chaos, nennt er es immer. Ich weiß nur nicht, ob es wirklich so organisiert ist.“ Aoi packte den einen Stapel und nickte Richtung Tür. „Kannst du mal eben aufmachen? Ich bring das kurz ins Bad und dann machen wir uns nen gemütlichen Abend. Fertig Auspacken kann ich morgen auch noch.“ Kanon hielt dem Älteren die Tür auf und sah dann grinsend dabei zu, wie Aoi auf dem Weg zum Bad die Hälfte seiner Wäsche fallen ließ und deshalb gleich von Reita angemeckert wurde. Lächelnd lehnte sich der Jüngste in den Türrahmen und hörte sich das Gezanke an. Aoi hatte Recht. Er konnte genauso gut morgen ausräumen. Schließlich hatten sie alle Zeit der Welt. Es erschreckte Kanon beinahe, wie schnell sie drei wieder in die übliche Routine verfielen. Heute Morgen war er noch alleine gewesen und wäre vor Vorfreude wegen Aois Rückkehr fast geplatzt und nun saß er schon wieder neben dem Gitarristen auf dem Sofa, aß Pizza und sah sich irgendeinen dämlichen Film an. Natürlich gab es ein paar feine Unterschiede. Zum Beispiel, dass Reita immer wieder sein DVD-Regal ansah und dabei skeptisch die Augenbrauen zusammenzog als ob ihn irgendetwas stören würde, er aber noch nicht ganz genau wüsste, was. Oder die Tatsache, dass sich Aoi und Kanon trotz Protest einen europäischen Film mit Untertiteln ansehen mussten, weil Reita diesen von der Tour mitgebracht hatte. Der kleine Unterschied, der Kanon am besten gefiel, war allerdings die Art, wie Aoi ihn immer wieder von der Seite ansah. Meistens konnte der Jüngere sich dann ein Grinsen nicht verkneifen und schenkte seinem Nebensitzer dann ebenfalls einen Seitenblick, der manchmal so lang war, dass er ganze Dialogfetzen des Filmes nicht mitbekam. Er glaubte sogar einmal Reita auf seinem Sessel ein „Ich hab das Gesülze echt nicht vermisst“ murren zu hören, doch sowohl Aoi als auch Kanon ließen das unkommentiert. Irgendwann war dann auch der Film vorbei und Kanon hatte endlich die Gelegenheit seine Mitbewohner über Europa auszufragen. Grinsend saß er da und hörte dabei zu, wie Aoi und Reita sich immer wieder gegenseitig ins Wort fielen, während sie lachend von all den Peinlichkeiten und anderen Ereignissen erzählten, die in Europa passiert waren. Als Kanon dann freudestrahlend verkündete, dass sie nächstes Frühjahr ebenfalls eine Welttour geben würden, waren die beiden nicht mehr zu halten. Sie stellten dem Bassisten praktisch schon eine Liste mit allen Dingen zusammen, die er unbedingt besichtigen musste. Kanon hörte sich alles an, machte ab und zu in seinem Kopf eine Notiz zu dieser oder jener Sehenswürdigkeit, aber im Großen und Ganzen freute er sich doch am meisten darüber, dass Aoi nach ihrem Telefonat wohl wirklich nicht mehr so oft in seinem Zimmer gehockt hatte, sondern nach draußen gegangen und sich die Städte angesehen hatte. Da war er vom weit entfernten Japan aus ja doch noch zu irgendwas nütze gewesen. Und außerdem war es auch ihm seit diesem Telefon besser gegangen. Das Vermissen war zwar fast noch größer geworden, nachdem er Aoi Stimme gehört hatte, aber trotzdem hatte sich seine Laune gebessert. Vielleicht lag es aber auch einfach nur daran, dass zum Zeitpunkt des Telefonats schon etwa die Hälfte der Zeit, in der er allein gewesen war, vergangen war. Kapitel 46: Wie man etwas zu schätzen lernt ------------------------------------------- Kapitel 46 Wie man etwas zu schätzen lernt „Ah!“, bemerkte Reita dann irgendwann, als sie schon zum bestimmt dritten Mal durchgingen, was es in Frankreich zu besichtigen gab. „Hast du nicht gesagt, du hast Sekt?“ „Stimmt! Wir wollten anstoßen!“, stimmte jetzt auch Aoi zu, obwohl Kanon eher das Gefühl hatte, Reita wollte einfach nur Alkohol trinken und nicht darauf anstoßen, dass eine großartigen Europatour vorbei war. „Ich hol ihn!“, sprang Kanon auf und eilte zum Kühlschrank. Er erschrak ein kleines bisschen, als Aoi wie vom Blitz getroffen auch plötzlich mit einem „Ich hab ja ganz vergessen…“ aufsprang und in sein Zimmer verschwand. Der Jüngste warf Reita einen fragenden Blick zu, welcher aber auch nur mit den Schultern zuckte. Während der Gitarrist in seinem Zimmer herumwühlte, schenkte Kanon den Sekt ein. Als er die Gläser gerade auf den Wohnzimmertisch gestellt hatte, kam Aoi wieder grinsend in den Raum. „England, Finnland, Frankreich oder Deutschland?“, fragte der Ältere Kanon freudestrahlend. War das irgendein Witz, den der Jüngere nicht verstand? „Ähm… Finnland?“, meinte er vorsichtig. Anscheinend war das die falsche Antwort gewesen, denn das Lächeln verschwand aus dem Gesicht des Gitarristen und er wirkte etwas nervös, während Reita auf seinem Sessel die Augen verdrehte und begann, den Sekt einzuschenken. „Finnland ist nicht so gut. Dann doch lieber Frankreich. Oder England! Obwohl, wenn du Finnland willst, dann kann ich ja schlecht was anderes sagen…“, murmelte Aoi vor sich hin. Erst jetzt sah Kanon, dass der Ältere eine Tasche hinter seinem Rücken hielt. Er wollte ja gern nachfragen, aber der Gitarrist quasselte immer noch leise vor sich hin. Irgendwann stieß er dann aber ein lautes „Scheiß drauf, du bekommst einfach alles!“ aus und leerte den Inhalt der Tasche auf dem Tisch aus. Verwundert betrachteter Kanon den kleinen Berg aus Gegenständen, der nun auf dem Wohnzimmertisch türmte. „Was ist das?“, fragte er den Älteren. „Mitbringsel aus Europa.“ Neugierig nahm Kanon einen der Schlüsselanhänger, der aussah wie der Eifelturm. Er entdeckte in dem Haufen viele andere Anhänger. Außerdem kleine Abbildungen wie zum Beispiel ein MiniModel von einer roten Telefonzelle. Auch einen kleinen Kuscheltierelch konnte er erkennen. „Ich wusste nicht genau, was du magst, und deshalb hab ich einfach alles…“ Aoi beendete den Satz nicht, sondern lächelte den Jüngeren stattdessen nur verlegen an. Kanons Augen weiteten sich, als er den Sinn der Worte verstand. „Ist das alles für mich?!“ Geschockt sah er von dem Souvenirberg auf Aoi. Ein leichter Rotschimmer umspielte die Wangen des Gitarristen, was Kanon Antwort genug war. „Unglaublich“, murmelte der Bassist sanft und setzt sich wieder aufs Sofa, immer noch den kleinen Anhänger in der Hand haltend. Nicht nur, dass Aoi an ihn gedacht und ihm etwas mitgebracht hatte. Er hatte ihm gleich mehrere Sachen mitgebracht. „Hoffentlich ist etwas dabei, was dir gefällt. Tut mir leid, ich bin nicht gut darin Geschenke zu machen“, gab Aoi entschuldigend zu und setzte sich auch hin. Ohne ein weiteres Wort fiel Kanon dem Älteren um den Hals. Den Anhänger noch immer in der Hand. Er hörte Reitas Stöhnen neben sich, aber es war ihm egal. „Du bist der Beste!“, flüsterte der Jüngste Aoi ins Ohr und musste unwillkürlich an den Moment in Gazettes Proberaum denken, in dem er dem Älteren auf die gleiche Weise eine Gänsehaut beschert hatte. Kanon konnte es jetzt zwar nicht wirklich sehen, aber er hoffte, dass es den gleichen Effekt hervorrief. Er mochte es, wenn Aoi so auf ihn reagierte. Und er mochte es auch, wenn er ihn an sich drückte. So wie jetzt. Oder den Blick, den er ihm schenkte, nachdem sie sich wieder voneinander gelöst hatten. Das bedeutete ihm mehr als sonst irgendwelche Worte, die der Gitarrist in diesem Moment hätte sagen können. „Ich trink jetzt“, zerstörte Reita den Moment, aber Kanon war ihm nicht böse deshalb. Wie er vorhin schon bemerkt hatte, konnte nicht mal der Blonde seine Laune zerstören. Stattdessen griff Aoi selbst nach den beiden Sektgläsern, die auf dem Tisch standen, und gab Kanon eins davon, bevor sie alle zusammen auf ihre Rückkehr und eine gelungene Europatour anstießen. Kanon und Aoi kuschelten sich an diesem Abend näher zusammen als sie es gewöhnlich taten. Vor allem wenn Reita dabei war. Aber Kanon war es völlig egal. Es machte ihm auch nichts aus, dass der Blonde ihnen immer wieder genervte Blicke zuwarf. __ Er schlief besser ein als die Nächte zuvor. Einfach nur, weil er wusste, dass Aoi nebenan war. Einmal wachte Kanon auf und war sich nicht ganz sicher, ob er den letzten Abend nicht einfach nur geträumt hatte. Nachdem er endlose Momente mit sich gehadert hatte und einfach nicht mehr einschlafen konnte, stand er auf und schlich so leise es ging ins Wohnzimmer. Durch den schwachen Schein der Straßenlaternen konnte er Aois Umrisse auf dem Sofa sehen. Er hatte es nicht geträumt. Und Kanon kam sich fast so vor wie an dem Abend, an dem er mit der Decke des anderen geschlafen hatte. Mit einem Kopfschütteln über sich selbst, aber einem glücklichen Lächeln auf den Lippen, schlich er wieder zurück in sein Zimmer, um dort bis zum Morgen durchzuschlafen. __ „Guten Morgen!“, trällerte Kanon fröhlich, noch bevor er die Zimmertür ganz geöffnet hatte. Er konnte es gar nicht erwarten endlich wieder eine Antwort auf den Gruß zu erhalten. Endlich wieder mit Aoi zu reden und mit ihm Kaffee trinken zu können. Kanon wusste nicht wieso, aber sein selbst gebrühter Kaffee hatte nie so gut geschmeckt, wie der, den Aoi ihm morgens immer machte. „Morgen!“, kam es ihm aus der Kochnische entgegen. Er konnte das Lachen in der Stimme des Gitarristen hören. Er konnte das Grinsen sehen. Den Kaffee riechen. Es war herrlich. „Bewegst du dich auch noch oder soll ich dir deine Tasse an den Türrahmen bringen?“ Aoi schenke dem Angesprochenen ein freches und trotzdem sanftes Lächeln, woraufhin dieser sich endlich in Bewegung setzte. „Ich konnt einen Moment lang nicht glauben, dass du tatsächlich wieder da bist“, gestand Kanon lächelnd, als er dann bei Aoi angekommen war und seine Tassen entgegennahm. Er wusste nicht, wieso er auf einmal so ehrlich mit Aoi über seine Gefühle reden konnte. Vielleicht weil Aoi wahrscheinlich eh schon mitbekommen hatte, wie sehr Kanon ihn vermisst hatte. „Du bist so süß.“ Okay, er sollte sich definitiv öfter trauen mit Aoi über seine Gefühle zu reden, wenn er zum Dank dafür jedes Mal solche Komplimente bekam. Und so ein umwerfendes Lächeln. Allerdings fiel Kanon aus der Nähe noch was anderes an Aoi auf, was ihn stutzen ließ. „Ist mit dir alles in Ordnung?“ Besorgt legte er den Kopf leicht schief und betrachtete den Gitarrist noch etwas genauer. Der Ältere wirkte blass, fast schon ein bisschen kränklich. Und von den Augenringen wollte Kanon gar nicht erst anfangen. „Bin nur etwas müde. Hab nicht sehr gut geschlafen heute Nacht“, nuschelte Aoi peinlich berührt. Anscheinend gefiel es ihm nicht besonders von Kanon so gesehen zu werden. Allerdings war der Jüngere gerade mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Natürlich hatte der Ältere einen Jetlag! Zwar hatte Aoi am Abend noch recht müde gewirkt, aber in Europa war es um die Uhrzeit schon wieder Morgen gewesen. Kein Wunder hatte er nicht anständig schlafen können! „Wieso bist du denn dann überhaupt aufgestanden?“ „Kann doch nicht den ganzen Tag verschlafen. Da hab ich ja gar nichts davon!“ Aoi zwinkerte ihm grinsend zu und setzte sich dann an den Tisch, um seinen Kaffee zu trinken. So wie jeden Morgen. „Vielleicht brauchst du heut ein bisschen mehr Milch. Der Kaffee ist stärker als sonst. Ich brauch einfach was zum Aufwecken“, meinte er noch entschuldigend. Kanon konnte als Antwort nur leicht lachen und goss tatsächlich noch etwas Milch nach, bevor er sich zu dem anderen setzte. So wie jeden Morgen. Mit dem Unterschied, dass er diese alltäglichen Momente jetzt noch mehr wertschätzte als zuvor. ____ Kanon fühlte sich die nächsten Tage ziemlich gut. Proben standen keine an – weder bei An Cafe noch bei Gazette –, deshalb konnte er seine freie Zeit mit Aoi voll und ganz genießen. Reitas Laune schien nicht gerade die Beste zu sein, aber das störte Kanon immer noch nicht. Am dritten Morgen nach Gazettes Rückkehr wurde er allerdings ziemlich unsanft aus seiner kleinen Traumwelt gerissen. Eigentlich begann der Tag ganz normal. Naja, nicht ganz normal. Nach dem Frühstück war Reita mit ihm nämlich mal wieder ein paar Lieder durchgegangen mit dem Argument, Kanon wäre ja nicht zum Spaß hier, sondern um was zu lernen. Gegen Mittag hatte sich Aoi zu ihnen gesetzt und schließlich waren sie dabei gelandet, dass sich Reita endlich mal ans Kofferauspacken gemacht hatte, während der Gitarrist sich Kanons Bass geschnappt hatte. Jetzt saßen die beiden auf dem Sofa. Aoi mit dem Bass auf dem Schoß und Kanon, der ihm immer wieder Hinweise zu seinem Spiel gab. Irgendwie gefiel dem Jüngsten diese Situation. Er mochte es zwar nicht sonderlich Aoi zu kritisieren, aber endlich konnte er ihm auch mal was zeigen! Auf seinem eigenen Spezialgebiet! So wie sich der Ältere anstellte hatte er zwar nicht zum ersten Mal einen Bass in der Hand, aber er fragte immer wieder nach und Kanon war richtig stolz, Aoi auch mal was beibringen zu können. Die beiden waren so in ihre kleine Übungsstunde vertieft, dass sie auch nicht Reita beachteten, der jetzt wieder aus seinem Zimmer gekommen war. Erst als er sich grinsend vor dem Wohnzimmertisch aufbaute, verstummten sie. Der Blonde sah die beiden einen kurzen Moment nur an. Grinsend. Wissend. Ein Blick, der bei Kanon irgendwie Unbehagen auslöste. „Zehn Tage.“ „Was ist in zehn Tagen?“, fragte Aoi seinen Mitbewohner skeptisch, der aber nicht weiter darauf einging, sondern mit seinen zusammenhangslosen Vortrag fortfuhr. „Du hast es geschafft.“ „Was hab ich geschafft??“ Aoi wirkte schon leicht angenervt, was auch irgendwie verständlich war. Reita sah ihn verärgert an. „Nich du, du Idiot“, blaffte er dann. „Ich red von dem Kleinen!“ Kanon tauschte kurz einen verwirrten Blick mit Aoi aus. Reita redete mit ihm? Was sollte das Ganze denn bedeuten? Der Blonde begann wieder zu grinsen. Ihm schien es wohl zu gefallen, dass er der Einzige war, der den Sinn hinter seinen Worten verstand. „Also, auch wenn du mich manchmal fast zur Verzweiflung gebracht hast, hast du doch einige Fortschritte gemacht“, meinte Reita jetzt direkt an den Jüngsten gerichtet. „Vielleicht sogar mehr als ich dir zugetraut habe. Zwar bezweifel ich, dass du jemals ein so herausragender Bassist wirst, wie ich einer bin, doch du bist auf einem sehr guten Weg. Und zumindest machst du unserer Berufsgruppe jetzt keine Schande mehr.“ „Ähm…danke?“, gab Kanon verunsichert von sich, als Reita eine kurze Pause machte und ihm ein aufmunterndes Lächeln schenkte. Verstört sah Kanon zu Aoi. Was wollte Reita denn bitte von ihm? „Jedenfalls hab ich den Grundstein gelegt und meine Arbeit ist somit getan. Ich kann dir nichts mehr beibringen.“ So langsam dämmerte es Kanon, worauf der blonde Bassist hinauswollte, aber er konnte es nicht glauben. Das musste doch alles ein böser Traum sein. „Zehn Tage“, wiederholte Reita erneut und dieses Mal ergaben die Worte für Kanon Sinn. Auch wenn er sich wünschte, es wäre anders. „In zehn Tagen ziehst du aus.“ ____ waah.. >__< So langsam kommt das Ende in Sichtweite..... (aber erst grad so.. am Horizont ûu) Wir hoffen euch hat das Chap trotz diesem Ende gefallen ^^ Kapitel 47: Wie man verletzt ---------------------------- Ein ganz großes Dankeschön für eure reviews ^__^ mittlerweile sinds 300 davon.. leute, ihr seid verrückt! >____< schön zu sehen, dass ihr so mitfiebert! Das is wirklich wirklich toll!! Heute haben wir ein nicht ganz so fröhliches Kapitel für euch, wie man an der Überschrift erkennen kann. Trotzdem wünschen wir viel Spaß beim Lesen ^^ ______________ Kapitel 47 Wie man verletzt „Zehn Tage“, wiederholte Reita erneut und dieses Mal ergaben die Worte für Kanon Sinn. Auch wenn er sich wünschte, es wäre anders. „In zehn Tagen ziehst du aus.“ Am liebsten hätte Kanon Reita das Grinsen aus dem Gesicht gewischt. Ihm war absolut nicht zum Lachen zumute. Er konnte doch nicht einfach ausziehen! Er konnte sich doch nicht einfach so rauswerfen lassen! Er wollte nicht gehen. Kanon konnte keinen klaren Gedanken fassen und Aoi schien es wohl ähnlich zu gehen, denn keiner von beiden reagierte, als Reita mit einem fröhlichen „Ich bin dann mal weg“ die Wohnung verließ. Die Tür war schon ein paar Sekunden ins Schloss gefallen, als sich der Gitarrist wieder rührte und Kanon den Bass zurückgab. „Machen wir morgen weiter, okay?“ Der Angesprochene nickte nur und nahm das Instrument entgegen, um es daraufhin in sein Zimmer zu bringen und dort zu verstauen. Während er es in den zugehörigen Basskoffer legte, strich er gedankenverloren über die Saiten, auf denen Aoi gerade gespielt hatte. Er wollte noch viel öfter solche Momente mit dem Älteren erleben, aber wenn er ausziehen musste, dann würde das schwierig werden. Und auch die anderen kleinen Momente. All die kleinen Rituale. Er wollte nicht, dass sie einfach nur in seiner Erinnerung vorhanden waren. Kanon spürte, wie sich ein Kloß in seinem Hals bildete, den er aber mit großer Mühe herunterschluckte, als er hörte, wie aus dem Wohnzimmer die Klänge einer Gitarre zu hören waren. Aoi war noch da. Er musste sich zusammenreißen. Und endlich wieder zurückgehen. Der Ältere schien auch nicht sonderlich angetan von Reitas Entscheidung zu sein, was Kanon zumindest ein bisschen aufmunterte. Er wollte sich gar nicht vorstellen, wie seine Laune gewesen wäre, hätte Aoi einfach gleichgültig zugestimmt. Dieser saß jetzt auf der Couch mit seiner eigenen Gitarre und spielte ein Lied, das Kanon zwar kannte, aber in dieser Wohnung noch nicht so oft gehört hatte. Discharge. Der Bassist konnte sein Gesicht zwar nicht sehen, da Aoi mit dem Rücken zu ihm saß, aber die Art, wie der Ältere spielte, und allein schon die Liedwahl ließ eben genau darauf schließen, dass ihn Reitas Entscheidung auch nicht gerade kalt ließ. Kanon blieb neben dem Sofa stehen und hörte dabei zu, wie Aoi seine Wut mit dem Song herausließ. Er hatte nicht die Kraft sich wieder neben den Älteren zu setzen, geschweige denn dieses anzusehen. Denn das würde bedeuten, dass Aoi ihn auch ansehen würde. Und er würde wahrscheinlich die Verzweiflung in Kanons Augen finden und sie würden reden müssen. Kanon wollte nicht reden. Er wollte die Zeit zurückspulen und Reita für immer in sein Zimmer einsperren. Er wollte die Lebensfreude zurück, die Aoi und er sich die letzten Tage geteilt hatten. Plötzlich stand Aoi auf und zog dann ruckartig das Kabel seiner Gitarre aus dem Verstärker. Kanon wusste nicht einmal, ob das Lied schon zu Ende gewesen war oder nicht. Dafür hatte Aoi zu hektisch gespielt. Fast schon abgehakt. Kanon hatte den Älteren noch nie so spielen hören. Doch die Art wie Aoi seine E-Gitarre beinahe vergewaltigt hatte, war nichts gegen den Blick, den er Kanon jetzt über seine Schulter hinweg zuwarf. Der Jüngere konnte darin so viel sehen und doch nichts. Schmerz, Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, aber auch Verschlossenheit. Das Letzte tat wohl am meisten weh. „Ich muss dir wohl gratulieren. In zehn Tagen hast dus endlich geschafft. Reita hält dich nicht mehr weiter gefangen und du bist frei.“ Aoi hatte Kanon bei den Worten wieder den Rücken zugedreht. Die Stimme sollte neutral klingen, aber der Bassist konnte den bitteren Hohn heraushören. Und der Tonfall löste eine Gefühl in Kanon aus, das er bis jetzt nie mit dem sanftmütigen Gitarristen in Verbindung gebracht hatte: Wut. „Du glaubst also wirklich, dass mich das freut?“ Kanon versuchte das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken. Es war eine Mischung aus Zorn und Enttäuschung. Verstand Aoi ihn wirklich so wenig? Wenigstens schien der Ältere die Regung in Kanons Stimme zu hören, denn er drehte sich nun ganz dem Jüngeren zu, welcher seine beiden Fäuste geballt hatte aus Angst sonst loszubrüllen oder zu weinen. Vielleicht auch beides. „Ist doch so“, antwortete der Ältere und zuckte leicht mit den Schultern. Sein Blick ging an ihm vorbei. Wahrscheinlich zum Fenster raus. Jetzt konnte Aoi ihn noch nicht mal ansehen, wenn er mit ihm sprach? „Deshalb hat Reita dich doch hergeholt. Wieso solltest du dich nicht freuen, dass er mit dir fertig ist? Hat dich ja lange genug gequält.“ Kanon biss die Zähne zusammen. Seine Fingernägel bohrten sich in seine Handflächen. Diese Art, in der Aoi sprach, machte ihn verrückt! Wütend! Seine Stimme wurde lauter. „Toll! Dann kann ich ja auch gleich gehen! Scheint dir ja egal zu sein!“ Auch der Gitarrist schien sich nicht mehr wirklich unter Kontrolle zu haben. Aber zumindest sah er ihn jetzt an, während seine Stimme ebenfalls lauter wurde. „Wenn du gehen willst, dann geh halt! Scheint dir ja auch nicht viel dran zu liegen hierzubleiben!“ Kanon konnte immer noch diese Dinge in Aois Blick lesen. Und Wut. Aber er konnte nicht einschätzen, auf wen der Ältere wütend war, und in seiner eigenen momentanen Verfassung hatte er auch gar nicht den klaren Kopf dafür. Einen Moment zögerte Kanon noch. Sah Aoi an. Aber er konnte diesem wütenden Blick nicht lange standhalten, also drehte er sich um, schnappte sein Handy vom Esstisch und fünf Sekunden später hörte er die Wohnungstür hinter sich zuknallen. Wütend stapfte er die Treppe runter. Das konnte Aoi nicht mit ihm machen! Er hatte wirklich geglaubt, der Ältere würde ihn verstehen, aber da hatte er sich wohl gewaltig getäuscht. Er hatte ja keine Ahnung, wie sehr Kanon Reitas Beschluss wirklich traf. Er wollte nicht ausziehen. Nicht so bald. Und Aoi hatte das anscheinend absolut nicht verstanden. Und selbst wenn er es verstanden hatte, dann zeigten seine Worte doch, dass ihm nicht sehr viel daran liegen konnte, Kanon das Gefühl zu geben, ihn zu verstehen. Am liebsten hätte Kanon losgeschrien! Aber das kam hier auf der Straße dann doch nicht so gut. Vor allem weil man ihn von Aois und Reitas Wohnung aus noch sehen konnte und er wollte sich nicht die Blöße geben. Kanon starrte vor sich auf dem Boden und versuchte seine Atmung unter Kontrolle zu halten. Er wollte schreien. Er wollte weinen. Er wollte weg und doch zurück. Er wusste nicht, was er wollte. Also lief er weiter. Kanon hatte keine Probleme mehr, sich in dem Viertel zurecht zu finden. Ein paar Mal war es sogar schon passiert, dass er Reita und Aoi auf Abkürzungen hingewiesen hatte, die diese selbst noch nicht kannten. Er kannte sich hier aus. Er fühlte sich hier zu Hause. Und ein Teil von ihm war inzwischen auch wirklich hier zu Hause. Wie hatte er nur so dumm sein und das zulassen können? Teruki hatte ihn gewarnt, aber da war es schon zu spät gewesen. Noch dümmer war allerdings der Glaube gewesen, dass Aoi diese Entwicklung bemerkt, sie vielleicht sogar befürwortet hatte. Und dennoch stand er 20 Minuten später wieder vor dessen Haus, was er fälschlicherweise auch als sein zu Hause betrachtet hatte. Kanon starrte das Gebäude finster an als könnte es etwas für seine jetzige Lage. Er war sich nicht sicher, was er machen sollte. Er bezweifelte, dass eine weitere Runde seine Wut verblassen lassen würde. Je mehr er nachdachte, desto frustrierter wurde er. Aber zurückgehen? Was dann? Weiter streiten? Auch das schien ihm keine gute Alternative. Sein Blick wanderte die Hausfassade hoch und blieb dann an einem ihm sehr bekannten Fenster hängen. All seine Muskeln spannten sich an. Aoi stand da und schaute ihn einfach nur an. Hatte der Ältere ihn die ganze Zeit beobachtet? Hatte er die ganzen 20 Minuten dort gestanden? Der Gitarrist unterbrach ihren Blickkontakt und Kanon war schon darauf gefasst, dass der Ältere vom Fenster verschwinden würde. Stattdessen zog er sein Handy aus der Tasche und hielt es sich dann ans Ohr. Kanon schaute nicht auf sein Display als sein Handy anfing zu klingeln, sondern ging direkt dran. Er wusste schließlich, wer dran war. „Bist du immer noch wütend?“ Keine Begrüßung. Keine Reue in der Stimme. Nur diese kalten Worte. „Ja“, antwortete Kanon ohne lang nachzudenken. Er starrte Aoi durch das Fenster an, doch er konnte keine Reaktion erkennen. Erst nachdem einige Sekunden lang niemand etwas gesagt hatte, fragte der Jüngere: „Du?“ Er bekam Aois Zögern genau mit. Letztendlich kam dann aber doch ebenfalls ein ausdrucksloses „Ja“ aus dem Hörer. Kanon musste zugeben, dass er insgeheim gehofft hatte, der andere wäre nicht mehr sauer. Dass er ihm die Tür öffnete und ihn wieder in die Wohnung ließ. Einen Schlüssel hatte er in seiner Wut nämlich nicht mitgenommen. Er hatte gar keinen Schlüssel mitgenommen! Auch nicht den für seine eigene Wohnung. Und auch kein Geld. Es blieben ihm also nur zwei Möglichkeiten: Entweder er lief noch weiter völlig planlos durch die Gegend oder er bat Aoi ihn reinzulassen. Beides irgendwie nicht gerade tolle Aussichten. „Was hast du denn eigentlich für einen Grund sauer zu sein?“, fragte Kanon schließlich, den Blick noch immer auf die Gestalt am Fenster gerichtet. Wenn Aoi so wenig daran lag, dass er hier blieb, dann hatte er doch wirklich keinen Grund auf irgendwas sauer zu sein. „Ich dachte, du würdest vielleicht wenigstens ein bisschen Freude daran haben, hier zu wohnen. Aber dass du einfach so abhaust…“ „Warte mal!“, unterbrach ihn Kanon. „Wer hat mich denn praktisch rausgeworfen?!“ „Reita!“ „DU hast gesagt, ich soll gehen!“ „Ich hab gesagt, du sollst gehen, wenn du gehen willst!“ Kanon wusste daraufhin nichts zu sagen. Da schob ihm Aoi jetzt auch noch die Schuld in die Schuhe?? Wütend drückte er auf den roten Hörer seines Handys und starrte dann wieder zum Fenster. Der Gitarrist ließ seine Hand ebenfalls sinken, rührte sich aber sonst nicht. Der Jüngere fühlte sich wieder so wie zu dem Zeitpunkt, zu dem er die Tür zugeknallt hatte. Wütend. Und gleichzeitig so als würde er gleich anfangen zu Weinen. So sauer war er noch nie auf Aoi gewesen. „Verdammt!“, fluchte er leise nach ein paar Sekunden und wählte dann dessen Nummer aus seinem Adressbuch aus. Es war die Erste. Aus dem Hörer war das Tuten zu vernehmen, aber Aoi rührte sich anfangs nicht. Erst nach dem vierten Tuten wurde abgenommen und er führte die Hand wieder an sein Ohr. Kanon versuchte die Erkenntnis zu unterdrücken, dass er selbst den Anruf wohl nicht entgegengenommen hätte, wären ihre Rollen vertauscht gewesen. „Glaubst du wirklich, ich will gehen?“, eröffnete Kanon das Telefonat sofort. Es folgte eine Stille, die ihn nur noch wütender machte. Das Schweigen zeigte dem Bassisten, dass Aoi sich scheinbar gar nicht wirklich Gedanken darüber gemacht hatte, was Kanon wollte und was nicht. War er dem Älteren wirklich so egal? Wenn ja, dann war Aoi ein Heuchler. „Glaubst du wirklich, dass ich mich nicht wohl gefühlt hab? Glaubst du, ich habe nicht gerne morgens mit dir Kaffee getrunken und mit dir vorm Fernseher Abend gegessen? Mit dir geredet und mich von dir aufmuntern lassen?“ Kanon merkte, wie seine Augen nass wurden, doch es war ihm egal. Sollte Aoi doch sehen, wie sehr er ihn verletzte. Wenn Aoi noch nicht einmal gemerkt hatte, dass Kanon ihre gemeinsame Zeit genoss, war das nicht ein Zeichen dafür, dass seine Gefühle dem Älteren eigentlich egal waren? Ein Zeichen dafür, dass ihre ganze Beziehung nur eine reine Wunschvorstellung war? „Glaubst du wirklich, dass mir die letzten Wochen egal waren?“, flüsterte Kanon ins Handy und versuchte eine Regung in Aois Gesicht zu sehen, soweit das von seinem Standpunkt aus möglich war. Zwar sah der Gitarrist geschockt aus. Doch eine Antwort auf seine verzweifelte Frage bekam Kanon nicht. Vielleicht bildete er sich den überraschten Gesichtsausdruck ja auch nur ein. Kanon versuchte sich zusammenzureißen. Es war in Ordnung wenn Aoi ein paar Tränen sah, doch er konnte jetzt nicht völlig vor dem Gitarristen zusammenbrechen. Egal, wie sehr ihm die Stille schmerzte. „Wenn das so ist, dann hab ich hier wohl wirklich nichts mehr zu suchen.“ Kanon wandte sein Blick von dem Haus ab, was er fälschlicherweise als sein zu Hause betrachtet hatte, und drehte sich zum Gehen um. „Was? Warte! Wo willst du hin?“, fragte Aoi plötzlich überrascht. Kanon fühlte sich aber nicht in der Lage sich darüber zu freuen, dass Aoi endlich reagierte. „Miku wohnt nur ein paar Stationen entfernt. Vielleicht kann ich ja bei ihm schlafen.“ „Was?! Das ist doch schwachsinnig! Komm hoch und dann können wir reden.“ Der Jüngere lachte bitter. Jetzt auf einmal also? „Danke Aoi, aber ich brauch dein Mitleid nicht.“ „Das ist kein Mitleid! Ich…“ Wieder betätigte Kanon den roten Hörer, doch dieses Mal hatte er nicht vor zurückzurufen. „Kanon!“ Das laute Rufen ließ ihn kurz zusammenzucken. Scheinbar hatte Aoi jetzt das Fenster geöffnet. Er hatte nicht vor sich umzudrehen, um seine Annahme zu bestätigen. Er lief weiter. „Bleib hier!“ Er ging weiter. „Ich will nicht, dass du gehst, Kanon!“ Er blieb stehen. Aber umdrehen konnte er sich nicht. Es war dieser Satz. Und die Art, wie Aoi seinen Namen ausgesprochen hatte. Wie er nach ihm gerufen hatte. Er konnte sich nicht umdrehen, aber weitergehen konnte er auch nicht. Er stand hier auf der Straße, einige Meter vom Eingang entfernt, und konnte sich nicht rühren. Kanon wollte nicht gehen. Aber ein Teil seines Verstandes und auch seines Herzens war der Meinung, dass es besser wäre. Trotzdem zuckte er erneut kurz zusammen, als er Aois Stimme hinter sich hörte. Näher. Und wieder sein Name. Anscheinend war der Ältere kurzerhand zu ihm runtergerannt und stand nun vor der Haustür. Eine Tatsache, die es Kanon nicht wirklich leichter machte, weiterzugehen. Kapitel 48: Wie man eine Entscheidung fällt ------------------------------------------- Das letzte Kapitel war ja nich sonderlich schön ._." Deshalb gehts heut auch ganz schnell weiter xD Viel spaß ^^ _______________ Kapitel 48 Wie man eine Entscheidung fällt „Komm wieder hoch.“ Es klang bittend. Gar nicht mehr ausdruckslos wie noch vor ein paar Augenblicken. Das anschließende „Bitte“ brach dann auch noch den letzten Widerstand in Kanon, sodass er nicht anders konnte als sich umzudrehen. Aoi anzusehen. Und tatsächlich schien dieser wirklich nicht mehr wütend zu sein. Zumindest sah er nicht mehr danach aus. Wie konnte er so jemandem böse sein? Aoi hatte ihn vollkommen in der Hand, das hatte er schon vorher gemerkt. Auch jetzt wurde es ihm wieder deutlich. Der Ältere musste nur vor ihm stehen und ihn ansehen. Er musste nur in diese dunklen Augen sehen und sein Widerstand brach. Die Wut war zwar nicht grundlegend verflogen, aber so weit in den Hintergrund gerutscht, dass er leicht nickte und Aoi durch das Treppenhaus zurück in die Wohnung folgte. Dort konnten sie ja immer noch reden. Immer noch streiten. Sich immer noch Vorwürfe machen. Aber Kanon wusste genau, dass er das wahrscheinlich sowieso nicht mehr tun würde. Es war nur eine billige Ausrede vor sich selbst, um zurück in diese Wohnung zu gehen. Er wusste das. Er wusste das auch, als er die Tür hinter sich schloss und mit dem Rücken an diese gelehnt stehen blieb. Auch Aoi stoppte und drehte sich zu Kanon um. Scheinbar achtete der Ältere genauestens auf die Bewegungen des Bassisten. Wahrscheinlich aus Angst, er könnte wieder weglaufen. Aber das würde Kanon nicht tun. Er wusste es genau. Er war zurück in der Wohnung. Aoi hatte ihn darum gebeten. Er hatte gar keine andere Wahl als zu bleiben. Und als der Ältere die Distanz zwischen ihnen schloss und Kanon eine Umarmung schenkte, wurde diesem wieder bewusst, dass er es doch auch gar nicht anders wollte. Sein Verstand konnte immer weiter protestieren, doch sein Herz war der Überzeugung, dass sein Platz nun der an Aois Seite war. Wie zur Bestätigung zog er den anderen noch enger an sich, welcher sich mittlerweile an Kanon klammerte wie ein Ertrinkender. Die Geste erinnerte ihn an Aois Worte. `Ich will nicht, dass du gehst, Kanon! ´ Er wollte es doch auch nicht. Fast widerwillig ließ Aoi den Jüngeren los und schenkte ihm ein trauriges Lächeln, welches Kanon einen Kloß im Hals bescherte. Ohne ein Wort zu sagen, streiften beide ihre Schuhe ab. Kanon ließ zu, dass Aoi nach seiner Hand griff und ihn ins Wohnzimmer zur Couch führte, auf der sie beide Platz nahmen. Aoi hielt immer noch Kanons Hand. Sie schwiegen. Die Stimmung als gedrückt zu bezeichnen wäre wohl eine Untertreibung gewesen. Kanon fühlte sich traurig. Er musste ausziehen und das machte ihn unglücklich. Und scheinbar ging es Aoi ähnlich. Doch ihr Streit verhinderte, dass sie sich gegenseitig trösten konnten. Jeder stand auf seiner Seite und Kanon wusste nicht, wie er das ändern konnte. Er wusste nicht, wie er sich mit Aoi versöhnen sollte oder ob das gerade überhaupt sinnvoll war. Schließlich hatten sie noch nie gestritten. „Unser erster Streit“, murmelte Kanon leise. Ihm war egal, dass sich das so anhörte als ob sie ein Paar wären. In Anbetracht der Tatsache, dass Aoi immer noch seine Hand hielt, fand er das in Ordnung. Vor allem da er spürte, wie diese seine eigene kaum merklich noch ein wenig fester drückte. Sie könnten jetzt Reita die Schuld in die Schuhe schieben. Oder sagen, dass es den Streit gar nicht wert wäre. Aber das wäre alles gelogen. Es wären nur Ausreden. „Tut mir Leid, dass ich dich gerade nicht aufmuntern kann.“ Aoi hörte sich so traurig an. Und in diesem Zustand dachte er daran, dass er Kanon nicht aufmuntern konnte? Der Jüngere schluckte, aber der Kloß in seinem Hals verschwand einfach nicht. Er konnte Aoi nicht so traurig sehen. Er wollte nicht. Dabei fühlte er sich nur noch schlechter als er es ohnehin schon tat. Ohne wirklich darüber nachzudenken lehnte er sich ein Stück zur Seite und legte seinen Kopf auf die Schulter des anderen. „Ich wollte dich nicht anschreien.“ „Ich dich auch nicht“, kam sofort die Antwort darauf. Kanon Mundwinkel zuckten kurz und er bemerkte, dass sich ihr Bild im Fernseher spiegelte. Er konnte deutlich erkennen, dass Aoi ihn ebenfalls durch diese Reflektion ansah. „Ich hab gar nicht geglaubt, dass ich dich überhaupt mal so anschreien würde…“ Der Ältere löste seinen Blick nicht vom Spiegelbild. „Aber vielleicht…“, setzte Kanon an. Ja, vielleicht, ganz vielleicht musste es mal passieren. „Vielleicht war es auch mal nötig.“ Manche Dinge sagte man eben nur im Streit, weil man sie anders nicht sagen konnte. All die Dinge, kleinen Dinge, die Kanon genoss, seit er hier war. Das Kaffeetrinken, das Abendessen, das Aufmuntern. Er konnte es Aoi nicht einfach so ins Gesicht sagen. Dafür waren es viel zu banale Sachen. Manchmal brauchte man Streit, um diese Sachen zu sagen. Um vor Augen geführt zu bekommen, was man eigentlich gerade aufs Spiel setzte. Aoi hatte die Augen geschlossen und lehnte nun seinen Kopf an den von Kanon. Der Bassist mochte dieses Gefühl. Es schenkte ihm Nähe. Geborgenheit. Er schloss ebenfalls die Augen. War einfach nur froh, dass er nicht die nächste Bahn genommen hatte. Sonst hätte er sicher nicht nur körperlichen Abstand zwischen sich und Aoi gebracht. Bei dem Gedanken drückte er Aois Hand noch etwas fester, so als könnte er den Älteren dadurch dazu bringen bei ihm zu bleiben. Aoi erwiderte die Geste. __ Ein gequältes Seufzen verließ Kanon Lippen, als er auf den Wecker neben dem Bett schaute. Es war kurz nach Mitternacht und seit seinem letzten Blick waren nicht mehr als 10 Minuten vergangen. 10 Minuten, die ihm wie eine Ewigkeit vorkamen. Es war zum verrückt werden! Bis vor zwei Stunden hatte er noch bei Aoi auf dem Sofa gesessen und vor sich hin gedöst. Doch sobald sie sich dann entschieden hatten schlafen zu gehen und er sich alleine in das Bett gelegt hatte, war er wieder wach gewesen. Wobei er sich nicht unbedingt wach fühlte. Der Streit mit Aoi und die ganze Aufregung hatten ihn ziemlich geschafft und als sie sich dann endlich wieder versöhnt hatten, hatte er sich endlich wieder entspannter gefühlt. Jetzt alleine im Bett wurde ihm aber bewusst, dass das eigentliche Problem immer noch bestand. Reita würde ihn bald rausschmeißen. Ein Gedanke, der ihn nun schon seit zwei Stunden wach hielt und ihm sicher noch einige schreckliche Nächte bescheren würde. Mit einem frustrierten Schnauben drehte sich der Bassist um, in der Hoffnung vielleicht in dieser Position Schlaf zu finden. Gerade als er die Augen schließen wollte, sah er wie die Tür einen Spalt geöffnet wurde. „Kanon?“, flüsterte eine Stimme sanft in die Dunkelheit. „Aoi?“ Kanon machte die Nachtischlampe an, um sich zu vergewissern, dass er nicht träumte. Aoi war noch nie nachts einfach so ins Zimmer gekommen. Wobei Kanon sicher nichts dagegen gehabt hätte. Der Ältere stand immer noch an der Tür und lächelte Kanon unsicher an. Falls er sich den Gitarristen nur einbildete, war das ein ziemlich überzeugendes Trugbild. „Ich hab mir gedacht, ich leiste dir ein bisschen Gesellschaft, da du nicht schlafen kannst“, meinte Aoi und kratzte sich dabei verlegen am Hinterkopf. Kanon setzte sich lächelnd auf und klopfte auf die nun freie Fläche der Matratze. „War ich so laut?“ „Naja, wenn man selber nicht schlafen kann, achtet man auf jedes Geräusch.“ „Immer noch der Jetlag?“ Aoi schüttelte den Kopf, während er sich neben ihn setzte und sich in den Teil der Decke kuschelte, den Kanon ihm angeboten hatte. „Ich muss nur immer wieder an Reitas Grinsen denken, als er meinte, du ziehst aus.“ Der Bassist senkte den Kopf. Ja, das musste er auch. Vielleicht machte es dem Blonden nicht viel aus ihn einfach rauszuwerfen, aber Kanon hatte damit ziemlich zu kämpfen. Und Aoi anscheinend auch, wie er vorhin beim Streit mitbekommen hatte. „Jedenfalls ist mir dabei aufgefallen, dass er sich das ziemlich leicht macht“, fuhr der Ältere fort. „Mir gehört schließlich auch ein Teil der Wohnung! Außerdem wohnst du in meinem Zimmer und das kann ich nutzen wie ich will. Und darin kann ich schlafen lassen, wen ich will.“ Kanon hob fragend den Kopf. Wollte Aoi damit das sagen, was er glaubte, er würde es sagen? „Er kann dich nicht einfach so rauswerfen, ohne vorher zumindest mit mir darüber geredet zu haben! Das ist nicht allein seine Entscheidung.“ Setzte sich Aoi gerade wirklich für ihn ein? Dass er nicht ausziehen musste? Oder dass sie zumindest nochmal darüber redeten? Allein das verursachte in ihm ein kleines Glücksgefühl. Und wenn er dann doch gehen musste, dann wusste er zumindest, dass Aoi versucht hatte, ihn hier zu behalten. Auf Kanons Gesicht breitete sich ein Lächeln aus, das sich nicht verstecken ließ. Oder das er überhaupt verstecken wollte. „Was ist?“, fragte der Ältere leicht verwirrt, als er es sah. „Ich freu mich, dass du mich hier haben willst“, flüsterte Kanon leise, umschlang seine angezogenen Beine und legte seinen Kopf darauf ab, den Blick auf Aoi gerichtet. Nach einem kurzen Augenblick der Verwirrung, lachte dieser aber nur leise und sah ihn anschließend mit einem so sanften Blick an, dass Kanon fast vergangen wäre. „Wir haben doch gerade erst mit meinen Basslektionen angefangen. Da kann ich dich doch nicht schon wieder gehen lassen.“ Ein Lächeln schlich sich auf die Lippen des Bassisten, welches von Aoi auch sofort erwidert wurde. Er wollte dem Älteren sagen wie unendlich dankbar er für diese Entscheidung war. Wie sehr es ihn freute, dass Aoi ihn weiterhin an seiner Seite haben wollte. „Danke“, flüsterte er leise und hoffte, dass Aoi diese ganzen Gefühle in seinem Lächeln sehen konnte. Statt zu antworten seufzte der Ältere liebevoll auf und beugte sich dann zu Kanon vor, dessen Kopf immer noch auf seinen Knien ruhte. Der Jüngere schloss die Augen, als er das Lippenpaar des Gitarristen auf seinem Haaransatz spürte. Die Geste war so unschuldig, dass Kanon sich in dem Moment nicht einmal wünschte, die Lippen hätten stattdessen seine eigenen getroffen. Dieser Augenblick war viel zu rein, um ihn mit unüberlegten Handlungen kaputt zu machen. Glücklich öffnete er seine Augen wieder und er ließ sich erneut von Aois sanften Blick in den Bann ziehen. Das Gesicht des Älteren hatte sich wieder einige Zentimeter von seinem eigenen entfernt und trotzdem waren sie sich so nah. Und das nicht nur körperlich. Sie hatten sich entschieden. Sie würden zusammenbleiben und all den Ärger dafür in Kauf nehmen. „Ich geh jetzt wieder. Aber ich hab das Gefühl, dass wir beide jetzt vielleicht endlich Schlaf finden können.“ Kanon nickte bei den Worten, während Aoi ihm fast schon zärtlich eine Haarsträhne hinters Ohr streifte. Obwohl Aoi sich eigentlich schon verabschiedet hatte, sahen sie sich noch einen Moment lächelnd an. Der Ältere seufzte auf, als würde es ihm schwer fallen, seinen Blick dann doch endlich von dem Bassisten abzuwenden, und verließ dann schweigend das Zimmer. Auch Kanons Lippen verließ ein Seufzen. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte Aoi ruhig die Nacht bei ihm schlafen können. Doch der Augenblick war zu schön gewesen, um ihn mit unnötigen Gesprächen zu zerstören. Und auch jetzt fühlte er sich viel zu glücklich, um sich mit solchen Kleinigkeiten zu beschäftigen. Er würde bleiben können! So lange wie Aoi ihn Gastfreundschaft gewehrte, würde er hier bleiben können! ____ Die wirklichen Auswirkungen ihres Streits am vorigen Tag bekam Kanon dann hautnah am Frühstückstisch mit. Er konnte ganz genau beobachten, wie Aoi immer wieder in seine Kaffeetasse grinste, wenn er glaubte, Kanon würde nicht hinsehen. Was diesen dazu brachte, ebenfalls immer wieder mit dem Grinsen anzufangen. Jetzt, da Aoi wusste, dass er dieses morgendliche Ritual nicht einfach nur hinnahm, sondern dass es ihm wichtig war, hatte es eine ganz neue Bedeutung bekommen. Er nahm die Situation noch intensiver wahr als vorher. Reita war wohl erst ziemlich spät heim gekommen. Zumindest hatte Kanon ihn nicht gehört, aber die Schuhe und die Jacke, die am Abend vorher noch weg gewesen und jetzt wieder im Vorraum waren, verrieten, dass der Blonde in seinem Zimmer sein musste. Und da konnte er Kanons Meinung nach auch bleiben. Er brannte zwar darauf, ihm so schnell wie möglich von seiner und Aois Entscheidung gestern Nacht zu erzählen, aber momentan hatte er eigentlich keine große Lust Reita zu sehen. Nicht, nachdem er gestern so klanglos verschwunden und sie in dieses Chaos gestürzt hatte. „Hast du heute was vor?“ Aoi schaffte es mal wieder meisterhaft, ihn aus schlechten Gedanken zu reißen. „Teruki hat mir vorhin geschrieben und gefragt, ob ich später vorbeikommen kann.“ „Warum?“ Aois Lächeln verschwand und Kanon fragte sich, ob es daran lag, dass der Ältere vielleicht doch noch ein kleines bisschen eifersüchtig war. Dabei hatte er eigentlich gedacht, dass er ihm das ausgeredet hätte. Er und Teruki… Das war völlig abwegig! „Keine Ahnung. Ich hab ihn gefragt, aber er hat seitdem nicht mehr geantwortet“, zuckte er mit den Schultern. Es trat Schweigen ein. Aoi schien nachzudenken. Und es grinste nicht mehr, was Kanon gar nicht gefiel. „Und was machst du heute?“, fragte er deshalb, um das Thema zu wechseln. Der Ältere zuckte aber nur ebenfalls mit den Schultern. „Bisschen arbeiten, schätz ich. Ich glaub, Kai ist der Meinung drei Tage ausruhen ist mehr als genug.“ Kanon nickte und ließ seinen Blick wieder zu Reitas Zimmer wandern. Das hieß Aoi würde heute mit Reita alleine sein. Es würde sicher zum Streit kommen. „Ich hatte eigentlich vor schon heute Mittag zu gehen“, meinte der Bassist und kaute dabei schuldbewusst auf seinem Piercing. Wenn Reita tatsächlich erst so spät nach Hause gekommen war, dann würde man ihn in den nächsten Stunden nur eventuell dabei sehen, wie er kurz aus dem Zimmer schlurfte, um sich eine Kopfschmerztablette oder einen Kaffee zu besorgen und dann wieder verschwand. Auf jeden Fall würde er vor Mittags nicht ansprechbar sein. „Und wieso ist die Uhrzeit für dich so ein großes Problem?“ Der Angesprochene sah verwirrt zu Aoi zurück, der gerade seine Tasse an den Lippen angesetzt hatte und Kanon neugierig musterte. Der Jüngere lächelte schüchtern. Ob er sich wohl jemals daran gewöhnen würde, so ein offenes Buch für Aoi zu sein? „Naja, wenn ich schon so früh geh, dann musst du Reita unsere Entscheidung alleine mitteilen. Und eigentlich ist das ja auch meine Aufgabe“, verriet Kanon dem Älteren. Er erinnerte sich nur zu gut daran, wie Reita ihnen beiden vorgeworfen hatte, sie wären heimlich zusammen und er selbst sich vor der Konfrontation gedrückt hatte. Dieses Mal wollte er selbst handeln und für sich einstehen. Er wollte nicht, dass Aoi dachte, dass er feige war und dass der Gitarrist alle Kämpfe alleine bestreiten musste. „Vielleicht sollt ich das Treffen mit Teruki einfach verschieben…“ „Das brauchst du nicht“, meinte der Ältere jetzt sanft. „Es ist wahrscheinlich eh besser, wenn ich erst mal alleine mit ihm darüber rede. Und du wirst auch heute Abend noch die Möglichkeit haben, ihm deine Meinung zu dem Thema zu sagen.“ Kanon nickte leicht beschämt. Vielleicht war es von ihm ein bisschen anmaßend gewesen, sich gleich selbst einmischen zu wollen. Das war schließlich nicht seine Wohnung! Da hatte er eigentlich nichts mitzureden! „Aber es ist süß, dass du dir darüber Gedanken machst.“ Aoi schenkte dem Jüngeren ein ehrliches Lächeln, was dieser erleichtert erwiderte, bevor sie sich dann beide wieder ihrem Kaffee zuwandten und ihr normales Morgenritual fortführten. Kapitel 49: Wie man sein Leben selbst bestimmt ---------------------------------------------- Erstmal vielen lieben Dank an klene-Nachtelfe, bouXnyappy, candydivepinkyheaven und xxxsabixxx für die kommentare ^___^ und dann noch ein random-fact: Wir feiern dreijähriges kyoosha-jubiläum xDD Vorgestern vor drei Jahren haben wir das erste Kapitel von dem ersten teil von kyoosha hochgeladen. Vielen vielen Dank an alle, die seitdem dabei sind, und auch an alle mutigen Quereinsteiger! xD Ohne euch wären wir niemals so weit gekommen und hätten bestimmt nicht so viele Teile geschrieben. Mal schaun ob wir in drei Jahren immer noch hier sitzen ^^ ________________________________ Kapitel 49 Wie man sein Leben selbst bestimmt Kanon strich über den dunkelblauen Stoff von Terukis Sofa. Bis letztes Jahr hatte das Sofa noch ihnen beiden gehört, als sie noch zusammen gewohnt hatten. Er musste schmunzeln, wenn er daran dachte, dass Terukis neue Wohnung um einiges größer war als sein eigenes Einzimmerapartment, aber ihm genügte es. Der Drummer legte einfach mehr Wert auf Geräumigkeit. Dieser kam gerade mit einer neuen Flasche Cola aus der Küche zurück und setzte sich auf das Sofa. „Sag nicht, du willst es zurück!“, lachte Teruki. Anscheinend hatte er Kanons Aktion bemerkt. „Das würde doch gar nicht in mein Zimmer passen“, grinste dieser nur ein bisschen wehmütig und nahm die Flasche, um sich erneut einzuschenken. Kanon war jetzt schon seit fast zwei Stunden da. Sie hatten geredet, gelacht, Musik gehört, aber trotzdem hatte er das Gefühl, dass Teruki ihn nicht einfach so aus Spaß eingeladen hatte. Und dieser Gedanke spukte die ganze Zeit in seinem Hinterkopf herum. „Hör ich da etwa Neid raus? Gibs zu! Du bist neidisch, weil du dich für ein Einzimmerapartment entschieden hast! Und jetzt hast du bemerkt, dass du doch was Größeres willst“, stichelte Teruki weiter. „Das stimmt doch gar nicht!“ Kanon war sehr zufrieden mit seinem Zimmer. Er wohnte gern dort. „Jaja, deshalb hast du dich ja auch in Aois und Reitas Wohnung eingenistet.“ Der Bassist lachte kurz. „Jetzt denkt mal genau drüber nach, wer mich dort eingenistet hat!“ Schließlich war es der Leader gewesen, der beschlossen hatte, ihn in Reitas Fittiche zu geben. Teruki stimmte in das Lachen aber nicht ein, sondern wirkte mit einem Mal ziemlich ernst, was Kanon doch etwas verwirrte. „Wo wir gerade beim Thema sind…“ Nein, nicht das Thema schon wieder. Das war nicht gut. Das würde ihm jetzt sicher die Laune vermiesen. „Ich hab gestern mit Reita geredet.“ „Was? Wann?“ Der Jüngere stellte mit einer bösen Vorahnung das Glas zurück auf den Tisch. „Ich hab ihn gestern Mittag angerufen.“ „Und was hast du zu ihm gesagt?“ Kanon konnte Teruki nicht anschauen, sondern richtete seinen Blick auf den neuen Couchtisch. Eigentlich hatte er den Leader später noch fragen wollen, wieso er sich einen neuen Tisch zugelegt hatte. Irgendwie bezweifelte er jetzt, dass sie später tatsächlich noch gemütlich plaudern würden. „Es ist das Beste, Kanon…“, fing der Ältere an, doch wurde gleich wieder unterbrochen. „Was hast du zu ihm gesagt, Teruki?“ Der Drummer seufzte tief, bevor er weiterredete. „Ich hab mit Reita besprochen, dass du schon über einem Monat bei ihm und Aoi wohnst.“ „Und dann hast du zu ihm gesagt, er soll mich wegschicken.“ Kanon sah wieder zu seinem Leader. Die Art, wie Teruki sich durchs Haar fuhr und scheinbar nach den passenden Worten suchte, war Kanon schon Antwort genug. „So kann man das nicht sagen“, meinte der Ältere dann. „Wir haben darüber geredet, welche Fortschritte du gemacht hast und ob er glaubt, dir noch etwas beibringen zu können.“ Kanons Hände ballten sich zu Fäusten, doch er unterbrach den Drummer nicht. „Und dann haben wir entscheiden, dass ein längerer Aufhalt sinnlos ist und dass wir das Experiment hier beenden.“ „Das Experiment?!“ Kanon war fassungslos. Wie konnte Teruki seine gemeinsame Zeit mit Aoi als „Experiment“ betiteln? „Du weißt, wie ich das meine.“ „Ja, schon klar. Ich bin für dich nicht mehr als ein Versuchskaninchen, das du zur Abwechslung mal in einen anderen Käfig gesteckt hast! Nur hab ich keine Lust mehr mich so behandeln zu lassen! Für mich ist das kein Experiment. Für mich ist das jetzt mein Leben!!“ „Es ist eben nicht dein Leben“, antwortete ihm der Drummer fast schon verzweifelt. „Du bist bei Reita und Aoi nur zu Besuch! Du hast ein eigenes Leben, Kanon!“ Der Jüngere schüttelte wütend den Kopf. Er wollte diese Worte nicht hören. „DU hast meinen Einzug mit Reita ausgemacht! Das war alles deine Idee! DU warst derjenige, der meinte, dass das eine Chance für mich sei! DU hast entschieden, dass ich dort einziehe!“ „Ja. Und jetzt entscheide ich, dass du dort wieder ausziehst!“ „Aber… Aber das kannst du nicht!!“ Kanon sprang wütend auf. Wieso verstand ihn Teruki denn nicht? Wieso verstand er nicht, dass das jetzt sein Leben war? Wieso sollte es denn nicht sein Leben sein? Was war falsch daran? Der Leader stand ebenfalls vom Sofa auf. „Ich sag dir jetzt als Freund, dass das, was du da gerade machst, nicht gut für dich ist.“ Der Jüngere schnappte nach Luft. Aoi sollte nicht gut für ihn sein? Das war absolut lächerlich! „Wärst du mein Freund, würdest du dich für mich freuen!“ Mit diesem Satz drehte er Teruki den Rücken zu und stapfte außer sich vor Wut zur Wohnungstür, um dort hastig seine Schuhe anzuziehen und sich seine Jacke zu schnappen. Der andere schien keine Anstalten zu machen, ihn aufhalten zu wollen. Die Tür fiel laut ins Schloss. Die Fahrt zu Teruki war ihm wesentlich länger vorgekommen als es die Rückfahrt tat. Vielleicht lag es aber auch daran, dass er in seinem Kopf das eben geführte Gespräch immer wieder und wieder durchging und mit jedem Mal fast noch ein bisschen wütender wurde. Was bildete sich Teruki eigentlich ein? Er konnte doch gar nichts beurteilen! Er bekam doch gar nichts mit! Wie sollte er da wissen, was das Beste für ihn war? „Du kommst genau richtig! Ich hab… Ist was passiert?“, wurde der Bassist von Aoi begrüßt. Als Kanon ins Wohnzimmer trat, sah er den Älteren am Herd stehen. Anscheinend hatte er gerade gekocht. Zumindest könnte man vom Geruch, der in der Wohnung schwebte, und den vielen Kochbüchern, die überall herumlagen, darauf schließen. Als er Aoi sah, schlich sich sogar ein kleines Schmunzeln auf Kanons Lippen. Der Gitarrist war der Einzige, der das nur mit seiner bloßen Anwesenheit schaffte. Und das sollte nicht gut für ihn sein? Teruki hatte doch keine Ahnung! „Wir hatten eine Meinungsverschiedenheit“, antwortete er endlich und räumte die eine Seite des Tischs frei, an der sie immer saßen. Er spürte Aois Blick auf sich, während er das Geschirr aus dem Schrank nahm und den Tisch deckte. Aber er erzählte nicht weiter. Der andere konnte sich sicher schon denken, worum es gegangen war, und eigentlich hatte er keine große Lust das Ganze jetzt nochmal breitzutreten. Viel lieber war es ihm, wenn ihn Aoi ablenken würde. Der Ältere sah ihn kurz fragend an, doch nach diesem Blickaustausch schien ihm klar zu sein, dass Kanon nicht weiter erzählen würde. Sie verstanden sich inzwischen auch ohne Worte. „Dann lief dein Tag wohl ziemlich ähnlich ab wie meiner.“ Kanon rieb sich die Schläfen. Er hatte sich eigentlich andere Worte von dem Älteren erhofft. Naiv zu denken, dass er gerade hier Ablenkung finden würde. Schließlich war Teruki im Vergleich zu Reita ein sehr kleines und vor allem weit entferntes Problem. „Wie hat er’s aufgenommen?“, fragte Kanon flüsternd und stellte sich dabei neben den Älteren. Er wollte auf jeden Fall vermeiden, dass Reita sie aus seinem Zimmer heraus hörte. Auch der Gitarrist schenkte der Zimmertür des Blonden einen kurzen Blick, bevor er Kanon ein Stück näher rutschte und dann antwortete: „Ungefähr so wie ich es auch erwartet habe. Ich glaub, wir sind beide ziemlich laut geworden. Und sehr nett waren wir auch nicht.“ „Oh“, meinte Kanon nur leise. Er mochte es nicht besonders wie Aoi wurde, wenn er mit Reita stritt. Und die Tatsache, dass er mal wieder der Grund für einen solchen Streit war, machte es auch nicht besser. „Dann wird das ja ein angenehmes Abendessen“, setzte er noch flüsternd hinzu und seufzte dabei. Zu seiner Überraschung stimmte Aoi nicht in den Seufzer mit ein und schenkte ihm stattdessen ein schelmisches Grinsen. „Reita ist nicht da. Er hat gemeint, er will nicht mit uns essen.“ Kanon runzelte die Stirn. „Wieso flüstern wir denn dann?“ Aois Grinsen wurde noch breiter. Erst jetzt merkte der Jüngere, wie nah sie sich inzwischen standen. Er hatte Aoi die ganze Zeit ins Ohr geflüstert. Sogar geseufzt. Hatte der Gitarrist eine leichte Gänsehaut oder bildete Kanon sich das nur ein? Wenn er das Grinsen jedenfalls richtig interpretierte, schien seine Vermutung, dass Aoi es mochte, wenn er ihm etwas zuflüsterte, zu stimmen. „Wir sollten essen, bevor es kalt wird.“ Der Ältere versuchte zwar das Grinsen zu unterdrücken, doch so richtig wollte ihm das nicht gelingen. Kanon nickte lächelnd und spürte wie sein ganzer Körper anfing zu kribbeln. Aoi hatte es also doch geschafft, ihn abzulenken. __ Reita kam ein paar Stunden später nach Hause. Er grüßte nur kurz mit einem „Hey“ und verschwand dann auch gleich in sein Zimmer, aus dem er den verbliebenen Abend nicht mehr rauskam. Kanon konnte leider nicht wirklich erkennen, wie die Laune des Blonden war, denn die einzige Lichtquelle im Wohnzimmer war das flackernde Licht des Fernsehers gewesen, aber an seinem Verhalten hatte er schnell bemerkt, dass das keine sehr entspannenden nächsten Tage werden würden. Der folgende Tag verlief ähnlich. Reita hatte anscheinend keine Lust auf eine Diskussion, aber Kanon wollte das alles so schnell wie möglich klarstellen. Er wollte auch seine Meinung dazu sagen. Nur an der Tür zu klopfen und den Älteren um ein Gespräch zu bitten, traute er sich auch nicht wirklich. Nur ein paar Mal, aber dann auch nur sehr kurz, bekam er Reita zu sehen, wenn sich dieser etwas zu Trinken oder zu Essen holte. Und da schien dessen Stimmung nicht gerade die beste zu sein. __ Es war am Abend, als Kanon mit seinem Bass auf der Wohnzimmercouch saß und versuchte, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Ganz so leicht fiel ihm das allerdings nicht, weil ihn jedes Lied und jede Note an seine Band erinnerte. Und dann musste er an Teruki und den Streit denken. Er war noch immer wütend auf seinen Leader und musste sich immer wieder daran erinnern, dass er seine Arbeit machen musste, egal in was für einer Beziehung er gerade zu seinen Bandmembern stand. Es stand diese Woche ja keine Probe an, also konnte er sich mit diesem Problem auch noch ein andermal beschäftigen. Reita war momentan Problem genug. Am besten war es, erstmal eins zu lösen und sich nicht mit beiden gleichzeitig auseinanderzusetzen. Es wurde schon langsam dunkel, als sich Aoi zu ihm setzte. Der Ältere hatte ziemlich lange über irgendwelchen Zetteln am Küchentisch gebrütet und sie waren beide ihren eigenen Beschäftigungen nachgegangen. Jetzt blickte Kanon überrascht von seinem Bass auf und rutschte ein Stück zur Seite. Eigentlich eine ziemlich sinnlose Geste. Zu seiner Freude setzte sich der Gitarrist nämlich trotzdem sehr nah neben ihn und lächelte ihn dann mitfühlend an. „Wie kommst du voran?“, fragte der Ältere, doch an dessen Blick sah Kanon, dass Aoi sich die Antwort eigentlich schon denken konnte. „Nicht besonders gut“, gestand er dem Gitarristen und auch sich selbst ein. Seine Wut blockierte ihn und je länger er es versuchte, umso wütender wurde er. „Mir geht’s ähnlich. Ich krieg grade nichts auf die Reihe.“ Kanon nickte nur verstehend. Sie brauchten irgendeine Ablenkung. Sein Blick fiel auf das Instrument in seinen Händen. „Soll ich dir noch ein bisschen was auf dem Bass zeigen?“ „Gerne“, lächelte der Ältere ihn an und nahm dann von Kanon den Bass entgegen. Er erinnerte sich noch genau, was für ein mulmiges Gefühl er damals gehabt hatte, als Reita sein Instrument in den Händen gehalten hatte. Mit Aoi war das anders. Kanon hatte keine Bedenken ihm seinen Bass zu überreichen. Er vertraute dem Gitarristen. Und tatsächlich schaffte es Aoi mal wieder, dass Kanon all die Sorgen der letzten Tage für eine Zeit verdrängen konnte, während sie zusammen einige Riffs durchgingen. Stattdessen versuchte der Bassist es sich nicht anmerken zu lassen, wie gern er Aois Griffe verbesserte, indem er die Hand des Älteren mit seiner eigenen über das Griffbrett leitete. Außerdem hatte er auch das Gefühl, dass Aoi nachdem Kanon diese neue Übungshilfe eingeführt hatte, deutlich öfter Fehler machte, um sich von dem Jüngeren helfen zu lassen. Aber das war sicher nur Einbildung. „Das war wirklich eine gute Ablenkung“, meinte Aoi irgendwann dankbar. „Naja, das schuld ich dir ja irgendwie auch. Wenn ich nicht wäre, dann würdest du jetzt gar nicht mit Reita streiten und bräuchtest keine Ablenkung“, gab der Jüngere mit einem traurigen Lächeln zu bedenken, was ihm direkt einen tadelnden Blick einbrachte. „Ich dachte, damit wären wir schon durch! Hör auf, die Schuld immer nur auf dich selbst zu schieben! Da stecken wir beide schon gemeinsam drin. Wir gegen den Rest der Welt!“ Wir gegen den Rest der Welt. Die Worte klangen in Kanons Kopf nach. Wieder und wieder. Und es gefiel ihm. Kapitel 50: Wie man zum Gegenschlag ausholt ------------------------------------------- Das goldene Kapitel 50 xD Und passend zu der runden Zahl passiert diesmal auch ein bisschen was ^^ Viel Spaß beim Lesen! _________________________ Kapitel 50 Wie man zum Gegenschlag ausholt Wir gegen den Rest der Welt. Die Worte klangen in Kanons Kopf nach. Wieder und wieder. Und es gefiel ihm. Fast vergaß er dabei, dass der Grund ihres kleinen geheimen Bündnisses ein ziemlich ernster Streit war. Obwohl… So geheim war ihr Bündnis wahrscheinlich gar nicht. Jeder, der Augen im Kopf hatte, sah, dass sie zusammenhielten. Schon immer zusammengehalten hatten. Von ihrem ersten Treffen auf Miyavis Geburtstag an bis heute. Aoi stand immer auf seiner Seite. Egal um was es ging, er konnte sich auf ihn verlassen. Und wenn wirklich der Rest der Welt gegen sie war – und danach sah es momentan aus –, dann hatte er immer noch Aoi. Da konnte kommen, wer wollte. Unbemerkt schlich sich ein Grinsen auf seine Lippen, das er erst wahrnahm, als ihn der Ältere in die Seite stupste, sodass er vor Schreck ein wenig zusammenzuckte. „Für Weltherrschaftspläne ist es aber noch zu früh!“ Kanon blickte Aoi bei dessen Aussage verwirrt an. „Na, deinem Grinsen nach zu urteilen, hast du schon einen Tick weitergedacht!“, erklärte er lachend. Die Wangen des Bassisten wurden warm. Gut, dass ihn Aoi diesmal nicht völlig durchschaut hatte. Oder wünschte er sich mittlerweile vielleicht doch genau das? Dass ihn der Ältere vollständig durchschaute? Vielleicht wurde dann alles leichter? Vielleicht aber auch komplizierter? Schwieriger? „Na, in deinem Kopf scheints ja gerade gewaltig zu arbeiten!“ Aoi lachte weiter. Auch, nachdem ihm Kanon einen noch verwirrteren Blick zugeworfen hatte. „Deine Gedankengänge würd ich gern kennen. Dein Gesichtsausdruck wechselt alle paar Sekunden!“ „Oh…“, gab der Jüngere nur peinlich berührt von sich und senkte den Kopf. Er gab ja heute wieder sehr auf seine Gefühlsregungen acht. Großartig. Es war wirklich kein schönes Gefühl, wenn der Ältere über sein dämliches Verhalten lachte. Dann kam er sich noch so viel dümmer vor als er es ohnehin schon tat, sobald er es selbst bemerkte. „Manchmal sollte ich einfach nichts sagen.“ Aoi schenkte ihm ein Lächeln und seufzte anschließend. „Danach passt du immer so auf, was du sagst und machst.“ Kanon schüttelte bestimmend den Kopf. „Es überrascht mich nur manchmal, wie leicht ich scheinbar für dich zu lesen bin, aber… es ist doch auch schön jemanden zu haben, der einen so gut versteht, oder?“, beendete der Jüngere den Satz leise und sah Aoi dabei unsicher an. Zwar hatte Kanon seine letzte Aussage ziemlich allgemein gehalten, doch trotzdem hatte er das Gefühl, sehr viel über seine eigenen Emotionen damit preisgegeben zu haben. Er hatte damit zugegeben, dass Aoi für ihn nicht nur irgendein Freund war, sondern jemand Besonderes. Zumindest konnte man seine Worte so interpretieren. Und da der Gitarrist eh in ihm lesen konnte wie in einem offenen Buch, würde er sicher auch die tiefere Bedeutung hinter den Worten verstehen können. Kanons Herz schien fast stehen zu bleiben, als Aoi ihn dann als Antwort endlich ein liebevolles Lächeln schenkte. „Falls dich das tröstet, mich überrascht das auch manchmal. Ich bin sonst nicht gut darin, die Gefühle meiner Mitmenschen zu erahnen. Und wenn, dann nehm ich eigentlich nur sehr selten Rücksicht darauf.“ Kanon versuchte das Geständnis zu verdauen. Er wusste ja eigentlich wie Aoi sonst zu anderen Menschen war. Er hatte genug Beschwerden und genug Warnungen gehört. Es war selbst schon Zeuge gewesen wie taktlos und grob sich Aoi verhalten konnte. Bei ihrem Streit hatte er es sogar selbst zu spüren bekommen. Doch außer diesem einen mal war der Ältere sonst nie so zu ihm. Zu ihm war Aoi immer lieb und rücksichtsvoll. Anders als zu allen anderen. Natürlich war das Kanon schon aufgefallen, so wie Reita und Shou und Taku und noch vielen anderen auch, aber er hatte es nie so richtig von Aoi selbst gehört. Der Ältere hatte nicht zugegeben, dass er sich Kanon gegenüber anders verhielt, also hatte Kanon sich auch nichts darauf einbilden wollen. Doch jetzt hatte der Ältere es selbst zu ihm gesagt und ihm dabei einen der unsichersten und ehrlichsten Blicke zugeworfen, die Kanon jemals gesehen hatte. Der Jüngere hatte nicht gewusst, dass ein kleines Stückchen Wahrheit etwas so Wunderschönes sein konnte. Wie als Antwort machte sein verwunderter Gesichtsausdruck einem breiten, glücklichen Lächeln Platz, in das Aoi auch gleich mit einstimmte. Sichtlich erleichtert. Wahrscheinlich war er ziemlich angespannt gewesen, weil Kanon auf die Aussage nicht gleich reagiert hatte, aber er musste sie ja selbst erstmal verarbeiten! Er konnte es selbst kaum glauben, wie ehrlich sie mittlerweile zueinander geworden waren. Dass Kanon Dinge sagte, an die er vor einem Monat wahrscheinlich noch nicht mal gedacht hatte! Und dass Aoi ebenfalls so ehrlich zu ihm geworden war. Ihm gefiel, wie sich ihre Beziehung zueinander entwickelt hatte. Und sie konnte sich ruhig auch noch weiter in diese Richtung entwickeln. Viel weiter. Kanon spürte, wie ihm bei diesem Gedanken ganz warm wurde und er wandte den Blick so beiläufig wie möglich ab. Das musste Aoi jetzt wirklich nicht in seinen Gedanken lesen. Er las so schon oft genug darin. War das nicht irgendwie unfair, dass es nur in eine Seite so gut funktionierte? Kanon konnte zwar auch oft erkennen, was der andere wollte, aber es kam ihm vor als wäre er selbst viel leichter zu lesen. Er wollte Aoi auch so gut verstehen! Und dafür brauchte er mehr Zeit. Mehr Zeit in seiner direkten Nähe. Mehr Zeit in dieser Wohnung. Er wollte hier bleiben. So lang es ging. Er wollte in Aois Nähe sein und sich auch noch in Zukunft seine kleinen Zugeständnisse anhören. Die lieben Worte, die ihm das Herz erwärmten und ihm das Gefühl gaben, als hätte er sein ganzes Leben lang nur darauf gewartet sie endlich zu hören. Den ganzen Alltag, den sie sich zusammen aufgebaut hatten. Er wollte das nicht vermissen müssen. Kanons Kopf drehte sich automatisch in die Richtung von Reitas Zimmer, dessen Tür gerade geöffnet wurde. Der blonde Bassist schlurfte auch kurz darauf zum Kühlschrank, ohne die beiden auch nur anzusehen. Wortlos stellte der Blonde die Milch auf den Arbeitsplatz und holte sich eine Schüssel und die Cornflakes aus dem Schrank. Wahrscheinlich würde er auch gleich wieder in seinem Zimmer verschwinden. Kanon machte es fast schon wütend, wie lächerlich sich der andere Bassist verhielt. „Mach die Milch nicht leer.“ Reita hielt in seiner Bewegung inne und sah überrascht zu Aoi. Auch Kanon tat es ihm gleich und blickte verwundert seinen Nebensitzer an. Anscheinend hatte Aoi auch keine Lust mehr auf das ständige Anschweigen. „Wieso nicht?“, fragte Reita halb knurrend. „Weil es unsere Letzte ist“, kam die knappe Antwort, nicht weniger einschüchternd. Wenn man den bedrohlichen Unterton hörte, war es schwer zu glauben, dass es nur um so ein banales Thema wie die letzte Milch ging. „Und?“ Reitas Stimme klang herausfordernd und erinnerte Kanon an die eines bockigen Teenagers. Passend dazu ließ Aoi dann ein leicht genervtes Seufzen vernehmen. „Kanon braucht morgen noch Milch für seinen Kaffee“, erklärte der Gitarrist nüchtern. Der Jüngere spürte wie sich in ihm alles kurz verkrampfte, als sein Name fiel. War es schon wieder soweit, dass Aoi für ihn einstehen musste? Aber was sollte er den Worten hinzufügen? Er konnte nichts anderes machen als Reita anzuschauen und dessen Blick standzuhalten, um Aois Aussage damit zu bekräftigen. Der Blonde hatte die Augenbrauen hochgezogen und fixierte kurz den jüngeren Bassisten, bevor sein Blick wieder zu seinem Kollegen wanderte. Einige Sekunden starrten sich die beiden nur an. Kanon war froh, dass Aoi ihm noch nie so einen eiskalten Blick geschenkt hatte wie den, mit dem er jetzt seinen blonden Mitbewohner betrachtete. Dies schien den Bassisten aber nicht weiter aus der Fassung zu bringen. Kanon glaubte sogar ein leichtes Grinsen in den Mundwinkeln des Blonden zu sehen, als er dann den Augenkontakt zu Aoi abbrach. Stattdessen setzte er die Milchpackung mit einer langsamen Bewegung an seinen Mund an. Mit einem genüsslichen Gesichtsausdruck trank der Bassist, während Aoi und Kanon ihn fassungslos dabei beobachteten. Kanon glaubte sich daran zu erinnern, dass die Milch noch halb voll gewesen war. In einem anderen Zusammenhang hätte er es wohl ziemlich lustig gefunden, dass Reita gerade tatsächlich versuchte einen halben Liter Milch auf einmal zu trinken. Aber jetzt… Im nächsten Moment stand Kanon neben Reita. Entweder der Blonde hatte ihn nicht gehört oder es hatte ihn gar nicht interessiert. Und das machte den Jüngsten noch wütender. Wahrscheinlich war es Reitas überhebliche Art, die seine Wut plötzlich so stark hervorgerufen hatte. Was bildete der sich eigentlich ein? Reflexartig griff Kanon nach der Milchpackung und riss sie dem Blonden weg. Natürlich nicht ganz ohne die Flüssigkeit auf diesem zu verschütten. „Spinnst du??“, wurde er gleich von Reita angefahren, bevor sich dieser über den Mund wischte, um die Milchspuren zu beseitigen. Er schien wirklich wütend zu sein, aber das war Kanon egal. Er war selbst wütend! „Die Frage ist eher: Spinnst DU?“ Seine Stimme war laut. Lauter als je zuvor, wenn er mit Reita gesprochen hatte. Er erschreckte sich einen Moment sogar vor sich selbst, aber er hoffte, dass ihm der andere das nicht ansehen konnte. Das wäre nicht gerade hilfreich für diesen Streit. Er sah schon Reitas überhebliches Grinsen vor sich. Aber zum Glück schien dieser wütend genug zu sein, um Kanons kurze Unsicherheit zu übersehen. „Ich kann Milch trinken so viel ich will!“, fauchte Reita zurück. „Das hier ist meine Wohnung und du bist nur zu Besuch! Du solltest eigentlich fragen, bevor du hier irgendwas anfasst!“ „DU hast doch gesagt, ich soll hier wohnen! Wohnen! Das ist ein Unterschied zu ‚zu Besuch sein‘!“ Kanon wurde ganz warm. Er wusste selbst nicht genau, wie er sich so plötzlich sowas herausnahm, aber schließlich ging es hier um ihn! Um ihn und Aoi! „Und da denkst du, du kannst einfach mal selbst bestimmen, wie lang du die Wohnung hier belagerst? Von unserem Essen isst?“ Nur einen Moment freute sich der Jüngere insgeheim, dass das „unser Essen“ wohl eine Auswirkung von Aois und Reitas gestrigem Streit sein musste. Aoi hatte ihm sicher sehr gut zu verstehen gegeben, dass Reita hier nicht alleine wohnte und das musste dieser akzeptiert haben. Trotzdem schien es nicht so, als würde das etwas an dessen Denkweise ändern, Kanon allein wieder rausschmeißen zu können. „Nur zu deiner Information: Den letzten Einkauf habe ICH gezahlt!“, entgegnete der Jüngere triumphierend. Und er hatte auch ein Recht dazu. Seit seinem Einzug hatte er sich immer wieder an den Einkäufen beteiligt – auch wenn er davor meistens eine Diskussion mit Aoi hatte führen müssen. Er hatte das Reita nie so eindeutig auf die Nase gebunden, weil das nicht seine Art war. Doch in diesem Streit war das eindeutig ein entwaffnendes Argument. Doch selbst wenn Reita genauso dachte, ließ er sich das nicht anmerken. Stattdessen zuckte er nur mit den Schultern. „Bist trotzdem ein Schmarotzer.“ Am liebsten hätte Kanon losgeschrien. Wie konnte man auf ein so eindeutiges Argument so etwas antworten? „Wieso bin ich denn ein Schmarotzer? Ich zahl mit, ich wasche, ich koche um einiges öfter als du! Soll ich mich an der nächsten Miete beteiligen?“ Kanon wollte es wirklich wissen. Er wollte wissen, was Reitas Problem war und wie sie es beseitigen konnte. Schließlich hatte sich zwischen ihm und dem anderen Bassisten in den letzten Wochen auch eine Art Freundschaft entwickelt, oder nicht? Sie würden doch sicher einen Kompromiss finden. Kanon sah den Blonden seufzend an. Er war bereit sich Reitas Forderungen zu unterwerfen. So lange er bleiben durfte. Allerdings hatte Kanons Vorschlag scheinbar genau den falschen Effekt bei Reita ausgelöst. „Nein, ich will nicht, dass du dich an der Miete beteiligst! Weil du hier nicht wohnst! Ich begreif nicht, wie man so dumm sein kann!“ Der Blonde gestikulierte in der Luft herum um seine Wut zu unterstreichen, was dazu führte, dass auch Kanons Zorn wieder anstieg. Er sollte der Dumme in diesem Streit sein?? „Und ich begreif nicht, was dein Problem mit mir ist! Und wenn das nächste Mal was ist, dann sei nicht so feige und besprich das hinter meinem Rücken mit Teruki, sondern komm damit direkt zu mir!“ „Kann ich was dafür, dass du blind und taub für die Umwelt bist und nicht mitbekommst, wenn ich bei offener Türe am Telefon mit Teruki über deinen Auszug rede??“ „Tut mir ja Leid, dass ich dich nicht belausche!“ Kanon wusste so langsam wirklich nichts mehr zu erwidern. „Verdammt, was hast du eigentlich für ein Problem??“ Reitas Antwort kam ohne zu zögern. „Mein Problem ist, dass diese Wohnung dank dir zu einem Nest mit zwei blinden Vögeln geworden ist, die keine Minute die Finger voneinander lassen können und trotzdem zu dämlich sind, um zu be-“ „Es reicht!!“ Reitas Wuttirade wurde von einem dumpfen Laut und Aois Stimme unterbrochen. Seiner und Kanons Kopf drehten sich zeitgleich zu dem Verursacher des Geräusches. Kanon hatte Aoi ganz vergessen, so wütend und vertieft in den Streit war er gewesen. Und der Gitarrist hatte sich auch nicht bemerkbar gemacht. Er hatte sich völlig aus dem Streit rausgehalten. Bis jetzt. Jetzt stand der nämlich neben dem Sofa etwa zwei Meter von ihnen entfernt. Kanon hatte bis zu diesem Zeitpunkt schon immer mal wieder in bestimmten Situationen gedacht, Aoi noch nie so wütend gesehen zu haben, aber diesmal war er sich sicher, dass es so war. Und er konnte sich nicht vorstellen, dass dieser irgendwann in Zukunft mal noch wütender aussehen könnte. Auch seine Stimme schien vor Wut zu zittern und im nächsten Moment war Kanon nicht mehr nur erschrocken über dessen plötzlichen Ausbruch, sondern er merkte auch, dass Aoi ihm mit diesem Blick unheimlich war. Dass er ihm Angst machte. Langsam schloss Kanon den Mund, konnte seine Augen aber nicht von dem Gitarristen lösen. Ja, es schockte ihn, dass Aoi ihn so ansah. Zwar nur kurz, denn sein Blick lag die meiste Zeit über auf Reita, aber trotzdem war es Kanon mehr als unangenehm. Auch der Blonde schien in eine Art Schockstarre verfallen zu sein, denn von ihm kam ebenfalls kein weiteres Wort. Erst als sich Kanon endlich von Aois Blick lösen konnte und er die zusammengeballten Hände des Älteren bemerkte, fiel ihm etwas anderes auf. Das, was das laute, dumpfe Geräusch ausgelöst hatte, über das er vor Überraschung über Aois lautstarken Ausbruch gar nicht weiter nachgedacht hatte. Sein Bass lag neben dem Sofa. Und dessen Weg auf den Boden schien alles andere als sanft gewesen zu sein. Kapitel 51: Wie man zerbricht ----------------------------- Nach einem bösen Cliffhanger diesmal ein kleines Melodrama-Kapitel. Viel Spaß ^^ Kapitel 51 Wie man zerbricht Sein Bass lag neben dem Sofa. Und dessen Weg auf den Boden schien alles andere als sanft gewesen zu sein. Kanon konnte genau erkennen, dass einer der Wirbel am oberen Ende des Griffbretts abgebrochen war und er betete, dass der dunkle Strich, der quer über das Griffbrett verlief, nur ein Schatten war. Woher er auch immer kommen sollte. Er hörte Aoi schreien. Er hörte Reita schreien. Doch wirklich verstehen tat er keines der Worte. Der Gitarrist war noch weiter auf sie zugegangen und gab dadurch einen noch besseren Blick auf den Bass frei. Wobei „besser“ vielleicht das falsche Wort war. Kanon schluckte schwer und machte einen Schritt in Richtung seines Basses, die Augen immer auf den „Schatten“ gerichtet. Es musste einfach ein Schatten sein. Das war sein Lieblingsbass. Es musste ein Schatten sein. „Scheiße!“ Es war Reitas Stimme, die er jetzt hinter sich hörte. Kurz danach war der Blonde an ihm vorbeigestürmt und kniete sich neben Kanons Bass. Vorsichtig umfasste er das Griffbrett. Kanon schluckte erneut. Der unheilvolle Strich verschwand teilweise unter Reitas Hand und nahm Kanon damit den letzten Funken Hoffnung. Er war kein Schatten. Natürlich nicht. Es war ein Riss. „Oh nein…“ Aoi tauchte in Kanons Blickfeld auf, doch blieb auch einige Schritte vor Reita und dem Bass stehen. Scheinbar war er genau wie Kanon in eine Schockstarre verfallen. Der Blonde richtete sich kopfschüttelnd wieder auf und funkelte seinen Bandkollegen böse an. „Tickst du eigentlich noch ganz richtig? Du hast seinen Bass kaputt gemacht!!!“ „Ich… ich wollte nicht… Das war ein Versehen“, stotterte Aoi ungewohnt beschämt. Sonst reagierte er immer ganz anders, wenn Reita ihn so anschnauzte. Allerdings registrierte Kanon weder das Verhalten noch die Worte des Gitarristen wirklich. Dafür nahm Reitas Aussage zu viel Platz in seinem Kopf ein. Und die Stimme in ihm schien es viel lauter zu schreien als es der Blonde jemals gekonnt hätte: Du hast seinen Bass kaputt gemacht. Kaputt. Nur am Rande bekam er mit, wie Reita den Gitarristen mit technischen Einzelheiten des nun defekten Instrumentes und weiteren unwichtigen Fakten bombardierte. Es war Kanon egal wie hoch der Ladenpreis für seinen Bass war und er dachte gerade auch garantiert nicht darüber nach wie selten er war, weil er inzwischen nicht mehr zu den neusten Instrumenten gehörte. Die ganzen Daten erschienen nicht in seinem Kopf. Vor seinem inneren Auge tauchten hingegen die wichtigen Momente auf, bei denen er auf diesem Bass gespielt hatte. Ihre ersten Konzerte. Bous Abschiedskonzert. Europa. Amerika. All diese wertvollen Momente. Und jetzt war er einfach kaputt. „Fass ihn nicht an!“, hörte Kanon Reita zischen. Aoi hatte sich neben den Bass gehockt und die Hand danach ausgestreckt. „Du machst ihn nur noch mehr kaputt!“ Endlich schaffte es der Jüngste, sich aus seiner Starre zu befreien und machte die zwei Schritte zu seinem Instrument, um sich dann ebenfalls daneben zu hocken. Er sah aus den Augenwinkeln, wie Aoi ihn entschuldigend ansah. Aber er hatte keine Lust zurückzusehen. Momentan interessierte es ihn nicht. Es war ihm egal, dass Außenstehende wahrscheinlich sagen würden, er sollte sich nicht so anstellen. Immerhin war er ja „nur“ ein Instrument. Es war ersetzbar. Aber für Kanon war es das eben nicht. Vorsichtig strich er über den vermeintlichen Schatten, nur um sich schmerzhaft bewusst zu machen, dass es wirklich kein Schatten war. Der abgebrochene Wirbel war ersetzbar, aber ein Sprung im Griffbrett? „Vielleicht kann man das irgendwie reparieren?“ Aois Stimme war leise und zurückhaltend. Es veranlasste Kanon dazu, den Blick zu heben und den anderen anzusehen, der neben ihm hockte. Ja, vielleicht konnte man das wirklich reparieren. Vielleicht würde es niemand bemerken. Aber in dem Moment, in dem ihm dieser Gedanke durch den Kopf ging, fiel ihm auch auf, dass es nicht nur der unersetzbare Wert war, den sein Bass für ihn hatte. Etwas anderes bohrte in seinem Herzen. Aoi hatte ihn fallen lassen. Einfach so. Er hatte es noch nicht mal wirklich bemerkt. Kanon hatte ihm einen seiner wertvollsten Schätze – wahrscheinlich sogar seinen wertvollsten Schatz – anvertraut und Aoi hatte ihn einfach so fallen lassen. „Kanon…“ Der Gitarrist sah ihn entschuldigend an. Mehr als entschuldigend. Er wusste, was er getan hatte. Und Kanon hoffte, dass er es auch nur ansatzweise begriff. Nicht mit seinem Kopf, sondern mit seinem Herzen. Der Ältere schien nach den richtigen Worten zu ringen, doch Kanon wollte sie nicht hören. „Ich geh eine Weile aufs Zimmer“, flüsterte er leise. Vorsichtig legte er seine Arme um das Instrument und stand langsam auf – immer darauf bedacht, nicht noch mehr Schaden anzurichten als ohnehin schon entstanden war. Keiner der beiden anderen sagte ein Wort. Plötzlich stand Reita neben ihm und legte etwas auf seinen Bass. Es war der abgerochene Wirbel. Kanon schluckte. Er merkte nicht, wie der Blonde ihm noch die Hand auf seine Schulter legte und auch Aois fast schmerzvollen Blick nahm er nicht wahr. Schweigend drehte er sich um und ging in Aois Zimmer. Kanon saß auf dem Bett und starrte das Instrument neben sich an. Er hatte den Bass mit einer Behutsamkeit auf die Matratze gelegt, mit der man sonst nur einen Verletzten behandeln würde. Der Schwarzhaarige wusste, dass er gerade etwas melodramatisch war, aber das störte ihn nicht weiter. Der Bass war ihm einfach zu wichtig, als dass er sich für sein Verhalten schämen würde. Sanft fuhr er über das Griffbrett und seufzte. Er hatte das Gefühl, dieses Ritual schon tausendmal wiederholt zu haben und trotzdem schmerzte es jeden Mal vom Neuen, wenn einer seiner Fingerkuppen den Riss berührte. Dennoch konnte er nicht damit aufhören. Und selbst wenn, wusste er nicht, was er sonst machen sollte. Er wollte das Zimmer nicht verlassen. Er hatte sich immer wieder selbst gesagt, dass so kleine Missgeschicke ständig passierten. Aoi hatte seinen Bass schließlich nicht mit Absicht fallen lassen. Und der Ältere hatte sich deshalb ja auch schlecht gefühlt und hatte sich sicher auch entschuldigen wollen. Nur wusste Kanon nicht, ob er diese Entschuldigung tatsächlich hören wollte. Es war nicht so, dass er sauer auf den Gitarristen war. Er war eher enttäuscht. Aber hatte er ein Recht dazu? Aoi war auch nur ein Mensch und hatte auch seine Fehler. Eine Wahrheit, die Kanon gerne ausblendete. Er hörte nur Reita schreien. Hörte, wie er Aoi Dinge an den Kopf warf. Dass das nicht wieder gut zu machen sei und dass er jetzt den Salat hatte. Und dass er Schuld an allem war. Es war nichts Neues, dass der Blonde so schrie, aber es war etwas Neues, dass er keine Antwort bekam. Kanon hörte kein Ton von Aoi. Nichts. Ließ sich der Gitarrist gerade wirklich da draußen einfach so beschimpfen ohne irgendwelche Widerworte zu geben? Das hatte er noch nie erlebt. Immer war es ein Streit gewesen, der von beiden Seiten ausgegangen war. Noch nie hatte sich einer von den beiden ohne ein Wort der Verteidigung so anschreien lassen. Es war ein merkwürdiges Gefühl, dass Reita plötzlich auf seiner Seite stand. Dass er Aoi versuchte klar zu machen, wie sich Kanon gerade fühlte, auch wenn dieser das wahrscheinlich in nicht ganz so drastische und beschuldigende Worte verpackte hätte. Trotzdem war es seltsam, wie schnell sich so etwas ändern konnte. Eben noch hieß es Aoi und er gegen den Rest der Welt und eben noch hatte er selbst Reita angeschrien und jetzt hatten sich die Fronten völlig verschoben. Er war nicht wütend auf Aoi. Er wollte ihm dieses… Missgeschick verzeihen. Es war schließlich Aoi! Aber es schaffte es nicht nach draußen zu gehen. Schaffte es nicht, Reita von den Beschuldigungen abzuhalten. Ein paar Minuten später war es still. Kanon konnte keinen Laut hören. Bis ihn ein paar Augenblicke später ein leises Klopfen zusammenzucken ließ. Es war an seiner Tür. Entweder Reita oder Aoi. Aber nur dem Klopfen nach zu urteilen, war es der Gitarrist. Es war leise und zögernd. Fast so, als wollte es gar nicht gehört werden. Kanon atmete tief durch und fasste sich ein Herz. Er konnte nicht hier sitzen und ewig über den Riss streichen so als würde er davon verschwinden. Er konnte nicht ewig Trübsal blasen. „Ja?“, fragte er leise, aber die Tür wurde erst nach kurzem Zögern geöffnet. Und wie erwartet blickte ihn der Schwarzhaarige durch den kleinen Spalt an. „Darf ich reinkommen?“ „Es ist immer noch dein Zimmer.“ Kanon merkte erst, wie kalt diese Worte geklungen haben mussten, als er Aois unsicheren Blick sah. Der Ältere hatte sich immer noch nicht weiter bewegt. Natürlich nicht. Für ihn war die Tatsache, dass es sich im Grunde um sein Zimmer handelte, nie eine Ausrede dafür gewesen in Kanons Privatsphäre einzudringen. Nur der Gedanke an diese eine gute Eigenschaft des Gitarristen sorgte schon dafür, dass der Jüngere sich weiter entspannte. „Komm schon rein“, seufzte er. Wahrscheinlich konnte er sich selbst tausendmal sagen, dass er Aoi nicht sehen wollte. Wenn der Ältere dann doch vor ihm stand, war von diesem Wunsch nichts mehr übrig. Fast schüchtern betrat Aoi den Raum, der ja eigentlich ihm gehörte, und kam zögernd auf das Bett zu. Verwirrt stellte Kanon fest, dass der Ältere eine Gitarre dabei hatte. Stumm sah er den Gitarristen an und wartete, bis dieser das Wort ergriff. „Das ist für mich ein sehr wichtiges Instrument“, meinte der Schwarzhaarige dann schließlich und sah verträumt zu der schwarzen Akustikgitarre in seinen Händen. „Ich habe auf ihr schon viele Lieder komponiert, hatte sie bei entscheidenden Bandproben dabei. Sie war auf Touren dabei, auf wichtigen Konzerten, im…“ „Budokan“, vollendete Kanon den Satz. Aoi musste ihm nichts über dieses Instrument erzählen. Er hatte schon oft genug fasziniert beobachtet, wie das bildhübsche Instrument scheinbar mit seinem noch hübscheren Besitzer verschmolz, wenn dieser darauf spielte. Er kannte das als DVD Version und hatte es in den letzten Wochen auch live erleben dürfen. Aoi sah den Jüngeren kurz überrascht an, als ihm dieser ins Wort fiel und lächelte daraufhin fast wehleidig. Er schien sich ein bisschen darüber zu freuen, dass Kanon überhaupt noch mit ihm sprach. „Jedenfalls ist mir diese Gitarre sehr wichtig.“ Liebevoll fuhr der Ältere das Griffbrett entlang und schien sich einen kurzen Moment in Erinnerungen zu verlieren. Kanon war schon kurz davor dem Gitarristen mitzuteilen, dass das Vorführen eines intakten Instrumentes nicht wirklich die Aufmunterung war, die er gerade brauchte, als der Ältere ihm plötzlich die Gitarre entgegenstreckte. Verwirrt sah er von dieser auf und Aoi an, aber sonst rührte er sich nicht. Was sollte er denn jetzt mit der Gitarre? Die ersetzte seinen Bass doch auch nicht. Der Ältere sah ihn auffordernd an und legte ihm das Instrument schon halb auf den Schoß. „Nimm schon!“ Erst auf Aois Worte hin nahm ihm Kanon die Gitarre ab. Sie fühlte sich merkwürdig schwer an. Nicht wirklich schwer, was das Gewicht betraf, sondern eher aufgrund der Verantwortung. Vorsichtig, fast so als bestünde sie aus Glas, strich er über den schwarzen Lack. Er mochte das Gefühl irgendwie. Lag es einfach daran, dass er zum ersten Mal eins von Aois Instrumenten in der Hand hielt? Und noch dazu eins seiner Wichtigsten? Fragend sah er wieder auf und erhaschte einen kurzen Blick auf das Gesicht seines Gegenübers. Dieser biss sich auf die Unterlippe und betrachtete die Gitarre mit besorgtem Ausdruck, bevor er Kanon ansah und sich ein bitteres Lächeln auf sein Gesicht schlich. „Ich weiß, dass dir dein Bass wichtig ist. Ich weiß nicht genau wie wichtig, aber ich hoffe, das ist ein fairer Tausch.“ Dem Jüngeren dämmerte so langsam, was Aoi mit dieser Aktion bezwecken wollte. Er bot ihm seine Gitarre als Ausgleich für den Bass! „Tausch?“, fragte er trotzdem nochmal nach. Nicht, dass er hier noch etwas falsch verstand und sich dann ziemlich blamierte. „Du kannst damit machen, was du willst.“ Aois entschlossene Antwort löste eine Art Glücksgefühl in ihm aus. Ganz egal, dass diese Aktion keinen praktischen Sinn hatte… Kanon erkannte den Wert, der darin steckte. Und wieder einmal hatte es der andere geschafft, ihn allein durch eine Geste und ein paar Worte zumindest ein wenig aufzumuntern. Ein wenig abzulenken. Ein Lächeln hatte sich auf seinen eigenen Lippen gebildet, als er wieder auf das Instrument hinuntersah. Aois Gitarre, die ihm dieser anvertraut hatte. Weil er wieder gut machen wollte, was Kanon so getroffen hatte. Was dem Vertrauen einen Riss gegeben hatte. Und eine bessere Wiedergutmachung fiel dem Jüngeren momentan gar nicht ein. Er konnte mit dem Instrument machen, was er wollte. Er konnte es fallen lassen, so wie Aoi seinen Bass hatte fallen lassen. Er könnte es auch einfach zur Seite legen und weiter Trübsal blasen. Oder aber, er… Mit leichtem Druck ließ er die Fingerkuppen über die Saiten streichen und entlockte dem Instrument damit Klänge, die ihm in den letzten Wochen so wichtig geworden waren, dass er wusste, sie niemals zerstören zu können. Weil sie zu Aoi gehörten. Kapitel 52: Wie man Fehler wiedergutmacht ----------------------------------------- Kapitel 52 Wie man Fehler wiedergutmacht Mit leichtem Druck ließ er die Fingerkuppen über die Saiten streichen und entlockte dem Instrument damit Klänge, die ihm in den letzten Wochen so wichtig geworden waren, dass er wusste, sie niemals zerstören zu können. Weil sie zu Aoi gehörten. Trotzdem wollte er wissen, wie ernst es Aoi mit seinem Vorschlag meinte. „Und was ist, wenn ich sie nehme und aus dem Fenster schmeiße?“ Kanon sah Aoi herausfordern an. „Du kannst damit machen, was du willst“, wiederholte der Gitarrist seine Worte und schluckte hörbar, während Kanon den nächsten Akkord anstimmte und weiterüberlegte: „Ich könnte sie natürlich auch auf e-bay. versteigern! Das würde sicher ne Menge Geld bringen. Oder ich könnte sie Miyavi schenken!“ Der Jüngere versuchte möglichst neutral zu gucken, was ihm bei Aois schmerzverzerrtem Gesichtsausdruck wirklich schwer fiel. Der Ältere schien sichtlich mit der Fassung zu kämpfen. „Du kannst damit machen, was du willst.“ Dieses Mal war seine Stimme leiser. Sein ganzer Anblick war so mitleiderregend, dass Kanon das Spiel nicht weiter spielen konnte. Er hatte ja auch inzwischen seinen Beweis. Aoi meinte das Angebot wirklich ernst. Und Kanon glaubte ihm auch, dass er nichts unternehmen würde, würde der Jüngere die Gitarre vor seinen Augen zerstören. „Du bist unglaublich“, meinte er nur kopfschüttelnd. Auf so eine dämliche Weise hatte noch nie jemand versucht sich bei ihm zu entschuldigend. Aber irgendwie war es ja süß. Und auch sehr wirkungsvoll! Seufzend rutschte Kanon ein Stück zur Seite und gab Aoi mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er sich neben ihn setzen sollte, was der Gitarrist auch ohne Widerworte tat. Ein leichtes Schmunzeln schlich sich auf Kanons Lippen, als er dem Älteren dann wieder das Instrument in die Hand drückte, was diesen überrascht aufblicken ließ. „Die ist ohne deine Hände doch eh fast nichts wert“, erklärte er nur schulterzuckend. Mehr musste er nicht sagen. Aoi würde es schon verstehen. Und tatsächlich verwandelte sich der verwirrte Gesichtsausdruck in ein dankbares Lächeln. „Aber vergiss nicht, ab heute gehört sie auch ein bisschen mir.“ Das Lächeln des Älteren wurde noch etwas breiter. Liebevoller. „Nein, das werd ich nicht vergessen.“ Einen Moment lang lächelten sie sich einfach nur so an, bis Aoi den Blickkontakt abbrach. „Kanon?“, fragte er vorsichtig, den Blick auf seine Gitarre gerichtet. „Hm?“ Der Angesprochene war ein wenig verwirrt von dem plötzlichen Stimmungswandel und dieser machte ihm sogar ein klein wenig Angst, die sich bei Aois nächsten Worten aber zum Glück als unbegründet herausstellte. „Ich… Also…“ Ihre Blicke trafen sich wieder und der Gitarrist schien mit einem mal ziemlich verunsichert. „Tut mir leid. Wirklich.“ Das Lächeln tauchte bei diesen Worten sofort wieder auf Kanons Gesicht auf. „Du hast dich doch schon entschuldigt.“ „Ja, aber nicht so richtig. Ich will nur, dass du weißt, dass es mir wirklich leid tut. Reita hat mich so wütend gemacht… Aber trotzdem hätte das nicht passieren dürfen.“ Der Gedanke an diesen Moment versetzte dem Jüngeren einen erneuten Stich und seine Hand bewegte sich ganz von alleine, bis sie an den kaputt Bass neben ihm stieß. Er war nicht wütend. Er war auch nicht mehr wirklich enttäuscht. Zumindest nicht so wie vor wenigen Augenblicken noch. Jetzt war er eher traurig. „Mach dir nicht so nen Kopf. Es ist nicht zu übersehen, dass du das nicht mit Absicht gemacht hast.“ Kanon versuchte sich an einem Lächeln, aber es gelang wohl nicht ganz so, wie er erhofft hatte, denn Aoi sah ihn zweifelnd an. Und noch schuldbewusster als eben. Diesen Ausdruck kannte der Bassist von ihm gar nicht. Nicht in dieser Form. „Aoi!“, meinte er deshalb leicht tadelnd. „Da kann man jetzt sowieso nichts mehr machen!“ Der Ältere schien das aber nicht ganz so zu sehen. „Wir könnten dir einen Neuen kaufen gehen…“, überlegte er laut. „Oder ich bring ihn zum Reparieren.“ „Um die Uhrzeit?“ Er war ja wirklich sehr niedlich, wie sich Aoi Gedanken machte, aber weder brauchte er einen neuen Bass, noch war es um diese Uhrzeit sehr sinnvoll noch loszuziehen. „Es ist schon neun und ich hab ja auch noch einen zu Hause. Arbeitsunfähig werd ich also schon nicht sein.“ Aoi nickte. „Reita würde dir auch sicher einen leihen.“ Kanon glaubte das auch und konnte ein ironisches Lächeln nicht unterdrücken. Das war doch Irrsinn! In dem einen Moment hatte er noch richtig Streit mit Reita und es hieß Aoi und er gegen den Rest der Welt und im nächsten Moment würde Reita ihm eines seiner Instrumente ausleihen? Wo waren die beiden Fronten geblieben? Kanon verspürte keine Wut mehr auf Reita, was ihm irgendwie den Wind aus den Segeln nahm. Wo standen sie nun alle? „Kanon?“, kam die leise Frage von Aoi, der ihn damit wieder aus seinen Gedanken riss, bevor er noch weiter abdriftete. Wahrscheinlich besser so. „Ja, ich glaub auch, dass Reita mir einen Bass ausleihen würde“, stimmte der Jüngere zu, als ihm das eigentliche Thema wieder eingefallen war. „Es ist nur… der Bass war für mich immer ein Teil von meinem zu Hause, dass ich mit hier her genommen habe.“ Bei den Worten fuhr der Bassist liebevoll über das Instrument neben sich und lächelte den Älteren dann traurig an. Aoi würde sicher verstehen, was er meinte. Es war immer eine Art Heimatgefühl, wenn man sein Instrument in den Händen hielt. Egal ob man sich nun in der eigenen Wohnung oder irgendwo in der Fremde befand. Allerdings war der Gesichtsausdruck des Gitarristen nicht verstehend. Er wirkte eher verletzt. „Also fühlst du dich hier nicht zu Hause?“ Kanon wusste als erstes gar nicht, was er antworten sollte. Aoi hatte versucht es zu unterdrücken, aber Kanon hatte ganz eindeutig Verbitterung und Vorwurf in der Stimme des Älteren gehört. „So hab ich das nicht gemeint!“, meinte der Bassist hastig und wollte gerade weiter erklären, als er hörte, wie die Haustür zugeschlagen wurde. „Reita“, knurrte Aoi leise. Eine Reaktion die Kanon irgendwie verstehen konnte. Der Blonde hatte seinen Bandkollegen vorhin ziemlich fertig gemacht und nur weil Kanon nicht böse auf ihn war, hieß das noch lange nicht, dass für Reita das Gleiche galt. „War er weg?“, fragte Kanon leise, aber Aoi zuckte nur mit den Schultern. „Anscheinend. Und er hätte auch ruhig noch länger bleiben können.“ Nach einem kurzen Augenblick Stille sah der Ältere wieder auf und sein Tonfall hatte sich wieder geändert. „Wegen eben… Meinst du, du würdest dich hier wieder mehr zu Hause fühlen, wenn wir etwas aus deiner Wohnung holen? Deinen anderen Bass vielleicht?“ „Ich hab dir doch gerade gesagt, dass ich das nicht so gemeint habe.“ Jetzt bekam Kanon auch noch ein schlechtes Gewissen! „Ich fühl mich hier zu Hause! Wirklich!“ „Aber du brauchst ihn doch sowieso. Dann könnten wir ihn ja auch jetzt holen.“ „Jetzt?“ Hatten sie nicht eben geklärt, dass es schon viel zu spät für solche Ausflüge war? „Das reicht morgen auch noch!“ Verständnislos sah der Bassist Aoi an, der betrübt den Kopf senkte und auf den Boden blickte. Und da ging Kanon ein kleines Licht auf. Allem Anschein nach fühlte sich der andere wirklich ziemlich schuldig und wollte einfach nur irgendetwas tun, damit es dem Jüngeren besser ging. Da erschien ihm wohl jede noch so abwegige Tat besser als hier nur rumzusitzen. „Na gut“, seufzte er schließlich mit einem liebevollen Lächeln auf den Lippen. Irgendwie seltsam, dass er jetzt derjenige war, der den anderen aufmuntern musste. War das nicht eben noch andersrum gewesen? Aber vielleicht hatte der kleine Ausflug ja auch noch einen anderen Nutzen. Sie mussten keine Angst haben, Reita den restlichen Abend über zu begegnen – was sehr wahrscheinlich war, wenn man in der gleichen Wohnung lebte. Kanon hatte nämlich keine Lust auf einen weiteren Streit. Weder zwischen ihm und dem Blonden über seinen Auszug, noch auf eine weitere Moralpredigt, die Reita sicher für Aoi auf Lager hatte. „Also… Wenn du nicht willst, dann müssen wir auch nicht…“, warf der Ältere plötzlich ein, was Kanon erneut seufzen ließ. „Du wolltest mich doch eben dazu überreden!“ „Ja, aber…“ „Jetzt komm schon. Lass uns fahren, bevor Reita nochmal so einen Anfall bekommt!“ Es war so seltsam, Aoi so bedrückt zu sehen. Eine neue Situation, mit der Kanon umgehen musste. Als der Ältere ihm jetzt ein schüchternes Lächeln schenkte und nickte, wusste der Bassist, dass er auch die Rolle des Trösters für Aoi übernehmen würde. Hauptsache der Gitarrist wurde wieder glücklich. Entschlossen stand Kanon auf und ging zur Zimmertür. Wenn sie nicht sofort losgingen, dann würden sie es wohl gar nicht mehr tun. Der Bassist lugte vorsichtig durch den Türspalt. Von Reita war keine Spur zu sehen, also war er entweder im Bad oder auf seinem Zimmer. „Komm schnell!“, flüsterte der Jüngere und winkte Aoi zu sich, der immer noch verwirrt auf dem Bett saß. „Jetzt sofort?“ „Willst du etwa bis Mitternacht warten? Außerdem ist gerade die Luft rein.“ Bei den Worten erhob sich auch der Ältere endlich vom Bett und sie durchquerten zusammen so schnell und leise wie sie konnten das Wohnzimmer. Kanon wusste, dass sein Verhalten kindisch und auch irgendwie gemein war. Schließlich wollte Reita ihn nur in Schutz nehmen. Der Blonde stand auf seiner Seite! Allerdings hatte er nicht das Gefühl, dass jemand wirklich auf seiner Seite stehen konnte, wenn derjenige zeitgleich gegen Aoi war. Eine Einstellung die vielleicht noch kindischer war als sein Verhalten selbst. „Motorrad oder Auto?“ Aoi hielt ihm die beiden Schlüssel unter die Nase und riss ihn damit aus seinen Selbstzweifeln. Eigentlich musste sich Kanon die Antwort nicht wirklich überlegen. Es war ein kalter und anstrengender Tag gewesen. „Gehört das Auto nicht Reita?“, fragte er zaghaft und biss sich dabei auf seinen Piercing. Aoi schien sein schlechtes Gewissen nicht nachvollziehen zu können und zuckte nur mit den Schultern. „Er wird’s heute Abend wohl nicht mehr brauchen.“ Der Ältere sah, wie Kanon haderte und fügte dann noch lächelnd hinzu: „Rei nimmt ständig mein Motorrad ohne nachzufragen! Außerdem lass ich’s sicher nicht zu, dass du mir vor Kälte und Erschöpfung noch von der Maschine fällst!“ Kanon konnte bei den Worten ein Lächeln nicht unterdrücken. Da war wieder der Aoi, den er kannte. Der Aoi, der ihn aufmunterte und sich um ihn kümmerte. Und Kanon wusste auch den Tonfall zu interpretieren. Widerworte wären sinnlos. „Dann lieber das Auto“, gab der Jüngere lachend zu und schnappte sich seine Jacke vom Kleiderständer, in deren Tasche sein Schlüsselbund war. Statt seine eigenen Schlüssel irgendwo zu verstauen, hatte er den für Aois Wohnung einfach an seinen Bund dazu gehängt. Als wäre es der Schlüssel zu seiner eigenen Wohnung. Das Auto war eine kleine Müllhalde, was Kanon allerdings nicht weiter verwunderte. Flaschen, Papier und sonstiges teilweise undefinierbares Zeug lag auf dem Boden und der Rückbank herum. Und als sich Aoi peinlich berührt dafür entschuldigte, bemerkte der Bassist eine weitere Eigenschaft, die er an dem anderen mochte: Seine Ehrlichkeit. Schließlich hätte er die Unordnung auch einfach Reita in die Schuhe schieben können. War ja immerhin dessen Auto. Während sie sich auf den Weg zu Kanon machten, merkte dieser, dass sich seine Laune schon wieder ziemlich gebessert hatte. Sein Bass war immer noch kaputt, aber diese Ablenkung schien ihm gutzutun. Außerdem war er mit Aoi unterwegs und anscheinend war auch dieser nicht mehr ganz so betrübt wie zuvor. Immer wieder musste er den Älteren von der Seite her ansehen und konnte das warme Gefühl, das dabei in ihm aufkam, nicht unterdrücken. Er wollte es auch gar nicht unterdrücken. Es wäre kindisch Aoi böse zu sein, nach allem, was dieser gerade für ihn getan hatte, um ihn wieder aufzumuntern. Und es war ja keine Absicht gewesen. Diesen Satz rief er sich wieder und wieder ins Gedächtnis. Sie redeten nicht viel auf der Fahrt. Ab und zu sah Aoi zu ihm hinüber und erwischte Kanon dabei, wie er ihn anstarrte, aber das war diesem egal. Er schenkte dem Älteren daraufhin nur ein Lächeln und sah wieder nach vorne auf die Straße. Und nach einem kurzen Zwischenstopp im Kombini, um sich für den Abend etwas zu essen mitzunehmen, kamen sie bei Kanons Apartmentkomplex an. Es war seltsam, aber mit einem Mal war sich der Bassist gar nicht mehr sicher, ob es eine gute Idee gewesen war, Aoi mit in seine Wohnung zu nehmen. Hatte er überhaupt aufgeräumt, bevor er gegangen war? Außerdem war sie so klein im Vergleich zu Aois und Reitas Wohnung! Der Gitarrist würde sich dort sicher nicht wohl fühlen. Wahrscheinlich war es besser, wenn sie ganz schnell den Bass holten und dann wieder zurückfuhren. Essen konnten sie auch, wenn sie wieder in der Wohnung des anderen waren. Mit einem furchtbar mulmigen Gefühl im Magen stieg er gefolgt von Aoi in den Aufzug, der sie zu seiner Wohnung führte. Die Fahrt gab ihm leider noch mehr Zeit um zu zweifeln. Was würde Aoi wohl zu seiner Mangasammlung sagen? Natürlich hatte er bei Aoi und Reita auch einige herumfahren sehen, aber bei weitem nicht so viele wie bei ihm. Und schon gar nicht so penibel geordnet und gepflegt. Ähnlich sah es mit seiner Spielesammlung für seine Konsolen aus. Er sammelte einfach gerne und es machte ihm Freude seine Schätze zu ordnen und dadurch schön zu präsentieren. Eine Eigenschaft, die ein Chaot wie Aoi sicher für völlig verrückt halten würde. Natürlich hatte dieser ja auch eine sehr beachtliche Sammlung an CDs und DVDs in seinem Wohnzimmer stehen. Nur leider gehörten die alle nicht Aoi allein und diese Sammlung wirkte in der großen Wohnung cool. Aoi würde ihn für einen Freak halten! Passend zu seiner Überlegung öffnete sich die Tür des Aufzugs. Es gab kein Zurück. Nervös legte der Bassist die letzten paar Meter zu seiner Wohnungstür zurück. Dicht gefolgt von Aoi. Kanon zog den Schlüssel aus seiner Jackentasche und spielte verlegen damit herum. „Hab ich dir eigentlich schon mal von meiner Wohnung erzählt?“ „Nein, nicht wirklich. Ich lass mich überraschen!“ Der Gitarrist schenkte ihm ein so perfektes Lächeln, dass Kanon noch mulmiger wurde. Vielleicht hätte er Aoi mal erzählen können, was für ein Freak er war. Zu spät. Der Bassist steckte den Schlüssel ins Türschloss, zögerte dann jedoch und sah zu dem Älteren. „Sicher, dass du nicht kurz draußen warten willst?“ Als Antwort legte Aoi nur seine Hand ermutigend auf die des Kleineren und drehte mit ihm gemeinsam den Schlüssel um. Kapitel 53: Wie man es sich gemütlich macht ------------------------------------------- Guten Abend zusammen ^^ Nur ein kleines Vorwort. Das heutige Kapitel ist Blackyuuki gewidmet, die für diese ff ein fanvideo gemacht hat. Vielen vielen Dank nochmal dafür!! Es is wirklich unglaublich zu sehen, dass es Leute gibt, die sich hinsetzen und fanarts gerade zu unserer ff machen oder einfach nur diese ff lesen, obwohl es hunderte (tausende?) andere da draußen gibt. Das bewegt schon ziemlich .__." Vielen Dank für die Arbeit und an dieser Stelle auch nochmal ein großes Dankeschön, an alle Leser, die (fast) jede Woche diese ff mitverfolgen und mitfiebern! >___< Der Link zum Video: http://www.myvideo.de/watch/8208717/kyoosha_learning_by_doing_fanvideo Leider mal wieder ohne Tonspur >_> Aber das Lied ist Realize von Colbie Caillat ( http://www.youtube.com/watch?v=pNrWiOFOO28 ) Viel Spaß beim Angucken und beim Lesen des neuen Kapitels! _____________ Kapitel 53 Wie man es sich gemütlich macht Kanon konnte gar nicht mehr protestieren, als Aois Hand auf seiner eigenen lag. Die Berührung setzte seinen Verstand für einen Moment vollkommen außer Gefecht. Erst als der Ältere seine Hand wieder wegnahm und stattdessen die Klinke runterdrückte, begann es in Kanon wieder zu arbeiten. Durch den kleinen Stoß, den Aoi der Türe über seine Schulter hinweg gegeben hatte, hatte der Bassist reflexartig den Schlüssel wieder aus dem Schloss gezogen und sah jetzt dabei zu, wie die Tür langsam aufschwang und den Blick auf seine kleine Wohnung freigab. Als er die Schuhe ausgezogen und die ersten Schritte in den Raum gemacht hatte, fühlte er sich zum ersten Mal irgendwie unwohl in seiner Wohnung. Sie war so anders als Aois! Das wurde ihm jetzt, als er sich so umsah, so richtig bewusst. Neben dem Fernseher an der Fensterfront standen Regale, die mit Videospielen, Manga und allem möglichen überwiegend mit Anime verwandtem Zeug vollgestellt waren. Gegenüber dem Fernseher eine kleine blaue Couch, auf der zwei Personen Platz hatten. Daneben lag normalerweise der Futon, den er aber zum Glück vor seinem Einzug bei Aoi zusammengelegt hatte, sodass der Raum ein kleines bisschen größer und aufgeräumter aussah. Ein ziemlich kleiner Tisch zwischen Sofa und Fernseher und ein Kleiderschrank am anderen Ende des Raumes waren alles, was den Raum sonst noch füllten. „Es ist klein…“, murmelte Kanon schließlich vor sich hin. Es war nie zu klein für ihn gewesen, aber so schnell konnte sich dieser Gedanke ändern. „Darf ich trotzdem reinkommen? Oder reicht der Platz für uns beide nicht?“, hörte er Aoi in einem amüsierten Tonfall hinter sich. Der Jüngere drehte sich um und bemerkte verwundert, dass der andere immer noch an der Türschwelle stand. „Doch! Klar! Komm rein!“, antwortete er deshalb schnell und ärgerte sich selbst über seine Unhöflichkeit. Aber irgendwie fand er es auch niedlich, dass Aoi nicht wie selbstverständlich in seine Wohnung kam. Kanon machte ein paar Schritte auf den Älteren zu und nahm ihm seine Jacke ab, die er gerade zusammen mit seinen Schuhen auszog. Wenigstens ein bisschen gastfreundlich wollte er wirken. Es war nur so ungewohnt Aois Gastgeber zu sein. Kanon überlegte angestrengt, wo er jetzt die Jacke hinlegen sollte. Eigentlich hatte er dafür keinen festen Platz, doch er wollte Aoi nicht das Gefühl geben, dass er achtlos mit dessen Sachen umging. „Soll ich das Essen in die Küche bringen?“ „Gleich die Tür hier rechts“, antwortete der Bassist geistesabwesend und überlegte weiter. Erst als Aoi verschwunden war, wurden ihm seine Worte bewusst. Dabei hatte er dem Gitarristen doch eigentlich vorschlagen wollen, dass sie lieber bei ihm und Reita aßen als in Kanons Mini-Wohnung! Die Chance hatte er jetzt wohl verpasst. Seufzend hängte er Aois und seine Jacke in den Kleiderschrank, weil ihm sonst kein passender Ort dafür einfiel, und folgte dann dem Älteren. Allerdings blieb er im Türrahmen stehen und betrat nicht die Küche. Der Raum war schon eng, wenn man alleine darin stand. Kanon unterdrückte ein weiteres Seufzen. Er fühlte sich unwohl. Seine Wohnung wurde ihm immer peinlicher. „Ich hätte auch gern eine abgetrennte Küche. Unsere Kochnische ist doch manchmal echt unpraktisch.“ Aoi lächelte den Jüngeren kurz an und sah sich dann weiter um, als wär der kleine Raum der spannendste, den er je betreten hätte. „Dafür ist sie schrecklich klein. Auch nicht gerade praktisch“, nuschelte der Bassist betreten. „So klein ist sie doch auch nicht!“ „Da passen nicht einmal zwei Leute rein!“, antwortete Kanon barscher als gewollt. Konnte Aoi nicht einfach zugeben, dass er die Wohnung schrecklich fand und sie konnten gehen und seine Demütigung beenden? Stattdessen rollte der Gitarrist nur mit den Augen, bevor er dann lächelnd nach Kanons Hand griff und diesen zu sich in den kleinen Raum zog. „Siehst du, passt doch!“ „Eng“, murmelte Kanon bockig, doch er merkte genau wie seine schlechte Laune langsam nachließ. Er war Aoi gerne so nah. Und als ihn der Ältere mit einem „Ich find‘s gemütlich so“ sogar kurz an sich drückte, konnte Kanon ein leises Lachen nicht unterdrücken. Ab heute würde er seine Küche lieben! „Und was machen wir jetzt?“ Die Stimme des Älteren war so nah an seinem Ohr. Konnte er Aoi nicht einfach vorschlagen noch ein bisschen so stehen zu bleiben? „Wir könnten das Essen in die Mikrowelle schieben“, antwortete er stattdessen. Eigentlich hatte er noch keinen großen Hunger, aber die Aussicht hier auf so engem Raum noch ein bisschen neben Aoi zu stehen – und wenn es nur ein paar wenige Minuten waren – war zu verlockend. Leider gingen die Sekunden, die er auf dem Display der Mikrowelle betrachtete, viel zu schnell vorbei und schon saßen sie mit ihren aufgewärmten Fertignudeln auf dem Sofa. Dafür, dass er eben noch so schnell wie möglich hatte verschwinden wollen, war Kanon jetzt erstaunlich guter Laune. Mit der Zeit fühlte es sich sogar richtig gut an hier zu sein. Diesmal selbst der Gastgeber zu sein. Auch wenn das Sofa nur geradeso groß genug war, dass sie beide darauf Platz hatten, ohne sich gegenseitig beim Essen zu behindern, schien Aoi das nicht zu stören. Allgemein fand dieser immer mehr Gefallen an dem kleinen Apartment und wies Kanon auf Dinge hin, die er selbst noch gar nicht so bewusst wahrgenommen hatte. „Du musst sicher nicht deine Wohnung für Partys zur Verfügung stellen und hast danach die ganze Drecksarbeit mit dem Aufräumen“, seufzte der Ältere, was Kanon zum Lachen brachte. „Nein, ich glaub eine Party mit mehr als drei Leuten wird problematisch. Außer die Hälfte feiert auf dem Balkon.“ Ein erneutes Seufzen von Aoi folge. „Und einen Balkon hast du auch!“ „Auf den vielleicht drei Leute passen, wenn sie nichts dagegen haben, sich gegenseitig auf die Füße zu treten. Außerdem habt ihr das Dach!“ Kanon konnte nicht verhindern zu dem Tag abzuschweifen, an dem er mit Aoi auf dem Dach ihres Hauses gesessen hatte. Es kam ihm so vor als wäre das schon ewig her, dabei waren es gerade mal drei Wochen. Vor drei Wochen hatte es sich noch alles so unbeschwert angefühlt. Da hatte er noch nicht mal wirklich an einen Auszug gedacht! Stattdessen hatte er Aoi fast geküsst. Ein flaues Gefühl breitete sich in ihm aus. Es fiel ihm immer noch schwer die Taten und Gefühle des Älteren zu deuten. Das hatte sich nicht geändert. Erschrocken zuckte er plötzlich zusammen, als ihn etwas in die Seite piekte und stieß ein reflexartiges „Hey!“ aus. Aoi natürlich. Wer sonst? Dieser saß nämlich jetzt lachend neben ihm. „Kanns sein, dass du wieder mal abdriftest?“ Dafür schien der Ältere ihn immer noch lesen zu können, wie ein offenes Buch. „Jetzt bin ich wieder voll für dich da“, versicherte der Jüngere schmunzelnd, was Aoi mit einem grinsenden „Das hoff ich doch!“ kommentierte und dann weiter über die Vorteile einer kleinen Wohnung philosophierte. Kanon konnte die ganze Zeit nur Grinsen. Es war unglaublich, was für eigenartige Argumente Aoi einfielen. Ebenso wie die vielen Kleinigkeiten, die ihm anscheinend an der Wohnung des Jüngeren gefielen. Trotzdem fühlte Kanon sich komisch. Etwas störte ihn daran, dass Aoi ihm die ganze Zeit von seiner Wohnung vorschwärmte. Er wusste nur nicht genau, was. Irgendwann, als sie fertig gegessen hatten und auch Aois Redeschwall langsam verebbte, schaltete der Bassist den Fernseher an. Kanon genoss das gewohnte Gefühl zusammen mit Aoi auf der Couch zu sitzen, auch wenn es sich um eine andere als sonst handelte. Noch dazu sahen sie eine Sendung, die sie auch sonst oft zusammen schauten. Der Unterschied war nur, dass sie sich hier noch näher waren als gewöhnlich. Nachdem sie eine ganze Weile steif nebeneinander gesessen hatten, gab Kanon sich einen Ruck und schmiegte sich leicht an Aois Seite. Als hätte der Ältere nur auf diese Erlaubnis gewartet, legte er seinen Arm um den Jüngeren und zog ihn näher an sich. „Viel bequemer“, nuschelte Kanon an Aois Brust. Eigentlich hatte er es eher zu sich selbst gesagt, doch als er den Anderen liebevoll auflachen hörte und dieser ihm dann sogar noch leicht auf den Hinterkopf küsste, war er froh, es doch laut ausgesprochen zu haben. Mit kribbelndem Bauchgefühl tat Kanon weiter so, als ob er das Fernsehprogramm verfolgen würde. Er wusste nicht, was ihn gerade glücklicher machte. Der Kuss oder die Tatsache, dass Aois Herz deutlich schneller in dessen Brust schlug, als sich Kanon noch etwas enger an ihn schmiegte und dabei wohlig aufseufzte. _ Kanon öffnete langsam die Augen, als sich etwas unter ihm regte. Obwohl er gedöst hatte, wusste er noch, dass er halb auf Aoi lag. Nur die Tatsache, dass sie sich auf seiner und nicht auf der Couch des Älteren befanden, verwirrte ihn kurz. Müde erhob er sich wieder in eine sitzende Position und sah sich überrascht um, was den Älteren zum Lachen brachte. Mist! Kanon hatte doch gar nicht so ewig in seiner Wohnung bleiben wollen! Aber als Aoi nach einer Zeit auch noch angefangen hatte, seinen Kopf leicht zu kraulen, hatte Kanon das alles vergessen gehabt und sich in einen Halbschlaf abdriften lassen. Er hatte sich fallen lassen und es hatte ihm gut getan Aoi wieder so viel Vertrauen zu schenken, hatte er doch irgendwie Angst gehabt dazu nach dem Unglück mit dem Bass nicht mehr in der Lage zu sein. Allerdings schien es ganz so als würde ihm seine Beziehung zu Aoi genug wert zu sein, dass er dafür über dessen Missgeschick hinwegsehen konnte. Und Kanon beruhigte diese Tatsache. Müde rieb er sich die Augen und kam allmählich wieder zu sich. Aoi saß noch immer neben ihm auf der Couch. Er war anscheinend nicht weggedöst. Zumindest sah dieser nicht so verschlafen aus wie er sich selbst fühlte. „Wie lang hab ich geschlafen?“, nuschelte der Jüngere und suchte nach dem Handy in seinen Hosentaschen, als er bemerkte, dass der Fernseher ausgeschaltet war. „Hast du den ausgemacht?“ Aoi nickte, noch immer mit einem Lächeln auf den Lippen. „Du hast so schön geschlafen und ich wollte nicht, dass du davon aufwachst.“ Kanon fand sein Handy gerade rechtzeitig und konnte es herausziehen und somit unauffällig dem Blick des Älteren ausweichen. Er hatte ihn beim Schlafen beobachtet! Schon wieder!! So wie an dem einen Tag, an dem Gazette ihre Intensivprobe vor Europa hatten und Aoi seinen Wecker ausgeschaltet hatte. „Schon 1!“, entfuhr es ihm plötzlich, als er die Zahlen auf dem Display entzifferte. Sein Blick wanderte zum Fenster. Es war Nacht. Und November. Und sicher kalt. Er wollte jetzt nicht raus. Er wollte ja nicht mal von diesem Sofa aufstehen! Am besten wäre es gewesen, wenn er einfach vorgegeben hätte weiter zu schlafen. Bis morgen früh. Ja, in Aois Armen schlafen. Die ganze Nacht. Das wäre ein guter Plan gewesen, aber jetzt konnte er ihn ja wohl kaum noch in die Tat umsetzen. „Viel zu spät zum Heimfahren“, kommentierte plötzlich der Gitarrist mit einem überzeugten Nicken, aber Kanon konnte genau das Zucken in den Mundwinkeln erkennen. Ein warmes Gefühl überkam ihn, als er darüber nachdachte, dass Aoi anscheinend auch nichts dagegen hatte, die Nacht über in dieser Wohnung zu verbringen. Und wahrscheinlich hätte er auch gleich zugestimmt, wäre da nicht dieses kleine Problem. „Und wo schlafen wir?“ „Naja, du wirst normalerweise doch auch nicht im Stehen schlafen“, antwortete Aoi grinsend. Ihm schien es zu gefallen, dass Kanon immer noch ein bisschen planlos war. „Und du wirst wohl hoffentlich nicht auf dieser Couch schlafen!“ Kanon begann zu lachen. Es war schon komisch, dass Aoi die Tatsache, dass Kanon auf diesem Sofa schlafen könne, so abwegig und entrüstend fand, selbst aber seit über einem Monat auf einer Couch schlief. Und da Aoi größer war als er, konnte man auch nicht damit argumentieren, dass das Sofa, auf dem der Gitarrist schlief, länger war als Kanons. „Was ist denn?“, wollte Aoi verwirrt wissen, als sich der Bassist wieder beruhigt hatte. Dieser schüttelte aber nur den Kopf. Es hatte keinen Sinn das Thema der Bettenverteilung schon wieder durchzukauen. Auf jeden Fall nicht an diesem Abend. Stattdessen kam Kanon zurück zum eigentlichen Thema. „Ich hab nur einen Futon. Also wenn dir das nichts ausmacht…“ Der Jüngere beendete den Satz nicht, sondern starrte verunsichert auf den Boden. Er kam sich schon wieder so mies vor. Als wär alles, was er besaß und darzubieten hatte, nicht gut genug für den Gitarristen. Ein wirklich schreckliches Gefühl. „Wie cool! Ich hab schon ewig auf keinem Futon mehr geschlafen!“ Überrascht sah Kanon in das strahlende Gesicht des Gitarristen und es stahl sich auch ein kleines Lächeln auf seine Lippen. Der Ältere wusste wirklich, wie man mit seinen Launen umzugehen hatte. Wenig später war Kanon schon dabei den Futon vorzubereiten, während Aoi sich im Bad fertig machte. Wobei „vorbereiten“ wohl etwas übertreiben war. Viel gab es ja nicht zu tun. Also saß der Bassist schlussendlich auf der dünnen Matte und ließ sein Hand gedankenverloren über seine Decke streichen. Er liebte Aois Bett, doch gleichzeitig vermisste er auch seinen eigenen Schlafplatz. Sein eigenes Reich. Das war ihm bis jetzt noch gar nicht so bewusst gewesen, aber jetzt begann irgendetwas in ihm zu nagen. Bevor er seine Gedanken aber weiter verfolgen konnte, betrat Aoi wieder den Raum. Und alle Überlegungen waren mit einem Mal vergessen. Kanon schluckte schwer und versuchte den Gitarristen nicht anzustarren, während dieser schmunzelnd auf ihn zukam. Nur mit Boxershorts bekleidet. Kapitel 54: Wie man seinen Futon teilt -------------------------------------- Vielen lieben dank für eure letzten kommentare! Und viel Spaß beim Lesen des nächsten Kapitels ^___^ _________ Kapitel 54 Wie man seinen Futon teilt Kanon erinnerte sich an das letzte Mal, als sie zusammen das Bett geteilt hatten. Er erinnerte sich genau an seine Gedanken, als er Aoi da gesehen hatte. In Shirt und Shorts. Und damals hatte er schon gedacht, der Ältere hätte wenig an. Das war nichts gegen seine jetzige Situation! Ihm wurde ganz warm, als Aoi an ihm vorbeiging und seine Kleidung neben Kanons auf dem Sofa ablegte. Der Jüngere hatte sich ebenfalls umgezogen und rutschte jetzt ein bisschen näher zur Wand, um dem anderen Platz zu machen. „Du kannst ein Shirt von mir haben.“ Es fiel ihm gar nicht so leicht, die Worte über seine Lippen zu bringen. Einerseits, weil er wirklich aufgeregt war, und andererseits, weil ein Teil von ihm gar nicht wollte, dass Aoi ein Shirt trug. „Ich glaub nicht, dass ich da reinpass.“ Mit einem amüsierten Lächeln ließ sich der Ältere neben Kanon auf den Futon fallen. Er war so nah! Und er sah ihn so an. So… So… Ach, er konnte nicht mal beschreiben wie! Aber der Blick bescherte ihm eine Gänsehaut am ganzen Körper. Ihm wurde sogar ein wenig mulmig zumute. Aoi würde gleich die ganze Nacht fast nackt neben ihm liegen. Aoi! Derjenige, in der er verliebt war! Wie sollte er da denn schlafen können? Und wie sollte er da seine Gedanken unter Kontrolle halten?? Kanon spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Er musste endlich aufhören sich wie ein pubertierender Teenager zu verhalten! „Ich mach eben noch das Licht aus, okay?“ Er wartete Aois Zustimmung gar nicht erst ab, sondern stand auf und ging zum Lichtschalter. Ein wenig Licht fiel von draußen in das Zimmer herein, allerdings nur gerade so genug, um Umrisse ausmachen zu können. Während er zurück zum Futon tapste, hörte er die Decke rascheln. Wie er bemerkte, saß Aoi schon darunter und hielt sie für ihn hoch, sodass sich Kanon schnell hinlegen konnte. Immer darauf bedacht, Aois nackte Haut nicht zu streifen. Wer wusste schon, was das in ihm auslöste! Ein zufriedenes Seufzen verließ dann allerdings seine Lippen, als er sich in die Laken kuschelte. Es war ein völlig anderes Gefühl, in seinem eigenen Bett zu schlafen, als wenn er bei Aoi schlief. Und jetzt, da dieser auch noch neben ihm lag, fiel ihm nichts ein, was den Moment noch besser machen könnte. „Ist was?“ Aoi hatte sich ebenfalls hingelegt und schien seinen Seufzer wohl misszuverstehen. Kanon drehte sich auf die Seite und somit dem Älteren zu, bevor er leicht den Kopf schüttelte. „Ich hab nur schon so lang nicht mehr in meinem eigenen Bett geschlafen.“ „Ach so“, kam nur die leise Erwiderung. „Oder kam das Seufzen etwa daher, dass du schon so lange nicht mehr mit mir in einem Bett geschlafen hast?“ Kanon erstarrte. Hatte er sich die leise gehauchten Worte gerade nur eingebildet oder hatte Aoi sie wirklich gesagt? Der Bassist drehte den Kopf zur Seite. Inzwischen hatten sich seine Augen an de Dunkelheit gewöhnt und er konnte viel mehr sehen als nur Umrisse. Zum Beispiel die Augen des Älteren die auf ihm ruhten. Oder dessen Lippen, auf denen ein verschmitztes Lächeln lag. Gerade schon gefährlich. Kanons Herz begann zu rasen, nur bei dem Gedanken daran wie er rausfinden konnte, wie gefährlich diese Lippen wirklich sein konnten. Wie gefährlich dieser wunderschöne Mann sein konnte, der fast nackt neben ihm lag. Ein lautes Geräusch riss Kanon aus seinen Gedanken und auch Aoi zuckte kurz zusammen. Grummelnd stand der Ältere auf und zog sein Handy aus der Hose, welche er vor ein paar Minuten auf das Sofa gelegt hatte. „Der Kerl schaffts auch immer wieder“, murrte Aoi und legte sich wieder neben Kanon, während er auf das Display des Gerätes schaute. Der Bassist sah ihn nur fragend an. Wer schaffte was immer wieder? „Reita hat mir ne Nachricht geschickt. Er will wissen, wo wir stecken“, erklärte der Ältere und legte das Handy dann neben sich, um sich wieder gemütlich hinlegen zu können. Kanon stutzte. Aoi hatte Reita nicht auf die Nachricht geantwortet. Was war, wenn der Blonde sich Sorgen machte? Allerdings hatte der Gitarrist nicht gerade erfreut auf die Störung reagiert. Ob er wohl wütend auf Kanon sein würde, wenn er ihn darum bat Reita zu antworten? Er dachte an die Art, wie Aoi ihn gerade noch angesehen hatte. So verboten. Würde er ihn jetzt darum bitten, war von dieser Stimmung sicher nichts mehr übrig. Kanon kämpfte einige Sekunden mit seinem Gewissen, auch wenn er schon wusste, wer der Gewinner war. „Willst du Rei nicht antworten?“, fragte er vorsichtig. „Wieso sollte ich?“ Kanon biss bei der Antwort die Zähne zusammen und ärgerte sich darüber das Thema überhaupt angesprochen zu haben. Egal was vor ein paar Augenblicken noch in der Luft gelegen hatte – jetzt war es eindeutig weg. „Weil er dein Freund ist und sich Sorgen macht.“ Kanon kam sich eigenartig vor den Blonden so zu bezeichnen. Schließlich war er für ihn in letzter Zeit immer nur „der Feind“ gewesen. „Der kann sich ruhig weiter Sorgen machen. Ist ja nicht so als wär er nie ohne eine Nachricht bis zum Morgen weg.“ Aois Tonfall war irgendwie trotzig. Kanon fühlte sich immer noch nicht wohl deshalb, aber es war nicht seine Entscheidung. Aois Handy – Aois Entscheidung. Und Aois bester Freund. Ein mulmiges Gefühl machte sich bei diesem Gedanken in ihm breit, das er als leichte Eifersucht bestimmen konnte. Eigentlich kam er mittlerweile ganz gut damit klar, dass Reita Aois bester Freund war und dass sie sich schon so lange kannten und viel… durchgemacht hatten, aber manchmal kam das ungeliebte Gefühl eben doch wieder auf. „Lass uns schlafen. Ich schreib ihm morgen früh. Vielleicht.“ Der Ältere zog die Decke noch ein bisschen höher und Kanon fühlte sich plötzlich ziemlich mies. Er hätte das Thema wirklich nicht ansprechen sollen. „Schlaf gut“, kam es noch nach einem kurzen Moment der Stille doch überraschend sanft von Aoi, was ihn dann doch zumindest ein wenig beruhigte. „Du auch.“ Als Kanon die Augen das nächste Mal aufschlug, blickte er direkt in Aois. Sie sahen ihn durch die Dunkelheit hindurch einfach nur an. Und der Jüngere konnte ihrem Blick einfach nicht ausweichen. Im ersten Moment fragte er sich sogar, ob er vielleicht noch träumte, aber dafür fühlte sich das Gefühl, das er verspürte, viel zu angenehm und viel zu echt an. Er war näher an Aoi herangerutscht. Wahrscheinlich im Schlaf. Aus Reflex. Er spürte die Wärme, die von dem anderen Körper ausging. Näher. Er wollte noch näher heran. Aber dann sickerte die Information zu Kanon hindurch, die er bis eben ausgeblendet hatte. „Hab ich geträumt oder hat mein Handy gerade geklingelt?“ „Ich hab gehofft, es würde dich nicht aufwecken“, flüsterte Aoi leise zurück, unterbrach den Blickkontakt jedoch nicht. „Aber vielleicht solltest du trotzdem nachgucken. Wenn dir so spät nachts jemand schreibt, ist es wahrscheinlich wichtig.“ Kanon wollte nicht aufstehen und nachsehen. Er wollte den Blickkontakt nicht brechen. Aber sein Verstand siegte. Schwerfällig schlug er die Decke zurück und krabbelte zum anderen Ende des Futons, um dort sein Handy aus der Hosentasche zu ziehen. Die Nachricht war von Reita. „Hey Kleiner. Alles okay bei dir? Trink nicht zu viel, klar? Das mit deinem Bass wird schon wieder. Ist Aoi bei dir?“ Kanon musste bei den freundlichen Worten aufseufzen und fühlte sich gleich noch mieser, dass sie nicht gesagt hatten, wo sie hingegangen waren. „Es ist Rei“, informierte Kanon den Gitarristen und ihm fiel auf, dass er schon zum zweiten Mal an diesem Abend „Rei“ gesagt hatte. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, als er den anderen Bassist das letzte Mal so genannt hatte. Und auch Reita hatte ihn in den letzten Tagen nicht mehr mit „Kleiner“ angesprochen. Wenn sie überhaupt gesprochen hatten. „Was will der denn schon wieder?“, erwiderte der Gitarrist ruppig. Kanon versuchte nicht zu vergessen, dass dieser Groll nicht gegen ihn gerichtet war, sondern gegen Reita. „Er macht sich doch nur Sorgen.“ Der Jüngere konnte es selbst nicht glauben. Nahm er gerade wirklich Reita in Schutz? „Der tut doch nur so, weil er wissen will, wo wir sind! Ignorier ihn einfach!“ „Das kann ich nicht!“, meinte Kanon und seufzte. Er war zwar verrückt nach dem Älteren, aber manchmal konnte er sein Verhalten einfach nicht verstehen. „Es ist 3 Uhr nachts. Ich glaube, er macht sich wirklich Sorgen“, erklärte der Bassist jetzt ruhig und hoffte, dass der Ältere sich in ihn hineinversetzten konnte. Von diesem erhielt er jedoch nur ein leises Murren was sich verdächtig nach einem „Du bist zu lieb für diese Welt“ anhörte. Damit hatte der Gitarrist sich anscheinend wieder schlafen gelegt. Kanon seufzte erneut und las dann die SMS noch einmal. Irgendwie süß. Dachte Reita ernsthaft, er ging raus und ertränkte seine Probleme in Alkohol? Machte Reita das etwa so, wenn ihm etwas Sorgen bereitete? Kein schöner Gedanke, wenn man bedachte, wie oft der Blonde um die Häuser zog. Vielleicht sollte er irgendwann mal Aoi darauf ansprechen. Aber heute Nacht war dafür wohl ein ziemlich unpassender Moment. Er sollte lieber schnell die Antwort schreiben, bevor der Gitarrist noch schlechtere Laune bekam. „Bei mir ist alles soweit in Ordnung. Aoi und ich sind zu mir nach Hause gefahren, um einen Ersatzbass zu besorgen. Wir fahren morgen früh wieder zu euch. Tut mir Leid, dass wir nicht Bescheid gesagt haben! Bis morgen!“ Kanon las die Nachricht noch einmal schnell durch, bevor er sie abschickte und sein Handy zurück aufs Sofa legte. Er wollte gar nicht wissen, was Aoi zu seiner Nachricht an Reita sagen würde. ‚Tut mir Leid, dass wir nicht Bescheid gesagt haben!‘ Er schlüpfte zurück unter die Decke. Der Ältere hatte sie bis zu den Schultern hochgezogen und lag ihm zugewandt, aber mit geschlossenen Augen da. Er schlief bestimmt noch nicht. Ob er wohl sauer war? Ob er nicht angesprochen werden wollte und deshalb schon so still da lag? Bestimmt. Kanon biss sich auf die Lippe. Er wollte nicht, dass Aoi sauer auf ihn war. Und mit diesen Gedanken konnte er sowieso nicht mehr einschlafen! „Schläfst du schon?“, flüsterte er deshalb nach ein paar Minuten des inneren Konflikts, woraufhin er ein leises Lachen erntete. Ihm wurde gleich ein wenig leichter ums Herz. Das war doch schon mal ein gutes Zeichen. Aoi würde nicht lachen, wenn er sauer war, oder? „Bist du sauer?“, fragte er trotzdem ganz leise und sah in die Augen seines Gegenübers, die dieser jetzt aufgeschlagen hatte. Es war wieder dieser warme Blick, der dieses angenehme Gefühl in Kanon auslöste. Er mochte es, wenn ihm Aoi so nah war. Dann war der Blick noch viel intensiver. Noch intensiver war allerdings ein anderes Gefühl. Ausgelöst durch den Kuss, den ihm Aoi mit einem Mal auf die Wange drückte. Einfach so. Ohne Vorwarnung. Die Welt stand wieder für einen kurzen Augenblick still. Kanon konnte nicht denken. Er spürte nur die Berührung, die ihn wie aus heiterem Himmel traf. Spürte das Kribbeln, das sich von seiner Wange ausgehend in seinem ganzen Körper ausbreitete. Darauf war er nicht vorbereitet gewesen! Eben noch hatte er gedacht, Aoi wäre sauer auf ihn, und dann das! „Antwort genug?“ Mit einem sanften Lächeln fixierte ihn der Ältere wieder. Kanon nickte abwesend. Dass er den anderen schon ganz anders geküsst hatte, kümmerte ihn gerade wenig. Denn ihm wurde bewusst, dass so ein kleiner, unschuldiger Kuss nach einer gedrückten Stimmung eben so viel auslösen konnte. Die Geste schaffte so viel Vertrautheit und Aois liebevoller Blick so viel Intimität, dass Kanon gar nicht mehr wusste, wo ihm der Kopf stand. Er wollte näher. Er wollte dem Älteren so nahe sein wie es nur ging. Mental. Emotional. Körperlich. Nur der Gedanke sorgte dafür, dass er Aois Körperwärme noch viel intensiver wahrnahm. Zwar hatte Aoi die Decke immer noch bis zum Kopf hochgezogen, doch Kanon erinnerte sich daran, wie makellos die Haut des Älteren war. Und er erinnerte sich an den Tag, an dem sie zusammen Kleidung anprobiert und sich umarmt hatten. Das Gefühl von Aois sanften Haut gegen seiner eigenen hatte sich in ihn eingebrannt. Der Gedanke daran löste in Kanon ein unruhiges Kribbeln aus. Ein Verlangen, das ihn um den Verstand bringen wollte. Aoi sah ihn weiter mit seinen tiefen, unergründlichen Augen an. Er schien mitten in Kanon hineinzusehen, was bei dem Jüngeren eine Gänsehaut auslöste. Er fühlte sich von dem Blick entblößt, doch wünschte sich in dem Moment nichts sehnlicher, als dass Aoi wirklich verstand, was in ihm vorging. Was er sich wünschte. Wonach er sich verzehrte. Das Lächeln des Älteren war schwächer geworden, doch die schönen Lippen waren immer noch einen Spalt breit geöffnet. Luden förmlich dazu ein nach ihnen zu schnappen. Kanon rutscht dem Älteren etwas näher. Es war keine bewusste Entscheidung. Es war etwas, was er einfach tun musste. Sein Körper wollte seinem Verstand nicht mehr gehorchen. Also versuchte Kanon auch gar nicht mehr sich dagegen zu wehren. Stattdessen streckte er seinen Arm aus, um den geringen Körperabstand zwischen ihm und Aoi zu überbrücken. Es war so viel einfacher über die sanfte Haut zu streichen, wenn er das unter der Decke tat. So kam ihm die Handlung nicht so schwerwiegend vor. Fast wie in einem Traum. Die Augen des Älteren weiteten sich kurz, bevor er dann schwer ausatmete und der Berührung noch etwas entgegenrutschte. Kanon etwas entgegenrutschte. Die Haut war heiß. Schien fast unter Kanons Fingerkuppen zu verbrennen. Der Jüngere spürte deutlich wie Aois Herz immer schneller wurde. Beinahe raste. In dem Moment merkte er auch, dass es ihm selbst nicht anders ging. Sein eigenes Herz klopfte unnatürlich schnell in seiner Brust. Aber nicht auf eine unangenehme Art und Weise. Er genoss sogar irgendwie. Die Fingerspitzen strichen weiter langsam über den Oberkörper, stockten dann aber einen Moment, als Kanon spürte, wie sich eine Hand ebenso vorsichtig wie er selbst vorging, auf seine Seite legte und über den Stoff seines Shirts strich. Aoi sah ihn weiterhin mit diesem durchdringenden Blick an, während die Hand langsam zu seiner Hüfte hinunterfuhr. Es kam dem Jüngeren wie eine Ewigkeit vor, bis sich die warmen Fingerspitzen unter dem Saum seines Shirts hindurchschoben und seine Haut berührten. Endlich. In den letzten Sekunden war er vor Anspannung fast verrückt geworden, aber jetzt, da er Aois Wärme direkt auf seiner Haut spürte, konnte er nicht anders als einen leisen, zufriedenen Seufzer auszustoßen. Für einen Moment schloss er die Augen und atmete tief ein. Es fühlte sich noch besser an als er in Erinnerung hatte. Näher. Intimer. Diesmal würde es keinen Reita geben, der sie stören konnte. Diesmal würde sie niemand stören. Kapitel 55: Wie man vergeht --------------------------- Kleine (oder eher doch bisschen größere ._.") Ankündigung: Nächste Woche kommt noch ein Kapitel und dann müssen wir bis Oktober wegen Auslandsaufenthalten von uns beiden ne größere Pause machen. Wir haben beide wahrscheinlich kein oder nur selten Internet, deshalb können wir in der Zeit nicht weiterschreiben. Euch jetzt aber erstmal ganz viel Spaß beim Lesen des nächsten Kapitels ;) __ Kapitel 55 Wie man vergeht Als Kanon die Augen wieder öffnete, blickte er geradewegs wieder in Aois Gesicht. Sein Lächeln hatte sich mittlerweile völlig verflüchtigt. Seine Hand hatte sich bis zu Kanons Taille hochgeschoben und war dort liegengeblieben. Der Jüngere spürte den Atem des Anderen angenehm über sein Gesicht streichen. Sie waren sich so nah. Nur noch ein paar Zentimeter trennte sie voneinander. Kanon ließ seine Hand weiterwandern. Über die so perfekt scheinende Brust bis zu den Schultern. Schließlich blieb sie im Nacken liegen. Ließ die schwarzen Haare durch die Finger gleiten. Es fühlte sich alles so perfekt an. So unwirklich. Aber Aoi lag vor ihm. Die Hand unter seinem Shirt. Auf seiner Haut. Und so warm. Die freie Hand des Älteren stieß sanft an die von Kanon, die zwischen ihnen lag, und ihre Finger verhakten sich wie von selbst miteinander. Es war wie eine stumme Zustimmung beiderseits. Sie waren bereit einen Schritt weiter zu gehen. Kanon verstärkte seinen Griff im Nacken des Älteren leicht. Es war nur eine kleine Geste, doch Aoi schien seine Bitte zu verstehen. Das Gesicht des Älteren kam Kanon noch ein Stück näher. Auch wenn es ihm schwer fiel, schloss Kanon wieder die Augen. Er wollte einfach nur genießen. Wollte den Moment so lang auskosten wie es ging. Nur er und Aoi und die Nacht. Ein Blitz durchfuhr seinen gesamten Körper, als er die sanften Lippen des Gitarristen spürte. Allerdings berührten sie nicht seinen eigenen Mund, sondern seine Wange. Kanon stieß einen leisen Seufzer aus. Scheinbar wollte auch Aoi den Moment noch ein wenig herauszögern. Die Lippen legten sich auf die andere Wange des Bassisten. Dieses mal etwas länger. Weitere federleichte Küsse folgten. Näherten sich Stück für Stück Kanons Mundwinkel an. Der Jüngere verspürte eine Mischung aus freudiger Erwartung, Ungeduld und Aufregung in sich, welche seine Körperhitze immer weiter anstiegen ließ. Und als Aois nach einer gefühlten Ewigkeit des süßen Wartens endlich seinen Mundwinkel erreicht hatte, konnte Kanon sich nicht mehr zurückhalten. Bestimmend zog er den Älteren an sich, welcher darauf sofort einging. Vielleicht war es das gewesen, worauf Aoi gewartet hatte? Das letzte Zeichen. Weiche Lippen drückten sich gegen Kanons, lösten in ihm ein Feuerwerk aus, mindestens so intensiv wie bei ihrem ersten Kuss. Vielleicht sogar noch intensiver. Waren sie sich in diesem Augenblick so viel näher als damals. Und Kanon hatte nicht vor wieder zu flüchten. Dieses Mal nicht. Ein wohliger Schauer durchfuhr seinen Körper, als sich Aois Mund einen Spalt weit öffnete und dessen Zunge in einer langsamen Bewegung über seine Unterlippe fuhr. Kanon stieß zittrig die Luft aus und ließ den Älteren den Vorgang noch einmal wiederholen, bevor er selbst seine Lippen auseinandergleiten ließ. Das Gefühl, das er verspürte, als Aoi den nächsten Schritt tat, überwältigte ihn beinahe. Die sanften Bewegungen, mit denen sich die Zunge des Anderen an seine eigene schmiegte. Für einen Moment konnte er sich nicht rühren, bevor er den Älteren noch ein Stück näher zog. Er spürte die warme Haut des Oberkörpers durch sein Shirt. Die Hand, die auf seinen Rücken gewandert war, um ihn dort ebenfalls näher zu ziehen. Um neues Gebiet zu erkunden. Kanon bemerkte, dass sich der Druck, mit dem er zwischen ihren Körpern die Hand des anderen hielt, unbewusst verstärkt hatte, seit sich ihre Lippen getroffen hatten. So als würden sie sich nie wieder loslassen wollen. Mit ebenso sanften Bewegungen passte er sich Aoi an. Umschmeichelte dessen Zunge, die in seinen Mund getaucht war. Kanon hatte nicht gewusst, dass man jemanden zum ersten Mal küssen und es sich so vertraut anfühlen konnte. Es hatte nichts Fremdes. Nichts Merkwürdiges. Und doch gleichzeitig war es so neu. Ein Gefühl, das er noch nie zuvor verspürt hatte. Und obwohl es ihr erster, wirklicher Kuss war, war es so als wüssten sie genau, was der Andere brauchte. Kanon konnte sich nicht vorstellen, was Aoi besser machen könnte, damit es ihm noch besser gefiel. Gab es überhaupt ein „noch besser“? Ein leichter Anflug von Übermut überkam ihn, als er Aois Zunge ein Stück zurückdrängte. Sich ihm stärker entgegen schmiegte. Das anschließende, tonlose Seufzen des Älteren ließ erneut Gänsehaut an seinem ganzen Körper entstehen. Er liebte diese Zustimmungen des anderen. Er liebte es, wenn Aoi ihm mitteilte, dass ihm etwas gefiel. Dass ihm das hier gefiel. Vor allem das. Aber auch sein eigener Atem war schwerer geworden. Sein Körper verlangte nach mehr Sauerstoff, doch das war Kanon egal. Er wollte den Kuss nicht unterbrechen und diesen Gedanken verwarf er auch im selben Moment wieder, in dem er ihn gedacht hatte. Es gab wichtigere Dinge. Wie um seine Entscheidung zu unterstreichen presste er sich noch etwas stärker an den Älteren, während er sich nun daran machte die Mundhöhle des Gitarristen in Beschlag zu nehmen. Das Geräusch, welches dieser nun von sich gab, war schon mehr ein raues Stöhnen, was dieses Mal Kanon ein Seufzen entlockte. Es war ein unbeschreibliches Gefühl zu spüren, wie sensibel Aoi auf ihn reagierte. Wie die nackte Haut sich immer weiter erhitzte als wolle sie bei Kanons Berührung einfach dahinschmelzen. Inzwischen erwiderte Aoi den Kuss wieder leidenschaftlicher. Gieriger. Mit seinem einen Arm presste er den Jüngeren sogar noch näher an sich, bis dieser halb auf seinem Oberkörper zu liegen kam. Kanon stöhnte leise, als Aois Hand nun fahrig über seinen Rücken glitt. Allerdings konnte er nicht verhindern, dass sich ein leicht unwohles Gefühl in ihm ausbreitete, als die Hand des Älteren immer weiter nach unten fuhr. Kanon stoppte sogar kurz den Kuss, als die Fingerspitzen des Älteren das erste Mal seinen Hosenbund berührten. Er war sich nicht sicher wie weit er in dieser Nacht gehen wollte. Sie hatten sich bis jetzt immer so viel Zeit gelassen. Manchmal kam es Kanon vor wie eine reine Qual, doch hatte es jedem weiteren Schritt nicht noch mehr Bedeutung gegeben? Er hatte Angst davor jetzt etwas zu überstürzen. Sein Körper schrie zwar danach weiterzumachen, aber sollte er einen Moment, der eigentlich etwas Besonderes sein sollte, gierig verschlingen? Er wusste es nicht. Das heißt, eigentlich wusste er es schon, aber er wollte es sich nicht eingestehen. Er wusste, dass es falsch war weiterzumachen, wenn er sich dabei nicht ganz sicher fühlte, doch es war so schwer die Botschaft an seinen Körper weiterzusenden, der sich immer noch an Aoi schmiegte. Wenn auch nicht mehr ganz so leidenschaftlich wie noch vor ein paar Minuten. Wenn er sich nur noch weiterhin so an den anderen Körper schmiegte, dann konnte er für nichts mehr garantieren. Er war ja jetzt schon schwierig genug, seinen eigenen unter Kontrolle zu halten. Aois Hand verweilte an seinem Hosenbund. Strich dort immer wieder über die Haut. Kanon konnte nicht genau sagen, ob Aoi vielleicht auch so dachte wie er oder ob er nur auf seine Zustimmung wartete, um den nächsten Schritt zu machen. Er wollte dem Älteren keine falschen Hoffnungen machen. Es war so ja schon nicht wirklich gerecht, ihn erst so heiß zu machen und dann abblitzen zu lassen. Schweren Herzens trennte sich Kanon von den Lippen des Anderen und merkte da erst, wie sehr ihm dieser Kuss zugesetzt hatte. Schwer atmend entfernte er sich ein paar Zentimeter von dem anderen Gesicht und sah Aoi an, dessen Atem ähnlich schnell ging wie sein eigener. Die dunklen Augen blickten direkt in seine und er konnte leichte Irritation und jetzt auch einen Funken Unsicherheit darin erkennen. Allerdings lenkten ihn die verführerisch glänzenden Lippen viel zu sehr ab, als dass er Aoi irgendeine Art von Antwort geben konnte. Stattdessen beugte er sich wieder zum ihm hinunter und nahm die Lippen erneut in Beschlag. Er konnte einfach nicht widerstehen und Aoi ging ohne zu zögern darauf ein. Der Kuss war nicht weniger leidenschaftlich als der Vorige, aber diesmal schaffte es Kanon früher, sich von dem anderen zu lösen. Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er den Älteren erneut betrachtete und dieser ihn mit einem so verboten heißen Blick ansah, dass er sich zusammenreißen musste, um seinen Körper nicht doch die Oberhand gewinnen zu lassen. Aber trotzdem konnte er nichts dagegen tun, als sich die Hand in Aois Nacken löste und über das Schlüsselbein zu dessen Brust fuhr, um dort liegen zu bleiben. Fasziniert beobachtete er, wie sie sich schnell hob und senkte. Er spürte das Herz des Älteren wie verrückt durch dessen Brustkorb schlagen. Ohne weiter darüber nachzudenken ließ Kanon seine Lippen auf die Stelle sinken, wo er das Schlagen am stärksten spürte, nicht ohne dabei zu hoffen, dass nicht nur ihre Tat sondern auch er selbst der Grund für dessen Aufregung war. Aoi zuckte bei der Berührung kurz zusammen und atmete angespannt aus, was Kanon zum Kichern brachte. Es war eine kleine unschuldige Geste gewesen und trotzdem reagierte der Ältere so sensibel. Er wusste, dass es gemein war, aber nur das Wissen daran verlieh Kanon ein Hochgefühl. Hoffentlich hatte er noch viele Möglichkeiten Aoi mit dessen Sensibilität ein bisschen zu ärgern. Und wirklich böse schien Aoi deshalb auch nicht zu sein. Der Ältere gab lediglich ein kurzes Brummen von sich, was Kanon als Antwort auf sein Gekicher deutete, und gab dem Bassisten dann einen Kuss auf die Stirn. Der Jüngere schenkte ihm noch ein Lächeln und legte dann seinen Kopf auf Aois Brust, während dieser begann ihm zärtlich durch die Haare zu streichen. Gern hätte Kanon dieses Moment noch länger genossen, doch bald merkte er wie nun endlich die Müdigkeit über ihn hereinbrach. Er überlegte noch, ob er Aoi eine Gute Nacht wünschen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Heute Nacht brauchten sie keine Worte. Gedankenverloren betrachtete Kanon die Zimmerpflanze auf seinem Fenstersims. Wobei es sich weniger um eine Pflanze handelte als um ein Skelett aus verdorrten Ästen, an dem die Sonne binnen des letzten Monats unbarmherzig genagt hatte. Er war zwar kein großer Pflanzenfreund, doch er fühlte sich trotzdem ziemlich schlecht, als er eines der vertrockneten Blätter in seiner Hand in kleine Krümel zerfallen ließ. Er könnte sie zwar jetzt gießen, aber nun war es schon zu spät. Bedrückt hörte er dem Wasser im Bad beim Laufen zu, während er weiter auf das Ding starrte, das mal ein Lebewesen gewesen war. Es war noch nicht lange her, dass sie aufgestanden waren und trotzdem hatte Kanon wieder genug Denkstoff, um sich und sein Herz damit tagelang zu beschäftigen. Er war auf Aois Brust aufgewacht. Ein paar Minuten – zumindest war es ihm so vorgekommen – vor diesem selbst. Sie hatten sich angelächelt und einen guten Morgen gewünscht. Dann war Aoi ziemlich bald ins Bad unter die Dusche verschwunden. Kanon bereute den Kuss nicht. In keinem Moment. Es fühlte sich noch immer irgendwie unwirklich an, dass es passiert war, aber dadurch, dass er auf Aois nackter Brust aufgewacht war, wusste er zumindest, dass es kein Traum gewesen war. Außerdem sprachen der Blick und die muntere Stimmung des Anderen für sich. Trotzdem wusste Kanon nicht wirklich damit umzugehen. Sie hatten sich zwar geküsst und keiner von beiden schien es zu bereuen, aber was genau war das jetzt eigentlich zwischen ihnen? Er sollte Aoi fragen, aber er traute sich nicht. Er traute sich nicht, ihn zu fragen, ob das Liebe war, was der Ältere verspürte. Was der Kuss für ihn bedeutete. Und in was für einer Beziehung sie jetzt zueinander standen. Kapitel 56: Wie man auf der Stelle tritt ---------------------------------------- Vielen Dank für eure reviews zum letzten Kapitel! ^__^ Wie schon angekündigt machen wir bis Mitte Oktober eine Pause, weil wir beide nicht da sind und kein Internet bzw. keinen eigenen Computer haben, auf dem wir weiterschreiben können. Ich werde denen, von denen ich weiß, dass sie diese ff aktiv lesen, ne Benachrichtigung schicken, wenns nach der Pause weitergeht. Wer außerdem eine solche mail will, der kann sich einfach bei uns melden ^^ Wir wünschen euch einen schönen Sommer und viel Spaß beim Lesen! ____ Kapitel 56 Wie man auf der Stelle tritt Er sollte Aoi fragen, aber er traute sich nicht. Er traute sich nicht, ihn zu fragen, ob das Liebe war, was der Ältere verspürte. Was der Kuss für ihn bedeutete. Und in was für einer Beziehung sie jetzt zueinander standen. „Du kannst jetzt rein.“ Als sich Kanon umdrehte, stand Aoi angezogen und mit nassen Haaren an der Tür zum Bad. Der Jüngere nickte kurz und zog dann frische Kleidung aus dem Schrank, bevor er die Badtür hinter sich schloss. Während das warme Wasser auf seine Haut traf, überkam ihn plötzlich ein merkwürdiges Gefühl, wenn er daran dachte, gleich zurück zu Reita in die Wohnung zu gehen. Seine eigene Wohnung wieder zu verlassen. Er musste so tun als wäre alles wie immer. Die Anspielungen des Blonden würden ihm keine Ruhe lassen, wenn dieser herausfand, dass irgendetwas vorgefallen war. Und solang Kanon nicht wusste, was das zwischen ihm und Aoi jetzt war, würde er auch sicher nichts zugeben. Vor allem nicht, dass er verliebt war! Und irgendwie hatte er nicht das Gefühl, als würden sie gleich darüber sprechen. Konnten sie nicht einfach hier bleiben? Es war zwar eng, aber das hatte sie ja letzte Nacht auch nicht gestört. Es war schon komisch. Am Abend davor hatte er die Wohnung eigentlich gar nicht betreten wollen und jetzt wollte er sie nicht mehr verlassen. Und er wusste auch, dass das nicht nur mit ihrem Kuss zu tun hatte. Es war ihm bis jetzt nicht aufgefallen, doch er hatte sein Apartment vermisst. Über die sich daraus ergebenen Konsequenz wollte er sich jetzt keine Gedanken machen. Trotzdem war es beinahe unmöglich das flaue Gefühl zu unterdrücken, als er ein paar Minuten später fertig angezogen das Bad verließ und Aoi ihn von seinem Sofa aus anlächelte. Er versuchte das Lächeln genau so fröhlich zu erwidern, doch er scheiterte. Woher kam auf einmal diese gedrückte Stimmung? Irgendwas braute sich in ihm zusammen, aber er wusste noch nicht genau was. Eigentlich wollte er es auch gar nicht wissen. Dafür war der Morgen doch viel zu schön! Aoi und er hatten sich letzte Nacht geküsst! Richtig geküsst! Und Aois guter Laune nach zu urteilen bereute dieser es nicht. Darüber sollte er sich doch freuen, oder? Nein. Der Jüngere hätte zu gerne nur diese Freude empfunden, aber da war eine andere Stimme in seinem Kopf. Eine, die ihn daran erinnerte, dass es immer gleich ablief. Immer dasselbe Spiel. Aoi und er kamen sich näher und danach verhielten sie sich so als wäre das alles nie passiert. Die Umarmung, ihr erster Kuss und jetzt auch die letzte Nacht. Die Aktionen änderten sich, aber ihr Verhalten blieb gleich. Und wie weiter? Konnte man behaupten, dass sich ihre Beziehung so weiterentwickelte? Konnte man von Entwicklung sprechen, wenn das Verhalten identisch blieb? Nein. Sie hatten sich ein Muster angewöhnt, das so keine Zukunft hatte. Aber Kanon traute sich nicht etwas zu sagen und damit den Teufelskreis zu durchbrechen. Und was Aoi davon hielt, konnte er nicht sagen. Weil sie ja nicht redeten! Kanon wusste nur zu gut, was der nächste Schritt sein würde. Aoi hatte es schließlich schon angedeutet. Aber wollte er das wirklich? Wollte er irgendwann mit Aoi schlafen und am nächsten Tag so tun als wäre nichts gewesen? Natürlich machte es ihn glücklich, wie Aoi ihn jetzt mit glänzenden Augen betrachtete. Aber er wollte mehr. Er wollte Worte. Ein Liebesgeständnis. Er wollte Sicherheit und er wollte diese bestimmten Worte einfach hören. Wie sie aus Aois Mund wohl klangen? Es fiel Kanon schwer, sich das vorzustellen. Er sah den Anderen an und versuchte sich dessen Stimme vorzustellen, wie sie diese Worte sagte. Aber es funktionierte nicht. Er würde es wohl erst erfahren, wenn er sie wirklich hörte. Wenn er sie jemals hörte. „Ich hab nichts zu essen hier…“, sagte Kanon deshalb, da er schon bemerkte, dass Aoi dazu ansetzen wollte, etwas zu sagen. Er hätte ihn bestimmt gefragt, ob alles in Ordnung war. Und dann hätte Kanon ausweichend geantwortet, weil er sich nicht traute, jetzt darüber zu reden. Eine Tatsache, die ihn selbst unglaublich ärgerte. Einerseits regte er sich darüber auf, dass sie nicht weiterkamen, und im nächsten Moment lenkte er ab, um nicht zu reden, weil er einfach zu feige dafür war. Aber er hatte einfach Angst. Angst davor, dass er sich nur irgendetwas einbildete und sein Glücksgefühl nach einem Gespräch zusammenbrach. Aoi schien allerdings verstanden zu haben, denn er stand vom Sofa auf und zuckte kurz mit den Schultern. „Gehen wir doch irgendwo frühstücken. Oder was meinst du?“ Kanon nickte. Was anderes blieb ihnen ja nicht übrig, wenn sie nicht verhungern wollten. Und das würde ihn zu einem wirklich schlechten Gastgeber machen. Aber wenn sie irgendwo frühstücken gingen, bedeutete das auch, sie würden jetzt gehen müssen. Sein Blick fiel auf die vertrocknete Pflanze und er biss sich auf die Lippe. Es ging einfach nicht anders, wenn er sein Gewissen zumindest ein klein wenig beruhigen wollte. „Ich muss noch kurz was machen.“ Damit verschwand er schnell in die Küche, um ein Glas mit Wasser zu füllen und die Flüssigkeit anschließend in die vertrocknete Erde zu gießen. Es war sinnlos. Kanon wusste es und das machte seine Stimmung nicht besser. Er hätte hier sein müssen. Während sich Aoi seine Jacke anzog, ließ der Jüngere seinen Blick durch das Zimmer wandern. Der Bass lehnte schon eingepackt an der Wand neben der Tür. Bereit, sodass er ihn mit in die Wohnung nehmen konnte. In Aois und Reitas Wohnung. Wo er eigentlich gar nicht hingehörte. Es fiel ihm wirklich schwer die Tür hinter sich zu zuziehen. Seine Wohnung wieder zu verlassen. Sein Zuhause. „Willst du nicht noch abschließen?“, fragte Aoi verdutzt, als der Jüngere es endlich geschafft hatte sich selbst dazu zu zwingen, den Türgriff loszulassen und zu gehen. Ohne zu antworten ging Kanon wieder zurück. Es war es sonst nicht gewohnt die Tür abzuschließen, weil er seine Wohnung auch eigentlich nie lange verließ, wenn sie nicht gerade auf Tour waren. Wieso fiel es ihm nur plötzlich so schwer zu akzeptieren, dass er weiterhin bei Reita und Aoi wohnte? Er fühlte sich da doch wohl! Er wollte weiterhin bei ihnen wohnen, oder? Oder? Aoi schien nichts von seinem inneren Kampf mitzubekommen. Stattdessen hörte Kanon den Älteren hinter sich leise über seine Zerstreutheit kichern, während er den Schlüssel ins Schloss steckte. „Schließ lieber doppelt ab! Wer weiß, wann du deine Wohnung das nächste Mal sehen wirst!“ Kanon stoppte in seiner Bewegung, als er Aois fröhlichen Worte hörte. Wieso stimmten sie ihn nicht fröhlich? Schnell befolgte Kanon die Anweisungen des Gitarristen und lief dann mit gesenktem Kopf an ihm vorbei. Er konnte Aoi gerade nicht in die Augen sehen. Der Person, die er liebte und die mit ihm immer einen Schritt weiter ging. Nur damit Kanon am Ende feststellen konnte, dass sie doch kein Stück weitergekommen waren. Er konnte Aoi nicht ansehen. Weder um ihm zu sagen, dass er ihn liebte. Noch um ihm mitzuteilen, dass er inzwischen ziemlich genau wusste, wann er seine Wohnung wiedersehen würde. Aoi schien die Autofahrt über Kanons gedrückte Stimmung einfach zu ignorieren. Der Bassist hatte ihm anscheinend klar machen können, dass er keine Lust hatte zu reden und der Ältere akzeptierte das. Stattdessen erzählte er selbst alle möglichen lustigen Geschichten. Zwar wusste Kanon, dass die Aufmunterungsversuche lieb gemeint waren, aber er schaffte es meistens nicht mehr als ein gequältes Lächeln hervorzubringen. Als das Auto dann allerdings hielt und er sehen konnte, wo Aoi sie hingebracht hatte, schlich sich das erste Mal ein echtes Schmunzeln auf seine Lippen. Es roch genau wie beim letzten Mal. Nach Kaffee und Schokolade. Und es war die gleiche Atmosphäre, die Kanon ein warmes Gefühl gab. Gleich wurden sie von einer Mitarbeiterin des Cafés begrüßt und, nachdem Aoi ein paar kurze Worte mit ihr gewechselt hatte, zu dem Tisch geführt, an dem sie auch das letzte Mal gesessen hatten. Es war nicht wirklich voll. Wahrscheinlich war es eher ein Café, in das die Leute nachmittags nach der Schule oder Uni gingen. „Die haben hier auch tolles Frühstück!“, erklärte Aoi ihm, nachdem sie ihre Jacken ausgezogen und sich an den Tisch gesetzt hatten. Kanon verdrängte die Frage, woher Aoi das wusste und ob er schon öfters zum Frühstück hier gewesen war. Und vor allem mit wem. Deshalb nickte er mit einem Lächeln und nahm die Karte, die auf dem Tisch lag. Der Ältere versuchte ihn aufzumuntern! Er sollte sich wirklich mal zusammenreißen. Gerade weil er beschlossen hatte auszuziehen, sollte er jede Minute mit dem anderen genießen, solange er noch die Zeit dafür hatte. Er konnte ihm auch noch später seinen Entschluss mitteilen. Außerdem war die Atmosphäre und Aois Absicht viel zu schön, als dass er sie weiterhin mit seiner schlechten Laune kaputt machte. „Wollen wir nicht von allem irgendwas bestellen und dann zusammen essen?“ Kanon legte die Karte, nachdem er sie genau betrachtet hatte, wieder in die Mitte des Tisches und schenkte dem Anderen ein ehrliches Lächeln. Na also, so schwer war das doch gar nicht! „Ich kann mich nicht entscheiden!“ Aois Lachen tat sein Übriges und es gelang dem Bassisten tatsächlich, seine Sorgen in den Hintergrund zu schieben. Kurze Zeit später stand ein großes Frühstück aus Toast, Ei, Croissants und weiteren Leckereien vor ihnen, da sich Aoi auch nicht wirklich hatte entscheiden können. „Das könnte wirklich zur Gewohnheit werden!“ Kanon schob sich ein Stück Toast in den Mund. „Heißt das etwa, dir schmeckt das fünf-Gänge-Frühstück bei uns zu Hause nicht?“ Empört stemmte Aoi die Hände in die Hüften. „Fünf?“, fragte Kanon gespielt ernst. „Lass mal nachzählen. Da hätten wir Reis vom Vortag, Kuchen, Pizza vom Vortag, Müsli mit Milch. Was wär der fünfte Gang?“ „Wir hatten auch schon Müsli ohne Milch“, antwortete Aoi mit einem so trockenen Unterton, dass Kanon zu lachen begann. Auch der Ältere stimmte kurz danach mit ein. Sie machten sich noch eine Weile lang über ihre schrecklichen Essgewohnheiten lustig und beruhigten sich erst, als einer der Kellner ihnen einen ziemlich bösen Blick zu warf. Kanon versuchte daraufhin sein Lachen zu unterdrücken und wischte sich die Tränen aus den Augen. Sie waren wirklich laut geworden. Aber es hatte ihm gut getan. Wirklich gut. Hier her zu kommen war eine schöne Idee gewesen. „Die wunderbare Bewirtung bei euch zu Hause mal nicht mitgezählt“, ergriff Kanon lächelnd das Wort, während Aoi bei seiner Wortwahl fast wieder zu Lachen begann, „werde ich deinen Kaffee und die lustigen Gespräche am Frühstücksstisch wohl am meisten vermissen.“ Es brauchte kurz bis Kanon völlig realisierte, was er gerade gesagt hatte. Panisch richtete er seinen Blick auf seinen Teller. Er hatte Aoi doch nur sagen wollen, wie schön er es fand mit ihm zusammen zu frühstücken. Wieso hatte er jetzt gesagt, dass er das vermissen würde? Schließlich bedeutete das zwangsläufig, dass er ausziehen würde. Allerdings war es ja auch logisch, dass er irgendwann ausziehen musste. Das würde wohl auch Aoi klar sein, oder? Kanon schluckte. Er sollte dem Gitarristen sein Vorhaben erzählen, bevor es ihn noch verrückt machte. „Aoi, ich…“ „Hier, probier mal!“ Bevor Kanon überhaupt etwas erwidern konnte, hatte Aoi die Gelegenheit genutzt, um ihm etwas in den Mund zu schieben. Überrascht kaute Kanon auf dem Essen herum, bevor er angewidert das Gesicht verzog. „Was ist das?“, fragte er seinen Gegenüber, der ihm ein freches Grinsen schenkte. „Salami mit Marmelade.“ Kanon griff schnell nach seinem Glas und trank es mit einem Zug aus, um Aois widerliche Kreation und dessen Nachgeschmack so schnell wie möglich runterzuspülen. Zu wissen, was es war, hatte es nicht gerade leckerer gemacht. „Schmeckts nicht?“, fragte der Ältere mit einem spitzbübischen Grinsen auf den Lippen. „Jetzt sag mir nicht, dass dir das schmeckt!“, stellte Kanon empört die Gegenfrage, nachdem er sein Glas wieder abgestellt hatte. „Ach, so schlimm ist das doch auch wieder nicht! Man gewöhnt sich an alles.“ Anscheinend wirklich überzeugt davon führte Aoi seinen Salami-Marmeladen-Toast an den Mund und biss übertrieben genießerisch davon ab. Der Bassist schüttelte lachend den Kopf. „Du bist unmöglich.“ Ein Grinsen war alles, was er als Antwort bekam. Als sich Kanon anschließend einen Crossaint vom Teller vor sich nahm, bemerkte er erst, dass Aoi es gekonnt geschafft hatte, ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Eigentlich hatte er ihm doch sagen wollen, dass er ausziehen würde! Er warf dem Älteren einen Blick zu, während sich dieser neue merkwürdige Kreationen ausdachte. Ob er das mit Absicht gemacht hatte? Aber selbst wenn… Auch Aoi musste doch wissen, dass er früher oder später ausziehen musste. Trotzdem konnte Kanon nicht verhindern, dass ein warmes Gefühl in ihm aufkam, wenn er daran dachte, dass dem Anderen das „später“ wohl lieber war. Und mit diesem warmen Gefühl stieg auch ein mulmiges in ihm auf. Das würde dann allerdings auch bedeuten, dass es ihm seine Entscheidung nicht gerade leichter machte. Aber ob Absicht oder nicht, er musste es wohl oder übel verschieben. Aoi war viel zu gut drauf für ein solches Gespräch. Sie hatten gerade viel zu viel Spaß. Und wer wusste, wie lang sie den noch zusammen haben würden. Er würde später mit Aoi darüber reden. Vielleicht war Reita ja zu Hause und konnte Kanon in seinem Vorhaben unterstützen. Irgendwie. Zufrieden mit seinem Plan schob er diesen erstmal in den Hintergrund und genoss die nächste Stunde in dem Café, die er noch allein mit Aoi hatte, bevor sie sich allmählich und ziemlich unwillig auf den Heimweg machten. Sie lachten, als sie ins Auto einstiegen. Im Nachhinein wusste Kanon zwar nicht mehr, was der Grund dafür gewesen war, doch er konnte sich noch an Aois Lachen erinnern. An den Klang seiner unbeschwerten Stimme. Je weiter sie sich von dem Café entfernten, desto weniger lachten sie. Bis sie ganz schwiegen. Als Aoi das Auto vor seiner Wohnung parkte, wirkte sein Blick beinahe versteinert. Gerne hätte Kanon etwas Aufmunterndes gesagt, doch es fiel ihm nichts ein. Schließlich ging es ihm auch nicht unbedingt besser. Das Frühstück war ein Ausflug in eine Traumwelt gewesen, in der es keine Probleme gegeben hatte. Jetzt mussten sie sich wieder der Realität stellen. Und Kanon hatte die Befürchtung, dass er es war, der Aoi mit dieser konfrontieren musste. Die Treppenstufen kamen dem Bassisten endlos vor und dennoch standen sie schon viel zu schnell vor der Wohnungstür. Mit einem mulmigen Gefühl sah Kanon dabei zu, wie Aoi den Schlüssel aus seiner Tasche nahm. „Warte kurz!“ Kanon kaute nervös auf seinem Piercing, während Aoi seiner Bitte folgte und in seiner Bewegung inne hielt. Der Ältere sah den Bassisten fragend an, der selbst nicht genau wusste, wieso er das dringende Bedürfnis gehabt hatte, Aoi in seinem Tun zu stoppen. Er hatte nur irgendwie das Gefühl gehabt, ihren Ausflug nicht so enden lassen zu können. „Danke, dass du mich wieder mit ins Cafe genommen hast“, meinte Kanon beinahe schüchtern. „Und danke, dass du mit in meine Wohnung gekommen bist. Es war ein wirklich schöner Abend, fand ich.“ Zwar war Kanons Stimme immer leiser geworden, doch trotzdem sah er Aoi weiterhin fest in die Augen. Er traute sich zwar nicht, es offen auszusprechen, aber er wollte dennoch, dass Aoi wusste, dass ihm der Kuss gefallen hatte und ihm etwas bedeutete. Kanon hoffte inständig, dass Aoi in diesem Moment in der Lage war, seinen Blick richtig zu deuten, so wie er es schon so oft davor getan hatte. Nach einigen Sekunden des stummen Blickkontakts schenkte Aoi dem Jüngeren ein kleines aber ehrliches Lächeln. „Ein schöner Abend, ja.“ Mit diesen Worten drehte er sich von Kanon weg und öffnete die Tür zu seiner Wohnung. Kapitel 57: Wie man mit der Tür ins Haus fällt ---------------------------------------------- Die Sommerpause ist zu Ende~~ und wir sind wieder voll für euch da ^__^ Wir hoffen, ihr hattet nen schönen Sommer! Unserer war mehr oder weniger stressig (deshalb auch die Pause ;D), aber trotzdem schön ^^ Wir sind sogar ein bisschen zum Schreiben gekommen und deshalb können wir auch heute für euch ein neues Kapitel hochladen! Weil ihr aber sicher keine große Lust auf irgendwelche langen Vorworte habt, wünschen wir euch auch jetzt gleich viel Spaß beim Lesen des neuen Kapitels! Schön euch weiterhin dabei zu haben ^^ __________ Kapitel 57 Wie man mit der Tür ins Haus fällt „Ach, auch schon da“, hörte Kanon Reitas Stimme schon von draußen. Aoi überhörte den Kommentar gekonnt und zog seine Schuhe aus, bevor er das Wohnzimmer betrat. Der Jüngere folgte ihm und sah den Blonden auf dem Sofa sitzen. Seinen Bass auf dem Schoß, ein paar Blätter auf dem Tisch verteilt und den Laptop neben sich auf der Couch. Schien so, als würde Reita wirklich mal arbeiten. Jetzt erst fiel Kanon auf, dass er das bei dem Anderen noch nicht sonderlich oft gesehen hatte. Zumindest arbeitete Reita wirklich selten im Wohnzimmer. Weder an Papierkram, noch an seinem Bass. Vielleicht würde sich das wieder ändern, wenn Aoi wieder sein Zimmer für sich hatte und nicht den ganzen Tag im Wohnzimmer verbrachte. Wenn Kanon selbst wieder nach Hause zurückgehen würde. In sein eigenes Zuhause. Der Jüngste biss sich auf die Lippe. Seine Gedanken begannen sich im Kreis zu drehen. Er musste Aoi sagen, dass er ausziehen musste. Aber je mehr er darüber nachdachte, wann denn der richtige Zeitpunkt dafür war, desto schwerer fiel es ihm, das Thema anzusprechen. Und als er darüber nachdachte, was er sonst in einer solchen ausweglosen Lage, in der er einfach nicht weiterwusste, machte, wurde seine Laune auch nicht besser. Er würde normalerweise Teruki anrufen und ihn um Rat bitten. Nur seit dem Streit zwei Tage zuvor, herrschte zwischen ihnen Funkstille, darum schied diese Möglichkeit aus. Aber weil der Drummer der Einzige war, der wirklich zumindest annähernd von seinen Gefühlen zu Aoi wusste, konnte er jetzt auch nicht einfach so bei einem seiner anderen Freunde mit der Tür ins Haus fallen. Kanon seufzte. Jetzt hatte er es auch noch geschafft zu dem Problem mit dem Gespräch über den Auszug Gewissensbisse hinzuzufügen. „Hast du heute noch was vor?“, riss ihn Aoi aus den Gedanken, woraufhin er nur ein Kopfschütteln erntete. „Keine Proben in nächster Zeit?“, kam es jetzt aus Richtung Sofa. Kanon hätte Reita in diesem Moment am liebsten angeschrien. Es reichte doch schon, dass Aoi seine Gedanken lesen konnte! Mit einem Grummeln stellte er den Bass ab, den er über der Schulter getragen hatte. „Hatten Streit.“ Hoffentlich merkten die Anderen, dass er keine Lust hatte, über dieses Thema zu reden. Ihn plagte der Gedanke ja so schon genug, dass sie professionell genug sein müssten, trotz Streit ihrer Arbeit anständig nachzugehen. Als wolle er Kanons Gewissen noch weiter belasten, schnaubte Reita verächtlich. Allerdings war sein Blick lange nicht so herablassend wie in den letzten Tagen. Er lächelte sogar, als er sich dann an Aoi wandte: „Ich glaub, wenn wir das auch so handhaben würden, kämen wir gar nicht mehr zum Proben.“ Der Gitarrist antwortete nur mit einem Murren und schenkte seinem Bandkollegen nur einen kurzen und bösen Blick. Reitas Lächeln erstarb sofort und er drehte sich weiter um, sodass er Aoi und Kanon sehen konnte. „Was ist eigentlich dein Problem?“ Kanon seufzte bei der Frage des Bassisten. Wieso konnten sie sich nicht einfach vertagen? Er war es müde zu streiten. „Du bist mein Problem. Weil du störst. Ständig“, meinte Aoi kalt. Kanon starrte den Gitarristen fassungslos an. Das waren harte Worte gewesen. Und scheinbar sah das Reita auch so. Der Blonde wirkte sprachlos, sogar ein bisschen verletzt. Es brauchte einige Zeit bis er darauf antworten konnte: „Und wann stör ich dich bitte? Wenn ich mich in meiner eigenen Wohnung frei bewege? Oder wenn ich mir Sorgen mache, weil ich mitten in der Nacht feststelle, dass ihr beide einfach verschwunden seid?“ „Ach, jetzt tu doch nicht so als ob du dir wirklich Sorgen gemacht hast! Du wolltest uns doch nur nachspionieren und nerven!“, feuerte Aoi gleich zurück. Zwar bekam Kanon mit, dass Reita in einer nicht gerade leisen Tonlage etwas erwiderte, doch er hörte den beiden nicht mehr zu. Er konnte es nicht mehr ertragen. Er hatte kein Problem damit, wenn sie sich wegen irgendwelcher Kleinigkeiten in die Haare bekamen. Er hatte gelernt, dass das ein Teil ihrer Freundschaft war. Aber die Stimmung, die sich in den letzten Tagen zwischen Aoi und Reita ausgebreitet hatte, hatte nur noch wenig mit Freundschaft zu tun. Erst jetzt merkte Kanon, dass nicht nur Aoi und er mit ihrer Beziehung in einer Sackgasse steckten. Sie hatten sich alle drei verrannt. Und als Kanon die beiden Freunde betrachtete, die sich weiter mit wutverzerrten Gesichtern anschrien, wusste er, dass es nur einen Ausweg für sie alle gab. „Ich werde ausziehen.“ Sofort war es still. Aoi sah ihn mit offenem Mund an und Reita eher ein wenig verwirrt. „Ich zieh aus“, wiederholte Kanon nochmal, diesmal allerdings leiser und mit ruhiger, aber dennoch fester Stimme. Es ging so nicht weiter. In Aois und seiner Beziehung machten sie zwar mit der Zeit immer wieder einen weiteren Schritt nach vorne, aber wenn man es insgesamt betrachtete, dann sah es nur von außen so aus. Ja, sie steckten fest. Und das würde sich nicht ändern, wenn er weiter hier wohnte. Wenn er selbst nichts änderte. Vor allem jetzt, da das auch noch Reitas und Aois Freundschaft betraf, blieb ihm gar keine andere Wahl. Er wollte nicht die Ursache für diese ständigen Streitereien sein. So gern er auch weiter in Aois Nähe bleiben würde. Ihn jeden Tag sehen würde. Kanon würde all die kleinen, täglichen Rituale schrecklich vermissen, da war er sich jetzt schon sicher. Ob sie Aoi wohl auch vermissen würde? „Wann?“ Der Gitarrist war der Erste, der die Stille durchbrach. Seine Stimme war leise. Bildete sich Kanon den traurigen Blick nur ein? Dann fiel ihm ein, dass er sich über das Datum eigentlich noch gar keine wirklichen Gedanken gemacht hatte! Super. So eine Aussage zu machen und dann nicht mal weiterzudenken. Wann also? Kanon fiel nur ein Datum ein, das sinnvoll war. „In sieben Tagen hieß es, also… In sieben Tagen.“ Das war zumindest das Datum, das Teruki und Reita beschlossen hatten. Und Kanon brachte es nicht übers Herz, früher zu gehen. Warum also nicht am sowieso schon beschlossenen Termin? Dann musste sich niemand umstellen und alles lief nach Plan. Wenn ihm der Plan doch nur gefallen würde… „Wenn ihr mich noch so lang hier behaltet“, fügte er anschließend aber noch etwas leiser hinzu. Vielleicht wollte Aoi ja auch gar nicht, dass er nach diesem Beschluss auch nur noch einen Tag länger blieb. Reita sah ihn noch einen Moment an, bevor er sich mit einem „Okay“ wieder umwandte und begann auf seinem Laptop rumzutippen begann. Kanon war sich nicht sicher, ob der Blonde wirklich arbeitete oder einer richtigen Konfrontation einfach aus dem Weg gehen wollte. Kanons Blick ruhte nun allein auf Aoi. Er konnte nicht genau einschätzen wie der Gitarrist reagieren würde. War er sauer? Traurig? Oder war es ihm vielleicht sogar egal? Der Ältere sah Kanon nicht mehr an, sondern starrte auf den Fußboden. Statt einer Antwort bekam der Jüngere nur ein Nicken, bevor Aoi sich von ihm wegdrehte und in seinem Zimmer verschwand. Kanon konnte nur verzweifelt dabei zusehen wie sich die Tür leise schloss. Kein böser Blick, kein trauriges Seufzen, kein wütendes Zuschlagen der Türe. Nichts. Aoi hatte ihn nicht sehen lassen, was er fühlte. Eine Tatsache, die Kanon einen Stich versetzte. „Super Timing, Kleiner“, hörte er Reita vom Sofa aus sagen. Er hatte schon beinahe vergessen, dass der andere Bassist auch noch da war. Seufzend ging Kanon mit seinen Bass in der Hand um die Couch herum und ließ sich dann neben Reita fallen. „Als ob ich mir von dir etwas über Timing erzählen lassen müsste“, murrte Kanon zurück. Ein Kommentar, der ihm vor ein paar Wochen wohl noch Todesängste beschert hätte, kurz nachdem er über seine Lippen gekommen wär. Oder wenigstens eine ordentliche Kopfnuss von Reita. Wahrscheinlich hätte er sogar eine ordentliche Kopfnuss verdient. Wenn auch nicht unbedingt für seine Bemerkung, sondern eher für sein Verhalten. Er hätte das Thema anders ansprechen müssen. Er sollte mit Aoi reden und ihm seine Entscheidung richtig erklären. „Lass ihm ein bisschen Zeit.“ Überrascht sah Kanon Reita an, der weiter auf seinem Laptop rumtippte. „Wieso kann eigentlich jeder von euch meine Gedanken lesen? Das wird so langsam echt gruselig“, antwortete Kanon grimmig. „So sehnsüchtig wie du Aois Zimmertür anstarrst ist das nicht gerade schwer“, gab Reita sachlich zurück, was Kanon nur mit einem Murren kommentierte. Den Bassisten schien es aber nicht weiter zu stören, dass Kanon keine Lust auf Konversation hatte, sondern redete einfach weiter: „Ich weiß, dass das schwer zu glauben ist, weil Aoi in deiner Gegenwart immer so tut als wär er der gutmütigste Mensch auf der Welt und dieser ganze andere schmalzige Kram, den er abzieht, seitdem du hier bist, aber Aoi ist ein Hitzkopf. Lass ihm also ein wenig Zeit, um sich zu beruhigen und red dann mit ihm.“ Kanon wusste darauf nichts zu erwidern. Wahrscheinlich hatte Reita Recht. Wahrscheinlich war Aoi wirklich ein Hitzkopf, so wie ihn alle anderen immer beschrieben, auch wenn er ihn selbst nur selten so wahrnahm. Aber trotzdem fiel es ihm schwer, das jetzt vorerst so stehen zu lassen. Der Gitarrist war seit Kanons Einzug nur noch selten in seinem Zimmer gewesen, wohl aus dem Grund, weil er es in dieser Zeit als Kanons Zimmer angesehen hatte. Die Tatsache, dass er jetzt so selbstverständlich darin verschwand, verhieß nichts Gutes. Es bedeutete wohl, dass Aoi wirklich unter allen Umständen allein sein wollte. Erst als ihm die Stille im Raum unangenehm auffiel, hob Kanon den Kopf und bemerkte, wie Reita ihn regungslos und überlegend ansah. Nach ein paar Sekunden klappte er mit einem Seufzen den Laptop zu, stellte ihn auf den kleinen Wohnzimmertisch und deutete auf den Basskoffer, der am Sofa lehnte. „Lass uns was spielen!“ Der Jüngere folgte seinem Blick und überlegte einen Moment. Im ersten Augenblick hatte er eigentlich keine große Lust dazu und wollte lieber noch ein bisschen Trübsal blasen, aber dann nickte er doch. Still vor sich hin leiden brachte ihn auch nicht weiter und es sich jetzt auch noch mit Reita zu verscherzen wollte er wirklich nicht. Außerdem schätzte er dessen Versuch ihn abzulenken. Der Blonde hatte ja sicher auch zu tun, sonst würde er nicht hier sitzen und arbeiten, und trotzdem schlug er Kanon sowas vor. Also griff dieser nach seinem Bass, um ihn auszupacken. Anfangs bekam er Aoi überhaupt nicht aus dem Kopf, aber je länger sie spielten, desto besser wurde seine Laune. Es war niedlich zu sehen, wie sich Reita anscheinend wirklich Mühe gab, ihn auf andere Gedanken zu bringen. Manchmal konnte der Ältere ein echter Idiot sein, aber Kanon konnte so langsam immer besser verstehen, warum Aoi mit ihm befreundet war. Die Zeit verging schneller als gedacht und bevor sie es bemerkten, war es beinahe Nachmittag. Die beiden Bassisten waren gerade in Cassis vertieft, als der Jüngere aus den Augenwinkeln wahrnahm, wie sich die Tür zu seinem Zimmer öffnete. Es fiel Kanon schwer, sich weiterhin auf die Noten zu konzentrieren und als Aoi langsam zum Sofa rüberkam, hörte Reita auf zu spielen, um sich zu dem Anderen umzudrehen. Kanon stoppte natürlich auch sofort in seinen Bewegungen, fast schon froh, dass der Blonde dies zuerst getan hatte, und darauf wartend, was jetzt kam. Nach einigen Sekunden des Zögerns, hob der Älteste den Kopf und seiner und Kanons Blick trafen sich. „Braucht ihr vielleicht noch nen Gitarristen?“ „Also… wenn ich mir überleg, dass ich bei dem Lied sonst gegen drei Gitarren anspielen muss…“ „Ja!“, unterbrach Kanon Reita ohne zu wissen, was dessen Antwort letztendlich gewesen wäre. Aber das war ihm auch egal. Aoi sollte wissen, dass er gerne mit ihm zusammen spielen würde. Sehr gerne sogar. Und wenn er das schüchterne Lächeln des Älteren richtig interpretierte, so war auch genau diese Botschaft angekommen. Aoi nickte nur und wollte sich dann auf den Sessel setzten, als Reita sich vom Sofa erhob. Sowohl Aoi als auch Kanon starrten den Blonden an. Wollte der Bassist jetzt einfach gehen? Wollte er einen neuen Streit anfangen? Ohne ein Wort zu sagen schob Reita seinen Kollegen zur Seite und ließ sich dann selbst auf den Einsitzer fallen. „Meiner“, erklärte er sich, während er seinen Bass wieder auf seinen Schoss platzierte. Aoi wirkte kurz ziemlich verdutzt, nickte seinem besten Freund dann aber doch lächelnd zu und setzte sich neben Kanon auf die Couch, wo gerade noch Reita gesessen hatte. Sie sprachen alle kein Wort, während Aoi seine Gitarre stimmte und begannen dann gemeinsam noch einmal mit Cassis. Kanon genoss ihre kleine Probe mehr als er gedacht hatte. Sie hatten schon seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr so unbeschwert zusammengesessen und einfach Musik gemacht. Es war auch schön endlich wieder Reita und Aoi gemeinsam lachen zu sehen, ihnen bei ihren kleinen Sticheleien zuzuhören und manchmal sogar mitzumachen. Er schielte zu Aoi herüber, der gerade in sein Gitarrenspiel vertieft war und dabei zufrieden lächelte. Es freute ihn, Aoi so zu sehen. Es fühlte sich alles wieder richtig an und bestätigte ihn in seiner Entscheidung. Ein Teil seiner guten Laune verflog bei dem Gedanken. Seine Entscheidung. Die Entscheidung auszuziehen und diese unbeschwerten Stunden hinter sich zu lassen. Ebenso wie das Zusammenleben mit dem Mann, in den er sich verliebt hatte. Tapfer versuchte der Jüngste die Gedanken beiseite zu schieben und sich auf das nächste Lied zu konzentrieren. Allerdings kam das unbeschwerte Gefühl nicht mehr zurück. Sie spielten noch zwei weitere Lieder, bis Reita sich dann von seinem Sessel erhob und erst einmal ausgiebig streckte. „Ich hab inzwischen ganz schön Hunger. Ich glaub, ich geh mal einkaufen. “ Aoi und Kanon sahen den Anderen mit einem ähnlich perplexen Gesichtsausdruck an. Reita und freiwillig einkaufen gehen? Das passte absolut nicht zusammen. Kanon war sich ziemlich sicher, dass er das – so abwegig es auch klang – für ihn und Aoi tat. Um ihnen ein wenig Zeit allein zu geben. Diese Stimmungsschwankungen bei Reita waren wirklich nicht zu erklären. Im einen Moment schien er seine beiden Mitbewohner für ihre Verbundenheit zu hassen und im nächsten Moment kam es fast so rüber, als wollte er sie miteinander verkuppeln! Es gab diese Momente, in denen Kanon den Gedanken an Reitas und Aois Aktion vor ein paar Jahren einfach nicht beiseiteschieben konnte. Was, wenn der Blonde das nicht ganz so wie Aoi sah? Nicht ganz so „einmalig“? Das würde zumindest diese Genervtheit und manchmal auch Aggressivität erklären, wenn Kanon dem Gitarristen so nah war. Aber was sollten dann diese Aktionen wie eben? Er sah Reita dabei zu, wie er kurz in sein Zimmer ging und ein paar Augenblicke später mit seinem Geldbeutel wieder rauskam. Seine Schuhe hatte er schnell an und mit einem „Bis später!“ verließ er die Wohnung und ließ Aoi und Kanon allein auf dem Sofa zurück. Kapitel 58: Wie man der Wahrheit ins Gesicht sieht -------------------------------------------------- Kapitel 58 Wie man der Wahrheit ins Gesicht sieht Das Geräusch der Tür war das Einzige, was in den nächsten paar Sekunden durch den Raum schwang. In ihren Ohren nachklang. Es wäre merkwürdig, jetzt einfach so weiterzuspielen. Sie wussten schließlich beide, dass Reita niemals freiwillig und ohne Aufforderung einkaufen gehen würde. Zumindest nicht, bevor er sich nicht vergewissert hatte, dass jemand anderes bald gehen würde. Kanon begann mit seinem Piercing zu spielen. Folgte jetzt das Gespräch, vor dem er so Angst hatte? Bei dem sie über ihre Gefühle reden mussten? Sein Blick war auf die Saiten seines Basses gerichtet, aber er bekam aus den Augenwinkeln mit, wie Aoi die Gitarre vom Schoß nahm und an die Seite des Sofas lehnte. Kanons Herz begann noch schneller zu schlagen. Seine Finger verkrampften sich um das Griffbrett. „Ich glaub wir lassen es für heute gut sein“, hörte er den Älteren neben sich. Und obwohl die Worte freundlich gewesen waren, hörte Kanon die ernste Aufforderung dahinter: Er solle jetzt das Instrument weglegen und sich Aoi erklären. Der Bassist seufzte und stellte dann tatsächlich seinen Bass zur Seite. Vorhin hatte er doch noch selbst das Gespräch mit Aoi führen wollen. Wieso fiel es ihm jetzt plötzlich so schwer die richtigen Worte zu finden? Wie sollte er das Gespräch beginnen. „Sieben Tage also?“, durchbrach Aoi die Stille. Kanon nickte. Wenigstens hatte Aoi ihm die Einleitung abgenommen. „Sieben Tage“, bestätigte er leise. „Dann hat er es also mal wieder geschafft seinen Willen durchzusetzen.“ Aoi Worte klangen bitter und er schenkte Reitas Bass einen Todesblick, der wohl eher seinem Besitzer als dem Instrument selbst gelten sollte. „Hör auf Reita dafür verantwortlich zu machen“, meinte Kanon müde. Er war den ganzen Hass so leid. Aoi wandte seinen Blick von dem Instrument ab und richtete ihn auf seinen Nebensitzer. Der Hass hatte sich in Verzweiflung gewandelt. War das die ganze Zeit dahinter gewesen? Verzweiflung? Angst? „Wieso stehst du plötzlich auf seiner Seite?“ Kanon konnte den Vorwurf nachvollziehen. Schließlich hatte sein Motto bis zum vorigen Tag noch „Aoi und ich gegen den Rest der Welt“ gelautet. Aber so einfach war das Leben nun einmal nicht. „Es gibt hier keine Seiten, Aoi.“ ‚Und wenn doch, würde ich immer auf deiner stehen‘, fügte Kanon in Gedanken noch hinzu, doch traute er sich nicht das Geständnis laut auszusprechen. Wahrscheinlich wäre es auch der falsche Zeitpunkt für solche Worte gewesen. Er musste es irgendwie schaffen, Aoi seinen Standpunkt und seine Entscheidung zu erklären, ohne aber dabei zu viel von seinen eigenen Gefühlen zu verraten. „Es war doch eh klar, dass ich hier nur für kurze Dauer wohnen werde. Ich kann schließlich nicht für immer in deinem Zimmer wohnen, oder?“ Kanon lächelte Aoi bei den Worten an, doch dieser sah nur von ihm weg. Der Bassist schluckte und versuchte den unsinnig romantischen Gedanken zu verdrängen, dass Aoi ihn vielleicht wirklich gerne für immer hier behalten würde. „Das geht nicht“, bekräftigte Kanon noch einmal seine eigenen Worte. Wohl auch, um es sich selbst nochmal klarzumachen. Es ging einfach nicht. „Aber du störst doch niemanden!“, warf Aoi ein. Er schien es wirklich nicht zu verstehen. Oder verstehen zu wollen. „Und wenn du jetzt sagst, dass du wegen Reita ausziehst…“ „Es ist nicht wegen Reita!“ So langsam wirklich genervt von diesem Argument verdrehte er die Augen. ‚Es ist für uns!‘, hätte er dem Anderen am liebsten entgegengeschrien, aber die Worte kamen nicht über seine Lippen. Er war einfach noch nicht so weit. „Wieso denn dann?“ Die Frage, die Kanon befürchtet hatte. Auf die er eigentlich nicht antworten wollte, aber die Worte verließen seinen Mund schneller, als er denken konnte. „Weil das nicht real ist!“ Es war nicht real. Seine Beziehung zu Aoi. Mit Aoi. Eine Beziehung, die keine Beziehung war. Sie basierte auf Unsicherheit und er bezweifelte, dass sie unter den momentanen Umständen zu einer richtigen Beziehung werden konnte. Schließlich machten beide keine Anstalten über die gestrige Nacht zu sprechen, obwohl sich in diesem Gespräch sicher schon die Möglichkeit dazu geboten hatte. Genau das war es, was ihnen beiden fehlte. Was ihrer Beziehung fehlte: Reden. Der Mut zum Reden. Die Stille, die sich nun über sie gelegt hatte, gefiel Kanon nicht, also versuchte er sich zu erklären: „Das hier. Dass ich hier wohne. Das ist nicht real. Ich bin nur zu Besuch!“ Aoi ging sofort darauf ein. „Aber du kannst hier wohnen!“ Seine Stimme hatte diesen Ausdruck von Verzweiflung, der den Jüngeren so traf. Er wollte nicht, dass der Andere so war. So verzweifelt. Im Grunde wollten sie doch das Gleiche, nur leider eben auf unterschiedliche Art und Weise. Das glaubte Kanon zumindest. Und was sollte er auch anderes glauben? Nach der gestrigen Nacht. „Du kannst mein Zimmer haben! Ich schlaf weiter auf dem Sofa! Reita soll sich nicht so aufführen! Du…“ Aois Stimme verstummte mit einem Mal. Er hatte eingesehen, dass es sich kindisch anhörte. Dass er ja geradezu schon darum bettelte, dass Kanon hier blieb. Der Jüngere sah es in seinem Blick. „Entschuldige. Wenn du ausziehen möchtest, dann solltest du das natürlich auch tun. Das ist ganz allein deine Entscheidung.“ Aois Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. „Ich dachte nur, dass…“ Der Ältere stutze, als sich ihre Blicke trafen. Kanon sah, wie der Gitarrist mit irgendetwas in sich selbst kämpfte. Er sah so verletzlich aus, dass er ihn am liebsten in den Arm genommen hätte. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, bevor Aoi aufseufzte und weitersprach: „Vergiss es einfach.“ Kanon wartete noch einen Moment, ob der Gitarrist vielleicht doch noch etwas sagte. Ihm erzählte, wieso er sich wünschte, dass Kanon blieb. Doch es kam nichts mehr. Der Jüngere hätte ihn dafür gerne als Feigling bezeichnet, aber er wusste dass er selbst nicht besser war. Aoi konnte ihm nicht den wahren Grund sagen, wieso er wollte, dass Kanon blieb, sowie Kanon Aoi nicht den wahren Grund sagen konnte, wieso er es für besser hielt auszuziehen. Der Ältere hatte inzwischen den Blick abgewandt und starrte auf den Couchtisch. Wahrscheinlich war es ihm peinlich, wie er gerade noch darum gebettelt hatte, dass Kanon bei ihm blieb. Zu gerne hätte der Jüngere ihm diese Sorge abgenommen. Ihm gesagt, dass er sich deshalb nicht zu schämen brauchte, und dem Älteren dann erzählt, wie viel es ihm eigentlich bedeutete, dass Aoi ihn nicht gehen lassen wollte. Aber der Bassist konnte das nicht tun. Seine Angst, dass er mit seiner Annahme doch falsch lag, war viel zu groß. Und dann wäre alles aus. Kanon konnte sich nicht daran erinnern, sich jemals so sehr über Reitas Heimkehr gefreut zu haben. Frustriert erzählte der Blonde ihnen von all den nervigen Leuten, mit denen er sich während seines Einkaufs herumschlagen musste, und durchbrach somit – gewollt oder ungewollt – die bedrückende Stille, die sich nach Aois Worten ausgebreitet hatte. Als sie Reita dann dabei halfen auszupacken und feststellen mussten, dass der Blonde eigentlich nichts fürs Abendessen, sondern fast nur Chips und anderes Knabberzeug, sowie zwei neue DVDs gekauft hatte, schien ihr Gespräch völlig vergessen zu sein. „Davon können wir uns ja die ganze Woche lang ernähren!“, meinte Aoi, während er mit zweifelndem Blick die Ausbeute an Chips betrachtete. „Und damit könnten wir sogar unsere ganze Band noch mit durchbringen!“ „Party!!“, warf Reita plötzlich ein und erhielt dafür nur fragende Blicke. „Wir haben hier schon lang keine Party mehr gehabt! Um genau zu sein keine einzige, seit der Kleine da ist! Der denkt noch wir sind ein Haufen langweiliger Gammler!“ Kanon fand es immer wieder überraschend, wie gut ihn Reita ignorieren und so tun konnte, als stünde er gar nicht nur einen Meter von ihm entfernt. Und dass er glaubte, Kanon würde denken, Gazette könnten keine Partys feiern. Nach all den Geschichten, die der Jüngste gehörte hatte, und vor allem nach Miyavis Geburtstagsparty, würde er Gazette als alles bezeichnen. Nur nicht als „langweilige Gammler“. „Fragen wir die Anderen morgen bei der Probe“, schlug Aoi vor, aber Kanon erwiderte erstmal gar nichts. Das konnte ja heiter werden. Er zwischen Gazette beim Komasaufen. Erst nachdem er diesen Gedanken einigermaßen verdaut hatte, fiel ihm etwas anderes ein. „Ihr habt morgen Probe?“ Der Gedanke an eine Bandprobe ließ seine Laune immer ziemlich sinken. Vielleicht sollte er auch mal irgendjemanden anrufen und fragen, wie es gerade mit Terminen stand. Wenn sich Teruki schon nicht von selbst meldete. Andererseits konnte er sich nicht vorstellen, dass sie wirklich irgendwas Wichtiges machten, ohne ihm Bescheid zu geben. So unprofessionell waren sie dann wohl doch nicht. „Um 9, ja. Oder zumindest eher eine Art Besprechung. Es liegen ein paar Sachen an in nächster Zeit“, antwortete ihm Aoi und erntete einen überraschten Blick von Reita, den er aber einfach ignorierte. Und der Blonde schien auch nicht nachfragen zu wollen, um sich nicht wieder selbst bloß zu stellen. Eine Tatsache, die Kanon schmunzeln ließ und die schlechten Gedanken vertrieb. „Okay, jetzt haben wir aber trotzdem das Problem mit dem Essen“, warf der Jüngste ein, nachdem sie alles ausgepackt hatten. „Wieso?“ Reita sah ihn verwirrt an. „Ich hab unterwegs was gegessen. Hattet ihr auch Hunger?“ Eine Kopfnuss von Aoi folgte. „Natürlich, du Idiot!“ „Dann hättet ihr was sagen müssen!“, verteidigte sich der Blonde und schien seinen Fehler gar nicht einzusehen. Während die beiden sich weiter zankten, dachte Kanon angestrengt darüber nach, ob er aus den gekauften Nahrungsmitteln und dem, was sie noch in der Wohnung hatten, irgendetwas kochen konnte. Ihm fiel aber leider nichts ein, was man aus Chips, Schokolade, Reis und Milch kochen konnte. Stirnrunzelnd betrachtete er die Ware. Reita hatte mindestens sieben Liter Milch gekauft. Wieso? Der Blonde war schließlich nur zu Fuß unterwegs gewesen und wenn man bedachte, dass er noch die ganzen anderen Einkäufe hatte schleppen müssen… Kanons Augen wurden ganz groß, als ihm der einzige Grund einfiel, wieso Reita so darauf fixiert gewesen war, genug Milch einzukaufen. Hatte nicht eine Milch gestern zu ihrem großen Streit geführt? Am vorigen Tag hatte Reita noch die ganze Packung ausgetrunken, nur um Kanon zu zeigen, dass er unerwünscht in seiner Wohnung war, und jetzt kaufte er gleich sieben Liter? Natürlich wusste Kanon nicht, ob es stimmte, aber er fasste das als eine Art Entschuldigung auf. Als ein Zeichen der Wiedergutmachung. Unter Freunden. Am liebsten hätte er den anderen Bassisten für diese Geste umarmt, besann sich dann aber eines besseren. Vielleicht hatte sich Reita bei dem Einkauf auch gar nichts gedacht und er stand dann am Ende wie ein Trottel da. Außerdem wollte er dem Blonden lieber nicht zu nahe kommen, so wie der schon wieder Aoi anbrüllte. Dennoch konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Dann geh ich halt morgen nochmal einkaufen. Ist doch nicht so tragisch“, unterbrach Kanon die Streiterei mit ruhiger Stimme. „Bestellen wir uns eben etwas.“ Der Jüngste lächelte die Streithähne freundlich an, die beide von seiner plötzlichen guten Laune leicht verwirrt schienen. Reita fasste sich als erster wieder. „Hörst du, Aoi? Alles gar nicht so tragisch! Dann bestellen der Kleine und du euch jetzt was und ich leg eine der neuen DVDs ein.“ Ohne auf eine Antwort zu warten stapfte der Blonde selbstzufrieden Richtung Fernseher. Von Aoi wurde die Aktion nur mit einem genervten Seufzen und einem Todesblick kommentiert. „Dafür essen wir später ganz laut Chips und unterhalten uns während dem Film ständig“, flüsterte Kanon dem Gitarristen aufmunternd zu. Scheinbar gefiel Aoi der Plan, denn er schenkte dem Jüngeren ein Grinsen, während er die Nummer des Bestellservices raussuchte. Ebenfalls grinsend ließ sich der Jüngere neben Reita auf das Sofa fallen. Es fühlte sich gut an. Die Zeit, in der er ernsthaft über einen Auszug nachgedacht hatte, war nicht lang gewesen, aber trotzdem zu lang für ihn. Es hatte sich schrecklich angefühlt, Aoi etwas sagen zu müssen, was ihn wohl nicht glücklich machen würde. Jetzt, nach dem Gespräch, fühlte er sich ziemlich erleichtert. Der Gitarrist schien zu verstehen, dass Kanon nicht ewig hier bleiben konnte, auch wenn er den wirklichen Grund für den plötzlichen Beschluss auszuziehen vielleicht nicht kannte. Ihm das zu erklären war dann wohl Kanons nächste große Aufgabe. Wahrscheinlich seine größte, im Zusammenhang mit Aoi. Kapitel 59: Wie man die Nacht verbringt --------------------------------------- Kapitel 59 Wie man die Nacht verbringt Sie setzten ihren Plan in die Tat um. Reita war durch das ständige Geraschel der Chipstüte wohl so genervt, dass er nach dem Ende des Films doch recht schnell in sein Zimmer verschwand, aus dem er auch nicht mehr rauskam. Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, herrschte ein paar Sekunden Stille, bevor Kanon und Aoi sich ansahen und sich ziemlich zusammenreißen mussten, nicht laut loszulachen. Einen wirklich angepissten Reita brauchten sie dann doch nicht. Dafür war Aoi zu gut drauf und Kanon war in solchen Momenten sogar ein bisschen stolz auf sich selbst, dass sein Plan den Anderen aufzumuntern aufgegangen war. Sie saßen noch bis in die Nacht vor dem zurückergatterten Fernseher. Kanon hatte es zwar nicht wirklich darauf angelegt, dass sich Reita so bald in sein Zimmer verzog und er mit Aoi alleine war, aber etwas dagegen sagen würde er mit Sicherheit nicht. Leider merkte er bald, dass sein Körper nicht so ganz mitspielte. Kanon wollte diesen Abend zu zweit aber auch nicht einfach so viel zu früh abbrechen, darum schlug er sich schon seit einiger Zeit mit der Müdigkeit herum. Es war schwer seine Augen davon abzuhalten, ihm andauernd zuzufallen. Nahezu unmöglich. Erst das sanfte Kichern neben ihm erinnerte ihn daran, dass die Augen offen zu behalten nicht seine einzige Aufgabe war. Vielleicht sollte er auch zwischendurch mal mit seinem Nebensitzer kommunizieren. „Was ist denn so lustig?“, fragte er Aoi verwirrt, welcher ihn nur schmunzelnd von der Seite betrachtete. „Nichts. Nur die Tatsache, dass ich gerade einen 10-minütigen Monolog gehalten habe und bezweifel, dass du auch nur ein Wort davon mitbekommen hast.“ Auffordernd sah der Gitarrist Kanon an, der tatsächlich nichts von dem „Gespräch“ gehört hatte. Obwohl er sich ganz dunkel an ein leises Germurmel im Hintergrund erinnern konnte. Aois Stimme hatte so etwas Sanftes und Beruhigendes gehabt. Kanon schüttelte den Kopf, um den Gedanken abzuschütteln. Das war wohl der falsche Augenblick zum Schwärmen. Er versuchte sich wieder auf die Wirklichkeit zu konzentrieren, was ihm aber immer schwerer fiel. Die Müdigkeit setzte ihm doch etwas zu. „Tut mir wirklich Leid. Was hast du gesagt?“ Aoi schenkte ihm ein Lächeln und ging gar nicht erst auf die Frage ein. „Bist du müde?“ Kanon nickte. Es wäre sinnlos gewesen, das zu bestreiten. „Ein bisschen. Hab letzte Nacht wenig Schlaf bekommen.“ „Soso“, kommentierte Aoi gespielt unschuldig, doch Kanon konnte etwas in seinen Augen funkeln sehen, was überhaupt nicht unschuldig wirkte. Sogar das Lächeln hatte jetzt etwas Dreckiges. Der Jüngere brauchte einen Moment, um selbst zu verstehen, was er gerade unbedachter Weise gesagt hatte. Sofort merkte er, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg. Aoi war wohl der letzte Mensch, dem er erklären musste, dass er letzte Nacht wenig Schlaf bekommen hatte. Bilder schossen ihm durch den Kopf, mit denen er sich momentan eigentlich nicht auseinender setzten wollte. Nicht solang Aoi mit diesem Lächeln neben ihm saß und jede seiner Bewegungen genau beobachtete. „Vielleicht wird es so langsam Zeit fürs Bett“, meinte der Gitarrist nach einigen Sekunden Stille und erlöste Kanon damit, der sich gerade ziemlich überfordert gefühlt hatte. Kanon nickte Aoi zu. Es hatte keinen Zweck mehr, sich weiter mit aller Gewalt wach zu halten. Während sich der Jüngere auf den Weg ins Bad machte, sah er noch aus den Augenwinkeln, wie Aoi sein Bettzeug aus dem kleinen Schrank beim Fernseher nahm. Und ohne überhaupt Zeit zu haben, über diese Tat nachzudenken, missfiel sie ihm. Erst als Kanon im Bad stand und sich die Zähne putzte, wurde ihm dieses Gefühl ganz deutlich bewusst. Ihm missfiel diese Selbstverständlichkeit, mit der Aoi handelte. Nach dem, was sie letzte Nacht getrieben hatten, einfach so weiter machen wie zuvor? Das konnte nicht richtig sein! Er hatte zwar jetzt beschlossen auszuziehen, um diesen Dauerzustand zu ändern, aber trotzdem kam er mit dem Gedanken nicht klar, dass sich in den nächsten Tagen wirklich absolut nichts ändern sollte. Dass sie das alles einfach totschweigen und ignorieren würden. Ein seltsames Gefühl machte sich in seinem Bauch breit. Das konnte doch nicht sein, dass sie nichts auf die Reihe bekamen! Auch wenn Kanon der Meinung war, es wäre besser, vor seinem Auszug nicht mehr zu viel zu wagen, wollte er doch zumindest, dass er in den letzten Tagen in dieser Wohnung nichts bereute. Mit dieser Entschlossenheit trat er fünf Minuten später aus dem Bad. Aoi räumte gerade ein bisschen auf. Das Sofa war schon zum Bett umfunktioniert worden, aber das war Kanon egal. „Schläfst du bei mir?“ Diese Aufforderung – was seine Aussage wohl eher gewesen war – überraschte ihn selbst ein wenig. Wann hatte er denn diesen Mut gesammelt? Seine Stimme war fest und sein Blick war auf Aoi gerichtet, der in seiner Bewegung inne hielt und ihn für einen Moment einfach nur anstarrte. Der Bassist war sich der Schwere seiner Frage durchaus bewusst und bemerkte auch, dass sie wohl nicht gerade die beste und freundlichste Einladung gewesen war, aber dieser Unglauben, dass ihre Situation wirklich so festgefahren zu sein schien, ließ keine andere Einladung zu. Es schien eine halbe Ewigkeit zu vergehen, bis Aoi endlich antwortete. In dieser halben Ewigkeit bröckelte Kanons Mut ein wenig, aber er zwang sich, seinen Blick aufrecht zu halten. „Wenn das okay für dich ist?“, kam die Antwort leicht zögernd. Der Jüngere nickte. Natürlich war es okay für ihn! Er hatte schließlich gefragt! Und letzte Nacht war es schließlich auch okay gewesen. Und in der Nacht, in der sie auf dem Dach gewesen waren. Es war immer okay gewesen. „Wenn es mir etwas ausmachen würde, würde ich nicht fragen“, antwortete Kanon und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Wie so oft bewirkte Aois unsichere Seite, dass Kanon selbstbewusster wurde. Der Ältere nickte, schien aber trotzdem leicht überfordert. „Ich geh noch kurz ins Bad.“ „Ich warte im Bett.“ Der Bassist stutzte bei den Worten selbst. Das hörte sich ja schon fast nach dem Gespräch eines alten Ehepaares an. Kopfschüttelnd ging er in Aois Zimmer und legte sich auf das große Bett. Kaum berührte sein Körper die weiche Matratze begann sein Gedächtnis die Szene zu rekonstruieren und Kanon wurde jetzt doch etwas unruhig. Hatte er Aoi tatsächlich darum gebeten, eher gesagt ihm befohlen, das Bett mit ihm zu teilen? Und das nach den Ereignissen der vorigen Nacht? Wie würde Aoi das wohl interpretieren? Kanon riss die Augen weit auf, als ihm ein völlig neuer Gedanke kam. Aoi dachte jetzt wohl hoffentlich nicht, dass sie da weitermachten, wo sie gestern aufgehört hatten? Irgendwie wäre diese Interpretation aber durchaus verständlich. Der Gedanke daran erfüllte Kanon mit Erregung und Unbehagen zugleich. Es wäre absolut falsch jetzt mit dem Gitarristen zu schlafen und würde wohl alles zerstören, was sich zwischen ihnen entwickeln könnte. Die Frage war nur, ob er sein Verlangen ein weiteres Mal unterdrücken und widerstehen konnte. Kanon zuckte zusammen, als er Aois Schritte hörte. Wie sollte er es bitteschön schaffen dem Älteren eine Abfuhr zu erteilen, nachdem er ihn sogar ins Schlafzimmer eingeladen hatte? Und das Ganze am besten ohne, dass ihre Freundschaft daran kaputt ging oder seine eigenen Hormone mit ihm durchgingen. All seine Befürchtungen lösten sich in Luft auf, als Aoi dann das Zimmer betrat. Der Gitarrist hatte, anders als am Abend davor, seinen Oberkörper mit einem großen Tourshirt bedeckt und sogar seine eigene Decke mitgebracht. Ein Anblick der Kanon einen leichten Stich versetzte. Scheinbar wollte der Gitarrist einen gewissen Abstand zwischen ihnen wahren. Eigentlich nichts, was Kanon verletzen durfte. Seine Vernunft erinnerte ihn daran, dass ein bisschen Distanz das einzig Richtige war, doch sein Körper sehnte sich danach sich wieder an die warme Haut des anderen zu schmiegen. Als Aoi neben seinem Bett stand, raffte Kanon seine eigene Decke ein wenig zusammen, sodass der Andere Platz zum Schlafen und für sein eigenes Bettzeug hatte. Das Nachgeben der Matratze löste in dem Bauch des Jüngeren ein Kribbeln aus, an das er sich mittlerweile eigentlich gewöhnt haben sollte. Doch dessen Intensität überraschte ihn immer wieder aufs Neue. Er wollte Aoi die Decke wegreißen und sich an ihn schmiegen. Seine Haut auf der eigenen spüren. Er wollte Aoi küssen. So wie gestern. Nur noch länger. Intensiver. Er wollte… Kanons Gedanken gingen mit ihm durch. Er wollte sich zur Vernunft rufen, aber es gelang ihm nur mit mäßigem Erfolg. Wie sollte er denn nicht solche Gedanken haben, wenn Aoi neben ihm lag? Die ganze Nacht! „Hast du Platz?“, fragte dieser, nachdem er zur Ruhe gekommen war und die Decke über sich gelegt hatte. „Klar.“ Kanons Stimme klang seltsam in seinen eigenen Ohren. So laut, obwohl er doch eigentlich ganz leise gesprochen hatte. Als unterstützendes Zeichen rutschte er sogar noch ein bisschen zur Seite. Eigentlich wollte er nicht weg von Aoi, aber vielleicht wollte ihm dieser damit auch indirekt zu verstehen geben, dass sie sich noch zu nah waren. „Du auch?“, fragte Kanon deshalb noch nach, bekam aber zuerst nur ein leises Lachen als Antwort. „Mehr als genug.“ Das Lachen nahm dem Jüngeren ein wenig seiner Sorge und der gedrückten Stimmung, sodass er sogar ein Lächeln auf die Lippen brachte, als er Aoi eine gute Nacht wünschte. „Dir auch. Schlaf gut.“ Der Gitarrist zog die Decke noch ein Stück höher und auch Kanon kuschelte sich in sein Bett. Ihm fehlte zwar der gewohnte Körperkontakt, der sich immer aufgebaut hatte, wenn sie nebeneinander im Bett lagen, aber trotzdem gefiel ihm das Gefühl, Aoi so nah zu sein, besser, als wenn sie eine Wand trennte. Er konnte das gleichmäßige Atmen des Älteren hören. Es hatte etwas sehr Beruhigendes. Schon am vorigen Abend hatte er die langsamen und tiefen Atemzüge des Gitarristen genossen, während er sanft auf dessen Brust weggedöst war. Kanon erinnerte sich noch gut an das Gefühl der weichen Haut unter seinen Fingerspitzen. Die weiche Haut, die in derselben Nacht unter seinen Berührungen fast verglüht war, während Aoi ihm Töne geschenkt hatte, die noch jetzt in seinen Ohren nachzuklingen schienen. Nur bei den Gedanken spürte Kanon, wie er rot wurde. Die Bilder, die ihn schon bei seinem Gespräch mit Aoi heimgesucht hatten, kamen plötzlich zurück. Bilder davon, wie der Ältere und er sich auf dem Futon in seinem kleinen Apartment herumwälzten, während sie sich gegenseitig fast um den Verstand küssten. Kanon versuchte die Erinnerungen zu verdrängen aber es gelang ihm nicht. Eigentlich auch logisch. Seitdem er den Entschluss gefasst hatte auszuziehen, war für anderes nur noch wenig Platz in seinem Kopf gewesen. Nicht einmal für seinen Kuss mit Aoi! Kanon begann dümmlich zu grinsen. Sie hatten sich geküsst!! Und es war mehr gewesen als die bloße Berührung von Lippen, die man irgendwie als eine platonische Geste hätte deuten können. Ihr Kuss hatte ziemlich wenig Platonisches an sich gehabt. Wieder kamen die Bilder ihn ihm hoch, doch dieses Mal ließ es Kanon zu. Er versuchte sogar sich jede Kleinigkeit wieder ins Gedächtnis zu rufen, um die Erinnerung nicht verblassen zu lassen. Der Moment war viel zu wertvoll gewesen, um irgendetwas davon zu vergessen. Vor allem die Tatsache, wie sensibel Aoi auf jede seiner Berührungen reagiert hatte, bescherte dem Bassisten eine besondere Freude. Kanon war von seiner Art her nicht wirklich ein machtbesessener Mensch, doch so wie Aoi es geschafft hatte in der kurzen Zeit, die sie sich kannten, seine ganze Gefühlswelt für sich einzunehmen, machte es ihn irgendwie stolz, dass er scheinbar auch eine gewissen Einfluss auf den Älteren hatte. Auch wenn es ihm natürlich nur bestätigte, dass er Aoi auf einer körperlichen Ebene nicht ganz kalt zu lassen schien. Auf körperlicher Ebene und vielleicht sogar ein kleines bisschen auch noch auf einer anderen Ebene. Kanon musste aufpassen, nicht wirklich irgendwelche glucksenden Laute von sich zu geben. Es war nicht gerade vorteilhaft sich nach außen hin normal geben zu wollen und dann vor sich hin kichernd neben dieser ganz besonderen Person im Bett zu liegen. Was sollte Aoi denn dann von ihm denken?! Der Jüngere lag auf dem Rücken, jedoch hatte er das Gesicht von dem Anderen abgewandt, um seinen Ausdruck so gut es ging vor Aoi zu verbergen. Kanon wusste, dass das keine von ihm bevorzugte Schlafposition war, aber er wollte Aoi nicht den Rücken zuwenden und auf der anderen Seite hatte er Angst, ihm noch näher zu kommen, als er es gerade war. Sein Körper schien in der letzten Zeit wirklich ein Eigenleben entwickelt zu haben. Dass er es doch irgendwie geschafft hatte, ein wenig Schlaf zu finden, bemerkte er, als er mitten in der Nacht aufwachte. Aois Atem ging immer noch regelmäßig und erinnerte Kanon daran, dass er nicht allein in seinem Zimmer war. Schlaftrunken drehte er sich dem Anderen zu und betrachtete das entspannte Gesicht, das ihm zugewandt war. Der Blick des Jüngeren glitt über die geschlossenen Augen seines Gegenübers zu den leicht geöffneten Lippen. Und als er sie so betrachtete, fiel ihm etwas ein. Es war dieses Gefühl, das manchmal in ihm aufkam, wenn er sich direkt nach dem Aufwachen zwar nicht mehr an den Traum erinnern konnte, er aber langsam durchzusickern schien. Eine Erinnerung, die Kanon hellwach machte und ihm sofort die Röte ins Gesicht trieb. Er hatte geträumt. Von sich und Aoi. Es war eigentlich nichts gewesen, was er im wirklichen Leben nicht auch schon erlebt hatte. Sie hatten sich geküsst. Zwar leidenschaftlicher und wilder als es wirklich passiert war, aber trotzdem wandte sich Kanon peinlich berührt von dem Anderen ab. Dass er davon jetzt sogar schon träumte! Oh Gott, was, wenn er nicht aufgewacht wäre!? Oder besser: Was, wenn er jetzt wieder einschlief und weiterträumte? Kanon hörte ein entspanntes Seufzen neben sich, was ihn dazu brachte sich doch wieder in Aois Richtung zu wenden. Soweit er im Dunkeln erkennen konnte, waren die Augen des Gitarristen geschlossen und dieser schlief friedlich und mit einem seeligen Lächeln. Was dieses Seufzen wohl zu bedeuten hatte? Ein Grinsen stahl sich auf Kanons Gesicht. Vielleicht hatte der Ältere ja einen ähnlichen Traum wie den, den er gerade noch gehabt hatte. Zwar wusste Kanon, dass das einzig seinem Wunschdenken entsprang, aber Hoffen durfe man ja schließlich noch. Der Bassist betrachtete noch einmal den entspannt lächelnden Mann vor sich und schloss dann ebenfalls wieder die Augen. Kapitel 60: Wie man mit unerwarteten Antworten umgeht ----------------------------------------------------- Vielen lieben Dank für eure kommentare ^__^ und viel Spaß beim Weiterlesen ;) ___ Kapitel 60 Wie man mit unerwarteten Antworten umgeht Ein lautes Geräusch riss Kanon aus seinen süßen Träumen. Zumindest vermutete er, dass sie süß gewesen waren. Leider hatte der Schreck dazu geführt, dass er sich gerade an keine genauen Einzelheiten mehr erinnern konnte. Vielleicht kamen die ja nach einer Weile wieder zurück. „Morgen“, hörte er eine sanfte Stimme neben sich, was ihn erneut zusammenzucken ließ. Scheinbar war er morgens wirklich schreckhaft. Verschlafen öffnete Kanon die Augen, die bis jetzt noch verschlossen geblieben waren, und blickte direkt in Aois Gesicht. Das Sonnenlicht fiel bereits in den kleinen Raum und ließ den Gitarristen regelrecht erstrahlen. An so einen schönen Anblick am Morgen musste man sich erst einmal gewöhnen. Allerdings bezweifelte Kanon, dass das wirklich ein Problem für ihn darstellen würde. „Hab ich dich etwa erschreckt?“, fragte der Gitarrist schmunzelnd, woraufhin ihm Kanon ein entschuldigendes Lächeln schenkte. „Ich muss mich wohl erst daran gewöhnen nicht mehr alleine in diesem Bett zu schlafen.“ Kanon hatte die Worte mit Absicht so gewählt. Er wollte, dass Aoi auch die nächsten paar Tage neben ihm schlief und dem Gitarrist sollte das auch klar sein. Wieder war ein furchtbar lautes Rumpeln zu hören, welches Kanon von seinem Gedankengang ablenkte. „Was ist das denn? Klingt das so bei euch, wenn Erdbeben ist?“ Aoi begann bei der Frage zu lachen. Scheinbar hatte Kanon etwas Dummes gesagt. Doch anstatt sich deshalb zu schämen, wie er es vor einigen Wochen noch getan hätte, freute er sich nur über die gute Stimmung des Älteren. „Kein Erbeben, aber so ähnlich“, antwortete Aoi dann. „So hört es sich an, wenn Reita vor einem wach ist.“ Kanon konnte es gar nicht glauben. „Aber ihr ward doch schon ein paar Mal vor mir wach und da hat es sich nie so angehört als würde eine Herde Elefanten die Wohnung zerstören.“ „Das lag dann aber auch nur daran, dass ich Reita alle zwei Minuten ermahnt und mit Kopfnüssen gedroht habe.“ Damit drehte sich Aoi auf den Rücken und streckte sich erstmal ausgiebig. Mit wehmütigem Blick beobachtete der Jüngere anschließend, wie er seine Beine über den Bettrand schwang und sich aufrichtete. Gerne hätte Kanon noch länger mit ihm neben sich im Bett gedöst. „Frühstückst du mit uns oder schläfst du noch weiter? Wir müssen in 20 Minuten los, also reichts wohl grad noch für einen schnellen Kaffee.“ Erklärte Aoi, während er zum Schrank ging und ein paar Klamotten daraus hervorzog. Kanon kuschelte sich noch einmal wortlos in die Kissen, gähnte und bewegte sich dann ziemlich langsam und müde Richtung Bettkante. Dort angekommen, öffnete er wieder die Augen und sah zu Aoi hoch, der ihn regungslos betrachtete. Einen Moment herrschte Stille im Zimmer. Sie sahen sich nur an. Bis der Ältere plötzlich zu lachen begann. Kanon brummte nur vor sich hin, als er bemerkte, dass er wohl ziemlich zerknautscht und verschlafen aussehen musste, und darum Aoi mal wieder einen Grund zum Lachen gegeben hatte. Aber warum auch nicht? Es konnte doch kaum einen besseren Start in den Tag geben als den Anderen lachen zu hören. Auch wenn er selbst der Grund dafür war. Oder vielleicht auch gerade dann. „Okay, das war Antwort genug“, lachte Aoi. „Ich lass dir Kaffee in der Kanne.“ „Nein!“ Zwei Sekunden später stand Kanon neben dem Bett. Wenn er die Gelegenheit hatte mit dem Älteren zu frühstücken, dann würde er den Teufel tun und diese nicht wahrnehmen! Aoi wich leicht erschrocken ein paar Zentimeter zurück, bevor er aber nur erneut zu lachen anfing. „Ich geh schnell ins Bad. Du kannst ja schon mal die Kaffeemaschine einschalten.“ Es brauchte noch weitere zehn Minuten und ein Rufen von Aoi, bis Kanon zwar angezogen, aber müder als er befürchtet hatte, auf seinem gewohnten Platz am Küchentisch saß. Die Kaffeemaschine hatte Reita wohl merkwürdigerweise eingeschaltet. Der löffelte neben ihm hastig aus einer Schüssel mit Cornflakes, während der Älteste gerade Kaffee in seine Tasse einschenkte. „Willst du auch was essen?“ Auf Aois Frage hin hob Kanon nur kurz den Kopf und schüttelte ihn. „Ich ess später was.“ „Wenn du aufgewacht bist“, führte der Gitarrist schmunzelnd seinen Satz fort und setzte sich dann wie gewohnt dem Jüngsten gegenüber. „Ich würd ja gern wissen, was du mit dem Kleinen angestellt hast, dass der jetzt so müde ist“, meinte Reita mit vollem Mund und schenkte seinem Kollegen ein hämisches Grinsen. Eigentlich war es klar gewesen, dass die Tatsache, dass sie morgens beide aus Aois Schlafzimmer gekommen waren, von Reita nicht unkommentiert blieb. Und eigentlich war genauso klar gewesen, dass der Blonde wieder eine seiner dummen Andeutungen machen musste. Ganz so wie früher eben. Kanon merke sogar, wie er um die Nasenspitze leicht rot wurde und damit genau so reagierte, wie er immer auf Reitas Kommentare reagiert hatte. Nur Aoi verhielt sich zur Überraschung der anderen beiden nicht wie sonst. Statt sich aufzuregen und zu wiedersprechen, trank er gelassen aus seiner Tasse und stellte diese dann lächelnd auf den Tisch ab. „Willst du also tatsächlich wissen, was wir angestellt haben, Reita?“ Aois Stimme klang bei der Frage wahnsinnig verrucht und sein Lächeln war so schmutzig, dass Kanons Knie sicher nachgegeben hätten, wenn er nicht gesessen wäre. Natürlich wurde Kanon noch ein gutes Stück roter. Musste Aoi tatsächlich auf dieses Spielchen eingehen? Das würde Reita sicher nur noch mehr anstacheln! Zu Kanons Verwunderung verzog sich Reitas Gesicht aber von Unglauben zu einer Mischung aus Ekel und Missmut. „Behalts doch lieber für dich. Ich esse hier schließlich noch und will mir nicht den Appetit verderben“, gab der Blonde trotzig von sich und widmete sich lustlos seinen Flakes. Aoi lächelte triumphierend. Scheinbar gefiel es ihm, seinem Freund so leicht den Mund gestopft zu haben. Kanon wurde bei Reitas Verhalten eher etwas unwohl. Die Vorstellung, dass Aoi und er tatsächlich etwas miteinander haben könnten, schien Reita ja überhaupt nicht zu gefallen. Der Jüngste warf dem anderen Bassisten noch einen letzten Seitenblick zu und versuchte das Thema damit wieder zu verdrängen. ~ Frustriert klappte Kanon seinen Laptop zu und schmiss sich dann auf die Couch. Er hatte sich vorgenommen während Reitas und Aois Abwesenheit auch mal wieder ein bisschen zu arbeiten. Allerdings war das gar nicht so einfach ohne den Druck einer bald anstehenden Probe im Nacken. Wenn er nicht wusste, bis wann er etwas geleistet haben musste, wieso dann überhaupt erst anfangen? Es brauchte zehn weitere Minuten, bis er auf die Idee kam, einfach Yuuki anzurufen und ihn nach dem neusten Stand zu fragen. Schließlich war Teruki nicht der Einzige, der den Plan für die nächste Zeit kannte. Auch wenn Kanon ziemlich klar war, dass er sich nicht ewig davor drücken konnte, sich wieder mit dem Leader zu treffen, verschob er dieses Gespräch mal wieder. Als er sein Handy zur Hand nahm, um die Nummer rauszusuchen, fiel sein Blick auf die Uhrzeitanzeige. Es war erst 10 Uhr und er wusste genau, dass Yuuki ein Langschläfer war. Seufzend wählte er Mikus Nummer aus den eingespeicherten Kontakten aus. Er wollte zwar nicht wirklich über seinen Streit mit Teruki reden, sondern nur nach den Plänen für die nächsten Tage fragen, aber wenn einer von ihnen dann doch dieses Thema ansprechen würde, dann musste er genau überlegen, mit wem er darüber reden wollte. Kanon kannte den Sänger zwar schon länger und er konnte die Lage deshalb vielleicht besser einschätzen, aber Yuuki würde das Ganze gerade aus diesem Grund möglicherweise neutraler betrachten. Nur war von dieser Neutralität wohl auch nicht mehr viel übrig, wenn Kanon ihn um diese Uhrzeit aus dem Bett klingelte. Takuya stand bei diesem Thema leider gar nicht zur Debatte. Sollte es wirklich irgendwann auf das Thema er und Aoi zugehen – und das würde es, sollte er nach dem Grund für den Streit mit Teruki fragen – dann würde Takuya nicht mehr locker lassen. Während er das Handy an sein Ohr hielt, merkte er, wie er immer aufgeregter wurde. Er wusste gar nicht warum! Schließlich ging es doch nur darum, wann sie das nächste Treffen hatten! Und dann wahrscheinlich um den Streit mit Teruki. Und dann um den Grund für den Streit mit Teruki. Und ehe er es bemerken würde, waren sie bei ihm und Aoi angekommen. Kanon schüttelte den Kopf. Soweit würde er es garantiert nicht kommen lassen! Es reichte ja schon, dass der Drummer mehr oder weniger Bescheid wusste. Kanon war nicht wirklich der Mensch, der jedem mitteilen musste, dass er verliebt war. Vor allem nicht, solange Aoi und er selbst das offiziell noch nicht voneinander wussten und so ein Theater darum machten. Vielleicht sollte er doch lieber auflegen. „Kanon! Lang nichts mehr gehört!“, erklang die fröhliche Stimme des Sängers, was Kanon ziemlich unmissverständlich klar machte, dass er jetzt keinen Rückzieher mehr machen konnte. „Hi, Miku“, versuchte der Bassist eben so fröhlich zu antworten. „Was gibt’s bei dir denn so Neues?“ Scheinbar war seinem Kollegen sein gekünstelter Tonfall nicht aufgefallen, denn Miku begann gleich wie ein Wasserfall zu erzählen. Kanon versuchte sich zwar auf die Erzählung zu konzentrieren, doch sein Streit mit Teruki lag ihm dafür zu schwer auf den Herzen. Also machte er nur ein paar zustimmende Geräusche, während Miku irgendetwas von einem zufälligen Wiedersehen mit den Kabuki Boys berichtete, die ihm anscheinend eine ziemlich lustige Geschichte über Aoi und Reita erzählt hatten. Wäre ihre Situation anders gewesen, wäre Kanon jetzt sicher hellhörig geworden, doch in diesem Moment hatte er gar kein Interesse an einer solchen Geschichte. Kanon stieg erst wieder richtig ein, als Mikus Stimme von fröhlich zu mitfühlend wechselte. „Und wie geht’s dir so? Wieso rufst du an?“ Der Angesprochene spürte plötzlich einen Kloß im Hals. Nur allein die Tonlage seines Freundes teilte ihm mit, dass der Ältere wohl ziemlich genau wusste, was zwischen Teruki und ihm vorgefallen war. Oder es wenigstens erahnen konnte. „Ich… ich wollte dich fragen, für wann denn die nächsten Proben angesetzt sind.“ Er hörte den Sänger am anderen Ende der Leitung seufzen und der Kloß wurde noch größer. Er wusste doch selbst wie kindisch sein Verhalten war! „Teruki hat für die nächste Zeit keine festen Proben angesetzt.“ „Oh…“ Mehr konnte Kanon nicht sagen. Es tat weh. Er hatte irgendwie die schwachsinnige Hoffnung gehabt, dass er einfach zur nächsten Probe marschieren konnte und alles wäre wieder in Ordnung. So leicht würde es wohl nicht werden. Ob Teruki ihn überhaupt noch sehen wollte? „Kanon, hör mal zu“, setzte der Sänger ruhig an und der Bassist wünschte sich plötzlich, dass Miku wirklich vor ihm saß und sie dieses Gespräch nicht übers Telefon führen mussten. Eine freundschaftliche Umarmung hätte ihm jetzt gut getan. „Teruki hat mir ein bisschen von eurem kleinen Streit erzählt. Naja, besser gesagt, ich hab’s ihm aus der Nase gezogen. Du weißt ja, wie er manchmal sein kann.“ „Sturer alter Bock“, warf Kanon zustimmend ein und sie beide mussten kurz kichern. „Aber du bist nicht weniger stur“, warf Miku anschließend ein, woraufhin Kanons Kichern gleich verstummte und in ein Grummeln überging. „Wieso soll ich mich denn als erstes bei ihm melden? Er hat einfach so über meinen Kopf hinweg entschieden.“ Ein Seufzen folge vom anderen Ende der Leitung. „Er hat dir doch auch erklärt, warum er so entschieden hat, oder?“ „Ja“, grummelte Kanon weiter vor sich hin. „Und was hat er gesagt?“ Miku hakte zwar nach, aber der Bassist war sich ziemlich sicher, dass der Andere schon wusste, was Teruki gesagt hatte. „Er ist der Meinung, er wüsste besser, was gut für mich ist.“ Als vom anderen Ende der Leitung nur ein zustimmender Laut kam und sich dann wieder erwartungsvolle Stille ausbreitete, sprach Kanon weiter. „Dass es besser wäre, wenn ich ausziehe. Aber als ob er das beurteilen könnte! Als ob es wirklich besser wäre, wenn ich…“ So schnell wie seine Stimme eben an Lautstärke gewonnen hatte, so schnell wurde sie jetzt auch wieder leiser. Teruki hatte doch Recht gehabt. Schließlich hatte Kanon ja jetzt genau das beschlossen, was ihm Teruki schon davor gesagt hatte: Dass es besser war, wenn er an seinem momentanen Leben etwas änderte. Vielleicht waren die Hintergründe ihrer Meinungen andere, aber letztendlich hatte der Drummer Recht. „Teru hat morgen früh eine Besprechung mit dem Manager, aber sonst müsste er immer zu Hause sein, soweit ich weiß.“ Kanon wusste, was Miku ihm damit sagen wollte. Es war offensichtlich. Aber ganz so einfach konnte er dann doch nicht zu Teruki spazieren. „Okay“, erwiderte er schließlich trotzdem motivationslos. „Also dann, sag mir Bescheid, wenn du was Neues wegen Terminen weißt, okay? Proben und so.“ Kanon atmete tief durch. Er wollte jetzt keine Diskussion darüber anfangen, wann der beste Moment war, um zu Teruki zu gehen, deshalb antwortete er nur mit einem „Okay“. „Alles klar. Lass nicht zu lange auf dich warten.“ „Hey, Miku!“ Kanon hatte schon Angst, der Andere hätte das Handy schon vom Ohr genommen, da sich das ganze ziemlich nach einer Verabschiedung angehört hatte, aber ein überraschtes „Hm?“ ließ ihn aufatmen. „Danke.“ Es hatte auf seiner Zunge gebrannt. Dieses kleine ‚Danke‘. Das fröhliche „kein Problem“ vom anderen Ende der Leitung brachte auch ihm ein Lächeln auf die Lippen, und nachdem er sich verabschiedet und den roten Hörer gedrückt hatte, ließ er sich erstmal rückwärts aufs Sofa fallen. Zu dem Lächeln gesellte sich aber ziemlich schnell ein Stich in seinem Herzen. Er hatte seine Freunde wirklich vernachlässigt. Und dieses Telefonat hatte ihm noch sehr viel bewusster gemacht, dass er das möglichst bald ändern musste. ~ Kurze Zeit später kamen auch schon Reita und Aoi von ihrer Besprechung zurück. Den restlichen Tag verbrachte Kanon größtenteils damit mit dem anderen Bassisten neue Lieder zu proben, die dieser frisch von der Besprechung mitgebracht hatte. Zwar wusste er nicht genau, ob es für seine eigene Arbeit so ratsam war, jetzt neue Stücke einzustudieren, die nicht zu seiner eigenen Band gehörten, doch das behielt er für sich. Schließlich war es schon irgendwie eine Ehre Gazette-Songs spielen zu dürfen, noch Monate bevor sie veröffentlicht wurden, wenn sie es überhaupt bis zur Veröffentlichung schafften. Kanon schluckte bei dem Gedanken. Waren das nicht eigentlich mal Terukis Worte gewesen? Hatte dieser Kanon nicht zu dem Einzug gedrängt, weil es für ihn eine Ehre aber auch eine Chance sein sollte etwas an sich zu ändern? Und wirklich. Er hatte sich verändert. Und es war eine unglaubliche Chance! Auch wenn es nicht immer leicht war, bereute Kanon seinen Einzug nicht. Er war sogar froh, dass der Drummer ihn dazu gebracht hatte, obwohl er sich anfänglich zur Wehr gesetzt hatte. Genau wie bei seinem Auszug. Kanon seufzte. Vielleicht sollte er einfach öfter auf Teruki hören, statt rumzubocken. Ein Schlag auf den Hinterkopf beförderte den Schwarzhaarigen zurück in die Realität. „Wieder da, Kleiner?“, Kanon sah verwirrt neben sich zu Reita, der daraufhin nur seufze. Scheinbar war der verträumte Blick des Jüngeren schon Antwort genug. „Ich glaub, das reicht für heute auch. Nicht, dass dir deine sensiblen Fingerchen noch abfallen. Beschädigt kann ich dich sicher nicht mehr zurückgeben und am Ende müssen wir dich doch behalten.“ Kanon grummelte vor sich hin, aber sagte sonst nichts. Die eigentlich wichtige Information war schließlich gewesen, dass sie jetzt mit Spielen aufhörten und er endlich abendessen und noch ein paar gemütliche Stunden mit Aoi auf der Couch verbringen konnte. Dafür konnte man einen Klaps auf den Hinterkopf und ein paare blöde Kommentare wohl über sich ergehen lassen. Die gemütlichen Stunden verbrachte Kanon damit, den Traum der letzten Nacht aus seinem Gedächtnis zu streichen. Zumindest so lange er neben Aoi auf der Couch saß. Es schien ganz so, als hätte er sich langsam mit dem Gedanken abgefunden auszuziehen. Und das bedeutete, in seinem Kopf war wieder Platz für andere, wichtige Dinge. Mit Sicherheit bekam Aoi sein Verhalten mit, denn dieser sah ihn immer wieder von der Seite her schmunzelnd an. Das bemerkte Kanon genau, denn schließlich warf er dem Älteren ebenfalls ständig Seitenblicke zu. Als sie ins Bett gingen, konnte er nicht wirklich sagen, wie der Film ausgegangen war. Und es würde ihn wundern, wenn es Aoi könnte. Kapitel 61: Wie man einen Tritt in den Hintern bekommt ------------------------------------------------------ Kapitel 61 Wie man einen Tritt in den Hintern bekommt Kanon saß mit seinem Laptop und Schreibzeug an dem kleinen Schreibtisch seines Zimmers, während sich Aoi mit seinem Laptop auf dem Bett breit gemacht hatte und dort seinen eigenen Arbeiten nachging. Der Bassist versuchte seit einer Stunde zu arbeiten und auch Aoi hatte sich vor einer halben Stunde zu ihm ins Zimmer gesellt. Mit demselben Ziel. Es kam ziemlich selten vor, dass beide zusammen tagsüber in dem Schlafzimmer saßen, aber an diesem Tag hatten sie einfach keinen anderen Ausweg gesehen. Reita hatte den Ton des Fernsehers so laut gestellt, dass Kanon sich ziemlich sicher war, dass er noch zwei Häuser weiter zu hören war. Oder zumindest in der Wohnung über und unter ihnen. Höchstwahrscheinlich würden sie durch den Lärm nicht mal die Klingel hören, wenn sich die Nachbarn beschweren kamen. Zuerst war Aoi noch am Küchentisch gewesen, aber bei dem Lärm konnte man ja keinen klaren Gedanken mehr fassen. Es war schon unglaublich schwer, sich hier in dem Zimmer zu konzentrieren. Und da war noch eine Wand zwischen ihnen und Reita. So oft sie ihn auch gebeten und ermahnt hatten, den Ton leiser zu stellen… Der Bassist spielte munter weiter mit seiner PlayStation und ließ sich nicht beirren. Kanon versuchte sich mit aller Anstrengung auf seine Arbeit zu konzentrieren, doch es war zwecklos. Sein Gehirn schaffte es nicht, eine Melodie oder auch nur einen Rhythmus anständig zu verarbeiten, wenn er im Hintergrund immer dieses schreckliche Gedudel hatte. Ein entnervtes Seufzen verließ Kanons Lippen. Als wäre das sein Stichwort gewesen murmelte Aoi ein grimmiges „Das reicht jetzt!“ und stürmte aus dem Zimmer. Kanon folgte ihm. Zwar war er ja sonst eher für Harmonie, aber für die Nummer verdiente Reita einfach eine Standpauke. Das machte bei der Lautstärke ja schon Kopfschmerzen! „Spinnst du eigentlich? Wir versuchen zu Arbeiten! Für dich vielleicht ein Fremdwort, aber deshalb musst du uns ja nicht sabotieren“, schrie Aoi gegen die PlayStation an. „Wieso müsst ihr denn auch arbeiten, wenn ich Playstation spielen will?“, kam direkt die Gegenfrage, die dazu führte, dass Aois Kopf gefährlich rot wurde. „Und selbst wenn wir nicht arbeiten würden. Bei dem Scheiß könnten wir uns ja nicht einmal unterhalten!“ „Dann geht halt raus. Zwingt euch ja keiner hier zu bleiben. Einkaufen oder so.“ Reita unterstrich seine Worte mit einer Wegwerfbewegung Richtung Wohnungstür. „Du warst doch erst einkaufen!“ „Schon. Ich hab aber die Pseudo-Vitamine vergessen. Kai kommt doch morgen.“ Kanon runzelte bei den Worten des Blonden die Stirn. Was waren denn bitte Pseudo-Vitamine? Scheinbar war Aoi der fragende Blick nicht entgangen, denn er beugte sich zu dem Kleineren herunter und erklärte: „Kai regt sich immer tierisch auf, wenn wir nichts Gesundes im Haus haben, also kaufen wir vor seinem Besuch immer Obst und Gemüse, um wenigstens den Schein zu wahren.“ Kanon nickte einfach nur. Inzwischen hatte er sich daran gewöhnt, dass er hier in einer Art Villa Kunterbunt für Erwachsene gelandet war. Da war es sinnlos so etwas zu hinterfragen. Eine Zeitlang standen Aoi und er nur unschlüssig im Wohnzimmer und sahen Reita beim Spielen zu, der sich davon scheinbar überhaupt nicht beirren ließ. „Und jetzt?“, wollte Aoi irgendwann von dem Jüngeren wissen. „Soll ich ihn verprügeln?“ Kanon schüttelte den Kopf. „Lass uns Pseudo-Vitamine kaufen gehen.“ Sie gingen zu Fuß. Und sie nahmen auch nicht den nächsten Kombini, an dem sie vorbeikamen und zu dem Kanon normalerweise zum Einkaufen ging. Wenn sie in zehn Minuten schon wieder zurück waren, dann brachte dieser Einkauf ja auch nicht wirklich das, was er sollte. Vielleicht war Reita ja endlich mit Spielen fertig, wenn sie ein bisschen länger brauchten. Nur brachte dieser verlängerte Einkauf noch einen anderen Effekt mit sich. Denn seit dem Kuss hatte Kanon ein wenig Angst mit Aoi allein zu sein. Er hatte Angst vor diesem Gespräch. Nicht, weil er glaubte, er würde sich blamieren, weil Aoi keine Gefühle für ihn hatte. Mittlerweile war er sich ziemlich sicher, dass der Gitarrist ebenfalls mehr als nur Freundschaft empfand. Allerdings hatte Kanon immer das Gefühl, der Moment für ein Liebesgeständnis war nicht der richtige. Oder auch das war nur eine weitere Ausrede, wie er sich im gleichen Moment wieder selbst klar machte. Jedes Mal, wenn er daran dachte, Aoi zu sagen, dass er ihn liebte, klopfte sein Herz so schnell und es schnürte ihm so den Hals zu, dass er kein Wort mehr rausbrachte. Kanons Angst mit Aoi allein zu sein verflog aber schon nach wenigen Minuten. Wie eigentlich jedes Mal. Sie mussten nur ein unverfängliches Gespräch beginnen und schon war die alte gewohnte Stimmung zwischen ihnen wieder hergestellt. Einen Moment sackte Kanons Laune in den Keller, als Aoi nachfragte, wie es mit Bandtreffen aussah. Er erzählte dem Älteren, dass er mit Miku telefoniert hatte, beließ es aber dann dabei. Und Aoi nickte nur verstehend und fragte auch nicht weiter nach. Zwar bemerkte Kanon den Seitenblick, der ihm dabei zugeworfen wurde, aber diese Art von Gespräch hatte er gestern schon hinter sich gebracht. Und sie brauchten tatsächlich ein bisschen länger als gedacht. Eine Stunde später standen sie mit zwei vollen Einkaufstüten vor der Eingangstür zum Treppenhaus. Kanon war gerade mitten beim Erzählen einer Geschichte, als er merkte wie Aois Aufmerksamkeit immer weiter nachließ und er schlussendlich nur noch stirnrunzelnd seine Taschen durchsuchte. „Was ist?“, fragte Kanon verwundert. Schließlich kam es nicht oft vor, dass etwas wichtig genug war, um Aoi von ihm abzulenken. „Ich kann meinen Schlüssel nicht finden! Seltsam. Dabei vergess ich den sonst nie!“ Der Jüngere zuckte nur die Schultern. Irgendwann war immer das erste Mal. Während Aoi weiter vor sich hin murrte und suchte, drückte Kanon die Klingel zum Apartment. Nichts. Er klingelte noch einmal. Jetzt etwas länger. Wieder keine Reaktion. „Hast du deinen Schlüssel dabei?“, wollte der Gitarrist dann wissen, woraufhin Kanon den Kopf schüttelte. Kaum hatten Aoi und er sich dazu entschieden gehabt einkaufen zu gehen, hatte Reita die Lautstärke noch weiter aufgedreht und sie somit in Rekordzeit aus der Wohnung vertrieben. Kein Wunder, dass sie beide ihren Schlüssel vergessen hatten. Bei dem Lärm hatte man auch seine eigenen Gedanken nicht mehr gehört! Und wahrscheinlich war derselbe Lärm auch daran Schuld, dass Reita jetzt ihr Klingeln nicht hörte. Nicht einmal Aois Sturmklingeln oder die gefühlten 100 Male, als es dieser auf dem Handy des Blonden versuchte. „Und jetzt?", fragte Kanon kleinlaut nachdem Aoi sein Handy eingepackt und aufgehört hatte Reita lauthals zu verfluchen. „Keine Ahnung. Ich würd dich ja irgendwohin einladen, aber viel Bargeld hab ich jetzt nicht mehr dabei und meine Karten sind alle oben. Wir könnten auch zu jemanden aus der Band, doch die sind sicher alle entweder nicht da oder haben ihre Liebsten zu Besuch.“ Aoi verzog bei den Worten das Gesicht und Kanon tat es ihm gleich. Er war nicht unbedingt scharf darauf seinen Abend mit einem Pärchen zu verbringen. Aber wohin dann? „Wir könnten zu Ter…“ Kanon beendete den Satz gar nicht erst. Er war so gewohnt bei Teruki Unterschlupf zu finden. Egal in welcher Lebenslage, Teru hatte immer ein offenes Ohr und eine offene Tür für ihn gehabt. Aoi sah ihn einen Moment überlegend an. Kanon blickte zurück. Nicht wissend, wie dieser Augenblick ausgehen sollte. „Stimmt. Lass uns zu Teruki gehen!“, fuhr der Ältere dann aber fort, regungslos und den Blick noch immer auf Kanon gerichtet. Es kam dem Bassisten ein bisschen so vor als würde Aoi austesten wollen, wie er darauf reagierte. Aber Kanon konnte darauf eigentlich gar nicht reagieren. Jetzt? Zu Teruki? Darauf war er gar nicht vorbereitet! Spätestens als Aoi die Starre löste, sorglos mit den Schultern zuckte und sich mit einem „Wo müssen wir lang?“ suchend umsah, erkannte der Jüngere allerdings, dass er keine Wahl hatte. Und dass es vielleicht auch besser so war. Kanon hatte noch einen letzten verzweifelten Versuch gestartet und hatte Aoi davon überzeugen wollen, dass Teruki viel zu weit weg wohne, um die schweren Einkaufstüten mitzuschleppen. Der Gitarrist hatte sich davon jedoch nicht erweichen lassen, sondern einfach entscheiden, dass sie die Einkäufe vor der Haustür ließen und Reita eine SMS schrieben, er solle das Zeug nach oben schaffen. Und bis der Blonde sich von seiner Konsole loseisen könne, könnten die Einkäufe auch ruhig unbeaufsichtigt bleiben. Wer würde schon ihr Pseudogemüse klauen? Die Fahrt zu Teruki verging viel zu schnell. Und auch die letzten Minuten Fußweg bis zu seinem Haus kamen Kanon wie Sekunden vor. Die ganze Zeit hatte er sich Gedanken darüber gemacht, was er zu ihm sagen sollte. Ob er sich entschuldigen sollte. Kanon war unglaublich froh, dass Aoi ihn durch seine Anwesenheit fast schon hier her gezwungen hatte, aber wie sollte er mit Teruki anständig reden, wenn der Hauptstreitpunkt anwesend war? „Hier wohnt er?“ Aois Frage machte Kanon erst klar, dass er jetzt bestimmt schon eine halbe Minute vor dem Hochhaus stand und es anstarrte. Schnell nickte er. „Im ersten Stock.“ „Na dann solltest du mal klingeln.“ Der Jüngere drehte sich zu Aoi um. „Und wenn er nicht aufmacht?“ Seine Stimme war fast ein Flüstern und er wusste, dass er ziemlich kläglich aussehen musste. Mit einem Mal überkam ihn nämlich die Angst, dass ihn Teruki schon durch die Sprechanlage wegschicken würde. „Dann werd ich mal ganz freundlich hallo sagen.“ Aoi zwinkerte ihm zu, aber das munterte ihn momentan auch nicht wirklich auf. „Na los jetzt! Stell dir vor, Teruki guckt von oben runter und sieht, wie du dich hier nicht traust zu klingeln!“ „Er hat kein Fenster hier raus…“, murmelte Kanon ein wenig bockig vor sich hin, machte aber trotzdem die letzten paar Schritte zur Klingel. Nervös stand er vor Terukis Klingelschild. Wieso war das nur so schwer? Er vernahm ein Seufzen hinter sich und spürte dann, wie Aoi nach seiner Hand griff und sie einfach gegen die Klingel drückte. „Den Rest machst du mal schön alleine“, murmelte der Ältere und ging einen Schritt zurück. Bevor Kanon wusste, was er von Aois Einmischung halten sollte, kam ihm schon eine Stimme aus der Sprechanlage entgegen. „Hallo. Wer ist da?“ Kanon erstarrt zu einer Salzsäule, als er Terukis Stimme hörte. Panisch sah er zu Aoi, der nur mit verschränkten Armen neben ihm stand. Toll. Erst die Lage auslösen und Kanon dann mit dem Problem alleine lassen. „Hallo?“, ertönte Terukis verwirrte Stimme erneut und Kanon gab sich endlich einen Ruck. „Hi“, antwortete er zitternd. Mehr bekam er einfach nicht heraus. Wahrscheinlich hatte Teruki ihn gar nicht erkannt. Doch als nach seinem Wort sofort das Surren des Türöffners erklang, war sich Kanon irgendwie sicher, dass Teru ihn doch erkannt hatte. Sofort war Aoi zur Stelle und hielt dem Jüngeren die schwere Haustür auf. Als Kanon dann den Flur betrat, legte Aoi einen Arm um seine Schulter und lächelte ihn stolz an. Kanon konnte auf das Lächeln einfach nichts erwidern. Schließlich hatten sie die Höhle des Löwen noch gar nicht betreten. _ Kanon strich über den Stoff des blauen Sofas. Es war eine Angewohnheit, die noch aus der Zeit stammte, als die Couch noch Teruki und ihm gehört hatte und sie zusammen wohnten. Momentan hatte seine Bewegung aber nur wenig mit der sonst so liebevollen Tick gemein. Es wirkte eher fahrig und nervös. Erst als Teruki mit einem Glas Wasser aus der Küche zurückkam und sich stumm neben seinen Kollegen setzte, ließ Kanon von dem Stoff ab. Es herrschte Stille. Kaum hatten sie Terukis Wohnung betreten, hatte Aoi sich nach dem Bad erkundigt und war dorthin verschwunden. Kanon bezweifelte, dass er den Raum verlassen würde, bevor Teruki und er ihren Streit beigelegt hatten. Zwar eine sehr seltsame Vorgehensweise, aber Kanon verstand Aois Wink mit dem Zaunpfahl durchaus. Kanons Herz schlug vor Nervosität ungewöhnlich schnell. Er starrte auf das Wasserglas in seinen Händen und traute sich nicht, den Blick auch nur ein Stück zu heben. Alle Sätze, die er sich zurechtgelegt hatte, waren mit einem Mal weg. Teruki schien auch nicht den ersten Schritt machen zu wollen, denn auch von ihm war kein Mucks zu hören. Sie hatten seit dem Streit keinen Kontakt mehr miteinander gehabt und es war sehr unüblich für sie, vier Tage lang nichts voneinander zu hören. Deshalb konnte sich Kanon gut vorstellen, dass Teruki immer noch sauer war. „Und?“, erklang plötzlich doch die Stimme neben dem Bassisten, sodass er überrascht aufsah. Teruki sah ihn an, versuchte seinen Blick und die Stimme fest wirken zu lassen, aber Kanon kannte seinen Freund mittlerweile gut genug, um sagen zu können, dass es in ihm nicht ganz so gleichgültig aussah, wie er vielleicht wirken wollte. „Wie ist dein Leben so?“ Es war eine merkwürdige Wortwahl. Aber Kanon erinnerte sich genau an ihr Streitgespräch. Er war es unzählige Male im Kopf durchgegangen. Und unzählige Male hatte er sich über die Tatsache aufgeregt, dass Teruki nicht akzeptiert hatte, dass das Leben bei Aoi und Reita sein jetziges Leben war. Mit dieser einen doch so unscheinbaren Frage gab der Leader seinen Standpunkt preis und Kanon war unglaublich erleichtert zu wissen, wo sie jetzt standen. Wo er anzusetzen hatte. Teruki hatte scheinbar auch ziemlich intensiv über ihren Streit nachgedacht. „Ich versuch gerade, die letzten Tage bei den beiden Chaoten zu genießen“, antwortete der Jüngere mit einem unsicheren Lächeln auf den Lippen und wandte den Blick wieder auf den Boden. „Wirft Reita dich raus?“ Kanons unsicheres Lächeln wurde zu einem ehrlichen Lächeln. Sie kannten sich zu gut. Teruki hatte richtig erkannt, dass Kanon Aoi viel zu wichtig war, als dass er von dem Gitarristen vor die Tür gesetzt werden würde. Auf sein Kopfschütteln hin, fragte Teruki weiter. „Mit Aoi scheinst du ja aber keine Probleme zu haben…“ Diesmal konnte Kanon nicht einfach so mit dem Kopf schütteln und auch sein Lächeln verblasste. Nein, Probleme in dem Sinn hatte er keine Probleme mit Aoi. Und trotzdem war dieser doch irgendwie der Grund, weshalb er auszog. Seufzend blickte er wieder auf und ein leises „Du hattest Recht“ verließ seine Lippen. Er machte eine kurze Pause, doch als Teruki nichts erwiderte, sprach er stockend weiter. „Ich hatte mich verrannt und mich in Vorstellungen geflüchtet, die sich immer weiter von der Realität entfernt hatten. Aber das ist nicht real. Das ist nicht mein Leben.“ Ein Seufzen verließ seine Lippen, bevor er die Worte sagen musste, die wohl am meisten schmerzten: „Ich ziehe in fünf Tagen aus.“ Immer noch sah Kanon auf den Boden. Er wollte nicht Terukis wissenden Gesichtsausdruck sehen. Denn der Ältere hatte es gewusst. Schon so viel früher als er selbst. Doch er hatte nicht auf Teruki gehört. Er war naiv und bockig gewesen und er hatte es verdient, dass der Ältere ihm das jetzt vorwarf. Aber kam nichts. Stattdessen spürte er Terukis Arm, der ihn an sich zog. Ohne Gegenwehr ließ Kanon sich näher ziehen und legte seinen Kopf auf der Schulter des Älteren ab. „Ich war so dumm“, flüsterte Kanon leise. „Das passiert uns allen von Zeit zu Zeit“, hörte er Terukis mitfühlende Worte und es klang genug Schmerz in der Stimme mit, dass sie nur ernst gemeint sein konnten. Wieder fiel Kanon auf, wie wenig er von seinem Freund wusste. Sobald er sein eigenes Leben wieder einigermaßen im Griff haben würde, mussten sie unbedingt mal ein paar ernste Gespräche über Terukis eigenes Liebesleben führen. „Es tut mir leid, dass ich dein Leben als ‚Experiment‘ bezeichnet hab. Das war falsch“, meinte der Ältere leise und ließ Kanon seine Gedanken fürs erste vergessen. „Außerdem hätte ich nicht über deinen Kopf hinweg bestimmen sollen. Du bist halt irgendwie immer noch mein kleiner Non-chan.“ Teruki griff bei den Worten fest in den schwarzen Haarschopf des Jüngeren und wuschelte kräftig durch. Kanon begann halbherzig zu protestieren und lachend die Hand wieder zu entfernen. Irgendwann erbarmte sich Teruki dann doch und ließ von dem Jüngeren ab, während sie beide sich grinsend ansahen. Eine Sache musste Kanon allerdings loswerden. Sein Grinsen verblasste, aber er wandte den Blick nicht ab. „Tut mir Leid, dass ich gesagt hab, du bist nicht mein Freund. Ich war so wütend… Aber trotzdem hätte ich das nicht sagen dürfen.“ Seine Stimme wurde dabei immer leiser und letztendlich sah er doch wieder auf seine Hände, die noch immer das Wasserglas umschlossen. Ja, er hatte im Streit gesagt, wenn Teruki sein Freund wäre, würde er sich auch für ihn freuen. Aber so einfach konnte man das ja auch nicht sagen. Teruki hatte schließlich keine rosarote Brille aufgehabt. Kanon spürte noch einmal die Hand, die durch seine Haare wuschelte, aber diesmal ließ er sich nicht so einfach aufmuntern. Was er gesagt hatte, war nicht einfach so zu vergessen. Darum setzte sein Freund noch einmal an. „Im Streit sagt man eben mal Sachen, die man nicht so meint. Und es wär doch seltsam, wenn wir immer gleicher Meinung wären, oder?“ Seine Stimme war freundlich und es schien ganz so, als hätte ihm Teruki wirklich verziehen. „Außerdem warst du es, der hergekommen ist. Ich Sturkopf hab das ja nicht auf die Reihe bekommen.“ Der Jüngere hob auf diese Worte hin wieder den Kopf und erwiderte das Lächeln. Sturkopf. Das traf sehr gut auf sie beide zu. „Eigentlich hat Aoi mich hergeschleppt…“, versuchte er zu erklären. Wenn sie schon bei der Wahrheit waren, konnte er das ja auch gleich noch sagen. Teruki lachte daraufhin aber nur. Bevor er jedoch etwas Weiteres hinzufügen konnte, hörten sie lauten Krach aus dem Bad. Kanon sprang vor Schreck zusammen mit Teruki vom Sofa auf und ehe sie das Geräusch wirklich zuordnen konnten, standen sie schon vor der Badezimmertür. „Aoi??“ Der Ältere klopfte hektisch an der Tür und Kanon atmete erleichtert aus, als von drinnen nur ein „Alles okay!“ zu hören war. „Können wir reinkommen?“ „Ähm…“ Ein Zögern von der anderen Seite der Tür, auf das allerdings ein leises „Okay“ folgte. Kanon begann mit einem Mal zu lachen, als sich die Tür öffnete und er die Ursache des Gepolters von eben erkannte: Überall auf dem Boden lagen Shampooflaschen verteilt. Und mittendrin stand ein ziemlich verlegener Gitarrist. ___ Nachwort: Wir hoffen das Chap hat euch soweit gefallen ^^ Es ist mittlerweile schon das 61. Kapitel, deshalb wollen wir aufgrund der Länge dieser ff mal eine Erklärung dazu abgeben. Obwohl wir eine längere fanfiction geplant hatten, überrascht es uns doch selbst, dass es jetzt schon über 60 Kapitel sind. Aber mit der Zeit ist uns aufgefallen, dass wir Gefallen daran gefunden haben, die (langsame) Entwicklung in Kanon zu beschreiben. Und somit ist diese zum Hauptpunkt dieser fanfiction geworden. Natürlich ist uns bewusst, dass dadurch das ein oder andere Kapitel nicht sonderlich spannend geworden ist und wir uns manchmal an vielleicht unnötigen Szenen ziemlich lange aufgehalten haben. Aber wir wollten eine fanfic schreiben, die eine gewisse Art von Regelmäßigkeit aufweist. Deshalb auch ein neues Kapitel jede Woche. Würde also in jedem Kapitel etwas Außergewöhnliches passieren, wäre wahrscheinlich nach 10 Kapiteln Schluss gewesen. Aber wir wollten etwas schreiben, was die Leser nicht nur einen Monat lang begleitet und dann beendet ist und vielleicht in der Versenkung verschwindet. Trotzdem haben wir beschlossen, uns ab jetzt ein bisschen bei den unspektakuläreren Szenen zusammenzureißen. Das geht natürlich auch nicht Schlag auf Schlag. Wir wollen die ff schließlich nich nächste Woche beenden ;) Aber wir bemühen uns! Wir hoffen, ihr bleibt bis zum Ende dabei ^^ Kapitel 62: Wie man ahnungslos bleibt ------------------------------------- Dankeschön für eure kommis ^__^ Das Kapitel heute ist ein bisschen kürzer >_< Sorry dafür! Viel Spaß beim Lesen! ___ Kapitel 62 Wie man ahnungslos bleibt Als Aoi begann ihnen stotternd zu erklären, dass er einfach nur die kleinen Fläschchen hatte neu sortieren wollen, weil ihm irgendwie langweilig gewesen war, zogen ihn Kanon und Teruki wortlos aus dem Bad und setzten ihn im Wohnzimmer auf die Couch. Auch wenn Teruki versuchte es zu verdrängen, sah Kanon eine Spur von Unverständnis in seinem Blick. Irgendwie nachvollziehbar. Selbst wenn Aoi kein totales Chaos angerichtet hätte, war es trotzdem ziemlich unhöflich die Utensilien in einem fremden Bad neu zu organisieren. Kanon jedoch konnte über Aois Verhalten nur schmunzeln. Er hatte inzwischen oft genug mitbekommen, dass der Gitarrist sich Anderen gegenüber manchmal wie ein unhöflicher Trampel benahm. Und so langsam begann er auch diese Seite des Älteren zu akzeptieren und zu mögen. So war sein Aoi halt. Kanon versuchte sofort den Gedanken abzuschütteln und hoffte inständig, er hatte Aoi nicht ganz zu verträumt angestarrt. Er ärgerte sich über sich selbst. Nichts auf die Reihe kriegen, aber schon Besitzansprüche stellen! „Hier.“ Verwirrt sah der Bassist auf und beobachtete, wie Teruki Aoi ein Glas Wasser reichte. Wann war Teruki denn in die Küche gegangen? Und wann hatte er selbst sich denn neben Aoi aufs Sofa gesetzt? „Und? Was gabs in den letzten Tagen sonst so Neues?“, fragte Teruki im Plauderton und setzte sich ihnen gegenüber auf einen Stuhl. Kanon wusste nicht was er antworten sollte. Natürlich war viel passiert! Der kaputte Bass, die Szene in einem Apartment, sein Entschluss auszuziehen und Aois Reaktion darauf. Nur leider eignete sich nichts davon für Smalltalk. Glücklicherweise sprang Aoi in diesem Moment ein und begann von seinem schwachsinnigen Mitbewohner zu erzählen, der es doch tatsächlich geschafft hatte, sie vor die Tür zu setzen. Und um Reitas Dummheit noch zu unterstreichen, packte er noch ein paar andere Anekdoten über sein Zusammenleben mit Reita aus, die auch Kanon noch nicht kannte. Nachdem sich Teruki nach einem Lachanfall wieder erholt hatte, begann er wiederum Geschichten darüber zu erzählen, wie sein Zusammenleben mit Kanon gewesen sei. Und kaum hatte er angefangen war das Thema von „Reitas Dummheit“ zu „Kanons peinlichen Momenten“ geschwenkt. Der Bassist versuchte zwar Teruki davon abzuhalten, aber tat das irgendwie auch nur halbherzig. Dafür gefiel ihm zu sehr wie Aoi konzentriert dasaß und scheinbar jedes Wort aufsaugte, das Teruki über seinen früheren Mitbewohner zu sagen hatte. Als sie dann aber schließlich bei der Geschichte angekommen waren, dass Kanon eine Zeitlang ihre Shampooflaschen nach Farben sortiert und dadurch eigentlich nur noch größeres Chaos angerichtet hatte, schüttelte Aoi erst ungläubig den Kopf und lachte dann laut los. So langsam wurde es dem Jüngsten dann aber doch zu peinlich, sodass er nur ein flehendes „Teruki…“ hören ließ. „Schon gut. Schon gut“, meinte der Leader amüsiert. „Aber das musste ich einfach noch erzählen! Wenn es doch so offensichtliche Gemeinsamkeiten zwischen euch gibt!“ Er warf Kanon einen Blick zu, der Bände sprach. Und der Angesprochene wusste auch sofort, worauf Teruki hinauswollte, sodass er nur peinlich berührt den Blick senkte und hoffte, es würden keine weiteren Andeutungen folgen. Aoi beruhigte sich allmählich wieder, als Teruki mit einem überraschenden „Ich wollt dir noch was zeigen!“ aufsprang und in sein Schlafzimmer verschwand. Kanon zuckte erschrocken zusammen und sah ihm dann mit erhobener Augenbraue hinterher. Er wusste nicht genau, ob er etwas Positives erwarten durfte oder doch lieber gleich Aoi packen und verschwinden sollte. Auch als Teruki mit seinem Laptop wieder auftauchte und ihn vor Kanon auf dem kleinen Wohnzimmertisch platzierte, wusste er noch nicht genau, was das sollte. Da gab es sicher hunderte peinlicher Videos und Fotos auf diesem Laptop! Darum überraschte es ihn auch, als sein Freund eben keine Fotos, sondern das Programm öffnete, mit dem sie ihre Musik zusammensetzten, und auch noch die Kopfhörer aus seinem Zimmer holte. Ein paar Klicks später drückte ihm Teruki mit den Worten „Hör dir das an und sag mir wie dus findest!“ die Kopfhörer in die Hand. Kanon war ein wenig ratlos. Was sollte das denn jetzt? Konnte er ihm die Sachen nicht schicken und er hörte es sich dann zu Hause an? „Jetzt? Hat das nicht noch Zeit?“ Aber der Drummer schüttelte den Kopf. „Ich will die Sachen nachher den Anderen schicken und wollte erst deine Meinung dazu hören.“ De r Jüngste fühlte sich durch die Worte fast ein bisschen geschmeichelt. Seine Meinung war Teruki also wirklich so wichtig! Da konnte er ja wohl schlecht nein sagen. Trotzdem immer noch ein wenig unschlüssig, setzte er die Kopfhörer auf und betrachtete die Anzeige auf dem Bildschirm. Es war komisch, von den anderen beiden jetzt beobachtet zu werden. Sie warteten ja eigentlich nur darauf, dass das Lied zu Ende war und sie wieder miteinander sprechen konnten. Hoffentlich war die Stille um ihn herum gerade nicht zu peinlich. Umso überraschter war er, als er den Blick über den Rand des Laptops schob und Teruki ansah. Dieser hatte einen ziemlich ernsten Gesichtsausdruck aufgelegt und schien Aoi gerade irgendetwas Wichtiges zu erzählen. Der Gitarrist hingegen wirkte ungewohnt verunsichert und warf Kanon ständig Seitenblicke zu. Was stellte Teruki da denn bitte mit Aoi an? Kanon wollte die Kopfhörer abnehmen und nachfragen, doch wurde sofort von einem kopfschüttelnden Teruki davon abgehalten. Stattdessen beugte sich der Drummer nur zu ihm rüber und schob den Lautstärkeregler seines Laptops noch etwas höher. Bei jedem anderen hätte Kanon wohl protestiert. Doch er vertraute seinem Leader. Wenn dieser fand, Kanon solle das Gespräch nicht mitbekommen, würde das schon seine Gründe haben. Natürlich schaffte es der Bassist trotzdem nicht, sich auf die Musik zu konzentrieren, sondern beobachtete lieber die beiden Gesprächspartner. Ihren Gesichtsausdrücken nach zu urteilen handelte es sich wohl um ein ernstes Thema. Und Kanon war sich ziemlich sicher, dass es etwas mit ihm zu tun hatte. Mit wem auch sonst? Die Vermutung schien sich zu bestätigen, als er Aois Blick auf sich spürte und diesen unsicher erwiderte. Sofort suchte der Ältere seinen Augenkontakt. Schenkte ihm einen dieser intensiven Blicke, die Kanon wohl die schönste Gänsehaut seines Lebens verpassen konnten. Und dann nickte er. Das Herz des Bassisten setzte bei dieser Geste einen Schlag aus. Natürlich wusste er immer noch nicht, um was es ging, doch sein Gefühl sagte ihm, dass das ein wichtiger Moment gewesen war. Ein entscheidender. Und er verfluchte Teruki dafür, dass er nicht gehört hatte, welche Frage dieser dem Gitarristen gestellt hatte. Glücklicherweise bedeutete ihm sein Bandkollege schon kurz danach, dass er die Kopfhörer wieder abnehmen könne. Einen Moment überlegte Kanon, ob er die Situation ganz cool überspielen sollte, aber dann siegte doch die Neugier. „Was habt ihr besprochen?“ „Das ist ein Geheimnis“, antwortete der Drummer nur ruhig. „Nicht wahr, Aoi?“ Im Gegensatz zu Teruki, wirkte der Ältere doch etwas nervös. „Und du bist sicher, dass er nichts gehört hat?“ Der Angesprochene lachte aber nur und nickte in Kanons Richtung. „Sieht er so aus?“ Als ihn jetzt auch Aoi wieder musternd ansah, schien seine Nervosität zu verfliegen. Na toll. Das hieß, dass er ja wirklich planlos wie der letzte Idiot aus der Wäsche gucken musste. Eine zufrieden stellende Antwort auf seine Frage bekam er wohl auch nicht mehr, sodass Kanon Teruki nur einen bösen Blick zuwarf, die Sache dann aber auf sich beruhen ließ. Vorerst. So sehr er seinem Leader – seinem besten Freund – auch vertraute… Natürlich wollte er trotzdem wissen, worum es gegangen war! Vielleicht würde er Aoi in einem passenden Moment ausquetschen. „Ich glaub, wir machen uns dann auch mal auf den Heimweg“, beendete der Gitarrist den merkwürdigen Moment. „Ich räum noch eben schnell dein Bad auf.“ Gleichzeitig mit Aoi sprang auch Teruki auf. „Ach was! Musst du nicht. Das hätte ich sowieso mal wieder machen müssen.“ Zwar bezweifelte Kanon diese Aussage, weil Teruki ein ziemlich ordentlicher Mensch war und sein Bad sicherlich immer in guten Zustand war, aber er widersprach nicht dagegen, sondern warf ihm nur ein wissendes Grinsen zu. ~ Zehn Minuten später saßen sie in der Bahn nach Hause. Neben der drückenden Unwissenheit über das Gespräch, machte sich aber auch das Gefühl von Erleichterung in Kanon breit. „Siehst du? War doch gar nicht so schlimm!“, neckte ihn Aoi und der Jüngere nickte daraufhin mit einem Seufzen und antwortete: „Danke, dass du mit mir hingegangen bist. Sonst wär das wahrscheinlich noch Tage so weitergegangen.“ „Ich konnte doch nicht zulassen, dass du an unseren letzten gemeinsamen Tagen eine solche Laune hast!“, zwinkerte ihm Aoi zu und lehnte sich dann in seinem Sitz zurück. „Ich mags nicht, wenn du so deprimiert aus der Wäsche guckst.“ Als Antwort schenkte ihm Kanon ein ehrliches Lächeln. Wenigstens dieses Problem war jetzt gelöst. ~ Scheinbar hatte auch Reita seinen Plan, sie beide auf die Straße zu setzen, verworfen, denn der Blonde öffnete ihnen gut gelaunt und beim ersten Klingeln die Tür. „Hast du die Einkäufe hochgeholt?“, wollte Aoi direkt miesmutig wissen, worauf sein Kollege ihn nur verwirrt ansah. Aoi seufzte entnervt. „Ich hab dir ne SMS geschrieben, dass du die blöden Tüten holen sollst. Hast du die hochgeholt oder wurde das Zeug geklaut?“ „Ah nein! Die hab ich hochgeholt und weggepackt“, antwortete Reita brav. „Und? Wie war euer Abend?“ Kanon und Aoi starrten den Blonden misstrauisch an. Wenn die Aussage Hohn enthalten haben sollte, so war er ziemlich gut versteckt gewesen. Stattdessen schenkte Reita ihnen beiden nur einen unschuldigen Blick. Kanon konnte sich in dem Moment wirklich nicht vorstellen, dass der Blonde sie mit Absicht ausgesperrt hatte. Auch Aoi schien es ähnlich zu gehen. Kanon sah förmlich, wie Aois Gefühlswelt sekundenweise von Ärger zu Verwirrung wechselte. Der Jüngere konnte es ihm nicht verdenken. Reita schien wirklich ganz mit sich selbst im Reinen zu sein. Er lächelte sogar. Nicht hämisch. Nett. „Was zum Teufel ist eigentlich mit dir los?“, wollte Aoi dann frustriert wissen. „Hast du irgendein blödes Spiel durchgezockt?“ Bei den Worten wurde Reitas Lächeln nur breiter. „Endgegner besiegt. Spiel gewonnen“, verkündete er nur, bevor er ihnen eine Gute Nacht wünschte und in sein Zimmer verschwand. Kanon sah Aoi verwirrt an. Eigentlich hatte er ja jetzt mit einem großen Streit gerechnet, doch der Gitarrist hatte Reita einfach ziehen lassen. „Reita hat selten genug so gute Laune, also lassen wir ihm am besten den Spaß“, antwortete Aoi, ohne dass Kanon überhaupt fragen musste. „Entweder er freut sich echt über das gewonnene Spiel und hat uns vielleicht tatsächlich nicht gehört oder das ist nur ein Vorwand und er heckt irgendetwas aus. Und wenn das Letztere der Fall ist, will ich mich nicht zum Mitwissenden machen.“ Mit diesen Worten ging Aoi Richtung Schlafzimmer. Kanon folgte ihm und warf Reitas Zimmertür noch einen letzten Blick zu. Er hoffte Mal, dass Aois erste Vermutung die Richtige war. Kapitel 63: Wie man Geheimnisse austauscht ------------------------------------------ Kapitel 63 Wie man Geheimnisse austauscht Kanons Herz schlug ihm bis zum Hals, als die Klingel schrill durch die Wohnung klang. Tora, Hiroto und Uruha saßen schon zusammen mit Reita vor dem Fernseher und zockten das erste Spiel. Das bedeutete, dass nur noch Ruki und Miyavi fehlten. Und nach Aois Erzählungen, dass Ruki schon beinahe bei dem Solokünstler eingezogen war, war sich Kanon auch ziemlich sicher, dass die beiden jetzt zusammen vor der Tür standen. Wie genau sich die Zusammensetzung ihrer Party ergeben hatte, konnte er nicht wirklich sagen. Miyavi hing an Ruki und Tora war sicher da, weil er Reitas bester Freund war. Und Hiroto… Kanon hatte den leisen Verdacht, dass Aoi ganz alice nine eingeladen hatte, damit sich der An Cafe Bassist nicht ganz so verloren unter Gazette fühlte. Und darüber war er auch wirklich ein wenig erleichtert. Shou und Saga hatten keine Zeit gehabt. Genauso wie Nao, was wohl auch die Abwesenheit Kais erklärte. Aber durch Hiroto und Tora hatte Kanon wenigstens noch zwei weitere Freunde, mit denen er bis jetzt mehr zu tun gehabt hatte als nur auf der einen Party bei Miyavi. „Ja, klar kann ich die Tür aufmachen! Gar kein Problem!“ Aoi stand neben ihm. Sein ironischer Tonfall war nicht zu überhören. Er warf Reita noch einen tadelnden Blick zu, der sich davon aber überhaupt nicht stören ließ und munter weiterzockte, und rollte mit den Augen, bevor er von Kanons Seite wich und zur Sprechanlage an der Tür ging. Kanon hatte es sich nicht nehmen lassen etwas zu kochen. Reita hatte zwar auf Pizza bestanden, aber der Schwarzhaarige hatte das Gefühl gehabt, irgendetwas zur Party beisteuern zu müssen. Jetzt stand er am Herd, zwei große Pfannen mit gebratenen Nudeln vor sich. Aoi hatte nur zugestimmt, wenn er nichts Aufwändiges machte. Zum Einen, weil sie dafür einfach zu viele waren, und zum Anderen, weil das Essen an diesem Abend sowieso nur Nebensache war. Nichtsdestotrotz fanden sie sich alle eine Viertelstunde später am Esstisch ein und aßen gemeinsam zu Abend. Außer Ruki und Reita ließen sich sogar alle dazu herab, Kanon Komplimente für seine Kochkünste zu machen, was diesen doch etwas verlegen werden ließ. Miyavi meinte sogar, dass er wahrscheinlich ein besserer Haushälter als Ruki sei und er vielleicht Kanon nach seiner Geburtstagsparty zum Aufräumen hätte dabehalten sollen und nicht Ruki. Rukis einziges Kommentar darauf war ein Hieb in Miyavis Magengegend und ein doch etwas gekränkter Blick, woraufhin Miyavi auch gleich anfing sich bei seinem Freund zu entschuldigen. Allerdings war der Gazette-Sänger nicht der Einzige gewesen, der negativ auf Miyavis Aussage reagiert hatte. Kanon hatte aus dem Augenwinkel Aoi dabei beobachten können, wie dieser dem Solokünstler einen Todesblick zugeworfen und sogar leise geknurrt hatte. Kanon aß lächelnd weiter seine Nudeln. Das konnte ja noch ein interessanter Abend werden. Nachdem das Essen eine schöne Grundlage gebildet hatte, begann auch schon der Alkohol zu fließen. Wobei das eigentlich übertrieben war. Kanon hatte mit einer ziemlichen Sauforgie gerechnet. Schließlich kursierten einige wilde Geschichten über die PSC und ihre Partys. Und allen voran natürlich über Gazette! Doch stattdessen handelte es sich eher um einen netten Abend mit ein paar Freunden. Es wurde PlayStation gespielt, Musik gehört und sich unterhalten. Kanon stand gerade in der Küche und füllte eine der Chipsschalen auf, die Hiroto leergefuttert hatte, als er Aoi hinter sich hörte. „Das musst du doch nicht machen!“ Kanon musste grinsen. Ihm war klar gewesen, dass Aoi nicht wollte, dass er sich um die Gäste kümmerte. Allerdings schien Aoi auf der anderen Seite aber bewusst zu sein, dass Kanon gerne mithalf und sich davon auch nicht abbringen ließ. Der Gitarrist beließ es nämlich bei dieser einen Aussage und sah Kanon stattdessen beim Umfüllen der Chips zu, während er seine eine Hand auf die Hüfte des Jüngeren legte. Bei der Berührung zuckte der Bassist kurz zusammen und schenkte Aoi einen unsicheren Blick, den dieser aber gar nicht zu merken schien. Scheinbar war dem Gitarristen seine Handlung gar nicht bewusst. Also wandte sich Kanon wieder seiner eigentlichen Aufgabe zu und füllte die Schale. Dabei ging ihm die Hand an seiner Hüfte aber gar nicht aus dem Kopf! Die Berührung fühlte sich viel intensiver an als sie wohl in Wirklichkeit war. Als der Jüngere ein leises Kichern hinter sich vernahm, spürte er, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg. Er konnte nicht sagen, ob das Kichern wirklich ihm – oder besser Aois Hand – galt und auch nicht, wer sie da vielleicht beobachtete, aber trotzdem reicht es aus, um sich angestarrt zu fühlen. Der Körperkontakt endete, als die Schale voll war und Aoi sie mit einem leisen „Danke“ und einem Lächeln nahm und auf den Boden vor den Rest der Bande stellte. Den kleinen Wohnzimmertisch hatten sie in weiser Voraussicht beiseite geschafft. Der störte sowieso nur. Als sich Kanon umdrehte, sah er Tora und Uruha mit je einer Flasche Bier am Esstisch sitzen. Sie beachteten ihn gar nicht, sondern starrten gebannt auf den Bildschirm, zu dem sie ihre Stühle gedreht hatten. Sofa und Sessel waren zwar nicht wirklich vollbesetzt, aber Kanon wusste, dass vor allem Reita beim Spielen so in seinem Element war, dass es nicht gerade angenehm war, direkt neben ihm auf der Couch zu sitzen. Die Tatsache, dass Uruha und Tora so auf das Spiel konzentriert waren, ließ Kanon allerdings bezweifeln, dass das Kichern wirklich von ihnen gekommen war. Uruhas plötzliches Aufspringen riss ihn aus seinen Gedanken. „Jetzt bin ich aber mal dran!!“, rief der Gitarrist entrüstet und stürmte zum Fernseher, wo er Reita den Controller aus der Hand riss. Der Bassist sah einen Moment aus als würde er protestieren wollen, bevor er sich zu Ruki, der neben ihm saß, drehte und ihm den zweiten Controller aus der Hand riss. Kanon machte sich schon auf großes Geschrei gefasst und setzte sich deshalb auf den Platz, an dem Uruha vorher gesessen hatte. Er wollte schließlich nicht zwischen die Streitenden geraten, so gern er sich auch auf die Armlehne des Sessels gesetzt hätte, auf dem Aoi jetzt saß. „Wir haben uns schon lang nicht mehr gesehen! Bei dir alles klar?“, wollte Tora von ihm wissen, was ihn davon abhielt Aoi weiter anzustarren. „Ja, alles so wie immer“, antwortete Kanon und lächelte den Gitarristen dankbar an. Sie hatten sich wirklich schon lange nicht mehr gesehen und er fand es irgendwie lieb, dass der Ältere sich so nach ihm erkundigte. „So wie immer also?“, hakte Tora grinsend nach, was Kanon schon gleich dessen guten Absichten infrage stellen ließ. Und tatsächlich fügte der Gitarrist direkt ein „Ich seh nämlich alles“ hinzu, was Kanon aufstöhnen ließ. Natürlich! Es war doch klar gewesen, dass Aoi ihn nur einmal unschuldig berühren musste und alle es sofort mitbekamen. Kein Wunder, dass er paranoid wurde. „Du solltest dir von Reita nicht immer so viel einreden lassen“, murrte der Bassist nur, woraufhin Tora ihm ein etwas bitteres Lächeln schenkte. „Naja, sehr viel haben Reita und ich in letzter Zeit auch nicht geredet.“ Kanon sah den anderen verwirrt an. Damit hatte er irgendwie nicht gerechnet. „Wieso denn nicht?“ „Differenzen“, antwortete Tora knapp und nahm einen Schluck aus seiner Flasche. Kanon wollte nicht weiter stochern und trotzdem fragte er sich, was solche Differenzen sein könnten. Langsam erinnerte er sich aber wieder, wann er Tora das letzte Mal gesehen hatte und dann fiel der Groschen. Das war bei der großen Besprechung gewesen, bei der Kai und Nao ihnen mitgeteilt hatten, dass sie ein Paar seien und Tora und Saga dann den Proberaum verlassen hatten, um etwas zu besprechen. Damals hatte Aoi schon angenommen, dass Tora und Saga etwas am Laufen hatten. Eine Schlussfolgerung die Kanon eigentlich ziemlich schlüssig vorkam. Und es war kein Geheimnis, dass Reita Saga nicht leiden konnte. Natürlich gab es dann Streit, wenn der beste Freund mit dem Feind zusammenkam! Irgendwie verständlich, dass Reita da immer schlechte Laune hatte. Aoi hing nur noch mit Kanon rum und Tora war plötzlich mit Saga zusammen. Nur gut, dass sich das scheinbar gelegt hatte. Zumindest deutete Kanon Toras Anwesenheit als gutes Zeichen. Natürlich gab es in dem Zusammenhang aber trotzdem noch eine Frage, die Kanon stellen musste: „Also… du und Saga?“ „Hm?“ Tora hatte sich wieder auf den Bildschirm konzentriert und hörte anscheinend nur mit halbem Ohr zu. Allerdings hielt das Kanon nicht davon ab nachzuhaken: „Seid ihr jetzt ein Paar?“ Erst bei dem Wort „Paar“ fuhr aus seiner Versunkenheit auf und warf hektisch einen Blick zu dem streitenden, spielverrückten Haufen. Kanon folgte seinem Blick, aber er schien nicht so, als ob irgendjemand etwas mitbekommen hatte. „Woher…“, meinte der Gitarrist leise, aber der Jüngere fiel ihm nur mit einem wissenden Grinsen ins Wort. „Hey, ich bin nicht blind!“ Vor allem nicht, wenn er sich selber mit diesem Thema tagtäglich beschäftigte. Auch wenn er das Gefühl hatte, dass es bei seinem eigenen Privatleben nicht so leicht war durchzublicken. Wieder sah Tora verstohlen zu den Anderen, bevor er zögernd ansetzte: „Aber… Das weiß noch niemand.“ Deshalb sprach er also so leise! Kanon entfuhr ein Seufzen und er bekam sogar ein bisschen Mitleid mit Reita. „Ich sags keinem“, fügte er deshalb mitfühlend hinzu, auch wenn es ihm nicht leicht fiel, vor Aoi Geheimnisse zu haben. „Danke.“ Der Andere schien gleich erleichterter zu sein. Ach, der hatte es gut. Zwar war da das Problem mit Reita, aber Tora hatte es zumindest auf die Reihe bekommen, mit dem zusammen zu sein, den er liebte. „Ich beneide euch…“, kam es Kanon unbewusst über die Lippen und er erntete dafür ein leises Lachen von dem Anderen. „Du kriegst das auch noch hin.“ Jetzt war es an dem Bassisten verdutzt zu gucken. „Hey, wenn Reita mal angepisst ist, regt er sich über viele Sachen auf! Und weil ich der bin, der ihn dann meistens ertragen muss…“ Gut gelaunt zwinkerte er dem Jüngeren zu. „Aber keine Angst, ich sags keinem!“ Kanon konnte nicht anders als über diese seltsame Situation ebenfalls kurz zu lachen und sich dann auch, wie Tora zuvor, zu bedanken. Sie saßen noch ein paar Minuten zusammen am Tisch. Kanon beobachtete aus den Augenwinkeln, wie der Gitarrist seine Bierflasche nahm und sie an die Lippen setzte. Und ihm entging auch nicht das glückliche Grinsen, das sich auf Toras Gesicht zeigte, als dieser dachte, niemand würde hingucken. Natürlich freute sich Kanon für seinen Freund, doch ein letztes wehmütiges Seufzen konnte er sich nicht verkneifen, bevor er seinen Blick wieder auf die Chaoten vor dem Fernseher richtete. Gerade rechtzeitig, um Reita bei einem Siegertanz zusehen zu können, da dieser Uruha anscheinend um Längen geschlagen hatte. „Und? Wer von euch Weicheiern möchte als nächstes von mir fertig gemacht werden?“, fragte der Bassist und blickte stolz in die Runde. „Weiß Rei wie gut du spielst?“, fragte Tora Kanon leise, was dieser nach kurzer Bedenkzeit verneinte. Tatsächlich konnte er sich nicht daran erinnern mit Reita je an der Konsole gespielt zu haben. Eigentlich verwunderlich. Schließlich teilten sie scheinbar dasselbe Interesse. Und Kanon war gut! Zwar nicht mehr so begnadet wie früher, weil Teruki seine „Spielzeit“ irgendwann drastisch gekürzt hatte vor Angst um Kanons Daumen, aber er war sich ziemlich sicher, dass er es mit Reita aufnehmen konnte. Und wenn er Toras Lächeln richtig deutete sah dieser es wohl genauso. „Was hast du vor?“, wollte Kanon leise wissen, was Tora nur noch breiter Grinsen ließ. „Spiel mit und du wirst es schon merken. Ich glaub es wird Zeit Reita mal einen kleinen Dämpfer zu verpassen.“ Kurz hatte Kanon noch gezweifelt. Schließlich hatte er gerade erst mitbekommen, dass Reita durch seinen Streit mit Tora auch harte Wochen hinter sich hatte. Der Blonde schaffte es mit seiner arroganten Art jedoch schnell alles Mitgefühl in Kanon wieder absterben zu lassen. Also setzten sich Tora und Kanon zu Reita vor die Konsole, wo Kanon dann gegen den Blonden die ersten paar Runden verlor. Natürlich auf Toras Anweisung hin. Als sich Reita dann völlig in Sicherheit wiegte, schlug Tora dann vor, dass sie das ganze doch interessanter gestalten könnten indem sie abmachten, dass der Verlierer immer einen Kurzen Tequila trinken musste. Reita war hellauf begeistert von der Idee. Zuerst. __ „Reingelegt habt ihr miiich“, maulte der Blonde betrunken, nachdem er das Tequilaglas wieder abgestellt hatte. Der Rest der Anwesenden war am Lachen, während Tora und Kanon nur unschuldig lächelten. Zwar war Reita anfangs schon eine kleine Herausforderung gewesen, doch je mehr Alkohol er getrunken hatte, umso leichter war es Kanon gefallen ihn immer wieder zu besiegen. Aber natürlich hatte Reita auch nicht aufgeben wollen. Die Konsequenz für ihn war, dass er jetzt sturzbetrunken halb auf Tora hing, welcher sich vor Lachen kaum halten konnte. Auch Kanon musste bei diesem Bild lachen, nahm sich aber vor, sich an diesem Abend lieber von Reita fernzuhalten. Er erinnerte sich nur zu gut daran, wie anhänglich der Blonde in diesem Stadium werden konnte und er wollte ja nicht wieder Aois Eifersucht heraufbeschwören. Apropos Aoi… Kanon ließ seinen Blick über das Sofa und anschließend durch das Zimmer schweifen. Sein Lächeln verblasste. Eigentlich würde er ja davon ausgehen, dass er vielleicht nur auf der Toilette war oder kurz in seinem Zimmer. Aber je mehr er darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass er den Gitarristen schon länger nicht gesehen hatte. Er hatte auf dem Sessel gesessen, bevor sich Kanon und Tora daran gemacht hatten Reita abzufüllen. Aber dann hatte sich der An Cafe Bassist so auf das Spiel konzentriert, dass er sich um nichts anderes mehr gekümmert hatte. Und auf dem Sessel saß jetzt Hiroto. Von Aoi keine Spur. Kapitel 64: Wie man sich eine Auszeit nimmt ------------------------------------------- Kapitel 64 Wie man sich eine Auszeit nimmt Ein flaues Gefühl machte sich in seinem Magen breit. Auch wenn er fast ständig in Aois Nähe gewesen war, hatte er plötzlich das Gefühl, dass er den Anderen vernachlässigt hatte. Kanon wusste, dass diese Gedanken eigentlich schwachsinnig waren. Schließlich war es nicht seine Aufgabe, Aoi nicht von der Seite zu weichen. Der Gitarrist hatte an diesem Abend schließlich genug andere Freunde um sich. Aber trotzdem wurde er dieses Gefühl nicht los. „Ich geb mal ab“, meinte er nur schlicht und stand vom Boden auf, wohin die Spielenden aus Sicherheitsgründen mittlerweile verfrachtet worden waren. Ruki stürzte sich sofort auf die freien Controller und drückte Miyavi den einen in die Hand. Ein wenig hilflos sah sich Kanon um. Er wollte irgendjemanden nach Aoi fragen, aber nicht so, dass es alle mitbekamen. Sein Blick fiel auf Hiroto, der es sich auf dem Sessel bequem gemacht hatte und die Szene ebenfalls breit grinsend betrachtete. Wenn einer wusste, wo Aoi steckte, dann wohl er. Er hatte den besten Blick über das Geschehen und außerdem musste er ja mitbekommen haben, wann der Sessel freigeworden war. Also ließ sich Kanon neben den Blonden in die Hocke. „Hast du ne Ahnung, wo Aoi steckt?“, fragte er gleich frei heraus, allerdings ziemlich leise. Hiroto wandte ihm seinen Blick zu und nach einem kurzen Moment der Verwirrtheit wurde sein Grinsen nach breiter als zuvor. Na toll. Einen betrunkenen Gitarristen, der ihn löcherte und ganz genau zu wissen glaubte, was hier vor sich ging, konnte er echt nicht gebrauchen. Aber entgegen seinen Befürchtungen nickte der Andere nur Richtung Haustür. „Rauchen.“ „Seit wann?“ Kanon biss sich auf die Lippe. Okay, die Frage hätte er sich vielleicht auch verkneifen können, wenn er so das noch breiter werdende Gesicht des Gitarristen betrachtete. Dieses interne Netz war ja schrecklich! Erst Takuya und Shou und jetzt auch noch Hiroto und Tora! Reita und Teruki mal nicht mitgezählt. „Vielleicht gehst du ihn einfach selber fragen? Würde sich über deine Gesellschaft sicher freuen.“ Kanon konnte bei Hirotos zweideutigem Grinsen nur seufzen. Mehr fiel ihm zu diesem Thema einfach nicht mehr ein. Es würde ihm eh nicht viel bringen jetzt mit dem angetrunkenen Gitarristen eine Diskussion über seinen Beziehungsstatus zu Aoi zu beginnen. Vor allem nicht, solange er sich selbst nicht einmal über ihren Status im Klaren war. Also bedanke er sich einfach nur freundlich bei dem Gitarristen und machte sich auf den Weg, um dessen Rat zu befolgen. Kanon fühlte sich stocksteif, als er die Stufen hinaufging, die ihn zum Dach führte. Das Gefühl kam teilweise von der Kälte, die ihn durchzog, obwohl er seine Jacke angezogen hatte und teilweise von dem Ausblick, der sich ihm bot. Er traute dem instabil wirkenden Gitter immer noch nicht und wäre er sich nicht so sicher gewesen, dass sich Aoi auf dem Dach befinden würde, wäre er wohl gar nicht erst gekommen. Zu seiner Freude schaffte er es dieses Mal sogar ohne zu stürzen. Als er sich dann auf dem Dach umschaute, überkam ihn das Gefühl als wäre er in der Zeit zurückversetzt. Es sah alles genau so aus wie das letzte Mal, als er hier gewesen war. Sogar die Sichelform des Mondes stimmte mit seiner Erinnerung überein, ebenso wie die an der Wand sitzende Person. Er erinnerte sich wieder an das damalige Gefühl, flüchten zu wollen und an die Unsicherheit. Das hier war schließlich Aois Zufluchtsort. Doch dieses Mal würde er gar nicht erst versuchen die Flucht zu ergreifen. Vielleicht war es damals noch anders gewesen, doch inzwischen gehörte er einfach an Aois Seite. „Hi“, meinte er leise, um den Gitarristen nicht zu erschrecken, der tief in Gedanken versunken zu sein schien. Tatsächlich starrte der Schwarzhaarige ihn kurz verwirrt an, bevor er den Jüngeren anlächelte. Kanon nahm das als Einladung sich zu dem Gitarristen zu setzen, wenn auch nicht so nah wie sonst. Aoi hielt nämlich in der einen Hand ein Bier und in der anderen eine Zigarette. Seit Kanon irgendwann in den ersten Tagen erzählt hatte, dass er seit einiger Zeit nicht mehr rauchte, es aber immer noch schwierig für ihn war, hatte der Ältere fast gar nicht mehr in seiner Gegenwart geraucht. Kanon rechnete ihm das hoch an. Er wusste ja selbst, wie anstrengend es manchmal war, nicht rauchen zu können, wenn man gerne wollte. Genau das wurde ihm nämlich gerade wieder bewusst. Er überlegte nicht lange und dachte auch nicht wirklich über die Konsequenzen nach, als er auf die halb abgebrannte Zigarette deutete. „Darf ich?“ Aoi sah ihn verwundert an, reichte ihm dann aber die Zigarette rüber. Kanons Herz pochte plötzlich wie das eines kleinen verliebten Mädchens, als er sie an die Lippen setzte. Der Gedanke daran, dass sein Nebensitzer sie vor wenigen Sekunden noch an den Lippen gehabt hatte, vertrieb die Kälte aus seinem Körper. In dieser Hinsicht war es wirklich eine Schande, dass er aufgehört hatte zu rauchen. Allerdings verschwand das warme Gefühl, als ihm der seltsame Geschmack in seinem Mund wieder daran erinnerte, dass Aoi Mentholzigaretten rauchte. Solche, die Kanon gar nicht leiden konnte. Der Ältere musste die Regung in seinem Gesicht bemerkt haben, denn er sah, wie ihm dieser die Zigarette abnahm und die Bierflasche vors Gesicht hielt. Nachdem er einen großen Schluck getrunken hatte und die Flasche zurückgab, wollte sich Kanon schon über seine Vergesslichkeit beschweren und über sie lachen, aber das Lachen blieb ihm im Hals stecken, als er in Aois Gesicht sah. Er sah irgendwie traurig aus. Nicht so, als würde er wirklich mitlachen können. Hatte er vielleicht irgendwas falsch gemacht? War es vielleicht doch falsch gewesen, hier hoch zu kommen? Vielleicht wollte Aoi ja heute wirklich einfach nur in Ruhe nachdenken. „Keine Lust mehr auf Party?“ Der Gitarrist hob bei seinen Worten den Kopf und warf Kanon einen Seitenblick zu. Der Jüngere fragte sich, wie viel der Andere wohl getrunken hatte. Er konnte es nicht wirklich einschätzen. Und er konnte auch nicht einschätzen, wie schnell Aoi betrunken wurde. So viele Partys zusammen mit ihm hatte er ja nicht gefeiert. Als Antwort schüttelte er den Kopf. „Du warst weg.“ Er wusste selbst nicht genau, ob es wie die Antwort auf die Frage oder einfach nur wie eine neutrale Aussage rüberkam. Insgeheim hoffte er aber auf Ersteres. „Du hast dich ja auch ganz gut ohne mich amüsiert.“ „Eifersüchtig?“, fragte Kanon den Älteren gerade heraus. Unter anderen Umständen hätte er sich das wahrscheinlich nicht getraut, doch der Schluck aus Aois Flasche war nicht der erste Alkohol gewesen, den er an diesem Abend zu sich genommen hatte, und ab einen gewissen Punkt wurde die Zunge einfach schneller als der Verstand. Glücklicherweise schien das Aoi nicht zu stören. Der Gitarrist lachte sogar kurz und schüttelte dabei den Kopf. „Mir ist nur wieder aufgefallen, wie gut du hier reinpasst. Und wie sehr du schon dazugehörst.“ Das Lachen war zu einem traurigen Lächeln geworden, welches Kanon einen Kloß im Hals bescherte. Er konnte sich ziemlich gut denken, was Aoi damit sagen wollte, nur wusste er leider nicht, was er darauf antworten sollte. Der Ältere neben ihm seufzte nur und drückte dann die Zigarette neben sich aus. „Tut mir Leid. Ich will dich auch nicht mit meiner komischen Laune runterziehen. Es ist nur… Ich will nicht, dass du ausziehst.“ Kanons Herz wurde schwer. Er hatte es gewusst. Natürlich war ihm aufgefallen, dass Aoi ihn nicht gehen lassen wollte. Doch seinen traurigen Blick zu sehen und zu hören, wie er mit dünner Stimme die Worte aussprach, war fast mehr als Kanon ertragen konnte. Es war schrecklich zu wissen, dass seine Entscheidung Aoi so viel Kummer bereitete, aber ihm fielen keine tröstenden Worte ein. Stattdessen rückte er näher an den Gitarristen heran. Er wollte Aoi wenigstens irgendeine Art von Trost spenden. Tatsächlich kam auch der Gitarrist ihm sofort näher, als hätte er nur darauf gewartet. Doch statt einen Arm um Kanon zu legen war er es dieses Mal, der in seiner Sitzposition etwas tiefer rutschte, um seinen Kopf auf Kanons Schulter ablegen zu können. Eine Geste die Kanon kurz verwirrte. Schließlich war er sonst immer derjenige, der sich an Aoi anlehnte. Schon allein durch ihren Größenunterschied. Aber als er dann einen Arm um den Älteren legte und begann sanft durch dessen Haar zu fahren, stellte er fest, dass ihm diese Position genauso gefiel. Auch er konnte Aois Stütze sein und nicht immer nur derjenige, der gestützt werden musste. Ein Gedanke, der ihm mit jedem Moment besser gefiel. Es bedeutete, dass Aoi ihm Vertrauen schenkte. Dass sie mehr aufeinander eingingen. Kanon könnte dieses Vertrauen auf den Alkohol schieben, aber er wollte nicht. Er wollte einmal nicht gleich alles negativ sehen. Nicht alles infrage stellen. „Wir haben uns doch gerade so gut verstanden“, murmelte Aoi plötzlich weiter, schmiegte sich aber noch ein wenig mehr an seine Schulter. Es war kein Vorwurf. Eher eine Feststellung, die dem Anderen nicht gefiel. Der Jüngere wusste auch jetzt keine Erwiderung darauf, aber er war sich auch gar nicht so sicher, ob die überhaupt angebracht oder erwünscht war. Es schien eher so, als würde Aoi einen Monolog führen und seinen Gedanken einfach nur freien Lauf lassen. „Weißt du… Immer machst du Sachen, die ich nicht versteh!“ Der nörgelnde Tonfall hätte Kanon wahrscheinlich zum Schmunzeln gebracht, wären sie in einer anderen Situation gewesen. Jetzt ließen ihn diese Worte allerdings aufhorchen. „Immer wenn ich denk, ich hab dich irgendwie ansatzweise verstanden, machst du was, was ich nicht begreif!“ Dem Bassisten wurde ganz warm und in seinem Kopf begann es zu arbeiten. Der Aoi, der doch eigentlich immer seine Gedanken lesen konnte, beschwerte sich darüber, dass er ihn nicht verstand? Während der Ältere noch ein wenig näher an ihn rutschte und sogar noch einen Arm um den Körper neben sich schlang, murmelte er weiter. „Du bist echt unfair…“ Kanon fiel es schwer, sich bei diesem Körperkontakt auf die Worte zu konzentrieren. Es war November. Der Boden war kalt. Die Luft war kalt. Aber in seinem Inneren glühte es. Seine Wangen begannen zu glühen. Sein Herz begann schneller zu schlagen. Reflexartig zog er den Anderen noch etwas näher an sich und strich dann weiter durch dessen Haare. Aoi ging es nicht besser als ihm. Er schien ebenso unsicher zu sein. Ebenso ratlos. Vielleicht war jetzt der Zeitpunkt gekommen. Vielleicht war das der richtige Moment, um endlich das Gespräch zu führen, das schon so lange überfällig war. Kanons Blick wanderte gen Himmel. Ihr letzter Dachbesuch war schätzungsweise einen Monat her. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie er sich damals gefühlt hatte. Aois Nähe, die für ihn bis heute nichts von seiner berauschenden Art verloren hatte. Sein angenehmer Geruch. Der Moment in dem sie sich fast geküsst hatten. Ihre erste gemeinsame Nacht in Aois Bett. Und schlussendlich der Augenblick, in dem sich Kanon eingestanden hatte, dass er verliebt war. Der Bassist wusste nicht, ob ihm ein Monat zu lang oder zu kurz vorkam. Aus emotionaler Sicht kam es ihm wie gestern vor. Er spürte noch das Kribbeln, hatte immer noch ein pochendes Herz. Aois Anziehungskraft war genau so überwältigend wie damals. Auf der anderen Seite glaubte er, dass er sich weiterentwickelt hatte. Er war nicht mehr der kleine, verschüchterte Junge. Zumindest nicht immer. Aber jetzt war es an der Zeit noch einen Schritt weiterzugehen. Sein Herz klopfte wie wild. Er würde es Aoi sagen. Jetzt. Er würde ihm sagen, was er empfand, und dann endlich Gewissheit haben. Sein Vorstellungsvermögen spielte auf der Stelle tausend Szenarien durch und er wusste nicht, ob ihm wohl zuerst der Kopf platzen oder das Herz aus der Brust springen würde, wenn er nicht jetzt endlich etwas sagte. „Aoi?“ Der Jüngere hörte das Zittern in der eigenen Stimme und nahm sich vor, bei den nächsten Worten sicherer zu wirken. Er wollte nicht mehr der schüchterne Junge sein. Und schon gar nicht während eines Liebesgeständnisses! Zu seinem Erstaunen reagierte der Gitarrist allerdings gar nicht. „Aoi?“, fragte er noch einmal und wieder kam keine Reaktion. Stattdessen fiel ihm jetzt auf, dass der Griff des Älteren lockerer geworden war und hörte dessen gleichmäßige Atemzüge. Kanon seufzte resigniert und ließ seinen Kopf gegen die kalte Steinwand hinter sich fallen. Aoi war eingeschlafen. Der Jüngere schloss für einen Moment die Augen und atmete tief durch, bevor er sie wieder öffnete und die leicht zerzausten Haare unter seinen Fingern betrachtete. Wieso jetzt? „Aoi, du Idiot.“ Er versuchte den Kloß in seinem Hals runterzuschlucken. Aber es gelang ihm nicht richtig. Stattdessen schien es so, als würde er nur größer werden. „Ich wollte dir gerade was total Wichtiges sagen… Und du schläfst einfach ein.“ Er flüsterte so leise in die Haare des Anderen hinein, dass er bezweifelte, Aoi hätte es wirklich hören können. Auch wenn dieser wach gewesen wäre. Er wäre wirklich soweit gewesen. Er hätte es ihm heute gesagt. Er war so kurz davor gewesen. Aber Aoi regte sich nicht. Nur der Klang der sanften, stetigen Atemzüge drang in sein Ohr. Kanons erlösende Worte waren verklungen, noch bevor sie überhaupt ausgesprochen worden waren. Kapitel 65: Wie man angemessen reagiert --------------------------------------- Kapitel 65 Wie man angemessen reagiert Vielleicht waren zehn Minuten vergangen, vielleicht aber auch schon eine halbe Stunde. Kanon hatte keine Uhr dabei, die ihm hätte die Zeit sagen können. Ihm war kalt. Der Boden war kalt. Die Nachtluft war kalt. Aber es störte ihn nicht, solang Aoi an seiner Schulter lag und ihm das Gefühl gab, gebraucht zu werden. Immer wieder hatte er durch die Haare des Älteren gestrichen. Ab und zu sanfte Küsse auf den Kopf gehaucht. Und hatte dabei seinen eigenen Gedanken und Erinnerungen nachgehangen. Er genoss diese Zeit mit dem Anderen hier. Und er wünschte sich, dass sie niemals endete. Als Kanon aber aus einem inneren Impuls heraus über die Wange des Gitarristen strich, bemerkte er, wie kalt diese war. Er selbst nahm die Kälte zwar gern in Kauf, wenn sie dafür hier so zu zweit sitzen konnten, aber er wollte nicht daran Schuld sein, dass der Gitarrist von Gazette morgen krank im Bett lag. Nein, er wollte nicht, dass Aoi morgen krank im Bett lag. Schweren Herzens versuchte Kanon also den Älteren wachzubekommen und ihm klarzumachen, dass sie nun wieder reingehen sollten. Ein schwieriges Unterfangen, denn inzwischen war Aoi nicht nur angetrunken, sondern auch noch schläfrig. Diese Kombination führte scheinbar dazu, dass sich der Gitarrist wie ein Kleinkind verhielt, das man gerade aus dem Mittagsschlaf gerissen hatte. Kanon war ein bisschen erstaunt über Aois Verhalten. Schließlich war er doch sonst derjenige von ihnen, der Probleme mit dem Aufwachen hatte! Auf der anderen Seite wollte er sich aber auch nicht beschweren. Es war schon unglaublich süß, wie der Ältere direkt wieder die Arme um ihn schlang, sobald sie aufgestanden waren und sich dann im Halbschlaf zurück zur Wohnung führen ließ. Als sie das Apartment betraten, war Kanon schon mental auf die blöden Kommentare gefasst, doch alle Gäste schienen viel zu beschäftigt, um sie überhaupt wahrzunehmen. Uruha tippte irgendetwas in sein Handy, Tora und Reita saßen immer noch vor der Konsole und Hiroto unterhielt sich mit Miyavi, der währenddessen den Kopf seines Freundes streichelte, welcher auf seinem Schoss eingeschlafen war. Kanon war überrascht darüber, wie friedlich Ruki im Schlaf aussah. Natürlich nicht so toll wie Aoi, doch weitaus weniger angsteinflößend als im wachen Zustand. So schnell wie möglich brachte Kanon Aoi in sein Zimmer. Natürlich konnte er nicht darauf hoffen, dass die anderen sie wirklich nicht gesehen hatten, aber vielleicht waren sie ja beschäftigt genug gewesen, um ihre intime Pose nicht mitzubekommen. Leise schloss Kanon die Tür hinter ihnen und machte das Licht an. Er war froh wieder im Warmen zu sein. Und auch wenn er Aois Nähe mehr als nur genoss, war selbst der kurze Weg vom Dach zurück recht anstrengend gewesen. Als hätte der Ältere seine Gedanken gelesen, gab er ein leichtes Grummeln von sich und lehnte sich noch weiter gegen den Kleineren. „Ich glaub, wir bringen dich jetzt mal ins Bett“, meinte Kanon leise, was den Gitarristen dazu brachte sich etwas von ihm zu lösen und ihn dreckig anzugrinsen. „Ach, das hast du also mit mir vor.“ Der Bassist stockte einen Moment in seiner Bewegung und sah verwirrt aus der Wäsche, bevor er begriff, worauf Aoi anspielte. Damit dieser nicht merkte, wie sehr Kanon diese Aussage aus der Bahn warf, setzte er den Älteren auf dem Bett ab und presste die Lippen aufeinander. Aois Grinsen war allerdings immer noch so dreckig. Allein der Blick beruhigte ihn ein wenig, denn es fiel dem Anderen wohl nicht ganz so leicht ihn zu fokussieren. „Wie viel hast du denn getrunken!?“, rief Kanon in frustriertem Tonfall aus. Wirklich frustriert war er allerdings nicht. Aoi war niedlich anzusehen, trotz des dreckigen Grinsens. So niedlich, dass er am liebsten über ihn herfallen und küssen wollte, bis sie erst die Atemnot wieder auseinandertrieb. In Kanons Kopf tauchten Bilder auf, die er schnell wieder vertrieb. Er musste aufpassen, was für Gedankengänge er hatte, wenn er mit einem betrunkenen Aoi hier saß und selbst auch ein paar Bier intus hatte. Wer wusste schon, wo das endete. Also zog er ihre Schlafshirts unter den Decken hervor und hielt dem Anderen seins hin. „Anziehen!“ Tatsächlich nahm ihm der Angesprochene – noch immer grinsend – das Shirt ab. Kanon selbst setzte sich ein Stück weiter weg auf das Bett, dem Anderen den Rücken zudrehend und ihm so ein wenig Privatsphäre gebend. Vielleicht auch zu seinem eigenen Schutz, denn Aoi halbnackt zu sehen war nicht gerade förderlich für gesittete Gedanken. Erleichtert bemerkte er, dass sich der Ältere rührte und wohl wirklich umzog. Sein Herz schlug mit einem Mal schneller, als ihm bewusst wurde, dass Aoi jetzt sicherlich einen tollen Anblick abgeben musste. Aber er versuchte sich zu beherrschen und zog sich ebenfalls seine Jeans aus. Er war kein Freund von Spielchen in betrunkenem Zustand. Vor allem nicht, wenn nur einen Raum weiter eine Party stattfand. Er konnte noch immer das Gedudel der PlayStation hören, auch wenn er das Gefühl hatte, sie wäre leiser gestellt worden als noch zuvor. Kanon hatte sich gerade sein Shirt ausgezogen, als er plötzlich eine warme Hand an seiner Schulter spürte. Er hätte es ahnen müssen. Wieso war er nicht einfach ins Bad gegangen, um sich umzuziehen? Als die Hand etwas höher wanderte und begann seinen Nacken zu massieren, hatte er seine Antwort. Egal wie moralisch verwerflich es war, er genoss Aois Berührungen in vollen Zügen. Ein entspanntes Seufzen verließ seine Lippen, als der Ältere seine zweite Hand zu Hilfe nahm und anfing seine Schulter zu massieren. Widerstandslos ließ er sich nach hinten ziehen und lehnte sich an den warmen Oberkörper des Gitarristen. Natürlich hatte Aoi Kanons Befehl sich „anzuziehen“ missachtet und sich stattdessen nur „ausgezogen“. Allerdings fiel es Kanon recht schwer dem Älteren böse zu sein, während dieser seinen nackten Oberkörper an seinen Rücken presste. Kanon legte seinen Kopf zur Seite, als Aoi begann sanfte Küsse auf seinem Nacken zu verteilen. Die eine Hand des Älteren schlich sich nun auf Kanons Oberkörper, wo sie begann sein Schlüsselbein entlang zu streicheln. Erst als die Hand sich zu einer seiner Brustwarzen vorwagte, wurde Kanon wieder klar, was hier gerade passierte. Aoi war betrunken und versuchte ihn zu verführen. Und egal wie gern Kanon darauf eingegangen wäre, wusste er, dass das die absolut falsche Entscheidung sein würde. Der Körper des Bassisten versteifte augenblicklich und er schüttelte bestimmt den Kopf. Sofort hielt Aoi in seinem Tun inne. „Wieso nicht?“, hörte Kanon die weinerlich trotzige Stimme des Älteren an seinem Ohr und wusste, dass er richtig entschieden hatte. Jetzt musste er das nur noch Aoi klarmachen. Er drehte sich langsam zu dem Gitarristen um, der ihm einen schmollenden Hundeblick zuwarf. Und obwohl Aoi gerade noch ziemlich hinterlistig versucht hatte ihn zu verführen, konnte Kanon ihm nichts anderes als tiefe Zuneigung entgegenbringen. Lächelnd legte er eine Hand in den Nacken des Älteren und zog ihn etwas näher an sich, um ihm einen Kuss auf die Stirn zu hauchen. „Du bist betrunken, Schatz“, erinnerte er Aoi liebevoll und hoffte stark, diesem würde das als Antwort genügen. Und obwohl er den Anderen eigentlich eher auf spielerische Art und Weise so genannt hatte, merkte Kanon, dass er sich durchaus an diesen Kosenamen gewöhnen konnte. Er wollte in öfter benutzen. Immer, wenn er mit Aoi sprach. „Und wenn ich nicht betrunken wär?“, warf dieser trotzig ein und verschränkte die Arme vor der Brust. „Dann würdest du das nicht machen.“ „Oh doch!“ Kanon musste leise lachen. Würde sich Aoi gerade nicht wie ein trotziges kleines Kind verhalten, wäre ihm diese Situation sicher unangenehmer und er würde jetzt wieder schlechte Laune bekommen, weil genau das das Problem war. Sie waren kurz davor miteinander zu schlafen, hatten aber noch nicht den Mund aufbekommen, um über ihre Gefühle zu reden. Aber so war der Andere einfach nur niedlich. „Wir gehen jetzt schlafen!“ Bestimmend nahm der Jüngere Aois Shirt vom Bett und hielt es diesem hin. Mit vorgeschobener Unterlippe nahm er es und zog es sich tatsächlich, wenn auch mit einem unzufriedenen Grummeln über den Kopf. „Du verpasst was“, hörte Kanon noch und biss sich bei diesen Worten auf die Unterlippe. Ja, er wusste selber, dass er etwas verpasste. Ein Seufzen unterdrückend, machte er sich selbst bettfertig und scheuchte den Älteren anschließend unter die Decke, bevor er das Licht ausmachte und sich selbst dazulegte. Mit einem Mal war es still im Raum. Das nervige Gedudel der PlayStation war verstummt und Kanon hörte nur noch, wie eine Tür zuging. Es sah ganz danach aus, als hätten die Anderen für heute auch genug. Die Stille wurde mit einem Mal erdrückend. Kanon mochte es nicht, wenn ein Abend zwischen ihm und Aoi so endete. Was, wenn er jetzt dachte, er mochte ihn nicht? Schließlich hatte er den Älteren abgewiesen. „Aoi?“ „Hm?!“, kam es noch immer eingeschnappt zurück. Aoi lag mit dem Rücken zu ihm. „Mir ist kalt…“ „Deck dich zu.“ Okay, so langsam bekam er wirklich ein schlechtes Gewissen. Vorsichtig tippte er dem Anderen auf die Schulter, aber es kam nur wieder ein „Hm?!“ zurück. Erst als Kanon nichts erwiderte, drehte sich Aoi zu ihm um. Seine Augen hatten sich noch nicht richtig an die Dunkelheit gewöhnt, um wirklich etwas zu erkennen. Und es schienen Minuten zu vergehen, bis sich der Ältere regte und sich durch das Gewirr von Decken kämpfte. Als Kanon die Hand an seiner Taille spürte, schlich sich ein erleichtertes Lächeln auf sein Gesicht. Und nachdem Aoi näher gerutscht war und sich an ihn gekuschelt hatte, dauerte es auch nicht mehr lange, bis er eingeschlafen war. ~ Kanon nahm einen Schluck seines morgendlichen Kaffees und ließ dabei seinen Blick unauffällig über seine Tischnachbarn wandern. Er war es nicht gewohnt den Morgen nicht alleine mit Aoi zu verbringen. Schon Reitas Anwesenheit kam ihm da manchmal fehl am Platz vor! Deshalb war er nach dem Aufstehen nicht unbedingt erfreut darüber gewesen, Miyavi und Ruki in der Küche anzutreffen, die gerade über die Bedienung der Kaffeemaschine diskutierten. Inzwischen saßen Aoi und er mit dem Paar am Küchentisch und alle tranken stumm ihren Kaffee. Kanons Blick wanderte ungläubig durch die Wohnung. Wann war dieses ganze Chaos denn entstanden? Wie konnten so wenige Menschen denn eine solche Unordnung hinterlassen? „Wo ist eigentlich der Rest?“, fragte er dann verwundert. Da fehlten doch welche! „Rei und Tora pennen wohl noch“, klärte Ruki ihn auf. „Und nachdem Gackt gestern erfahren hatte, dass Ruha hätte auf den Boden schlafen müssen, weil sich Hiroto das Sofa geschnappt hatte und wie ein Stein geschlafen hat, ist er tatsächlich noch vorbeigefahren und hat sein Prinzesschen abgeholt. Hätte nie gedacht, dass Gackt tatsächlich so unter Ruhas Fuchtel steht.“ „Jetzt sei doch nicht so fies!“, meinte Miyavi dann in einem erschreckend erwachsenen Tonfall. „Ich hätte dich sicher auch abgeholt. Und Aoi hätte für Kanon sicher das Gleiche getan.“ Der Bassist stutzte kurz. Wieso wurden sie eigentlich wieder so selbstverständlich mit den Paaren aufgezählt? Er warf einen Blick zu Aoi, ob der sich vielleicht auch zu dem Gespräch äußern wollte, aber der Gitarrist hatte seinen Kopf auf der Tischplatte abgelegt und schien gerade nicht ansprechbar. Allerdings war es auch gar nicht nötig etwas zu erwidern, denn in dem Moment öffnete sich Reitas Schlafzimmertür, aus welchem der Blonde und Tora kamen. Kanon zog eine Augenbraue hoch. Das war mal wieder typisch! Wenn er und Aoi im selben Zimmer schliefen, machte Reita gleich dumme Anspielungen, aber wenn der Blonde sich mit seinem besten Freund ein Zimmer teilte, war das natürlich in Ordnung! Gerne hätte Kanon ein bisschen auf dieser Doppelmoral herumgehackt, doch Reita schien ihm schon gestraft genug. Ohne ein Wort stapfte dieser auf den Küchentisch zu, wo er sich auf seinen Stuhl fallen ließ und ebenfalls seinen Kopf auf der kühlen Platte betete. „Nie wieder“, nuschelte er leise. „Nie wieder“, ertönte es dann auch von Aoi, während sie beide weiterhin in der gleichen Position verharrten. Tora goss sich grinsend eine Tasse Kaffee ein und zuckte dann mit den Schultern. „Selbst Schuld.“ Anschließend wandte er den Blick zu Kanon und sein Grinsen wurde nur noch breiter. Der Bassist erwiderte es nicht weniger schadenfroh. Schließlich war Reita wirklich selbst Schuld, wenn er ihn unterschätzte. „Wo steckt Hiro eigentlich?“ Er hatte den Blonden an diesem Morgen noch gar nicht gesehen. Miyavi nickte in Richtung Sofa. „Schläft.“ Und tatsächlich konnte Kanon eine Hand über der Armlehne erkennen. Wie konnte der denn seelenruhig weiterschlafen, wenn sich hier alle tummelten? „Ich brauch nen Kaffee“, nuschelte Reita vor sich hin. Als sich aber niemand regte, fügte er ein klagendes „Tora!“ hinzu. „Hey, ich bin nicht dein Dienstmädchen!“ Trotzdem schenkte er noch zwei weitere Tassen ein und stellte je eine davon vor Reita und Aoi, auf die sich der Bassist sofort stürzte. Aoi schien sich gar nicht dafür zu interessieren. „Ich glaub, wir machen uns dann auch mal auf den Weg, oder?“, meinte Miyavi an Ruki gewandt. Kanon hatte nichts gegen die Anwesenheit der Beiden, doch irgendwie war er auch froh, wenn sich die Wohnung so langsam wieder lehrte, darum warf er Reita auch unbewusst einen leicht bösen Blick zu, als dieser überrascht die Augenbrauen hochzog. „Habt ihr noch was vor?“ „Nicht wirklich, aber…“ Rukis Antwort wurde aber von dem blonden Bassisten unterbrochen, den es plötzlich gar nicht mehr zu interessieren schien, was er gerade wissen wollte. „Das erinnert mich an was!“ Er deutete mit dem Finger auf Aoi und Kanon und wieder zurück. „Ihr beide!“ Oh Gott, was kam denn jetzt? „Ihr habt in zwei Tagen was vor!“ In zwei Tagen? Kanon brauchte nicht nachzurechnen, um zu bemerken, dass das der letzte Tag vor seinem Auszug war. Und er mochte den Gedanken nicht, dass Reita für diesen Tag etwas geplant hatte. „Wir haben gar nichts vor“, murmelte Aoi gleichgültig, noch immer den Kopf auf seine Arme gelegt und die Augen geschlossen. „Natürlich habt ihr das! Hast du etwa gedacht, ich lasse den Kleinen ohne Abschlussprüfung ziehen?“ Kanon schluckte bei Reitas Worten. Abschlussprüfung? Das gefiel ihm überhaupt nicht. Miyavi schien da allerdings anderer Meinung zu sein, denn er klatscht entzückt in die Hände und wollte sich direkt selbst zu dem Spektakel einladen. „Vergiss es“, meinte der Blonde bestimmt. „Das is nur für geladene Gäste.“ „Und wer sind bitte schön geladene Gäste?“, wollte Ruki trotzig wissen. Auf Kanon machte der Sänger jedoch den Eindruck, dass es ihm eher darum ging nicht eingeladen zu sein, als der Abschlussprüfung selbst beizuwohnen. „Da werd natürlich ich sein und die Jury, die dann bewertet wie erfolgreich ich bei diesem Projekt war. Und da das eine sehr wichtige Angelegenheit ist, wird die Jury aus Bandleadern bestehen. Kai, Teruki und als außenstehender noch Nao“, erklärte Reita im sachlichen Tonfall, als würde er gerade die Regeln für ein Fußballspiel erläutern. Miyavi war gerade dabei zu argumentieren, dass er als Solokünstler ja eigentlich auch sein eigener Bandleader war und somit super in die Jury passen würde, als Kanon genug hatte. Wieso wurde hier eigentlich mal wieder ein Thema diskutiert, das eigentlich nur ihn anging? „Was soll diese Abschlussprüfung denn bitte sein?“, fragte er laut und beendete somit die Diskussion zwischen Miyavi, Ruki und Reita fürs erste. Der blonde Bassist zuckte nur gelangweilt mit den Schultern. „Mach dir nicht gleich ins Hemd. Is nur ein kleiner Gig.“ „Ein Gig?!“, rief Kanon empört, woraufhin Reita schmerzhaft das Gesicht verzog und sich an die Schläfe fasste. Gerne hätte der Jüngere in dieser Lautstärke weitergeredet, um Reitas Kater noch ein bisschen zu verschlimmern, doch leider ließ auch Aoi ein schmerzvolles Stöhnen von sich hören. Trotzdem. Reita hätte es wirklich verdient. Kanons Wut stieg nur noch weiter an, als der Blonde abermals mit den Schultern zuckte. „Reg dich doch ab! Ist ja nichts Großes! Das ist eher so ne Art Kneipe in der Hobbymusiker halt mal auftreten, wenn sie gerade nicht ihrem spießigen Bürojob nachgehen. Da werden Aoi und du auch sicher nicht erkannt.“ Kanon sah, wie Aoi seinen Kopf ganz langsam hob und dann Reita ansah. Sein Blick sprach Bände. „Ich hab gar nicht mitbekommen, dass ich auch zu den geladenen Gästen gehöre“, sagte er leise, aber es war deutlich ein warnender Unterton herauszuhören. „Tust du auch nicht.“ Erneut zuckte der Blonde mit den Schultern. „Du gehörst zu den Hauptattraktionen!“ Sie alle verharrten einen Moment in dieser Position. In Kanons Kopf arbeitete es. Reita wollte, dass er zusammen mit Aoi in einer Kneipe für Hobbymusiker spielte? Was war das denn für eine Abschlussprüfung?! „Du spinnst doch!“, warf der Gitarrist jetzt ein, während er sich endlich aufrecht hinsetzte. Es verpasste Kanon einen kleinen Stich ins Herz. Wollte er denn nicht mit ihm in dieser Kneipe spielen? „Was, wenn uns doch jemand erkennt!“ „Tu nicht so, als würdest du jeden Tag durch die Gegend rennen und von unzähligen Fans belästigt werden. Dich erkennt da draußen fast nie jemand. Und in der Kneipe erst recht nicht. Musst ja nicht völlig aufgetakelt hingehn.“ Reita ließ gar nicht erst auf eine Diskussion ein. Schulterzuckend trank er noch einen Schluck aus seiner Tasse. „Wenn wir da mit unseren Instrumenten sitzen, werden wir bestimmt erkannt!“ „Ach, du hast doch nur Angst.“ „Was? Wovor denn?“ „Dass du dich dabei blamierst.“ „Warum sollte ich?“ „Weil mans nicht so leicht überhört, wenn das eine Instrument von zweien falsch spielt.“ Aoi blieb der Mund offen stehen und Kanon sah das Donnerwetter schon heraufziehen. Kapitel 66: Wie man eine Show abzieht ------------------------------------- Vielen lieben dank für eure kommis ^^ danke, dass ihr immer noch dabei seid ;D und viel spaß beim nächsten chap! so langsam aber sicher gehen wir aufs ende zu... ~~~ Kapitel 66 Wie man eine Show abzieht „Laut…“ Er zuckte jedoch zusammen, als er leises Gemurmel in die Stille hinein hörte. Da war ja noch jemand! Hiroto stand neben ihm und rieb sich die Augen. Er bot einen wirklich niedlichen Anblick mit seinen verwuschelten Haaren und dem verschlafenen Blick, dem er ihnen anschließend zuwarf. „Hm? Ruha is schon weg?“ Kanon konnte nicht anders als zu schmunzeln, als er das verschlafene Häufchen da neben sich betrachtete, das anscheinend keine Ahnung davon hatte, dass es mitten in einen Streit geplatzt war. „Ja, der ist schon weg und wir folgen jetzt seinem Beispiel“, meinte Ruki beim Aufstehen und zog dabei auch seinen protestierenden Freund auf die Beine. „Ich will aber weiter dabei zusehen, wie sich Reita und Aoi die Köpfe einschlagen! Wieso müssen wir denn jetzt schon gehen?“ „Weil wir mit aufräumen müssen, wenn wir nicht sofort abhauen“, teilte der Gazette-Sänger seinem Freund trocken mit. Miyavis Augen wurden plötzlich ganz groß und schon zog er Ruki Richtung Haustür. „Macht‘s gut, Jungs!“, rief der Solokünstler noch einmal und bevor irgendeiner der Anwesenden reagieren konnte, hatten er und sein Freund auch schon fluchtartig die Wohnung verlassen. „Das war ja so klar“, murmelte Aoi missmutig vor sich hin und widmete sich dann seinem Kaffee. Kanon beobachtete den Gitarristen aus dem Augenwinkel und fühlte sich immer unwohler. Sonst hatte Aoi morgens immer so gute Laune und redete bereits wie ein Wasserfall auf den Jüngeren ein. Heute sagte er gar nichts. Selbst als Hiroto sich auf Rukis freien Stuhl setzte und es tatsächlich schaffte mit offenem Mund darauf erneut einzuschlafen, verzog der Ältere keine Miene. Und Kanon bezweifelte stark, dass die schlechte Laune des Gitarristen nur von Miyavis und Rukis Flucht kam. „Wenn du übermorgen nicht mit mir spielen willst, musst du ja nicht“, presste Kanon dann irgendwann heraus und zwang sich ein Lächeln auf die Lippen. Er wollte Aoi zu nichts zwingen, auch wenn es ihm ziemlich weh tat, dass der Gitarrist so ungern mit ihm auftreten wollte. Etwas verwirrt starrte Aoi den Jüngeren an und öffnete schon seinen Mund, um zu antworten, doch schloss ihn dann wieder. Eine Weile sah er Kanon einfach nur nachdenklich an. Irgendwann schloss er dann kurz die Augen und ließ ein lautes Seufzen hören. „Hey Rei, willst du uns auch noch irgendein Lied aufdrücken oder haben wir ausnahmsweise auch mal Mitspracherecht?“, fragte Aoi dann laut Richtung Couch. Der Angesprochene hatte sich inzwischen nämlich zusammen mit Tora darauf gemütlich gemacht und zockte schon wieder an der Konsole. „Macht, was ihr wollt“, gab der Blonde nur kurz von sich. Aoi schien einen Augenblick um seine Fassung zu kämpfen und beschränkte sich darauf, den Rücken seines Mitbewohners mit einem Todesblick zu strafen. Als er sich dann allerdings wieder Kanon zuwandte, lag ein liebesvolles Lächeln auf seinen Lippen. „Dann sollten wir uns jetzt mal einen Song für unseren großen Auftritt aussuchen.“ ~~~ Kanon war merkwürdig angespannt, als sie die kleine Bar betraten. Reita sprach mit einem der Kellner, welcher ihnen einen kurzen Blick zuwarf und dann nickte, bevor er sich wieder seiner Arbeit widmete. „Wir sollen uns irgendwo hinsetzen und warten, bis ihr dran seid. Nummer sieben seid ihr. Gleich spielt Nummer drei“, erklärte der Blonde, als er wieder zurückgekommen war. Schien ja alles relativ unkompliziert zu sein. Es war wirklich genau so wie Reita erzählt hatte. Eine Kneipe, in der sich Männer jeden Alters betranken und anschließend auf einer kleinen Bühne in der Ecke ihre mehr oder weniger ausgeprägten Musikkünste zum Besten gaben. Aoi nahm seufzend seine Sonnenbrille ab, die ihm ein wenig Anonymität verleihen sollte. Kanon hatte das schon am Eingang aufgegeben, als er gesehen hatte, in was für einen dunklen Keller es da runtergegangen war. Mit Sonnenbrille wäre er sonst wohl auch noch die Treppen runtergefallen! Außerdem bezweifelte er wirklich, dass sie hier groß jemand erkennen würde. Sie hatten wirklich beschlossen, sich nicht sonderlich aufzustylen und trugen eher Alltagskleidung. Gefolgt von Teruki, den sie schon zuvor getroffen hatten, setzten sie sich an einen Tisch an der Wand. Sie saßen so zwar relativ weit weg von der Bühne, hatten diese aber trotzdem gut im Blick. Und so konnten sie sich wenigstens relativ ungestört unterhalten. Kai hatte Aoi vor ein paar Minuten geschrieben, dass er und Nao sich ein wenig verspäten, aber auch demnächst da sein würden. Sie hatten sich gerade gesetzt und etwas zu trinken bestellt, als auch schon der nächste „Sänger“ auf die Bühne trat. Er probierte kurz das Mikro aus, was allerdings auch nicht sehr professionell aussah, sondern eher so als hätte er in irgendeiner Show mal gesehen, dass man das so vorher machen musste. Kanon fragte sich wirklich, wie Reita an diese Kneipe geraten war. Wenigstens konnte er sich hier nicht blamieren. Als der Hobbymusiker mit seinem Soundcheck durch war und zu singen begann, verzogen Aoi und er gleichzeitig das Gesicht. Wahrscheinlich war es ganz gut, dass sie keinen Sänger dabei hatten. Ruki hätte sicherlich versucht dem Kerl die Stimmbänder rauszureißen. Bevor Kanons Gehirn ein passendes Bild zu dieser These formen konnte, kamen glücklicherweise schon Kai und Nao um die Ecke. Nachdem die beiden die Runde begrüßt und sich gesetzt hatten, überreichte der Gazette-Leader seinem Freund und Teruki einen Stapel Papiere. Einen weiteren legte er vor sich selbst ab. „Was ist denn das?“, wollte Kanon neugierig wissen und versuchte einen Blick auf die Blätter zu erhaschen, die alle im oberen Eck zusammengeheftet waren. „Dein Bewertungsbogen“, gab Kai von sich, als wäre dies das Selbstverständlichste der Welt. Erst als er Kanons erschrockenen Gesichtsausdruck sah, erklärte er weiter: „Wenn ich schon ohne gefragt zu werden als Jurymitglied abgestempelt werde, will ich die Aufgabe wenigstens auch richtig erledigen!“ „Kleiner Perfektionist“, schmunzelte Nao liebevoll und gab seinem Freund einen Kuss auf die Wange. Kanon fand Kais Idee weitaus weniger charmant als Nao. Mit einem Bewertungsbogen hatte er jetzt nicht gerechnet. Und auch noch mit so vielen Seiten! Er beugte sich zu Teruki rüber, der gerade dabei war den Bogen zu überfliegen. Als dieser Kanons Versuch allerdings bemerkte, versteckte er die Zettel sofort hinter seinem Rücken. „Das hättest du wohl gern! Leg du einfach einen guten Auftritt hin und überlass den Rest den Profis.“ Mit verschränkten Armen lehnte sich Kanon an seinen Stuhl und beobachtete weiter die Show. So hatte er sich seinen letzten Abend mit Aoi wirklich nicht vorgestellt. Keine halbe Stunde später standen Aoi und er selbst auf der kleinen Bühne und bereiteten sich auf ihren Auftritt vor. Kanon war über die recht gute Qualität der Verstärker doch etwas verwundert, aber nahm das gerne hin. Wenn er schon bewertet wurde, dann wollte er wenigstens die bestmöglichen Bedingungen haben. Als er mit dem Soundcheck fertig war, hob er den Blick und ließ ihn durch den Raum schweifen. Der Geräuschpegel war ziemlich hoch, weil zum Einen noch Musik im Hintergrund gespielt wurde und zum Anderen weil sich die Gäste lautstark unterhielten. Es schien sich absolut niemand für sie zu interessieren. Sogar Reita, Kai, Teruki und Nao diskutierten über ihren Fragebögen und beachteten sie nicht. Eine Tatsache, die in Kanon irgendwie den Ehrgeiz weckte. Sie würden diesen müden Haufen schon wachrütteln! Schließlich sollten die zwei Tage intensive Probe ja auch nicht umsonst gewesen sein! Nachdem Aoi auch sein Zeichen gegeben und ihm noch einmal einen aufmunternden und zugleich kampfeslustigen Blick zugeworfen hatte, kündigte einer der Kellner sie als „Nummer sieben“ an und wandte sich dann wieder gleichgültig der Bar zu. Ein paar Leute blickten auf, aber der Geräuschpegel senkte sich nur minimal. Es war seltsam, nur eine Nummer zu tragen. Das Gefühl, auf der Bühne zu stehen und nicht erkannt zu werden, hatte Kanon jetzt schon einige Zeit nicht mehr gehabt. Ob es Aoi wohl genauso ging? „Bereit?“, fragte ihn dieser jetzt und der Bassist nickte. Sie würden den Leuten hier schon zeigen, was es hieß, Musik zu machen! Das Adrenalin floss durch seine Adern, als er die Saiten unter seinen Fingern anschlug. Der tiefe Ton seines Basses klang durch den Raum und gab ihm ein Gefühl von Sicherheit. Es war immer so. Sobald er die Saiten anschlug, fühlte er sich in seinem Element, ganz egal wo er war. Nach einem kurzen Basssolo setzte auch schon die Gitarre ein. Aois Gitarre. Allein deren Klang gab ihm noch einmal einen ganz neuen Adrenalinschub. Sie heizte ihm zusätzlich ein. Und dass Aoi neben ihm stand, zusammen mit ihm auf der Bühne, gab ihm noch mehr Sicherheit. Vielleicht würde es ja doch ein schöner letzter Abend werden. Sie hatten sich ziemlich viele Gedanken darüber gemacht, was sie spielen sollten, und hatten sich letztendlich für ein Medley entschieden, welches größtenteils aus Basssoli aus Gazette und AnCafe – Songs bestand. Aois Aufgabe war vor allem eine möglichst gute Überleitung zu schaffen. Natürlich hätten sie einfach einen Song auswählen und diesen spielen können, aber dann hatte Kanon doch der Ehrgeiz gepackt. Er wollte zeigen, dass er etwas drauf hatte! Und es machte ihm sogar Spaß! Je mehr sie spielten, desto lockerer wurde er und desto selbstverständlicher war es für ihn auch, sich zu der Musik zu bewegen. Schon während dem dritten Solo traute er sich ganz nach vorne an die Bühne zu gehen und Reita im Publikum provozierend anzuschauen, während er begann sich rhythmisch zu seinem „Miseinen“-Part zu bewegen. Er konnte sehen, wie der Blonde ihn überrascht anstarrte, was ihn aber auch nicht weiter verwunderte. Reita hatte gemeint, er wolle dass die Performance auch für ihn eine Überraschung ist und hatte sich die letzten zwei Tage nur wenig blicken lassen. Umso mehr freute sich Kanon, als der Blonde mit dem verwunderten Starren aufhörte und stattdessen auflachte. Sogar ein Jubelruf war von ihm zu hören, woraufhin der Rest des Tisches es ihm gleich machten. Davon angespornt drehte sich Kanon einem der Bararbeiter zu, der diesen Abend scheinbar dafür zuständig war auf die Bühne aufzupassen. Der Bassist machte in seine Richtung eine Bewegung, um ihm klar zu machen, dass er die Lautstärke hochdrehen sollte. Er wollte dass diese faulen Idioten endlich mit ihren Gesprächen aufhörten und ihm seine Aufmerksamkeit schenkten. Er lieferte hier gerade schließlich eine tolle Show ab und da wollte er auch Publikum! Und tatsächlich hatte der Kerl ihn nicht nur verstanden, sondern es wirklich auch geschafft, den Lautstärkeregler hochzudrehen. Und das nicht zu knapp. Kanon zupfte eine seiner Saiten an und stellte zufrieden fest, wie der dunkle Klang seines Basses die ganze Bar erfüllte. Und die Gespräche hörten schlagartig auf. Eine Stimme fragte in Kanon, ob es nicht schrecklich unhöflich sei diese ganzen Leute bei ihren Unterhaltungen zu stören, doch die Stimme war sehr weit weg. Er genoss die Blicke. Die Verwunderten. Die Neugierigen. Und sogar die Wütenden. Er stellte sich breitbeinig in die Mitte der Bühne und faste mit einer schnellen Bewegung einmal fest um das Griffbrett seines Instrumentes. Der Ton verstummte. Ein Lächeln schlich sich auf Kanons Lippen. Er würde denen schon zeigen, dass seine Unterbrechung mehr als nur berechtigt war. Als er sich triumphierend zu Aoi umdrehte, kam er fast einen Augenblick aus dem Takt. Der Ältere stand da und grinste ihn an, während er seine Basssoli auf der Gitarre begleitete. Verhalten bewegte er sich zur Musik. Vielleicht um Kanon nicht die Show zu stehlen? Aber trotzdem passte es perfekt. Er sah umwerfend aus. Selbst mit nur wirklich verhaltenem Make-up war dieser Mensch einer der schönsten, die Kanon je in seinem Leben gesehen hatte. Vor allem jetzt, wo Aoi ihn so gut gelaunt ansah und anscheinend wirklich Spaß hatte. Fröhlichkeit stand ihm wirklich unglaublich gut! Es dauerte ein paar Sekunden, bis er wieder ganz klar denken konnte. Dann nickte ihm Kanon zu, er solle doch zu ihm nach vorne kommen. Er war schließlich nicht als Solokünstler hier! Tatsächlich kam Aoi seiner Aufforderung nach und war einen Augenblick später schon neben ihm. Es fühlte sich so gut an! Die Blicke, die Saiten unter seinen Fingern und Aoi neben ihm. Kanon hatte vergessen, dass das hier seine „Abschlussprüfung“ war. Er hatte einfach nur Spaß. Ihr Medley neigte sich dem Ende zu und ehe er sichs versah, hatte Kanon schon die letzten Töne gespielt. Der Nachklang von Gitarre und Bass klangen gerade aus, als die ersten anfingen zu klatschen. Irgendwo jubelte jemand und Kanon glaubte Reitas Stimme erkennen zu können, in die noch ein paar andere mit einfielen. Es war ein tolles Gefühl. Freude und Stolz. Fast so als würde er wirklich auf einer großen Bühne mit einer Menge von Fans stehen. Der Unterschied war, dass hier zwar um einiges weniger Menschen anwesend waren und der Beifall darum auch verhaltener ausfiel, dafür waren in dieser kleinen Kneipe Menschen, die den Namen An Cafe wahrscheinlich noch nicht einmal gehört hatten! Und unter diesen Umständen war der Beifall mehr als zufriedenstellend. Glücklich grinste er Aoi an, der nicht weniger fröhlich zurücksah und ihm triumphierend zuzwinkerte. Na wenn ihren Leadern das nicht genügte, dann wusste er auch nicht weiter! Als sie sich gerade artig verbeugten, sah Kanon aus den Augenwinkeln, wie der Kellner von zuvor zu ihnen kam und ihm ein „Ihr könnt nochwas spielen“ ins Ohr murmelte. Sofort schlich sich ein Grinsen auf das Gesicht des Bassisten und er sah zu Aoi herüber, der ihm nur lächelnd zunickte. Schließlich gehörte es zum guten Ton seinem Publikum eine Zugabe zu gewähren! Schon nach kurzer Absprache hatten sich die beiden Künstler auf „Anata no tame no kono inochi“ geeinigt. Eigentlich eine ziemlich unpassende Wahl, da Kanon das Stück noch nicht oft genug gespielt hatte, um es wirklich zu beherrschen. Aber das war ihm egal. Er wollte das Lied spielen und das würde er auch tun. Den Rest würde er eben improvisieren. Letztendlich hatte das von ihnen gespielte Stück nur sehr wenig mit dem Original gemein. Irgendwann hatte es auch Aoi aufgegeben und begann zusammen mit Kanon wild zu improvisieren. Und das klappte sogar ziemlich gut. Natürlich ging auch immer wieder etwas schief. Nicht jeder Akkord hörte sich so perfekt an, wie er klingen sollte und bei einer ziemlich wilden Drehung hatte es Kanon dann noch auf den Hintern gehauen. Aber das alles machte ihm nichts aus. Er hatte Spaß. Und dem Gegröle der Kneipengäste nach, ging es denen ähnlich. Vielleicht lief das auf der Bühne ja wirklich so ab. Vielleicht musste man seinem Publikum nur zeigen, dass man selbst Spaß hatte und diese hatten dann auch welchen? Kanons Blick wanderte zu Aoi, der gerade versuchte gegen einen Lackkrampf anzukämpfen und weiter Gitarre zu spielen. Ihre Blicke trafen sich und sie hielten den Augenkontakt eine Weile. Vielleicht musste man ja manchmal einfach nur seine Gefühle ehrlich zeigen und man bekam ehrliche Gefühle zurück. __ Immer noch lachend schleppten sich die beiden Musiker von der Bühne. Aois Arm lag um Kanons Schulter, während der Jüngere sich an ihm festhielt damit er nicht umkippte und am Ende völlig einer Lachattacke verfiel. Als sie dann allerdings ihren Tisch erreichten, hatte sich Kanon schnell beruhigt. Der Anblick schaffte es sogar sein Hochgefühl zu verdrängen und Unsicherheit in ihm auszulösen. Kai, Nao, Teruki und Reita klatschten nicht als Aoi und Kanon bei ihnen ankamen. Sie grölten auch nicht oder umarmten sie überschwänglich. Kein Lächeln. Nicht einmal ein Blick! Stattdessen steckten die vier ihre Köpfe wie bei einer Krisensitzung zusammen und ignorierten die Neuankömmlinge komplett. Erst als Kanon seinen Bass abstellte und sich geschafft neben Teruki auf die Polster fallen ließ, drehte sich dieser zu ihm um und machte anschließend auch die anderen tuschelnden Bandleader und Reita auf sie aufmerksam. „Und? Was sagt ihr?“, grinste Aoi die vier selbstsicher an. Und als Kanon den Gitarristen so bei seiner Freude betrachtete, die durch den Anblick der tuschelnden Leader wohl um keinen Funken getrübt worden war, kam in ihm auch ein kleines Hochgefühl zurück. Eigentlich war es doch völlig egal, was die Anderen sagten! Es hatte ihnen Spaß gemacht. Es hatte dem Publikum Spaß gemacht, von denen ihnen immer noch der Eine oder Andere einen anerkennenden Blick zuwarf. Und selbst wenn es Kai, Reita, Nao und Teruki wirklich nicht gefallen hatte, dann hatte Kanon immer noch die Möglichkeit, es ihnen auf einen ihrer nächsten Lives zu beweisen! „Also…“, ergriff Kai das Wort. Anscheinend der Leader unter den Leadern. Er hielt einen der Zettel hoch, die vorher ausgeteilt wurden. Kanon konnte erkennen, dass die ersten zwei Kreuzchen gemacht und drei Zeilen ausgefüllt worden waren. Der Rest war unberührt. „Ums kurz zu machen: Wir waren zu abgelenkt, um Zettel auszufüllen.“ Auch die Fragebogen der Anderen waren nicht sehr viel ausgefüllter. Reita hatte anscheinend nicht mal angefangen. „Ihr ward klasse!“ Es schien so als hätten sie sie noch ein bisschen länger hinhalten wollen, aber Nao konnte sein Grinsen nicht unterdrücken. Auch Reita musste schließlich seinen Kommentar dazu abgeben. „Für meinen Geschmack zwar sehr viel Improvisation…“ „Aber es macht doch einen guten Musiker aus, Fehler zu überspielen. Ich wette, niemand hier hat bemerkt, dass auch nur ein Ton nicht so geplant war“, kam ihnen Kai zur Hilfe und zwinkerte Kanon freundschaftlich zu. Das war doch fast schon mehr, als dieser erwartet hatte! Es schien ganz so, als hätten sie die „Jury“ wirklich überzeugt! „Bestanden“, grinste Teruki schließlich und wuschelte Kanon lachend durch die Haare. „Und wem habt ihr Kanons Entwicklung zu verdanken?“, hakte Reita grinsend nach, woraufhin Kai nur die Augen verdrehte. Trotzdem schien der Drummer das Gefühl zu haben, dass der Blonde dieses Mal eine Antwort verdiente. „Ja, Rei. Scheinbar hast du es zwischen deinen gemeinen Quälereien tatsächlich irgendwie geschafft, Kanon etwas beizubringen“, gab Kai zu, woraufhin Reita ein lautes „Hah!“ hören ließ. Kanon verkniff sich jedes Kommentar. Er wollte die Stimmung nicht durch eine Diskussion über das Thema vermiesen, ob der Blonde ihm wirklich etwas beigebracht hatte oder nicht. „Auf das Ergebnis kannst du wirklich stolz sein“, meinte Nao zu dem Gazette-Bassisten und zwinkerte Kanon dabei zu, sodass dieser leicht rot wurde. „Bin ich ja auch!“, gab Reita freudestrahlend von sich, was endgültig dazu führte, dass Kanon rot anlief. So etwas hatte der andere Bassist ja noch nie über ihn gesagt! Doch bevor Kanon genauer darüber nachdenken konnte, war der Blonde aufgesprungen und verkündete grinsend „Und zur Feier des Tages geht die nächste Runde auf mich!“, was durch lauten Beifall der Anderen kommentiert wurde. Auch Kanon stimmte sofort lachend mit ein. Gedanken konnte er sich auch wann anders machen. Jetzt wollte er sich erst einmal feiern lassen! Kapitel 67: Wie man nach der richtigen Antwort sucht ---------------------------------------------------- Kapitel 67 Wie man nach der richtigen Antwort sucht Eine Stunde später fand sich Kanon mit den Anderen an der Bar wieder. Ihren Tisch hatten sie irgendwann aufgegeben. Hier waren sie einfach näher am Alkohol. Nachdem Reita die erste Runde ausgegeben hatte, hatte sich Teruki auf dieselbe Weise erkenntlich zeigen wollen und so ging es dann auch weiter. Kanon trank gerade den letzten Schluck von einem Drink, den Nao ihm spendiert hatte. Oder war die letzte Runde auf ihn selbst gegangen? Hatte er schon einen ausgegeben? „Entschuldige, kann ich kurz?“ Eine unbekannte Stimme riss Kanon aus seinen Gedanken und er erblickte einen jungen Mann vor sich, der ihn freundlich anlächelte. Sofort machte Kanon einen Schritt zur Seite und ließ den Anderen ebenfalls an die Bar treten, um sich etwas zu bestellen. Während der Fremde auf sein Getränk wartete, musterte dieser Kanon neugierig, was diesen leicht verunsicherte. Als sich ihre Blicke kurz trafen, lächelte der Kerl ihn freundlich an. „Du warst doch vorhin mal auf der Bühne, oder?“ Oh Gott. Was, wenn er sie erkannt hatte? Zögernd nickte Kanon und sah sich seinen Gesprächspartner, was der wohl gerade zu werden versuchte, auch ein wenig genauer an. Er sah für einen Japaner recht normal aus. Keine auffallende Haarfarbe oder Kleidung, aber ziemlich sanfte Gesichtszüge. Vielleicht ein bisschen jünger als Kanon selbst. Und er hatte wirklich eine tolle Ausstrahlung! Hätte der Bassist ihn auf der Straße getroffen, hätte er wahrscheinlich nicht gedacht, dass der Kerl in einer solchen Bar zwischen einem Haufen betrunkener Anzugmänner seine Freizeit verbrachte. Außer er war selbst Musiker und den Anschein hatte es nicht, denn weder war er auf der Bühne gewesen, noch hatte er ein Instrument dabei. „Ich hab dich spielen gehört, konnte nur leider nicht lange zugucken.“ Er nickte in die Richtung einer Tür und erklärte dann weiter. „Ich helf hier ab und zu aus, hinten in der Küche.“ Kanon gab einen überraschten Laut von sich. Das erklärte doch schon mal Einiges. „Jedenfalls… Es passiert nicht oft, dass jemand eine Zugabe geben darf.“ Als das Getränk des Fremden kam, warf dieser nur einen kurzen Blick darauf, beachtete es dann aber gar nicht weiter und fuhr unbeirrt fort. „Und ich find übrigens auch, dass du echt gut warst.“ „Danke.“ Jetzt konnte Kanon nicht anders als leicht verlegen zu lächeln. Erst als er wieder aufschaute, bemerkte er Teruki, von dem ihn der Fremde getrennt hatte und der ihn mit hochgezogener Augenbraue einen Seitenblick zuwarf, sich aber anschließend wieder Nao zuwandte, der auf der anderen Seite neben ihm stand. Und irgendwie fühlte sich Kanon plötzlich unwohl. Es war fast so, als würde er Aois Blicke in seinem Nacken spüren. Aber er unterhielt sich ja nur! Und er konnte den Typen ja nicht einfach so wegschicken. „Ich wollte auch immer ein Instrument spielen“, seufzte dieser jetzt. „Ich beneide dich! Bass spielen zu können wär schon toll. Ich glaub, ich hab sogar ein paar deiner Soli erkannt. Gazette, oder?“ „Kann schon sein“, antwortete Kanon wage und warf einen Seitenblick zu Kai und Reita, die das Gespräch inzwischen auch verfolgten und gerade ziemlich verängstigt wirkten. Verständlich. Schließlich waren sie zu dritt und konnten so auch am leichtesten entlarvt werden. Allerdings schienen die Anderen dem jungen Mann ziemlich egal zu sein. Stattdessen lächelte er jetzt Kanon strahlend an. „Ich wusste doch, dass es Gazette war“, meinte er stolz. „Und um ehrlich zu sein, fand ich dich sogar besser als das Original!“ Als Kanon diese Worte hörte, begann er laut zu lachen und alle Anspannung war plötzlich verflogen. Der Fremde hatte nicht Gazette entlarven, sondern ihm nur ein Kompliment machen wollen. Und was für ein schönes! Er sah zu Reita herüber, der dem Unbekannten einen Todesblick zuwarf und scheinbar von Kai beschwichtigt werden musste, um ihm nicht gleich an die Gurgel zu springen. „Hab ich was Falsches gesagt?“, fragte der junge Mann verunsichert, woraufhin Kanon nur seinen Kopf schüttelte und immer noch lachte. „Sag mal, darf ich dich auf ein Bier einladen?“ „Klar“, antwortete Kanon ohne zu zögern. Das Kompliment gerade hatte ihm den Jungen doch sympathisch gemacht. Außerdem erinnerte ihn das an die alten Zeiten, als An Cafe noch nicht so berühmt gewesen waren und in kleinen Clubs gespielt hatten. Damals war es normal gewesen, sich nach einen Gig von einem der Fans auf ein Bier einladen zu lassen und ein bisschen zu reden. Kanon vermisste die Zeit irgendwie. Und es war doch nichts Verwerfliches daran, die Gelegenheit auszunutzen und sich an diese Zeit zurückzuerinnern, oder? Während sie also ihr Bier tranken, begann der Bassist sich angenehm mit Ryu, seinem Gegenüber, zu unterhalten. Wobei vor allem Kanon redete. Er erzählte über seinen Bass und sein Equipment und worauf man beim Spielen alles achten musste. Der Andere hörte ihm neugierig zu und stellte ein paar Zwischenfragen, was Kanon signalisierte, dass er sich wirklich für das Thema interessierte. Irgendwann schien die Aufmerksamkeit des jungen Mannes jedoch abzudriften, denn er sah den Bassisten immer nur kurz in die Augen und begann dann nervös an seinem Bierdeckel zu spielen. „Kann ich dich mal etwas Persönliches fragen? Und ich hoffe, ich geh damit nicht zu weit, aber…“, Kanons Gegenüber kratzte sich verlegen am Hinterkopf, bevor er dann scheinbar doch den Mut aufbrachte, seinen Satz zu beenden. „Bist du eigentlich vergeben?“ Der Angesprochene war für einen Moment überrumpelt. Damit hatte er dann doch gar nicht gerechnet und das schien wohl auch Ryu bemerkt zu haben. „Tut mir leid, das war nicht gerade höflich…“ Unsicher starrte er weiter seinen Bierdeckel an. Irgendwie war es ja doch niedlich. Aber gleichzeitig kam ein Gefühl in Kanon auf, das er nicht mochte. Er wollte nicht an das Problem mit Aoi erinnert werden. „Ich muss nur gleich gehen und… naja…“ Während der Andere weitersprach, wandte sich der Bassist seinem Glas zu. Kanon wusste nicht, was er sagen sollte. Je länger er über die Frage nachdachte und je länger er schwieg, desto unangenehmer wurde ihm das Ganze. Die Stille kam ihm wie Minuten vor, dabei waren es sicher nur ein paar wenige Sekunden, in denen er Aoi, der noch immer neben ihm am Tresen stand, einen Seitenblick zuwarf. Der Gitarrist, Kai und Reita unterhielten sich mittlerweile aber nicht mehr. Aoi hielt sein Glas mit beiden Händen umschlossen. Ihre Blicke trafen sich. Und es fiel Kanon verdammt schwer, darin etwas zu lesen. Es kam ihm vor als wollte der Ältere etwas unterdrücken, was er aber eigentlich unbedingt sagen wollte. Als würde er sich krampfhaft zurückhalten müssen. Kanon wusste gar nicht, warum er Aoi angesehen hatte. Jetzt. Er wusste nicht, ob er wirklich seinen Blick gesucht hatte. Ob er seinem Blick hatte begegnen wollen. Er wusste gar nicht, was er mit dieser Aktion hatte bezwecken wollen. Und trotzdem war es ganz automatisch passiert. „Versteh schon…“, riss ihn Ryu plötzlich aus den Gedanken und man merkte deutlich, wie unangenehm und peinlich ihm das Ganze war. Aus einem Reflex heraus, schüttelte Kanon aber den Kopf. „Nein, bin ich nicht.“ Er war nicht vergeben. Das hieß nicht, dass er es nicht gerne wäre. Aber Fakt war, er war nicht vergeben. Und wenn er und Aoi sich noch so oft geküsst hatten. Wenn sie sich noch so oft in den Armen gelegen hatten. Vielleicht lag auch ein bisschen Trotz in seiner Antwort. Kanon wollte nichts mit Ryu anfangen. Er hatte nicht einmal daran gedacht, deshalb hatte ihn die Frage des Anderen auch so überrascht. In dieser Hinsicht galt seine volle Aufmerksamkeit Aoi. Aber was hätte er denn sonst sagen sollen? Wenn er in diesem Moment mit Ryu alleine gewesen wäre, hätte er ihm vielleicht die ehrliche Antwort gegeben, dass er zwar nicht vergeben, aber verliebt war. Doch unter den prüfenden Blicken der Anderen war wohl kaum der richtige Zeitpunkt, um seine Gefühlswelt preiszugeben. Und Kanon bezweifelte keine Sekunde, dass seine fünf Begleiter jedes Wort mitbekommen hatten. Er versuchte sich mit aller Gewalt davon abzuhalten, Aoi anzusehen. Auch wenn dessen Blick ihm wahrscheinlich einiges über die Gefühle des Gitarristen hätte sagen können, traute er sich nicht. Er wollte weder Verletztheit, noch Enttäuschung in Aois Augen sehen. Oder vielleicht sogar Teilnahmslosigkeit. Nur der Gedanke daran, löste in Kanons Magengegend ein ungutes Gefühl aus. Das Gefühl wurde allerdings noch schlimmer, als er Ryus strahlendes Gesicht sah. Sein Gegenüber zog nur grinsend einen Stift aus seiner Tasche und begann, etwas auf einen Bierdeckel zu schreiben, den er dann Kanon zu schob. Der Bassist musste sich den Untersetzer gar nicht anschauen. Er konnte ahnen, was darauf stand. Es war eine Telefonnummer. Eigentlich wollte Kanon den Deckel wieder seinem Besitzer zurückgeben. Er war nicht an Ryu interessiert und wollte ihn auch keinesfalls in dem Glauben lassen. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, meldete sich der Jüngere zu Wort: „Behalt ihn einfach, in Ordnung? Selbst wenn du mich nicht anrufst. Lass mich heute Abend mit der Hoffnung nach Hause gehen, dass du’s vielleicht doch machst.“ Kanon lächelte bei den Worten und nickte leicht. Er brachte es einfach nicht übers Herz dem sympathischen Jungen direkt eine Abfuhr zu geben. Außerdem hatte Ryu viel Mut bewiesen. Ihm waren die neugierigen Blicke von Kanons Begleitern sicher auch nicht entgangen und trotzdem hatte er eine Zurückweisung riskiert. Der Junge hatte damit mehr Mut bewiesen als Kanon und Aoi in den letzten Wochen hatten aufbringen können! Ryu schenkte ihm noch ein weiteres strahlendes Lächeln, bevor er seine Rechnung plus Kanons Bier zahlte und nach einer höflichen Verabschiedung in die Runde verschwand. Die Stimmung, als sie wieder unter sich waren, war ein wenig merkwürdig. Sie lachten nicht mehr so viel. Und Kanon spürte die Blicke der Anderen auf sich. Vor allem Teruki sah ihn unschlüssig an. Aber das war ja irgendwie auch kein Wunder. Er war schließlich derjenige, dem Kanon von seinem Kuss mit Aoi erzählt hatte. Und jetzt ließ er den Gitarristen einfach links liegen und plauderte munter mit einem Fremden, der ihm dann auch noch seine Nummer zusteckte? Andererseits… Er hatte sich nur mit Ryu unterhalten! Sonst war da doch absolut gar nichts gewesen. Sie stellten sich hier alle so an als hätte er sonst was mit dem Jungen getrieben. Und er hatte absolut keine Lust, dass ihr letzter Abend in so bedrückender Stimmung endete. Zum Glück bestätigten sich Kanons Befürchtungen nicht. Aoi schien das Ganze wohl zumindest momentan beiseite geschoben zu haben, denn sogar zwischen ihm und Kanon verschwand die gedrückte Stimmung mit der Zeit. Der Bassist war den Anderen wirklich dankbar, dass sie nicht noch weiter darauf rumgeritten waren. Selbst Reita hatte seine dummen Sprüche unterdrückt. Je später es wurde, desto mehr schien Ryu in Vergessenheit zu geraten. Die Stimmung stieg wieder. Sie lachten wieder miteinander. Es war so als hätte dieses Gespräch nie gegeben. Und obwohl es Kanons letzter Abend bei Reita und Aoi war, genoss er ihn wirklich sehr. Es war ja nicht so, dass sie nie wieder zusammen etwas trinken gehen würden. Außerdem wollte er auch gar nicht an seinen Auszug denken. Dafür war am nächsten Tag noch genug Zeit. _ Als Kanon am nächsten Morgen aufwachte, war sein erster Gedanke, dass er gar nicht hätte angenehmer aufwachen können. Aoi lag ihm zu gewandt und schlief wohl noch. Er hatte diesen niedlichen, kindlichen Ausdruck auf dem Gesicht, den Kanon nur bewundern konnte, wenn der Andere schlief. Ein Lächeln schlich sich auf das Gesicht des Jüngeren und er dachte gar nicht daran, jetzt aufzustehen oder Aoi gar zu wecken! Es war wirklich ein schöner letzter Morgen. Kanon konnte nicht anders als seine Hand auszustrecken und über die sanften Gesichtszüge des Mannes neben ihm zu streicheln. Er wollte sich alles einprägen. Den Geruch. Dieses Bild. Das Gefühl. Natürlich hatte das zur Folge, dass sein Vorsatz, Aoi nicht zu wecken, zu Nichte gemacht wurde. Verschlafen öffnete der Ältere die Augen und ein liebevolles Lächeln legte sich auf seine Lippen als ihre Blicke sich trafen. „Morgen“, murmelte er leise und legte seine eigene Hand auf Kanons, die sich immer noch auf seiner Wange befand. Schmiegte sich ihr sogar leicht entgegen. „Morgen“, erwiderte der Jüngere lächelnd. Er wusste nicht, ob er schon je einen so unschuldigen und perfekten Augenblick erlebt hatte. Keine Sekunde später war das Gefühl schlagartig verschwunden und Kanon saß kerzengerade im Bett. Aus einem der Räume war gerade ein Geräusch gekommen, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Es folgten ähnliche Laute, was die Vermutung nahe brachte, dass der dritte Weltkrieg ausgebrochen war. Entweder das oder… „Reita“, grummelte Aoi verstimmt und erhob sich aus dem Bett. Kanon tat es ihm gleich. „Was machst du?“, rief Aoi aufgebracht, als er die Schlafzimmertür öffnete und Richtung Küche stampfte. „Wonach sieht’s denn aus? Ich wollte Frühstück machen!“, gab der Blonde gekränkt von sich. Zu Kanons Verwunderung stand der blonde Musiker tatsächlich in der Kochnische und die aufgerissenen Schränke deuteten darauf hin, dass er die Wahrheit sagte. Reita machte ihnen Frühstück? Das war ja etwas ganz Neues! Kanon war richtig gerührt von so viel Freundlichkeit. Scheinbar wusste auch Aoi kurzeitig nichts zu antworten und sie beide gingen weiter auf den Küchentisch zu, um zu sehen, was der Bassist nun vorbereitet hatte. Als sie dann jedoch vor dem Tisch standen, fand Aoi sehr schnell seine Stimme wieder. Und auch seine Wut schien zu ihm zurückgekehrt zu sein. „Wie laut kann man denn bitte sein, wenn man Müsli hinrichtet?“, bluffte er seinen Mitbewohner an, der darauf natürlich sofort etwas zu erwidern hatte. Ohne ein Wort zu sagen, setzte sich Kanon auf seinen Platz, nahm sich vom Müsli und beobachtete amüsiert seine beiden Streithähne, während er mit Frühstücken begann. Es war wirklich ein schöner letzter Morgen! Nachdem sich die beiden irgendwann beruhigt und zusammen gefrühstückt hatten, fanden sie sich alle vor dem Fernseher wieder. Kanon brachte es irgendwie nicht übers Herz, seine Sachen schon zu packen. Er wollte noch so viel Zeit wie möglich mit seinen beiden Mitbewohnern verbringen. Es kam ihm so verschwenderisch vor, die Zeit damit zu vergeuden, seine Sachen zusammenzusuchen. Teruki hatte ihm am Abend zuvor noch angeboten, dass er ihn abholen würde, weil sein Gepäck ja dann doch nicht ganz so leicht war. Eigentlich hatte Kanon darauf gehofft, dass Aoi sich einmischte und erklärte, dass er ihn nach Hause fahren würde. Aber das war nicht passiert, also hatte der Bassist das Angebot von seinem Leader angenommen. Vielleicht hatte es Aoi auch gar nicht mitbekommen, der hatte sich nämlich zu der Zeit mit Nao unterhalten. Aber so genau konnte es Kanon nicht sagen und er wollte sich auch keinen Kopf darüber machen. Also hatte er sich mit Teruki um vier Uhr verabredet. Nach einer letzten gemütlichen Runde Pizza konnte er sich aber nicht mehr vor dem Packen drücken. Es wurde immer später und als er schließlich wirklich damit anfing, seine Klamotten in seine Tasche zu packen, fühlte er sich immer schlechter. Er konnte sich noch so oft einreden, dass er nicht weit weg wohnte und Aoi sicher jederzeit treffen konnte. Aber es war einfach etwas anderes, wenn man nicht mehr zusammen aufstand und schlafenging. Der Gitarrist kam immer wieder in sein Zimmer, um ihm Kram aus der Küche oder dem Bad zu bringen, der noch Kanon gehörte, bis sich der Ältere irgendwann aufs Bett warf und einen Seufzer von sich gab. „Packen ist anstrengend!“ Als wäre das das Zeichen für eine Pause gewesen, ließ auch der Bassist seine Sachen liegen. streckte sich und gab dabei einen zustimmenden Laut von sich. Vielleicht lag es auch daran, dass er gar nicht packen wollte. „Ich hab aber auch das Gefühl, dass ich viel mehr Gepäck hab als bei meinem Einzug!“ Tatsächlich war die Tasche, die Kanon damals mitgebracht hatte schon lange voll. Inzwischen waren sie dazu übergegangen den Rest in Tüten zu verstauen, aber auch das schien kein Ende nehmen zu wollen. „Beklaust du uns etwa? Nicht, dass ich morgen aufstehe und die Wohnung ist leer“, meinte Aoi lachend. „Ich werd mir so ja schon einsam vorkommen.“ Kanon hatte ebenfalls leise gekichert, verstummte er allerdings, als er den letzten Satz hörte und sah zu Aoi. Der Ältere schenkte ihm ein trauriges Lächeln, welche der Jüngere ihm gerne aus dem Gesicht geküsste hätte. Stattdessen griff er nach Aois Hand und drückte sie einmal leicht, während er ihn aufmunternd anlächelte. Der traurige Gesichtsausdruck verwandelte sich in ein Grinsen, auch wenn die Traurigkeit nicht ganz die Augen des Älteren zu verlassen schien. Dennoch schwang sich der Gitarrist seufzend wieder hoch, um weiterzupacken. „Zurück zum Ernst des Lebens: Wem gehören diese Handtücher?“ Sie waren gerade dabei darüber zu diskutieren, wem welche CD gehörte (natürlich wollte jeder dem anderen den Besitz überlassen), als es leise an der Tür klopfte. Als sie sich umdrehten, stand Reita grinsend im Türrahmen. „Lässt du auch etwas hier oder nimmst du gleich unsere ganze Einrichtung mit?“ Kanon streckte dem Bassisten die Zunge raus, doch konnte nicht anders als zu lächeln. Auch Reitas Grinsen wurde ein Stück breiter. „Hast du kurz Zeit, Kleiner?“ „Klar.“ Kanon stand auf und folgte Reita ins Wohnzimmer. Allerdings nicht ohne Aoi noch einen strengen Blick zuzuwerfen, der diesen davon abhalten sollte, Kanon aus lauter Großzügigkeit seine gesamte CD-Sammlung einzupacken. ___ Vielen Dank fürs Lesen ^__^ und euch allen schöne Weihnachten!! Kapitel 68: Wie man Abschied nimmt ---------------------------------- Kapitel 68 Wie man Abschied nimmt „Was gibt’s?“ „Ich wollte mit dir noch ein Abschlussgespräch führen. Schließlich warst du hier, um etwas zu lernen! Auch wenn du dich ziemlich gerne hast ablenken lassen.“ Bei den letzten Worten nickte Reita in Richtung Aois Zimmer, woraufhin Kanon die Augen verdrehte. „Sehr witzig“, murmelte er trocken, doch konnte er Reita für die Anspielung nicht wirklich böse sein. Gestern Abend war ihm aufgefallen, wie sehr er sich in der Zeit, in der er mit Reita und Aoi zusammengelebt hatte, weiterentwickelt hatte. Es wär übertrieben zu sagen, dass das alles der Erfolg des blonden Bassisten gewesen sei. Trotzdem verdankte Kanon ihm vieles. „Also“, begann Reita seine Rede. „Wenn ich dran denke, wie du hier am Anfang total verschüchtert saßt und auf deinem Bass rumgezupft hast…“ Er schüttelte demonstrativ den Kopf. „Das ging gar nicht!“ Kanon hörte brav zu. Er wollte dem Anderen den Spaß lassen und unterbrach ihn deshalb auch nicht, selbst wenn er bei manchen Punkten anderer Meinung war. Es war ja nicht so, dass er durch Reita von 0 auf 100 Selbstvertrauen aufgebaut hatte. Nur… wenn man eben zu fremden Leuten kam, plötzlich bei ihnen wohnte und einfach gar nicht wusste, wie man mit ihnen umzugehen hatte, dann war es vielleicht immer besser, sich erstmal ein wenig zurückzuhalten. Trotzdem sagte Kanon nichts und hörte Reita dabei zu, wie dieser über seine verschiedenen Stadien der Entwicklung philosophierte. Und manchmal musste er dann doch sogar zustimmend nickend, selbst ganz überrascht. Vor allem als es um die Generalprobe von Gazette ging, bei der er mitgewirkt hatte. Zwar redete der Blonde da mal wieder über seine Unbeholfenheit, aber Kanon kam ein anderer Gedanke. Und er musste ein Lächeln unterdrücken, als er an den Moment dachte, in dem Aoi Uruha davon abgehalten hatte, Kanon anzutanzen. War es vielleicht gar nicht, damit er sich nicht unwohl fühlte, so wie es sich der Jüngste zu diesem Zeitpunkt erklärt hatte? Oder… zumindest nicht nur? War Aoi vielleicht sogar ein bisschen eifersüchtig gewesen? Damals schon? Und gestern? Ob er gestern in der Bar wohl eifersüchtig gewesen war? „Jedenfalls…“, riss ihn Reita aus den Gedanken. Wie viel von seiner Rede hatte Kanon verpasst? Hatte es der Andere bemerkt? Es schien nicht wirklich so, denn mit einem Mal wurde sein überheblicher Gesichtsausdruck weicher. Fast schon freundlich. Sah Kanon da ein Lächeln auf den Lippen seines Gegenübers? „Jedenfalls kannst du gern mal wieder vorbeikommen, wenn du was Neues lernen willst.“ Zufrieden nickte Reita und fügte ein wenig leiser ein „Oder einfach mal so“ hinzu. Als Kanon die letzten Worte gehört hatte, konnte er nicht anders als seinen Gegenüber lachend in eine Umarmung zu ziehen. „Du bist wirklich einer der nervigsten Menschen, die ich je getroffen habe“, gestand Kanon kopfschüttelnd. Es war wirklich so. Es hatte genug Momente gegeben, in denen er Reita einfach nur hatte erschlagen wollen. Und trotzdem konnte er inzwischen nachvollziehen, wieso Tora und Aoi so gut mit ihm befreundet waren. Auf seine eigene Art war Reita ein guter Freund. Der Blonde lachte bei Kanons Kommentar und bedankte sich als handle es sich dabei um ein Kompliment. Typisch. Mit einem letzten Klaps auf die Schulter schob Reita den Jüngeren von sich. „Warum hast du dir dein Abschlussgespräch eigentlich nicht aufgespart, bis ich wirklich gehe? Es ist schließlich noch über eine halbe Stunde Zeit bis Teruki kommt.“ Kanon merkte, wie sich bei den letzten Worten sein Brustkorb verkrampfte. Eine Stunde. Was hätte er bei seiner Ankunft alles dafür gegeben, dieses Chaos-Apartment schnellstmöglich verlassen zu dürfen. Inzwischen konnte er es sich kaum vorstellen wieder bei sich zu wohnen. Ihm war immer noch bewusst, dass er mit seinem Auszug die richtige Entscheidung getroffen hatte. Das bedeutete aber noch lange nicht, dass sie ihm leicht fiel. „Also wie ich dich kenn, wirst du dich beim Abschied wohl nur auf deine Lieblingsablenkung konzentrieren können. Und ich wollt mir nicht die Show stehlen lassen“, meinte Reita neckend, woraufhin Kanon leider nicht viel erwidern konnte. Schließlich hatte der Blonde Recht. Natürlich hatte Kanon in seinem Kopf schon hunderte Varianten durchgespielt, wie er sich von Aoi verabschieden würde. Reita war ihm da gar nicht wirklich in den Sinn gekommen. Scheinbar hatte der Blonde gemerkt, dass seine Vermutung stimmte, denn er lachte noch einmal auf und schon den Jüngeren dann wieder zurück in Aois Zimmer. Der hatte inzwischen alle Sachen, die noch überall im Zimmer verteilt herumgelegen hatte, fein säuberlich neben den Koffer gelegt und darüber war Kanon auch relativ froh, denn Reitas kleine Ansprache hatte länger gedauert, als er gedacht hatte. Und das hieß, er war länger mit seinen Gedanken abgedriftet als befürchtet. Die letzte halbe Stunde verbrachte er damit, in der Wohnung herumzurennen und noch seine letzten Kleinigkeiten zusammenzusuchen. Wie immer brauchte Packen viel länger als man eigentlich dachte. In den wenigen ruhigen Minuten, in denen er sich noch nebenbei mit Aoi unterhielt, überfiel ihn aber immer wieder ein merkwürdiges Gefühl. Er wusste nicht, wie er sich von dem Älteren verabschieden sollte. Zu gern würde er ihm einen Kuss geben. Aber irgendwie war ihm das auch ein bisschen peinlich, wenn sie dann unten an Terukis Auto standen. So vor seinem besten Freund. Plötzlich begann Kanons Herz wie wild zu schlagen, als er realisierte, was ein Kuss möglicherweise mit sich ziehen würde. Vielleicht konnten sie dann ja reden! Vielleicht war dieser Abschied genau der richtige Anstoß dafür. Für sie beide. Der Auszug würde ihnen beiden diese Endgültigkeit bewusst machen. Seine Hände wurden feucht. Und alles in ihm wurde unruhig. Er konnte sich kaum mehr auf das Gespräch mit Aoi konzentrieren. Völlig in Gedanken versunken fuhr Kanon darum auch erschrocken herum und ließ beinahe seine Zahnbürste fallen, als es an der Tür klingelte. „Schon?!“ Aoi sah ihn ein wenig mitleidig an. „Es ist schon zwanzig nach vier.“ Aber… Aber er hatte doch gar keine Zeit gehabt, sich mental auf den Abschied vorzubereiten! Wieso stand Teruki denn jetzt schon vor der Tür?! Das ging nicht! Er hatte die ganze letzte Stunde nur mit Packen verbracht! Eigentlich hatte er sich doch noch mit Aoi hinsetzen wollen. Einfach nur reden. Nicht nur so nebenbei. Und zu einem Schluss, wie er sich denn nun am Besten von Aoi verabschieden sollte, war er auch nicht gekommen! Er hatte mit Teruki ausgemacht, dass sie sich unten vor der Tür treffen würden. So hatte er wenigstens noch den Weg bis zum Auto. Ein wirklich geringer Trost, aber der einzige, der ihm jetzt noch blieb. Aoi schnappte sich die paar Taschen, die sich noch in seinem Schlafzimmer befanden und trug sie ins Wohnzimmer zu dem restlichen Gepäck. Kanon warf dem Zimmer einen letzten wehleidigen Blick zu. Er hatte hier gerne geschlafen, gearbeitet, seinen Gedanken nachgehangen, sich entspannt. Anders als in der restlichen Wohnung war es hier meistens leise gewesen. Das Zimmer hatte immer viel von der Ruhe ausgestrahlt, die Kanon auch mit Aoi selbst verband. Es war schwer sich vorzustellen, dass er am nächsten Tag nicht in diesem Bett aufwachen würde. Und auch nicht neben Aoi. Der Gitarrist stand inzwischen im Wohnzimmer und überlegte sich, wie er am besten möglichst viel von dem Gepäck auf einmal nehmen konnte. Kanon hatte ihn gar nicht erst dazu auffordern müssen, ihm beim Tragen zu helfen. Aoi war immer so hilfsbereit ihm gegenüber gewesen. Ob er sich wohl dafür bedanken sollte? Während sich der Älteste weiter mit Taschen belud, kam Reita lächelnd auf Kanon zugestapft. Der Schwarzhaarige erwiderte das Lächeln und ließ sich nochmal in eine kurze Umarmung ziehen. „Mach’s gut, Kleiner“ „Hey, mit dem Abschied kannst du auch ruhig noch ein bisschen warten und uns stattdessen beim Tragen helfen“, meinte Aoi gereizt, als sich Reita wieder vom Jüngeren löste. Kanon spürte, wie sich etwas in ihm verkrampfte. Es war ja schon schwer sich vor Teruki von Aoi verabschieden zu müssen. Da musste er Reita doch nicht auch noch dabei haben! Scheinbar sah das der Blonde ähnlich. „Runter komm ich garantiert nicht mit, aber wenn du lieb bist, mach ich euch vielleicht die Türe auf.“ Als Antwort erhielt Reita nur den Mittelfinger. Zwar sah es etwas umständlich aus, weil Aoi voll beladen war und dabei fast eine Tasche fallen ließ, doch die Botschaft war ziemlich deutlich zu verstehen. „Na dann halt nicht.“ Reita zuckte nur mit den Schultern und wollte wieder in sein Zimmer zurück, bevor er seine Worte dann noch ein letztes Mal an Kanon richtete. „Und bloß nicht wieder in alte Muster zurückfallen! Sonst hol ich dich wieder hier her!!“ Kanon lächelte den anderen Bassisten ehrlich an. Vor einigen Wochen wären ihm diese Worte wie eine Drohung vorgekommen. Jetzt ähnelten sie eher einem Versprechen. „Also, bis bald!“ Kanon hob kurz die Hand, bevor ihm Reita nochmal zunickte und dann wirklich in sein Zimmer verschwand. Auch der Schwarzhaarige drehte der Wohnung ein wenig wehmütig den Rücken zu und schleppte sein Gepäck anschließend, gefolgt von Aoi, die Treppe runter. „Reita hat zwar gesagt, ihr braucht keine Hilfe… Aber wenn ich mir das so anguck, wär ich auch hochgekommen“, wurden sie von Teruki begrüßt. Kanon lachte kurz. „Sieht Rei ähnlich.“ Dann wollte er seine Tasche ins Auto zerren, aber der Drummer hielt ihn davon ab. „Stellt das Zeug hier ab. Ich lad schon ein.“ Er warf Kanon einen vielsagenden Blick zu und der Jüngere konnte nicht anders als ihn dankbar anzulächeln. Auch Aoi schien den Wink verstanden zu haben, denn er stellte sein Gepäck ebenfalls neben dem Auto ab, bevor er ein paar Schritte zurück zum Hauseingang machte. „Also dann…“, meinte er und sah Kanon lächelnd an. „Also dann…“, wiederholte dieser ebenfalls. Er wusste irgendwie so gar nicht, wie das hier weitergehen sollte. Sie standen einfach nur da und sahen sich an, während Kanon hinter sich das Geräusch von Autotüren hören konnte. „Du kannst gern mal wieder vorbeikommen, wenn du willst. Sag einfach Bescheid.“ Kanon nickte auf Aois Worte hin. Er war froh, dass die Einladung nicht nur von Reita ausging, sondern dass auch Aoi wohl wollte, dass er wiederkam. Und trotzdem… War er das? Fühlte sich so der Anstoß an, der sie zu einer Aussprache bringen sollte? Der Moment, in dem sie sich küssen sollten? Als Kanon dann auch noch merkte, wie der Andere ihn in eine Umarmung zog, konnte er deutlich spüren, wie sich die Enttäuschung in ihm breit machte. Nein, das war er nicht. Sie würden sich nicht küssen. Es würde zu keiner Aussprache kommen. Sie würden so auseinandergehen und das alles würde weitergehen. Und es würde schwerer werden, wenn sie nicht mehr zusammen wohnten. Es würde keine großen Gelegenheiten mehr geben etwas zu gestehen, sobald sie beide wieder in ihr altes Leben zurückverfallen waren. Nur widerwillig hob Kanon seine Arme und drückte Aoi leicht. Er genoss die Wärme des Älteren, aber die Enttäuschung über sich und den Ausgang der Situation hatte die Oberhand übernommen. Zu einem anderen Zeitpunkt wäre ihm vielleicht aufgefallen, dass ihre Umarmung recht lange dauerte. Und garantiert hätte er sich darüber gefreut, wie stark Aoi ihn an sich drückte, sich regelrecht an ihn klammerte. Doch inzwischen reichte es ihm nicht mehr. Er war die kleinen Gesten satt. Irgendwann löste sich der Ältere wieder von ihm und schenkte ihm ein trauriges Lächeln. „Also, bis bald!“ Kanon musste sich zusammenreißen, um Aoi nicht zu entgeistert anzustarren. Wirklich? Das waren Aois großen Abschiedsworte an ihn? Hatte er das Gleiche nicht vor ein paar Minuten noch zu Reita gesagt? „Ja… Bis bald.“ Als hätte Teruki nur auf diese Worte gelauert, kam er zufällig genau in diesem Moment auf sie beide zu. „So, ich glaube jetzt ist alles verstaut. Wir können fahren, wenn ihr hier fertig seid.“ Kanon wusste, dass Teruki sich nicht absichtlich für diese Wortwahl entschieden hatte, doch es stieg eine Trauer in ihm hoch, die noch schlimmer war als das Gefühl ausziehen zu müssen. Waren Aoi und er hier fertig? Gab es nichts mehr zu sagen? Er sah den Gitarristen an, welcher ihn nur freundlich anlächelte. Der Ältere sah nicht unbedingt danach aus, als würde ihm noch etwas auf dem Herzen liegen, was er unbedingt noch loswerden wollte. „Dann können wir jetzt ja gehen?“, hakte Teruki nach, da niemand auf seine vorige Frage geantwortet hatte. Kanon nickte. Auch der Drummer verabschiedete sich noch kurz von Aoi, welcher als letzten Abschiedsgruß dann noch kurz lächelnd die Hand hob. Kaum hatte Kanon dem Gitarristen den Rücken zugedreht, verspürte er den Drang Aoi ein letztes Mal anzusehen. Doch er ließ es bleiben. Zu groß war die Angst davor, dass Aoi vielleicht bereits wieder ins Haus zurückgekehrt war. Wortlos stieg er ins Auto und starrte aus dem Fenster. Nachdem sie eine Weile gefahren waren, durchbrach Teruki die Stille. „Ihr wohnt ja nicht wirklich weit voneinander entfernt und könnt euch jederzeit sehen! Eigentlich war das also gar kein richtiger Abschied, oder?“ Die Stimme der Leader klang unbeschwert, doch Kanon hörte leicht heraus, dass die Unbeschwertheit nur gestellt war. Dafür kannten sie sich schon lang genug. Der Jüngere vermutete eher, dass Teruki ihre eigenartige Abschiedsszene mitverfolgt hatte und ihn nun aufmuntern wollte. Definitiv ein schlechter Zeitpunkt. „Es ist unhöflich, die Gespräche anderer Leute zu belauschen“, antwortete Kanon nur knapp. Damit ließ Teruki das Thema auf sich beruhen. Der Ältere tat sein Bestes, um ihn auf andere Gedanken zu bringen. Er sprach über die Pläne für die Band in nächster Zeit, über die Aktionen, die seine Bandmember angestellt hatten, während Kanon nicht da gewesen war, und über die Vorbereitungen der Europatour. Er schaffte es sogar wirklich ab und zu, den Bassisten zum Lachen zu bringen. Teruki war ein guter Freund. Ein sehr guter Freund. __ „Ich frag mich echt, wie viel Zeug man in einem Monat an zusätzlichem Gepäck ansammeln kann!“, nörgelte Teruki, während er einen Teil des Gepäcks hinter Kanon in die Wohnung verfrachtete. Dieser wollte eigentlich als Antwort lachen, aber das blieb ihm im Hals stecken und er blieb stehen, als sein Blick auf den Futon fiel. Er war zuletzt zusammen mit Aoi hier gewesen. Teruki hinter ihm konnte das natürlich nicht wissen, darum schlussfolgerte er auch falsch. „Ja, da wär ich auch geschockt! Du hast wirklich keinen grünen Daumen!“ Er ließ die Taschen fallen und deutete an Kanon vorbei auf die Pflanze auf dem Fensterbrett, die fast alle ihre Blätter verloren und auf dem Boden verteilt hatte. „Ich kann nichts dafür, dass ich nicht da war!“, konterte der Jüngere, erleichtert darüber, dass er sich momentan nicht weiter mit dem wirklichen Grund seines Stockens beschäftigen musste. Teruki zog aber nur die Augenbrauen hoch und sah ihn tadelnd an. „Ach? Jetzt wieder mir die Schuld in die Schuhe schieben!“ „Wem denn sonst?“, stichelte Kanon und ließ sein Gepäck ebenfalls einfach auf den Boden fallen. „Du bist ganz schön frech geworden! Reita färbt ab!“ Teruki verschränkte die Arme vor der Brust und musterte seinen Gegenüber von oben bis unten in dem engen Flur, in dem sie noch immer standen. „Selbst Schuld!“ Kanon stemmte die Hände in die Hüfte und starrte zurück. Einen Moment sagte keiner was, bis Teruki zu grinsen anfing und nachgab. „Du hast gewonnen.“ Zufrieden nickte der Bassist und begann dann ebenfalls zu grinsen. „Also, brauchst du noch bei irgendwas Hilfe?“, wechselte der Ältere das Thema und es sah fast aus als würde er gehen wollen. Aber Kanon wollte nicht, dass er ging. Er hatte keine Lust jetzt allein zu sein, das wurde ihm bei den Worten des Anderen plötzlich bewusst. Vor allem wollte er mit seiner Enttäuschung nicht allein sein. „Hast du heut noch was vor?“ Teruki zog eine Augenbraue hoch. „Auspacken musst du schon allein.“ „Das kann ich morgen auch noch. Ich wollt eigentlich nur fragen, ob du noch hier bleiben willst.“ Der Ältere sah zuerst einen Moment überrascht aus, schien dann aber die Lage zu begreifen, denn auf seinem Gesicht machte sich ein Lächeln breit. Ohne weiter nach dem Grund zu fragen, nickte er. „Klar.“ Kanon war über diese Antwort mehr als dankbar. Er brauchte jetzt Ablenkung. Dringend. Auch Teruki schien das gemerkt zu haben, denn er begann direkt lautstark darüber zu philosophieren, was sie sich jetzt zu Essen bestellen sollten und hob währenddessen die Blätter auf, die auf dem ganzen Boden verteilt waren ohne wahrscheinlich selbst zu merken, dass er für den Jüngeren aufräumte. Ein Lächeln legte sich auf Kanons Lippen und anders als bei ihrer Autofahrt beteiligte er sich dieses Mal am Gespräch. So unterhielten sie sich mindestens zwei Stunden lang über jeden Schwachsinn, der ihnen einfiel. Irgendwann gingen ihnen dann aber doch langsam die Themen aus. Sie hatten ihr Abendessen schon längst beendet, saßen jetzt auf Kanons Couch und sahen sich irgendeinen blöden Film an. Der Bassist versuchte den Gedanken zu ignorieren, dass Aoi den Film wahrscheinlich genau so bescheuert gefunden hätte wie er und sie dann sicher ein Gespräch angefangen hätten, was Reita zur Weißglut gebracht hätte. Er versuchte auch nicht daran zu denken, dass er das letzte Mal mit Aoi zusammen auf dieser Couch gesessen und an ihn gelehnt eingeschlafen war. Vor allem wollte er nicht daran denken, was noch weiter passiert war. Und er tat es natürlich doch. Ein Arm legte sich um seine Schulter und sein bester Freund zog ihn näher an seine Seite. Wahrscheinlich hatte sein Blick mal wieder Bände gesprochen. „Ich glaub, ich muss mir einen neuen Futon kaufen“, nuschelte Kanon leise, was Teruki auflachen ließ. Verwundert sah der Bassist seinen Freund an der nur kopfschüttelnd entgegnete: „Sorry, ich musste gerade an meinen Glastisch denken.“ Als über Kanons Kopf weiterhin ein Fragezeichen schwebte, machte Teruki nur eine wegwerfende Handbewegung. „Die Geschichte erzähl ich dir mal wann anders. Und jetzt geh an deinen Schrank und leg eine deiner geliebten Anime-Serien ein, damit wir dich auf andere Gedanken bringen.“ _____ ein kleines Schlusswort: Wie immer vielen vielen Dank für eure Kommentare ^__^ Auch (oder gerade) wegen der Länge der ff! Ihr seid immer noch dabei! Vielen Dank dafür! ^^ Und wo wir aber gerade beim Thema sind... Ja, kyoosha - learning bei doing ist wirklich fast am Ende angekommen. Wir rechnen mit noch 3 Kapiteln. Und weil der Rest der ff ziemlich durchgeplant ist, können wir uns diesmal auch nicht so sehr verschätzen ^^" Damit verabschieden wir uns für dieses Jahr und wünschen euch allen nen guten Rutsch ^__^ Kapitel 69: Wie man eine Verabredung organisiert ------------------------------------------------ Kapitel 69 Wie man eine Verabredung organisiert Es war angenehmer gewesen als er das letzte Mal hier gewesen war. Kanon hatte es schon in dem Moment gedacht, in dem er das Café betreten hatte. Normalerweise würden die Menschen wahrscheinlich denken, an diesem Tag war alles viel schöner. Es schneite. Es ging auf Weihnachten zu. Es hatte eigentlich alles, was es für einen ersten Dezembertag brauchte. Aber für Kanon hatte dieser Tag nicht sonderlich viel Schönes. Es war kalt, nass und die Weihnachtsdeko überall ging ihm jetzt schon auf die Nerven. Und letztes Mal war Kanon mit Aoi hier gewesen. Irgendwie hatte sich an diesem Tag alles viel wärmer angefühlt. Der Duft war angenehmer gewesen. Die Atmosphäre schöner. Er saß an einem anderen Tisch als letztes Mal, aber seine Gedanken drehten sich um dieselbe Person. Aoi und er hatten sich in den zwei Wochen, in denen er jetzt wieder in seiner eigenen Wohnung wohnte, an vier Tagen Mails geschrieben. Telefoniert hatten sie einmal. Treffen wollten sie sich zweimal. Geklappt hatte es keinmal. Teruki hatte viele Proben angesetzt und allmählich kam die Europatour in greifbare Nähe. Aoi und Reita schienen auch wieder mehr zu tun zu haben. Sie hatten es nicht auf die Reihe bekommen, sich zu treffen. Und Kanon konnte den Gedanken einfach nicht beiseiteschieben, dass Aoi vielleicht gar nicht alles versuchte, um ihn wiederzusehen. Es war nicht fair, das wusste er selbst. Er wusste, wie viel sie als Band zu tun hatten. Aber er wurde die Gedanken einfach nicht los. Und noch einen Gedanken wurde er nicht los: Dass er sich nach dem Älteren sehnte. Er hielt es kaum mehr aus, den Anderen nicht sehen zu können, wann er wollte. Einmal war es sogar so schlimm gewesen, dass er spontan zu ihm gefahren war. Aber es war niemand zu Hause gewesen. So viele Fragen hatten sich in den letzten zwei Wochen angesammelt. Aber er konnte sie einfach nicht loswerden. Vor allem jetzt nicht mehr. Es fühlte sich an, als hätte er sich von Aoi entfernt. Umso ironischer war es, dass er jetzt in diesem Café saß. In ihrem Café. Doch leider nicht, um sich mit Aoi zu treffen, sondern mit Reita. Der Blonde hatte ihm vor zwei Tagen geschrieben, er solle um 16 Uhr hier antanzen. Es war keine Frage gewesen, eher ein Befehl. Und Kanon hatte sogar Zeit gehabt! Er wusste immer noch nicht, ob er über die Tatsache weinen oder lachen sollte, dass er es eher schaffte sich mit Reita zu treffen als mit Aoi. Natürlich hatte er auch bestimmte Hoffnungen in dieses Treffen gelegt. Er versuchte sie so gut es ging zu unterdrücken, um sich nicht selbst zu enttäuschen, doch es gelang nicht wirklich. Vielleicht würde Reita Aoi ja mitbringen. Oder Reita würde Kanon zu ihnen nach Hause einladen und er würde den Gitarristen dort treffen. Wenn er ehrlich mit sich selbst war, würde sich ihre Verabredung auch schon lohnen, wenn der Blonde nur ein bisschen was über seinen Mitbewohner erzählte. Kanon seufzte verzweifelt. Es war ihm schon fast peinlich, wie sehr er den Schwarzhaarigen vermisste. Der Bassist trank einen Schluck aus seiner Tasse und sah dann auf die Uhr. Schon 10 Minuten Verspätung. 5 Minuten später stapfte dann tatsächlich ein ihm bekannter Blondschopf durch die Tür und steuerte direkt auf seinen Tisch zu. Kanon versuchte sich die Enttäuschung nicht ansehen zu lassen, dass Reita alleine hier war. Wahrscheinlich konnte er all seine anderen Hoffnungen auch direkt über Bord schmeißen. Vielleicht wollte der Blonde sich einfach so mit ihm treffen. Oder er hatte mal wieder irgendeinen schrecklichen Plan geschmiedet und Kanon musste als Opfer herhalten. Wenn letzteres der Fall war, dann war Reita ein wirklich guter Schauspieler. Sein Lächeln wirkte auf Kanon ziemlich freundlich und ehrlich. Der Jüngere war kurz unschlüssig, stand am Ende aber doch auf und umarmte den anderen Bassisten kurz. Nachdem man zwei Monate zusammengelebt hatte, müsste eine Umarmung als Begrüßung ja eigentlich normal sein. Und er freute sich ja auch darüber, den Blonden wiederzusehen! Auch wenn es ihm doch etwas peinlich war, wie Reita sofort eine der Bedienungen herwinkte, um sich einen Kaffee zu bestellen. „Lass uns nicht um den heißen Brei herumreden“, begann Reita dann sofort das Gespräch. „Du bist ein Idiot. Und Aoi auch.“ Kanon zog die Augenbrauen hoch. Das war also der Grund! Er wusste zwar nicht richtig, auf was Reita genau raus wollte, aber ein Gespräch mit dem Blonden über ihn und Aoi konnte eigentlich nur schief gehen. Unruhig rutschte er auf seinem Sitz rum. „Ja genau! Du weißt genau wovon ich rede! Und ich hoffe, dir ist auch klar, dass es Aoi ziemlich beschissen geht.“ „Beschissen?“ Wie beschissen? Und wieso sollte ihm das klar sein? „Er hat dauerhaft schlechte Laune, zickt uns alle noch mehr an als sonst schon. Es ist echt kaum auszuhalten! Sogar Kai ist schon halb am Verzweifeln.“ In Kanon machten sich gemischte Gefühle breit. Einerseits hatte er Angst, dass er der Grund für Aois Gefühlswandel war und an dem ganzen Desaster Schuld war. Schließlich wollte er nicht der Grund für Probleme bei Gazette sein. Andererseits bedeutete das aber auch, dass er vielleicht doch einen größeren Einfluss auf Aoi hatte als er gedacht hatte. Dessen Gefühlswandel könnte zwar viele Gründe haben, aber wieso sollte Reita denn dann genau zu ihm kommen und ihm das alles erzählen? „Und mal ganz von diesen Problemen abgesehen“, redete der Blonde ein bisschen leiser weiter. „Aoi ist mein bester Freund und glaub mir, es ist nicht gerade toll ihm dabei zuzusehen, wie er jeden Tag noch tiefer in der Scheiße versinkt. Ist ja nicht so, dass ich ihn da nicht selber rausziehen würde, wenn ich könnte…“ Kanons Herz begann ein bisschen schneller zu schlagen. „Also Kleiner, du weißt was du zu tun hast!“ Reita fixierte ihn einen Moment, starrte dann vorbei aus dem Fenster und stand schlagartig auf. Erschrocken rutschte auch Kanon ein Stück zurück. Das wars? Das war das ganze Gespräch gewesen? Und deshalb hatte ihn Reita herbestellt? „Richte Aoi aus, dass er gar nicht erst zu Hause antanzen braucht, bevor ihr das nicht gebacken bekommt!“ Damit schnappte sich der Ältere seine Jacke und zog sie auf dem Weg zur Tür an. Kanon starrte ihm regungslos hinterher. Durch die Fensterfront konnte er beobachten, wie Reita zielstrebig den Laden verließ. Und der Blonde hatte allem Anschein nach tatsächlich ein Ziel gehabt. Kanons Herz setzte einen Schlag aus. Das konnte nicht sein. Vor dem Café stand Aoi und unterhielt sich ziemlich hitzig mit Reita. Erst als dieser ins Innere des Gebäudes zeigte, verstummte der Gitarrist augenblicklich. Kanon schluckte als Aois Blick seinen traf. Der Rest der Welt war nur noch verschwommen. Er hörte nur noch seinen viel zu schnellen Herzschlag, sah nur noch Aoi. Unsicher hob Kanon die Hand zum Gruß. Eine Geste, die der Gitarrist sofort erwiderte. Sonst stand er nur wie zur Salzsäule erstarrt vor dem Café. Erst als Reita ihm einen ordentlichen Schubs Richtung Tür gab, setzte sich Aoi in Bewegung. Der Blonde verschwand dann mit einem letzten Winken aus Kanons Sichtfeld, doch dieser achtete gar nicht mehr auf den anderen Bassisten. Aoi war da. Er war wirklich hier. Kanon wusste gar nicht, wie er reagieren sollte. Zumal Reitas Worte ihn jetzt noch zusätzlich verwirrt hatten. Inzwischen hatte Aoi das Gebäude betreten und kam mit einem schüchternen Lächeln auf Kanons Tisch zu. Der Bassist stand auf und nahm amüsiert wahr, dass Aoi seine Jacke nicht aufgehängt hatte, sondern direkt auf seinen Tisch zugekommen war. Scheinbar war der Gitarrist von der Situation auch leicht überfordert. „Hey“, murmelte Aoi leise und zog den Jüngeren in eine kurze Umarmung. Für Außenstehende musste sie ähnlich ausgesehen haben, wie die Umarmung, die Kanon kurz davor mit Reita geteilt hatte, doch das Gefühl war ein ganz anderes. Am liebsten hätte Kanon den Älteren noch viel stärker an sich gedrückt und ihn am besten nie wieder gehen lassen. Als sie sich dann hinsetzten, glaubte er in Aois Augen eine ähnliche Sehnsucht zu erkennen. Der Ältere räusperte sich verlegen. „Mit dir hab ich jetzt ja überhaupt nicht gerechnet“, gab Aoi zu und kicherte dabei nervös. „Reita hat mir nur geschrieben, dass ich ihn sofort hier abholen soll.“ Er kratze sich bei dem Worten am Hinterkopf und Kanon konnte einfach nicht anders als den Älteren anzuhimmeln. Wie konnte man nur so unglaublich süß sein, wenn man verlegen war? Zur Krönung kam auch noch die Bedienung um die Ecke und stellte vor dem armen Gitarristen einen extrastarken, schwarzen Kaffee auf den Tisch. Den Kaffee, den Reita vor wenigen Minuten bestellt hatte. Kanon schüttelte lachend den Kopf. Reita hatte ja schon viele Pläne geschmiedet, doch dieser gefiel ihm eindeutig am besten. Auch der Ältere sah erst erstaunt auf das Getränk, grinste es dann aber wissend an und dankte der Bedienung mit einem Lächeln auf den Lippen und einem Nicken. Kanon konnte seinen Blick nicht von dem Anderen wenden. Er beobachtete jede kleine Geste. Jede Regung. Er konnte einfach nicht anders. Es war als müsste er nachholen, was er in den zwei Wochen, in denen sie sich nicht gesehen hatten, verpasst hatte. „Und? Was machst du so?“ Kanon wollte die Frage so beiläufig wie möglich klingen lassen, aber in ihm schrie alles danach zu erfahren, was sein Gegenüber getrieben hatte. Er wollte alles wissen. Alles, was er verpasst hatte. Er wollte wieder an Aois Leben teilhaben und nicht nur eine Abwechslung in seinem Alltag sein. Er wollte Aois ganzer Alltag sein! Der Jüngere spürte, wie die Unzufriedenheit in ihm aufstieg, als der Andere nur mit einem schulterzuckenden „So dies und das. Arbeit halt“ antwortete. Aber er konnte ihn ja wohl kaum danach fragen, um wie viel Uhr er die zwei Wochen über aufgestanden war, was für eine Cornflakes-Sorte er momentan aß oder welche Zahnpasta er benutzte. „Und du?“ „Dasselbe. Die Europatour stresst uns jetzt schon. Teruki macht ziemlich Druck.“ Was ja irgendwie auch gut so war, aber trotzdem wünschte sich Kanon manchmal ein bisschen mehr Zeit für sich. Mehr Zeit für Aoi. Nur war das als Musiker wohl nichts, was realistisch zu sein schien. Aber heute… Wenigstens heute hatte er Zeit für sie beide. Und er überlegte einen Moment, ob da nicht vielleicht auch Teruki und Reita unter einer Decke steckten. Zuzutrauen wäre es den beiden ja. Schmunzelnd setzte er seine Tasse an die Lippen und trank einen Schluck von dem mittlerweile lauwarmen Kaffee. „Was ist?“ Aoi musste es bemerkt haben, denn er sah ihn verwundert an. Statt direkt zu antworten, hing Kanon noch einen Moment lang dem Gedanken nach. Wenn seine Vermutung stimmte, hatten sich Teruki und Reita ja richtig Mühe gegeben. Eigentlich eine Schande, dass Aoi und er sich jetzt nur gegenübersaßen und sich anschwiegen. „Nichts Wichtiges. Mir ist nur etwas Lustiges eingefallen, was Yuuki gestern gemacht hat“, log Kanon und begann dann von dem Keyboarder zu erzählen. Er fühlte sich kurz unwohl dabei, Aoi nicht gesagt zu haben, was wirklich seine Gedanken gewesen waren, aber diese kleine Flunkerei würde der Gitarrist sicher verkraften. Außerdem hatte sich Kanon jetzt in den Kopf gesetzt die Stimmung etwas aufzulockern und eine verrückte Yuuki-Geschichte war schon immer ein super Stimmungsheber. Wie erwartet begann Aoi am Ende der Anekdote zu lachen und erzählte dann selbst etwas Neues aus seinem Bandalltag. Kanon hörte grinsend zu und stellte zufrieden fest, dass alle Nervosität und Unsicherheit von ihm abgefallen waren. Und auch Aoi wirkte viel entspannter und redete wie ein Wasserfall. Kanon musste sich richtig anstrengen, um selbst zu Wort zu kommen. Alle Knoten waren plötzlich geplatzt und Kanon fielen tausend Dinge ein, die er dem Älteren unbedingt erzählen wollte. Es waren teilweise nur kleine und belanglose Geschichten, aber Aoi sollte sie alle erfahren. Dem Gitarristen schien es ähnlich zu gehen, denn auch er redete immer weiter und Kanon sog jede noch so winzige Information auf als würde sein Leben davon abhängen. Als Aoi ihm dann doch tatsächlich davon berichtete, dass er die neuen Cornflakes aus der Werbung probiert hatte und schwer enttäuscht war, begann Kanon laut zu lachen. „Alles klar bei dir?“, fragte Aoi grinsend, während Kanon sich wieder beruhigte und dem Älteren zunickte. Einige der anderen Gäste warfen ihnen schon genervte Blicke zu, was aber wohl nicht nur an seinem Lachanfall lag. Er und Aoi hatten sich während ihrer hektischen Berichterstattung zu einer ziemlich Lautstärke hochgeschaukelt, die wohl nicht ganz in das harmonische Ambiente des Cafés passte. „Wir müssen aufpassen, dass man uns nicht rausschmeißt“, meinte Kanon etwas leiser, während er die stechenden Blicke der anderen Anwesenden auf sich spürte. Und auch wenn Aoi mit den Schultern zuckte, wirkte er ebenfalls peinlich berührt. Der Bassist kaute auf seinem Lippenpiercing und sah sich nachdenklich um. Wenn Aoi und er sich nicht disziplinierter verhielten, bekamen sie vielleicht tatsächlich noch Ärger. Nur war er viel zu aufgeregt, um seine Stimme leise und kontrolliert zu behalten. Er wollte mit Aoi reden und lachen. Er wollte ihm nahe sein. Leider war ein Café dafür der falsche Ort. Sein Blick huschte zu dem hübschen Gitarristen. Sollte er es wagen? Ihm fielen wieder Reitas Worte ein und erinnerte sich an seine eigenen Gedanken. Wer wusste schon, wann er sich das nächste Mal mit Aoi treffen konnte. Ein leises Seufzen. Der Versuch, den ganzen Mut zusammenzukratzen und die Stimme möglichst normal klingen zu lassen. „Wie wär’s wenn wir zahlen und bei mir weiterreden?“ Ohne zu zögern nickte Aoi und sah sich gleich nach der Bedienung um. Kanon sah ihn kurz überrascht an. So einfach hatte er sich das dann doch nicht vorgestellt. Aber dann machte sich ein warmes Gefühl in ihm breit und er konnte nicht anders als Aoi lächelnd dabei zuzusehen, wie er eine Bedienung heranwinkte, um ihr mitzuteilen, dass sie zahlen wollten. Er liebte den Gedanken, dass der Ältere ihn wohl auch vermisst hatte. Ihm wohl auch so viel erzählen wollte. Als sie zwei Minuten später vor der Tür des Cafés standen und sich Kanon zufrieden in seine warme Jacke kuschelte, merkte er, dass die umher tanzenden Schneeflocken viel schöner aussahen als auf dem Hinweg. Kapitel 70: Wie man um die Wahrheit kämpft ------------------------------------------ Eine gute und eine schlechte Nachricht haben wir heute für euch.. (wobei die gute wohl auch im Auge des Betrachters liegt ;) ) Die gute Nachricht ist: Wir schaffens nich, diese ff im nächsten kapitel abzuschließen >_>" Das heißt nach diesem Kapitel kommen noch zwei. Die schlechte Nachricht: Ich (Keia) bin die nächsten drei Wochen im Prüfungsstress, deshalb kann ich kaum schreiben und deshalb machen wir eine Woche Pause. Das nächste Kapitel kommt also erst am 27.1. Tut mir leid >_< Mehr gibts eigentlich nicht zu sagen, außer dass wir uns wieder sehr über eure reviews gefreut haben ^__^ Viel Spaß mit dem nächsten Kapitel! ______ Kapitel 70 Wie man um die Wahrheit kämpft „Willst du Zucker für den Tee?“ Kanon hasste es, dass er das fragen musste. Er sollte das doch über Aoi wissen! Aber in der Zeit, in der er bei den Gazettemembern gewohnt hatte, hatten sie nie Tee getrunken. Nur jetzt, wo ihre Nasen schon ganz rot vor Kälte geworden waren, hatten sie sich zum Aufwärmen für eine Tasse Tee entschieden. Der Bassist musste unwillkürlich grinsen, während er den Tee eingoss. Aoi sah mit einer roten Nase niedlich aus. „Nein, danke!“, hörte Kanon aus dem Nebenzimmer und versuchte sich zusammenzureißen und an etwas anderes zu denken. Dann nahm er die beiden Tassen mit dem grünen Tee, um damit durch die schmale Küchentür zurück in dieses eine Zimmer zu gehen, aus dem seine Wohnung bestand. Er stellte sie auf den kleinen Tisch vor dem Sofa und ließ sich dann auf dieses neben Aoi fallen. „Ist was?“ Der Ältere hob eine Augenbraue und sah ihn fragend an. Kanon bemerkte, dass das Grinsen unbemerkt auf sein Gesicht zurückgekehrt war und jetzt, da er sich dem Anderen zuwandte und erneut mit dem Grund seines heiteren Zustands konfrontiert wurde, noch mehr grinsen musste. „Deine Nase ist ganz rot“, gab er schließlich lachend zu. Aoi sah den Jüngeren geschockt an und hob sich direkt seine Hand vor die Nase, was Kanon noch mehr zum Lachen brachte. „Nicht verstecken! Du siehst wirklich niedlich aus!“ Erst Aois hochgezogene Augenbraue machte dem Bassisten klar, was er gerade gesagt hatte. Sein Lachen verstummte sofort und er merkte die Hitze emporsteigen. „Ich bezweifel, dass meine Nase so niedlich sein kann, wie deine roten Bäckchen“, konterte Aoi nun. Er hatte die Hand wieder vom Gesicht genommen und grinste den Jüngeren belustigt an. Eigentlich wollte dieser dem Älteren die Zunge rausstrecken, doch das war gar nicht so einfach, wenn man selbst wie ein Honigkuchenpferd grinste. Sie hatten es mal wieder getan. Sie hatten sich gegenseitig einen Teil ihrer Zuneigung verraten und Kanon glaubte in Aois Augen noch sehr viel mehr davon zu sehen. Ein Kribbeln breitete sich in dem Bassisten aus. Sie waren wieder auf dem richtigen Weg. Zwar waren sie extra zu Kanon gegangen, weil sie sich dort unterhalten konnten ohne andere Leute zu stören, doch schien dieser Grund inzwischen völlig überflüssig. Seitdem sie die Wohnung betreten hatten, waren sie beide viel entspannter. Ihre Gespräche verliefen in einem ruhigen Tonfall, auch wenn sie nicht damit aufgehört hatten, sich gegenseitig von jeder kleinen Belanglosigkeit ihres Alltages zu erzählen. Vielleicht kam die Ruhe daher, dass der erste Adrenalin-Schub nach ihrem Treffen nachgelassen hatte. Allerdings glaubte Kanon eher, dass die gewohnte Umgebung ihn wesentlich entspannter stimmte. Im Café hatte er Aoi unbedingt alles so schnell wie möglich erzählen wollen. Wer wusste, wann er das nächste Mal die Gelegenheit dazu haben würde? In seinen eigenen vier Wänden kam es ihm so vor, als hätten sie alle Zeit der Welt. Er konnte sich schon wieder gar nicht vorstellen, wie es war nicht jeden Tag neben Aoi auf der Couch zu sitzen und sich stundenlang zu unterhalten. Außerdem konnte er die Theorie mit dem fehlenden Adrenalin ziemlich leicht wiederlegen. Es war davon noch mehr als genug da! Er spürte es. Jedes Mal, wenn Aoi ein bisschen zu liebevoll lächelte, ihm ein bisschen zu intensiv in die Augen sah oder eine flüchtige Berührung zu lange dauerte als es für eine Freundschaft eigentlich normal war, durchfuhr es Kanons Körper. Und jedes Mal, wenn das passierte, bekam er das Verlangen, den Anderen zu küssen. Er konnte dieses Verlangen einige Male wirklich nur noch gerade so unterdrücken, indem er nämlich schnell ein neues Thema anschnitt, um sich abzulenken. Und die Themen gingen ihn eigentlich nie aus. Sie hatten nicht einmal den Fernseher eingeschaltet, sondern saßen wirklich nur nebeneinander und redeten. Allgemein ließen sie sich nicht stören. Weder von der Uhrzeit, noch von dem Handy, das Kanon einmal in seiner Hosentasche vibrieren spürte. Wer auch immer ihn anrief, es konnte nicht Aoi sein. Und alle anderen konnten warten. Als Aoi mit einem „Ich muss mal eben ins Bad“ aufstand und Kanon ihm nur kurz zunickte, bemerkte dieser, dass es ihn bei anderen vielleicht gestört hätte, wenn sie sich einfach so selbstverständlich in seiner Wohnung bewegten. Aber bei Aoi war er froh, dass sich dieser so verhielt als wäre es seine eigene Wohnung. Kanon hoffte, dass er sich nicht nur so verhielt, sondern auch so fühlte. Ein kleines bisschen wie zu Hause. Das Vibrieren in seiner Hosentasche riss ihn aus den Gedanken. Er hatte mal wieder völlig verträumt die mittlerweile geschlossene Badtür angestarrt. Leicht genervt griff er in seine Tasche und zog sein Handy heraus. Seine Miene entspannte sich aber ein wenig, als er „Teru“ auf dem Display las. Zwar könnte er auf die kleine Störung trotzdem verzichten, aber mit Teruki konnte er da noch am ehesten leben. „Ja?“, sagte er, nachdem er den Anruf entgegen genommen und sich das Handy ans Ohr gedrückt hatte. Er würde es kurz machen. Am besten Teru nur kurz abwimmeln. Denn würde er gar nicht dran gehen, würde der Leader wahrscheinlich noch den ganzen Abend über anrufen. „Und?“, kam es zurück. „Was ‚Und‘?“ Na super. Das lief doch wirklich auf ein sehr kurzes Abwimmeln hinaus. „Wo bist du?“ „Zu Hause.“ „Und Aoi?“ Also doch! Teruki steckte mit Reita unter einer Decke! „Der ist auf dem Klo“, antwortete er schnippisch, aber mit einem leichten Grinsen auf den Lippen. „Uuuund?“ Kanon verdrehte die Augen. Terukis Wortschatz war wirklich schon einmal größer gewesen. „Worauf willst du hinaus? Was soll dieses dämliche ‚Und‘ die ganze Zeit?“ Der Drummer kicherte. „Naja, ihr ward zusammen einen Kaffee trinken und jetzt hast du ihn mit zu dir nach Hause genommen. Da dachte ich…“ „TERUKI!“, rief Kanon empört und lief rot an. Zu seinem Glück ertönte im selben Moment ein lautes Poltern aus dem Bad. „Oh nein! Tut mir schrecklich Leid! Ich räum’s gleich wieder auf!“ Kanon seufzte, als er Aois Stimme vernahm. Das Sortieren von Badeartikeln gehörte zwar zu Aois skurrileren Angewohnheiten, doch momentan kam sie ihm ganz gelegen. Jetzt hatte er wenigstens Zeit Teruki seine schmutzigen Gedanken auszureden. „Was? Sag bloß ihr seid immer noch nicht zusammen? Was treibt ihr denn die ganze Zeit?!“ Teruki schien wirklich verwirrt zu sein, was Kanon wütend machte. Vor allem auf sich selbst und Aoi. „Wir unterhalten uns! So wie Freunde das eben miteinander tun.“ „Freunde? So ein Unsinn! Ihr steht aufeinander!“ „Und woher willst du das bitte wissen?“, zischte Kanon frustriert in sein Handy. Ja, es behaupteten zwar alle, dass Aoi auf ihn stand, doch wenn es tatsächlich so wäre, wenn sie wirklich füreinander bestimmt wären, dann wären sie doch schon lange ein Paar. Oder? „Weil ich weiß, dass du ihn magst und dass er genau das Gleiche empfindet!“ Kanon stockte bei Terukis Worten. Was wollte sein Freund ihm damit sagen? „Weißt du noch, als ihr mich besuchen ward?“, erzählte Teruki weiter. „Da hab ich ihn was gefragt und er hat meine Vermutung bestätigt.“ Der Herzschlag des Bassisten beschleunigte sich. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie er auf Terukis Couch gesessen hatte. Mit den Kopfhörern auf. Wie Aoi ihn so intensiv angesehen und dann genickt hatte. Welche Frage hatte er bejaht? Konnte es sein, dass Kanons Hoffnung von damals doch real gewesen war? Wenn er Teruki Glauben schenkte, dann schon. „Wieso hast du mir denn nie davon erzählt?“, fragte Kanon verzweifelt. Die Situation überforderte ihn gerade ungemein. „Weil ich wollte, dass er es dir selbst sagt!“ Der Jüngere sah gehetzt zur Badezimmertür. Viel Zeit blieb ihm sicher nicht mehr, bevor Aoi das Bad verlassen würde. „Was hat er damals genau gesagt?“ „Verdammt, Kanon!! Statt mir Löcher in den Bauch zu fragen, solltest du dich endlich mal zusammenreißen und mit Aoi über das Thema reden!“ „Aber-“ „Kanon!!“ Terukis Stimme war wirklich nicht mehr sehr freundlich. Eher wütend. Machte er sich etwa solche Gedanken um die Beziehung zu Aoi? Für einen Moment konnte Kanon nichts mehr sagen. Auf der einen Seite war er trotz der harschen Worte irgendwie gerührt, dass sich sein bester Freund solche Gedanken um ihn machte, und auf der anderen Seite hatten sie ihn wachgerüttelt. Teruki hatte Recht! So sehr er auch versuchte, dass alles normal war. So sehr er auch versuchte das Thema zu verdrängen. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, wie seine Beziehung zu Aoi weitergehen würde, wenn er jetzt nicht den Mund aufbekam. Der Schlüssel der Badezimmertür wurde umgedreht und holte Kanon zurück in die Realität. „Ich muss jetzt Schluss machen“, flüsterte er schnell in den Hörer. Wieso flüsterte er eigentlich? „Und wenn du mor-“ „Ich leg auf.“ Er hatte keine Zeit mehr sich weitere Mahnungen anzuhören. Aoi musste nicht mitbekommen, dass er telefonierte. Er wollte ihm nicht sagen, dass Teruki angerufen hatte, um ihm einen Tritt in den Hintern zu geben. Und Lügen war nicht gerade eine seiner Stärken. Vor allem nicht Aoi gegenüber. Schnell nahm er das Handy vom Ohr, drückte den roten Hörer und wollte es gerade zurück in seine Hosentasche stecken, als der Ältere aus dem Bad kam. Und bei seinem Anblick erschrak Kanon ein klein wenig. Er wirkte lange nicht so heiter wie zu dem Zeitpunkt, zu dem er das Zimmer verlassen hatte. „Geheimnisse?“, fragte der Ältere und Kanon konnte genau hören, wie er versuchte einen neckischen Unterton unter die Frage zu legen. Aber es gelang ihm nicht. Der neckische Unterton verwandelte sich eher in einen leicht anklagenden Unterton. Schnell schüttelte der Jüngere den Kopf. Ein Reflex. Natürlich hatte er Geheimnisse vor Aoi. Auf sein Größtes hatte ihn gerade Teruki angesprochen. Und der Gitarrist musste zumindest das Telefonat mitbekommen haben. Kein Wunder. Die Wände waren dünn und er war sich nicht sicher, ob Aoi die Tür nicht schon geöffnet hatte, als er noch mit Teruki gesprochen hatte. Statt sich wieder neben Kanon aufs Sofa zu setzen, blieb Aoi mitten im Raum stehen und verschränkte die Arme. „War das der Junge?“, fragte der Gitarrist knapp. „Wer?“ „Hat dich gerade der Junge aus der Kneipe angerufen?“ „Ryu? Nein, das war Teruki.“ Kanon war verwirrt. Er wollte jetzt nicht mit Aoi über Ryu reden. Konnte sich der Ältere nicht einfach wieder neben ihn setzten statt ihn so kalt anzustarren? Konnten sie nicht endlich, ENDLICH über ihre Gefühle reden? „Du hast zu dem Jungen aber noch Kontakt, oder?“ Kanon seufzte frustriert. Er mochte es nicht in welchem Tonfall Aoi mit ihm redete und er mochte es nicht wie abfällig der Ältere ihn dabei musterte. Trotzdem versuchte er ruhig zu bleiben. Er wollte keinen Streit mit Aoi beginnen und die beste Möglichkeit mit der Situation umzugehen war es wohl, ehrlich zu sein. Außerdem hätte er auch gar keinen Grund zu lügen. Er war sich keiner Schuld bewusst. „Ryu und ich haben uns ein paar Mal geschrieben. Er überlegt sich einen Bass zu kaufen und wollte einen Rat“, antwortete Kanon im ruhigen Tonfall. Er hatte Ryu eine SMS geschrieben, in der er direkt klar gestellt hatte, dass er nur an einer Freundschaft interessiert war. Der Jüngere schien zwar enttäuscht, doch er hatte das Thema auch nicht mehr angesprochen. In den nächsten Nachrichten hatten sie sich eher über technische Details und deren Vor- und Nachteile ausgetauscht. Ganz unschuldig. Aoi schein das allerdings anders zu sehen. „Pfff… Ganz schön naiv dafür, dass du schon so lang in der Musikbranche arbeitest“, gab Aoi ziemlich abfällig von sich. Kanon blieb der Mund offen stehen. So hatte Aoi noch nie mit ihm geredet. Wut und Verzweiflung stiegen in ihm auf. Was sollte das ganze denn? „Eigentlich weiß ich gar nicht, was es dich angeht, mit wem ich befreundet bin und wem nicht“, antwortete er schnippisch. Aoi lachte schnaubend. „Der will nicht mit dir befreundet sein! Der Junge steht auf dich!“ „Und wenn schon! Ich steh aber nicht auf ihn, also kannst du endlich aufhören dich wie ein eifersüchtiger Idiot aufzuführen! Es ist ja nicht so, dass ich schon mit ihm geschlafen hätte und jetzt mit ihm zusammen in einer WG wohne!“ Jetzt war es an Aoi ihn mit offenem Mund anzustarren. Aber das war Kanon ziemlich egal. „Wenn hier jemand Grund hat eifersüchtig zu sein, dann bin das wohl ich!“, fuhr er unbeirrt fort. Er war nicht wirklich laut geworden, dafür war seine Stimme aber fest und energisch. So sehr er das Thema auch zu verdrängen versuchte, er konnte nicht leugnen, dass ein Teil in ihm Reita darum beneidete, was er mit Aoi gehabt hatte. Es war nicht unbedingt so, dass er auf Reita an sich eifersüchtig war. Eher auf die Person, die Aoi so nah hatte sein dürften. Und er wusste ja auch, dass die beiden nie wirklich etwas füreinander empfunden hatten. Zumindest nicht diese Art von Gefühlen, die er Aoi entgegenbrachte. Und zumindest hatte das der Gitarrist behauptet. Aber trotzdem. Reita hatte etwas gehabt, worum Kanon ihn beneidete. Und die beiden nach dem Geständnis damals ständig beieinander zu sehen, war nichts, was er unbedingt als „angenehm“ beschreiben würde. Und doch… Er vertraute Aoi. Auch wenn sie nicht zusammen waren, vertraute er ihm, wenn er sagte, dass da nichts mit Reita lief. Dass etwas nicht stimmte, merkte er erst an der Stille. Als er in Aois Gesicht sah, begann Kanons Herz plötzlich schneller zu schlagen. Er schluckte. Seine Finger gruben sich in die Polster des Sofas, auf dem er immer noch saß und er ließ sich seine letzten Worte noch einmal durch den Kopf gehen. Die Information, dass seine Worte weitere Erklärungen mit sich ziehen würden, sickerte erst jetzt zu ihm durch. Sie waren kein Geständnis gewesen, aber irgendwie führten sie doch unweigerlich dorthin, oder? Aoi stand immer noch zwischen Badezimmertür und Sofa und sah ihn einfach nur an. Er überlegte. Wahrscheinlich ging ihm das Gespräch gerade genau so durch den Kopf wie ihm selbst. Kanon wünschte sich, dass Aoi etwas sagte. Gleichzeitig hatte er aber auch Angst davor. Auch wenn Teruki ihm ziemlich deutlich gesagt hatte, dass Aoi etwas für ihn empfand… Er hatte Angst, dass sein Freund das alles doch nur falsch verstanden hatte. Er hatte Angst vor einer Zurückweisung. „Bist du denn eifersüchtig?“ Die Worte des Älteren durchbrachen die Stille. Leise. Fast ein Flüstern. Kapitel 71: Wie man glücklich wird ---------------------------------- So.. nach der kleinen Pause gibts heute das vorletzte Kapitel. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen ;) ____ Kapitel 71 Wie man glücklich wird „Bist du denn eifersüchtig?“ Die Worte des Älteren durchbrachen die Stille. Leise. Fast ein Flüstern. Kanons Angst wurde immer größer. Teruki hatte sicher etwas falsch verstanden. Er wusste doch gar nicht, was Aoi genau zu dem Drummer gesagt hatte. Vielleicht war das auch alles nur ein Trick von Teruki, um ihn aus der Reserve zu locken. Es war garantiert so. Er brauchte einen Ausweg aus der Situation. Schnell. „Ich habe nicht gesagt, dass ich eifersüchtig bin. Ich hätte nur einen Grund dazu“, antwortete er ausweichend. Der Ältere brach ihren Blickkontakt und Kanon war das nur Recht. Er schämte sich. Er schämte sich für seine feige Art, der er irgendwie nicht entkommen konnte. „Ich denke es ist besser, wenn ich jetzt gehe.“ Bevor Kanon das leise Flüstern überhaupt richtig verstehen konnte, war Aoi schon zur Tür gelaufen. Der Bassist brauchte kurz, um die Situation zu begreifen, bis ihn die Erkenntnis wie ein Schlag traf. Nicht schon wieder. Er war es so leid dieses Spiel zu spielen. Aoi konnte jetzt nicht einfach gehen! Der Bassist sprang auf und warf Aoi einen flehenden Blick zu, der gerade seine Schuhe anzog. „Aber…“, begann der Jüngere stotternd, was Aoi dazu brachte kurz in seiner Bewegung innezuhalten. „Du hast deinen Tee doch noch gar nicht ausgetrunken.“ Er hörte die Verzweiflung in seiner eigenen Stimme. Er hatte das doch gar nicht sagen wollen. Er wusste selbst, dass ein kalter Tee Aoi auch nicht davon abhalten würde zu gehen, doch er konnte es einfach nicht aussprechen. Er traute sich nicht. Aoi schüttelte bei Kanons Worten nur leicht den Kopf und zog sich weiter seine Schuhe an. Der Jüngere spürte, wie ihm aus Verzweiflung die ersten Tränen emporstiegen, doch er unterdrückte sie sofort wieder. Aoi musste ihn schon für einen feigen Idioten halten. Da wollte er „Weichei“ nicht auch mit auf die Liste setzten. Der Gitarrist hatte inzwischen seine Schuhe angezogen und schnappte sich seine Jacke. „Man sieht sich.“ Die Worte klangen frustriert, doch Kanon schnappte den Blick des Älteren auf. Er wirkte so gebrochen und traurig. Seine ganze Erscheinung machte Kanon eins klar: Aoi war kurz davor aufzugeben. Er würde sich nicht weiter die Mühe machen aus ihrer eigenartigen Beziehung irgendetwas rausholen zu wollen, sondern es hinter sich lassen. Kanon hinter sich lassen. Er wollte nicht zurückgelassen werden. Nicht von Aoi. Als er sah, wie sich der Ältere abwandte und die Tür öffnete, brach es aus Kanon heraus. „Warte!“ Eine Sekunde später stand er neben Aoi. Hatte seinen Arm mit beiden Händen ergriffen. Den Blick allerdings gesenkt. Wenn er ihn jetzt durch diese Tür gehen ließ, war es vorbei. Er fühlte es einfach. Aoi hielt inne. Kanon spürte den Blick auf sich, aber er konnte den Kopf einfach nicht heben. Er starrte weiter seine Hände an, die den Arm des Anderen umklammert hielten. Der Kloß in seinem Hals wurde größer und größer. Es war fast unmöglich zu schlucken und er biss sich auf die Lippe, um nicht zu weinen. Es lag an ihm, wie die Situation ausging. Aber Kanon wusste nicht, was er sagen sollte. Er wusste nicht, was das Richtige war. Und nach einer halben Ewigkeit schloss er einfach die Augen und ließ seine Stirn auf die Schulter des Anderen fallen. Er war verzweifelt. Dabei wollte er doch nur Aois Nähe. Körperlich und emotional. War das wirklich zu viel verlangt? „Geh nicht weg…“, presste er hervor. Seine Stimme klang merkwürdig fremd. Erstickt. Aoi würde sicher denken, er wäre ein Weichei. Aber das war Kanon plötzlich egal. Er sollte einfach nur bei ihm bleiben. Als er hörte, wie nach einer weiteren halben Ewigkeit der Stille die Tür leise wieder ins Schloss fiel, machte sein Herz einen Sprung. Es war nicht geschafft. Sie hatten noch viel vor sich, wenn das hier zu einem Happy End führen sollte. Aber allein dieses kleine Geräusch löste in ihm so viel Erleichterung aus. Und als Aoi sich dann auch noch ganz zu ihm umwandte und einen Arm um ihn legte, um ihn sanft an sich zu ziehen, konnte Kanon nicht anders als einen ersticken Laut von sich zu geben und seine Finger noch mehr in Aois Arm zu krallen. „Ich bin eifersüchtig.“ Die Worte verließen von ganz allein Kanons Mund. Er flüsterte sie gegen Aois Brust und schmiegte sich noch ein wenig mehr an sie. „Auf jeden Menschen in deiner Nähe.“ „Du wirst wohl kaum so eifersüchtig sein wie ich an dem Abend, an dem du dich lieber mit diesem fremden Kerl unterhalten hast, statt mit mir. Das hätte doch unser Abend sein sollen.“ Aois Stimme war so leise geworden, dass der letzte Satz nicht mehr als ein Flüstern gewesen war. Trotzdem waren sie stark genug, um Kanon zu erreichen. Anscheinend war er nicht der Einzige gewesen, der immer wieder nach einem passenden Zeitpunkt für ein Geständnis gesucht hatte. Es schmerzte zu wissen, dass sein Gespräch mit Ryu Aoi davon abgehalten hatte diesen wichtigen Schritt auf ihn zuzukommen. Stattdessen hätte es sie fast weiter voneinander entfernt. „War das der Grund dafür, dass unsere Verabschiedung so knapp ausgefallen ist?“, fragte Kanon gegen Aois Brust. Er fühlte sich hier sicher. Sicher genug, um solche riskanten Fragen zu stellen. „Ich hab dein Verhalten an dem Abend als Abfuhr gedeutet“, murmelte der Ältere mit gebrochener Stimme. „Besonders der Augenblick, als du meintest, dass du in keiner Beziehung seist.“ Kanon lachte kurz auf. Es war kein freudiges Lachen. Es war pure Ironie. Die Verzweiflung darüber, wie sie sich gegenseitig immer wieder in ein solches Gefühlschaos stürzen konnten, dass sie irgendwann nicht mehr zwischen Vermutung und Wahrheit unterscheiden konnten. „Aber ich bin in keiner Beziehung.“ Kanon löste sich von dem Älteren. Nicht weil er nicht weiter seine Nähe wollte oder brauchte. Doch er hielt es für wichtig Aoi bei diesen Worten in die Augen zu blicken. Er konnte den Schmerz sehen. Er wollte ihm nicht weh tun und er wollte ihn erst recht nicht von sich weisen. Es war an der Zeit einen Schritt zu machen. „Noch nicht“, fügte Kanon hinzu. Er atmete tief durch und versuchte sich selbst zu beruhigen. Die Angst vor Zurückweisung war groß. Sein Kopf war schon dabei Strategien zu entwickeln, wie er der Situation entfliehen konnte. Und sie waren alle verführerisch. Doch heute würde er sie ignorieren. „Wärst du gern in einer?“, fragte Aoi leise weiter. Kanon sah den Schmerz in den Augen des Anderen. Die Verzweiflung. Die Hoffnung. Ob seine eigenen Augen wohl das gleiche widerspiegelten? Und was würde Aoi in ihnen lesen können? Sonst konnte er auch immer alles darin lesen. Er wurde sich erst bewusst, dass er viel zu lange für seine Antwort brauchte, als er bemerkte, wie die Verzweiflung, das Flehen im Blick des Älteren größer wurde. Er konnte nicht mehr warten. Er durfte nicht mehr warten! Also nahm Kanon all seinen Mut zusammen und löste seine Finger aus der fast schon schmerzhaften Starre, mit der sie noch immer Aois Arm ergriffen hatten. Langsam ließ er sie über die Haut des Anderen wandern, den Blick jedoch nicht lösend. Er spürte die sanfte Wärme unter seinen Fingern, die ihm einen Schauer nach dem anderen durch den Körper jagte, bis sie schließlich an Aois Hand angekommen waren. Er bemerkte, wie sie kurz zuckte, wusste diese Regung aber nicht zu deuten. Doch es war keine Zeit mehr für Zweifel. Und es war auch zu spät dafür. Sanft ließ er seine Hand in Aois gleiten, verflocht die Finger miteinander, auf jede Gefühlsregung in dessen Augen achtend. Weil er aber kein Missfallen darin sehen konnte, atmete er noch einmal tief durch und öffnete dann den Mund. „Ich wär gern in einer Beziehung.“ Sein Herz klopfte so laut. Es war das einzige Geräusch, das er momentan wahrnahm. „Mit dir.“ Aois Hand zuckte bei seinen letzten Worten erneut. Kanon war unglaublich warm. Jetzt, da er das ausgesprochen hatte, müsste er warten. Aber er wollte nicht mehr warten! Er wollte, dass Aoi die Spannung löste. Die bedrückende Stille durchbrach. Er wollte endlich Gewissheit! Er wollte nicht nur so angesehen werden und darauf warten, dass seine Träume zerplatzten. Er hielt es einfach nicht mehr aus! „Aoi, du-“ Kanon stockte, als er spürte, wie der Ältere den Druck seiner Hand erwiderte. Er konnte nicht weitersprechen, als er sah, wie sich etwas in dessen Blick veränderte. So intensiv. So voller Hoffnung. Bevor Kanon überhaupt reagieren konnte, spürte er schon Aois Lippen auf seinen. Es war ein Kuss, wie sie ihn davor noch nicht geteilt hatten. Er war sanft und trotzdem voller Leidenschaft. Aois Arme hatten sich um den Körper des Jüngeren geschlungen als wolle er damit sagen, dass Kanon jetzt zu ihm gehöre. Kanon erwiderte die Geste. Seine eine Hand fand den Weg in Aois Nacken und zog den Gitarristen noch näher an sich. Er wollte Aoi dasselbe Gefühl geben. Das Gefühl, dass sie jetzt zusammengehörten. Auch wenn sein gesamter Körper rebellierte, beendete Kanon den Kuss. Sie hatten es noch nicht erreicht. Das war noch nicht ihr Happy End gewesen. Wäre ihre Vorgeschichte nicht mit so viel Chaos und falschen Vermutungen geprägt gewesen, hätte er sich wahrscheinlich zufrieden gegeben. Doch seine Beziehung zu Aoi war ihm einfach zu wichtig, um sie nicht auf einer völlig soliden Grundlage weiterwachsen zu lassen. Er brauchte Gewissheit. Der Ältere lächelte ihn an. Ein überglückliches Lächeln, welches Kanon fast jeden Zweifel raubte. Er spürte, wie er das Lächeln erwiderte. Sein Körper hörte nicht auf Glückshormone in hohen Mengen zu produzieren. Er hätte Lachen können. Weinen. Schreien! Am liebsten hätte er Aoi in einen weiteren Kuss verwickelt. Doch das musste alles noch einen Augenblick warten. Kanon unterbrach kurz ihren Augenkontakt. Es war so schon schwierig genug einen klaren Gedanken zu fassen. Sie standen sich immer noch ganz nah. Die Arme sanft um den anderen geschlungen. „Was hast du damals mit Teruki besprochen?“, fragte Kanon leise. Er hoffte sehr, dass das der richtige Einstieg war. „Teruki meinte zu mir, ich soll es nicht verbocken“, flüsterte Aoi zurück. Küsste Kanon liebevoll auf die Wange. „Ich hoffe, ich habe es noch nicht verbockt?“ Kanon grinste. Es war genau der richtige Einstieg gewesen. „Das kommt ganz darauf an, was du jetzt zu mir sagen wirst.“ Seine Worte waren leise. Nicht, weil er sich nicht traute lauter zu sprechen, sondern weil das bei ihrer intimen Umarmung gar nicht nötig war. Aoi hörte ihn. Und er verstand. Kanon konnte es in seinen Augen lesen, dass er genau wusste, was der Jüngere jetzt hören wollte. Der Bassist kaute auf seinem Piercing, während er wartete. Er war nervös. Freudig nervös. Aoi kam ihm noch näher. Ihre Lippen berührten sich fast. Sein Blick war so intensiv, dass Kanon für einen Moment unbewusst die Luft anhielt. „Ich liebe dich.“ Der Atem des Anderen strich über seine Lippen. Die Worte klangen hundertfach im Raum nach. So kam es dem Jüngeren vor. Als sie endlich bei ihm angekommen waren, lagen schon wieder weiche Lippen auf seinen. Er wusste nicht, ob es die Worte oder der Kuss waren, die dieses unglaubliche Kribbeln in seinem ganzen Körper auslösten. Er wusste nur, dass er sich wünschte, es würde nie aufhören. Er wünschte sich, dieser Moment würde nie enden. Dieser eine Moment, auf den er so lange gewartet, so lange gehofft hatte. „Ich liebe dich“, hauchte Aoi noch einmal, als er ihre Lippen wieder voneinander löste und ihm zärtlich über die Wange strich. „Ich liebe dich auch.“ Es war ein so erlösendes Gefühl, diese Worte endlich aussprechen zu können. Sie hatten beide so lange auf den richtigen Moment gewartet und während sie gewartet hatten, hatten sie die vielen richtigen Momente nicht bemerkt, die an ihnen vorbeigezogen waren. Seine Beine schienen plötzlich so schwach, als Aoi ihn mit diesem unglaublich glücklichen Lächeln ansah. Darum klammerte er sich noch mehr an den Älteren. Drückte ihn noch stärker an sich. Kanon spürte, wie sich die Tränen der Verzweiflung, die noch vor kurzer Zeit in ihm aufgestiegen waren, in Tränen des Glücks verwandelten und erneut in seine Augen traten. Trotzdem versuchte er sie wegzublinzeln. Weinen wollte er jetzt wirklich nicht. Was sollte Aoi denn von ihm denken! Der schien das allerdings bemerkt zu haben, denn ein liebevolles Lachen kam ihm über die Lippen, bevor er eben diese auf die Wange des Bassisten legte und über die andere erneut sanft mit dem Daumen strich. Kanon konnte sich an dieses Gefühl gewöhnen. Wirklich. Wenn Aoi jedes Mal so reagierte, dann hatte er nichts dagegen, wirklich Freudentränen zu weinen. Langsam küsste sich der Ältere über die Wange zum Mundwinkel. So wie bei ihrem ersten richtigen Kuss. Nur dass es sich heute noch schöner anfühlte. Befreiter. Ohne Ängste im Hinterkopf. Sie küssten sich lange. Kanon kraulte zärtlich Aois Nacken, während dieser ihn fest an sich drückte. Der Jüngere ging voll in dem Kuss auf. Er vergaß alles um sie herum. Er fühlte nur Aoi und das Glück, das dieser in ihm auslöste. Deshalb zuckte er kurz überrascht zusammen, als er plötzlich die Wand hinter sich spürte. Wann hatte ihn Aoi denn bitte gegen die gedrückt? Scheinbar merkte der Ältere seine Verwunderung, denn er lächelte in den Kuss und presste sich noch stärker an den Jüngeren. Als Art Strafe biss Kanon leicht in die volle Unterlippe seines Freundes, bevor er seine Mundhöhle bereitwillig Aois fordernder Zunge übergab. Allerdings überließ er dem Älteren nur kurz die Führung. Kanons Hände waren in Aois Haarschopf gewandert, während dessen Hände nun über die Hüfte des Bassisten kreisten. Inzwischen drückten sie sich so nah aneinander, dass Kanon das Atmen immer schwerer fiel. Die Art, wie sich ihre Körpermitten gegeneinander pressten, tat sein übriges. Erst als Kanon glaubte vor Sauerstoffmangel ohnmächtig werden zu müssen, löste er den Kuss. Ihm war unsagbar heiß. Sogar ein bisschen schwindelig. Sein Herz raste. Sein Atem ging schnell. Er wollte mehr. Das war zu gut. Zu gut, um jetzt damit aufzuhören. Ein Blick in die Augen seines Freundes sagte ihm, dass es diesem genauso ging. Hinter den dunklen Iriden brannte ein Feuer, das Kanon gerne zu einem Großbrand entfachen wollte. Er gab dem Älteren noch einen Kuss, entzog sich ihm aber sofort wieder. Erst sah Aoi etwas enttäuscht aus. Als er dann allerdings Kanons nächste Worte hörte, breitete sich auf seinen Lippen ein kleines Lächeln aus. „Wie wär’s, wenn du die Schuhe wieder ausziehst und nochmal reinkommst?“ Kapitel 72: Wie man liebt ------------------------- Weil das das letzte Kapitel is, wollen wir noch ein paar Worte loswerden und das machen wir lieber in nem Vorwort als in nem Nachwort ^^ Nach zwei Jahren Schreiben haben wir jetz echt (endlich? xD) diese ff fertiggebracht. Es hat seeehr viel länger gebraucht als wir gedacht hätten, aber weil uns diese ff wirklich wichtig ist, hatten wir auch viel Spaß am Schreiben und das ist einer der Gründe, weshalb sie so lang geworden ist xD An euch ein riesiges Dankeschön für all eure Kommentare und für das Lesen! Ihr seid wirklich immer wieder ein Ansporn gewesen ^__^ Danke an alle, die bis zum Ende „durchgehalten“ haben oder mittendrin irgendwann aufgesprungen sind! Respekt! xD Was unsere zukünftigen ffs angeht… Die Kyoosha-Reihe ist noch nicht ganz zu Ende. Ein paar Spin Offs sind noch geplant. Ebenso wie eine weitere ff, die aber auf keinen Fall so lang wird wie diese. Außerdem gibt es nach diesem letzten Kapitel von learning by doing noch einen gaanz kurzen Epilog, den wir am Sonntag on stellen ^^ So, das war alles, was wir noch loswerden wollen. Wir wünschen euch ganz viel Spaß mit dem letzten Kapitel von kyoosha – learning by doing und vielen vielen Dank nochmal! ^^ ______________________________ Kapitel 72 Wie man liebt Kanon kicherte, als der Ältere ihn zärtlich und doch bestimmend auf den Futon drückte. Er wusste selbst nicht, wieso er jetzt wie ein Schulmädchen kichern musste. Aber er fühlte sich einfach glücklich. Er verschloss die Hände in Aois Nacken, während dieser seinen Hals liebkoste. „Sag’s nochmal“, bat er den Gitarristen. Kaum hatte er seine Bitte ausgesprochen, fühlte er ein Lippenpaar nah an seinem Ohr. Gehauchte Worte. „Ich liebe dich.“ Gänsehaut machte sich auf seinem Körper breit und ein wundervolles Gefühl breitete sich in ihm aus. Er wollte es wieder und wieder hören. Immer wieder. Bis er die Trennung ihrer Lippen nicht mehr aushalten und sie mit einem Kuss verschließen würde. Ein leises Seufzen entfloh ihm, als Aoi mit der Zunge frech über seine Ohrmuschel fuhr. Oh Gott, er hätte nie gedacht, dass ihn das so anmachen würde! Jede kleine Berührung des Älteren ließ ein Prickeln auf seiner Haut zurück. Er wollte mehr davon. Viel mehr! Und er hoffte, in Aoi ähnliche Gefühle auslösen zu können. Darum löste er eine Hand aus dem Nacken des Anderen und ließ sie langsam unter dem Shirt den Rücken hinauf wandern. Die Anspannung wich aus ihm, als er Aoi nahe an seinem Ohr wohlig aufseufzen hörte, bevor dieser seine Berührungen am Hals fortsetzte. Mit jedem Kuss, mit jeder Liebkosung fühlte sich Kanon wohler. Er ließ seine Finger über den Rücken wandern und strich sanft über jede Stelle freie Haut, die er erreichen konnte. Das schien Aoi aber bald nicht mehr zu genügen, denn er setzte sich kurz auf und zog sich sein Shirt über den Kopf. Kanons Herz schlug gleich ein wenig schneller, als sein Blick über die freigelegte Haut wandern ließ. Sie schien so perfekt. Er legte die Hände an die Taille des Älteren und genoss den Anblick für einen weiteren kurzen Moment, bevor er ihn mit sanfter Gewalt wieder zu sich herunter zog und in einen stürmischen Kuss verwickelte. Er würde sicher noch genug Gelegenheiten bekommen, diesen Körper anzusehen. Jetzt wollte er ihn fühlen. Sie ließen sich Zeit. Küssten sich lange. Schickten immer wieder sanfte Schauer durch den Körper des jeweils anderen. Sie hatten sich so lange Zeit gelassen, da mussten sie jetzt auch nichts mehr überstürzen. Zumal sie einander nun hatten und somit auch alle Zeit der Welt. Kanon schnappte kurz nach Luft, als er Lippen auf seinem Bauch spürte. Aoi hatte sich von ihm getrennt und war ein Stück nach unten gerutscht, um sein Shirt ebenfalls nach oben zu schieben und die Haut mit kleinen Küssen zu übersäen. Je höher sich der Ältere küsste, desto schwerer wurde Kanons Atem. Irgendwann setzte er sich auch ein wenig auf, um Aoi damit anzudeuten, dass er auch von dem lästigen Stück Stoff befreit werden wollte. Der Ältere kam der Bitte mit einem amüsierten Lächeln nach. Ja, vielleicht wurde er ja doch ein wenig ungeduldig. Er wollte mehr von diesen unbeschreiblichen Berührungen und von den Gefühlen, die sie in ihm auslösten. „Da kann’s wohl jemand gar nicht mehr erwarten“, kommentierte Aoi die Situation grinsend. Kanon wusste, dass der Ältere es nicht böse meinte. Er neckte ihn nur und wahrscheinlich ging es ihm kein Stück besser. Trotzdem war es natürlich die Wahrheit. Und wenn Aoi es eh schon wusste, musste Kanon sich ja auch nicht mehr zurückhalten. Schneller als er es selbst für möglich gehalten hatte, öffnete er Aois Gürtel sowie den Reißverschluss seiner Hose. Wie er nicht anders erwartet hatte, saß die Jeans schon verdammt eng. Jedoch nicht zu eng, um seine Hand hineingleiten zu lassen und fest auf Aois Shorts zu drücken. Ein lautes Stöhnen erhellte das Zimmer. Kanon konnte dem Laut anhören, dass der Ältere von seinem Vorgehen etwas überrumpelt war. Aber auch, dass es ihm gefiel. Mehr als das sogar. Kanon setzte sich völlig auf und fing die Lippen seines Freundes mit einem feurigen Kuss ein. Er begann Aois Erregung durch den Stoff seiner Boxershorts zu reiben, was diesen dazu veranlasste in den Kuss zu stöhnen. Als Kanon den Druck sogar weiter verstärke, löste Aoi ihre Lippen und warf seinen Kopf in den Nacken. Ein Anblick, der Kanon dazu brachte, noch mehr davon haben zu wollen. Er beugte sich weiter vor und küsste gierig den wohlgeformten Oberkörper. Er ließ seine Zunge die Bauchmuskeln nachgleiten, biss leicht in die zarte Haut, leckte über die inzwischen harten Erhebungen auf Aois Brust. Der Ältere keuchte. Stöhnte. Schnappte nach Luft. Und Kanon genoss jede Sekunde davon. Das Wissen, dass Aoi wegen ihm immer mehr die Kontrolle über seinen Körper verlor, löste in Kanon ein unbeschreibliches Gefühl aus, dass er so intensiv davor noch nicht gekannt hatte. Es ließ ihn seine Hemmungen vergessen. Er massierte immer fordernder die Erregung des Mannes, der auf seinem Schoss saß und sich immer stärker an ihm rieb. Er wusste nicht, ob sein Freund diese Bewegungen bewusst ausführte oder nur einem Trieb folgte, doch als sie ihm ein erstes lautes Aufstöhnen entlockten, war auch dieser Gedanke schnell vergessen. Aois Hände krallten sich in Kanons Schulter, was diesen nur dazu brachte, erneut aufzustöhnen. Er liebte es, wenn der Ältere die Kontrolle verlor. Er liebte es, ihn so zu sehen. Darum konnte er auch nicht damit aufhören, ihn weiter zu reizen. Gezielter zu reizen. Und der Gedanke, wo sich seine Hand gerade befand, machte ihn selbst nur noch mehr an. Ließ ihn immer lauter Keuchen und Stöhnen. Irgendwann wurde Aois Atmung abgehackter, seine Hände krallten sich fester in Kanons Schulter, bevor sich eine plötzlich löste und der Jüngere sie kurz darauf an seinem eigenen Handgelenk spürte. Langsam zog der Ältere die Hand aus seiner Hose, was Kanon überrascht die Augen öffnen ließ. Aois Stirn lag auf seiner Schulter, sodass er dessen Gesichtsausdruck nicht wirklich sah. War er doch zu weit gegangen? Der Andere hatte aufgehört sich gegen ihn zu bewegen. Verweilte nur still über ihm. Allein seine laute Atmung hallte durch den Raum. Unsicher biss sich Kanon auf die Unterlippe. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich Aoi endlich regte und seinen Kopf hob, um ihn kopfschüttelnd, aber mit einem Lächeln auf den Lippen ansah. Er schien seine Atmung wieder einigermaßen unter Kontrolle gebracht zu haben. „Wenn du so weitermachst…“ Dann legte er die Lippen auf die des Jüngeren und begann sich wieder leicht gegen ihn zu bewegen. Kanon kam nicht drumrum, in den Kuss zu grinsen. Er hatte weiß Gott was gedacht, dabei hatte es Aoi nur gefallen. Wohl zu gut gefallen! „Du machst mich wahnsinnig…“, flüsterte dieser zwischen zwei Küssen und sah Kanon dabei so liebevoll an, dass dieser selbst fast wahnsinnig wurde. Dann öffnete er die Hose des Jüngeren und entfernte sich von seinem Schoß, um sich neben ihn zu knien. Kanons Herz begann ein wenig schneller zu schlagen. Vor Vorfreude. Vor Aufregung. Vor Erregung. Er änderte seine Position ebenfalls, um Aoi aus seiner Jeans zu helfen. Der Ältere streifte den störenden Stoff ebenfalls von den Beinen seines Freundes und fuhr dabei hauchzart über die Haut. Überall in Kanon kribbelte es. Vor allem in seiner Körpermitte, als sich Aoi auf den Futon kniete und ihn auf sich zog, beide nur noch durch den dünnen Stoff der Shorts getrennt. Sie stöhnten gleichzeitig auf, als sich ihre Körpermitten trafen. Kanon spürte die Hände an seinem Hintern, die ihn immer wieder gegen den Körper seines Freundes zogen. Und er liebte es. Es liebte alles daran! Seine Arme schlangen sich um Aois Hals, damit er wenigstens irgendwo Halt finden konnte. Als er spürte, wie sich Aois Hand langsam dem Bund seines noch verbliebenen Kleidungsstücks näherte, blieb das unwohle Gefühl, das er das letzte Mal bei dieser Handlung vor wenigen Wochen verspürt hatte, völlig aus. Aber das letzte Mal waren sie auch noch nicht zusammen gewesen. Das letzte Mal hatte er noch nicht die Gewissheit gehabt, dass Aoi ihn liebte. Er war nicht so glücklich gewesen wie in diesem Moment. Kanon fing die Lippen seines Freundes ein und küsste ihn liebevoll. Er wollte ihm zeigen wie glücklich er war. Er wollte, dass Aoi wusste, dass es ihm heute Abend nicht nur um körperliche Nähe ging. Der Ältere erwiderte den Zungenkuss sanft, während seine Hände den Weg in Kanons Shorts fanden. Der Bassist seufzte genießerisch in den Kuss, als sein Freund seinen Hintern massierte und ihn dabei an seine eigene Körpermitte presste. Zu gerne hätte Kanon auch seine eigenen Hände nackte Haut spüren lassen, doch da er auf Aois Schoß saß, war das fast unmöglich. Ein deutliches Zeichen dafür, dass sie dringend ihre Position ändern mussten. Ohne ihren Kuss zu lösen rutschte er von seinem Freund herunter, der die Chance direkt nutzte, um Kanons Shorts in dessen Kniekehle wandern zu lassen. Um Aoi die Arbeit zu erleichtern, legte sich Kanon wieder ganz auf den Futon. Der Moment, als Aoi die Shorts dann vollständig von ihm entfernt hatte, kam Kanon wie eine echte Befreiung vor. Eigentlich war er in solchen Moment meistens ziemlich unsicher oder fühlte sich sogar leicht unwohl. Doch nicht mit Aoi. Mit Aoi fühlte sich alles nur richtig an. Trotzdem war er kurz enttäuscht, als er merkte, dass sich der Ältere seine Boxershorts selbst auszog, bevor er sich neben Kanon legte. Eigentlich hatte er selbst das Vergnügen haben wollen. Dann eben beim nächsten Mal. Sein Herz machte bei dem Gedanken einen Sprung. Ja, es würde ein nächstes Mal geben. Und danach noch viele weitere nächste Male. Weil sie jetzt zusammen waren. Er ließ seinen Blick über den schönen Körper seines Freundes wandern. Und auch wenn seine Erregung vor allem auf den Anblick von Aois eigener Körpermitte reagierte, erwärmte sich sein Herz am stärksten, als er dann in das Gesicht seines Gegenübers blickte. Einen Moment lächelten sie sich nur an. Mit jedem anderen Menschen wäre sich Kanon komisch vorgekommen. Er wär ihm peinlich gewesen nackt dazuliegen und den anderen dabei so ehrlich und offen anzulächeln. Aber mit Aoi war alles anders. Kanon biss sich auf die Unterlippe, als die Hand des Anderen sanft über seinen Bauch strich und dann zu seiner Erregung glitt. Er war versucht, die Augen zu schließen. Sich ganz den Berührungen hinzugeben, aber er hielt Aois Blick stand. Verlor sich in den dunklen Augen, die ihn so voller Wärme fixierten. Ein lautes Keuchen entfloh Kanon, als sich die Hand in seinem Schoß langsam bewegte und ihn sanft streichelte. Es war perfekt. Er spürte, wie seine Lider zu flattern begannen. Sich das Blut immer mehr in seiner Körpermitte staute. Schwer atmete er ein und aus, den Blick noch immer nicht gelöst. Seine Lippen erwiderten Aois Lächeln, das sich auf dessen Gesicht gebildete hatte. Jedoch fiel es ihm schwer, sich auf den Blick, das Lächeln und die Berührungen gleichzeitig zu konzentrieren, also sah es wohl eher aus wie ein unkontrolliertes Zucken seiner Mundwinkel. Kanon spürte, wie sich sein Körper immer mehr seiner Kontrolle entzog. Hörte sich selbst stöhnen. Und da ergriff ihn erneut das Verlangen diese Laute auch von Aoi zu hören. Seine Hand strich fahrig über den von einem feinen Schweißfilm überzogenen Oberkörper des Anderen, über die kleinen Erhebungen und entlockte Aoi somit tatsächlich ein Keuchen. Aber er wollte mehr hören. Ihm wurde unglaublich warm, als er zum ersten Mal Aois Erregung berührte – wenn man es denn wirklich Berührung nennen konnte. Er ließ seine Fingerspitzen über den Schaft gleiten und bemerkte mit einem kleinen Triumphgefühl, wie der Ältere in seiner eigenen Bewegung kurz innehielt. Ihm fiel es schwer, Kanon wirklich zu fixieren. Immer wieder fielen seine Augen dabei zu, nur um ihn eine Sekunde später wieder anzusehen. Kanon spürte den warmen Atem auf seinem Gesicht. Das leise Stöhnen drang in sein Ohr. Und der Gedanke, dass das hier unmöglich wahr sein konnte, kam in ihm auf. Er festigte seinen Griff. Spürte das pulsierende Glied in seiner Hand. Aois Augen schlossen sich erneut. Der Ältere biss sich hart auf die Unterlippe, was ein unterdrücktes Stöhnen zur Folge hatte, welches Kanon gesamter Körper elektrisierte. Es war wirklich schwer vorstellbar, dass er es war, der für den Schweißfilm auf diesem starken Oberkörper verantwortlich war. Dass seine Hand es war, die diesen vollen Lippen ein Keuchen nach dem anderen ausstoßen ließen. Dass er es war, der Aoi dazu brachte, all seine Hemmungen zu vergessen. Doch genau das war die Realität. Er schmeckte, hörte, sah, spürte es. All seine Sinne waren an dieser Szenerie beteiligt, die sich in ihrer eigenen kleinen Welt abspielte. Und er wollte keine Sekunde davon verpassen. Erst als Aois Finger sanft seine Eichel massierten, vergaß Kanon seine voyeuristischen Absichten. Er vergaß alles. Ein dunkler Laut drang an sein Ohr, den er so aus seiner eigenen Kehle noch nie gehört hatte. Er kniff seine Augen zu und zog den Oberkörper des Älteren näher an sich. Fahrig küsste er über die Haut und hinterließ teilweise Bissspuren, die wohl auch am nächsten Tag noch sichtbar sein würden. Doch daran konnte er im Moment nicht denken. Und selbst wenn, wäre er nicht genug Herr über seinen eigenen Körper gewesen, um damit aufzuhören. Er begann Aois Erregung durch seine Hand gleiten zu lassen. Eine Bewegung, die der Ältere sofort imitierte. Obwohl es beiden sichtlich schwer fiel sich gleichzeitig auf ihre eigene Lust und auf die Stimulierung des Anderen zu konzentrieren, wurden ihre Bewegungen immer rhythmischer, bis sich ihre Hände schließlich im völligen Einklang bewegten. Kanon drückte seine Hüfte den Berührungen des Älteren immer stärker entgegen und stöhnte dabei ungehalten auf. Seine Stimme vermischte sich mit dem Keuchen und Stöhnen seines Freundes. Kanon merkte wie er dem Höhepunkt immer näher kam und zwang sich dazu die Augen zu öffnen. Er wollte Aoi dabei ansehen. Und er wollte den Anblick nie vergessen. Die geröteten Wangen. Die Strähnen, von denen ihm ein paar ins Gesicht hingen und die er wahrscheinlich in einer anderen Situation beiseite gestrichen hätte. Die leicht geöffneten, feuchten Lippen, die immer wieder Stöhnen und Keuchen ausstießen. An diesen blieb Kanons Blick hängen und er konnte nicht anders, als sich ihnen erneut zu nähern und sie in Beschlag zu nehmen. Seine Zunge erneut in den Mund seines Freundes gleiten zu lassen, wo sie auf ihren Gegenpart traf und diesen voller Leidenschaft umspielte. Aoi stöhnte, ging fahrig auf den Kuss ein. Aber der Jüngere konnte ihn nicht lange aufrecht erhalten. Zu sehr verlangten seine Lungen nach Sauerstoff, den er so nicht mehr ausreichend aufnehmen konnte. Widerwillig trennte er sich wieder von Aoi, um Luft in seine Lungen zu lassen. Seine Augen waren zugefallen. Als er sie wieder öffnete, schluckte er, denn Aoi sah ihn durch halb geöffnete Lider an. Sein Blick war so unglaublich intensiv und erregend, dass Kanon wusste, dass er keine Minute mehr durchhalten würde. Darum beschleunigte er seine Bewegungen noch ein wenig, ließ seine Daumen immer wieder über die Spitze gleiten und erreichte damit, dass Aoi die Lider erneut zufallen ließ und den Mund noch ein klein wenig weiter öffnete, aus dem nun nur noch stoßweise und unregelmäßig der Atem entwich. Der Ältere kam aus dem Rhythmus und hielt schließlich ganz in seiner Bewegung inne, aber Kanon kümmerte sich nicht darum. Viel zu schön war der Anblick, den ihm sein Freund bot, als er in die Hand des Jüngeren kam. Das Beben des Körpers. Die freie Hand, die sich in den Futon krallte. Viel zu schön waren die Töne, die er dabei ausstieß. Fasziniert beobachtete er ihn. Sah, wie sich die Gesichtszüge allmählich entspannten. Kanon hörte erst auf, langsam das Glied des Anderen auf- und abzufahren, als Aoi die Augen öffnete. Der Jüngere zog harsch die Luft ein, als der Daumen seines Freundes sanft über seine Spitze fuhr. Quälend langsam nahm Aoi den Rhythmus wieder auf. Fuhr beinahe in Zeitlupe die Länge auf und ab. Kanon stöhnte ungehalten und streckte sein Becken der Bewegung entgegen. Aoi ließ sich davon nicht beirren, sondern hielt an dem langsamen Tempo fest und begann den Oberkörper seines Freundes mit seinen Lippen zu liebkosen. Kanon verging förmlich unter diesen Berührungen. Auch wenn es schön war dabei zuzusehen, wie Aoi wegen ihm die Kontrolle verlor, so war es mindestens genau so unglaublich sich selbst dem Älteren völlig hinzugeben. Auch wenn sein Körper vor Lust fast zu verbrennen drohte, genoss er jede Sekunde davon. Aoi ließ sich Zeit. Er erhöhte nur langsam das Tempo, während er weiterhin jeden Zentimeter von Kanons Körper erkundete. Umso intensiver nahm es der Jüngere dann wahr, als sie ein Tempo erreicht hatten, welches seinen Körper immer weiter in Ekstase trieb. Er griff mit seiner Hand in den schwarzen Haarschopf seines Freundes und zog dessen Gesicht näher zu seinem eigenen. Er versuchte gar nicht erst den Älteren zu küssen. Luft schien seinen Mund nur noch in hektischen Keuch- und Stöhngeräuschen verlassen zu können. Aber er wollte Aoi ansehen, wenn es soweit war. Und wenn er dazu nicht in der Lage sein sollte, so wollte er wenigstens, dass Aoi ihn ansah. Der Ältere schien zu merken, dass sein Freund dem Höhepunkt immer näher kam, denn er zog das Tempo noch einmal an. Kanon krallte sich fest in Aois Nacken, als sich sein gesamter Körper ein letztes Mal mit einer Intensität anspannte, die ihm so bis dahin unbekannt gewesen war. Seine Augen waren nur noch einen Spalt breit geöffnet, doch er glaubte noch Aois Augen sehen zu können. Diese unglaublich intensiven Augen. Ein lautes Stöhnen verließ seine Lippen, als er in die Hand seines Freundes kam. Die körperliche Anspannung wurde von einer tiefen inneren Entspannung abgelöst. Kanon schloss für einen Moment die Augen. Das Gefühl von tiefer Zufriedenheit erfüllte seinen Körper, als er sich erschöpft in den Futon sinken ließ. Er bemerkte, dass sich Aoi ihm zugedreht hatte, denn er spürte den warmen Atem auf seiner Wange. Kanon versuchte seinen eigenen Atem wieder zu normalisieren und sein Herz zu beruhigen. Nach dem, was sie angestellt hatten, war es kein Wunder, dass es fast aus seiner Brust springen wollte. Es schlug so schnell, dass er keine Ahnung hatte, ob es sich jemals wieder beruhigen würde. ~*~ Dass er eingenickt war, bemerkt er erst, als er etwas an seinem Bauch spürte. Erschrocken öffnete er die Augen und sah zur Ursache der Berührung. Sofort merkte er, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Aoi lächelte ihn aber nur liebevoll an, während er dann auch seine Hand mit einem Papiertuch abwischte, das er wohl eben von irgendwoher geholt hatte. Aois Lächeln beruhigte ihn, sodass er sich aufsetzt und seinem Freund kurzerhand einen Kuss stahl. Er war froh, dass er nicht nur geträumt hatte. Wahrscheinlich hatte Kanon nicht sonderlich lange vor sich hingedöst, aber trotzdem lang genug, sodass sich allmählich die Hitze aus seinem Körper verflüchtigte und stattdessen die kalte Luft über seine leicht von Schweiß bedeckte Haut strich. Als sich sein Freund vom Futon erhob und ins Bad ging, um das Tuch wegzuwerfen und – dem laufenden Wasser nach zu urteilen – die Spuren auf seinem eigenen Körper zu beseitigen , sah Kanon, dass dieser sich wieder seine Unterwäsche angezogen hatte. Noch bevor Aoi wieder zurück war, hatte er ebenfalls schnell seine Shorts gesucht und schlüpfte rein. Er wollte hier schließlich nicht als einziger noch splitterfasernackt daliegen. Und so müde wie er war, würden sie eine zweite Runde wohl auf morgen verschieben müssen. Kanon grinste bei dem Gedanken und ließ er sich zurück auf den Futon sinken. Er war gerade dabei, wieder wegzudösen, als er sanfte Küsse auf seiner Schulter und dem Oberkörper spürte. Es breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus und ohne die Augen zu öffnen ließ er seine Hand in Aois Nacken wandern, um ihn dort zu kraulen. Sehen konnte er sowieso nichts, denn durch seine geschlossenen Lider drang kein Lichtschimmer. Der Andere musste das Licht ausgemacht haben. Der leise, wohlige Laut, den der Ältere bei seinen Streicheleinheiten ausstieß, schickte einen Schauer durch Kanons Körper. Es war für ihn immer noch schwer zu begreifen, dass das hier die Wirklichkeit war. Dass sie hier wirklich im selben Bett lagen. Nicht einfach nur nebeneinander wie zuvor schon einige Male. Sondern miteinander. „Du bist ganz kalt“, flüsterte Aoi nahe an seinem Ohr. Und es stimmte. Kanon war wirklich kalt, aber er wollte den Moment nicht unterbrechen. Zu schön fühlten sich die Lippen auf seiner nackten Haut an, die völlig unschuldig hier und da federleichte Küsse verteilten. Auf Kanons Körper breitet sich eine leichte Gänsehaut aus. Eigentlich eher eine Reaktion auf die Berührungen als auf die Kälte. Aoi schien das aber anders zu sehen. „Ok. Das reicht jetzt“, murmelte der Ältere und zog die inzwischen völlig zerknüllte Decke über sich und seinen Freund. Doch statt auf Kanons Höhe zu rutschten, blieb Aois Kopf unter dem warmen Stoff und setzte seine Liebkosungen fort. „Spinner“, kicherte Kanon und zog den Kopf seines Freundes unter der Decke hervor, um ihm einen liebevollen Kuss zu geben. Als sich ihre Lippen wieder trennten, musste Kanon über den Anblick, der sich ihm bot, lächeln. Aois Oberkörper lag halb auf seinem. Die Haare des Älteren waren völlig durcheinander und auf seinen Lippen lag ein fast schon als dämlich zu bezeichnendes Grinsen. Er wirkte glücklich. „Nenn mich ruhig Spinner, aber ich kann einfach nicht genug von meinem neuen, festen Freund bekommen“, flüsterte der Ältere in sein Ohr, bevor er seine Aufmerksamkeit Kanons Nacken widmete. Der Jüngere schloss genießerisch die Augen und driftete wieder in einen Halbschlaf ab. Von dem Gedanken erfüllt, dass Aoi ihn gerade zum ersten Mal seinen „festen Freund“ genannt hatte. Kanon wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte, bevor er von einem Lippenpaar geweckt wurde, das sich sanft gegen sein eigenes presste. Er war Aoi für diesen Überfall auch nicht böse. Und genau so wenig war der Gitarrist dann auf den Jüngeren böse, als er ihn einige Zeit später auf eine ähnlich liebevolle Weise während seines Schlafes störte. So verbrachten sie ihre erste Nacht als Paar. Lagen nebeneinander im Halbschlaf, nur um sich gegenseitig mit Liebkosungen wieder aufzuwecken. Kanon erschien vieles verschwommen. Er wusste teilweise gar nicht, ob er träumte oder sich im Wachzustand befand. Wie sollte man auch, wenn einem die Realität plötzlich wie ein Traum vorkam? Wenn die Wahrheit viel zu schön ist, um wirklich wahr zu sein? „An was denkst du?“ Kanon sah zu seinem Freund. Aois Stimme hörte sich verschlafen und rau an. Sie hatten schon seit einigen Stunden nicht mehr geredet. Blicke und Berührungen waren völlig ausreichend gewesen. „Ich denke an dich“, gab Kanon zu. Fuhr seinem Freund liebevoll durch Haar. „Immer nur an dich.“ Der Ältere lächelte als Antwort nur und Griff nach Kanons Hand, um diese mit seiner eigenen zu verschränken. Während Aoi begann Kanons Hand mit Küssen zu übersähen, seufzte dieser entspannt. Es war so schön auf einmal völlig ehrlich zu Aoi sein zu können. Obwohl er sich schon ein bisschen wunderte. Kanon hatte sich selbst nie für einen übertriebenen Romantiker gehalten und nun lag er hier und machte kitschige Geständnisse. „Wir werden ein schreckliches Paar sein“, sprach der Jüngere seinen nächsten Gedanken laut aus. Aoi stoppte in seiner Bewegung. Kanon merkte, wie der Ältere seine Hand etwas stärker drückte. „Wie meinst du das?“ Die Stimme des Gitarristen klang so erschrocken, dass Kanon kichern musste. „Ich wollte darauf hinaus, dass wir garantiert furchtbar kitschig sein und damit alle nerven werden“, erklärte er schnell, bevor sein Freund einen Herzinfarkt erlitt. Tatsächlich entspannte sich Aoi bei der Antwort wieder und ein Lächeln legte sich auf seine Lippen. „Ich werd meine Hände nicht von dir lassen können.“ Kanon rollte gespielt mit dem Augen. Damit hatte er irgendwie schon gerechnet. Ein Lächeln konnte er bei dem Gedanken dennoch nicht unterdrücken. „Wir werden uns gegenseitig peinliche Kosenamen geben“, setzte er die Liste fort. Aoi lachte. „Und uns ständig küssen.“ „Und Händchen halten.“ „Und uns in jeder Sekunde in der wir uns nicht sehen können, gegenseitig anrufen, um dem Anderen zu sagen, wie sehr wir ihn vermissen.“ Dann nickte er ernst. „Wir werden ein schreckliches Paar sein.“ Kanon konnte ein Lachen nicht unterdrücken und schmiegte sich anschließend wieder an die Brust seines Freundes. „Ich werde jede Sekunde davon lieben“, nuschelte er leise. Er war von einer solchen Zufriedenheit erfüllt, dass er nichts anderes mehr tun wollte, als ewig hier so liegen zu bleiben. Es fühlte sich warm und beruhigend und aufregend zugleich an. Dann fiel ihm aber etwas ein. Und je länger er darüber nachdachte, desto schwerer lag es ihm auf der Seele. Desto unruhiger wurde er. „Aoi?“ „Hm?“, kam es leise zurück. Kanon zögerte einen Moment, bevor er dann doch weitersprach. „Tut mir leid, dass ichs am Abend in der Bar vermasselt hab.“ Er musste es einfach loswerden. Aoi antwortete aber nicht gleich, sondern schob ihn ein Stück von sich, sodass er ihn ansehen konnte. Es dämmerte und das Zimmer war nicht mehr nur in das fahle Licht der Straßenlaternen getaucht. So war es also auch kein großes Problem für Kanon, den liebevollen Gesichtsausdruck des Älteren zu erkennen. „Mach dir darüber nicht solche Gedanken. Das ist doch jetzt sowieso egal.“ Er hauchte einen Kuss auf Kanons Stirn, was diesen wirklich zumindest ein klein wenig beruhigte. Dieses ‚klein wenig‘ schien Aoi aber nicht zu genügen. „Jetzt hör auf so besorgt zu gucken! Es gibt bestimmt nicht nur eine Situation, in der ichs versiebt hab. Oder?“ Kanon musste leicht lächeln und schloss die Augen, bevor er sich wieder an seinen Freund kuschelte. „Als wir bei euch die Party hatten und du so betrunken warst…“ „Oh…“, murmelte Aoi betreten und Kanon lachte leise. „Aber du warst so niedlich. Ich konnte dir gar nicht böse sein! Vor allem nicht mehr, als wir dann…“ Sein Satz verlor sich irgendwo, als ihm bewusst wurde, wie der Abend weitergegangen war. Wie Aoi versucht hatte, ihn zu verführen. Sie hatten nie wieder darüber gesprochen. Ob sich der Ältere überhaupt noch daran erinnerte? „Wir haben schon ziemlich lange gebraucht, um es endlich auf die Reihe zu bekommen“, meine der Gitarrist nachdenklich. Kanon nickte lächelnd. „Zwei Monate“, fügte dieser noch hinzu und konnte es selbst gar nicht richtig glauben. Natürliche war in der Zeit auch Gazettes Europatour gewesen. Trotzdem. Sie hatten sich viel Zeit gelassen. Wenn man bedachte, dass sie zusammen gewohnt hatten. Kanon wurde von einem verlegenen Lachen wieder aus seinen Gedanken gezogen. Verwundert öffnete er die Augen und blickte seinen Freund fragend an. „Zwei Monate, wenn man von der Zeit ausgeht, in der du bei uns gewohnt hast“, meinte der Gitarrist und wurde ein bisschen rot, bevor er weitersprach. „Allerdings muss ich zugeben, dass ich schon total in dich verschossen war, als wir uns zwei Wochen davor auf Miyavis Geburtstag persönlich begegnet sind. Und von den Wochen davor, als ich angefangen habe von dir zu schwärmen, will ich gar nicht erst anfangen. Irgendwann war‘s dann ja so schlimm, dass ich Miyavi dazu gebracht habe, euch zu seinem Geburtstag einzuladen. Naja…“ Der Gitarrist war inzwischen so rot wie eine Tomate und Kanon konnte seinen Freund nur ungläubig anstarren. Wer hätte gedacht, dass der Ältere schon seit so langer Zeit Gefühle für ihn hegte? Natürlich hatte er es irgendwie geahnt, aber Kanon hatte immer Angst davor gehabt, Aois Verhalten am Ende doch nur falsch zu deuten. „Du hättest mir so viel blanke Nerven ersparen können, wenn du nur den Mund aufbekommen hättest!“, neckte der Bassist den Älteren. „Ich hätte DIR blanke Nerven ersparen können?“, fragte der Gitarrist überrascht. „Du willst gar nicht wissen, wie oft ich dank dir kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand! Von Herzstillständen ganz zu schweigen.“ „Das kommt von deinem Alter, Schatz“, kicherte der Jüngere, doch Aoi war zu vertieft, um die Aussage überhaupt zu registrieren. „All diese liebevollen Blicke“, erzählte er beinahe verzweifelt weiter. „Und die zärtlichen Berührungen und Verwirrungen und süßen Anspielungen und Missverständnisse.“ Aoi seufzte als würde er die ganzen Qualen ein weiteres Mal durchleiden. Kanon verstand seinen Freund nur zu gut. Sie hatten sich gegenseitig von einem emotionalen Chaos ins nächste gejagt. Eine Gefühlsachterbahn, die sie sich eigentlich hätten ersparen können. Der Bassist sah nachdenklich zu Aoi, der ihm einen fragenden Blick schenkte. „Ich bin froh, dass wir uns Zeit gelassen haben“, meinte er dann schlicht. Auf den Gesichtszügen seines Freundes formte sich ein Lächeln. „Ich auch“, gestand Aoi bevor er Kanon auf die Stirn küsste. Vielleicht hätte es auch geklappt, wenn sie schon vor Wochen ein Paar geworden wären. Genau konnte Kanon das nicht sagen. Aber er war sich hundertprozentig sicher, dass ihre Beziehung anders ausgesehen hätte, hätte sie nicht das ganze Gefühlschaos zusammen durchstehen müssen. Es war nicht immer leicht. Doch Kanon musste nur einen Blick auf das glückliche Gesicht seines Freundes werfen, um zu wissen, dass er das alles sofort wieder auf sich nehmen würde. Kapitel 73: Wie man liebt (non-adult) ------------------------------------- NON-adult-version Weil das das letzte Kapitel is, wollen wir noch ein paar Worte loswerden und das machen wir lieber in nem Vorwort als in nem Nachwort ^^ Nach zwei Jahren Schreiben haben wir jetz echt (endlich? xD) diese ff fertiggebracht. Es hat seeehr viel länger gebraucht als wir gedacht hätten, aber weil uns diese ff wirklich wichtig ist, hatten wir auch viel Spaß am Schreiben und das ist einer der Gründe, weshalb sie so lang geworden ist xD An euch ein riesiges Dankeschön für all eure Kommentare und für das Lesen! Ihr seid wirklich immer wieder ein Ansporn gewesen ^__^ Danke an alle, die bis zum Ende „durchgehalten“ haben oder mittendrin irgendwann aufgesprungen sind! Respekt! xD Was unsere zukünftigen ffs angeht… Die Kyoosha-Reihe ist noch nicht ganz zu Ende. Ein paar Spin Offs sind noch geplant. Ebenso wie eine weitere ff, die aber auf keinen Fall so lang wird wie diese. Außerdem gibt es nach diesem letzten Kapitel von learning by doing noch einen gaanz kurzen Epilog, den wir am Sonntag on stellen ^^ So, das war alles, was wir noch loswerden wollen. Wir wünschen euch ganz viel Spaß mit dem letzten Kapitel von kyoosha – learning by doing und vielen vielen Dank nochmal! ^^ ______________________________ Kapitel 72 Wie man liebt Kanon kicherte, als der Ältere ihn zärtlich und doch bestimmend auf den Futon drückte. Er wusste selbst nicht, wieso er jetzt wie ein Schulmädchen kichern musste. Aber er fühlte sich einfach glücklich. Er verschloss die Hände in Aois Nacken, während dieser seinen Hals liebkoste. „Sag’s nochmal“, bat er den Gitarristen. Kaum hatte er seine Bitte ausgesprochen, fühlte er ein Lippenpaar nah an seinem Ohr. Gehauchte Worte. „Ich liebe dich.“ Gänsehaut machte sich auf seinem Körper breit und ein wundervolles Gefühl breitete sich in ihm aus. Er wollte es wieder und wieder hören. Immer wieder. Bis er die Trennung ihrer Lippen nicht mehr aushalten und sie mit einem Kuss verschließen würde. Ein leises Seufzen entfloh ihm, als Aoi mit der Zunge frech über seine Ohrmuschel fuhr. Oh Gott, er hätte nie gedacht, dass ihn das so anmachen würde! Jede kleine Berührung des Älteren ließ ein Prickeln auf seiner Haut zurück. Er wollte mehr davon. Viel mehr! Und er hoffte, in Aoi ähnliche Gefühle auslösen zu können. Darum löste er eine Hand aus dem Nacken des Anderen und ließ sie langsam unter dem Shirt den Rücken hinauf wandern. Die Anspannung wich aus ihm, als er Aoi nahe an seinem Ohr wohlig aufseufzen hörte, bevor dieser seine Berührungen am Hals fortsetzte. Mit jedem Kuss, mit jeder Liebkosung fühlte sich Kanon wohler. Er ließ seine Finger über den Rücken wandern und strich sanft über jede Stelle freie Haut, die er erreichen konnte. Das schien Aoi aber bald nicht mehr zu genügen, denn er setzte sich kurz auf und zog sich sein Shirt über den Kopf. Kanons Herz schlug gleich ein wenig schneller, als sein Blick über die freigelegte Haut wandern ließ. Sie schien so perfekt. Er legte die Hände an die Taille des Älteren und genoss den Anblick für einen weiteren kurzen Moment, bevor er ihn mit sanfter Gewalt wieder zu sich herunter zog und in einen stürmischen Kuss verwickelte. Er würde sicher noch genug Gelegenheiten bekommen, diesen Körper anzusehen. Jetzt wollte er ihn fühlen. ~~~*~~~ Kanon schloss für einen Moment die Augen. Das Gefühl von tiefer Zufriedenheit erfüllte seinen Körper, als er sich erschöpft in den Futon sinken ließ. Er bemerkte, dass sich Aoi ihm zugedreht hatte, denn er spürte den warmen Atem auf seiner Wange. Kanon versuchte seinen eigenen Atem wieder zu normalisieren und sein Herz zu beruhigen. Nach dem, was sie angestellt hatten, war es kein Wunder, dass es fast aus seiner Brust springen wollte. Es schlug so schnell, dass er keine Ahnung hatte, ob es sich jemals wieder beruhigen würde. ~*~ Dass er eingenickt war, bemerkt er erst, als er etwas an seinem Bauch spürte. Erschrocken öffnete er die Augen und sah zur Ursache der Berührung. Sofort merkte er, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Aoi lächelte ihn aber nur liebevoll an, während er dann auch seine Hand mit einem Papiertuch abwischte, das er wohl eben von irgendwoher geholt hatte. Aois Lächeln beruhigte ihn, sodass er sich aufsetzt und seinem Freund kurzerhand einen Kuss stahl. Er war froh, dass er nicht nur geträumt hatte. Wahrscheinlich hatte Kanon nicht sonderlich lange vor sich hingedöst, aber trotzdem lang genug, sodass sich allmählich die Hitze aus seinem Körper verflüchtigte und stattdessen die kalte Luft über seine leicht von Schweiß bedeckte Haut strich. Als sich sein Freund vom Futon erhob und ins Bad ging, um das Tuch wegzuwerfen und – dem laufenden Wasser nach zu urteilen – die Spuren auf seinem eigenen Körper zu beseitigen , sah Kanon, dass dieser sich wieder seine Unterwäsche angezogen hatte. Noch bevor Aoi wieder zurück war, hatte er ebenfalls schnell seine Shorts gesucht und schlüpfte rein. Er wollte hier schließlich nicht als einziger noch splitterfasernackt daliegen. Und so müde wie er war, würden sie eine zweite Runde wohl auf morgen verschieben müssen. Kanon grinste bei dem Gedanken und ließ er sich zurück auf den Futon sinken. Er war gerade dabei, wieder wegzudösen, als er sanfte Küsse auf seiner Schulter und dem Oberkörper spürte. Es breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus und ohne die Augen zu öffnen ließ er seine Hand in Aois Nacken wandern, um ihn dort zu kraulen. Sehen konnte er sowieso nichts, denn durch seine geschlossenen Lider drang kein Lichtschimmer. Der Andere musste das Licht ausgemacht haben. Der leise, wohlige Laut, den der Ältere bei seinen Streicheleinheiten ausstieß, schickte einen Schauer durch Kanons Körper. Es war für ihn immer noch schwer zu begreifen, dass das hier die Wirklichkeit war. Dass sie hier wirklich im selben Bett lagen. Nicht einfach nur nebeneinander wie zuvor schon einige Male. Sondern miteinander. „Du bist ganz kalt“, flüsterte Aoi nahe an seinem Ohr. Und es stimmte. Kanon war wirklich kalt, aber er wollte den Moment nicht unterbrechen. Zu schön fühlten sich die Lippen auf seiner nackten Haut an, die völlig unschuldig hier und da federleichte Küsse verteilten. Auf Kanons Körper breitet sich eine leichte Gänsehaut aus. Eigentlich eher eine Reaktion auf die Berührungen als auf die Kälte. Aoi schien das aber anders zu sehen. „Ok. Das reicht jetzt“, murmelte der Ältere und zog die inzwischen völlig zerknüllte Decke über sich und seinen Freund. Doch statt auf Kanons Höhe zu rutschten, blieb Aois Kopf unter dem warmen Stoff und setzte seine Liebkosungen fort. „Spinner“, kicherte Kanon und zog den Kopf seines Freundes unter der Decke hervor, um ihm einen liebevollen Kuss zu geben. Als sich ihre Lippen wieder trennten, musste Kanon über den Anblick, der sich ihm bot, lächeln. Aois Oberkörper lag halb auf seinem. Die Haare des Älteren waren völlig durcheinander und auf seinen Lippen lag ein fast schon als dämlich zu bezeichnendes Grinsen. Er wirkte glücklich. „Nenn mich ruhig Spinner, aber ich kann einfach nicht genug von meinem neuen, festen Freund bekommen“, flüsterte der Ältere in sein Ohr, bevor er seine Aufmerksamkeit Kanons Nacken widmete. Der Jüngere schloss genießerisch die Augen und driftete wieder in einen Halbschlaf ab. Von dem Gedanken erfüllt, dass Aoi ihn gerade zum ersten Mal seinen „festen Freund“ genannt hatte. Kanon wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte, bevor er von einem Lippenpaar geweckt wurde, das sich sanft gegen sein eigenes presste. Er war Aoi für diesen Überfall auch nicht böse. Und genau so wenig war der Gitarrist dann auf den Jüngeren böse, als er ihn einige Zeit später auf eine ähnlich liebevolle Weise während seines Schlafes störte. So verbrachten sie ihre erste Nacht als Paar. Lagen nebeneinander im Halbschlaf, nur um sich gegenseitig mit Liebkosungen wieder aufzuwecken. Kanon erschien vieles verschwommen. Er wusste teilweise gar nicht, ob er träumte oder sich im Wachzustand befand. Wie sollte man auch, wenn einem die Realität plötzlich wie ein Traum vorkam? Wenn die Wahrheit viel zu schön ist, um wirklich wahr zu sein? „An was denkst du?“ Kanon sah zu seinem Freund. Aois Stimme hörte sich verschlafen und rau an. Sie hatten schon seit einigen Stunden nicht mehr geredet. Blicke und Berührungen waren völlig ausreichend gewesen. „Ich denke an dich“, gab Kanon zu. Fuhr seinem Freund liebevoll durch Haar. „Immer nur an dich.“ Der Ältere lächelte als Antwort nur und Griff nach Kanons Hand, um diese mit seiner eigenen zu verschränken. Während Aoi begann Kanons Hand mit Küssen zu übersähen, seufzte dieser entspannt. Es war so schön auf einmal völlig ehrlich zu Aoi sein zu können. Obwohl er sich schon ein bisschen wunderte. Kanon hatte sich selbst nie für einen übertriebenen Romantiker gehalten und nun lag er hier und machte kitschige Geständnisse. „Wir werden ein schreckliches Paar sein“, sprach der Jüngere seinen nächsten Gedanken laut aus. Aoi stoppte in seiner Bewegung. Kanon merkte, wie der Ältere seine Hand etwas stärker drückte. „Wie meinst du das?“ Die Stimme des Gitarristen klang so erschrocken, dass Kanon kichern musste. „Ich wollte darauf hinaus, dass wir garantiert furchtbar kitschig sein und damit alle nerven werden“, erklärte er schnell, bevor sein Freund einen Herzinfarkt erlitt. Tatsächlich entspannte sich Aoi bei der Antwort wieder und ein Lächeln legte sich auf seine Lippen. „Ich werd meine Hände nicht von dir lassen können.“ Kanon rollte gespielt mit dem Augen. Damit hatte er irgendwie schon gerechnet. Ein Lächeln konnte er bei dem Gedanken dennoch nicht unterdrücken. „Wir werden uns gegenseitig peinliche Kosenamen geben“, setzte er die Liste fort. Aoi lachte. „Und uns ständig küssen.“ „Und Händchen halten.“ „Und uns in jeder Sekunde in der wir uns nicht sehen können, gegenseitig anrufen, um dem Anderen zu sagen, wie sehr wir ihn vermissen.“ Dann nickte er ernst. „Wir werden ein schreckliches Paar sein.“ Kanon konnte ein Lachen nicht unterdrücken und schmiegte sich anschließend wieder an die Brust seines Freundes. „Ich werde jede Sekunde davon lieben“, nuschelte er leise. Er war von einer solchen Zufriedenheit erfüllt, dass er nichts anderes mehr tun wollte, als ewig hier so liegen zu bleiben. Es fühlte sich warm und beruhigend und aufregend zugleich an. Dann fiel ihm aber etwas ein. Und je länger er darüber nachdachte, desto schwerer lag es ihm auf der Seele. Desto unruhiger wurde er. „Aoi?“ „Hm?“, kam es leise zurück. Kanon zögerte einen Moment, bevor er dann doch weitersprach. „Tut mir leid, dass ichs am Abend in der Bar vermasselt hab.“ Er musste es einfach loswerden. Aoi antwortete aber nicht gleich, sondern schob ihn ein Stück von sich, sodass er ihn ansehen konnte. Es dämmerte und das Zimmer war nicht mehr nur in das fahle Licht der Straßenlaternen getaucht. So war es also auch kein großes Problem für Kanon, den liebevollen Gesichtsausdruck des Älteren zu erkennen. „Mach dir darüber nicht solche Gedanken. Das ist doch jetzt sowieso egal.“ Er hauchte einen Kuss auf Kanons Stirn, was diesen wirklich zumindest ein klein wenig beruhigte. Dieses ‚klein wenig‘ schien Aoi aber nicht zu genügen. „Jetzt hör auf so besorgt zu gucken! Es gibt bestimmt nicht nur eine Situation, in der ichs versiebt hab. Oder?“ Kanon musste leicht lächeln und schloss die Augen, bevor er sich wieder an seinen Freund kuschelte. „Als wir bei euch die Party hatten und du so betrunken warst…“ „Oh…“, murmelte Aoi betreten und Kanon lachte leise. „Aber du warst so niedlich. Ich konnte dir gar nicht böse sein! Vor allem nicht mehr, als wir dann…“ Sein Satz verlor sich irgendwo, als ihm bewusst wurde, wie der Abend weitergegangen war. Wie Aoi versucht hatte, ihn zu verführen. Sie hatten nie wieder darüber gesprochen. Ob sich der Ältere überhaupt noch daran erinnerte? „Wir haben schon ziemlich lange gebraucht, um es endlich auf die Reihe zu bekommen“, meine der Gitarrist nachdenklich. Kanon nickte lächelnd. „Zwei Monate“, fügte dieser noch hinzu und konnte es selbst gar nicht richtig glauben. Natürliche war in der Zeit auch Gazettes Europatour gewesen. Trotzdem. Sie hatten sich viel Zeit gelassen. Wenn man bedachte, dass sie zusammen gewohnt hatten. Kanon wurde von einem verlegenen Lachen wieder aus seinen Gedanken gezogen. Verwundert öffnete er die Augen und blickte seinen Freund fragend an. „Zwei Monate, wenn man von der Zeit ausgeht, in der du bei uns gewohnt hast“, meinte der Gitarrist und wurde ein bisschen rot, bevor er weitersprach. „Allerdings muss ich zugeben, dass ich schon total in dich verschossen war, als wir uns zwei Wochen davor auf Miyavis Geburtstag persönlich begegnet sind. Und von den Wochen davor, als ich angefangen habe von dir zu schwärmen, will ich gar nicht erst anfangen. Irgendwann war‘s dann ja so schlimm, dass ich Miyavi dazu gebracht habe, euch zu seinem Geburtstag einzuladen. Naja…“ Der Gitarrist war inzwischen so rot wie eine Tomate und Kanon konnte seinen Freund nur ungläubig anstarren. Wer hätte gedacht, dass der Ältere schon seit so langer Zeit Gefühle für ihn hegte? Natürlich hatte er es irgendwie geahnt, aber Kanon hatte immer Angst davor gehabt, Aois Verhalten am Ende doch nur falsch zu deuten. „Du hättest mir so viel blanke Nerven ersparen können, wenn du nur den Mund aufbekommen hättest!“, neckte der Bassist den Älteren. „Ich hätte DIR blanke Nerven ersparen können?“, fragte der Gitarrist überrascht. „Du willst gar nicht wissen, wie oft ich dank dir kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand! Von Herzstillständen ganz zu schweigen.“ „Das kommt von deinem Alter, Schatz“, kicherte der Jüngere, doch Aoi war zu vertieft, um die Aussage überhaupt zu registrieren. „All diese liebevollen Blicke“, erzählte er beinahe verzweifelt weiter. „Und die zärtlichen Berührungen und Verwirrungen und süßen Anspielungen und Missverständnisse.“ Aoi seufzte als würde er die ganzen Qualen ein weiteres Mal durchleiden. Kanon verstand seinen Freund nur zu gut. Sie hatten sich gegenseitig von einem emotionalen Chaos ins nächste gejagt. Eine Gefühlsachterbahn, die sie sich eigentlich hätten ersparen können. Der Bassist sah nachdenklich zu Aoi, der ihm einen fragenden Blick schenkte. „Ich bin froh, dass wir uns Zeit gelassen haben“, meinte er dann schlicht. Auf den Gesichtszügen seines Freundes formte sich ein Lächeln. „Ich auch“, gestand Aoi bevor er Kanon auf die Stirn küsste. Vielleicht hätte es auch geklappt, wenn sie schon vor Wochen ein Paar geworden wären. Genau konnte Kanon das nicht sagen. Aber er war sich hundertprozentig sicher, dass ihre Beziehung anders ausgesehen hätte, hätte sie nicht das ganze Gefühlschaos zusammen durchstehen müssen. Es war nicht immer leicht. Doch Kanon musste nur einen Blick auf das glückliche Gesicht seines Freundes werfen, um zu wissen, dass er das alles sofort wieder auf sich nehmen würde. Epilog: Epilog -------------- Hier also noch wie angekündigt der Epilog. Viel Spaß beim Lesen und vielleicht sieht man sich ja bei der nächsten ff oder einem Oneshot wieder ^^ Bis bald, Keia und Korai _________ Epilog „Oh nein.“ Kanon öffnete verschlafen die Augen. Inzwischen war es draußen hell geworden. So hell, dass er sich am liebsten unter der Decke verkrochen und sich noch eine Weile an seinen Freund gekuschelt hätte. Da dieser bereits aufrecht saß und sein Handy anstarrte, war das leider unmöglich. „Was is denn“, murmelte Kanon. Er hatte nie verstanden wie der Ältere morgens direkt so fit sein konnte. Er wollte kuscheln! „Ich hab in 20 Minuten Bandtreffen.“ „Oh“, entkam es jetzt auch dem Jüngeren. Schließlich hatte er schon mitbekommen wie Kai drauf sein konnte, wenn man nicht pünktlich erschien. Scheinbar schien sich auch Aoi zu erinnern, denn er sprang plötzlich hektisch auf. „Kann ich schnell bei dir duschen?“ „Klar“, gähnte Kanon. Da Aoi gestern seine Shampooflaschen neu sortiert hatte, kannte sich der Gitarrist inzwischen wahrscheinlich besser in seinem Bad aus als er selbst. Mit einem „Danke“ und einem schnellen „Gute Morgen“-Kuss verschwand der Ältere im Bad. Kanon befand sich in der Küche und machte Kaffee, als sich die Badezimmertür wieder öffnete. „Ich hab dir frische Shorts und Socken herausgelegt“, rief er und grummelte dann leise. Er hatte sich ihren ersten Morgen als Paar doch ein bisschen anders vorgestellt. Romantischer. Das Gefühl verflüchtigte sich jedoch, als sich zwei Arme sanft um ihn schlangen. „Guten Morgen“, hauchte ihm sein Freund zart ins Ohr und knabberte liebevoll an seinem Hals. So gefiel Kanon das schon besser. „Hast du noch Zeit für einen Kaffee?“, fragte er und wünschte sich eine positive Antwort. Tatsächlich spürte er den Älteren hinter sich nicken. „Aber viel Zeit hab ich nicht. Ich werd von hier aus direkt zur Arbeit fahren, damit ich nicht all zu spät komme.“ Kanon drehte sich bei den Worten um und sah Aoi überrascht an. „Du gehst dich davor nicht noch umziehen?“ „Nein. Wieso?“ Der Jüngere wurde rot. „Weil du gestern Morgen auch schon ein Meeting hattest und du heute wieder die gleiche Kleidung tragen wirst und…“ Endlich schien der Ältere zu begreifen, denn er lachte laut auf. „Reita weiß, dass ich die Nacht bei dir verbracht habe. Da sind alle anderen Hinweise wahrscheinlich mehr als überflüssig.“ Mit diesen Worten ließ er von seinem Freund ab und goss sich grinsend eine Tasse Kaffee ein. Kanon konnte dem Grinsen ansehen, dass Aoi die Vorstellung gefiel, wenn alle wussten, dass er die Nacht über bei Kanon gewesen war. Er schien stolz darauf zu sein, dass sie endlich ein Paar waren. Ein warmes Gefühl breitete sich bei diesem Gedanken in Kanon aus. Ja, er war selbst auch stolz darauf. Dass sie es endlich geschafft hatten! Fünf Minuten später standen sie an der Tür. Aoi hatte gerade seine Jacke angezogen, als er Kanon plötzlich an sich zog und ihn ansah. „Hast du heute Abend frei?“ „Wir haben nachher ein Interview. Abends müsste ich wieder da sein, aber ich weiß nicht genau wann.“ Er stellte sich leicht auf die Zehenspitzen, um den Größenunterschied zu überbrücken und seinem Freund einen Kuss auf die Lippen zu hauchen. „Kommst du mich wieder besuchen?“ „Ich glaub nicht, dass du mich so schnell wieder los wirst.“ Zwinkerte ihm Aoi zu. „Meldest du dich, wenn du wieder da bist?“ „Ich hab eine bessere Idee.“ Kanon löste sich von ihm und griff zum Schlüsselbrett an der Wand neben ihm, um einen Schlüssel von dort zu nehmen. „Gegen sechs müsste ich wieder zurück sein, aber falls nicht…“ Er drückte Aoi den Schlüssel in die Hand. Der Ältere sah diesen einen Moment an, bevor er wieder die Arme um Kanon schlang und ihm diesmal in einen richtigen Kuss verwickelte. „Ich liebe dich“, hauchte er anschließend und jagte somit erneut einen Schauer durch Kanons Körper. „Ich muss jetzt los. Bis spätestens heute Abend dann!“ Aoi drückte ihn noch einmal kurz und sah ihn entschuldigend an, bevor er wirklich das Apartment verließ. Kanon schloss die Tür und lehnte sich mit dem Rücken an diese. Ja, er hatte sich ihren ersten Morgen anders vorgestellt. Ruhiger. Gemütlicher. Aber dann dachte er daran, dass noch viele Morgen kommen würden. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Viele Morgen, die sie ruhig und gemütlich angehen konnten. Und romantisch. Sein Lächeln verschwand den ganzen Tag über nicht. Auch nicht, als er sich zum Interviewtermin aufmachte. Aber es war ihm egal. Sie sollten es alle sehen. Wie glücklich er war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)