Anders ist verrückt von Caro-kun ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel Eins ----------------------- *°* Sie stand in einem Wald. Ganz plötzlich. Und ihr Körper fühlte sich merkwürdig leicht an. ´Fast so, als würde ich schweben! `, dachte Alice, während sie sich einmal um die eigene Achse drehte und nach oben sah, wo die Sonne durch die dunkelgrünen Blätter schien. Behutsam setzte sie einen Fuß vor den anderen. Alice hatte keine Ahnung, wo sie hinwollte. Lediglich dieses köstliche Gefühl der Unbeschwertheit, wollte sie noch etwas weiter genießen. Ein leichter Wind kam auf. Nicht mehr als ein Hauch, der ihr über die Wange strich und die Grashalme, welche am Wegesrand wuchsen, zum Erzittern brachte. Zuerst beachtete die Blonde ihn nicht sonderlich, doch dann kam es ihr plötzlich so vor, als würde der Wind ihr etwas ins Ohr flüstern. Sie blieb abrupt stehen, runzelte die Stirn und lauschte. Nichts. Nur Einbildung! Alice schüttelte den Kopf und schickte sich an weiterzugehen. Doch Halt! Da war es wieder! „Sie sind alle so grausam. So herzlos und … kalt!“ Jetzt war Alice sich sicher: In dem leisen Rauschen schwangen eindeutig Worte mit. Gewisperte Worte, zu tief für die einer Frau. „Sie beurteilen, ohne richtig hinzusehen. Sie verurteilen, ohne zu kennen!“ Alice sah sich suchend um, drehte sich dabei sogar mehrmals im Kreis, doch es war ihr unmöglich, zu sagen, wo die Stimme herkam. Die Stimme dieses Mannes, die so traurig klang, wie sie noch nie jemanden hatte sprechen hören. „Sie wollen mich nicht kennenlernen, weil sie mich nicht verstehen. Ich glaube, … sie haben Angst. Vor mir. Weil ich anders bin. Weil ich nicht normal bin. Verstehst du, was ich meine? Verstehst du es … nicht wenigstens ein kleines bisschen?“ Zu gerne hätte die Blonde jetzt geantwortet, doch ihr Mund weigerte sich aufzugehen. Sie brachte keinen Ton heraus. „Alice … hörst du mich denn nicht? Alice …“ *°* „Alice! Hörst du denn nicht? Alice!“, die Stimme ihrer Mutter und ein heftiges Rütteln an ihrem Arm. Das Mädchen blinzelte noch einige Male verwirrt, bis es wieder wusste, wo es sich befand. „Wie kann man nur zu einer solchen Tageszeit schlafen?“, die Frau neben ihrem Bett seufzte bekümmert und stemmte die Hände in die Hüften. „Tut mir Leid, Mutter!“, entschuldigte sich Alice, „Ich war nur auf einmal so müde nach den Schularbeiten …“ „Nicht so wichtig, Kind!“, wurde sie unterbrochen, „Zieh dir deine Schuhe an und komm dann runter in den Garten. Es gibt Tee, mit Doris und Johanna!“ Mit diesen Worten verließ ihre Mutter das Zimmer. „Nicht schon wieder!“, murrte Alice und stand auf, „Das hatten wir doch erst letzte Woche! Und vorletzte und vorvorletzte auch!“ Doris und Johanna waren zwei Freundinnen der Mutter, die jeden Mittwoch zum Tee vorbeikamen. Und jeden Mittwoch mussten Alice und ihre Schwester Margaret sich dazusetzen, hauptsächlich um zu beweisen, wie wohlerzogen und anständig sie waren. Und Alice hasste es! +++ Dieses Mal jedoch saßen an dem runden Tisch nicht nur die beiden jungen Frauen, die sie bereits kannte, sondern noch eine dritte Dame und ein Junge in Alice‘ Alter. Die Blonde war darüber zwar ein wenig irritiert, knickste aber dennoch höflich: „Guten Tag!“ „Du bist also Helens jüngste Tochter!“, die Fremde lächelte, „Schön, dich endlich kennenzulernen. Setz dich doch … Alice, nicht wahr?“ Die Angesprochene nickte und kam der Aufforderung nach. „Das ist Mrs. Hitchens!“, stellte ihre Mutter vor, nachdem sie den Kuchen auf der weißen Tischdecke abgesetzt hatte, „Ich hab sie kürzlich bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung kennengelernt. Und ihr Sohn David!“ Der Junge in dem beigefarbenen Anzug verzog kaum merklich die Mundwinkel: „Guten Tag, Miss!“ „Hallo!“, es kostete Alice einiges an Überwindung sich ein Lächeln abzuringen. Sie fand ihn unheimlich. In dem blassen Gesicht, wirkten seine braunen Augen geradezu schwarz. Jedes einzelne seiner dunkelbraunen Haare saß penibel genau am richtigen Platz und es hätte sie nicht gewundert, wenn er sich seinen Seitenscheitel mit dem Lineal gezogen hätte. Den ganzen Nachmittag über versuchte sie ihn so gut es ging zu ignorieren, während sie langweiligen Gesprächen über das Wetter und angemessener Kleidung lauschte, und Tee aus einer feinen Porzellantasse trank. +++ Alice hatte angenommen, dass Thema David wäre erledigt, sobald er mit seiner werten Frau Mutter gegangen wäre. Doch da irrte sie sich gewaltig! Gerade als sie die breite Treppe zu ihrem Zimmer hinaufgehen wollte, wurde sie von Helen noch einmal an der Schulter gefasst: „Und?“ „Und, was?“, fragte Alice misstrauisch, obwohl sie durch das erwartungsvolle Lächeln auf dem Gesicht ihrer Mutter durchaus ahnte, was gemeint war. Beziehungsweise, wer. „Wie hat David dir gefallen?“, bestätigte Helen sogleich ihre Vermutung. Die Blonde seufzte. Um Zeit zu schinden und sich eine passende Ausrede überlegen zu können. Doch im Lügen war sie noch nie sonderlich gut gewesen. „Nicht so ganz mein Geschmack, fürchte ich!“, begann sie ausweichend, „Gut, er ist höflich, seine Manieren sind ebenfalls tadellos, aber … er ist nun mal eben wie alle anderen!“ Den letzen Satz hätte sie wohl besser weglassen sollen, denn der Gesichtsausdruck ihrer Mutter wechselte von hoffnungsvoll, über irritiert und blieb schließlich bei besorgt hängen: „Ja, aber … was willst du denn dann?“ Alice blickte ihr geradeaus in die Augen: „Ich weiß es nicht, Mutter!“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging. Noch einmal tief aufseufzend ließ sie sich auf ihr Bett fallen. Ja, was wollte sie eigentlich? Keiner der Jungen, denen sie bisher begegnet war, hatte ihr zugesagt. Wie denn auch, wenn sie alle gleich waren? Nicht, von Äußerlichkeiten her, sondern von ihrem Auftreten: Förmlich, steif und kühl. Da war nichts Persönliches an ihnen, nichts, was sie hätte sympathisch machen können. Eigentlich wusste Alice, dass es nicht fair war, sie deswegen zu verurteilen. Sie verhielten sich ja nur so vor ihr, wie man sie gelehrt hatte, sich vor einer jungen Dame zu verhalten. Genauso, wie man ihr selbst beigebracht hatte, in der Öffentlichkeit stets höflich und anmutig zu sein. Aber dennoch, das wollte sie eben nicht! Sie wollte jemanden, mit dem sie lachen konnte. Mit dem das Leben auch Spaß machte und nicht nur aus Regeln und Verboten bestand. Doch so jemanden zu finden, war in der heutigen Zeit wohl unmöglich … Das war ihr letzter Gedanke, bevor ihr Kopf zur Seite fiel und sie sanft einschlief. *°* ´Wo bin ich denn hier gelandet? `, fragte sie sich schaudernd, ´Ein Labyrinth? ` Sie stand in einem steinernen Gang, von dem weitere Gänge abzweigten. Die Mauern links und rechts von ihr waren bedrohlich hoch und das bisschen Himmel, was zu erkennen war, von dunklen Wolken bedeckt. Eigentlich war es ein Irrgarten, aber Alice kannte den Unterschied zwischen einem Labyrinth und einem Irrgarten noch nicht. Es war gespenstisch still. Daher zuckte die Blonde auch erschrocken zusammen, als sie so plötzlich eine Stimme vernahm, auch wenn diese sehr leise war. Es war die gleiche Stimme, wie sie sie schon einmal gehört hatte, doch dieses Mal kam sie aus einer ganz bestimmten Richtung. „Sie sagen, ich sei verrückt!“ „Hallo?“, rief Alice und machte ein paar Schritte vorwärts, „Wo sind Sie?“ „Ich bin nicht verrückt! Oder bin ich es doch? Ich weiß es nicht!“ Das Mädchen folgte der Stimme, immer tiefer in den Irrgarten hinein. „Ich weiß es wirklich nicht! Sie sind diejenigen, die es mir andauernd sagen. Haben sie nun Recht? Oder reden sie mir die Verrücktheit nur ein?“ Nun hastete Alice durch die Gänge. Mal nach links, mal nach rechts. So schnell sie konnte. „Ich habe nicht einen Freund auf dieser Welt! Nicht einen einzigen!“ Sie war ganz nahe. Da! Wenn sie da hinten links abbiegen würde, da musste der Mann sein! „Willst du meine Freundin sein?“ Abrupt blieb Alice stehen. Rang nach Atem. Sie stand in einer Sackgasse! *°* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)