Kryptonit von Ur (Jeder Held hat eine Schwäche) ================================================================================ Kapitel 23: Glaube ------------------ Tada! Ein neues Kapitel. Schau mal einer an. Und das beste daran ist, dass ich euch zu Weihnachten auch noch eins schenken kann, weil das schon fast fertig ist ;) Wer Benni vermisst hat, der darf sich auf das nächste Kapitel freuen. Das hier ist jedenfalls für Aye, weil seit langem mal wieder Felix vorkommt ;) Lasst euch vom Schnee nicht unterkriegen. Ich wünsch euch viel Spaß mit dem Kapitel und einen guten Start in die Woche! Liebe Grüße, ___________________________________ »Aber wieso ist Sina sauer auf dich?«, fragt Felix stirnrunzelnd und betrachtet mich aus seinen dunklen Augen. Ich stelle schon seit einer halben Stunde im Sekundentakt fest, dass da nichts mehr ist. Einfach nichts. Gefühlstechnisch, meine ich. »Will nicht drüber reden«, brumme ich abweisend und in meinem Kopf tauchen automatisch Bilder von mir und Jakob auf und davon, wie Milans Gesichtsausdruck sich wandelt, nachdem er uns gesehen hat. Ich könnte bei dem Gedanken daran immer noch kotzen. Manchmal hasse ich mein Leben wirklich. »Ok«, sagt Felix. Er mustert mich und sieht fast ein wenig besorgt aus. Seine Finger spielen mit einem Gitarrenplektrum. Ich hocke in seiner kleinen Wohnung auf dem Sofa und er sitzt im Schneidersitz auf dem Fußboden, die Gitarre über seine Knie gelegt. Eigentlich hatte er mich nur angerufen, um mir ein paar neue Lieder vorzuspielen und sich über die ersten Klausurergebnisse zu freuen, aber jetzt musste ich mich bezüglich Sinas Verhalten mir gegenüber einfach mal auslassen. Auch wenn ich Felix nichts von der ganzen Sache mit Jakob erzählt hab. »Und da ist noch was«, sage ich dann und sehe, wie seine Finger aufmerksam innehalten. Felix legt den Kopf schief. Er sieht immer noch verdammt gut aus. Sein Mund ist immer noch mit Abstand der schönste, den ich je gesehen hab und den ich jemals knutschen wollte. Aber trotzdem fühle ich mich beinahe ein wenig ungewohnt leer, während ich hier mit ihm sitze und er zum ersten Mal nur mein bester Freund ist. Mir kann man es momentan wohl einfach nicht recht machen. Ich könnte mich darüber ja auch einfach freuen, immerhin war ich lange genug auf höchst anstrengende Weise in Felix verschossen. Aber im Augenblick gehe ich mir selbst so auf den Wecker, dass in meinem Leben einfach nichts richtig laufen kann. »Ich hab gemerkt, dass Anjo… äh… eventuell in mich…« Ich breche ab, als Felix die Augenbrauen hebt. »Was?«, frage ich verwirrt. Felix presst einen Moment lang beinahe amüsiert die vollen Lippen aufeinander, dann räuspert er sich. »Weißt du, Chris… du hast eine ausgezeichnete Menschenkenntnis. Wirklich. Aber dir ist jetzt erst aufgefallen, dass der Knirps dich anhimmelt, als wärst du seine persönliche Inkarnation von Superman?« Ich starre Felix einen Augenblick an, als hätte er gerade verkündet, dass er doch nicht schwul ist und nächste Woche Sina heiraten möchte. Seltsame Ironie ist das. Felix, der sonst auch ein wirklich guter Menschenkenner ist, hat auch nie bemerkt, dass ich in ihn verschossen war. Und ich scheine genau wie er für meine nähere Umgebung blind wie ein Maulwurf zu sein. Wunderbar. Kann meine Laune noch schlechter werden? »Ja, tatsächlich ist es mir gerade erst aufgefallen«, gebe ich ein wenig ungehalten zurück. Felix legt seine Gitarre beiseite, platziert das Plektrum sorgfältig darauf und wirft sich neben mich aufs Sofa. »Und jetzt?«, will er wissen. Ich zucke schlecht gelaunt mit den Schultern. »Noch schlimmer kann es eigentlich nicht mehr werden. Sina redet nicht mit mir, Anjo verknallt sich in mich.« Und ich habe Jakobs Beziehung ruiniert. Amen. »Es wäre noch schlimmer, wenn du überall durchgefallen wärst und ich auch nicht mehr mit dir reden würde«, sagt er und bufft mich gegen die Schulter. Ich werfe ihm einen Blick von der Seite zu. »Wenn du wüsstest, weswegen Sina nicht mehr mit mir redet, dann würdest du mir sicher auch die kalte Schulter zeigen.« Felix verdreht die Augen. »Du bist ja total anstrengend, wenn du dich selber so runter machst. Wo ist der Chris, den ich kennen gelernt hab? Na? Komm schon. Ein Lächeln für den besten Freund!« Ich kann mir ein Grinsen wirklich nicht verkneifen, wenn er von der Seite so auf mich einredet. Felix schmunzelt zufrieden und streckt sich ein wenig. »Wie wäre es, wenn wir uns vor weiteren Klausurrückgaben sinnlos betrinken und dann was richtig Blödes machen?« Ich hebe – immer noch grinsend – eine Augenbraue. »Sinnlos betrinken klingt nicht übel. Über den zweiten Teil würd ich mich gern genauer informieren«, gebe ich zurück. Felix lacht, steht auf und verschwindet in seiner winzigen Küche. Wer weiß, was er da für Alkohol versteckt hat. Zwei Stunden später haben wir uns extrem angetrunken verschiedenste Pornonamen gegeben, die der andere dann erraten musste. ›Wer bin ich?‹ für Besoffene. Dann hat Felix sein Telefonbuch rausgekramt und mit unterdrückter Nummer bei wahllosen Leuten angerufen und ihnen erklärt, dass die Großbestellung aus dem Sexshop leider etwas verspätet geliefert wird, oder dass das illegale Herunterladen von verschiedensten Pornos nun entdeckt worden sei und man dem rechtlich nachgehen wolle. Ich glaube, über so was können auch nur wir lachen. Das darf ich niemandem erzählen. »Ich fühle mich, als wäre ich fünfzehn«, gesteht Felix immer noch glucksend und wischt sich ein paar Tränen aus den Augen, nachdem er den letzten Anruf beendet hat. Mir tut der Bauch weh vor Lachen. Und das will was heißen, denn der ist wirklich gut im Training. »Höchstens«, gebe ich ein wenig matt zurück und streiche mir die Haare aus der Stirn. Wir liegen jetzt zusammen auf Felix’ Fußboden. »Ich fühle mich ein bisschen kriminell«, sagte Felix kichernd und setzt sich auf, um noch einen Schluck aus seinem weiß der Geier wievielten Bier zu nehmen. »Telefonstreiche sind für dich kriminell?«, gebe ich zurück und muss schon wieder lachen. Morgen hab ich wahrscheinlich den ersten Muskelkater seit Ewigkeiten. »Kannst du das toppen?«, will er wissen. Ich schnaube. »Ich hab mal ’nen Playboy vom Kiosk geklaut«, gebe ich grinsend zu. Felix starrt mich einen Moment lang schweigend an, dann fängt er so heftig an zu lachen, dass er etwas von seinem Bier verschüttet. »Um dir nackte Brüste rein zu ziehen, was? Ich fass es nicht.« »Ich gebe zu, es war kein sonderlich fruchtbares Unterfangen.« »Das glaub ich dir aufs Wort…« Der Nachmittag mit Felix hat gut getan. Auch wenn ich ziemlich betrunken bin, als ich nach Hause gehe. Ich muss immer noch grinsen, als ich die Tür aufschließe. Meine Schuhe finden ihren Weg in irgendeine Ecke und als ich mich umdrehe, um in mein Zimmer zu verschwinden, steht Sina in der Küchentür und mustert mich. »Du bist betrunken«, verkündet sie schneidend. Ich räuspere mich. »Ähm… vielleicht ein wenig«, gebe ich zurück. Sie betrachtet mich streng. Was soll ich sagen? Ich bin schon groß und darf das? »Wie war es sonst bei Felix?«, fragt sie ein wenig kühl und verschränkt die Arme vor der Brust. Ich sehe sie nur schweigend an. Sie hat jawohl kaum hier im Flur auf mich gewartet, damit sie mich das fragen kann. Als sie merkt, dass ich auf ihre Frage wohl nicht antworten werde, löst sie die Verschränkung ihrer Arme und verdreht die Augen. »Anjo hat mit mir geredet«, sagt sie. Ich lege den Kopf schief. »Hat er das?«, gebe ich zurück. Der Kleine ist gut darin, mit anderen zu reden. Dass er sogar mit mir über diese Sache gesprochen hat… und als ich danach auf seinem Schoß eingeschlafen bin, – und ich hatte davor seit Wochen nicht mehr so gut geschlafen – ist er einfach sitzen geblieben und hat an die Wand gelehnt geschlafen. Als ich morgens aufgewacht bin, hatte er tierische Nackenschmerzen. »Ja, hat er. Er ist so nett, dass er sich nach der ganzen Sache immer noch Sorgen um dich macht. Um dein Seelenheil, weil ich nicht mit dir rede«, erklärt sie. Ich muss lächeln. »Recht hat er. Ohne meine Beste ist das Leben ziemlich scheiße«, meine ich. Solche Sachen sage ich für gewöhnlich nicht oft. Aber ein paar Liter Bier helfen ungemein. Ich sehe, wie Sinas Frostigkeit dahin schmilzt. Sie brummt und kommt dann zu mir herüber, um mich zu umarmen. Ich lege nur zu gern meine Arme um sie. »Hab dich vermisst, Schnecke«, murmele ich. Ich höre sie kichern und muss lächeln. »So hast du mich auch schon ewig nicht mehr genannt«, gibt sie zurück und drückt mich noch ein bisschen mehr. »Besondere Momente erfordern ein Revival solch alter Gewohnheiten«, brabbele ich, hebe sie hoch und drehe sie einmal im Kreis. »Wie geht’s dem Knirps sonst so?«, frage ich schließlich behutsam, nachdem ich sie wieder abgesetzt habe. Sie wirft einen Blick auf Anjos Zimmertür. »Er will mit seinem Vater reden und er hat Schiss vor morgen, weil die Schule wieder losgeht«, meint sie leise. »Ich werd mal reinschauen«, sage ich und sie mustert mich kurz vor der Seite. »Sag nichts Betrunkenes«, warnt sie mich. Ich muss lachen. »Nichts leichter als das«, gebe ich extra lallend zurück und Sina sieht aus, als wolle sie gern mit Schuhen nach mir werfen. Doch dann verzieht sie sich kommentarlos in ihr Zimmer und ich klopfe an Anjos Tür. »Ja?« Er ist sichtlich überrascht mich zu sehen, aber ein Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus. »Ich warne dich hiermit offiziell vor. Ich bin betrunken. Wenn ich was Dummes sage, nimm es nicht ernst. Alle netten Sachen sind aber durchaus ernst gemeint«, informiere ich ihn und schließe die Tür hinter mir. Anjo blinzelt ein wenig verwirrt. Er sitzt am Schreibtisch und klappt seinen Skizzenblock zu, als ich hinüber zu seinem Bett gehe und mich darauf setze. »Ok. Warnung verarbeitet«, sagt er lächelnd. »Was hast du gezeichnet?«, erkundige ich mich. Er mustert mich einen Augenblick lang. »Dich«, sagt er dann einfach so. Ich blinzele ein wenig verwirrt. Ok. Seit wann sagt der Knirps so was einfach so? Ich meine, seine Wangen sehen zwar ein bisschen rot aus, aber er läuft nicht so knallrot an wie sonst. Es ist fast so, als wäre ihm jetzt nichts mehr unangenehm, wo er weiß, dass ich weiß… »Oh…« Es kommt selten vor, dass ich sprachlos bin. Aber jetzt gerade fällt mir keine gescheite Antwort ein. »Ist nicht so wichtig«, meint Anjo und lächelt. »Wolltest du was Bestimmtes?« Ich schüttele den Kopf. »Nur hören wie’s dir geht. Morgen ist wieder Schule und so«, erkläre ich. Er nickt und sein Lächeln verschwindet. »Willst du drüber reden?«, frage ich. Anjo lacht. »Zitierst du mich gerade?«, erkundigt er sich. Ich muss grinsen. »War halt schlau, was du da gefragt hast. Kann nicht schaden, wenn ich mich weiterbilde«, gebe ich zurück und lege mich mit hinterm Nacken verschränkten Armen auf sein Bett. Dann drehe ich den Kopf, damit ich ihn weiterhin ansehen kann. »Es ist nur… ich frage mich halt immer noch, ob Bennis Entschuldigung auch noch zählt, wenn er nüchtern ist und wenn es ihm nicht mies geht und… ich will ehrlich nicht, dass alles wieder von vorn losgeht. Vor den Ferien hat er mich ignoriert, das war echt erholsam. Wenn er mich in Ruhe lässt, dann machen seine Kumpels auch höchstens mal ’nen blöden Spruch, aber das ist tausend Mal besser, als auf dem Klo eingesperrt oder verprügelt zu werden…« »Du hast ja jetzt Lilli bei dir. Und außerdem… wenn er dir noch mal auf die Pelle rückt, dann kriegt er’s mit mir zu tun«, sage ich. Anjo lächelt. »Ich muss ja irgendwann auch auf eigenen Beinen stehen«, gibt er zurück. Heute scheint der Tag des Wunder-Anjo zu sein. Dumpf und betrunken kommt mir der Gedanke, dass Felix und Sina mir gesagt haben, dass ich für Anjo eine Art Held bin. Spätestens seit der Sache mit Jakob weiß er jetzt wohl, dass sein Held auch Schwächen und Fehler hat. Kaum zu glauben, dass diese Erkenntnis ihn ein Stück erwachsener gemacht hat. Aber vielleicht liege ich damit ja auch komplett daneben. »Du schaffst das schon. Ich glaub an dich«, sage ich grinsend. Anjo lacht wieder. Sein Lachen ist angenehm und nicht aufdringlich wie bei manchen Menschen. Und es klingt wie ein kleines Stück Glück. »Danke. Wenn ich das im Hinterkopf habe, wird alles ein bisschen leichter«, sagt er leise. Es fühlt sich merkwürdig an. Merkwürdig, ihn so frei reden zu hören. »Willst du wieder hier schlafen? Ich kann aufs Sofa gehen, wenn du in meinem Bett besser schläfst als in deinem«, bietet er mir an. Ich schmunzele. »Dass ich gut geschlafen hab, lag doch nicht an deinem Bett. Das lag an dir.« Nun blinzelt er doch verwundert und wird ein bisschen rot. Schweigen tritt ein. Dann steht er nervös auf. Es ist fast beruhigend, dass der alte Anjo noch da ist. »Ich kann auch meine Knie wieder als Kissen bereitstellen«, murmelt er und schaut in Richtung Tür. Ich erahne dunkel, was es ihn kosten muss, das du zu sagen. »Schon ok. Vielleicht besorg ich mir beizeiten ’ne Ersatzmatratze. Dann penn ich neben deinem Bett«, sage ich und setze mich auf. Als ich aufstehe und mich strecke, schwingt Anjo kurz unschlüssig mit den Armen. »Chris?«, fragt er sehr leise. Ich höre ihn kaum. »Ja?« Ganz plötzlich fühle ich mich auch ein wenig nervös. Scheint ansteckend zu sein. Oder es ist der Alkohol. »Ich weiß, dass du es weißt, aber ich sag es trotzdem.« Mein Herz setzt aus, als er seine grünen Augen hebt und mich diesmal mit hochroten Wangen anschaut. »Ich bin verliebt in dich. Tut mir ehrlich Leid.« Und mit diesen Worten huscht er hastig aus seinem Zimmer und einen Moment später höre ich die Badezimmertür zugehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)