Kryptonit von Ur (Jeder Held hat eine Schwäche) ================================================================================ Kapitel 21: Narben ------------------ Diesmal extra kurz und mit extra viel Inhalt. Weil es für und (meine Betaleserin) ist, hab ich es diesmal nur selbst Korrektur gelesen. Entschuldigt also alle Fehler. Danke für die letzten Kommentare! Aufgrund von akutem Zeitmangel und einem nun auch noch kaputten Laptop (das Kapitel ist an meinem alten PC entstanden, übrigens von heute morgen um fünf bis jetzt) komme ich einfach zu gar nichts mehr. Tut mir Leid >-< Viel Spaß beim Lesen! Liebe Grüße, ____________________________ Es muss aufhören. Wenn das so weiter geht, dann sterbe ich mit Mitte zwanzig an geistiger Erschöpfung. Ich hab seit Ewigkeiten keine Nacht mehr durchgeschlafen. Sina sieht mich dauernd fragend an, aber sie hakt nicht nach, weil sie weiß, dass ich nicht über Sachen rede, über die ich einfach nicht sprechen will. Ich glaube, dass Anjo auch gemerkt hat, dass irgendwas nicht stimmt. Aber gut, der Kleine ist ja auch eine lebende Gefühlsantenne. Sein Bild sieht umwerfend aus. Ich hab natürlich keine Ahnung von Kunst, aber ich erkenne mich und Sina und doch sehen wir ganz anders aus, als im echten Leben. Es ist ein bisschen so, als hätte Anjo uns auf diesem Bild ein Leuchten gemalt, das wir im wirklichen Leben nicht haben. Der Hintergrund ist in satten Grüntönen gehalten und wir sehen tatsächlich so aus, als würden wir da auf diesem Bild etwas Verbotenes tun. Das Bild ergibt zu dem vorgegebenen Thema natürlich erst wirklich Sinn, wenn man den Titel liest. Aphrodite und Ares. Aphrodite – so hat Anjo mir erklärt – ist eigentlich mit Ares’ Bruder Hephaistos verheiratet. Als er zu Sina und mir gesagt hat, dass wir versuchen sollen so auszusehen, als wären wir ein Paar, das kein Paar sein darf, ist mir beinahe alles aus dem Gesicht gefallen. Ich denke sowieso schon genug an Jakob, aber selbst in solchen Momenten, wo ich mit einer nackten Sina für Anjo Modell stehe und eigentlich nur daran denke, dass mein rechter Arm einschläft, muss Anjo so etwas sagen und prompt schwirren meine Gedanken wieder. Ich war am Wochenende nicht bei Jakob. Er klang bei meiner Absage schrecklich geknickt am Telefon, aber ich versuche auch nur irgendwie das Richtige zu tun. Nach zwei weiteren schlaflosen Nächten und kurz vor meinem letzten Kampf nehme ich mir schließlich ein Herz und rufe ihn an. »Hey«, höre ich Jakobs Stimme am anderen Ende. Er klingt zögerlich, unsicher. Durch meinen Kopf huschen Bilder eines fünfzehn jährigen Teenagers in ausgeleierten Klamotten, der mir sagt, dass er schwul ist. »Hey«, gebe ich zurück und spüre unweigerlich, wie sich alles in mir zusammen zieht. Wieso muss mein Gefühlsleben so komplett scheiße sein? Kann ich nicht wie ein normaler Mensch entweder gar nicht verliebt sein oder in jemanden, der einfach nicht schwul ist oder in jemanden, den ich haben könnte? Nein. Ich lache mir wahlweise meinen besten Freund an, oder meinen beinahe Jugendfreund, den ich krankenhausreif geschlagen und dann jahrelang nicht gesehen habe, um nun eine Affäre mit ihm zu starten, obwohl er vergeben ist. Manchmal hasse ich mein Leben und noch mehr hasse ich es, dass ich so wehleidig bin. Denn eigentlich hab ich mir diese ganze Scheiße selber eingebrockt. »Wir müssen reden«, sage ich also und komme mir dabei gleichzeitig lächerlich und todesmutig vor. Mein Herz fühlt sich an wie ein Klumpen Blei, der tonnenschwer in meiner Brust liegt und mich zu Boden zieht. »Ok«, kommt es leise vom anderen Ende und ich bin mir sicher, dass er genau weiß, worüber ich mit ihm reden will. »Wir müssen damit aufhören«, sage ich dann. Wir müssen, wir müssen. Wenn ich mir selber zuhöre, wird mir ganz schlecht. Wir hätten damit gar nicht anfangen sollen. Herrgott, wenn er jetzt weiter so schweigt, dann krieg ich die Krise. »Ich weiß«, sagt Jakob schließlich und ich möchte mir gern kräftig mit der Faust gegen den Kopf schlagen, weil seine Stimme so niedergeschlagen klingt. »Aber ich kann nicht…« Seufzend reibe ich mir mit den Fingern die Nasenwurzel. »Dann muss ich eben aufhören, wenn du nicht kannst«, gebe ich zurück. Als wäre das so einfach. Mir ist ja jetzt schon wieder danach, sofort zu ihm hinzufahren und ihn besinnungslos zu knutschen, um dann… »Ich will aber nicht mehr… ohne dich sein.« Oh Gott. Bitte sag mir irgendwer, dass er da am anderen Ende nicht kurz davor ist zu weinen. Ich hasse mich. »Du bist in einer festen Beziehung und die willst du garantiert nicht gegen mich eintauschen«, sage ich leise. Wieso fühle ich mich hier gerade, als würde ich Schluss machen? Wir waren nicht zusammen. Ich zwinge den Gedanken in meinen Kopf, dass wir auch nie zusammen sein werden. Für mich sollte niemand eine zweijährige Beziehung aufs Spiel setzen. »Chris…« Herrgott, er soll meinen Namen nicht so sagen. Seit wann bin ich so anfällig? Gefühle sind einfach nichts für mich. »Du kannst nicht ewig zweigleisig fahren. Und ich geh schon am Stock, das hat doch keinen Sinn«, versuche ich möglichst ruhig zu erklären, doch die Stille am anderen Ende sagt mir, dass Jakob mein gezwungen ruhiger Tonfall wahrscheinlich nicht überzeugt. »Können wir uns dann wenigstens vorher noch einmal sehen?«, fragt er. Seine Stimme bricht am Ende des Satzes. Wie hab ich das gemacht? Wieso hasst er mich nicht nach all den Dingen, die ich ihm damals angetan habe? Wieso will er mich jetzt noch mal sehen? Und wieso fragt er das, als hingen sein Glück und sein Leben davon ab, mir noch einmal in die Augen zu schauen? Stumm bete ich irgendwohin, dass er sich nicht in mich verliebt hat. Ich ringe mit mir. »Aber nur… kurz«, sage ich schließlich. Es ist wahrscheinlich sowieso besser, persönlich darüber zu sprechen. Und wenn ich mich jetzt schon seelisch darauf vorbereite, ihn nicht anzufassen, dann werde ich das schon irgendwie hinbekommen. Eine Stunde später bin ich ein komplettes Nervenbündel. Es hat geklingelt. Sina ist durch den Flur gegangen, hat Jakob gut gelaunt begrüßt und ist dann im Bad verschwunden, um zu duschen. Bei der Vorstellung, sie könnte es uns ansehen, dreht sich mir prompt wieder der Magen um. Das Thema Fremdgehen ist bei Sina ein sensibles Pflaster. Sie hatte zwar noch nie eine richtig feste Beziehung, aber trotzdem reagiert auf so etwas mit einer Wut, als wäre sie persönlich betroffen. Das liegt womöglich daran, dass sie so oft Angebote von Männern bekommt, die vergeben oder sogar verheiratet sind. Ich bedeute Jakob in mein Zimmer zu gehen und folge ihm dann, ehe ich die Tür hinter uns schließe. Er sieht sich einen Moment lang um und ich bilde mir fast ein, ein leichtes Lächeln um seinen Mund spielen zu sehen. Aber dann dreht er sich auch schon zu mir um und meine Augen treffen auf seine hellbraunen Iriden. Die seidigen Haare hängen ihm wie so oft wirr ins Gesicht und in dem dunkelroten Hemd, das er trägt, sieht er viel zu gut aus. »Damals«, sagt er leise und streicht sich durch die Haare, »wollte ich dich unbedingt. Als festen Freund…« Ich schlucke trocken und ertappe mich bei dem Wunsch ihn in den Arm zu nehmen. Herzlichen Glückwunsch, Chris. Dein Widerstandsplan funktioniert offensichtlich perfekt. Und schon im nächsten Augenblick ist mir klar, dass ich überhaupt keinen Widerstand habe. Jakob hat sich mir nämlich in die Arme geworfen und meine dämlichen Arme zögern keine Sekunde, ihn sofort zu umarmen. So sehr, wie ich ihm damals wehtun wollte, will ich ihn heute beschützen. Vor allem. Und ganz besonders vor mir selbst. Aber darin versage ich grandios, als er den Kopf hebt und ich schon im nächsten Moment mit meinem Mund nach seinen Lippen taste. Wieso küsst er auch so gut? Die Berührung unserer Zungen löst ein heißes Kribbeln in mir aus und ich weiß sofort, dass alles, was ich geplant hatte, gerade den Bach runtergeht. Ich weiß, dass wir jetzt miteinander schlafen werden. Das erste Mal. Jakobs tastende Hände unter meinem Shirt lösen ein angenehmes Schauern aus, ich ziehe ihn näher an mich heran und streiche mit meinen Fingern durch sein weiches Haar, seinen schlanken Hals hinunter und ohne den Kuss zu lösen, fange ich an sein Hemd aufzuknöpfen. Jakobs Haut unter meinen Fingern und seine verlangenden und regelrecht verzweifelten Küsse bringen mich beinahe um den Verstand. Ich lasse es zu, dass er meinen Gürtel öffnet und mit einem Ruck fällt meine Hose im nächsten Augenblick zu Boden. Unsere Körper drängen sich aneinander, mein Herzschlag wummert gegen meinen Brustkorb und ich bin sicher, dass er das fühlen kann. Als wir den Kuss das erste Mal lösen, seit er begonnen hat, sind wir beide fast ganz entkleidet. Ich stehe in Shirt und Shorts da und Jakob trägt nur noch seine Unterwäsche. Unweigerlich finden meine Augen Narben überall auf seinem Oberkörper und mit einem schmerzlichen Ziehen im Magen wird mir bewusst, woher er diese Narben hat. Das sind die Male, die er immer mit sich herumtragen wird, als Erinnerung daran, was ich damals mit ihm getan habe. Er beobachtet, wie ich zögerlich meine Finger ausstrecke und mit dem Mittelfinger behutsam einige der Narben nachzeichne, die seinen Oberkörper bedecken. Ich höre, wie er schauernd einatmet, als ich mich herunterbeuge und mit den Lippen Küsse auf jede einzelne noch so kleine, sichtbare Narbe tupfe. Ich weiß, dass ich all das nie gutmachen kann. Aber gerade habe ich das Gefühl, dass ich ihm irgendwie zeigen muss, wie sehr es mir wirklich Leid tut und dass ich es ungeschehen machen würde, wenn ich nur könnte. Wenn ich damals nicht so dumm gewesen wäre, dann wären wir ein Paar geworden. Ich weiß es. Und gerade habe ich nicht übel Lust, Jakob zu sagen, dass er Milan verlassen und zu mir kommen soll. Wenn ich ihn nachher loslasse, dann sehe ich ihn womöglich nie wieder. Plötzlich erscheint mir das absurd. Irgendwo in meinem Unterbewusstsein nehme ich das Geräusch der Haustür wahr und mein Gehirn stellt fest, dass Anjo gerade nach Hause gekommen ist. Aber dann wird dieser Gedanke sofort von Jakobs Händen gelöscht, die mir mein Shirt über den Kopf ziehen und mich rückwärts in Richtung Bett schieben. Alles in mir kribbelt verlangend und ich presse meinen Mund erneut auf Jakobs weiche Lippen. Und dann klopft es leise und die Tür wird geöffnet. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)