Dear Diary, I'm awesome von monophobie (Ivan x Gilbert) ================================================================================ Kapitel 8: Nowhere to hide a heart that is bruised. --------------------------------------------------- Teil: 8/10 A/N: Gott... ihr werdet mich für diesen Teil hassen. Doch bevor es dutzend: „How dare you?“ prasselt: Es ist nach dem Krieg und dass die Russen extreme Verluste hatten, muss ich euch ja sicherlich nicht sagen. Ivans Knuddel-Faktor hin oder her, bei sowas bleibt keiner nett. Und ich weiß, dass die ganze WW2 und DDR Sache ausgekaut ist, aber ich hoffe man merkt, dass primär nicht darum geht. Viel Spaß zu wünschen wäre übertrieben, also wünsche ich heute mal eher eine dicke Haut: Nowhere to hide a heart that is bruised. Es war Winter. Ich glaube, es war immer Winter, solang ich bei ihm war. Haben die Jahreszeiten jemals gewechselt? Hat es jemals aufgehört zu schneien? War die Sonne warm? Haben die Blumen geblüht? Es war Winter, als ich zu ihm kam. In mir fällt noch immer Schnee. Es gab keinen Grund, unfreundlich zueinander zu sein und doch genug Dinge, die wir einander vorwerfen konnten um den Hass zu schüren. Ich wünschte ihm alles Schlechte an den Hals, ich wollte ihn verabscheuen, allein aus dem Grund heraus um nicht mich selbst hassen zu müssen. Es war Winter. In meinem Kopf war es Winter, als ich zu ihm kam. Ich wollte dieses Haus hassen. Vom ersten Moment an, als ich es betrat, habe ich mir geschworen, mich hier niemals wohlfühlen zu wollen. Es widersprach mir. Es wiedersprach meiner Ehre, meinem Stolz, alles für was ich einst stand und noch immer stehen wollte. Ich warf mich niemanden unter. Ich würde mich niemals ihm unterwerfen, nie tun, was er verlangte. Er hatte mich und meinen Bruder getrennt. Er hatte mich beschämt. Er hatte mich gebrochen. Das waren Dinge, die ich ihm nie verzeihen wollte. Es waren Dinge, die ich mir schwor, ihm zurückzuzahlen. Ich würde ihm das Leben so schwer machen, wie ich es nur könnte. Nie wieder aufgeben. Egal, was er tut. Ich würde meinen Kopf nie senken. Ich hatte ja keine Ahnung. Ich kam in diesem Haus an, als der, der verloren hatte. Darüber war ich mir im Klaren, es wurde mir immer wieder bewusst gemacht - ich hatte nichts zu sagen. Ich habe Ivan gegenüber nichts gesagt, keinen Ton geäußert, als er mir das Haus zeigte. Mein neues Heim. Ich musste mich stark zusammenreißen, nicht aufzulachen. Wie er es sich erdreisten könnte, mir zu sagen, was mein Zuhause sei. Wo meine Heimat liegt. Man sagt, Zuhause ist, wo das Herz ist. Er öffnete eine Tür, er lächelte, als er sagte, das sei mein Zimmer. Mein Raum, mein Platz, meine Freiheit. Mein Gefängnis. Ich tat keinen Schritt hinein, ging nicht über die Schwelle in diese beengende Dunkelheit. Es war kalt und leer. Grau mischte sich mit kalten braunen Tönen. Hier lebte nichts. Hier würde mein Herz nie sein. Es war klein und gewöhnlich, langweilig, ein Witz von einem Nichts. Es war meiner nicht würdig. Jede Faser meines Körpers widerstrebte dieser Erniedrigung. Ivan hat gelächelt. Er hat gesagt, es sei noch ein wenig leer, doch das gäbe sich mit der Zeit. Ich würde mich schon daran gewöhnen. Mit der Zeit. Soviel Zeit hätte niemals vergehen können. Ich bin hineingegangen und er schloss die Tür. Ich hatte das Gefühl, die Wände kämen näher, würden mir drohen und mich verschlingen. Als ich die erste Nacht in diesem Haus schlief, in einem Zimmer, das mir zuwider war, in einem Bett, das mir nicht entsprach, unter der Herrschaft eines Fremden, habe ich angefangen bei der Dunkelheit zu zittern. Ich frage mich, ob ich es immer noch tue? Die ersten Tage vergingen schleppend und ohne nennenswerte Interaktion. Ich schlief kaum, da ich immer wieder aus dem Bett fiel, fror oder egal, wie lang ich die Augen auch schloss, nicht einschlafen konnte. Ich aß kaum etwas. Ich wollte Ivan zeigen, wie sehr mir seine Lebensart widersprach. Ich wollte ihm zeigen, dass wir niemals übereinstimmen würden. Ich sprach mit keinem. Weder in der einen, noch der anderen Sprache. Ich gab mir keine Mühe, Russisch verstehen zu wollen und ich zeigte, dass wenn ich etwas zu sagen hatte, es nur auf Deutsch tun würde. Die ersten Tage vergingen und ich spürte diese lauernde Haltung, diese zwei Fronten, die sich aufbauten. Ich zeigte ihm, dass ich bereit für einen Krieg war. Ich zeigte ihm, dass ich anfing zu rüsten und ich wusste, es wäre nur eine Frage der Zeit, eine Frage der Taktik, bis auch er die Geduld verlieren würde. Ich hatte ja keine Ahnung. Es war Winter. Winter in Russland war das Kälteste, was ich je erlebt habe. Die Nächte verfolgten mich. Das Bett war zu unbequem, zu klein, zu wenig. Ich fror jedes Mal mehr, zitterte und verfluchte ihn. Ihn und dieses Land. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. Ich bildete mir ein, er tue es mit Absicht, er ließ mich frieren, er ließ mich krepieren. Ich war so wütend. Ich war bereit für Krieg. Ich schlich mich aus dem verfluchten Zimmer, die Korridore entlang, zu seinem Raum. Er war nicht da, als ich eintrat. Es war leer, doch wesentlich wärmer als in meinen Gefilden. Das Bett war groß, besser, würdiger. Ich versank in den Kissen und Decken, dachte nicht über Konsequenzen nach, als ich einschlief. Ich weiß bis heute nicht, was ihn bewegt hatte, mich liegen zu lassen. Ich schlief das erste Mal seit ich getrennt von meinem Bruder war lang, erholsam, tief und fest. Ich schlief ruhig, ohne Gedanken und nicht ahnend, dass der Alptraum beginnen würde, wenn ich erwache. Ich blinzelte zwischen Decken und Kissen hervor, auf und erkannte Ivan. Er saß neben mir im Bett, den Rücken an das Bettgestellt gelehnt, lesend und mich keines Blickes würdigend. Dennoch, er wusste, dass ich wach war. „Was soll das?“, fragte er, dunkel und ruhig und immer noch in den Zeitungsartikel blickend. Ich wand mich von ihm, sah zur Decke. „Ich hasse mein Bett.“, antwortete ich, den abschätzigen Ton im Nachklang. Langsam faltete Ivan die Zeitung zusammen, sagte bedacht: „Das ändert nichts an der Tatsache, dass du dort schlafen wirst.“ Es sollte wie ein Vorwurf klingen, wie eine Anklage. Ich fürchtete, für ihn war es dennoch nur eine Rechtfertigung: „Es ist kalt, jede scheiß Nacht. Ich krepiere dort!“ „Vielleicht wäre es das, was du verdienst.“, sein Blick wand sich schließlich zu mir und er traf mich, durchbohrte mich, lähmte alle meine Glieder, „Nach allem, was du getan hast, Gilbert, wäre es da nicht an der Zeit zu sterben?“ Am Anfang gab es nichts zwischen uns. Nur eine dicke Schneedecke, durch die wir nicht hindurch kamen, nichts sehen konnten, uns nicht erreichten. Am Anfang gab es nichts zwischen uns, doch wir schafften es, Gefühle hochzuspielen, Vorurteile, Beschuldigungen, Entschädigungen aufzugreifen um sie uns gegenseitig an den Kopf zu werfen. Wir schafften es, damit einen Hass zu schüren, der nicht hätte sein müssen. Den wir aber brauchten. Wir brauchten ihm um fortzufahren. Ich hatte mir vorgenommen, nicht klein bei zu geben. Erst recht nicht, wo er nun auf etwas bestand, eine Forderung stellte. Er verlangte etwas und ich war gewillt, alles zu tun, was dem widersprach. Der Krieg hatte begonnen. Wir gingen uns den Tag über aus dem Weg. Bewusst mied ich Ivan, um ihn am Abend umso deutlicher zu zeigen, wie sehr ich mich ihm widersetzen würde. Ich hielt es keinen Augenblick für nötig in mein Zimmer zu gehen. Ich ging in Ivans Raum, provokant legte mich in sein Bett und versuchte zu schlafen. Ich war müde und döste dennoch nur solang, bis auch er eintraf. Ich wollte für eine Konfrontation wach genug sein. Er stand vor dem Bett und sah mich an, starrte regungslos, bis er bemerkte, dass ich noch wach war. „Raus hier.“, befahl er, sah zu mir nieder, als würde sich Ungeziefer in seinem Bett befinden und er würde nicht eher Ruhe finden, bis es zerquetscht wäre. „Vergiss es.“ Ich richtete mich langsam auf, lächelte triumphal, provozierend und lauerte auf seinen Angriff. Ivans Blick verriet nichts. Er war weder zornig, noch dunkel, noch bittend. Er war ausdruckslos, das ewige Lächeln wie weggewischt und niemals da gewesen. „Ich wiederhole mich nicht.“, sagte er, felsenfest vor mir stehend. Ich lächelte, verspottete ihn, lachte ihn aus. Ich lehnte mich ein wenig zurück, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. „Wie schade.“, säuselte ich, „Ich habe nämlich bereits vergessen, was du wolltest.“ Mein Lächeln verging mir, als Ivan mich an den Haaren zog, mich mit schmerzhaft festem Griff in der Schwebe zwischen Boden und Bett hielt. Ich verzog das Gesicht minimal, bevor ich die Finger um sein Handgelenk schloss, die Nägel in sein Fleisch bohrte und ihm deutlich machte, das seine Grobheiten mich nicht einschüchterten. Ich würde nicht klein bei geben. „Ich wiederhole mich nicht.“, sagte Ivan, diesmal mit einem drohenden Unterton, fester meinen Schopf packend und mich mehr und mehr dem Abgrund entgegendrückend. Ich krallte mich umso fester in seine Haut, lächelte schief zu ihm auf: „Du hast dich aber gerade wiederholt, du Trottel.“ Er zerrte mich hinab und ich kam auf den kalten Holzdielen zu liegen. Ivan thronte über mir, unheilvoll und richtend. Mich hat es nicht überraschend, dass er mich verprügelt hat. In keiner Weise. Ich habe nie gedacht, er sei friedfertig und ich habe auch nie damit gerechnet, ich würde verschont werden. Jeder feste Schlag, jeder abschätzige Tritt war verdient, aber ich wettete, ich war mir so sicher, so unglaublich sicher, er hätte nie gedacht, dass ich mich wehre, dass ich zurückschlage und noch mehr provoziere, als er mir bereits gab. Ivan wusste wahrscheinlich selbst zu gut, wie schmerzhaft seine Behandlungen waren. Ich lernte sie kennen. Aber das hielt mich nicht davon ab mit ausgebreiteten Armen in mein Verderben zu laufen. Ich blutete aus der Nase, auf dem einen Auge sah ich nichts mehr, mein Magen hatte sich verkrampft und meine Kiefer bedrohlich geknackt. Es war egal. Ich habe getreten, geschlagen, ihn bespuckt und gegrinst. „Du kannst mich schlagen wie du willst.“, sagte ich ihm, atmete tief, ruhig, „Doch so wirst du mich nie in die Knie zwingen können. Meinen Stolz kannst du nicht schlagen.“ Es herrschte eine plötzliche Stille auf dem kalten Boden, in dem warmen Zimmer. Er sah mich an und wusste, dass diese erste Schlacht für ihn verloren war. Es gab hier nichts mehr zu holen. Ivan erhob sich als wäre nie etwas gewesen und ging zu Bett. Nachdem ich im Badezimmer mein Gesicht gewaschen hatte, legte ich mich neben ihn, mit gebührendem Abstand natürlich. Selbst wenn er nichts sagte, wünschte er mir eine gute Nacht, in der Gewissheit, die nächsten würde er zu ruinieren wissen. Der Krieg hatte erst begonnen. Es herrschte einige Zeit lang ein Status quo. Waffenstillstand. Ivan duldete nichtssagend, dass ich abends in seinem Bett schlief. Dennoch habe ich nie angenommen, er hätte klein beigegeben. Mein blaues Auge war abgeschwollen und die restlichen Blessuren, die ich von unserer ersten Auseinandersetzung hatte, waren ebenfalls bereits am verschwinden. Ich konnte mich endlich wieder waschen ohne zu zucken, da Wasser in eine Wunde prasselte. Als ich allerdings aus der Dusche stieg und mir ein Handtuch umband, stellte ich fest, dass meine Kleidung verschwunden war. Im ersten Moment dachte ich mir nichts dabei, vielleicht wollte ich auch nichts denken, ich bin mir nicht mehr sicher. Ich ging nach unten in mein Zimmer um mich neu einzukleiden. Doch meine Schränke waren leer. Kein einziges Kleidungsstück war mir geblieben. Ich trug ein Handtuch und meine Kette, mehr nicht. Ivan hatte mir sogar meine alte Uniform genommen. Ich habe nie herausgefunden, was er damit bezwecken wollte. Ob er dachte, wenn er mich bloß stellt, ich mich bloß fühlen würde? Ob ich mich schäme oder ob ich es mich nicht getrauen würde, mit in sein Bett zu gehen? Was auch immer er sich bei dieser Aktion gedacht hatte, diesen Sieg würde er nicht nach Haus tragen. Als ich in Ivans Zimmer kam, lag er bereits im Bett, wartend, mich abschätzig musternd. Ich habe mir nichts anmerken lassen, nichts gesagt, oder getan. Ich bin unter die Bettdecke gekrochen, als hätte ich mehr an als nur ein Handtuch, als würde ich nicht frieren, als wäre es mir egal. Ich spürte seinen Blick in meinem Nacken. Der kleine Anschlag hatte den Waffenstillstand nicht gestört. Da müsste er schon härtere Geschütze auffahren. Da Ivan keine Anstalten machte, mir meine Kleidung zurückzugeben, lieh ich mir seine. Sie war mir zu groß und keinesfalls mein Stil, aber sie hielt warm und provozierte ihn nur noch mehr. Ich wusste, als ich einen Tag später wieder duschen ging, dass Ivan mir wieder alles wegnehmen würde. Allerdings hätte ich nicht damit gerechnet, dass er sogar die Handtücher mitnimmt. Ich weiß nicht, inwieweit die Übrigen diese Aktionen miterlebt haben. Wie sie die empfunden haben. Ob sie mich sahen, an dem Abend, als ich zitternd vor Kälte und nackt in Ivans Zimmer spazierte, triefend nass und sauer, doch nicht beschämt, nicht gebrochen, nur noch mehr angestachelt, ihm zu trotzen. Es hat ihn sicher missfallen als ich nass zu Bett gegangen bin und die Zudecke unweigerlich mein Handtuch wurde, doch das änderte nichts daran, dass er genau dieses Spiel zwei Tage später erneut vollzog. Ich trat tropfnass in das Zimmer, spürte einen kalten Luftzug und wie Ivan hinter mir die Tür zugeschlagen hatte. „Deinen Stolz kann man nicht brechen, hm?“, er trat dicht an mich heran, ich spürte sein Lächeln, den Blick über meine Schulter. Ich hielt still, aus den Augenwinkeln sah ich ihm zu, wie er Pläne schmiedete. Wie er sie in die Tat umsetzte. Seine Arme wanderten über meine Schulter, er drückte mich hinab und ich hatte Mühe die Knie gestreckt zu lassen. Sein Gesicht war an meinem nassen Haar, er lächelte, unabdinglich, schwach, mit einem grausamen Unterton. Seine Finger flochten sich um die Metallglieder meiner Kette. Meine Augen weiteten sich einen Moment, kurz. Oh nein. Nicht das. Niemals. Du bekommst mein eisernes Kreuz nicht. Ich rammte den Ellenbogen in seine Magengrube, wehrte mich, doch er hatte keine Probleme all meine Bewegungen mit einem Arm zu stoppen. Seine Finger versteiften sich, packten zu und er zerrte, riss mir den Anhänger vom Hals. Es war der härteste und der machtloseste Kampf, den ich je gekämpft habe. Er packte mich an den Haaren, zog mich von der Tür weg und schleuderte mich hart auf das Bett. Ich fand mein Gleichgewicht nicht, hatte keine Chance einzugreifen als er das Fenster mit einem Ruck öffnete und den Anhänger hinaus in das Schneetreiben warf. Ich sah nichts mehr, als ich neben ihn stürzte, hinaus blickte und nur weiße Flocken mir entgegenschlugen, Kälte mich umspülte und ich fror. Knurrend schlug ich ihn einmal gegen die Seite, bevor ich zur Tür stürzte. „Du holst dir den Tod wenn du nackt raus gehst, Gilbert. Willst du nicht erst einmal etwas anziehen?“, Ivans Stimme, sein Blick verfolgte mich. Ich hielt kurz inne, da ich wusste, dass er recht hatte. Über die Schulter sah ich zu ihm, wie er zu einem Stuhl ging, den ich bis dahin nicht beachtet hatte. Es lag eine zusammengelegte Uniform darauf. Ivan nahm sie, entfaltete sie und hielt sie mir hin. Sie war scheußlich. „Du solltest deine neue Uniform tragen. Sie wurde nur für dich angefertigt. Sie passt zu deinem neuen Namen, Deutsche Demokratische Republik.“ In diesem Moment sträubten sich alle meine Haare. Dieser Name sickerte durch meine Poren in mich, randalierte in meinem Magen und gab mir das Gefühl ihn mit allerlei Verachtung wieder ausspucken zu wollen. Ivan war das egal, er hatte Zeit, er wartete, bis ich zu ihm kam, ihm die Uniform abnahm und sie anzog. Ich ließ ihm keine Minute, mich dafür zu verspotten, seinen Sieg zu genießen. Ich stürzte raus, hinunter und suchte auf den Knien rutschend meine eiserne Vergangenheit im kalten Schnee. Ich weiß nicht, wie lang es gedauert hat, bis ich meinen Anhänger gefunden hatte. Meine Finger waren eisig und mein Haar gefroren, die Kälte war in mich hinein gekrochen und fesselte mich mit einer Erkältung und Fieber für die nächste Zeit ans Bett. Ich schwor mir Rache. Fürchterliche, bittere Rache an dieser Ausgeburt der Hölle. Ich war noch nicht ganz gesund gewesen, als ich in der Nacht in Ivans Zimmer schlich. Ich hatte nicht einmal eine genaue Idee gehabt, was ich ihm antun wollte. Ich muss noch im Fieberwahn gewesen sein, als ich dachte, gewinnen zu können. Als ich über ihn lehnte und die Hände an seinen Hals ansetzte und zudrückte, mit all der Verachtung, die ich für ihn empfand, aber zu geschwächt, um es ihn spüren zu lassen. Es war ihm ein leichtes mich wegzuzerren, die Position zu ändern, es fiel ihm so unglaublich leicht, meinem geschwächten Körper zu kontrollieren. Ich lag unter ihm und er presste mir die Luftröhre zu. Ich konnte nicht sprechen, nicht schreien, nicht einmal krächzen, aber ich lächelte. Ich sah ihn an, mit all meiner Überzeugung. „Töte mich.“, hätte ich gesagt, wenn ich es gekonnt hätte. Sein Griff aber wurde schwächer, er stützte sich mit den Händen neben meinem Kopf ab und zwirbelte Strähnen meines Haares zwischen den Fingern. „Oh, nein, Gilbert. Oh, nein.“, Ivan lächelte sanft, legte die Finger an meine Wange und strich mit dem Daumen über die Lippen, „Ich habe mich immer gefragt, an was du mich erinnerst. Egal wie viel ich überlegte, es wollte mir nicht in den Sinn kommen, doch gerade, da fiel es mir auf.“ Er lehnte sich hinab, lächelnd und leise flüsternd: „Deine Haut ist wie Schnee. So weit und weiß, so unglaublich rein. Weißt du, Gilbert, ich hasse Schnee.“ Ich spürte sein Gewicht auf mir, die Luft aus meinen Lungen entwich und ich atmete schwer. „Schnee betrügt dich. Er ist weich, aber unglaublich kalt. Im Frühling verschwindet er und lässt keine Spur zurück. Mit Schnee muss man vorsichtig umgehen, sonst schmilzt er, rinnt dir durch die Finger.“ Ich fühlte seinen Atem an meinem Hals, an der Schulter, dunkel gehauchte, leise Worte: „Dafür könnte ich den Schnee wirklich hassen, aber versteh’, es gibt nichts schöneres, als rotes Blut in diesem satten Weiß.“ Langsam richtete sich Ivan wieder auf, betrachtete mich eingehend, dann nahm er meine Kiefer zwischen die Finger und wand mein Gesicht. „Du bist wirklich ansehnlich, Gilbert, wenn du blutest.“ Ich habe diesen Satz damals nicht verstanden, erst recht nicht, als er mich liegen ließ, in seinem Bett und so tat, als wäre nichts gewesen. Ich habe es nicht verstanden. Dabei war diese Drohung, diese Andeutung für meine Zukunft so deutlich gewesen. Ich habe es damals nicht verstanden. Ich habe den Schnee nie bluten sehen. Ich war wieder gesund und bereit, erneut in die Schlacht zu ziehen. Ivan hatte sich bis dahin auch zurückgehalten. Selbst wenn ich es als Zumutung empfand, die Kleidung zu tragen, die er ausgewählt hatte. Es war immerhin besser als nackt neben ihm zu schlafen. Denn sobald ich gesund war, nahm ich mir die Freiheit wieder heraus, mich bei ihm einzuquartieren. Für kurze Zeit, dachte ich sogar, dadurch, dass er meine Krankheit verursacht hatte, würde er sich schuldig fühlen und diesen Punkt als unantastbar ansehen. Ich hatte mich geirrt. Es muss ein ätzender Tag für ihn gewesen sein, ich wusste nicht warum. Er kam spät nach Haus, in sein Zimmer. Sein Gesicht war dunkel, der Ton unfreundlich. Ich war am dösen, merkte ihn nur halb. Ivan setzte sich auf die Bettkante an meiner Seite, sein Blick fiel auf mich, doch ich beachtete ihn nicht. Er rüttelte meinen Arm. „Gilbert, steh auf.“, raunte er dunkel, doch ich murrte nur missfällig, rollte mich mehr zusammen. Er fasste meinen Oberarm, zog mich aus meiner Haltung näher zu sich. „Gilbert.“, wiederholte er drohend. Ich sah ihn verschlafen an, brummte leise. Ich war zu müde um wirklich auf ihn reagieren zu können. Ich wurde schlagartig wach, als er mich vom Bett stieß und ich auf den kalten Holzboden fiel. Zischend hielt ich mir mein angeschlagenes Knie, setzte mich auf und sah ihn verständnislos an. Ich konnte seinen Blick nicht zuordnen. Er war müde, irgendwie, irgendwo, tief in ihm drin. Müde von seiner Vergangenheit und er sah mich an, fragend, ob ich es lindern könnte. Dieses Gefühl. Damals verstand ich seinen Blick nicht. Mittlerweile kenne ich ihn, kann ihn zuordnen. Damals verstand ich ihn nicht und ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte, außer wehrhaft zu sein, als er mich zu sich zog. Ivan packte mich an den Haaren und zog mich vor sich. Er betrachtete mein Gesicht, hielt es mit zwei Händen fest, fast schon zärtlich, bevor er mit beiden Daumen meinen Mund aufzwang. Ich zappelte, schlug gegen seine Beine, seine Knie, versuchte mich von seinem Griff zu lösen, doch es war vergeblich. Seine Finger schmeckten bitter. Er ignorierte es, als ich zubiss, zwängte nur wieder meinen Kiefer auf, brachte mich zum röcheln und husten. Ich atmete schwer als er die Hände wieder löste, mir durch das Haar strich. Ich sah ihn an, unsicher, was er gerade damit hatte bezwecken wollen. Meine Lippe war blutig, meine Zunge ebenso, ich schmeckte den ungenießbaren Geschmack von Metall. Ivan aber hielt mich nur an den Haaren fest und wir sahen uns an. Einen ewigen Augenblick lang sahen wir uns nur an. Mein Körper versteifte sich, als sich seine Finger fest in meine Strähnen krallten und er mich dichter zog, zwischen seine Beine. Er strich mit dem Daumen über die blutige Lippe, lächelte und sagte leise, wie weich mein Mund doch sei. So weich. So schön. Ich ruderte mit den Armen, schlug gegen seine Seite, den Bauch, kämpfte mit der letzten Kraft, die mir noch innewohnte. Vergebens. Zu fest war der Griff der meinen Mund aufzwang und den Kopf hinabdrückte. Ich röchelte und hatte damit zu kämpfen, den Würgereflex zu unterdrücken. Der Geschmack war ekelerregend. Ich glaube, es war der Geschmack der Unterdrückung, der Unfreiheit, der Tyrannei. Der Geschmack einer ersten, zerstörerischen Niederlage. Ivans Griff war fest und unbarmherzig, er ließ mir keine Luft zum Atem, keinen Platz zum entkommen. Sein Unterleib zuckte, er wurde unkontrolliert vor Erregung und drückte meinen Kopf fester hinab. Erschöpft sank er zurück und ich hastete zur Toilette. Damals verstand ich nicht, dass dies eine Schlacht gewesen war, die nur Opfer gebracht hatte. Ich verstand nicht, dass er ebenso gelitten hat, wie ich. Damals wusste ich das nicht. In mir quoll nur das Gefühl des Abscheus, der Rache auf, als ich mich über der Toilette erbrach. Ich verwünschte ihn für diese Demütigung. Ich wusste, dass er hörte, dass er gesehen hatte, was er mir angetan hat. Ich zitterte, vor Wut und Scham und gleichzeitig aus Angst, da ich wusste, dass mit diesem ersten Schritt, der Krieg unhaltbar geworden war. Ich hatte ja keine Ahnung. Egal, wie ich es drehte und wand. Die darauffolgende Zeit lebte ich in Angst. Egal, was ich mir einzureden versuchte. Mut, Aberglaube, Übertreibungen, nichts davon merzte das Gefühl aus. Ivan war auf einmal unberechenbar geworden, auf einer Ebene, in der es für mich keine Waffen gab, mit denen ich ihn schlagen könnte. Ich ging ihm aus dem Weg, mied ihn überall, redete nicht mit ihm und kehrte nachts in mein eigenes Zimmer ein. Ich wusste nicht, wozu er fähig war, doch ich ahnte das Schlimmste. Die Tagen und Wochen vergingen. Ivan machte keine Anstalten, nichts. Allen gegenüber tat er ganz so, als sei nichts geschehen. Mir gegenüber verhielt er sich, als wäre ich nur ein Einrichtungsgegenstand. Existent, aber nicht beachtenswert. Ich wog mich in Sicherheit. Die Angst, die Vorsicht, verrauchte langsam aber sicher durch den Gedanken der Demütigung. Ich malte mir aus, wie er innerlich triumphierte, wie er dachte, er hätte sich behauptet. Ob er sich nun als Herrscher über mich fühlte? Ich wollte diesen Gedanken nicht weiterspinnen und doch tat es mein Kopf von allein. Er hat dich gebrochen, er hat deinen Stolz verletzt, er beschämt deine Ehre, macht sich lächerlich über deinen Zustand. Ich durfte nicht so einfach aufgeben. Ich hatte keinen starken, kleinen Bruder mehr, der mir zur Seite stehen würde. Ich hatte keine Unterstützung hier. Nur mich selbst. Ich müsste mir das wichtigste auf der Welt sein, mich immer verteidigen, um gegen Ivan zu bestehen. Ich wollte ihm zeigen, dass er mich nicht unterworfen hatte. Ich musste es tun. Ich hätte meinem Bruder sonst nie wieder ins Gesicht sehen können. Ich musste es tun. Angriff ist die beste Verteidigung. Es war eine stürmische Nacht. Sie peitsche einem die Kälte, den rauen Schnee um die Ohren. Man zitterte bereits, wenn man nur aus dem Fenster sah. Es war eine dunkle, eine pechschwarze Nacht. Kalt und unbarmherzig. Jede Fußspur im Schnee wurde sogleich von dunklen Flocken ertränkt. Die Menschen kamen nach Hause und wünschten sich nichts mehr als Wärme, ein klein wenig mehr Heimlichkeit. Es war der perfekte Moment um deutlich zu machen, dass ich mich niemals unterkriegen lassen würde. Ivan kam spät in das Zimmer. Er musste von draußen kommen, denn er brachte einen kalten Luftzug mit sich, rote Wangen, aber eisige Finger. Es wunderte ihn, dass ich im Bett lag, zugedeckt bis zur Nasenspitze, die gesamte Breite ausnutzend. Noch bevor er etwas sagen konnte, richtete ich mich sitzend auf. Es wurde deutlich, dass ich nichts an mir trug. Seicht lächelnd, aber stumm, lockte ich ihn mit einem Finger, wartete, bis er vor mir stand um ihn beim entkleiden zu helfen. Er sah mir gleichgültig zu, doch da er sich nicht bewegte, musste er skeptisch gewesen sein. Ich zog ihn ins Bett, ließ ihn auf der Kante knien und küsste seinen Bauch, ließ fahrig die Hände wandern, suchend, erkundend, als würde ich das freiwillig wollen. Tatsächlich wollen. Als wünschte ich ihn zu verführen. Dabei war es eine ausgeklügelte Taktik. Ich wusste, wie ich ihn berühren musste, wie ich mich verhalten musste, was zu sagen war und wo ich besser schwieg. Ich zog ihn, gab den Takt an, kontrollierte dieses Spiel. Angriff. Ich tat es freiwillig, damit er merkte, dass es nichts gab, wozu er mich noch zwingen könnte. Er lehnte über mir, während ich seine Hand führte, den Körper hinab und zwischen die zitternden Beine. Ich war mir im klaren darüber, dass es weder leicht, noch einfach, noch angenehm sein würde für mich, doch so konnte ich wenigstens ein kleines Stück von dem kontrollieren, was ich mir freiwillig antun wollte. Es war eine kalte, raue Nacht. Die niemanden schonte oder bevorzugte. Genauso war es zwischen uns. Da gab es keine Zärtlichkeit oder Rücknahme. Ich machte ihm in aller Brutalität deutlich, dass ich mich, selbst wenn er Macht über mich verfügt, ihm niemals beugen würde und Ivan zeigte mir, dass, egal, was ich versuchen würde, er es mir so unangenehm wie nur möglich machen wollte. Der Schmerz war unglaublich, ich kämpfte dagegen an und versuchte es gleichzeitig Ivan dafür heimzuzahlen, zerkratzte ihm den Rücken und biss seine Schultern blutig. Es war ein unwirklicher Krieg in den Laken und keiner von uns hatte ihn gewonnen. Es war das erste Mal, dass wir in diesem großen Bett dicht aneinander gedrängt, erschöpft und verausgabt einschliefen. Es sollte nicht das letzte gewesen sein. Ich denke, dieses Angebot kam ihm gelegen. Wir stellten jegliche andere Bemühungen einander zu demütigen und den rechten Platz zu weisen ein und konzentrierten uns auf die Nächte. Wir ließen es aussehen, als wäre es ein freiwilliger Akt von beiden Seiten, doch in Wirklichkeit war es ein bitterer Kampf. Keiner gewann in diesen Nächten. Im Grunde haben wir damit niemand außer uns selbst geschadet. Wir gingen einander mit härtester Brutalität um, zeigten dem anderen die tiefen Abgründe, die uns inne wohnten und waren schockiert, als wir sie selbst erblicken mussten. Wir suchten im anderen uns selbst und fanden wir uns, konnten wir uns so ungeniert hassen wie nie zuvor. Ich habe es erst spät bemerkt, hatte diese Erkenntnis gut versteckt. Ich wollte nicht wahrhaben, dass es mir schon lang nicht mehr darum ging, Ivan zu bestrafen. Meine Rachegedanken, für das, was er mir und meinem Bruder, meinem Land, angetan hatte, waren längst abgeklungen. Im Grunde wollte ich mich selbst dafür bestrafen, so schwach gewesen zu sein. Ich war mein strengster Richter und Ivan der beste Henker. Ich war mir nie sicher, doch vielleicht haben ihn ähnliche Ziele getrieben. Es war eine ruhige Nacht gewesen. Der Mond hatte sich hinter den Wolken versteckt und mit der sich ausbreitenden Dunkelheit legte sich Verzweiflung auf die Menschen. Es war diese eine Nacht, die alles geändert hat. Ich kam ins Krankenhaus und musste mit fünf Stichen genäht werden. Ivan hatte mich hingebracht. Er wusste selbst, dass er es dieses Mal übertrieben hatte. Es war eine Sache zwischen ihm und mir, die er nun unweigerlich nach außen getragen hatte und die Fragen aufwarf. Fragen, die er nicht hat gebrauchen können. Ich lag auf dem Bauch im Krankenbett, das Gesicht im Kissen erstickt und duselig vor Schmerzmitteln. Eine Krankenschwester schien mit mir reden zu wollen, doch mit meinem gebrochenen Russisch verstand ich kaum etwas. Sie fragte, „Bist du deutsch?“. Ich nickte. Dann kam eine andere Schwester. Die fragte nun auf Deutsch, ob alles in Ordnung mit mir sei, wie mein Name lautete und ähnliches. Sie begann diesen unbrauchbaren Smalltalk; Ich müsste mir keine Sorgen machen, alles was ich ihr erzähle bleibt unter uns. Ich wusste, was die nächsten Fragen wären und die Schmerzmittel betäubten nicht genug, als dass sie meinen Verstand verdreht hätten. „Dieser Mann, der Sie hergebracht hat, war er das?“, fragte die Schwester, mit einem Lächeln so unschuldig und in Hintergedanken doch verurteilend. Ich konnte mir ihre Geschichte im Kopf ausmalen. Ein Deutscher, der als russischer Kriegsgefangener übrig geblieben war. Am besten im Keller eingesperrt, damit man ihn für alle Vergehen strafen könnte, ohne dass es jemals jemand merkt. Sie hatten Ivan bereits als Schänder abgestempelt ohne ein Wort mit ihm gewechselt zu haben. „Nun, mehr oder weniger.“, antwortete ich gelangweilt, „Er ist mein Freund.“ Ich sah, dass sie von diesen Worten nicht überzeugt war. Sicherlich. Die blauen Flecken, die Bissspuren, Kratzer und Blutergüsse sprachen deutlich für Gewalt. Doch ich wollte nicht das arme Opfer sein, dem sie helfen wollte. Ich wollte Ivan nicht als gemeingefährlichen Kriminellen hinstellen. „Erzählen Sie mir, was passiert ist.“, fuhr die Schwester in einem Ton fort, der ihre Gedanken vollständig verschleierte. Ich war mir im Klaren darüber, dass sie nicht leicht zu überzeugen wäre, doch ein falsches Lächeln hatte ich noch für jeden übrig. „Wissen Sie.“, ich wand mich auf die Seite, grinste leicht, spielte ein wenig Verlegenheit mit rein, „Wir wollten mal was neues ausprobieren. Irgendwann wird dieses Fesseln und Auspeitschen auch langweilig. Aber ich habe mich wohl ein wenig übernommen mit unseren neuen Spielsachen.“ Sie war pikiert, blinzelte mich ratlos an. Anscheinend passte ein schändender Russe besser in ihr Weltbild als ein masochistischer Deutscher. Doch sie sparte sich eine Antwort, als Ivan eintrat. Sie verabschiedete sich höflich von mir auf Deutsch, bevor sie etwas hektisch den Raum verließ. Ivans Blick folgte ihr, bevor er sich an mein Bett setzte und mich schließlich ansah, als fehlten ihm die Worte. Ich drehte mich wieder auf den Bauch, knüllte das Kissen unter meinem Kopf zusammen. „Ich habe ihr gesagt, wir seien ein masochistisches Schwulenpärchen, das es übertrieben hat. Wenn dich jemand fragt, solltest du das gleiche sagen, sonst wird es auffällig.“, erklärte ich in einer dunklen, monotonen Stimmlage ohne Ivan anzusehen. Eine angespannte Stille durchzog den Raum, machte ihn leise und meinen Kopf wieder schwer. Er nahm meine Hand, hob sie und gab mir einen Kuss auf den Handrücken. Part 1 End tbc. A/N: Ist nicht so gründlich gebetat, bitte verzeiht. Ich hab einfach momentan soviel Stress und anderes. Bin gespannt auf eure Reaktionen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)