Time Of Dying von SailorTerra (Monatschallenge April) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- In der Wohnung war es still. Die Playlist war gerade einmal durchgelaufen und keiner wollte sich erheben, um noch mal auf Play zu klicken. Stattdessen hörte man ein metallisches Klicken im Sekundentakt. Samuel hatte nie verstanden, was Elisabeth so faszinierend an Messern fand. Schon seit bestimmt einer Stunde hörte man immer wieder wie sie ihr Einhandmesser auf und zu klappte. Als Alexander nach der ersten viertel Stunde gefragt hatte, wieso sie das tat, kam von ihr als Antwort, dass es sie entspannen würde. Und so hingen die drei in ihren Sesseln, zu müde zum reden und unwillig sich zu bewegen. Der Absinth, den sie den ganzen Abend getrunken hatten, hatte das übrige getan. „Liz, wieso hast du noch mal keinen Freund?“ „Halt die Klappe“, kam es von der großen Brünetten zurück. Samuel verstand nicht ganz, was Alex und sie hatten. Das ging seit ein paar Tagen so. Andauernd stichelte er sie damit, dass sie schon länger keinen Kerl mehr an sich ran gelassen hatte. Samuel war der derzeitige Zustand eigentlich lieber... mit Weibern die Liebeskummer hatten, ließ sich so rein gar nichts anfangen. Seit zwei Jahren wohnten sie in einer WG, wenn man es so nennen wollte. Im Grunde war es ein pragmatischer Zusammenschluss. Mit jemand anderen konnten sie sich eh nicht abgeben, also waren es nur sie drei... Tag für Tag. Deswegen erübrigte sich eigentlich Alexanders Frage, wieso die durchaus attraktive, wenn auch etwas gefühlskalte Elisabeth keinen Freund hatte. Trotzdem hatte Samuel das Gefühl, dass da mehr hinter steckte, aber genauso hatte er das Gefühl, dass es ihn überhaupt nichts anging. Samuel warf einen Blick auf die Mappe, die auf dem zugemüllten Tisch unter der Absinthflasche lag. „Sollen wir die Einzelheiten für Morgen noch mal durchgehen?“ Das Messer schnappte zu und verharrte in diesem Zustand: „Ich dachte wir hätten den Absinth getrunken, um die Einzelheiten wenigstens die Nacht lang vergessen zu können.“ „Auch wenn ich das selten sage, sie hat recht“, murmelte Alexander mit nur noch halb geöffneten Augen vor sich hin. Samuel ging es ähnlich. Eigentlich hätten sie den Job ablehnen müssen. Sie waren für saubere, schnelle Sachen zuständig, aber das was von ihnen verlangt wurde, sah ein wenig anders aus. Es war eine langsame, grausame Hinrichtung. Und wenn Samuel es richtig rausgehört hatte, hatten sie wohl Elisabeths altem Auftraggeber das zu verdanken. Wenn er sie durch seine verschwommene Wahrnehmung ansah, konnte er gar nicht glauben, dass sie so was schon mal gemacht hatte. Klar, sie war garantiert keine normale Frau... aber so... Er versuchte die Gedanken abzuschütteln. Elisabeth stand auf: „Ich werde ins Bett gehen.“ „Ganz allein“, nuschelte Alexander ihr hinterher. „Ich sollte dich...“, sie biss die Zähne zusammen. Umbringen, wollte sie eigentlich sagen, aber da es bei ihnen keine leere Drohung war, ließ sie es ungesagt. Hauptsache er hielt bald wieder seine Klappe. „Was wird das eigentlich?“, fragte Samuel seinen gezwungenermaßen besten Freund, als Liz die Tür hinter sich zugeschmissen hatte. Alex winkte ab: „Frag nicht, wenn du weißt, was gut für dich ist.“ „Aber du provozierst, dass ich frage.“ Er wiegte den Kopf langsam hin und her: „Frag lieber sie.“ Schließlich würde er den Teufel tun und es Sam sagen. „Gut... also weiß ich schon mal was ich definitiv nicht tue.“ „Auch gut...“Alexander griff nach der Flasche und schenkte ungefragt noch etwas ins Sams Glas, „Komm, wir trinken noch einen.“ Die Wände und Türen waren nicht sonderlich dick in der Wohnung. Für gewöhnlich störte Elisabeth das auch nicht. So konnten die beiden wenigstens keine Geheimnisse vor ihr haben. Sie hatte schon immer ein Problem damit gehabt Menschen zu vertrauen. Vielleicht lag es daran, dass sie jedem nur so weit traute wie sich selbst und sich selbst konnte sie am allerwenigsten trauen. Obwohl es schon vier Jahre her war, holten sie doch regelmäßig die Erinnerungen an ihre Zeit ein, als sie noch eine simple Auftragskillerin war... und auch an die Zeit, als sie es schon nicht mehr war, sondern einen gewissen Ruf inne hatte. Sie wurde angefordert, wenn es darum ging jemanden zu bestrafen. Langsame qualvolle Folterung. Eigentlich wollte sie den Jungs das nicht antun, aber allein drei Männer hinzurichten, war selbst für sie etwas viel. Noch dazu gab es in letzter Zeit wenig lukrative Aufträge. Mit einem Seufzen schloss sie die Augen. Im Wohnzimmer hörte sie ihre Mitbewohner lachen. Sollten sie den Abend noch ein wenig genießen. In welchem Fach im Schrank lagen noch mal ihre Nadeln? Elisabeth biss voller Unlust in ihren Marmeladentoast. Die beiden Langschläfer, lagen noch im Bett. Die Zeiger der Küchenuhr waren beide nach oben gerichtet, was bedeutete, dass es in fünf Stunden losgehen würde. Sie streckte sich und legte die Beine über die Kante des Küchentisches. Die Kaffeemaschine gluckerte leise vor sich hin, während sie die Mappen mit den Anweisungen für den heutigen Job noch mal durchging. Drei Männer im Alter von 33 bis 40 Jahren. Die Bilder fielen ihr entgegen, auf deren Rückseite einige persönliche Informationen notiert waren. Sie sahen so normal aus... aber das Leben wäre auch viel zu einfach, wenn man jedem Menschen seine Sünden an der Nasenspitze ansehen würde. Mit einem gluckernden Pfeifen erklärte die Kaffeemaschine, dass sie fertig war. Sich den letzten Bissen Toast in den Mund schiebend, stand Elisabeth auf. Jetzt konnte sie auch die beiden Schlafmützen wecken. Barfuss hüpfte sie über die kalten Fließen rüber ins Wohnzimmer zum Musik-PC. Er hatte die ganze Zeit über leise klassische Musik gespielt. Jetzt war es Zeit für etwas anderes, sollten die Jungs ruhig mitbekommen, dass sie wach war. Sie stellte die Musikregler hoch, bevor sie das passendste Lied anmachte, das ihr einfiel: „Die, Die My Darling“. Während Metallica seine Botschaft jemanden in der Hölle wieder zu sehen durch die Wohnung donnerte, widmete Elisabeth sich wieder den Bildern. „Sebastian Smith, 33 Jahre alt, ledig. Besitzer eines Fitnessclubs“, las sie sich selbst vor, „Mischte zu rächender Person die KO-Tropfen in den Drink und verging sich zuerst an ihr.“ Sie betrachtete das Foto noch mal, bevor sie sich das Nächste nahm. „William Green, 40 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder. Leiter der Personalabteilung einer Versicherungsgesellschaft. Verging sich an zu rächender Person dreimal.“ Sie hörte wie jemand fluchend durch den Flur taperte. Kurz darauf wurde die Musik leiser, bevor das Lied gewechselt wurde. Der Typ auf dem Foto blickte ihr mit so treudoofen und unschuldigen Augen entgegen, dass sie allein deswegen schon einen gewissen Hass auf ihn bekam. Es dauerte einen kurzen Augenblick bis sie das Lied erkannte und somit auch wusste, wer im Wohnzimmer war: „Findest du „Vendetta“ gerade sehr passend, Alex?“ Sich durch die zerzausten blonden Haare fahrend, kam er in die Küche: „Du etwa nicht?“ Passen tat es vielleicht, aber Slipknot war noch nie ihr Musikgeschmack gewesen. Noch dazu konnte sie sich bei diesem Krach nicht konzentrieren. „Steven Daker, 37 Jahre“, murmelte sie vor sich hin. Alex schüttete sich Kaffee ein und setzte sich ihr gegenüber an den Tisch. Eigentlich wollte sie ihn gerade auffordern seine Musikwahl noch mal zu überdenken, als das Lied in der Mitte stockte und unaufdringlichem Punk-Rock wich. Samuel war also auch endlich wach. „Geschieden, ein Kind. Freier Journalist. Verging sich an zu rächender Person einmal, fügte ihr diverse Schnittwunden zu.“ „Kannst du das vielleicht auf eine Zeit nach dem Frühstück verschieben“, beschwerte sich Alexander. „Ich für meinen Teil bin fertig mit frühstücken“, entgegnete Elisabeth ein wenig zu schnippisch. Samuel betrat ebenfalls die Küche und bediente sich am Kaffee: „Morgen ihr beiden.“ „Morgen“, entgegnete Liz und verschwand an ihm vorbei ins Badezimmer. Aus halboffenen Augen schaute Samuel ihr nach: „Ich weiß, ich soll nicht fragen... aber was hat sie?“ Alex zuckte mit den Schultern: „Vielleicht was gegen deinen Musikgeschmack...“ „Um 19 Uhr sollten die Zielpersonen am Treffpunkt sein“, begann Samuel damit den Plan noch mal durchzugehen. „Was machen wir eigentlich, wenn einer nicht kommt?“, warf Elisabeth ein, wofür sie einen entnervten Seitenblick von Alexander erntete. „Die gehen davon aus, dass sie irgendwer verpfiffen hat. Die werden einen Teufel tun dort nicht aufzutauchen... und wenn schalten wir sie halt einzeln aus.“ Liz schüttelte nur den Kopf. Alexander machte sich in ihren Augen, das Leben immer viel zu einfach. Auch wenn sie zugeben musste, dass es meist irgendwie klappte. „Hast du die KO-Tropfen?“, wandte sich Samuel an Elisabeth. „Natürlich.“ Wie zum Beweis hielt sie das Fläschchen hoch, das ihr sofort von Alexander aus der Hand genommen wurde. „Reicht das?“, fragte er ungläubig. „Die Dinger nennen sich nicht umsonst Tropfen. Und jetzt gib es wieder her.“ Alex zuckte mit den Schultern und streckte das Fläschchen ungefragt wieder in die Brusttasche von Elisabeths Bluse. Samuel machte sich augenblicklich darauf gefasst, Liz festhalten zu müssen, damit sie Alex nicht tötete, aber stattdessen blieb sie ruhig stehen, auch wenn er das Gefühl hatte, dass sie Raumtemperatur um mindestens ein Grad fiel. „Der Transporter?“ „Steht natürlich schon bereit“, erwiderte Alexander, „Hast du auch den Schlüssel für den Lagerhalle?“ Samuel nickte kurz. „Und unsere Foltermeisterin?“, grinste Alexander zu Elisabeth. „Lass den Part mal meine Sorge sein...“ „Ich wüsste aber zu gern, was du so mit denen anstellst“, grummelte er vor sich hin und machte sich an ihrer kleinen Gürteltasche zu schaffen. „Das wirst du früh genug merken“, sie schlug seine Hand weg, „Und hör endlich auf mich ständig anzufingern!“ Statt darauf irgendwas zu sagen, schauten sich Samuel und Alexander nur irritiert an. „Was?!“ fragte sie in einem vorwurfvollen Ton. Samuel zuckte mit den Schultern: „Na ja... mich wundert nur, dass du ihn noch nicht umgebracht hast.“ Alexander sollte Recht behalten. Die drei Zielpersonen kamen überpünktlich in der Kneipe an, in die sie bestellt wurden. Alexander und Samuel sahen von einem Tisch aus zu, wie Elisabeth den Dreien einen Drink servierte und diese nicht mal ansatzweise Verdacht schöpften. Nicht mal als sie die drei Herren bat mit ihr raus zu kommen, sah irgendeiner von ihnen misstrauisch aus. Vielleicht erwarteten sie auch etwas in der Richtung und wollten so nur ihre Kooperationsbereitschaft signalisieren. Steven hatte erste Gleichgewichtsstörungen, als sie die Kneipe verließen. Die drei waren schon zu benommen, um noch zu merken, dass Alexander und Samuel ihnen folgten. Elisabeth führte sie die ganze Zeit nett plaudernd durch die Gassen, bis hin zu dem Transporter. Samuel und Alexander hatten die ganze Zeit nicht wirklich verstanden, was Elisabeth den drei Männern erzählte, bis sie die Tür zur Ladefläche aufstieß, einen weiteren Knopf ihrer Bluse öffnete und mit dem unschuldigsten Lolita-Blick den sie aufsetzen konnte, fragte wer zu erst ran wollte. Die drei Männer wechselten verstörte Blicke, wussten sie doch weswegen sie dort waren. Elisabeth lächelte weiter: „Es würde auch schon reichen, wenn die Herren hier einsteigen.“ „Wieso sollten wir?“, nuschelte Mr. Green vor sich hin. Alexander und Samuel zückten ihre Waffen: „Deswegen!“ Samuel kontrolliere noch mal alle Fesseln. Jeder der Männer war an einen Stuhl mit Armlehnen gefesselt. Elisabeth hatte auf die Armlehnen bestanden, eine richtige Begründung hatte sie dafür nicht geben wollte, aber Sam konnte sich seinen Teil denken. Die Männer sollten schließlich gefoltert werden. „Alex, das Wasser!“, befahl Elisabeth. Normalerweise wäre Alexander bei diesem herrischen Ton auf die Barrikaden gegangen, aber heute gehorchte er ohne eine Gegenfrage. Es war schließlich in gewisser Weise ihr Auftrag. Das kalte Wasser klatschte dem ersten der Männer ins Gesicht, der erschrocken zusammenfuhr. Im gleichen Moment zückte Elisabeth ihr Messer. Samuel meinte zu sehen, wie sich ihr Gesichtsausdruck veränderte – kälter, härter. „Wenn ihr wollt, dürft ihr beide raus gehen. Ich rufe euch, wenn ich euch brauche.“ Ihre beiden Kollegen sahen sich an, schüttelten dann gleichzeitig den Kopf. „Wie ihr wollt“, sagte sie mit monotoner Stimme und wandte sich an das nasse, benommene Etwas vor sich, „Sebastian Smith, sie sind hier wegen ihrer Sünde. Jemand wünscht sich Rache.“ „Wir waren betrunken... wussten nicht was wir taten...“, begann ihr Gegenüber zu stammeln. Elisabeth setzte ein sanftes Lächeln auf, das nicht ihre Augen erreichte: „Und das entschuldigt irgendwas?“ Mr. Smith beobachtete das Messer, das sich im Sekundentakt öffnete und schloss: „Nein... es ist 15 Jahre her.“ Langsam ging sie auf ihn zu: „Sie haben ihr die KO-Tropfen in den Drink gemischt. Konzentrieren sie sich. Eine verstörte, benommene 16-jährige. Was hat ihnen an ihr gefallen? Die langen blonden Haare, der unschuldige Blick? Was?“ Mittlerweile stand sie vor ihm. Das Klicken des Messers war verstorben. Die Klinge glänzte im fahlen Licht der Lagerhalle. Sie sah seinen beunruhigten Blick auf ihrem Messer ruhen und das panische Zucken seiner Arme, während er versuchte sich von den Fesseln zu befreien. „Was war es?“, fragte sie noch mal ruhig. „Will sie Geld. Das können wir ihr geben.“ Das Lächeln wich von Elisabeth Gesicht: „Was!?“ Ein gellender Schrei hallte durch die Halle. Es brauchte einen Moment, bis Samuel und Alexander begriffen, was passiert war. Liz’ Messer steckte in der linken Hand des Mannes. Langsam verebbte das Schreien, wurde zu einem leisen Wimmern. „Ich frage noch mal“, sie zog das Messer wieder aus seiner Hand, „Warum ausgerechnet sie?“ Zitternd starrte Mr. Smith auf seine Hand, aus der gleichmäßig Blut sickerte und die Armlehne hinabtropfte: „Sie hat es doch provoziert, mit ihrem kurzen Rock und...“ Das Messer schnappte zu. Bevor der Mann wusste wie ihm geschah, brach Elisabeth ihm mit einem gezielten Schlag die Nase. „Erkenntnis scheint nicht ihre Stärke zu sein“, seufzte sie mehr für sich, als für ihn. Eigentlich hatte sie anfangs vor gehabt ihn am schnellsten hinzurichten, da sein Vergehen noch am wenigsten wog. Aber umso mehr er redete, desto weniger konnte sie ihm im Namen ihrer Auftraggeberin vergeben. Sollte er halt noch etwas länger leiden... Elisabeth nahm den Wassereimer, der vor Steven Daker stand. An ihm würde sie ihren Spaß haben. Er gab einen erstickten Schrei von sich, als ihn das eiskalte Wasser weckte. „Einen schönen guten Abend“, flötete sie. Langsam realisierte Mr. Daker, dass er gefesselt war: „Was geht hier vor?“ „Das ist nicht weiter wichtig. Wichtig ist nur, wieso sie hier sind.“ „Das Mädchen...“ Er schien noch nicht richtig wach zu sein. „Sie hatte auch einen Namen... Katie. Erinnern sie sich noch?“ Das Messer begann wieder gefährlich auf und zu zuschnappen. „Nein...“, er schüttelte verstört den Kopf. Liz wusste nicht ganz, ob das die Antwort auf ihre Frage war, oder nur seine Weigerung sich daran zu erinnern, was er ihr angetan hatte. Behutsam zog sie etwas an seinem Kragen und setzte das Messer an: „Vielleicht kann ich ihre Erinnerung etwas auffrischen.“ Mit einer schnellen Handbewegung schnitt sie seinen Pullover auf. Sie beugte sich vor, so dass sie ihm ins Ohr flüstern konnte: „So ähnlich wird es gewesen sein, oder?“ Er zuckte zusammen, als sie die Klinge an seine Brust drückte und einen kleinen Schnitt hinterließ. „Was wollen sie?“ „Hab ich auch schon gefragt“, kam es gequält von Mr. Smith. „Rache“, erwiderte Liz ruhig. Elisabeth Kollegen hatten sich am Rand des Geschehens im Schatten an die Wand gelehnt. „Was hältst du davon?“, fragte Alexander im Flüsterton. „Überhaupt nichts. Noch dazu sollte sie etwas Abstand von ihnen halten.“ „Du hast sie doch gefesselt.“ „Ja, aber...“ Samuel stockte, unterbrochen von den Schmerzenschreien des zweiten Mannes. Eigentlich brach in ihm das Verlangen hervor hinzusehen, aber sein Verstand gebot ihm anderes. „Aber es könnte trotzdem sein, dass sie sich losreißen, oder gar den ganzen Stuhl umschmeißen.“ „Klingt ja fast, als würdest du dich sorgen“, kam es von Alexander grinsend zurück. Dieser Kommentar von ihm war so was von überflüssig und genau deswegen ignorierte er ihn. „Wenn ich den Bildern trauen kann, haben sie ihr genau 32 kleine Schnittwunden zugefügt.“ „Nein“, murmelte der Mann wieder. „Nein?“, fragte Liz zurück. Ihre Stimme klang zuckersüß. Wollte er immer noch nicht akzeptieren, was er getan hatte? Vielleicht, vielleicht wollte er es auch leugnen. Alles zwecklos, sie wusste ganz genau, was sie mit ihm vorhatte. „Zweiundreißig“, murmelte sie lang gezogen vor sich hin. Mit diesen Worten fuhr sie mit der Klinge langsam über seinen Arm. Wieder ertönte ein Schrei. Das dritte Mitglied in der Reihe schlug die Augen auf. Elisabeth ignorierte das. Sie würde sich früh genug um diesen Teil des Abschaums kümmern. „Und das waren erst zwei“, flüsterte sie Mr. Daker ins Ohr, „es folgen demnach noch dreißig Stück.“ „Hören sie auf damit!“ Elisabeth drehte sich zu Mr. Smith um, der ihr irgendwie begann ernsthaft auf die Nerven zu gehen. „Nennen sie mir nur einen wirklich guten Grund dafür.“ „Wir haben Geld... jeder von uns. Wenn es nur darum geht...“ „Geld... Geld... Geld... Ja, klar, wenn es immer nur darum gehen würde. Zählt es denn gar nichts, dass sie das Leben eines jungen Mädchens zerstört haben?“ Er schaute sie einen Moment lang an, in der Überlegung was er antworten sollte... was er antworten konnte, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. „Denken sie ruhig weiter nach.“ Sie schüttelte nur einmal kurz den Kopf und wandte sich wieder Mr. Daker zu. Alexander und Samuel wandten sich beide ab, als sie sahen, dass sie sich daran machte seine Hose auf zu schneiden. „Das tut sie nicht wirklich“, murmelte Alexander gequält vor sich hin. „Du hast die Unterlagen ebenfalls gesehen“, entgegnete Samuel fast völlig frei von jeder Emotion. „Ja, aber das...“ Ihr Meisterwerk hatte Liz fast vollendet. Es fehlten nur noch zwei kleine Schnitte... Na ja, eigentlich ein Schnitt und der letzte tödliche Hieb. Sie hatte sich die ganze Zeit über zusammengerissen, die Wunden nicht so tief zu machen, dass er aufgrund des Blutverlustes bewusstlos werden könnte, oder gar sterben. So war der Spaß nicht gedacht. Mr. Dakers Atmung war mittlerweile nur noch ein Keuchen. Er würde es nicht mehr lange machen, das wusste Elisabeth durchaus. Musste er auch nicht. Noch zwei kleine Schnitte, aber vorher musste sie noch etwas anderes erledigen. Sie drehte sich wieder Mr. Smith zu. „Haben Sie sich mittlerweile überlegt, warum es ausgerechnet Katie war?“ Als Antwort bekam sie nur einen Blick voller Abscheu. Es hatte sie noch nie gestört, wenn man sie für ihre Taten verachtet hatte, aber hier kam ihr das so deplatziert vor. „Sie war halt da“, presste Mr. Smith zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Liz riss der Geduldsfaden. Kaum eine Sekunde brauchte sie, ihre Waffe zu ziehen, sie zu entsichern und abzudrücken. Durch die Wucht der Kugel wurde sein Kopf zurückgeschleudert und ein markerschütterndes Knacken war zu hören. „Sie war halt da“, wiederholte Elisabeth mit Fassungslosigkeit in der Stimme, „und mich wagt er es anzusehen, als wäre ich ein Monster.“ Am Rande nahm sie ein würgendes Geräusch von Mr. Green wahr. Das war die Gefahr, die immer bestand, wenn man mehrere Personen gleichzeitig hinrichtete. Bei Aufregung drehte sich einfach zu vielen Menschen der Magen um. „Mr. Daker“, sprach sie das blutende Häufchen elend vor sich an, „können sie mir denn sagen, warum sie ihr das angetan haben?“ Als er den Mund zur Erwiderung öffnete riss die kleine Schnittwunde auf seiner Wange tiefer ein und ein paar Tropfen Blut quollen hervor. Er biss die Zähne zusammen. Liz schüttelte kurz den Kopf, über so viel Unvernunft. Wenn er doch einfach mit ihr geredet hätte. Das Messer klappte wieder auf und fand seinen Weg in seine linke Schulter. Mr. Daker jaulte auf und Alexander trat seine fünfte Zigarette aus. Sie standen beide immer noch ruhig an die Wand gelehnt, auch wenn keinem mehr danach zumute war, sich noch eine Sekunde länger dieses Spiel anzuschauen. Elisabeth hatte ihnen angeboten zu gehen, aber nahmen sie es jetzt noch an, wäre es eingestehen von Schwäche. „Und?“, fragte Elisabeth wieder und drehte leicht an dem Messer. Wieder ein gellender Schrei. Das seine Stimmbänder das überhaupt noch mitmachten, war eigentlich ein Wunder... eines, das jetzt zu ende war. Elisabeth hatte die Anweisung zu genau 32 Schnittwunden bekommen. Fehlte nur noch eine, auch wenn sie ihre Antwort noch nicht hatte. Sein benommener Blick hing an ihr, während sie das Messer aus seiner Schulter zog. Diesmal schrie er nicht... vielleicht hatte er auch mitgezählt und wusste, dass es jetzt zu ende war. Mit einem schnellen Hieb schnitt sie ihm die Kehle auf. Ein paar kehlige, gluckernde Laute waren das letzte, was man von Mr. Daker hörte, bevor sein Kopf auf seine Brust sank. „Und nun zu Ihnen?“, Elisabeths Stimme war ein samtiges Flöten. Samuel bekam eine Gänsehaut. Eigentlich wollte er sich abwenden. Dies war nicht die Liz, die er kannte... dieses Monster, das sich katzengleich an ihr letztes wimmerndes Opfer ranpirschte, wollte er gar nicht kennen. „Dreimal sollen Sie sich an ihr vergangen haben.“ Quälend langsam bog sie drei seiner Finger gerade, die er krampfhaft versucht hatte zur Faust zur ballen. „Ein Fingernagel für jedes Mal davon sollte reichen, oder?“ Mr. Green nickte panisch. Fingernägel waren besser, als das was diese Irre seinen beiden Freunden angetan hatte. Aus ihrem Gürtel zog sie mit einem süffisanten Lächeln eine kleine Zange hervor. Sie hielt den ersten Nagel mit der Zange fest und beugte sich noch mal näher zu ihrem Opfer. „Ich hoffe, es tut lange weh“, flüsterte sie in diesem gefährlich sanften Ton. Mit einem Ruck riss sie den Nagel heraus. Der Mann biss die Zähne zusammen. Schreien war Kollegen Nummer Zwei zum Verhängnis geworden. Blut quoll hervor und tropfte langsam an der Armlehne des Stuhls hinab. „Hm...“ mit einem enttäuschten Gesicht trat Elisabeth einen Schritt zurück, „scheint ja doch gar nicht so schlimm zu sein. Dann muss ich mir was anderes überlegen.“ „Liz, es reicht!“ Die Angesprochene drehte sich nicht minder verwundert wie Samuel zu Alexander um. „Niemand wird nachprüfen, ob wir die Folterung komplett durchgezogen haben. Nun stich ihn schon ab!“ Elisabeths Gesicht wandelte sich vom Ausdruck der Psychokillerin in ihr normales liebenswertes Lächeln. „Du verstehst das nicht. Niemandem ist geholfen, wenn sie einfach nur tot sind. Realistisch gesehen hilft das Leiden natürlich auch nicht, aber es geht hier um die Bestrafung von Sünden. Sterben müssen sie nur, weil sie wissen, wer wir sind.“ Ihr Gesichtsausdruck nahm wieder etwas Verträumtes an: „Also noch zwei Fingernägel und dann...“ Erst als sie den Schuss hörte, realisierte sie, dass Samuel seine Waffe überhaupt gezogen hatte. Er steckte die Waffe wieder ins Halfter zurück. „Dann nimm ihm seine zwei Fingernägel“, er öffnete die Tür und trat schon einen Schritt raus, „ihn wird es jetzt nicht mehr stören.“ Verwirrte Blicke folgten ihm. Mit einem desinteressierten Schulterzucken machte Liz sich daran, ihre Aufgabe zu erledigen. „Ich hab ein komisches Gefühl dabei, die Leichen dort einfach so liegen zu lassen.“ Alexanders Einwand war durchaus berechtigt, aber die Beseitigung der Leichen wurde ausdrücklich nicht gewünscht. Und für 50.000 für jeden ließ man auch mal den Auftraggeber das Ende der Drecksarbeit erledigen. „Wir haben darüber gesprochen und zusammen entschieden, dass das ok ist... schon vergessen?“ „Und wenn aus versehen ein Feuer in der Lagerhalle ausbricht?“, fragte Alexander mit Unschuldmiene. „Haben wir einen ungehaltenen Auftraggeber und vermutlich relativ schnell die Polizei am Hals“, entgegnete Liz. „Spielverderberin...“ „Wenn du meinst“, sie steckte ihre Handschuhe in den kleinen Beutel an ihrem Gürtel, „wie sehen unsere weiteren Pläne für heute Abend aus?“ „Wir...“, Sam stockte. Dieses leise Klicken kannte er. Jemand hatte eine Waffe entsichert. „Runter!“ Der Schuss kam im gleichen Moment, wie seine Warnung. Noch während er sich fallen ließ, zog er seine eigene Waffe. Ein Hinterhalt – schoss es ihm durch den Kopf. Er hatte nur eine wage Ahnung von wo der Schuss gekommen sein konnte, aber dort war niemand. Unbewusst wartete er auf den zweiten Schuss. Normalweise schossen sie immer zweimal, es sei denn... „Scheiße!“ Es war die Stimme von Alexander und der Ton in dem er geflucht hatte verhieß nichts Gutes. Samuel verharrte noch einen Moment in seiner Position, um sicherzugehen, dass der Angreifer weg war. Sein Unterbewusstsein sagte ihm, er wolle sich gar nicht umdrehen. „Liz...“ Samuel merkte wie im schlecht wurde. Seine Vorsicht vergessend, drehte er sich um. Er sah Alexander, wie er Elisabeth auf den Rücken drehte und sich über sie beugte. Zwar rechnete man in dieser Branche immer jederzeit mit dem Schlimmsten... und doch war man nie darauf vorbereitet. „Verdammt“, hörte man Elisabeths erstickte Stimme. Sie war nicht tot, dass war schon mal etwas. Aber genau so ein Grund, dass der Schütze noch da sein könnte – sollte. „Sam... beweg dich. Wir müssen hier weg!“, hörte er Alexander, der die unter Schmerzen stöhnende Liz hochhob. Die Waffe immer noch auf in Richtung des vermeintlichen Schützen haltend, lief er hinter den beiden her. „Was ist mit ihr?“, fragte Samuel, die Gänge absuchend. „Seitlicher Bauchschuss... scheint aber ein Durchschuss zu sein.“ „Ins Krankenhaus?“, fragte Samuel, auch wenn dieser Gedanke wohl keinem von ihnen schmeckte. „Das könnte unser Todesurteil sein“, gab Alex zu bedenken. „Ihres wäre alles andere auf jeden Fall“, bemerkte Samuel mit einem Blick auf Alexanders voll geblutetes Hemd. Sie hatten das Auto fast erreicht. Sam lief vor, um die Türen zu öffnen. Einen kurzen Blick warf er unter das Auto, aber er konnte nichts erkennen, dass besorgniserregend aussah. Samuel kletterte auf den Rücksitz und nahm Alexander die mit der Bewusstlosigkeit kämpfende Elisabeth aus den Armen. Mit den Worten „Drück die auf die Wunde“, gab Alex ihm seine Jacke und schmiss die Tür zu, um ein paar Sekunden später auf dem Fahrersitz Platz zu nehmen. Als er den sowieso schon blutigen Stoff auf die Schusswunde drücke, stöhnte sie gepeinigt auf. „Sorry... wir müssen die Blutung etwas unter Kontrolle bekommen“, gab er entschuldigend von sich. „Hab ich mich beschwert“, kam es zwischen zusammengebissenen Zähnen von ihr zurück. Schwer atmend lehnte sie sich gegen seine Schulter: „Sieht’s schlimm aus?“ „Du bist zäher als wir beide zusammen... dass weißt du.“ „Wenn ich es nicht schaffe, sag Alex, er soll die Klappe halten.“ Was auch immer es war, was die beiden hatten... es musste ja schrecklich wichtig sein. Alexander fuhr mit einem solchen Tempo durch die Stadt, dass es Samuel wunderte, dass sie nicht schon an der nächsten Laterne klebten. Besorgt musterte er Elisabeth, der langsam die Augen zuzufallen drohten. „Du musst wach bleiben“, forderte er ruhig, „Erzähl mir doch irgendwas.“ „Bewusstlosigkeit ist was Tolles... man spürt die Schmerzen nicht mehr.“ „Du musst nur noch einen Moment durchhalten. Wir sind gleich da.“ Mit beunruhigender Geschwindigkeit nahm Alexander die vorletzte Abbiegung zum Krankenhaus. „Dann ist ja“, ihr fielen die Augen zu, „gut...“ „Liz?“ Er rüttelte vorsichtig an ihr. „Das kannst du nicht machen... Liz!“ Mit blutigen Fingern tastete er nach ihrem Puls. „Ist sie...?“, kam es von Alexander, der gerade mehr in den Rückspiegel schaute, als auf die Straße. „Bewusstlos“, entgegnete Samuel knapp, auch wenn das schwache Pochen unter seinen Fingerkuppen kaum der Erwähnung wert war. Vielleicht war das die Strafe für diese Art zu töten. Er wusste nicht viel über sie, aber ein Ende von so einem Leben, war möglicherweise nicht das Schlimmste. Mit quietschenden Reifen hielt Alexander vor dem Notfalleingang. Samuel achtete nicht wirklich darauf. Ihr Gesicht sah fast friedlich aus. Wenn das ganz Blut nicht wäre, hätte man glauben können, sie würde schlafen. Wie viel Blut hatte ein Mensch überhaupt? Die Tür zu seiner Linken wurde aufgerissen. Mehrere Leute zogen ihm Elisabeth aus den Armen und legten sie auf eine Trage. „Er ist in Ordnung“, hörte er Alexanders Stimme, als sich eine Schwester noch mal zu ihm umdrehte, „kümmern sie sich um sie.“ Alexander seufzte, als er die Sauerei auf dem Rücksitz sah. Das würde er nie wieder rausbekommen. „Sam?“ Der Angesprochene reagierte nicht, sondern starrte immer noch auf seine von ihrem Blut benetzten Hände. Das konnte doch nicht wahr sein. Entnervt zog er Samuel aus dem Auto und in eine stehende Position. „Alter, reiß dich gefälligst zusammen! Du bist doch sonst nicht so ein Weichei!“ „Schon gut“, erschüttelte den Gedanken an Liz ab, „Was machen wir jetzt?“ „Ich fahr nach Haus, hol uns frische Klamotten und kümmere mich um ein Alibi. Du bleibst hier und passt auf, dass wer auch immer Liz ans Leder will seinen Auftrag nicht zu ende führt.“ Einmal tief durchatmend ging Samuel Richtung Eingang, als sich Alexander noch mal zu ihm umdrehte: „Auch wenn’s nicht schwer fällt, tu einfach so, als ständest du unter Schock und hättest keine Ahnung wie es passiert ist!“ „Ich bin nicht blöd. Und jetzt sieh zu, dass du Land gewinnst!“ Blöd war er nicht, aber Alex hatte schon Recht. Wie lange machte er das schon? Zehn Jahre. Liz wäre nicht die erste, die starb und bestimmt nicht die letzte. Die Lebenserwartung bei Auftragskillern war nicht sonderlich hoch. Jeder machte irgendwann einen Fehler, der einem zum Verhängnis wurde. Seinem Vater war es da nicht anders gegangen. Er hatte sich notdürftig das Blut abgewaschen und danach widerwillig ein Blatt über Elisabeth persönliche Angaben ausgefüllt. Dummerweise hatte er keine Ahnung, wo sie geboren war, aber die Schwester ließ ihm das im Angesicht der Situation durchgehen. Schwerer würde es werden, wenn bald die Polizei auftauchen würde. Schussverletzung... ihn wunderte eigentlich, dass sie nicht schon längst hier aufgeschlagen waren. Und wo blieb überhaupt Alexander? Samuel Blick wanderte zu der großen Uhr im Warteraum. Drei Uhr. Eigentlich hatte er ein Problem damit hier zu sitzen. Man sah nichts. Tausende von Killern könnten hier rein und raus gehen, ohne dass er auch nur einen von ihnen überhaupt wahrnahm. „Sam!“ Alexanders Stimme hallte durch die leeren Krankenhausflure. Sam stand auf, um sich der Stimme etwas entgegenzuschleppen. „Alex, hier hinten!“ In dem Moment bog sein Kumpel in den Gang ein. „Du hast ewig gebraucht“, beschwerte sich Samuel, als ihm eine kleine Reisetasche mit frischer Kleidung überreicht wurde. „Mitten in der Nacht eine glaubhafte Geschichte für eine Schussverletzung zu inszenieren, ist gar nicht so einfach. Ich musste auf ein paar alte Kollegen zurückgreifen, die mir noch einen Gefallen schuldeten.“ Samuel nickte nur. Er wusste genau wie bei Liz und nur wenig über Alex. Einzig war ihm zu Ohren gekommen, dass er über das Drogengeschäft in diese Tätigkeit gerutscht war. „Gibt es schon was Neues von Liz?“ „Ich geh davon aus, dass sie noch operieren. Sie wollten bescheid sagen, sobald sie etwas wissen.“ Alex sah aus, als würde er diese Information abwiegen. „Also eventuell noch genug Zeit, damit du dich wieder ansehnlich herrichten kannst und wir unsere Aussage durchgehen.“ Eine der Schwestern war so nett, ihnen ein freies Zimmer zu zeigen, in dem sie das Bad benutzen konnten. Alex machte es sich auf den Besucherstühlen bequem, während Samuel die Dusche aufdrehte. Die Tür war nur angelehnt, so dass Samuel Alex noch hören konnte. „Du kennst doch die alte Disko Richtung Hafen runter?“ „Das Pik As, oder wie dieser runtergekommene Schuppen heißt. Das ist nicht dein ernst, oder?“ Er hatte nur einmal Alex den Gefallen getan und war mit ihm dort hingegangen. Fraglich war, ob Elisabeth den Laden je von Innen gesehen hatte, aber darum konnten sie sich auch noch später sorgen. „Da unten hat es heute auf jeden Fall zur etwa gleichen Zeit eine Schießerei gegeben. Der Sohn von Luigi hat sich mit dem Neffen von Yuri angelegt. Waren wohl ca. 20 Mann in die Geschichte verwickelt. Es ist also nicht mal unrealistisch, dass Liz einen Querschläger abbekommen haben könnte.“ „Dann haben wir aber noch das Problem mit der Kugel und mit dem Blut. Glaubst du nicht, dass die Polizei den Tatort untersuchen würde?“ „Denk doch mal nach! MAFIA! Selbst wenn die was finden, finden die rein gar nichts.“ Da mochte Alex ausnahmsweise recht haben. Samuel drehte das Wasser ab, als sich die Duschwanne endlich nicht mehr mit jedem Wasserschwall von seinem Körper rot färbte. „Und wozu brauchtest du nun die Gefallen von den alten Kollegen?“ „Na ja, um zu beweisen, dass wir da waren. Ich hab ein paar Bilder von uns rumgezeigt... Wir beide haben uns übrigens wegen ihr geprügelt und sind ausm Pik As rausgeflogen. Und ihren hässlichen lila Blazer hab ich beim Barkeeper abgegeben... hat sie in der Eile am Tresen liegen lassen.“ Mit einem Kopfschütteln über so viel Banalität zog sich Sam, dass frische Hemd über. „Und wieso haben wir uns wegen ihr geschlagen?“ „Na, weil wir beide auf sie stehen.“ „Du hast doch nen Knall!“ „Fällt dir was Besseres ein?“ Sam grinste, als er aus dem Bad kam: „Ja, du hast schon wieder versucht sie anzufingern und ich bin ihr nur zur Hilfe geeilt.“ Alex zuckte mit den Schultern: „Wenn dir das besser gefällt – meinetwegen.“ Mit einem schweren Seufzen, stopfte Sam seine Klamotten in eine Plastiktüte. Die Sachen waren allerhöchstens noch dafür gut verbrannt zu werden. Allein das Hemd hatte 100 Dollar gekostet. „Und wie ist es genau passiert?“ „Wie ist was passiert?“ „Sie wurde ja angeschossen. Wir sind ja nicht zu dritt in die Schießerei geraten und nur sie hat was abbekommen.“ Alex zupfte sich einen Moment überlegend am Bart: „Wir waren schon auf halben Weg zum Auto, als ihr auffiel, dass sie ihre Jacke vergessen hatte. Sie ist also noch mal umgedreht und dann hörten wir die Schüsse.“ „Klingt plausibel.“ „Genau... und danach dürfen unsere Aussagen eh nicht mehr sehr detailliert sein, weil wir in der Panik eh die Hälfte vergessen haben.“ Samuel nickte langsam... Panik war etwas, dass tödlich sein konnte. „Ich hab auch noch für sie Klamotten mitgebracht“, erwähnte Alex möglichst beiläufig, aber da sie gerade über nichts anderes sprachen, konnte Sam das genau so gut ausbauen. „Du warst an ihrer Unterwäsche?“ „War ja klar, dass du da als erstes dran denkst.“ Alexander ließ seinen Blick zu der zweiten Tasche schweifen. „Sie hat da wirklich ein paar hübsche Sachen. Wenn auch eher weniger BHs und dafür mehr Spitzenhemdchen.“ „Alex!“ „Was? Du hast gefragt.“ „Hoffen wir einfach, dass sie noch mal Gelegenheit dazu hat, sie anzuziehen.“ Alex nickte zustimmend. Kurz musste Sam daran denken, dass Liz ihm gesagt hatte, dass Alex die Klappe halten sollte, falls sie es nicht überleben sollte... würde die Anweisung anders sein, wenn sie überlebte? Mit seinem gewohnten Elan, trotz der späten Stunde, warf sich Alexander die Tasche über die Schulter. „Dann lass uns mal schauen, wie gut sie sie wieder zusammengeflickt haben.“ Alex und Sam saßen noch eine halbe Stunde im Wartezimmer. Immer wieder stand einer von ihnen auf, um sicherzugehen, dass niemand verdächtiges sich an ihnen vorbei schlich. Aber bei den ganzen Eingängen, die ein Krankenhaus für gewöhnlich hatte, war es unmöglich zu zweit alles abzudecken. Es war ein Spiel mit dem Feuer... oder mit dem Glück, wie man es gerade wollte. Mit der Ärztin kam ein Polizist in den Warteraum. Die beiden Freunde warfen sich noch einen Blick zu – die Spiele konnten beginnen. „Wie geht es Elisabeth?“, wandte Samuel seine erste Frage an die Ärztin. „Sie hat eine Menge Blut verloren und“, die Ärztin machte eine Pause und schaute zwischen den beiden Männern hin und her, „wir mussten ihr eine Niere entfernen.“ Samuel verschlug es einen Moment lang die Sprache. Er wusste, dass eine Niere kein Weltuntergang war, aber dennoch nichts, was zum Spaßen war. „Soweit sieht alles gut aus, aber wir sollten die Nacht abwarten.“ Langsam nickte Samuel. Das war nicht, was er erhofft hatte zu hören, aber auch nicht was er befürchtet hatte. „Kann ich zu ihr?“ Der Polizist zur Rechten der Ärztin hob kurz die Hand: „Ich hätte da erst noch ein paar Fragen an sie beide.“ Alexander schob sich etwas in den Vordergrund: „Das mach ich. Wir drei waren den ganzen Abend zusammen.“ „Ich bräuchte trotzdem die Aussagen, von ihnen beiden.“ „Klar“, Alexander machte noch einen Schritt, so dass er schon auf Höhe des Polizisten stand, „Aber sie können ja erstmal mit mir anfangen und ihn später befragen.“ Der Blick, den Alexander ihm zuwarf, konnte Samuel nicht ganz deuten. Die Ärztin wandte sich Samuel zu: „Sie können zu ihr, aber nur kurz. Wir haben ihr Schmerzmittel gegeben. Sie wird die ganze Nacht schlafen.“ Auf diese Aussage erwiderte er nichts. Da er kein Familienangehöriger war, wunderte es ihn eher, dass man ihn überhaupt zu ihr ließ. Schweigend ging er neben der Ärztin her. „Herr Farron... ich weiß, es geht mich nichts weiter an. Aber die Narben auf dem Rücken ihrer Freundin...?“ Samuel wurde hellhörig: „Narben?“ „Ja, die müssen sie doch gesehen haben. Ich mein...“ Ein fast verlegendes Lächeln bahnte sich den Weg auf seine Lippen: „Wir sind kein Paar... nur Freunde – wohnen zusammen.“ „Tut mir leid... Vergessen sie einfach was ich gesagt habe.“ Sie öffnete eine Tür und zeigt in den Raum. „Nur fünf Minuten.“ „Nur fünf Minuten“, wiederholte Samuel als Zeichen, dass er verstanden hatte. Und doch geisterte gerade etwas anderes in seinem Kopf rum... Narben? Elisabeth selbst galt erst nur ein flüchtiger Blick. Es gab Wichtigeres. Kein Fenster mit direktem Blick auf ihr Bett. Somit war immerhin die Gefahr ausgeschlossen, dass ein Scharfschütze auf sie angesetzt werden konnte. Also konnte, wer immer es auf sie abgesehen haben mochte, nur durch die Krankenhausflure kommen. Ein undankbares Unterfangen, da auch Krankenhäuser mittlerweile so etwas wie Überwachungskameras hatten. Noch dazu saß nur ein paar Meter weiter gegenüber auf dem Gang eine Nachtschwester an einem kleinen verglasten Tresen. Mehr um den Schein zu wahren setzte er sich zu ihr ans Bett. Es würde merkwürdig aussehen, wenn die Ärztin gleich reinkommen würde und er sinnlos ein paar Meter weiter am Fenster stand. Trotzdem vermied er es sie anzusehen. Das monotone Piepen reichte, um zu wissen, dass sie lebte, auch wenn ihr aschfahles Gesicht etwas anderes sagte. Und er konnte nicht umher einen Moment zu denken, dass sie es verdient hatte. Dem übermüdeten Polizisten hätten die beiden wohl alles erzählen können, zumindest kam es Samuel so vor, als er den kleinen Raum wieder verließ, den man ihnen für die Befragung zur Verfügung gestellt hatte. Alex warf seinem Kumpel nur einen fragenden Blick zu, bevor die beiden das Krankenhaus verließen. „Und was machen wir jetzt? Sollte nicht vielleicht einer hier bleiben und auf sie aufpassen?“ Samuel seufzte, aber eher weil er die ersten Sonnenstrahlen am Horizont ausmachen konnte, nicht als Antwort. „Meinst du nicht, Angriff ist die beste Verteidigung?“, fragte Sam nach ein paar Sekunden zurück. „Und ihnen zuvorkommen“, Alex biss sich überlegend auf die Unterlippe, „wahrscheinlich noch die beste Idee.“ Schlendernd und ihren Gedanken nachhängend gingen die beiden zum Wagen. Ein paar Vögel begannen mit ihrem Gezwitscher den neuen Tag zu begrüßen. „Ich kenne da jemanden, der eventuell etwas gehört haben könnte“, brach Alex das Schweigen, während er in seiner Jackentasche nach dem Autoschlüssel fingerte. Samuel setzte ein merkwürdiges Grinsen auf: „Also soll ich zu der Alten und ihr erklären was passiert ist.“ „Ich würde ja mitkommen, aber“, er startete den Wagen, „Zeit ist etwas, was wir nicht haben.“ „Du hast ja Recht. Dann setz mich vorher bei ihr ab.“ Der alte fünfer BMW fuhr mit quietschenden Reifen los, kaum das Samuel die Tür zugeschmissen hatte. Klar würde er mitkommen. Samuel schüttelte den Kopf. Nie hatte er wirklich verstanden, warum Alex so eine Angst vor „der Alten“ hatte. Sie nannten sie immer so, da sie davon ausgingen, dass Alice auch nicht ihr richtiger Name war. Namen waren in ihrem Geschäft eh nur Schall und Rauch. Auch wenn Samuel immer sagte, dass er kein Problem mit der Alten hatte, so war er nicht sonderlich erpicht darauf sie heute zu sehen... vielleicht hatte er auch glück und sie schlief noch. Langsam schlich er das alte Treppenhaus rauf. In den zwei Jahren, die er jetzt für sie arbeitete, hatte sich hier nichts getan. Der graue Putz bröckelte immer noch von der Decke und die meisten Türen der leerstehenden Wohnungen hingen nicht mehr richtig in den Angeln. Im fünften Stock angekommen verharrte er einen Moment lang vor der Tür. Sollte er wirklich klingeln und die Frau in den Fünfzigern wecken? Noch bevor er diesen Gedanken zu ende denken konnte, flog die Tür auf. „Da seid ihr ja endlich“, sie stockte einen Moment lang, „Du bist allein?“ „Ja... es ist etwas schief gegangen...“ Eine knappe Stunde später fand Samuel sich in einem Bus Richtung Krankenhaus wieder. Alice hatte versprochen ihre Kontakte spielen zu lassen, um herauszufinden wer einen Anschlag auf ihre Schützlinge verübt haben könnte. Eigentlich war das Wort Schützlinge in diesem Job schrecklich deplatziert, aber Alice sah das nun mal so. Wenn sie es wirklich so sah. Sein Handy vibrierte in der Jackentasche. Es war Alexander, der ihm per SMS mitteilte, dass er noch ein paar alte Kollegen besuchen fahren musste. „Alte Kollegen“, murmelte Samuel vor sich hin. Er war immer der Meinung gewesen, dass man Vergangenheit da lassen sollte wo sie hingehörte... hinter sich. Wäre Liz vermutlich auch besser bekommen. Im Krankenhaus herrschte reges Treiben. Lag vielleicht an dem Umstand, dass Montag war. Menschen, die das Wochenende über zu Hause waren oder für die Operationen anstanden standen und saßen in den Gängen. In diesem Gedränge ungesehen zu Liz zu kommen, wäre vielleicht doch nicht so unmöglich wie Samuel erst dachte. Mit einem flauen Gefühl im Magen betrat er ihr Zimmer, aber sie lag immer noch schlafend da. Das EKG piepste leise vor sich hin. Irgendjemand hatte den Stuhl, der gestern Abend noch an ihrem Bett gestanden hatte, wieder an die Wand gestellt. Leise, um sie nicht zu wecken, zog er ihn wieder an seinen alten Platz. Als er sich setzte, blickte er trotzdem in zwei noch nicht ganz offene Augen. „Hey.“ Sie blinzelte, einen Moment lang überrascht ihn zu sehen: „Hey...“ „Wie fühlst du dich?“ „Als ob ich eine Kugel abbekommen hätte.“ Ihr Galgenhumor war also durchaus noch vorhanden. Eine Stille breitete sich aus. Eigentlich sollte er sie fragen, ob sie eine Ahnung hatte, wer es auf sie abgesehen haben könnte. Aber vielleicht ging es auch gar nicht um sie, sondern der Schütze hatte ursprünglich vorgehabt sie alle auszuschalten. Und im Grunde geisterte etwas ganz anderes in seinem Kopf rum. „Die Ärztin sprach mich darauf an, dass dein ganzer Rücken voller Narben wäre...“ Gerade so, als würden diese Worte mehr wehtun, als ihre Verletzung schloss sie gepeinigt die Augen. „Du musst es mir nicht erzählen“, bot er an, auch wenn er wusste, dass es sonst für immer zwischen ihnen stehen würde. „Es ist nur meine Geschichte... Ich denke mal, jeder von uns hat eine Vergangenheit, die ihn zu dem gemacht hat, was wir sind.“ „Da magst du wohl recht haben.“ „Ich war vierzehn, als ich meinen ersten Mord beging“, begann sie so unvermittelt, dass es Samuel fast vom Stuhl geworfen hätte. „Ich war vierzehn, als ich diese Narben bekam. Ich erinnere mich noch an seine Worte: Heute Nacht hast du aufgehört menschlich zu sein. Das waren seine letzten Worte, bevor ich ihm die Kehle aufgeschlitzte.“ „Für diese Narben, hat er vermutlich verdient gehabt... aber mit vierzehn?“ „Er hat mich entführt... mehrfach vergewaltigt und als er nach einer Woche nachlässig wurde, hab ich meine Chance genutzt. Ich hätte wahrscheinlich einfach fliehen können... aber in ewiger Angst vor dem Kerl leben...“ sie betrachtete ihre Hände, die sie drehte, als würde sie wieder sein Blut an ihnen sehen, „Ich nahm ein großes Fleischmesser und versteckte mich in der Küche. Als er rein kam, um sich ein neues Bier zu holen, rammte ich es ihm in die Kniekehle. Er stürzte und ich schlug ihn mit einem Stuhl k.o.“ Ihr Blick glitt zur Tür, gerade so als erwartete sie belauscht zu werden. „Ich hab alle in dem Glauben gelassen, dass ich es unter Schock getan hätte und mich an nichts erinnern würde.“ Sie lachte heiser auf: „Ich war vollkommen klar im Kopf, als ich ihm die Handflächen aufschnitt, mit denen er mich berührt hatte, als ich seine Eier mit Gabeln zerstach, ihm sein dreckiges Grinsen bis zu den Ohren aufschnitt“, Samuel wurde übel bei dem Gedanken, „...und ihm zu guter Letzt seinen eigenen Schwanz zum lutschen gab.“ Sam schaute sie einen Moment lang an. Ihre Blicke waren ins Nichts gerichtet. Gerade so, als würde sie es wieder vor sich sehen. „Liz?“ Als sie nicht sofort reagierte, berührte er sie leicht an der Schulter. Aus ihrem Tagtraum wieder zurück, lächelte sie ihn an: „Ist schon so schrecklich lange her.“ Es mochte zwar schon über zehn Jahre her sein, aber ob es jemals lang genug her sein mochte, wagte Samuel zu bezweifeln. Schließlich rächte sie sich immer noch. „Wo ist Alexander?“, fragte sie nach einem Moment der Stille. „Trifft sich mit ein paar alten Kollegen, um raus zu finden wer das war.“ Elisabeth nickte matt: „Du weißt, dass wir jetzt auf der Abschussliste stehen.“ „Wie bitte?“, Samuel machte sich gar nicht erst die Mühe seine Verwirrtheit zu verbergen. „Killer die Fehler machen, gehören nicht in das Geschäft... aber genau so wird jetzt dieses Schwein gejagt, das mich angeschossen hat.“ Samuel war diese Regel neu, vielleicht auch, weil er noch nie von einem Auftragsmörder gehört hatte, der einen Fehler überlebt hatte. „Du solltest Alex suchen. Der redet sich sonst nur um Kopf und Kragen.“ „Ja, aber...“ „Mir passiert schon nichts. Geh schon.“ Irgendwas an ihrem Lächeln war merkwürdig. Vielleicht war sie einfach noch müde von den Schmerzmitteln. Ohne sich noch einmal umzudrehen, verließ er das Zimmer. Die Tür wollte gerade zufallen, als jemand sie aufhielt. Ein älterer Mann in einem beigen Anzug betrat den Raum und Liz wandte sich ab. „Das hast du gut gemacht Kindchen“, sagte die durchaus vertrauenswürdige Stimme. Samuel hatte auf Gutglück den ersten Bus Richtung Hafen genommen. Zwar konnte er nur raten, wo sich Alexander aufhielt, da sein Freund sein Handy ausgeschaltet hatte. Aber es war Montagmorgen. Wo sollten sich die Drogenschieber aufhalten, wenn nicht dort? Samuel versuchte zum fünften Mal sein Glück, als wirklich ein Freizeichen ertönte. Es dauerte ein paar Klingelzeichen, bis Alexander sich meldete. „Alter wo steckst du?“ „Samuel wir haben ein Problem“, antworte Alexander. Er klang beunruhigt... oder war es unterdrückter Schmerz in seiner Stimme. „Was ist los?“ „Die Vögel pfeifen von den Dächern, dass das Phantom wieder in der Stadt ist. Nach über fünfzehn Jahren soll er wieder zurück sein...“ Samuel lachte heißer auf. Vieles konnte sein, aber das nicht. „Das ist nicht das Phantom.“ „Wenn ich es doch sage... Er wurde angeblich gestern gesehen, bei dieser verdammten Lagerhalle. Das war alles ne Falle.“ „Aber“, wie sollte er Alex erklären, dass es niemals das Phantom sein konnte, weil der nun mal tot war. Und wie sollte er ihm erklären, woher er das so genau wusste... Vergangenheit... „das ist vielleicht ein Nachahmer. Aber wieso sollte er es auf uns abgesehen haben?“ „Hast du die Storys nie gehört? Er hat aufgeräumt. Solche wie uns isst der zum Frühstück!“ Samuel verstand nicht sofort, was Alexander ihm sagen wollte... aber langsam erinnerte er sich. Das Phantom spielte schon immer nach seinen eigenen Regeln. Er verabscheute all jene ohne Ideale, aber Samuel selbst hatte deswegen nie Angst gehabt. Keine Frauen und keine Kinder... nur saubere schnelle Jobs. Liz und Alex hingegen... er hatte keine Ahnung wie viel Dreck sie am Stecken hatten. Aber trotzdem gab es das Phantom nicht mehr. „Ich für meinen Teil werde verschwinden und das solltest du auch tun!“ „Alex... warte... den kriegen wir.“ „Ja, klar...“ Samuel konnte hören, wie eine Autotür zuflog. „Wenn du willst hol ich dich...“Alex unterbrach sich selbst. Leise konnte Samuel die Startschwierigkeiten von dem alten Auto hören. „Ich glaub das nicht“, fluchte Alexander vor sich hin. Grummelnd hörte man den Motor anspringen, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Krach und einer kurz darauf unterbrochenen Verbindung. Während er ungläubig auf sein Handy starrt, bemerkte er das Piepen in seinem Ohr, auch wenn es ihn gerade nicht interessierte. Das konnte alles gewesen sein... aber wenn Alexander Recht hatte, war der BMW gerade ein feuriges Grab geworden. So war das, wenn man einen Fehler machte. Er hatte keine Zeit um seinen Kumpel zu trauern... Sollte es wirklich ein Nachahmer des Phantoms sein, war Liz in Lebensgefahr oder doch schon tot. Ohne wirklich darüber nachzudenken, rief Samuel ein Taxi zur nächsten Bushaltestelle und ließ sich zurück ins Krankenhaus fahren. Er hatte keine Zeit zu verlieren. Zur Not würde er sie auch in ihrem Zustand mit Gewalt dort wegbringen. Die Blicke von ein paar verwirrten Schwestern folgten Samuel, während er im Laufschritt durch die Flure eilte. Vielleicht hatte er ja noch nicht raus gefunden, wo sie war und ihnen blieb noch etwas Zeit. Trotzdem schaute Samuel sich gehetzt hinter sich um, während er die Tür zu Elisabeths Zimmer öffnete. „Liz wir müssen...“ Er drehte sich um und verstummte. An ihrem Bett saß ein Mann Mitte Fünfzig, dass konnte er so genau sagen, weil er diesen Mann kannte. Außer das er Fünfzehn Jahre gealtert war, sah er noch aus wie damals. Groß mit zu schmalen Schultern und immer noch diese Vorliebe für helle Anzüge. „Ich denke nicht, dass ich noch irgendwo hingehe“, flüsterte Liz mit einem fast wehmütigen Lächeln. „Doch, wir werden gehen“, erwiderte Samuel trocken. „Du wirst sie in Ruhe lassen“, sagte er an den Mann gewandt. „Du weißt, dass das nicht geht. Sie ist gut... aber sie ist Abschaum. Ich kann nicht zulassen, dass du dich mit so etwas abgibst.“ „Ich weiß nicht mit welcher Berechtigung du meinst dich noch in mein Leben einmischen zu dürfen.“ Samuel registrierte den verwirrten Blick den Liz ihm zuwarf. Zu gern hätte er ihr das alles erklärt, aber er konnte es selbst nicht wirklich erklären. Nicht wie dieser Kerl es geschafft hatte zu überleben... oder besser, wie er so gut seinen Tod vorgetäuscht hatte. Der Mann in dem Anzug – das Phantom – seufzte nur gelangweilt. „Liz...“ Die Angesprochene schüttelte den Kopf: „Ich sagte doch, ich gehe nirgends mehr hin. Ich hab die Kapsel bereits geschluckt.“ „Ihr bleiben noch knapp zehn Minuten“, erklärte der ältere Herr. Samuel öffnete den Mund, um noch etwas zu erwidern, aber ihm fiel nichts dazu ein. Sie ließ sich einfach so von ihm töten? „Es wird dann auch Zeit, dass wir gehen“, er stand auf und verneigte sich noch mal kurz vor Elisabeth, „Es hat mich trotzdem gefreut ihre Bekanntschaft zu machen.“ Sie erwiderte ein Lächeln: „Und mir ist es eine Ehre ihr Opfer zu sein.“ Samuel konnte immer noch nicht glauben, was er da sah. Nicht mal, als der Mann ihm am Arm hinter sich her aus dem Zimmer zog. „Komm Sohnemann, wir müssen hier weg sein, bevor sie anfängt Blut zu spucken.“ Nach den ersten paar Metern wurde Samuel von seinem Vater losgelassen, in dem Wissen, dass sein Sohn ihm folgen würde. „Du hast meine Kollegen auf dem Gewissen“, sagte Samuel halblaut. „Sie waren Abschaum... ich hätte erwartet, dass du es selbst tust.“ „Sie waren auch meine Freunde.“ „Noch schlimmer...“, entgegnete der legendäre Killer. Wie in Trance steckte Samuel seine Hand unter seine Jacke. „Und eigentlich mussten sie genau deswegen sterben. Wusstest du was das größte Geheimnis dieser kleinen Psychopathin dahinten war? Sie hatte sich doch ernsthaft in dich verliebt...“ Die Menschen um sie rum begannen zu schreien, als sich langsam das Blut seines Vaters über den Boden verteilte... und Samuel hatte schon wieder ein Piepen auf dem Ohr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)