Tim Burtons - Alice im Wunderland 2 von Clarice (*~*Der Erbe der weißen Königin*~*) ================================================================================ Kapitel 9: So nah und doch so fern... ------------------------------------- Den Saum ihres silberblauen Kleides raffend, das man ihr gab, rannte Alice in den mit Blumen und Ranken geschmückten kleinen Pavillon, von dem man eine wunderbare Aussicht auf die hiesigen Wasserfälle, die aber nun ihren Fluss verloren hatten, erhielt und in dem sie damals bereits Rat und Trost gesucht hatte. Wobei selbst das leuchten der bunten Blätterpracht vergangen war. Ihn erreichend, blickte Alice sich suchend um. Wo war ihr blauer geflügelter Freund, der hier damals kopfüber hing, um sich zu verwandeln? “Absolem? Wo bist du? Bitte... ich brauche deine Hilfe! Bitte...”, flehte sie und drehte sich immer wieder um, in der Hoffnung ihn ausfindig machen zu können. “Absolem, bitte! Ich weiß nicht was ich tun soll... Ich kann doch keine Königin von Unterland werden?! Bitte...” Aber nichts geschah. Nichts sollte sich flatternd Alice nähern. Ihr Gesicht vorzog sich daraufhin weinerlich und hilflos. Von dem Punkt auf dem sie stand, sank die verzweifelte Blonde vor die kleine steinerne Bank nieder, verschränkte ihre Arme auf dieser, bettete ihren Kopf darauf und begann bitterlich zu weinen. Leise ertönte ihr Schluchzen. Die Sonne, die hinter ihr bald den Platz mit dem Mond tauschen sollte, färbte sich in ein tiefes untergehendes Rot. Warum half ihr denn niemand? Warum verstand sie keiner? Dieses Schicksal war nicht dasselbe wie einst. Sie konnte ihre Schwester nicht einfach so im Stich lassen! Sie besaß doch keine Familie hier. //Ich dachte die Fragen hätten ein Ende...// Verloren in ihren Gedanken, bemerkte Alice daher auch nicht, wie sich ihr nun jemand näherte und sich zu ihr setzte. Unsicher streckte die Person ihre Hand aus, um Alice berühren zu wollen, doch entschloss sie sich, es nicht zu tun und nahm sie zu sich zurück. “Ich sehe dich viel lieber Lächeln, weißt du...”, richtete diese dafür nun das Wort an sie. Erschrocken hob Alice ihren blonden Schopf und sah direkt neben sich auf der Bank liegend den Zylinder, wie auch höher, in das Gesicht des Hutmachers, der Platz genommen hatte. Peinlich berührt, dass er sie in solch einem Zustand beäugen musste, wischte sie sich unkontrolliert über die Wangen. Deutlich spürte er ihren Schmerz und ihre Sorge. Es gefiel ihm ganz und gar nicht sie so zu sehen. Ihr Herz pochte hastig. Aber war dies nur aus dem Schreck heraus? “Bitte weine nicht...”, führte Tarrant sanft und gefasst fort. “Du hast es gewusst, nicht wahr? Die ganze Zeit!”, konfrontierte Alice ihn ein weiteres Mal mit Vorwürfen. Schuldig neigte er seinen Kopf und sein Lächeln löste sich auf. Aber kein Wort verließ seine Lippen. Diese Reaktion verstand Alice nur zu deutlich. Sogleich erhob sie sich wieder. “Das war und ist also der einzige Grund... Der wahre Grund, warum ich hierher zurück sollte... Warum ich nun alles aufgeben soll. Warum ich Margaret alleine lassen soll... Ich bin keine Königin! Warum hast du mich belogen? Es verheimlicht? Ich dachte wir sind... Freunde?! Tarrant Hightopp ist dem zu Folge auch nicht dein richtiger Name, habe ich Recht?”, wetterte sie überfordert weiter mit einem zurückkehrenden Tränenfluss, ohne nun darauf zu achten, wie sie ihn mit ihren Worten schier selbstsüchtig verletzte. Der Hutmacher allerdings, sah so schnell wie sie sprach wieder auf und löste sich auf von der Bank. “Nein, nein! Das ist nicht wahr... Und ja, es ist mein richtiger Name... Bitte Alice...”, versuchte er sich nun doch zu verteidigen. Er stellte seinen Körper direkt vor sie und ergriff reflexartig, wenngleich auch zärtlich ihre Schultern. Alice erstarrte daraufhin in ihren Bewegungen. Durch seine Berührung fast gezwungen, blickte sie ihm nun erstrecht in das intensive grün seiner Augen. Der Hutmacher presste die Beschwernis dieses Moments in seiner Kehle hinunter in der Hoffnung es würde helfen. Dabei versuchte er seine Worte zu sammeln. Doch nicht nur für ihn änderte sich die Situation. “Bitte Alice...”, stockte er weiter und wagte es dabei ihr mit bangen Fingern über die Wange zu streichen. In Alice` Inneren rotierte es. Ihr Herzschlag erstreckte sich wie zuvor bis zum Hals, bei der Wärme, die seine Hand auslösten. Bei der Tatsache ihm nahe zu sein und das nicht nur aus ihrer Aufregung heraus. Es war das erste Mal, dass er sie derartig berührte. Dabei trennten sie nicht viel davon, dass sich ihre beiden Körper erneut hätten berühren können. “Was ist dann wahr? Warum hast du es mir nicht gesagt?”, erklang ihre Stimme nun ruhiger und leiser, wenn auch noch mit dem selben vorwurfsvollem Unterklang. “Ich... ich... konnte es nicht. Wenn ich es gekonnt hätte, dann... Dann... wäre es das nicht das einzige... was ich dir hätte sagen wollen...”, lächelte Tarrant leicht unsicher, merkte dabei aber jetzt erst was er grade zu ihr gesagt hatte. //Nicht das Einzige...?//, wiederholte des Hutmachers Gegenüber für sich und konnte nicht umher, das der Schlag ihres Herzen sich nochmals erhöhte. Der Schimmer ihre Augen, der immer noch feucht von der Angst der Entscheidung glänzte, änderte sich und schien in eine ersehnte nicht selbst eingestehende hoffende Erlösung zu wechseln. Das nächste was geschah, war, das Alice, wie von Geisterhand geleitet, nun diesen einen Schritt, der sie trennte, eliminierte ohne sich aus seinem Griff zu lösen. “Und was... was hättest du mir denn noch sagen wollen?”, hinterfragte ihre Stimme nun sanft. Fast unscheinbar hob Tarrants Freundin ihrerseits ebenfalls ihre Hände und legte sie zaghaft auf seine Oberkörper, wo sie sie vor wenigen Stunden schon einmal gelegen hatten. Seine Brust und nun auch an sein Herz. Sogleich erfühlte sie dort dasselbe Klopfen, das auch die ihre beinahe zerspringen ließ. Kaum das er ihre Hände wieder spürte, ihren Duft in sich aufnahm und ihren Blick sah, ihr so nah war, war ihm klar, dass sein Herz ihn endgültig verraten hatte. Ja, er konnte es nicht mehr leugnen. Sich wehren, oder es gar versuchen zu ignorieren. Ihr gehörte sein Herz und nur ihr allein! Aber wie könnte er es nur wagen es ihr zu sagen? Durfte er doch nicht vergessen wie er aussah! Wie seine Arbeit ihn hatte werden lassen und all das Gift dem er sich aussetzen musste. Wie abstoßend seine Haut aussah. Ein Grund warum er selber keinen Spiegel mehr besaß. Und was war sie? Sie war ein Engel! Bildschön und vollkommen. Die Haut so zart und weiß wie das feinste Porzellan. Und eben so zerbrechlich. Die Augen so wärmend schön und mandelbraun. Das Haar glänzend wie das edelste Gold, samtig weich. Wie bezauberte sie ihn als kleines Kind, wie sehr faszinierte sie ihn als junges Mädchen und wie stark betete er sie nun als vollkommende Frau an. Nie würde er den Augenblick vergessen, als er sie, nach all den vielen unzähligen Stunden seit ihrer Rückreise in ihre Welt, ihre Schönheit, ihre Faszination, auf den Straßen Englands wieder erblicken durfte. Aber sie waren Freunde. Sie sah ihn mit anderen Augen, daran hielt er, es sich immer wieder innerlich selbst zusprechend, fest. Hätte ihre Majestät, die Königin ihn nicht gebeten, wäre er nie in ihre Welt gekommen, so viel war gewiss. Wie denn auch? Wie könne er sich nur erdreisten auch nur anzunehmen, dass so eine Frau wie sie, für jemanden wie ihn, etwas zurück empfinden könnte was über Freundschaft hinaus ginge? Er die Dreistigkeit besitzen könne, sie zu bitten bei ihm zu bleiben? Hier und jetzt, nachdem sie ihn bereits einmal zurück gewiesen hatte?! Oder ihr auch nur mit einem Wort einzugestehen, wie auch nur der kleinste Gedanke an sie, sein Herz aufleben ließ und es gleichzeitig niederriss. Wie er damals die Zeit erneut dazu brachte zu verstummen, von dem Moment an, an dem Alice ihn zurück ließ? Wie sehr sein Herz sich immer nur an den einen Wunsch des Nachts klammerte? Wie sie ihn schier mehr in den verlangenden, sehnsüchtigen Wahnsinn getrieben hatte, ihr unvergleichliches Antlitz sehen zu dürfen, als man es eh schon tat? Allerdings hielt er ihr Gesicht immer noch zart an seiner Hand. Doch der Kontrast den er unvermeidlich vor Augen hatte, ließen ihn seine Sichtweise verstärken. Sein Weiß mit den abstoßenden Folgeflecken gegen ihren makellosen Samt. Tarrant war nicht eitel oder dergleichen, nein, aber es war nun einmal eine unabkömmliche Tatsache. Wie konnte sich etwas so perfektes wie sie, sich nur zu etwas so verrückt ja, schon fast missratendes wie ihn herab lassen? Daher verstand er nur allzu gut, dass sie zurück gekehrt war in ihre Welt. “Ich... ich habe über Dinge nachgedacht, die mit dem Buchstaben M anfangen... Missverständnis, Minderwertigkeit, Missfallen... Moral...” “Hutmacher! Bitte...?”, erbat sie weiter. Der Ton blieb dabei einfühlsam. Ihr Kopf neigte sich unbewusst leicht gegen seine Hand. Was sollten diese Worte nun? Langsam senkte Tarrant, die Art und Weise ihrer Stimme klar vernehmend, seine Lider und löste seine Hand von ihrem Gesicht, wenngleich er den Druck ihrerseits deutlich gespürt hatte, um ihre zierlichen Finger zu erfassen. Ihm fiel noch ein Wort mit M ein. Mut. Und diesen konnte er nicht sein eigenen nennen. Sonst so unerschrocken und stark, war dies ein aussichtsloser Kampf gewesen, in dem er kein Gewinner sein würde. “Geh deinen Weg. Denn nur du bestimmst ihn und niemand sonst. Du darfst dein Leben nicht nur nach anderen richten...”, zitierte er am Ende die Worte, die Mirana damals zu ihr sprach. Ein nicht amüsiertes Schmunzeln in seinen Mundwinkeln zeigend, bevor er ihre Finger anhob und diese sanft küsste. Eine absolut zärtliche gehauchte Berührung, die mehr zeigte als er imstande war zu äußern. Der goldene Ring an Alice linken Ringfinger blitzte auf und ließ Tarrant die bittere Erkenntnis noch deutlicher werden. Das schönste Bildnis seiner Träume vor ihm, erahnte dies nicht. “Mehr ist mir nicht gestattet dazu zu sagen...” So schwer es ihm auch fiel sie los zu lassen, rang er sich durch und gab ihre Finger wieder frei. Sich nicht mehr trauend Alice noch einmal ins Gesicht zu schauen, entfernte er sich, nahm geschwind seinen Hut und verließ den Pavillon ohne sich nochmals umzudrehen. Er ergab sich dem Schicksal. Er wollte ihr so etwas Derartiges wie ihn nicht antun. Sie hatte was Besseres verdient. Etwas das nicht, wie sie damals sagte, nur ein Resultat ihre Einbildung war. Und auch wenn er bange trug bezüglich ihres Verlobten, war er sich sicher, dass jeder andere Mann in ihrer Welt sich so eine Frau wie sie nur wünschen würde, wünschen so wie er es tat. Hier hatte er eine Gelegenheit besessen. Eine, die nie wieder kommen würde. Doch dieser Konsequenz war er sich bewusst gewesen und er würde die Folgen ebenso ertragen, wie er es zuvor bereits tat. Alice hatte keine Chance dem etwas, in diesem Moment, entgegen zu setzten oder ihn gar auf zuhalten. Tränen rannen über ihre Wangen, kaum dass er sich von ihr fort bewegt hatte. Die Augen klar geöffnet. Den Mund wieder leicht fragend offenstehend. Dies war das Bild, welches sie darlegte und mit welchem sie ihm stumm hinterher blickte. Ein milder Wind im Rücken und ihr Haar nach vorne wehend, wie als würde auch dieses versuchen nach ihm zugreifen, um ihn aufzuhalten und ihn zurück zu sich zu ziehen. Was war grade nur geschehen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)