Higurashi no Naku Koro ni - They always cry... von MitsuruSenpaii ================================================================================ Kapitel 2: Mion-Arc - 1st Chapter --------------------------------- "Beeil dich mal, Keiichi! Rena-chan wartet bereits auf dich!" Keiichi Maebara sah überrascht zur Uhr. "Jetzt schon? Es ist doch noch mehr als... -" Mittem im Satz brach er ab, als ihm einfiel, dass ja heute vereinbart war, schon etwas früher los zu gehen. "Oh verdammt! Das hatte ich ja komplett vergessen!" Ohne etwas zu frühstücken, schnappte sich Keiichi hastig sein Bento und verließ das Haus. "Bis nachher!" Vor der Tür wartete wie immer brav Rena auf ihn. "Ohaiyoo~, Keiichi-kun!", rief sie ihm in ihrer typisch fröhlichen Art entgegen. "Morgen...", grummelte er, leicht angepisst davon, dass er die Vereinbarung vergessen hatte und aufgrund dessen nicht einmal Zeit zum Frühstücken hatte. "Ich hab dir doch gesagt, dass du mich nicht immer abholen musst, Rena." "Haūūū~, aber würde Keiichi-kun es dann rechtzeitig zur Schule schaffen?" Breit und selbstbewusst grinste er das Mädchen mit den orangbraunen Haaren an. "Na sicher! Ich bin ja immerhin ein recht passabler Läufer! Und selbst wenn nicht: Ich hab immer noch das Fahrrad." "Trotzdem! Mir macht es Spaß, dich abzuholen! Aber würde Keiichi-kun denn auch auf Rena warten, wenn sie sich verspäten würde? Kana? Kana?" "Hm? Nöö, wieso sollte ich?" Als sie sich aufregen wollte, grinste Keiichi breit. "Scherz - natürlich würd ich auf dich warten." "Oh honto ni?" Im nächsten Moment erblickte sie Mion, welche an einer alten Hütte stand und auf sie wartete. "Ohaiyo, Mii-chan!" Auch Keiichi winkte ihr zu. "Moin, Mion!" "Ihr seid spät!", rief ihnen Mion entgegen. "Määäh... normalerweise bist du es, auf die wir warten müssen!" Keiichi verschränkte beleidigt die Arme. "Hai, Hai! - Lass dich anschauen! Wie lang ist es her, dass wir uns gesehen haben? Zwei Jahre?" Mion verschränkte die Arme lässig hinterm Kopf, während sie ihn angrinste. "Waaas? Ich war nur zwei Tage weg...", grummelte der braunhaarige Junge dazu als Antwort. "Oh, stimmt ja - da muss ich wohl was durcheinander gebracht haben... Dennoch, ich hab das Gefühl, dass du ansehnlicher geworden bist!" "Was soll denn das heißen?" Lachend machten sie sich auf den Weg zur Schule. Keiichi war erst vor kurzem hierher gezogen, aber er hatte sich schon mit fast allen aus der Klasse anfreunden können. Und es war toll, wie gut frische Luft doch tun konnte! Ja, seitdem er hier war, führte er ein friedliches, ausgelassenes Leben. Die Schulklasse bestand aus 15 Schülern unterschiedlicher Alters- und Klassengruppen, und jeder half jedem. Das war etwas, was Keiichi gut zusprach. Und am Nachmittag, nach dem Unterricht, gabs Spiele mit dem Club, welcher aus Mion, Rena, Satoko-chan und Rika-chan bestand. Anfangs war er ziemlich schlecht gewesen und wurde deshalb aufgrund seines Verlierens oft beim "Batsu Game" bestraft. Aber mittlerweile hatte er die "Regeln" raus und wusste sich ganz gut zu wehren. Es gab eigentlich immer etwas in Hinamizawa zu entdecken, und sollte es mal so sein, dass die anderen beschäftigt waren, konnte er immer noch in das benachbarte Okinomiya gehen. Ja, es waren wirklich wundervolle Tage. Keiichi lachte so viel wie selten zuvor, und die anderen schienen ihn auch so zu mögen und zu akzeptieren, wie er war. Was sollte man sich mehr wünschen? Er konnte ja nicht wissen, was noch alles passieren würde... hätte er es ahnen können, hätte er vielleicht versucht zu fliehen - aber selbst das wäre aussichtlos gewesen, denn der Fluch des Oyashiro-sama lässt nicht zu, dass jemand Hinamizawa verlässt. Nein... es gab kein Entkommen. Und Keiichi ahnte nicht einmal im Ansatz, was alles auf ihn zukommen würde. Und so nahm alles seinen Lauf... "HEUTE mach ich dich fertig, Mion!" Kaum war die Lehrerin aus dem Zimmer draußen, sprang Keiichi auf und grinste siegessicher. "Und ich weiß auch schon, wie ich das anstellen werde - MUHA!" Doch Mion lächelte nur entschuldigend, meinte "Ich kann heute leider nicht - ich muss arbeiten! Honto ni gomen nasai!", nahm ihre Tasche und verließ eiligst das Zimmer. "Moouh... was war das denn? Eiskalt abgeblitzt..." Keiichi zog einen Fluntsch, während Rena fragend den Kopf schief legte. "Als was Mion wohl arbeitet... - Nani kana? Nani kana?" "Was für ein Pech... dabei hatte ich mich schon so darauf gefreut, Keiichi-san heut schön fertig zu machen..." Satoko verschränkte die Arme hinter dem Kopf und warf Keiichi einen funkelnden Blick zu. "HA! Niemals wird es dazu kommen, Satoko!" Das artete wie immer in einem Catfight aus, bis Rika meinte: "Dann sollten wir die Club-Aktivitäten vielleicht auf ein andermal verschieben, nano desu?" Rika war an den Tisch getreten und lächelte Keiichi freundlich an. "Aaaaah, du bist ja so ein nettes Mädchen, Rika-chan!" Er deutete mit dem Daumen nach oben, ehe er Satoko einen vielsagenden Blick zuwarf. "Im Gegensatz zu anderen hier anwesenden Mädchen!" Sie alberten noch etwas rum, dann machten sich alle auf den Heimweg. Währenddessen kam Keiichi der Gedanke, dass er ja nach Okinomiya gehen könnte, um dort eine Kleinigkeit zu essen. "Aaah, allein da hin zu gehen ist ziemlich doof..." Aber er hatte sich bereits von Rena verabschiedet, welche sich wieder auf den Weg zur Müllhalde gemacht hatte, um dort nach Schätzen zu suchen. Und daheim essen kam auch nicht in Frage, da seine Mutter nicht da war und er sich deshalb notgedrungen selbst etwas zu essen machen müsste - wer Keiichi kannte, wusste, dass das einer seiner absoluten Schwachpunkte war! Es führte kein Weg daran vorbei: Wollte er gutes und vor allem schmackhaftes Essen zu sich nehmen, würde er sich ein Lokal in Okinomiya suchen müssen! Gedacht, getan... Keiichi hatte sich das "Angel Mort" rausgesucht, weil die Bedienungen da angeblich tolle Meido-Outfits trugen. Und das konnte er sich natürlich nicht entgehen lassen! Er studierte gerade eingehend die Karte, als eine Maid mit langen, grünen Haaren an den Tisch trat. "Uhm... Was darf ich Ihnen bringen?", fragte sie zörgerlich. "Also, ich hätte gern..." Er sah auf, um seine Bestellung abzugeben - und wäre vor Schreck beinahe zurück geprallt! "M...- Mion?!" "Hm?" Das Mädchen hielt schüchtern ihr Tablet vor ihren Oberkörper und errötete, während Keiichi sie mit Blicken aufzufressen schien. "Mensch, Mion! Ich hätte nie gedacht, das du als Maid arbeiten würdest! Das ist echt nen Ding! Wenn ich das den anderen erzähl...!" "Ähm... S-sie... verwechseln mich..." Doch Keiichi hörte ihr erst gar nicht zu, sondern begaffte sie weiter mit gespielt lüsternem Blick. "Dieses Maid-Outfit steht dir wirklich außerordentlich gut! Was hab ich für ein Glück, heute hierher gekommen zu sein!" Sein Grinsen wurde noch eine Spur breiter, als ihm ein Gedanke kam. Hey, ich bin der Kunde hier! Das heißt, ich bin im Vorteil. "Jetzt, wo ich so darüber nachdenke, stehen dir diese Klamotten wirklich mehr als nur gut." "E-es ist mir peinlich, wenn Sie mich so anstarren...", meinte daraufhin das grünhaarige Mädchen, welches wohl Mion sein musste, mit einem erröteten Blick zur Seite. "Tu nicht so, als wär dir das peinlich." Er machte eine kurze Pause, dann meinte er, einem Lichtblitz folgend: "Das ist eigentlich ne gute Gelegenheit, mich für all deine Fiesheiten zu revanchieren, ne?" Er grinste breit. "Du magst wohl die Aufmerksamkeit der Männer, huh?" "E-es ist nicht so, dass ich das tue, weil ich es mag...!" "Hmmm? Was würde wohl deine Mutter sagen, wenn sie dich so sehen könnte...? Sie wäre bestimmt traurig, oder?" Bei den Worten popelte er gespielt in der Nase herum, um damit seine gespielte Langeweile auszudrücken, ehe er sich ihr wieder zuwandte. "A-aber!" Doch er ließ sie erst gar nicht ausreden, denn im nächsten Moment sprang er auf und legte dabei ein schmiriges Grinsen auf. "Ich liebe diese freizügige Art von Outfit! Das ist eigentlich gegen die Regeln, aber willst du nicht vielleicht...?!" Dabei ließ er die Finger wie ein Perverso zucken und kam ihr näher. Mion wandte den Kopf ab. "Neeein!" Doch er ignorierte das und kam ihr weiterhin näher. "Du weißt wohl wirklich nicht, wie man einen Kunden bedient, aber da ich nunmal der Kunde bin, musst du mich bedienen, nee?" Sie sah ihn an und hatte dabei diesen unglaublich niedlichen Gesichtsausdruck aufgesetzt: "B-bitte nicht..." "Omochikaerī!" Das bedeutete übersetzt so viel wie "Ich will sie mit nach Hause nehmen!" und war ein typischer Rena-Spruch. Er wollte ihr näher kommen, doch in dem Moment schlug sie ihn weg, dass das Blut nur so spritzte: "NIEMALS!" Keiichi taumelte zurück, landete auf seinem Sitz und blieb da erstmal zwei Sekunden K.O. liegen. Danach richtete er sich mit den Worten "Also, für heute lass ich die Sache lieber beruhen..." wieder auf. "Wer hätte gedacht, dass die Sonozaki Mion ein Problem mit Kellnern hätte..." "I-ich... glaube, du verwechselst mich. I-ich... ich heiße nicht Mion. Ich bin Shion!" "Häääh? Shion? Was besseres fiel dir wohl nicht ein, huh?" Doch plötzlich schien der Spaß ein Ende zu haben, denn das Grünhaarige Mädchen, welches angeblich nicht Mion sein sollte, meinte ernst: "H-hören Sie, i-ich kenne Sie nicht, also hören S-sie auf, mich zu belästigen - bitte!" Keiichi wollte Mion gerade klar machen, dass alles schauspielern und Lügen der Welt nun nichts mehr nützen würde, doch da trat eine weitere im knappen Meido-Cosplay verkleidete Bedienung zu ihnen heran. "Hören Sie, entweder, Sie lassen Sonozaki-san in Ruhe, oder ich sorge dafür, dass Sie rausfliegen und Hausverbot bekommen." Als sie den Namen "Sonozaki" erwähnte, blitzen Keiichis Augen auf. Und schon hat sie sich verraten, schoß es ihm durch den Kopf. Dass die andere Bedinung jedoch zu Mion meinte "Ich kümmere mich hierrum - Geh du bitte an Tisch 5, Shion-chan", verwirrte ihn etwas, aber fürs Erste beschloss er, das Thema beruhen zu lassen - schon allein, weil sich sein Magen knurrend zu Wort meldete. Daher gab er für den Moment resigniert seine Bestellung auf, aber er schwor sich, dass das Thema damit nicht beendet sein würde; noch lange nicht. Allerdings war das Thema am nächsten Tag schon wieder mehr oder weniger vergessen, denn am nächsten Tag gab es eine andere, neue Sache, von der Keiichi bisher nichts gewusst hatte: "Was? Unsere Rika-chan tanzt auf diesem Wataganashi-Fest?!", rief er überrascht aus. Rika nickte. "Hai nano desu!", und Mion erklärte: "Da sie die Tochter des verstorbenen Priesters des Furude-Schreins ist, gibt es niemanden, der besser dafür geeignet wäre." "Und daher kann Rika-chan die nächsten Tage nicht an unseren Aktivitäten teilnehmen, huh?" Wieder nickte Rika, nur wirkte sie dieses Mal traurig. "Ich muss mich auf den Tanz vorbereiten, nano desu." Das kleine lilablauhaarige Mädchen verbeugte sich höflich, dann verabschiedete sie sich. "Du musst wissen, Keiichi, dass diese Sense, die sie bei dem Tanz tragen muss, mehrere Kilo wiegt." Verblüfft starrte Keiichi Mion an. "Was, wirklich?" Überrascht über diese Tatsache meinte Keiichi, eher zu sich selbst gewandt: "Scheint, als würde hinter den Leuten oftmals mehr stecken, als sie zu sein scheinen..." Grübelnd warf er Mion einen Blick zu, und dann fiel ihm wieder die Sache aus dem Angel Mort ein. Augenblicklich fing er wieder an, schmierig zu grinsen. "So wie unsere Mion hier, zum Beispiel." "Nanu? Was meint Keiichi-kun... - Nani kana? Nani kana?", meinte Rena in ihrer typischen Art, am Ende der Frage ein zweifaches "Kana" (was übersetzt so etwas wie das Fragezeichen war und aus dem Davorstehenden Satz eine Frage machte - anstelle von "Kana" konnte man aber auch ein "Nee?" verwenden, wobei hier die Gefahr bestand, dass es mit dem schwesterlichen "Nee" verwechselt werden kann), oder auch "Nani kana?" (was allein stehend so viel wie "Ich frage mich" bedeutete), zu setzen, überlegend; und auch Mion warf ihm einen fragenden Blick zu. "Yeah, das musst du uns erklären, Kei-chan!" "Ach, tu doch nicht so überrascht, Mion. Ich mein, komm schon: Wie viele Mädchen mit dieser Haarlänge- und Farbe und dem selben Nachnamen soll er hier in der Gegend geben? Und du hast doch selbst erzählt, dass du Einzelkind bist, also: Wer sonst außer dir hätte das gestern sein sollen, hm?" "Kei-chan, ich weiß nicht, wovon du redest...", sagte Mion noch einmal, dieses Mal schon eine Spur ernster. "Um deine Arbeit im Cafe "Angel Mort" als Cosplay-Meido!" "Was?" Nicht nur Mion, auch Rena und Satoko riefen überrascht ob dieser Offenbarung aus. Mion war die erste, die die Sprache widerfand. "D-du musst dich irren, Kei-chan! Ich arbeite nicht im Angel Mort!" Keiichi ließ aber so schnell nicht locker. "Achja, und wer soll es sonst sein? Sie sah dir nicht nur verdammt ähnlich, sie sah haargenau so aus wie du!" Mion schüttelte den Kopf. "Das ist unmöglich, Kei-chan. Du musst dich geirrt haben." "Na gut!" Keiichi stand so abrupt auf, dass der Stuhl beinahe umfiel. "Wenn ihr mir nicht glaubt, dann kommt doch einfach mit und überzeugt euch selbst davon, dass ich die Wahrheit sage!" "Uhm... würd ich ja gern...", meinte Mion, nun weniger standhaft, ehe sie zörgernd meinte: "... aber ich muss heute arbeiten." HA!, dachte Keiichi triumphierend. Doch gerade, als er Rena und Satoko dazu auffordern wollte, dass zumindest sie ihm folgten, wurde seinem innerlichen Siegeszug einen Riegel vorgesetzt: Fast wie aus einem Munde sagten die beiden nämlich "Tut mir echt leid, aber ich kann heute leider nicht!" Rena erklärte: "Ich hab mit meinem Vater ausgemacht, dass wir heute den Tag zusammen verbringen!", und Satoko sagte: "Und ich muss heut in die Klinik... ich... uhm... fühl mich nicht so gut." - Was nach einer glatten Ausrede klang, wenn die sonst so selbstsichere Satoko plötzlich zörgerte. Das gibt es doch nicht!, dachte Keiichi ungehalten. Das sie ausgerechnet heute alle keine Zeit haben... ja klar! "Fein! Ich werde euch schon beweisen, dass ich die Wahrheit sage!" Mit diesen Worten schob Keiichi seinen Stuhl an den Tisch, und ohne ein Wort des Abschieds oder einen letzten Blick zurück zu den anderen verließ er wütend das Klassenzimmer. Was denken die eigentlich, wer ich bin?! Sie wollten ihm nicht glauben? Na gut! Aber er würde nen Scheiß tun, und sich damit einfach abwimmeln lassen, nein... - er würde ihnen schon beweisen, dass er die Wahrheit sagte, das schwor er sich! desto eher kam er zu dem Schluss, dass es eigentlich nicht sein konnte, dass Mion all die Zeit lang unbemerkt in diesem Resturant arbeitete. Entweder, sie arbeitet noch nicht sehr lange dort, oder... - Und dieser Gedanke rieselte ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen - ... die anderen wissen schon längst Bescheid! Ja... eine andere Antwort gab es eigentlich nicht, denn er konnte sich nicht vorstellen, dass Mion erst seit kurzem dort arbeitete... Wahrscheinlich wussten Rena und die anderen schon längst um Mions Arbeitstelle und wollten ihn einfach nur etwas an der Nase herum führen - aber nicht mit ihm! "So, wollen wir mal sehen, wer es wagt, mich nochmal als Lügner darzustellen!" Ausgerüstet mit Kamera, um Mion bei ihrer verfänglichen Arbeit ablichten zu können, war Keiichi erneut zum Angel Mort aufgebrochen, und wartete nun vor dem Eingang gekauert auf eine Chance, Mion in Flagranti zu erwischen - welche sehr, sehr lange auf sich warten ließ. Aber gerade, als er sich schon schweren Mutes auf den Weg nach Hause machen wollte - Wahrscheinlich musste sie Heut gar nicht arbeiten und hat das nur behauptet, um mich los zu werden, ging es ihm durch den Kopf - bemerkte er aus den Augenwinkeln etwas grünes, und ohne großartig nachzudenken, rieß Keiichi den Fotoapperat in die Höhe und betätigte den Auslöser. Keine Sekunde zu spät, wie er merkte, denn Mion war auch sofort wieder aus dem Blickfeld verschwunden. Keiichi wartete ab, bis die altmodische Kamera das Bild gedruckt hatte, um es sich anzusehen, und hätte beinahe vor lauter Enttäuschung aufgeheult: Mion war anstatt von vorne - wie Keiichi es erhofft hatte - nur von der Seite zu sehen. Aber man sah die Hälfte ihres Gesichtes gut, und auch, wenn ein ungewohnt weiblicher Gesichtsausdruck darauf zu sehen war und die offenen Haare diese ungeahnte Weiblichkeit nochmal untermalten, man erkannte doch trotzdem, dass es Mion war: Diese Gesichtszüge, die blaugrünen Augen und vor allem das Grüne Haar machten jede Verwechslung unmöglich. Außerdem sah man einen Teil ihres Rückens (die offenen Haare, welche sie ungewohnterweise mit einem gelben Band zusammen gebunden trug, fielen ihr auf die ungesehene, rechte Seite vornüber hinunter), und damit auch einen guten Teil des Meido-Kostüms - nicht, dass sie behaupten konnte, sie wäre nur als Gast da gewesen! "Es ist zwar nicht die beste Aufnahme, und verwackelt ist das ganze auch noch, aber um zu beweisen, dass Mion hier als Meido arbeitet, reicht es!" Trotzdem blieb Keiichi noch bis kurz vor Schluss, in der Hoffnung, ein weiteres Foto von Mion erhaschen zu können, aber egal, wo er nicht Aufstellung nahm: Mion tauchte für den Rest des Tages nicht mehr auf. Erst kurz vor Schluss wagte er sich ins Geschäft rein (er wollte Mion die Chance geben, sich nur ihm erkenntlich zu zeigen, bevor er sie womöglich vor ihren gesamten Freunden bloss stellte), und da erkannte er auch, wieso er sie die ganze Zeit nicht gesehen hatte: Sie stand an der Kasse, welche vom Eingang aus nicht zu sehen war. Da hätt ich ja auch ewig und drei Tage warten können..., dachte der braunhaarige Junge missmutig und war froh, dass Mion sich die Blöße gegeben hatte, kurz am Eingang vorbei zu gehen. "Hey, Mion!", rief er ihr zu, doch sie reagierte nicht. Spielt sie auf Stumm, oder hört sie mich nicht? Doch gerade, als er zu ihr wollte, wurde ihm eine Hand auf die Schulter gelegt: "Du bist doch der Kerl von gestern? Entpuppt sich da jemand als Stalker?!" Sofort brach Keiichi der kalte Schweiß aus, und im Nu erinnerte er sich an ähnliche Sprüche, nur in einer ganz anderen Gegend, und er erinnerte sich an Dinge, die er hätte vielleicht lieber nicht tun sollte, und...- Beklommen schüttelte er den Kopf, und damit auch das Gefühl weg. "N-nein", stammelte er, nicht fähig, mehr als dieses eine Wort zu sagen. "Gut. Das will ich auch hoffen." Der großköpfige Mann nahm die Hand von Keiichis Schulter und rief dann zu Mion: "Shion-chan, ist das ein Freund von dir?" Shion? Wieso spielen hier alle Mions kleines, gehässiges Spiel mit?!, fuhr es Keiichi wütend durch den Kopf, während Mion aufsah und ihn erblickte - und dabei vollkommend anders reagierte, als erwartet: Statt ertappt zu wirken oder zu beschließen, die Maskerade auffliegen zu lassen, blickte sie ihn nur verwundert an. "Das..." Dann schien sie ihn zu erkennen. "Ah! Du bist der von gestern, richtig!" Und dann... lächelte sie! Keiichi dachte, ihm fielen gleich die Augen heraus! Sie grinste nicht - so, wie sie es sonst üblicherweise tat -, nein, sie lächelte, und das auf eine verdammt weibliche Art und Weise! Sie kam bei ihm an, doch ehe Keiichi was sagen konnte (nicht, dass er dazu in der Lage gewesen wäre; er war nach wie vor zu sehr erstaunt über die Tatsache, dass Mion so fenimin sein konnte!) nahm sie ihn schon bei der Hand und führte ihn aus dem Geschäft hinaus, zum Hinterhof. Doch kaum waren sie hinten angelangt, erlosch Mions Lächeln. "Was willst du hier?!", zischte sie, schon Mion-typischer, aber trotzdem irgendwie... anders. Aber das brachte Keiichi nicht mehr aus dem Ruder. Breit grinsend sagte er: "Dich in Flagantri erwischen, was sonst?!" Damit wedelte er ihr das Bild vor der Nase rum, darauf gefasst, dass sie es ihm jeden Moment aus der Hand reißen würde - was ihr aber nichts bringen würde, denn das Bild ist auf der Fotokamera gespeichert, die er widerrum schon in die sichere Obhut seiner Tasche gesteckt hatte. Doch nichts dergleichen passierte. Mion blieb ganz ruhig, ihr brach nichtmal der Schweiß aus, und dem Bild widmete sie auch keinerlei Achtung. "Und was willst du nun damit tun? Es meiner gesamten Familie zeigen? Mach ruhig. Sie wissen sowieso, dass ich hier arbeite, da dieser Laden einem Verwandten gehört. Außerdem...", fügte sie mit fragenden Blick hinzu. "bezweifle ich, dass du meine Familie kennst. Wie auch? Wir kennen uns ja nichtmal." Enttäuscht packte Keiichi das Bild weg. So machte das Ganze überhaupt keinen Spaß! "Komm schon... Tu zumindest so, als würdest du mich fürchten! Ansonsten zeig ich es morgen den anderen!" "Welchen anderen?" Doch bevor der braunhaarige Junge antworten konnte, schnitt sie ihm herrisch das Wort ab. "Ein für alle Mal: Wir kennen uns nicht! Wen auch immer du mit "Mion" meinst; ich bin es nicht! Und nun verschwinde, bevor ich die Polizei rufe!" Keiichi wollte ihr schon an die Nase knallen, dass sie sich das dumme Bluffen nun auch sparen konnte, doch in dem Moment kam ein männlicher Mitarbeiter aus der Hintertür des Resturants. "Shion-chan? Ach hier steckst du. Komm schon, wir müssen noch den Kassensturz vorbereiten." "Tzz... damit kommst du mir nicht davon...", murmelte Keiichi eingeschnappt, dann trollte er sich. Er hatte eigentlich vorgehabt, es mit Mion unter sich auszumachen, frei nach dem Motto "Wenn sie sich schon so sehr geniert, dann will ich nicht derjenige sein, der ihr kleines Geheimnis auffliegen lässt!", aber nachdem sie ihn nun so behandelt hatte, konnte es ihm glatt egal sein, was nun aus ihr wurde. ARG! Wenn er nur an ihren ruhigen Gesichtsausdruck dachte, könnte er kotzen, und je länger er darüber nachdachte, umso rasender machte es ihn, dass sie ihm nicht einfach die Wahrheit sagen konnte! Keiichi wusste zu dem Zeitpunkt nicht, dass diese Wut, die er nur schwerlich unterdrücken konnte, von den giftigen Gasen her rührte, die der Boden rund um Hinamizawa ausstoß. Das wussten zu dem Zeitpunkt - wie immer - eigentlich nur zwei Personen, und wie immer konnten sie auch dieses Mal nichts tun, um das bleischwäre Schicksal, welches auf diesem niemals endeten Juni des Showa-Jahres 58 lag, aufzuhalten... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)