Erwachen von Nova ================================================================================ Kapitel 6: Der Ring ------------------- Sie hatten schon fast die Hälfte der Strecke geschafft, als hinter ihnen die schwarzen Reiter aus dem Wald preschten. Das dichte Unterholz hatte sie nicht aufgehalten und es machte ihnen nur wenig aus, daß Teile ihrer schwarzen Umhänge in den Brombeersträuchern hängenblieben. Ihre Pferde hatte die Gefährten rasch eingeholt und bereits nach wenige Sekunden waren sie umzingelt. Legolas und Gimli stellten sich auf der Stelle zum Kampf. Während Legolas nicht zögerte, einen Pfeil nach dem anderen auf die gefährlichen Gegner abzufeuern, hatte der Zwerg seine Axt gepackt und ging ebenso furchtlos auf die überlegenen Kreaturen los. Doch ihre Chancen waren verschwindend gering. Niemand konnte einen Nazgúl vernichten und so zeigten sich ihre Gegner auch recht unbeeindruckt, wenn Pfeile in ihren Körper eindrangen, und auch Gimliìs Axt konnte nur wenig Schaden anrichten. Während die beiden Krieger mutig kämpften, hatte sich einer der Ringgeister auf das Mädchen konzentriert. Er trieb sie aus der schützenden Nähe ihrer Freunde und brachte sie dazu, immer weiter zurück zum Wald zu fliehen. Sie kam an dem gewaltigen Reiter nicht vorbei und er ließ ihr keinen anderen Fluchtweg. Ein weiterer Reiter kam zu ihnen und ließ Elisha nun auch auf der anderen Seite nicht weiter entfliehen. Eines der Pferde bäumte sich vor ihr auf. Sie versuchte vor den wirbelnden Hufen in Deckung zu gehen, doch es gelang ihr nicht ganz. Es war nur eine flüchtige Berührung, die sie an der Schulter traf und doch hatte sie genug Kraft, um jegliches Gefühl aus ihrem Arm zu treiben. Sie wurde zu Boden geschleudert und schaute hilflos zwischen den beiden Reitern hin und her, die sie bedrängten. Weit weg schienen ihre Freunde, die ebenfalls um ihr Leben kämpften. Sie hörte den Kampflärm, die Schreie, doch schien das alles weit entfernt zu sein. Einer der Reiter stieg von seinem Pferd und zog seine Klinge. Er stellte sich genau über das Mädchen und machte sich zum Zustechen bereit. "ELISHA, NEIN!" Endlich hatten die Gefährten gemerkt, was geschah. Laut hatte der Zwerg aufgeschrieen und lenkte damit die Aufmerksamkeit der Reiter auf sich. Auch Legolas hatte gemerkt, daß etwas falsch lief. Das Mädchen, das sie beschützen wollten, war viel zu weit weg und stand bereits zwei Ringgeistern gegenüber. Die Gefährten begannen gleichzeitig, sich in Richtung des Mädchens vorzuarbeiten. Legolasì flinker Bogen und Gimliìs wütende Axt räumten auf zwischen den Reitern. Meter für Meter kämpften sie sich näher heran, doch sie waren noch immer zu weit entfernt. Der Schwertstreich eines Ringgeistes schleuderte Gimli beiseite und fegte ihn von den Füßen. Der Reiter sprang vom Pferd und erhob sein Schwert, um das Leben des Zwerges auszuhauchen. Dem Elben erging es nicht anders. Geschickt war er den Tritten eines Pferdes ausgewichen, doch der Schlag mit dem Schwertknauf eines weiteren Gegners schickte auch ihn zu Boden. Das Pferd bäumte sich über ihm auf und auch sein Tod schien beschlossen, als er plötzlich einen Ruf hörte, mit dem er nicht gerechnet hatte. "ELISHA!", schrie der Zwerg, "DER RING, SETZ IHN AUF!" Elisha sah sich der Schwertspitze genau gegenüber. Der drohende Tod hing über ihr und sie schaute ihm hilflos entgegen. Sie war nicht einmal fähig, die Augen zu schließen, so entsetzte sie der Anblick, wie die unmenschliche Kreatur dabei war, ihr das Leben zu nehmen. Alles um sie herum verschwamm in einem milchig trüben Schleier. Geräusche drangen an ihre Ohren, doch sie konnte sie nicht mehr zuordnen. Alles was sie noch wahrnahm, war das Schwert, das ihr den Tod versprach. So erkannte sie auch nur ganz langsam die Worte, die ihr zugerufen wurden. Der Klang ihres eigenen Namens war es, der sie aufmerksam machte. Durch den Schleier, der ihre Sinne umfing, drangen Worte, ein Ruf des Zwerges, der ihr die ganze Zeit über zur Seite gestanden hatte. Er redete von einem Ring, ihrem Ring. Sie verstand nicht den Sinn der Worte, doch sie sollte ihren Ring aufsetzen. Das Mädchen bezweifelte, daß das Tragen des Ringes irgend etwas an ihrem bevorstehenden Tod ändern würde, doch fast automatisch suchten ihre Finger nach der Kette um ihren Hals. Das Schwert senkte sich bereits auf sie herab und sie wußte, daß es sie genau in die Brust treffen würde - ein tödlicher Treffer. Erstaunt beobachtete sie, wie scheinbar alles um sie herum in Zeitlupe ablief. Sie erinnerte sich daran, daß man im Angesicht des Todes sein ganzes Leben noch einmal vor sich ablaufen sehen sollte, doch das war wohl ein Gerücht. Sie beobachtete nur. Mit fast wissenschaftlicher Neugier betrachtete sie das Schwert in allen seinen Einzelheiten, wie es sich langsam auf ihre Brust hinab senkte. Trotzdem rissen ihre Finger weiterhin an der Kette, die den Ring hielt. Ein kurzer Ruck, und schon lag die Kette in ihrer Hand. Ohne darüber nachzudenken, ja, ohne sich dessen bewußt zu sein, löste sie den Ring von der Kette. Der Mittelfinger ihrer linken Hand fand wie von selbst den goldenen Reif, der nun intensiv glühte, und glitt hinein. Es war, als ob der Ring ihr entgegen drängte. Finger und Ring trafen sich und glitten ineinander. Der Ring, der noch vor Sekunden viel zu groß für die zierlichen Finger des jungen Mädchens war, schrumpfte. Er paßte sich dem Finger an und verschmolz mit ihm. Das war der Moment, der alles veränderte. Wie eine Welle schlug es über Elisha zusammen. Sie hatte Gedanken, die nicht ihre eigenen waren, Erinnerungen an Zeiten, zu denen die Menschen noch nicht einmal gelebt hatten oder erst ein schwacher Schatten ihrer zukünftigen Größe waren. Sie sah Bilder, Kämpfe und Schlachten, die vor ewigen Zeiten ausgetragen wurden, hörte Geräusche, Lieder, die in längst vergangenen Zeitaltern gesungen wurden. Alle ihre Sinne waren geschärft und nahmen Dinge wahr, die längst vergangen waren und doch in der Erinnerung lebendig. Gleichzeitig fühlte sie eine unbändige Kraft in sich. Es war, als würde von ihrem Finger aus neue und grenzenlose Energie in ihren Körper gepumpt werden. Sie nahm sich selbst und ihre Umgebung deutlicher wahr, als sie es jemals getan hatte. Ihr Körper war stärker, ihr Geist freier als zuvor. Und sie wußte nun, was sie zu tun hatte. Legolas hatte widersprechen wollen, als der Zwerg ihr den zweifelhaften Befehl gegeben hatte. Doch standen keine Alternativen zur Verfügung. Niemand wußte, was geschehen würde, doch im Moment stand ihnen unabwendbar der Tod bevor. Schlimmer konnte es kaum werden. Der Elb sah, wie das Pferd sich über ihm aufbäumte und er sah auch, wie die Hufe sich seinem Gesicht näherten, als es wieder nach unten kam. Rasch drehte er sich weg, doch schon stieg das riesige Tier wieder hoch und schien einen neuen Versuch zu starten. Viele Ausweichmöglichkeiten hatte er nicht mehr, und mit einem Blick zu Gimli sah er, daß es seinem Freund kaum besser erging. Er drehte den Kopf um eine Blick zu Elisha werfen zu können und was er sah, überraschte ihn wirklich. Ohne den Blick von dem Nazgúl über ihr zu nehmen, hatte das Mädchen den Ring von ihrem Hals gelöst. Der schmale, sonst leuchtend goldene Ring strahlte intensiv rot und schien auf seltsame Weise zu pulsieren. Legolas hatte so etwas noch nie erlebt und er hätte Elisha gerne davon abgehalten, den Ring aufzusetzen, doch es gab keine andere Möglichkeit. Es mochte sie alle retten oder vernichten, doch diese Chance war besser als gar keine. Das Mädchen brauchte den Ring nicht aufzusetzen, er schien sich selbst ihren Finger zu suchen. Von einem Moment zum anderen war nichts mehr zu sehen. Das gleißende Licht, was von dem Mädchen ausging, überstrahlte alles und zwang selbst den Elben dazu, die Augen zu schließen. Der Ringgeist, der sie eben noch bedroht hatte, war zurückgeschleudert worden und hatte sie somit freigeben müssen. Er lag einige Meter entfernt und schirmte das Gesicht mit dem Unterarm ab. Auch die anderen Nazgúl waren einige Meter zurückgewichen. Legolas erkannte es als erstes und sprang auf die Füße. "Gimli!", alarmierte er seinen Gefährten. Auch dieser hatte die Situation bereits erfaßt und sprang auf. "Was geschieht da?", fragte er aufgeregt. "Ich weiß es nicht.", bekannte Legolas hilflos, "So etwas hätte erst in Bruchtal geschehen dürfen. Noch nie zuvor hat der Ring einen Träger akzeptiert." Rasch nahmen die beiden Gefährten ihre Waffen wieder an sich und schauten nach den Ringgeistern, doch diese starrten nur bewegungslos in das helle Licht, das Elisha umgab. Das Mädchen lag noch immer auf dem Boden, doch allmählich begann das Licht zu verlöschen. Es dauerte einige Minuten, bis sie die vollständige Kontrolle über ihren Körper wiedererlangte. Sie hatte bereits mitbekommen, daß es erstaunlich hell war und dieses Licht auch noch von ihr ausging, doch sie machte sich keine Sorgen darüber. Im Moment war einfach alles so, wie es schon immer hätte sein sollen. Als sie sich erhob, fühlte sie sich viel stärker als vorher. Aufmerksam schaute sie sich um. Ihre Gefährten standen ein paar Meter entfernt und starrten sie aus großen Augen an. Nur ein kleines Stück neben ihr befanden sich zwei Ringgeister, einer stehend, der andere am Boden. Die beiden schienen sich gerade aus ihrer Erstarrung zu lösen und auch die übrigen, die in der Nähe von Legolas und Gimli standen, regten sich wieder. Mit wenigen Schritten hatte das Mädchen die Distanz zu ihren Freunden überwunden. Ihre Blicke verunsicherten sie etwas, doch die Gefahr war nun wichtiger. "Wir müssen weg!", flehte sie und zog den Elben am Ärmel. Noch ein paar Sekunden schaute er sie verwundert an, dann hatte er sich wieder unter Kontrolle. "Du hast recht! Weg hier!" Er lief los und zog den Zwerg einfach hinter sich her. Elisha folgte ihnen. Sie hatten den gegenüberliegenden Waldrand fast erreicht. Elisha stand schon direkt davor, Legolas und Gimli waren nur wenige Schritte hinter ihr, da wurden sie erneut eingeholt. Das Schwert eines Nazgúl zischte nur wenige Zentimeter am Kopf des Elben vorbei und drängte ihn seitwärts. Schon waren die Ringgeister dabei, sie erneut auseinanderzutreiben, als das Mädchen erneut eine fremde Macht in sich spürte. Ruhig drehte sie sich um und schaute den heran stürmenden Reiter furchtlos an. "Nicht noch einmal!" Ihre festen Worte schienen ihren Gegner zu verunsichern, so daß er abbremste. Elisha erfaßte die Situation mit einem Blick. Wieder standen Gimli und Legolas einer Übermacht gegenüber, sie selber hatte nur einen Reiter vor sich , dafür den rettenden Wald direkt im Rücken. Nur noch ein Schritt und sie wäre in Sicherheit, doch sie blieb weiterhin stehen. Unruhig tänzelte das riesige Pferd vor ihr hin und her. Der Reiter schien sich nicht dazu entscheiden zu können, sie anzugreifen. Mit einer langsamen Bewegung hob sie die Hand, an der sie den Ring trug. Die Handfläche zeigte genau auf den Ringgeist, der offenbar noch immer nicht entschieden hatte, was er tun sollte. Nun wurden auch die anderen Nazgúl auf die seltsame Szene aufmerksam. Sie ließen von ihren Gegnern ab und näherten sich dem Mädchen. Nur wenig später standen ihr alle neun Ringgeister in einer Reihe gegenüber. Legolas und Gimli hielten sich zurück, beobachteten nur, stets bereit einzugreifen, wenn es nötig werden würde. Die grauenvollen Reittiere verhielten sich wie jedes normale Pferd, das eine Gefahr witterte. Sie waren unruhig, traten auf der Stelle und bliesen die Nüstern. Ihre ebenso furcheinflößenden Reiter mußten all ihre dämonische Macht aufwenden, um sie ruhig zu halten. Und noch immer war Elishaìs Handfläche ihnen entgegen gerichtet. "Verschwindet hier!", sprach sie leise. Die Ringgeister standen ihr gegenüber, unsicher, wie sie reagieren sollten. "VERSCHWINDET HIER!", schrie Elisha mit aller Kraft. Eine unsichtbare Macht traf die Ringgeister wie eine Wand, warf sie nach hinten, ließ die Pferde straucheln und ihre schwarzen Reiter zu Boden fallen. Kraftlos ließ das Mädchen die Hand sinken. Verstört sah sie ihren Freunden entgegen, die an den Feinden vorbeigelaufen waren und ihr nun entgegenkamen. Legolas und Gimli ergriffen sie an den Armen und zogen sie den letzten Schritt in den rettenden Wald. Dort blieben sie stehen. Wütend waren die Nazgúl aufgesprungen, als die Macht des Mädchens erloschen war, doch vor dem Wald blieben sie stehen, wie vor einer Mauer. Die Pferde bäumten sich auf, wollten ihren Gegnern folgen, doch sie gelangten nicht in den Elbenwald. Noch immer standen die drei Gefährten dicht zusammengedrängt, konnten es kaum glauben, daß sie nach all diesen Gefahren in Sicherheit waren, doch die Reaktion der Ringgeister bewies es. Hilflos klammerte sich Elisha an der Kleidung des Elben fest. "Was ist mit mir passiert?" Flehentlich schaute sie ihn an, suchte in seinen Augen nach einer Antwort, doch sie bekam keine. Mitleidig betrachtete er das Mädchen. "Ich weiß es nicht. Vielleicht kann Elrond dir helfen." Sie nickte nur schwach, kurz bevor sie endgültig das Bewußtsein verlor. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)