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Erwachen

von

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Ein Tag in einer fremden Welt

Die Sonne fiel durch das dichte Geäst des Baumes und zeichnete phantasievolle Muster auf den Boden. Die schmale Gestalt, die zusammengekrümmt zwischen den Wurzeln lag, gähnte lautstark und streckte sich. Stöhnend erhob sie sich schließlich und schaute sich verwirrt um. Nach ihren wirren Träumen in der letzten Zeit, hatte sie sich des öfteren auf dem Boden oder in seltsamer Lage auf dem Bett wiedergefunden, doch noch nie war sie unter einem Baum aufgewacht.

Nur langsam kam die Erinnerung an die vergangene Nacht wieder. Sie war gerannt, geflohen vor grausamen Alptraumgeschöpfen. Sie war in den Fluß gesprungen und war dadurch entkommen. Sie mußte ziemlich erledigt gewesen sein, daß sie tatsächlich mitten in der Gefahr eingeschlafen war. Kopfschüttelnd schaute sie an sich hinab. Sie gab einfach eine erbarmungswürdige Figur ab. Das Nachthemd war zwar getrocknet, doch hing es jetzt zerknittert an ihr herab. Die kurzen Ärmel waren fast völlig abgerissen und auch der Rest des recht kurzen weißen Baumwollhemdes war in fürchterlichem Zustand. Überall waren Risse darin und die meisten hatten einen rötlich braunen Rand von getrocknetem Blut. Mit Erstaunen stellte Elisha fest, daß es wohl ihr Blut sein mußte. Ein kurzer Blick unter das Hemd bestätigte es. Sie war von Kopf bis Fuß zerkratzt, höchstwahrscheinlich von den Zweigen, zwischen denen sie in der Nacht langgerannt war. Ihre Rippen schmerzten auf der rechten Seite ganz fürchterlich und sie mußte auch feststellen, daß ihre gesamte rechte Seite in allen Blautönen schimmerte. Das mußte wohl geschehen sein, als sie im Fluß unter Wasser gezogen wurde. Er war eben nicht so tief, wie sie gedacht hatte. Sie verzog das Gesicht und schaute noch etwas weiter nach unten. Auch ihre Beine waren von blauen Flecken übersät und ihre Füße gaben ein gutes Beispiel dafür ab, warum man nicht barfuß durch einen Wald rennen sollte.

Mit einem Seufzen löste sie den Blick von ihrem zerschundenen Körper und sah sich lieber um. Der Baum unter dem sie stand, gehörte wohl wieder zu einem Wald. Doch dieser Wald sah nicht so düster und undurchdringlich aus. Vielleicht lag es auch nur daran, daß die Sonne schien und die sanften Strahlen, die durch die Blätter fielen, das Mädchen wärmten. Wenn sie nicht gerade in einem Nachthemd dagestanden hätte und ihr Magen nicht so laut knurren würde, hätte sie sich sogar wohl gefühlt.

Sie ließ ihren Blick weiter schweifen. Auf der anderen Seite des Flusses war noch immer eine sanfte grüne Graslandschaft - ein unsicherer Ort, wenn man gerade verfolgt wird. Allerdings war von den schwarzen Reitern weit und breit weder zu hören noch zu sehen. Der Wald vor ihr sah geradezu einladend aus - Sonnig, in einem satten grünen Farbton, überall auf dem Boden wuchsen Moos und kleine farbige Blumen. Vorsichtig kletterte Elisha aus den Wurzeln und setzte den ersten Schritt auf den Waldboden. Das Moos gab leicht nach und es schien, als würde die Erde bei jedem Schritt ein wenig federn, was ihren geschundenen Füßen gut tat. So drang sie tiefer in den Wald ein. Sie hatte sich so oder so verlaufen, und in den Tiefen des Waldes fühlte sie sich zumindest vor ihren Verfolgern sicherer.
 

Es war bereits Mittag geworden. Elisha war stundenlang durchmarschiert und wollte mehr und mehr einfach nur nach Hause! Sie war todmüde und ihr Magen knurrte immer lauter und forderte sein Recht auf etwas zu essen. Das Mädchen war zwar an vielen Büschen mit Beeren vorbeigekommen, sie hatte auch schon einige Pilze gesehen, doch sie kannte sie alle nicht. Sie wagte es nicht, etwas zu essen, was vielleicht giftig sein konnte. Allmählich wurde der Wunsch in ihr übermächtig, sich einfach hinzulegen und einzuschlafen. Vielleicht würde sie ja in ihrer Welt erwachen? Doch sie gab sich dieser Illusion nicht hin. Und sie fürchtete die Nacht. Bis dahin, hoffte Elisha, würde sie vielleicht doch schon ein Dorf gefunden haben.
 

Weitere Stunden vergingen und Elisha fühlte sich immer elender. Ihr Hunger wuchs, jeder Knochen in ihrem Körper tat weh und die Hoffnung auf eine Nacht in einem Dorf schwand dahin. Die Aussicht auf eine weitere Nacht in der Wildnis, vielleicht wieder mit den schwarzen Reitern im Nacken, brachte sie an den Rand einer Panik. Allmählich stieg eine immer mächtiger werdende Furcht in ihr auf, die sie bis jetzt hatte verdrängen können - die Furcht, hier im Nirgendwo elendig zugrunde zu gehen.

Trotz ihres erschöpften Zustandes begann sie wieder zu rennen. Irgendwo mußte der Wald doch ein Ende haben! Die Sonne war bereits kurz davor unterzugehen und es wurde beängstigend dunkel um sie herum. Die hübschen Blumen schlossen bereits ihre Blüten und bereiteten sich so auf die Nacht vor. Auch die Vögel wurden merklich leiser und es mischten sich dafür andere Geräusche in ihren verklingenden Gesang. Es raschelte unheimlich und der aufkommende Wind rauschte bedrohlich durch die Baumwipfel. Immer wieder schaute sich Elisha um, versuchte sich an irgend etwas zu orientieren, doch es gelang ihr einfach nicht. Sie könnte schon seit Stunden im Kreis laufen, und sie würde es nicht einmal bemerken. Sie war nun wirklich kurz davor einfach durchzudrehen und kopflos ins Dickicht zu stürmen, doch da bemerkte das Mädchen endlich einmal etwas anderes, als nur endlose Bäume. Irgendwo links von ihr, weit weg und gerade noch sichtbar, erschien der sanfte Lichtschein eines aufflammenden Feuers. Jemand mußte dort sein Lager aufgeschlagen haben, und das bedeutete, daß Menschen in der Nähe waren. Einen Augenblick überlegt Elisha noch, ob das vielleicht dunkle Reiter sein konnten, doch dann verwarf sie diesen Gedanken. So unheimlich unmenschliche Wesen brauchten bestimmt kein Lagerfeuer für eine komfortable Nacht! Trotzdem blieb das Mädchen vorsichtig. So leise wie sie konnte, schlich sie sich in Richtung des Lichtes. Aufmerksam beobachtete sie den Waldboden und vermied es, auf trockene Blätter oder Äste zu treten. Sie war stets gern im Wald gewesen, und ihre Fähigkeit, sich darin zu bewegen, kam ihr jetzt zugute.
 

Es kostete sie fast eine Viertelstunde, den Lagerplatz der Fremden zu erreichen, und es war in dieser Zeit nun wirklich finster geworden, doch dafür war es Elisha gelungen, sich unbemerkt anzuschleichen. Hinter einer großen, knorrigen Eiche nur ein paar Meter vom Lagerplatz entfernt, fand sie Deckung. So faßte sie den Entschluß, erst einmal unbemerkt die Situation zu beobachten. Immer wieder zog das Feuer die Blicke des Mädchens auf sich. Es war nur klein, und es war ein Wunder, daß sie es nicht übersehen hatte, doch selbst sein Anblick schien Wärme und Sicherheit zu spenden. Am Feuer hielten sich zwei seltsame Gestalten auf und Elisha war sehr froh, daß sie nicht einfach kopflos dazu gerannt war. Die kleinere Gestalt saß an der Feuerstelle und aß etwas. Es schien ein großes Stück Fleisch zu sein und ließ Elisha das Wasser im Munde zusammenlaufen.

Sie preßte beide Hände über ihren Magen, um sich nicht durch ein lautes Knurren zu verraten. Als sie ihren Körper wieder unter Kontrolle hatte, betrachtete sie weiter die Szene auf dem Lagerplatz. Die kleine, bärtige, irgendwie gedrungene Gestalt stocherte im Feuer herum und murmelte etwas unverständliches vor sich hin. Beeindruckender war sein Gefährte. Es war ein schlanker, recht großer junger Mann, der an einem Baum lehnte und seinem Reisegefährten schmunzelnd zusah. Das auffallendste an ihm waren, außer seinem ungewöhnlich gepflegten Aussehen in dieser Wildnis, seine spitz zulaufenden Ohren. Auch ohne den Film "Herr der Ringe" bis zum Ende gesehen zu haben, hatte Elisha doch genug darüber gehört, um zu wissen, wen sie da vor sich hatte. Das waren tatsächlich ein Elb und ein Zwerg. Sie war sich sicher, daß sie im Film zu den Guten gehörten, doch das hier war kein Film, auch kein Traum, sondern ihre Wirklichkeit. Und sie hatte keine Lust aus Unwissenheit in eine Falle zu laufen, die ihrem Leben ein verfrühtes Ende setzen könnte.

Wieder begann ihr Magen zu rumoren. Sie war immer so mäklig gewesen was das Essen anging, doch im Moment hätte sie einfach alles gegessen. Interessanter fand sie dagegen die Dinge, die da über dem Feuer schmorten. Auch neben dem Feuer lagen nicht nur weitere Fleischstücken, sondern auch Beeren, Pilze und verschiedene Frucht- und Gemüsesorten. Wieder kostete es das Mädchen einige Mühe, ihren Magen, der zu gerne einen lautstarken Protest gegen die schlechte Behandlung abgeben wollte, vom Knurren abzuhalten. Sie kauerte sich hinter dem Baum zusammen und überlegte, wie sie an die Nahrung gelangen könnte. Ihr Gewissen verbot ihr, das Essen zu stehlen, doch Hunger kannte keine Moral. Ihre Gedanken drehten sich schnell nur noch um das begehrte Essen, was sich in unmittelbarer Nähe befand und doch unerreichbar war. Der Duft von gebratenem Fleisch stieg ihr in die Nase, als der Zwerg ein weiteres Stück davon ins Feuer hielt. Elisha schloß die Augen und versuchte sich zu konzentrieren, doch es fiel ihr zu schwer. Am liebsten wär sie einfach wie eine Wilde über den Lagerplatz hergefallen und hätte sich über die Nahrung hergemacht. Doch sie bezweifelte nicht, daß diese beiden Kerle doch um einiges stärker waren als sie. Nicht zu vergessen, daß es zwei gegen einen stand.
 

Eine weitere Stunde war vergangen und es schien bereits mitten in der Nacht zu sein. Das Feuer glimmte nur noch und die beiden Fremden hatten sich zur Ruhe begeben. Noch immer hockte Elisha hinter dem Baum und schaute gierig auf die großzügigen Essensreste, die neben der fast ausgebrannten Feuerstelle lagen. Die seltsamen Gestalten schienen zu schlafen und das Mädchen hatte den festen Entschluß gefaßt, die Reste zu stehlen. Nur noch der Mut fehlte. Es war schon seltsam, ein paar Wesen, die definitiv keine Menschen waren, zu bestehlen, doch Hunger und Verzweiflung konnten einem Menschen viel Kraft und Mut geben. Langsam erhob sie sich und trat probeweise ein paar mal auf der Stelle. Ihre Füße waren nicht eingeschlafen und gehorchten ihr noch. Zufrieden schlich sie sich hinter dem Baum hervor. Vorsichtig näherte sie sich dem Rastplatz, die Augen fest auf das Ziel gerichtet. Verlockend lagen die gebratenen Pilze auf einem großen Blatt aufgeschichtet. Gleich daneben befand sich ein großes Stück Baumrinde, in dem die letzten Fleischstücken warteten. Eine kleine Ledertasche schien mit Früchten gefüllt zu sein. Es sah alles danach aus, als wäre das Frühstück vorbereitet, doch Elisha hatte ihrem Gewissen eingeredet, daß die beiden genug zum Abendessen hatten. Sie hingegen war verzweifelt und hungrig und es würde nur fair sein, wenn auch sie etwas essen durfte. Vielleicht könnte sie ja herausfinden, welche Pilze im Wald ungiftig waren und welche Beeren sie essen durfte.

Schritt für Schritt schlich sie sich näher heran. Mit jedem Meter den sie zurücklegte, kam das Essen mehr in ihre Reichweite. Nur noch ein Schritt - schon stand sie davor. Lautlos nahm sie das Blatt mit den Pilzen auf und packte noch ein großes Fleischstück obendrauf. Dann griff sie sich die Ledertasche und legte sie auch auf das Blatt zu allem anderen. Gerade wollte sie sich umdrehen und zurückschleichen, als ihr Blick erstmals über die beiden Gestalten glitt. Nun, wo sie ihr Essen sicher hatte, wollte sie nur noch sichergehen, daß die beiden wirklich schliefen, doch mit Entsetzen stellte sie fest, daß die Augen des Elben geöffnet und auf sie gerichtet waren. Erschrocken machte sie einen Schritt zurück und trat dabei auf einen Stapel trockener Zweige, die wohl als Brennholz dienen sollten. Ein lautes Knacken erscholl und klang in der Stille des nächtlichen Waldes laut wie der Donnerschlag eines Gewitters. Mit weit aufgerissenen Augen blieb sie stehen und schaute zu den Gestalten am Boden. Als sich eine Hand um ihren Knöchel schloß, trat sie nur blindlings zu, befreite auf diese Weise ihr Bein und rannte los.
 

Sie preßte das erbeutete Essen an ihren Körper und lief so schnell sie konnte. Hinter sich hörte sie einen wütenden Schrei, als die beiden Fremden realisierten, daß ihnen gerade ihr Frühstück entwendet worden war. Zufrieden grinste Elisha in sich hinein. Sie gab wohl doch einen ganz passablen Dieb ab. Der Fehler von eben würde ihr nicht noch einmal passieren. Sie hatte sich so auf das Essen konzentriert, daß sie die beiden Besitzer des Diebesgutes völlig vergessen hatte. Doch in der Dunkelheit der Nacht fühlte sie sich vollkommen sicher. Sie rechnete sich einen guten Vorsprung aus und blieb nun stehen. Sie duckte sich hinter einen Baum und rechnete fest damit, daß in wenigen Sekunden zwei wütende Gestalten an ihr vorbeirennen würden. Ihr Plan schien aufzugehen. Schon hörte sie, daß auf der rechten Seite neben ihr jemand vorbei stapfte. Es war eine recht kleine Gestalt, die lauthals über den Verlust des guten Fleisches fluchte. Elisha grinste. Den hätte sie schon mal reingelegt. Nun fehlte nur noch der Lange. "Rühr dich nicht von der Stelle, wenn du nicht willst, daß mein Pfeil dich trifft!" Ihr Grinsen erstarb. Das mußte er wohl sein, und er hatte sie tatsächlich gefunden. Oder bluffte er nur? Lautlos erhob sie sich und überlegte, wohin sie unbemerkt verschwinden könnte. "Du denkst, ich sehe dich nicht?" Die Stimme klang belustigt, was Elisha nicht nur beängstigte, sondern sie auch in Wut versetzte. "Hast du den Dieb?", erklang eine rauhe Stimme aus dem Hintergrund. "Ja. Es ist nur ein Mädchen." Der Zwerg polterte näher. Er mußte ziemlich wütend sein, was dem Mädchen nun wirklich Angst einjagte. Was würde er wohl mit ihr tun? Doch das schienen sich auch die beiden Fremden zu fragen. "Hast du das Fleisch wieder? Es ist hier so dunkel, man kann ja nicht einmal die Hand vor Augen sehen!", wetterte der Zwerg. "Du gehst jetzt zum Lager zurück, Mädchen. Und leg alles wieder zurück, was du gestohlen hast!" Die Stimme des Elben klang ruhig und doch bestimmend. Elisha wagte es nicht zu widersprechen. Sie trat hinter dem Baum hervor und schlug ungefähr die Richtung ein, aus der sie gekommen war. "Zum Lager hab ich gesagt!", hörte sie erneut eine Stimme hinter sich. "Wo ist es denn?", fragte sie zaghaft. Sie wollte die beiden nicht noch mehr verärgern, als sie es ohnehin schon getan hatte, doch in dieser Finsternis würde sie niemals zum Lager zurückfinden. "Gute Frage!", hörte sie die Stimme des Zwergs hinter sich. Nur mühsam konnte sie sich ein Lachen verkneifen, doch die Situation war zu ernst.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: abgemeldet
2003-05-03T05:45:39+00:00 03.05.2003 07:45
Wann get's den weiter?
Von: abgemeldet
2003-04-06T18:09:21+00:00 06.04.2003 20:09
ich hab mir nochmal alle drei teile durchgelesen
ich muss sagen die story ist echt super
schreib schnell weiter *hundeblick*
Von:  decima
2003-04-03T19:33:48+00:00 03.04.2003 21:33
wo ist der charmante schleimer Legolas abgeblieben? *verzweifel* er soll das arme kind nicht so anbrüllen!!!
Und ich will wissen, wie es weitergeht!
Also schreib schnell!!! bitte
DC
Von: abgemeldet
2003-02-24T17:11:41+00:00 24.02.2003 18:11
cooool! schnell weiterschreiben!!!!!


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