Abseits des Weges von Flordelis (Erinnerungen sind wie Fragmente) ================================================================================ Manchmal wandelt sich Freundschaft eben --------------------------------------- Urlaub war mit Sicherheit das beste, was es für Nolan in einem ansonsten eifrigen Arbeitsjahr geben konnte. Besonders, wenn man diesen Urlaub in Gladshem verbringen konnte, dem Ort, an dem sich das ganze Jahr über Künstler der verschiedensten Richtungen aufhielten – und an dem es in jedem Sommer ein farbenfrohes Fest gab, zu dem das Leben und die Kunst gefeiert wurde. Er liebte diese Feier und versuchte deswegen stets, seinen Urlaub in diesen Zeitraum zu legen. Glücklicherweise war Frediano gütig genug, um ihm diesen Wunsch immer zu erfüllen – dass sie miteinander befreundet waren, half sicherlich ebenfalls. So konnte Nolan auch in diesem Jahr wieder einmal über das Fest schlendern. Über die Straßen gespannte bunte Girlanden wehten leicht im Wind, so dass es aussah, als würden sie gern mit zu der Musik tanzen, die vom Hauptplatz aus durch die gesamte Stadt zu klingen schien. Parallel zur Straße waren Seile gespannt, an denen leuchtende Lampions hingen, die sich die allergrößte Mühe gaben, die Dunkelheit mit ihrem warmen, gelblichen Leuchten zu vertreiben. Was sie nicht schafften, wurde von den Beleuchtungen der einzelnen Stände übernommen, an denen man allerlei Dinge kaufen konnte, es fing bei Souvenirs an und erstreckte sich dann über all jene Kunstgegenstände, die von Bewohnern und Besuchern der Stadt angefertigt worden waren. Wie jedes Jahr hielt er wieder am selben Stand inne, an dem Bilder und Bücher ausgestellt waren. Eine junge, rothaarige Frau hütete den Stand, saß aber weiter hinten in einer Ecke auf einem Stuhl und war darin vertieft, eine lange Pergamentrollen mit Worten zu füllen. Sie wirkte derart in das Schreiben versunken, dass Nolan es nicht übers Herz brachte, sie zu unterbrechen, auch wenn ihn interessiert hätte, wo der Mann geblieben war, den er die letzten Jahre hier angetroffen und mit dem er sich immer nett unterhalten hatte. So lief er allerdings direkt weiter, um zum Hauptplatz zu kommen, von wo aus nicht nur die Musik erklang, sondern auch der Geruch von Essen hergeweht wurde; für ihn eine der wichtigsten Stationen, wann immer er die Feier besuchte. Neben den Buden, an denen man Essen bekommen konnte, gab es in der Mitte des Platzes eine Tanzfläche – die um einen großen Brunnen herum aufgebaut worden war – auf der ein halbes Dutzend Paare in großzügiger rot-weißer Trachtenkleidung, die bei jeder Bewegung hinter ihnen wehte, tanzte. Nolan lächelte ein wenig, als er die Tanzenden beobachtete und dabei feststellte, dass neben einigen älteren Leuten auch viele junge Paare dabei waren, die offenbar an dieser Tradition interessiert waren und auch ihren Spaß bei dieser Sache hatten. Unwillkürlich musste er an seinen ersten Besuch dieses Festes denken und auch, wie sehr er sich schon bei diesem gewünscht hatte, nicht allein hier zu sein. Es musste ja nun nicht eine Frau sein, seit er Kavallerist war, blieb ihm ohnehin nicht mehr viel zu Zeit für Beziehungen, nein, vielmehr wünschte er sich, gemeinsam mit Landis ein solch großes Fest besuchen zu können. Auch in Cherrygrove war gefeiert worden, als sie noch Kinder gewesen waren, aber niemals so groß wie in dieser Stadt und er war davon überzeugt, dass es seinem Freund ebenfalls gefallen würde. Er seufzte innerlich bei diesem Gedanken. Konnte man jemanden, der einem vor zwei Jahren ins Gesicht gesagt hatte, dass er einen hasste, wirklich noch als Freund bezeichnen? Wann immer er dieses Erlebnis in seinem Kopf Revue passieren ließ, kam es ihm vor, als wären Landis' Worte eine verzweifelte Lüge gewesen – aber vielleicht redete er sich das nur ein, um sich selbst davon abzuhalten, seinen besten Freund nicht mehr zu mögen. Er wollte weiterhin auf seine Rückkehr, auf ein Wiedersehen, hoffen und auch auf eine Aussprache, egal, was zwischen ihnen vorgefallen war und das ging nur, wenn er sich immer wieder ins Gedächtnis rief, wie nah sie beide sich seit ihrer Kindheit gestanden hatten. Nah genug, dass nicht einmal Frauen je zwischen sie gekommen waren... jedenfalls nicht ernsthaft. Schließlich wandte er sich von den Tänzern ab und ging lieber an eine der Buden, um endlich zu essen. Wie jedes Jahr gab es eine reichhaltige Auswahl, das sich über verschiedenes Fleisch, Fisch – beides in allerlei Variationen – gebackene Teigwaren und auch Nudeln erstreckte, alles selbstverständlich frisch zubereitet. Nolan entschied sich für eine Bude, die Nudeln anbot und grüßte den gut gelaunten Verkäufer. „Eine Portion Curry-Nudeln“, antwortete er auf die Frage, was es sein dürfte. Der Verkäufer nickte verstehend und machte sich sofort an die Zubereitung. Nolan wiederum drehte sich zur Seite und sah sich um, als hoffte er tatsächlich, irgendjemanden zu entdecken, den er kannte. Allerdings erkannte er bald, dass all jene Personen gerade in New Kinging oder in Cherrygrove waren – und Personen aus Jenkan besuchten keine derartigen Feste. Landis hatte diese Leute nicht umsonst immer als Spießer bezeichnet. Während er wieder in Gedanken zu versinken drohte, hörte er hastige Schritte hinter seinem Rücken, die an der Bude innehielten. „He“, sagte der Neuankömmling kurzatmig. „Eine Portion Curry-Nudeln, bitte.“ Die Stimme kam Nolan allzu gut bekannt vor, aber er verwarf diesen Gedanken, ohne sich umzudrehen, weil er überzeugt war, dass seine Ohren ihm nur einen Streich spielten und er enttäuscht sein würde, wenn er sich umdrehte und dort nicht Landis vorfand. „Kommt sofort“, erwiderte der Verkäufer. „Aber Kumpel, du siehst echt nicht gut aus. Probleme?“ Der andere schnaubte. „Frauen eben...“ Das brachte den Mann hinter der Theke zum Lachen. „Ich weiß, was du meinst. Die können einem echt auf die Nerven gehen und sie wissen auch nie, was sie selbst wollen.“ Der Fremde stimmte ihm zu, lachte dabei zwar nicht, aber an seiner Stimme war deutlich hörbar, dass er gerade lächelte – und Nolan wusste gleichzeitig, dass es kein echtes Lächeln war, ohne hinzusehen. Um sich davon zu überzeugen, dass es wirklich nicht Landis war, drehte Nolan sich um – und hielt wie elektrisiert inne, als es tatsächlich sein bester Freund war, den er gerade vor sich sah und der ihn im Moment nicht weiter beachtete, weil er hungrig zu den kochenden Nudeln hinüberstarrte. Das gab Nolan die Gelegenheit, den anderen zu betrachten und dabei erschrocken festzustellen, dass Landis überraschend dünn geworden war. Noch dazu war er blass und Nolan hoffte, dass es nur in diesem Moment so war und er nicht ähnlich wie damals als Kind wieder angefangen hatte, diese furchtbaren Albträume zu haben. Diese Erinnerung ließ unzählige Emotionen in seinem Inneren hochkochen, die fast dafür gesorgt hätten, dass er ihn einfach aus dem Nichts heraus umarmt und ihn damit vermutlich zu Tode erschrocken hätte. Seine Ausbildung gab ihm aber die Möglichkeit, sich zu beherrschen – emotionale Ausbrüche in einem Kampf konnten immerhin tödlich enden – und seinen Gegenüber weiterhin nur anzusehen und darauf zu warten, dass dieser endlich den Blick von den Kochtöpfen nehmen würde. Und tatsächlich bemerkte er offenbar, dass er angestarrt wurde, denn schon einen kurzen Moment später, wandte er Nolan den Blick zu – und erstarrte ebenfalls, die Lippen aufeinandergepresst. Schweigend starrten sie sich mehrere Sekunden lang nur an und Nolan las deutlich in Landis' Augen, dass er sich nicht sicher war, ob das, was er sah, wirklich da war oder nur eine Einbildung. Deswegen beschloss Nolan, ihm zu bestätigen, dass er anwesend war: „He, Lan. Wie geht’s?“ Immer noch ungläubig streckte Landis nun den Arm aus und klopfte ihm auf die Schulter, was ihn wirklich zu überzeugen schien. „He, No...“ „Ah, kennt ihr euch?“, fragte der Verkäufer, während er beiden eine Schüssel mit dampfenden Nudeln hinstellte. „Zahlt ihr dann vielleicht zusammen?“ Landis wollte widersprechen, aber Nolan schnitt ihm das Wort ab und zog mehrere Münzen hervor, die er auf den Tresen legte: „Klar, ich übernehme das.“ Der Verkäufer lächelte zufrieden, bedankte sich und wandte sich dann anderen Kunden zu. Landis senkte den Kopf und begann zu essen – und so wie er aussah und sich dabei beeilte, störte Nolan ihn lieber nicht dabei und aß ebenfalls. Erst als seine Schüssel zur Hälfte geleert war, aß er wieder langsamer und Nolan ergriff die Gelegenheit, das Gespräch zu beginnen: „Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen?“ Nachdenklich runzelte Landis die Stirn, seine sich bewegenden Lippen zeigten, dass er tatsächlich dabei war, etwas zu zählen und so lange wie er brauchte, hoffte Nolan, dass es sich dabei höchstens um Stunden handelte. „Seit gestern Morgen“, antwortete er schließlich. „Heute bin ich zu spät aufgestanden und als Strafe gab es kein Frühstück.“ „Was war gestern mit Mittag- und Abendessen?“, hakte Nolan nach, er konnte nicht verstehen, wie Landis überhaupt noch fähig war, sich auf den Beinen zu halten. „Ausgefallen, weil ich zu tun hatte“, lautete die knappe Antwort. „Ist wohl ziemlich anstrengend, so mit einer Ehefrau und einer Familie.“ Es war einfach ins Blaue geraten und dennoch versetzte Nolan allein der Gedanke an diese Möglichkeit einen Stich in der Brust – einen jener Art, den er sonst nur hatte, wenn er hatte erkennen müssen, dass die von ihm Angebetete kein Interesse an ihm besaß oder bereits anderweitig vergeben war. Dementsprechend erleichtert war Nolan, als Landis amüsiert schmunzelte und den Kopf schüttelte. „Ich bin doch nicht verheiratet, meine Güte. Dafür hänge ich wohl auch noch zu sehr an meiner Vergangenheit.“ Er sagte nichts weiter und blickte stattdessen wieder auf seine Schüssel hinunter, in der inzwischen der Boden zu sehen war. Nolan ging allerdings auch ohne jedes weitere Wort automatisch davon aus, dass er Oriana meinte und das versetzte ihm einen weiteren Stich. Um das allerdings erst einmal zu vergessen, nahm er sich die Freiheit noch eine Portion für Landis zu bestellen, was dieser mit leuchtenden Augen zur Kenntnis nahm. „Was tust du jetzt eigentlich?“, fragte Nolan. „Wie lebst du so?“ Landis' Gesicht verdüsterte sich sofort. „Na ja, ich mache mal dies und mal das... und im Allgemeinen nicht viel. Ich lebe mit ziemlich vielen Frauen zusammen, das ist anstrengend genug.“ Er seufzte tief und schob sich einige Nudeln in den Mund. In Nolan weckte diese Antwort derweil einige Fragen und die wichtigste davon war: „Du lebst aber nicht in einem Bordell, oder?“ Schlagartig brach Landis in ein geradezu hysterisches Gelächter aus, das rasch in Husten mündete, als er sich an seinen Nudeln verschluckte. Nolan klopfte ihm auf den Rücken, bis es wieder zu einem Lachen wurde. „Was war das denn für eine Frage, No?“ „Na ja...“ Er entschied sich, die weniger ernste Alternative für eine Antwort zu wählen: „Würdest du in einem leben, hätte ich dich unbedingt zu Hause besuchen müssen.“ „Da fällt mir ein, dass dein Vater uns versprochen hatte, mal in eines mitzunehmen“, erwiderte Landis, nachdem er darüber wieder nur hatte lachen können. „Schade, dass daraus nie was geworden ist.“ „Ja“, sagte Nolan mit einem gequälten Lächeln, als er wieder an jene Nacht zurückdachte. Aber zu seinem Glück wechselte Landis bereits wieder das Thema: „Nun, wie auch immer, ich lebe jedenfalls nicht in einem solchen. Wäre aber vielleicht weniger nervig. Wie ist es mit dir?“ „Oh, ich bin Kavallerist – auf Urlaub. Nichts Außergewöhnliches also.“ Landis nickte verstehend. „Ja, das dachte ich mir eigentlich... Na ja, solange es dir Spaß macht...“ Damit hatte sein Beruf nun wirklich weniger zu tun, aber es stand Nolan nicht der Sinn danach, darüber zu sprechen. „Es muss Schicksal sein, dass wir uns heute getroffen haben.“ Landis schmunzelte wieder. „Warum? Hast du heute erkannt, dass du unsterblich in mich verliebt bist?“ „Vielleicht“, antwortete Nolan und zwinkerte ihm zu, aber die leise Stimme in seinem Inneren, die ihm zuflüsterte, wie wahr das doch wäre, ließ sich nicht davon überzeugen, dass er es nicht ernst meinte. „Eigentlich jedoch wollte ich immer mal dieses Fest mit dir besuchen, weil ich immer dachte, dass es dir gefallen könnte.“ In Landis' darauf folgendem Lächeln war deutlich Freude zu erkennen, die ohne jedes Wort verriet, wie glücklich er darüber war, dass sein bester Freund immer noch derart wohlwollend an ihn dachte. „Wenn du satt bist – he, ich bestell dir auch noch eine dritte Portion, wenn du willst – müssen wir uns unbedingt genauer umsehen.“ Landis lächelte ihn glücklich an und nickte, ehe er sich wieder auf seine Nudeln konzentrierte. Es waren insgesamt vier Portionen, die Landis benötigte, um endlich satt zu sein, aber Nolan störte sich nicht weiter daran. Stattdessen freute er sich darüber, dass während des Essens endlich wieder Farbe in das Gesicht seines Freundes zurückkehrte. Dabei achtete er auch sorgsam darauf, nicht noch einmal das Thema anzusprechen, was Landis im Moment tat oder bislang getan hatte, da es ihn äußerst unglücklich zu machen schien und Nolan ihn nicht so sehen wollte. Nein, im Gegenteil, er wollte ihn so glücklich wie möglich machen, auch wenn er nur eingeschränkte Mittel er dafür zur Verfügung hatte. So blass und unglücklich er zu Beginn ausgesehen hatte, so sehr kehrte auch der alte Landis wieder zurück, während sie weiter das Fest besichtigten. Die grünen Augen seines Freundes glühten voll kindlicher Freude über all das, was es zu entdecken gab, selbst wenn es sich dabei nur um ein Bild handelte, dessen Sinn sich Nolan nicht einmal ansatzweise erschloss. Je weiter die Nacht voranschritt, desto deutlicher kristallisierte sich Landis' altes Ich heraus, wie Nolan wohlwollend zur Kenntnis nahm. Zur gleichen Zeit merkte er aber auch immer deutlicher, dass die leise Stimme im Recht war und er sich nichts vormachen musste. Es war etwas, das er eigentlich schon vor so vielen Jahren erkannt, aber nie wirklich hatte wahrnehmen wollen und immer von ihm bereut worden war. Aber nun, in dieser Nacht, würde er die Gelegenheit nicht einfach so vorbeigehen lassen. Zum Abschluss des Festrundgangs beschloss Nolan ihm den Ort zu zeigen, an dem er sich am Ende immer hinsetzte, um sich erst einmal auszuruhen, ehe er ins Gasthaus zurückkehrte. Drei Treppen führten zu zu einer erhöhten Plattform, die auf der nahegelegenen Klippe lag. Dort oben stand neben einem kleinen Turm, der ein helles Licht aussendete, eine Bank, von der aus man über das angrenzende Meer aus Gras blicken konnte. Es war nicht dasselbe, als würde man einen echten Ozean bewundern, dessen Wasser im Mondlicht glitzerte, aber sobald der Wind die Grashalme zum Tanzen aufforderte, ähnelte das entstehende Rauschen durchaus dem des Meeres. Nolan saß gern an diesem Ort, um dem Rauschen und der leisen Musik vom Hauptplatz zu lauschen und dabei die entfernten Lichtpunkte anderer Städte am Horizont zu betrachten, wie sie nach und nach erloschen und ihm damit verrieten, dass es Zeit wurde, selbst ins Bett zu gehen. „Es ist schön hier“, sagte Landis, während er nun, auf der Bank sitzend, ebenfalls all das betrachtete. „Du hattest schon immer ein Händchen für solche Orte.“ „Jedem sein Talent, was?“ Nolan lachte wieder, aber Landis reagierte darauf nicht. „Lan, kann ich dich was fragen?“ „Versuch's einfach, dann werden wir es erfahren.“ Diese Erwiderung ließ Nolan unwillkürlich schmunzeln. „Wen hast du in der ganze Zeit am meisten vermisst?“ Es mochte eine kindische Frage sein, aber es interessierte ihn wirklich und von dieser Antwort würde abhängen, wie er weiter vorgehen sollte. Landis blickte schweigend in die Entfernung, aber es war deutlich, dass er nicht nachdachte, mit Sicherheit wusste er die Antwort bereits, war sich aber nicht sicher, ob er sie einfach so aussprechen sollte. Das konnte einiges bedeuten, wie Nolan wusste, da blieb ihm nur die Hoffnung, dass sie positiv für ihn ausfallen würde. „Wenn ich ehrlich sein soll“, begann Landis langsam, als fürchtete er die Reaktion des anderen, „dann warst das du... niemand sonst.“ Unwillkürlich griff er sich an die Brust, als würde sie schmerzen, ähnlich wie die von Nolan in den letzten Jahren. Aber nun wurde der Schmerz von einem unendlich wohltuenden Gefühl abgelöst. Selbst wenn das nur eine Lüge von Landis war, für ihn war es in diesem Moment genug – und er fühlte sich derart gut, dass er sich unbedingt bewegen musste. Er stand wieder auf und zog den verblüfften Landis dabei mit sich. Kaum standen sie beide, begann Nolan auch direkt zu der Musik zu tanzen und seinen Freund dabei mitzuziehen. „W-was soll das?!“, zischte er verlegen und hielt dabei den Blick gesenkt. „Du weißt doch, dass ich nicht tanzen kann!“ Nolan lachte amüsiert, während er sich gleichzeitig auf die Führung konzentrierte und dabei überrascht feststellte, dass er noch mehr beherrschte, als er gedacht hätte. „Ja, ich weiß. Du hast den Tanzunterricht während der Ausbildung immer geschwänzt. Ria war stets wütend auf dich.“ Die Erwähnung des Namens sorgte ausnahmsweise nicht zu einer Verdüsterung von Landis' Gesicht. „Ja, daran erinnere ich mich auch.“ Konzentriert starrte er auf seine Füße hinab, damit er nicht Nolan aus Versehen auf die Zehen treten würde, denn seine Bewegungen waren weitaus weniger grazil als die seines Tanzpartners. „Aber ich habe auch absolut kein Rhythmusgefühl, das wäre also nur verschwendete Zeit gewesen.“ „Aber alle Kavalleristen müssen tanzen können“, erwiderte Nolan amüsiert. „Und so schlimm ist es doch gar nicht, oder?“ Landis erwiderte murmelnd etwas, das kaum zu verstehen war. Mit jeder Bewegungen schienen seine Tanzschritte ein wenig besser zu werden, was nicht zuletzt – wie Nolan vermutete – an seiner überragenden Führung lag. Als das Lied schließlich endete, blieben sie beide stehen, trennten sich aber nicht voneinander, sondern umarmten sich, als hätten sie nur auf diesen Moment gewartet. „Ich habe dich so sehr... vermisst“, murmelte Landis, das Gesicht gegen seine Schulter gedrückt. „Jeden... einzelnen... Tag...“ „Mir ging es genauso“, erwiderte Nolan, der noch vor gut zehn Jahren nie geglaubt hätte, so einmal mit Landis zu sprechen. „Und in all den Jahren wollte ich dir immer sagen, dass...“ Doch Landis schnitt ihm das Wort ab, indem er sich plötzlich von ihm losriss und ihm den Rücken zuwandte. „Nein, das geht alles nicht, nicht heute Nacht... ich muss wieder fort und du kannst nicht mitgehen. Dass ich überhaupt mit dir spreche, wird mir sicher Ärger einbringen.“ Nolan wollte ihn fragen, mit wem er diesen bekommen würde und warum es ihm, wenn ihn das alles so unglücklich machte, nicht möglich war, das alles einfach hinter sich zu lassen. Er wollte ihm anbieten, ihm zu helfen – aber er sagte nichts. Es war nicht das erste Mal, dass Landis einen Ton anschlug, der direkt verriet, dass es keinen Platz für Widerspruch gab und selbst nach all den Jahren erkannte er diesen noch allzu gut. Dagegen zu argumentieren war sinnlos, so sehr Nolan diese Erkenntnis auch schmerzte. „Wirst du irgendwann wieder zurückkommen?“ „Ich hoffe es“, antwortete Landis leise. Nolan wollte diese schlagartig angespannte Atmosphäre nicht hinnehmen und atmete tief durch. „Gut, das werde ich akzeptieren müssen... dafür kenne ich dich zu gut. Aber ich will dir etwas sagen, das dich vielleicht dazu bewegen wird, wirklich wieder zurückzukommen.“ Landis drehte sich nicht zu ihm und wartete darauf, was es noch zu sagen gab. Nolan trat auf ihn zu, schlang die Arme um ihn und näherte sich mit den Lippen seinem Ohr, um ihm lächelnd etwas zuzuflüstern: „Ich liebe dich, Landis.“ Als Nolan am nächsten Morgen in seinem Zimmer im Gasthaus erwachte, war er nicht sicher, ob seine Begegnung mit Landis nicht nur Teil eines Traums gewesen war. Sicher, es hatte sich echt angefühlt und er glaubte auch immer noch die Lippen seines Freundes auf seinen eigenen zu spüren, als Erwiderung auf das Geständnis. Aber vielleicht – er hielt das für gut möglich – hatte er sich auch nur betrunken, war dann ins Bett gefallen und das alles nur sehr lebhaft geträumt. Vielleicht wäre es auch besser, wenn er diese Möglichkeit als Tatsache akzeptieren würde, dann hielte sich die Enttäuschung in Grenzen, wenn er irgendwann die Wahrheit erfuhr. Immerhin blieb der obligatorische Kater danach aus, was ihm dabei half, seine Tasche zu packen und sich dann auf den Heimweg zu machen. Doch als er an der Rezeption vorbeikam, wurde er von einer Angestellten aufgehalten: „Sir Nolan! Ich habe hier eine Nachricht für Sie!“ Verwundert trat er an die Rezeption und ließ sich erklären, dass früh am Morgen jemand vorbeigekommen war, um einen Brief zu hinterlassen. Nolan konnte sich allerdings nicht vorstellen, wer das gewesen sein könnte, außer vielleicht... Mit einem strahlenden Lächeln überreichte sie ihm schließlich den Brief, ehe sie sich von ihm verabschiedete und nebenbei erwähnte, dass sie sich – wieder einmal – freuen würde, wenn er erneut bei ihnen zu Gast sein wollte. Er bedankte sich und verließ das Gasthaus. Erst als er in der Kutsche saß, die ihn zurück nach New Kinging bringen sollte, öffnete er den Umschlag und zog den Brief heraus. Es war keine ausschweifend geschriebene Nachricht, nur wenige Zeilen, aber er erkannte die Handschrift sofort und allein das verriet ihm, dass die Ereignisse der letzten Nacht nicht nur ein Traum gewesen waren. Eine erleichternde Erkenntnis, die ihn wieder einfacher Luft holen ließ. Deswegen konnte er diese Nachricht nur immer und immer wieder lesen und sie langsam verinnerlichen. Ich verspreche dir, dass ich eines Tages zurückkommen werde und dass dann alles besser werden wird. Warte bitte so lange auf mich, auch wenn das vielleicht zu viel verlangt ist und ich dir nicht einmal sagen kann, wann es soweit sein wird. Ich liebe dich, Nolan. Landis Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)