Schlag des Herzens von Deikith (Seto x Jonou) ================================================================================ Kapitel 1: Was man zu schätzen lernt ------------------------------------ Regen prasselte auf die asphaltierten Straßen von Domino City. An etlichen Häusern waren Leuchtreklamen angebracht, die in den zurückbleibenden Pfützen und Rinnsalen ein seltsames Lichtspiel verursachten. Auf einer Werbeleinwand konnte man eine Ankündigung zu einer neuen Turnier sehen und natürlich blieb das obligatorische Bild des Königs der Duellanten nicht aus: Mutou Yuugi. Der Blonde seufzte und zog den Kragen seiner Jacke etwas höher, um zu verhindern, dass Regentropfen ihren Weg in seinen Nacken fanden. Dort würden sie nur dieses unangenehme, kribbelnde Gefühl hinterlassen. Für einen Augenblick nahm Katsuya sich die Zeit, die Leinwand anzuschauen. Ihm wurde sofort klar, dass dieses Bild aus ihrer Schulzeit stammen musste, denn tatsächlich war besagter Duellant gar nicht mehr so aktiv. Zumindest war dies sein letzter Stand. Seit ihrem Schulabschluss war der Kontakt zu seinen ehemaligen Mitschülern mehr oder weniger abgebrochen – von einigen Ausnahmen abgesehen. War er ehrlich, so vermisste er die Zeit. Es war nicht immer einfach gewesen, aber egal was passiert war, so hatte jeder Moment auch heute noch eine besondere Bedeutung: seien es die Duelle, die kleinen und größeren Streitereien oder einfach nur ihre ganz persönlichen, eigenen Erinnerungen. Und nun? Sie waren an verschiedenen Universitäten, studierten andere Fächer und sahen sich nur noch selten. Hin und wieder kamen ein paar eMails an, aber mehr als das gab es da nicht. Als sie alle noch zusammen gewesen waren, hatte Katsuya sich über solche Dinge nie Gedanken gemacht. Die Zukunft war immer in weiter Ferne gewesen, nichts worüber es sich allzu früh nachzudenken lohnte. Nicht, dass er nun der Vergangenheit nachweinte, schließlich war es im Leben immer wieder so, dass die Wege sich trennten und man sich früher oder später aus den Augen verlor. Gerade nach Schulende war das beinahe schon normal. Er sollte sich nicht so viele Gedanken darüber machen, zumal er in seinem Studiengang schon ein paar nette Leute getroffen hatte. Und doch… Es war nicht dasselbe, würde es wohl auch nie sein. Das helle Licht einer Werbe- und Nachrichtenleinwand spiegelte sich auf der Straße und als Jonou aufschaute, erkannte er eine ihm sehr bekannte Person. Der Bildschirm zeigte irgendeine Nachrichtensendung – sehr wahrscheinlich ohnehin nur eine Wiederholung – denn außer aktuellen Geschehnissen, war es üblich, den Kunden irgendwelche Banalitäten in Endlosschleife vorzuführen, um keine schlechte Laune aufkommen zu lassen. Krieg und Leid sorgte einfach nicht für eine angenehme Stimmung beim Einkaufen. Der Geschäftsmann in seinem makellosen Anzug war kaum älter als er selbst. Jonou hatte wohl mehr Zeit mit ihm verbracht – zusammen mit seinen Freunden – als manch anderer jemals würde, vom dessen jüngerem Bruder mal abgesehen. „Kaiba Seto...“, dachte der Blonde im Stillen. Er hatte sich nicht verändert, aber zum Einen war noch nicht viel Zeit vergangen, seit die Schule zu Ende war und zum Anderen würde sich jemand wie er nicht einfach so ändern. Er konnte beinahe schon Kaibas Stimme hören „Ich habe keinen Grund mich zu ändern. Also verschwinde!“ Der Brünette hatte doch alles, und aus welchem Grund – außer seinen Bruder, zu dem er jedoch ganz anders war – sollte er sich ändern. Außerdem kam er doch so auch gut weiter in der Welt. Eine Weile betrachtete der Blonde die flimmernden Bilder. Er wusste nicht genau, worum es dort eigentlich ging, aber scheinbar hatte die Kaiba Corporation in irgendeinem Land mal wieder eine Firma aufgekauft. Es war also wie immer. Vielleicht war es gut, dass sich nicht alles im Laufe der Zeit änderte, sondern dass durchaus Dinge gab, die beständig waren. Auch wenn es nur um solche Banalitäten wie Firmenübernahmen ging. Lautlos seufzte Jonou. Vielleicht, wenn er ganz ehrlich war und tief in sich hinein lauschte, vermisste er die Dinge aus der Schulzeit doch mehr, als er gedacht hätte. Die Momente, in denen sie alle einfach nur in irgendeiner dieser langweiligen Stunden gesessen hatten. Aber er konnte die Zeit nicht zurückdrehen, und man lernte Dinge wohl immer erst dann zu schätzen, wenn man sie nicht mehr hatte. Die Schule war gar nicht so schlimm gewesen, wie sie ihm immer vorgekommen war. Doch je länger er die flimmernden Bilder betrachtete, umso mehr bekam er das Gefühl, dass es nicht so normal und gewöhnlich war, wie er bisher angenommen hatte. Er wusste nicht genau, was ihn letztlich störte, aber… Ehe er seine Gedanken weiter fortführen konnte, spürte er, wie sein Handy in der Tasche vibrierte. Ein Blick auf das Display bestätigte ihm einen eingehenden Anruf von Yuugi. Erfreut ging er an den Apparat. „Hey, das ist ja ein interessanter Zufall. Ich laufe gerade durch die Stadt und denke an früher, weil auf diesen Leinwänden überall Kaiba zu sehen ist und da rufst du an.“ Yuugi jedoch ging auf diesen Spaß gar nicht erst ein. „Wenn du gerade in der Nähe einer dieser Nachrichten-Bildschirme bist, wundert es mich, dass du die tatsächlichen Neuigkeiten noch gar nicht kennst.“ Die Stimme, mit der der Jüngere zu ihm sprach, überraschte den Blonden. Normalerweise war Yuugi jemand, der durch seine sanfte, freundliche Stimme, selbst in höchsten Notsituationen noch Ruhe bewahren konnte, doch er klang nun ernsthaft besorgt. „Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung worauf du hinauswillst. Aber du kennst ja auch diese Nachrichtensender. Sie wollen Leuten beim Einkaufen nicht unbedingt die Schlechtigkeit ihrer Umwelt preisgeben. Also, was ist passiert?“ Kurz atmete der Jüngere am anderen Ende durch. „Du kennst ja ohne Frage den Vergnügungspark der Kaiba Corporation. Ich meine, wir waren ja auch schon einige Male dort.“ „Hm“, gab Jonou zurück. Selbst wenn er noch nicht dort gewesen wäre, wüsste er natürlich wovon Yuugi sprach. Es gab in der ganzen Stadt – wahrscheinlich im ganzen Land – niemanden, der diesen Park nicht kannte, wie alle anderen Dinge, die mit Kaiba zusammenhingen auch. „Okay, bisher ist dort nie etwas passiert, aber heute Morgen als eine Gruppe Schulkinder dort war, ist ein Mädchen in einer der Achterbahnen wohl aus einem Wagen geschleudert wurden. Der Gurt hat nicht gehalten. Du kennst doch Kaiba, er würde nie das Leben eines Menschen riskieren und diese ganze Sache hat für großes Aufsehen gesorgt, zumal das Mädchen wohl nicht überleben wird. Laut den Nachrichten ist sie im Krankenhaus und es sieht schlecht für sie aus.“ Jonou war tatsächlich überrascht. Im Prinzip klang es wie ein tragischer Unfall, der sicherlich nicht schön war, aber der geschehen konnte – wenn auch nicht sollte. Doch tatsächlich hatte Yuugi an dieser Stelle vollkommen Recht: Seto war niemand, der die Sachen einfach so laufen ließ. Er war sich seiner Verantwortung für die Besucher der Attraktionen in seinem Park bewusst und es gab einmal im Monat scharfe Kontrollen von den besten Technikern des Landes. Ein Unfall war unmöglich. „Und… wie geht es jetzt weiter?“, fragte der Blonde, auch wenn ihm klar war, dass Yuugi das wohl auch nicht so genau wusste. „Gute Frage. Ich denke, man wird sich jetzt tagelang das Maul in der Presse zerreißen, diese Leute sind schließlich nicht umsonst hauptberuflich Aasgeier. Und egal wie gut Kaibas grundsätzliches Image ist, so wird das nicht spurlos an ihm vorbeigehen, eben weil er auf diese Perfektion pocht.“ Während ihres Gespräches war Jonou weitergelaufen. Natürlich, darauf würde die Presse sich stürzen, weil sie endlich einen Fleck auf der weißen Weste gefunden hatten. Und dieser Fleck war wesentlich schwerwiegender, als eine Fehlspekulation auf dem Aktienmarkt oder eine falsche Investition. Ein Mensch war zu Schaden gekommen. So etwas ließ niemand einfach so unbeachtet. Es regnete immer noch, wenn auch nicht mehr so stark wie noch vor wenigen Minuten. Was würde Seto nun machen? Wie würde er sich verhalten? Auch wenn ihr Kontakt sich nie über die Schule und Duelle hinausbewegt hatte, so machte ihn diese Neuigkeit schon nachdenklich. Besonders, weil Kaiba nachvollziehen konnte, wie es sich anfühlen musste, jemanden zu verlieren, den man liebte. Die Familie des Kindes musste Schlimmes durchleben. Er würde sicherlich alles tun, damit Mokuba nichts geschah. Allein deswegen war er so besessen was die Sicherheit anging. Etwas, das in einer Pfütze lag, weckte seine Aufmerksamkeit. „Warte mal kurz“, meinte er zu Yuugi, der sicherlich auf eine Reaktion seinerseits wartete. Jonou beugte sich hinab und fischte das Papier aus der Pfütze. Es war eine Spielkarte die mit dem Bild nach unten dort gelegen hatte. Deswegen war sie ihm wohl direkt aufgefallen, schließlich hatte er lange genug selbst an den Spielen teilgenommen. Das war auch der Grund warum er diese Karte als Fälschung erkannte. Es gab viele Gruppen, die die bestehenden Karten kopierten, um sie selbst in Turnieren nutzen zu können, bislang waren solche Versuche allerdings immer aufgeflogen. Aus reiner Neugier drehte er die Karte trotzdem um und seine bernsteinfarbenen Augen weiteten sich. Ein blauäugiger weißer Drache. Die Karte, die Seto immer gespielt hatte. Sein Drache – zumindest als Kopie. Und ohne Grund spürte Jonou einen Schauer über seinen Rücken wandern. Wieso konnten die Dinge nicht einfach sein, wie sie früher waren...? 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