Against the Rules von Shiori-chan (Gegen jegliche Norm (Kaoru x Hikaru)) ================================================================================ Kapitel 1: Vom Schauspielern & Zähneputzen ------------------------------------------ Titel: Against the Rules - Gegen jegliche Norm Autor: Shiori-chan Fandom:Ouran High School Host Club Pairing: Hikaru x Kaoru Disclaimer: Alle Charaktere sowie Orte bzw Schauspielplätze sind Eigentum von Bisco Hatori, der Autorin von Ouran High School Host Club. Ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfiction und habe es auch nicht vor. ____________________________________________________________________________ Eine drückende Hitze schwebte über dem Gebäude der Ouran High. Es war Sommer. Hikaru kaute desinteressiert und gelangweilt auf einem seiner vielen Bleistifte herum und blickte gedankenverloren aus dem Fenster. Ein heller strahlender Himmel, erfüllt mit gleißend leuchtenden Sonnenstrahlen ohne eine einzige weiße Wolke spiegelte sich in seinen goldenen Augen wider und er musste diese geblendet für einen kurzen Moment schließen. Dann drehte er den Kopf. Die Uhr zeigte noch genau vier Minuten bis Unterrichtsende. Den monotonen leeren Worten des Lehrers hörte er schon lange nicht mehr zu. Vorsichtig beugte er sich ein Stück weit über die Schulbank und suchte drängend den Blick seines kleinen Bruders auf der anderen Seite des Zimmers, um die letzten vier Minuten schnell durch ein kleines Spielchen zu verkürzen. Kaoru saß gleich neben der Tür zum Klassenzimmer. Er hatte den Kopf müde auf seine Arme gelegt, die schläfrigen Augen wirkten gelangweilt und matt, während er mit den Fingerspitzen seiner Hand lautlos auf den Tisch trommelte. Seine roten Haare schienen etwas in dem Licht der durch das Fenster eindringenden Sonnenstrahlen zu schimmern und er blinzelte. Hikaru ließ ein fast geräuschloses Zischen von sich hören, um Kaorus ungeteilte Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und ihn in sein Spiel einzubeziehen. Nach einem kurzen Augenblick bemerkte dieser seinen eindringlichen Blick und richtete seine verwunderten Augen auf ihn, doch es waren lediglich seine Pupillen, die sich bewegten, er selbst blieb regungslos und still auf dem Pult liegen. „Kaoru“, hauchte Hikaru sinnlich und mit gedämpfter Stimme, aber dennoch so laut, dass es der Rest der Klasse, besonders der weibliche Teil davon, noch genau mitbekam. Kaorus Augenlieder hoben sich ein wenig als er seine Stimme hörte, überrascht, aber dennoch neugierig. Die Mundwinkel des älteren Zwillings formten sich zu einem schüchternen jedoch amüsierten Lächeln und er legte seinen Kopf schief. Daraufhin hob sein Ebenbild langsam den Kopf und beobachtete ihn, als dieser ein verführerisches heiteres Lachen hören ließ und ihm dann mit der Hand einen sanften Kuss entgegen hauchte. Jetzt schmunzelte auch Kaoru. Mit dem Ellenbogen stützte er sich auf den Tisch, legte seinen Kopf auf und sah seinen Bruder verträumt an. Er wartete. Leise formte Hikaru mit seinen Lippen sanft die Worte die dennoch alle mitbekommen sollten. „Ich kann es kaum abwarten, Brüderchen …“ Nach Kaorus anschließendem Aufrichten, musste er lächeln, triumphierend, dass sein Plan und sein falsches Liebesspiel seinen gewollten Lauf nahmen und er warf seinem Bruder erneut eine Kusshand zu. Kaoru leckte sich spielerisch über die Lippen und machte eine katzenartige Bewegung mit der Hand, seine Augen schienen entzückt aufzublitzen. Dann ließ er ein verführerisches Schnurren hören. „Ach Nii-san...“, seufzte er und streckte sehnsüchtig seine schmale Hand in Hikarus Richtung nach vorne, so als wollte er versuchen ihm mit dieser so nah wie möglich zu kommen. Inzwischen hatten die meisten Mädchen lauthals angefangen zu kichern und zu glucksen, entzückt über diese sinnliche, verbotene Inzest-Liebe, die die Zwillinge ihnen vor ihren Augen zur Schau stellten. Hikaru und Kaoru lächeln. Ja, ihr Spiel erzielte mal wieder seine volle Wirkung. Es dauerte nicht mehr lange bis schließlich die Schulglocke zum Ende des Unterrichts schellte. Bücher und Hefte wurden eingepackt, Taschen geschultert und die letzten Studenten verließen eilig das Klassenzimmer. Hikaru, der seine Sachen rasch verstaut hatte und aufgestanden war, lief nun mit schnellen Schritten zu seinem jüngeren Bruder und machte dann vor dessen Pult halt. Kaoru stand auf und grinste sein Spiegelbild schüchtern an, dann ergriff er tonlos dessen Hand und Hikaru zog ihn vor die Klassenzimmertür. Er wusste, dass dort die ganzen Mädchen stehen und auf sie beide warten würden und er wollte diesem Tag noch den krönenden, den perfekten Abschluss verpassen. Vorsichtig zog er Kaoru hinter sich her, seine Hand fest umklammert und stoppte schließlich vor der bereits erwarteten Menschenmenge die ausschließlich aus Mädchen bestand und sich vor der Tür zusammendrängte. Dann drehte Hikaru sich zu Kaoru und lächelte sanft. „So lange musste ich wieder warten, Brüderchen…“, hauchte er leise und legt sachte seine Arme um dessen schmale Hüften. „So sehr habe ich deine schöne Gestalt, dein unglaublich süßes Gesicht vermisst, mein Bruder…“ Kaoru seufzte, verzog jedoch traurig eine Miene. „Aber ich wollte doch mit dir allein sein, Nii-san…“, erwiderte er schließlich mit leiser, kaum hörbarer Stimme und trüben Augen. „Nur wir beide…“ „Kaoru, wir brauchen unsere Liebe nicht zu verstecken.“ Er hauchte Kaoru einen sanften Kuss auf die Schläfe, der ihm eine Gänsehaut bereitete. „A-aber, Hi-hikaru … d-doch nicht vor den a-anderen…“, jammerte er daraufhin und drückte ihn sanft von sich. Kurz darauf folgte ein schriller Schrei der Mädchenmenge. Die beiden Rotschöpfe grinsten, doch sie beenden hiermit ihr Spiel. Dinge wie richtige Küsse oder sonstige Berührungen waren für die Augen der Mädchen nicht bestimmt. Ein leichtes Schmunzeln Hikarus und ein kurzes „ Bis dann“ an die Menge, dann schnappte er sich wieder Kaorus Hand und zog ihn in die Richtung ihres Zimmers am Ende des Flurs. „Morgen sind wir wieder für euch da, meine Süßen“, rief er als er schließlich mit seinem Bruder im Schlepptau an der Tür anlangte und diese sacht öffnete. „Oh, Bruder, am liebsten würde ich morgen einfach krank sein, dann könntest du den ganzen Tag bei mir bleiben, dich um mich kümmern“, seufzte der jüngere Zwilling und schmiegte sich eng an Hikarus Brust. „Du könntest mir Tee kochen und mich gesund pflegen und wir wären den ganzen Tag zusammen, nur du und ich.“ „Du meinst … dann könnten wir wieder Doktorspielchen...?“, erwiderte Hikaru und lachte leise. „Reicht dir das was, was wir abends machen etwa nicht, Brüderchen?“ „Hi-hikaru!“, rief Kaoru gespielt empört und schob ihn erneut ein Stück von sich. „S-sag so was d-doch nicht hier! Das ist mir peinlich.“ Erneutes Aufkreischen dann drückte er langsam die Tür auf und schubste Kaoru schnell aber liebevoll hinein. Nachdem er sich versichert hatte, dass sein Bruder im Zimmer verschwunden war, drehte er sich noch einmal zu den Mädchen um, grinste wissend. „Ach ja und ihr wisst ja: bitte nicht stören“, waren die letzten Worte die Kaoru noch hören konnte. Er zwinkerte den andern vielsagend zu und verzog sich anschließend ins Innere des Raumes. „Sag mal, bist du wahnsinnig, Hikaru?“ Der Ältere hatte die Zimmertür kaum geschlossen, als er auch schon die gereizte Stimme seines jüngeren Bruders vernahm. Überrascht drehte er sich um und blickte in die nervösen Augen seines Zwillings, der sich ihm gegenüber gestellt hatte und ihn mit verwirrtem und gleichzeitig vorwurfsvollem Blick ansah. Warum reagierte Kaoru auf einmal so merkwürdig? Hatte er denn etwas Falsches getan? „Du kannst doch nicht einfach im Unterricht so tun, als wären wir im Host Club! Im Schulunterricht, Hikaru! Und hast du Haruhis Blick nicht bemerkt?“ Hikaru begriff, zuckte jedoch nur mit den Schultern. Für ihn gab es keinerlei Grund dafür, warum sein Bruder so ein Drama aus dem kurzen falschen Liebesspiel machen wollte. Normalerweise fand er immer großen Gefallen und Belustigung daran, noch nie hatte er sich darüber beklagt wo und wann sie es taten. „Jetzt reg dich schon ab, Brüderchen“, winkte der Ältere genervt ab und schritt anstatt sich Kaoru zuzuwenden rasch an diesem vorbei, direkt auf seinen und dessen großen geräumigen Kleiderschrank zu, der nicht weit von dem geschmackvollen majestätischen Bett der beiden stand. Erstmal umziehen und raus aus dieser beengenden Uniform, das war jetzt wichtiger. Während er sich sein Hemd aufknöpfte, konnte Kaoru ihn nur fassungslos anstarren. „Was, wenn dich der Lehrer gehört hätte?“ „Hat er aber nicht.“ Hikaru war viel zu sehr damit beschäftigt sich durch Ärmel und Kopföffnung seines Kapuzenpullis zu winden, als eine anständige Antwort zu geben, das merkte auch sein jüngerer Bruder. Kaorus Augen verengten sich. „Das tut nichts zu Sache“, sagte er dann gezwungen ruhig. „Wir hatten doch mit dem King besprochen, dass wir das in der Öffentlichkeit nicht tun sollen!“ Hikaru, der nun endlich seine vollständigen Klamotten durch lässige Jogginghose und bequemem Pulli ersetzt hatte, drehte sich nun zu Kaoru. Er musterte ihn für einen kurzen Moment, dann schmunzelte er. „Mir war langweilig, das ist alles“, sprach er, sichtlich amüsiert darüber, dass sich sein kleiner Bruder so anstellte. „Außerdem warst du auch nicht gerade derjenige, der meine Anläufe einfach ignoriert hat, oder?“ Kaoru zuckte, konnte das jedoch nicht abstreiten. „Na also“, lachte Hikaru, stand auf und ging nicht weniger vergnügt auf sein Ebenbild zu und als er direkt vor ihm stand, legte er beide Arme um dessen Hals, woraufhin Kaoru nur missmutig die Augen verdrehte. „Hör schon auf damit“, sagte er genervt, als sein Bruder Anstalten machen wollte, ihn auf die Stirn zu küssen, drückte ihn angewidert von sich und duckte sich unter dessen Umarmung weg. Er konnte es überhaupt nicht leiden, wenn Hikaru ihn nicht ernst nahm sondern stattdessen versuchte ihn durch Späße oder sonstige Albernheiten abzulenken und umzustimmen. Wieder sicheren Halt gefunden, wandte sich Kaoru nun erneut bitter seinem Bruder zu. Hikaru kicherte belustigt. „Tut mir Leid, Kaoru, aber du bist echt niedlich wenn du dich aufregst.“ „Eigenlob stinkt“, konterte Kaoru und zog eine grimmige Grimasse. „Schon gut, schon gut. Das nächste Mal werde ich mich zusammenreißen, versprochen.“ Hikaru lächelte noch immer ganz unbefangen und sah aufmerksam seinem Bruder zu, der sich jetzt wieder murrend umdrehte und ebenfalls nach bequemen Klamotten suchte. Wenn Hikaru den Ernst der Lage nicht verstehen wollte, dann eben nicht, dachte er und wühlte in einem Berg von Kleidern auf dem Boden. „Nii-san, hast du vielleicht ‘n T-Shirt für mich?“ „Klar“, antwortete Hikaru sofort und reichte ihm eins seiner Oberteile. Da sie dieselbe Größe hatten und ihr Körperbau auch sonst völlig identisch war, passte es natürlich wie angegossen. Dankend nahm Kaoru seinem älteren Bruder das Hemd ab, streifte sich seine Uniform von der Schulter und zog sich anschließend ebenfalls eine praktischere und bequemere Hose an. Dann zog er sich das Shirt über. Es roch nach seinem Bruder und sofort fühlte er sich wohler. Er mochte Hikarus Geruch sehr. Nicht nur, weil er das Parfum so liebte, welches dieser zu benutzen pflegte, sondern weil es ihn beruhigte und ihm ein gutes Gefühl gab. Auf diese Weise konnte er seinem Zwilling unglaublich nahe sein, selbst wenn sie gerade nicht zusammenwaren. Aber normalerweise kam das sowieso ziemlich selten vor. Kaoru schreckte aus seinen Gedanken hoch, als er hörte wie Hikaru laut gähnte und sah wie dieser sich streckte. „Bist du müde, Nii-san?“, frage er dann und sah ihn prüfend an. „Etwas, ja“, antwortet ihm sein Zwillingsbruder und ließ sich dumpf nach hinten aufs Bett fallen. Kaoru musste lächeln, er sammelte seine Schulsachen auf, legte sie auf einen kleinen Tisch neben dem Bett und setzte sich dann mit dem Rücken zu Hikaru auf die Bettkante. „Du kannst ein paar Stunden schlafen, wenn du magst. Wenn du willst, kann ich deine Hausaufgaben machen. Ich weiß ja, dass du Englisch nicht besonders leiden kannst -“ „ – und, dass du es liebst“, seufzte Hikaru hinter ihm. „Ja.“ Hikaru richtete sich ein Stück auf, stützte sich auf seinen Ellenbogen und sah seinen Bruder verwundert an. Auch wenn Englisch Kaorus absolutes Lieblingsfach war, wer machte schon freiwillig Hausaufgaben und das auch noch gleich doppelt? Kaoru zuckte etwas zusammen als er plötzlich unerwartet die Hand des Älteren auf seiner Stirn spürte und drehte sich um. „Was ist?“ Hikaru seufzte kläglich. „Du musst Fieber haben, mein Brüderchen. Wer freiwillig die Hausaufgaben für andere macht, der gehört eindeutig krank geschrieben. Vielleicht solltest lieber du das Bett hüten und ich werde - “, doch seine Stimme wurde durch das Sausen und den dumpfen Schlag des Kissens abgeschnitten, das ihm Kaoru nun mit voller Wucht ins Gesicht pfefferte. „He, was zum..?“ „Du bist sowas von bescheuert“, Kaoru hatte einen enttäuschten Blick aufgesetzt, er hielt immer noch das Kissen in den Händen. „Da bin ich einmal nett zu dir…“. Er war sichtlich gekränkt, doch Hikaru lächelte nur, richtete sich auf und legte dann von hinten sanft beide Arme um seinen kleinen Bruder. Kaoru schwieg und sah zu Boden, während der Ältere sein Gesicht still an dessen Schulter vergrub. „Es tut mir Leid, dass ich dir heute so auf die Nerven gehe“, sagte er leise und der Jüngere konnte spüren, dass es ihm diesmal ernst war. „Wenn es dir nichts ausmacht, wäre ich dir sehr dankbar dafür, wenn du die Aufgaben machen könntest. Du hast was gut bei mir, ja?“ Danach löste er sich von ihm, drehte Kaorus Gesicht in seine Richtung und lächelte sanft. Zuerst wusste Kaoru nicht recht, was er darauf antworten sollte, entschied sich dann aber für ein einfaches „Ich werd’s mir merken“ und lächelte zurück. Hikaru küsste seinen kleinen Bruder liebevoll auf die Stirn, so wie er es immer tat, wenn sich ein geeigneter Moment bot und ignorierte Kaorus leichtes Schaudern, an das er sich bereits nach all den Malen gewöhnt hatte. „Na dann, viel Spaß noch, Brüderchen.“ „Schlaf gut“, murmelte Kaoru leise und gab seinem Ebenbild ebenfalls einen flüchtigen Kuss auf Schläfe, woraufhin Hikaru nur wieder zu kichern begann, doch er zwang sich, sich zu beherrschen und keine Bemerkung darüber zu machen, um seinen Bruder nicht wieder zu reizen. „Ich hab dich lieb“, sagte er dann und lächelte. „Ja ja, ich dich auch, Nii-san“, nuschelte Kaoru ohne ihn anzusehen und kaum hörbar und verzog sich rasch in das Nebenzimmer, das als Lernraum herhielt, so wie sie ihn nannten, da sich dort viele Regale mit Büchern und zwei Schreibtische befanden. Für Kaoru waren solche alltägliche Momente, wie der soeben, eher peinlich und unangenehm, nicht so gewöhnlich und belustigend wie für Hikaru. Im Host Club war das okay, aber wenn sie allein waren, so hatte er manchmal doch ein seltsames Gefühl dabei, wenn sein älterer Bruder sich so verhielt. Doch er hatte sich daran gewöhnt und auch die alltäglichen Geständnisse der Zuneigung letztendlich akzeptiert, auch wenn es ihm manchmal unangenehm war. Schließlich war Hikaru sein Zwillingsbruder und seinen Zwillingsbruder liebte man nun mal, egal auf welche Weise und egal, wie sehr man sich auch manchmal dagegen sträubte. Es war nun mal so. Es war die große Kirchturmuhr, die Hikaru unsanft aus dem Schlaf riss. Acht Uhr abends hatte sie geschlagen, die unglaublich lauten Glockentöne hallten noch immer in seinem Kopf wieder, während er sich langsam im Bett aufrichtete, und machten ihn ganz benebelt. Müde rieb er sich die Augen und streckte sich, schob die Decke von sich und setzte sich auf die Bettkante. Es war dunkel im Zimmer, nicht so, dass man nichts mehr sehen konnte, doch die Sonne war schon untergegangen und das einzige was zu erkennen war, waren die Umrisse von ihrem Bett, dem Schrank, zwei Regalen, einem Tisch und zwei Stühlen. Angestrengt versuchte er seine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen und blickte suchend im Zimmer umher, bis er den kleinen Lichtschalter neben dem Bett ertasten konnte und das Licht anknipste. Jemand hatte aufgeräumt und hatte seine Kleider ordentlich über eine Stuhllehne gelegt. Hikaru war klar, dass lediglich Kaoru das gewesen sein konnte, doch von seinem kleinen Bruder fehlte jede Spur. Die linke Seite des Bettes, auf der dieser sonst schlief, zeigte weder Falten noch irgendein Anzeichen dafür, dass er neben ihm gelegen hatte. Normalerweise hielten sich beide Zwillinge um die Uhrzeit zusammen im Zimmer auf, um noch miteinander zu reden oder manchmal auch noch um Hausaufgaben zu erledigen, auf die man am Nachmittag keine Lust gehabt hatte. Doch Kaoru war nicht da. Langsam stand Hikaru auf und schlich sich lautlos zur Zimmertür, öffnete sie einen Spalt breit und als er sich versichert hatte, dass niemand auf dem Flur war, schlüpfte er hindurch. Vorsichtig und möglichst ohne viel Lärm zu machen, schlich er sich den langen Korridor entlang, der zum Badezimmer führte. Das war der Ort, an dem er ihn in diesem Moment am meisten vermutete. An der Tür angekommen, lauschte Hikaru zunächst auf mögliche Duschgeräusche oder Wasserrauschen, um sich zu vergewissern, ob sich jemand im Bad aufhielt oder nicht. Nur wenn er sehr genau hinhorchte, konnte er hinter der Tür ein leises kratzendes Geräusch hören. Hikaru klopfte zweimal, dann sprach er mit gedämpfter Stimme: „Kaoru, bist du da drin?“ Sofort wurde der Schlüssel im Türschloss umgedreht und der Ältere erkannte seinen jüngeren Zwilling, der, mit einer Zahnbürste im Mund und noch feuchten Haaren, ihm die Tür aufhielt und fragend ansah. „Isch wasch?“, nuschelte er und musterte seinen Bruder misstrauisch. Er musste gerade erst aus der Dusche gestiegen sein, den Hikaru erkannte vereinzelte Wasserperlen auf seiner weißen Haut und sah wie sein Haar noch leicht tropfte. Desweiteren fand sich in der Luft drückender Wasserdampf, dessen feuchte Wärme nun nach draußen quoll und sein Gesicht umströmte, Hikaru grinste, trat in das Badezimmer, schloss die Tür hinter sich und wandte sich wieder Kaoru zu, welcher immer noch sehr kritisch dreinsah und jede Bewegung seines Ebenbildes genau verfolgte. „Ich bin aufgewacht und du warst nicht da, da hab ich mir Sorgen gemacht.“ „Schorgen?“, gab Kaoru undeutlich von sich, drehte sich jedoch wieder dem großen Spiegel an der marmornen Wand zu, um weiter seine Zähne zu putzen. „Ja“, antwortete Hikaru und nahm hinter ihm auf dem Badewannenrand Platz. „Als ich bemerkt hab, dass du nicht da warst, dachte ich, ich sehe mal nach wo du steckst. Danke übrigens für‘s Aufräumen, das war wirklich mal nötig.“ „Mmmh“, kam es nur von Kaoru, doch man konnte den Anflug eines Grinsens auf seinem Gesicht bemerken. Er spuckte aus. „Hättest du nicht gedacht was?“, er drehte sich zu seinem Bruder und schmunzelte ihn an. „Aber bitte, gern geschehen.“ Er fing an, seine Zahnbürste und dann das Waschbecken auszuspülen und stellte dann Zahnpasta, Bürste und Becher ordentlich auf den Waschbeckenrand. Danach griff er sich ein Handtuch, wischte das Becken trocken und hängte es anschließend wieder an den Haken hinter der Tür. Hikaru hatte währenddessen kein Auge von ihm gelassen und jede seiner Bewegungen genau verfolgt. Jetzt stand er auf und stellte sich neben ihn. „Ist alles in Ordnung, Nii-san? Du sagst gar nichts mehr“, fragte der Jüngere daraufhin zögernd und suchte nach Hikarus Blick. „Das schon“, sagte er, „aber ist dir eigentlich vorhin aufgefallen, welche der Zahnbürsten du benutzt hast?“ „Hä? Natürlich die ro - “, doch er stockte als sein Bruder ihm die immer noch tropfende gelbe Zahnbürste entgegenhielt und ihn belustigt ansah. „Nicht ganz.“ „Iiieh“, rief Kaoru angeekelt und er schauderte, während Hikaru anfing laut loszulachen. Kaoru stürzte zum Handtuch, streckte seine Zunge heraus und fing an, mit dem Stoff immer wieder über seine Zunge zu rubbeln. Sein älterer Bruder hielt sich den Bauch vor Lachen. „Das ist voll nicht witzig, Nii-san! Deine ekelhaften Bakterien bekomm ich sicherlich nicht vor Weihnachten aus meinem Mund!“, fluchte er gespielt angewidert und lachte, als Hikaru daraufhin empört aufstand und ihm das Handtuch aus der Hand nahm. Übertreiben musste er schließlich auch nicht. „Pass bloß auf, Brüderchen, das war ein indirekter Kuss, sowas hinterlässt mindestens zwei Wochen lang Bazillen in deinem Mund“, warnte er amüsiert, als er das Handtuch zurück an den Halter hängte. Kaoru ließ abermals einen Laut des Ekels von sich hören. „Bah, das ist echt widerlich, Hikaru“, sagte er und schüttelte widerwillig den Kopf. „Bevor ich mir vorstelle, dich zu küssen, da würde ich eher Honey-san während seines Mittagschlafs wecken und lebensgefährliche Verletzungen riskieren.“ „Ja, bestimmt küsse ich ganz schrecklich und würde dich mit meinem Speichel vergiften“, erwiderte Hikaru lachend, doch Kaoru konnte ebenso erkennen, dass er gereizt war. Sein älterer Zwilling mochte es überhaupt nicht, wenn man ihn kritisierte oder an ihm herumnörgelte, darauf reagierte er manchmal immer noch wie ein kleines Kind und war sehr schnell beleidigt. Und auch jetzt schien er wieder sehr empfindlich darauf zu reagieren, als Kaoru an seinen Fähigkeiten als Küsser zweifelte und einen gewissen Ekel davor zeigte. „Als ob es besonders schön wäre, dich zu küssen“, konterte er, durch die Worte seines Bruders regelrecht aufgestachelt und seine Augen verengten sich. Kaorus Lachen starb von der einen Sekunde zur anderen schlagartig ab. „Was soll das denn jetzt, Hikaru? Ich hab doch nur Spaß gemacht!“ „Bestimmt schlabberst du einem das ganze Gesicht ab und küsst wie unsere Großmutter“, Hikaru giftete einfach weiter und ein triumphierendes Grinsen huschte über sein Gesicht. Kaoru sollte seine Behauptungen schon noch bereuen und diese zurücknehmen. „Achja?“, rief der Jüngere jetzt sichtlich wütend und machte einen drohenden Schritt nach vorne, seine Augen blitzten zornig als Hikaru es ihm gleichtat. „Wie kannst du dir da so sicher sein, dass ich ja so ein schlimmer Küsser bin?!“ „ Beweis mir doch das Gegenteil!“ „Nie im Leben! Ich könnte ja vielleicht dran sterben! Bei deinem Talent, wäre das im wahrsten Sinne des Wortes, totsicher!“ Hikaru kochte vor Wut, als sein Bruder den letzten Satz ausgesprochen hatte. Erst einfach seine Zahnbürste benutzen und dann das. Das ging entschieden zu weit. „Dir werd ich zeigen, wer hier nicht küssen kann!“, rief er gereizt und packte seinen jüngeren Bruder am Kragen, welcher ängstlich die Augen aufriss und ihn entgeistert ansah. Es tat weh, so wie Hikaru ihn anpackte und am Kragen hielt und er bekam es mit der Angst zu tun. Sie hatten sich schon oft gestritten, doch noch nie war sein Bruder so handgreiflich geworden. „Hikaru, lass mich bitte los, du tust mir weh!“, jammerte er und versuchte sich loszureißen doch der Ältere hielt ihn weiterhin fest. „Nein.“ Während sich Kaoru unter Hikarus Griff wand und zappelte kam Hikarus Gesicht dem seines Bruders immer näher und näher. Kaoru wusste genau, was er vorhatte. Er riss die Augen weit auf, sein Blick war voller Entsetzen. Wut ließ ihn erröten. Angst brachte sein Herz so stark zum Pochen, dass es unerträglich war. „Hika- “ Sein Atem stockte, als sein älterer Bruder nur Millimeter weit entfernt vor seinen Lippen inne hielt. Seine Augen waren nicht geschlossen sondern angespannt zusammengekniffen. Kaoru hielt den Atem an. Er war so entsetzt und überwältigt, dass er keinen Ton herausbrachte, dass er unmöglich imstande war, sich gegen seinen Bruder zu wehren. Auf einmal lockerte sich Hikarus Griff an Kaorus Kragen und er riss ebenfalls die Augen auf, starrte sein Ebenbild geschockt an. Fast wirkte es so, als würden seine Augen hell aufleuchten und als würde er wieder zu Vernunft gelangen, trotzdem ließ er Kaoru nicht los. Beide Zwillinge waren wie erstarrt und verharrten sekundenlang in dieser Stellung bis Kaorus tonlose Stimme die eisige Stille, die zwischen ihnen herrschte, durchschnitt. „Lass mich los. Sofort.“ Hikaru zuckte zusammen, als er Kaorus Worte hörte, ließ ihn los und wich einen Schritt zurück. Kaoru schauderte und bebte am ganzen Leib. „Mach das nie wieder“, sagte er ohne Klang in der Stimme, die Augen kalt auf seinen Bruder gerichtet. Dann ging er so schnell er konnte an ihm vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen und öffnete die Tür. Hikaru, der sich jetzt endlich von dem Schock erholte drehte sich rasch um. „W-warte Kaoru, ich hab das nicht - “ „Es ist noch warmes Wasser in der Wanne“, sagte Kaoru leise. „Du kannst noch baden gehen. Gute Nacht.“ Anschließend ging er ohne ein weiteres Wort aus der Tür und schloss diese hinter sich. Dabei ließ er einen völlig geschockten, verzweifelten Zwilling zurück der sich quälend auf das Waschbecken stütze und fassungslos in den Spiegel blickte. Was in aller Welt war nur in ihn gefahren...? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)