Human Vase von chaos-kao ================================================================================ Kapitel 2: Nachspiel --- (All days life)² ----------------------------------------- Hey ^^ Diesmal ist das Ganze etwas länger ... etwas sehr viel länger sogar *drop* Ein richtiges Mammutkapitel ^^' Reihenfolge: Marc (Nachspiel) - Jo (All days life) - Marc (All days life). Über Kommentare würde ich mich sehr freuen ^^ Viel Spaß ^^ P.S. Ich weiß, dass die beiden 'All days life' Parts sehr ausführlich sind, aber das hat seinen Sinn ^^ Ich finde nämlich, dass man viel über einen Menschen erfahren kann, wenn man ihn bei seiner Arbeit und in seinem täglichen Umfeld erlebt ... Okay, bei Marc ist es nur ein Studentenjob, aber er liegt ihm trotzdem am Herzen und er macht ihm Spaß - und er ist gut darin ^^ ___________________****************************________________________ Nachspiel -- (All days life)² Du dunkler Engel in der Nacht, was hast du aus mir gemacht Der Glückliche, den ich mir diesmal ausgesucht hatte, war jung, schwarzhaarig und hatte einen kleinen, festen Hintern, der seinesgleichen suchte. Es war die reinste Wonne als ich ihn nahm. Bei jedem Stoß wurde er lauter und auch wenn wir uns auf offener Straße befanden, störte mich dies wenig. Die Polizei war in diesem Bereich der Stadt nicht sonderlich häufig anzutreffen, also vor was sollte ich Angst haben? Vor ungebetenen Beobachtern? Bitte, sollten sie doch auch ihren Spaß haben, mich kümmerte das weniger. Grinsend zwickte ich meinem Betthäschen in die vor Erregung abstehenden Nippel und massierte diese ein wenig, was anscheinend genug war, um ihn über die Klippe springen zu lassen. Fast schon schmerzhaft verengte er sich um meinen alles-andere-als-kleinen-Kumpel und ich warf stöhnend meinen Kopf in den Nacken, während ich mich nun ebenfalls entlud. Kurz verharrten wir still in dieser Position und genossen die Nachwehen unseres Orgasmus’, ehe ich mich aus ihm herauszog, das Kondom abstreifte, es verknotete und dann einfach in ein Eck schmiss. Mit routinierten Bewegungen richtete ich meine Hose wieder. „Du warst gut.“, befand ich und klopfte dem etwas kleineren auf die Schulter. „Man sieht sich!“, lächelte ich ihn noch zur Verabschiedung an und ging dann einfach weg und er hielt mich auch nicht auf. Das mochte ich so an One Night Stands innerhalb der schwulen Szene – kaum einer machte ein Drama nach dem Akt und wollte plötzlich eine Beziehung. Bei Frauen war dies immer viel komplizierter. Wie immer nahm ich die Abkürzung durch den Park, störte mich nicht an dunklen Ecken, denn ich wusste ja, dass ich mich zur Not wehren konnte. Selbst als plötzlich drei dunkle Gestalten vor mir auftauchten, hatte ich keine Angst. Sie waren auch nicht kräftiger oder bulliger als die Männer, die ich im ‚LILIA’ immer abwies. Im Moment wollte ich auch nur noch eines: In mein Bettchen – und diese seltsamen Gestalten hielten mich eindeutig davon ab diesem näher zu kommen. „Also, was wollt ihr? Geld, meinen Hintern oder beides?“, brach ich sichtlich genervt das Schweigen. „Oder wie wär’s denn mal mit etwas Ausgefallenerem wie zum Beispiel meine Jacke oder meine Hose? Dann hätten die morgen auf der Polizeistation auch einmal etwas zum Lachen, wenn ich denen von eurem kleinen Überfall hier erzähle.“ Erwartungsvoll starrte ich zurück und begann irgendwann ungeduldig mit meinem Fuß zu wippen, bis es tatsächlich irgendwann einder der jungen Männer schaffte sein Maul aufzumachen:„Du hast unsere kleine Schwester verarscht und dafür wirst du bezahlen!“ Na super … noch ein Grund mehr, warum ich mich immer mehr dem männlichen Teil unserer Gesellschaft zuwandte, wenn es um Sex ging - die hetzten einem wenigstens nicht irgendwelche Geschwister oder Kumpels an den Hals. „Aha? Jetzt habe ich aber Angst.“, meinte ich nur lässig und wich dem ersten Kerl leichtfüßig aus, als er wie blöde auf mich zugestürzt kam. „Erst denken, dann handeln!“, tadelte ich ihn, woraufhin er sich nur erneut auf mich stürzte, was ich mit einem schnellen Schritt zur Seite verhinderte. Doch traf mich unerwartet sein Atem, aus dem eindeutig der Alkohol sprach. Damit war für mich klar, dass ich leichtes Spiel mit den Spinnern haben würde. Ich war zu 98% nüchtern und die allerhöchstens noch zu 50 oder 60 Prozent. „Wie hieß eure Schwester eigentlich?“, interessierte es mich. „Kassandra!“, grunzte mich einer an und ich musste wirklich lange überlegen, ehe ich dem Namen ein Gesicht zuordnen konnte. „So eine braunhaarige mit großen Titten?“, fragte ich frei heraus, woraufhin die drei Herren brav nickten. „Wollt ihr wissen, warum ich sie nicht mehr wollte?“, provozierte ich sie frech, woraufhin sie wieder eifrig nickten. „Sie war scheiße im Bett, eine Klette und hatte einen zu großen Arsch.“ Leise zählte ich innerlich bis drei und musste ein Grinsen unterdrücken, als alle drei gleichzeitig zu schimpfen begannen und sich auf mich stürzten. Was mich nun aber doch überraschte, war eine schwarze Gestalt, die plötzlich neben mir auftauchte und mich wegstieß und sich an meiner statt mit den Typen prügelte – was mir überhaupt nicht in den Kram passte. Genervt fasste ich mir an den Kopf, in dem es leise zu Puckern begann. Nachdem der schwarze Riese mit den Dreien ganz gut alleine klarzukommen schien und er mich ja anscheinend aus dem Weg haben wollte, setzte ich meinen Heimweg fort. Mein Bettchen rief lautstark nach mir und hier hatte ich nichts mehr zu suchen – und dabei hatte ich mich schon fast auf die Prügelei gefreut. Aber nur fast. Kaum dass ich in meinem Bett lag, hatte ich den Vorfall schon wieder vergessen, ihn als unwichtig zu den Akten gelegt. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass sich Brüder etwas zu sehr für ihre Schwestern verantwortlich fühlten, schließlich hatte ich diese ja nie zu etwas gezwungen. Die hatten mir ihr Geschlechtsteil alle selber unter die Nase gehalten … und ich wäre kein Mann, wenn ich das ausschlagen würde. Nur die Fledermaus war neu gewesen Ich kann dich nicht vergessen, ich bin von dir besessen Keine Ahnung was mich da geritten hatte, als ich mich in seinen Streit einmischte. Vielleicht wollte ich ja einfach nicht, dass mein Engel einen Kratzer abbekam? Oder ich hatte zu viel Schokolade gegessen oder Kaffee getrunken – dann wurde ich nämlich immer etwas übermütig und tat so dumme Dinge wie gerade eben. Und ehe ich mich versah, prügelte ich mich auch schon mit diesen seltsamen Typen. Ich hatte nicht viel Übung im Kämpfen, aber anscheinend hatte ich Talent dafür, da sie nach einigen Minuten das Weite suchten. Als ich mich nun umblickte und nach meinem Süßen Ausschau hielt, war dieser nirgends mehr zu sehen. Wenn ich ihn nicht schon so lange beobachten würde, wäre ich sicherlich beleidigt, dass er sich nicht einmal bei mir bedankte, dass ich ihn gerettet hatte, aber so wusste ich, dass er wenig davon hielt, wenn man seine Schlachten für ihn schlug … und genau genommen hatte ich dies gerade getan … und das im sprichwörtlichen Sinn. Es war das erste Mal gewesen, dass ich mich in so einer Situation nicht raushalten konnte und mich eingemischt hatte – und außer blauer Flecken und einiger Schrammen hatte es mir nichts gebracht. Es lohnte sich jetzt auch nicht mehr ihm nachzulaufen, da er schon längst seine Wohnung erreicht haben musste, dessen war ich mir sicher. Also ging ich wieder zurück. Praktischerweise wohnte ich schräg gegenüber von dem ‚LILIA’. Von meinem Wohnzimmerfenster aus hatte ich meinen Engel auch das erste mal gesehen. Damals war er in Begleitung von einem braunhaarigen Typen gewesen, der sich nach einigen Nachforschungen als sein bester Freund Martin entpuppt hatte. Mein Baby hatte an diesem Tag so schön gelächelt – da konnte ich nicht anders als ihm zu verfallen. Er war alles was ich nie gewesen bin und nie sein werde. Und vielleicht war es ja genau das, was mich nicht mehr losließ. Mich hatte schon früher alles scheinbar Zerbrechliche fasziniert. Häufig waren diese Dinge am Schluss dann allerdings doch nie so leicht zu zerstören gewesen, wie ich gedacht hatte. Manche Vase war mir zum Opfer gefallen, weil ich wissen wollte, aus welcher Höhe ich sie zu Boden fallen lassen musste, damit sie in möglichst viele Scherben zerbrach. Irgendwann hatte ich dann damit angefangen die Vasen mit Sekundenkleber wieder zusammen zu bauen. Es war mein liebstes Spiel gewesen. Zerstören und Kitten. Irgendwann hat meine Mutter einfach alle Vasen entsorgt und an den Schrank mit den Wassergläsern kam ich damals noch nicht heran. Daraufhin geriet dieses seltsame Interesse in Vergangenheit – bis jetzt. Er war meine neue Vase. Wunderschön und irgendwie filigran und doch schwer zu zerbrechen. Ich wusste selbst nicht, was ich mit ihm anfangen wollte, wenn ich ihn denn irgendwann besitzen sollte … aber ich war mir sicher, dass mir dann schon etwas einfallen würde. Gründlich putzte ich mir zu Hause angekommen meine Zähne und schlüpfte dann nackt unter meine Bettdecke. Ich mochte keine Schlafanzüge oder Boxershorts oder Socken zum schlafen. Selbst wenn es Winter war, trug ich nicht mehr am Körper … außer manchmal einen Schal und eine Mütze, wenn ich bei offenem Fenster schlief – denn krank wollte ich dann doch nicht unbedingt werden. Leise klirrten die Handschellen am Kopfende, als ich mich etwas anders hinlegte. Ob ich meinen Engel einfach entführen sollte? Irgendwann würde er sich mir dann schon fügen … Mit diesem Gedanken schlief ich ein, träumte wie so häufig von gar nichts, fast schon froh darüber, dass er mich nicht bis in meine Träume verfolgte, da ich sonst wahrscheinlich zehn Minuten früher aufstehen müsste, um meine Morgenlatte per Hand zu beseitigen und das wäre kein guter Start in den Tag, da ich notorischer Langschläfer und Nachtmensch war. Mein Wecker schellte am nächsten Morgen schon ziemlich früh, da ich zur Arbeit musste. Ich hatte es geschafft einen Job in einem der größten Gothic, Szene und Fetischläden der Stadt zu ergattern und war dort vor allem für den Einkauf aber auch für den Verkauf zuständig. Mein Spezialbereich war alles was mit Fetisch in jeglicher Art zu tun hatte, aber ich wagte zu behaupten, dass ich auch schon manche Gothiclady beglücken konnte, indem ich ihr per Augenmaß das perfekte neue Outfit zusammengestellt hatte – in den meisten Fällen hatten die Klamotten auf Anhieb gepasst und auch gefallen. Eigentlich war ich am Anfang für Einkauf und Buchhaltung zuständig gewesen, doch als ich einmal für einen der Verkäufer eingesprungen war und bei dieser Gelegenheit mehreren Damen und Mädchen ein neues Outfit verschafft hatte, fragten diese beim Chef immer wieder nach, warum ich denn nicht regulär verkaufen würde, da sie noch nie so gut beraten worden wären – und seitdem war ich im Verkauf, was mir bei weitem mehr Spaß machte als das elende Zahlenwälzen. Auch der Einkauf war mehr Vergnügen als Arbeit, da mein Chef mir ziemlich freie Hand ließ, was ich kaufte, solange es zum Konzept des Ladens passte und sich nicht als Ladenhüter herausstellte, was zum Glück bisher noch nie der Fall gewesen war. In der Regel war es eher so, dass die neuen Artikel so gut ankamen, dass wir sie fest in unser Sortiment aufnahmen. Da ich auch dafür zuständig war die neuen Artikel entgegen zu nehmen, da ich am Besten wusste was ich wo eingekauft hatte, war ich der erste im Laden. Das, was dann folgte, war reine Routine, die ich schon hunderte mal abgewickelt hatte: das Aufsetzen des Kaffees auf der alten Kaffeemaschine, das Öffnen aller Rollos, das Durchgehen aller Werbung und Prospekte, Sortierung der Post, Annahme der Lieferung, Prüfung der Lieferung und wenn alles in Ordnung war alles Vorsortieren, damit der Chef noch einmal kurz draufschauen konnte, ob alles in Ordnung ging. Gerade heute war ein Mantel und ein Hemd mitgekommen, die mir persönlich unheimlich gut gefielen, so dass ich mir je ein Exemplar zur Seite legte – noch ein Vorteil mehr, wenn man den Einkauf machte – und der Chef hatte nichts dagegen, solange ich brav dafür bezahlte. Pünktlich um Viertel vor 10 klopfte es an der Eingangstür, vor der die Frühschicht in Form von Sunny stand. „Morgen Jo!“, begrüßte sie mich in dem für sie gewöhnlichen fröhlichen Tonfall und huschte eilig ins Hinterzimmer um ihre Tasche und Jacke abzulegen und eine Tasse Kaffee zu trinken, ohne mir Gelegenheit zu lassen den Morgengruß zu erwidern – ihr morgendliches Ritual. Pünktlich um 10 Uhr drehte ich das große Pappschild von ‚geschlossen’ auf ‚geöffnet’ und machte mich zusammen mit Sunny daran die Ware, die wir nachbestellt hatten oder einfach schon lange im Sortiment war und heute neu gekommen ist, in die entsprechenden Fächer einzuräumen bzw. an die entsprechende Stelle an den Ständern zu hängen. Da es einfach schneller ging, hatten wir uns aufgeteilt und ich kümmerte mich wie meistens um den Bereich mit den Fetisch- und Lack-Leder-Klamotten, da ich mich da von allen am Besten auskannte, während Sunny vorne ganz genau wusste, wo was lag oder hing. Wir waren insgesamt vier Verkäufer, wobei die anderen drei sich mit den Schichten abwechselten, während ich dank der morgendlichen Lieferungen immer die Morgenschicht übernahm. Wenigstens bekam ich für meine Doppelaufgabe auch fast doppelt so viel Gehalt wie die anderen drei, die mir das aber nicht wirklich übel nahmen, da ich mich wirklich reinhängte. Sunny war die Älteste von uns mit ihren 27 Jahren und ihre blonden Haare mochten nicht so wirklich zum Laden passen, doch wussten wir alle, dass das wohl nur eines ihrer Experimente war. Sie liebte es zu erforschen mit welchem Outfit und mit welcher Haarfarbe sie wo am ehesten akzeptiert wurde und wollte dadurch herausfinden, welche Gruppe bzw. Szene die Toleranteste war – bisher ohne Erfolg, aber sie blieb eisern dabei. Da sie am meisten Erfahrung hatte, erstellte sie normalerweise den Schichtplan. Nor, der eigentlich Norman hieß und diesen Namen verständlicherweise auf den Tod nicht ausstehen konnte, war der dritte im Bunde und mit 19 Jahren der Jüngste. Sein Sinn stand im Moment vor allem nach Feiern und nebenbei studierte er noch Grundschullehramt für Religion – was nicht so wirklich zu ihm passte, ihm aber trotzdem großen Spaß machte. Nel war 21 und hatte ihr BWL-Studium abgebrochen, weshalb sie dem Chef auch bei der Buchhaltung half, da sie von uns allen die meiste Erfahrung damit hatte. Dann gab es eben noch mich, Jo, 23 Jahre alt und unseren Chef Nick, 30 Jahre alt, der seine Angestellten am Liebsten durch einen kleinen Test aussuchte. Dabei ging es nicht einmal darum das Rätsel zu lösen, sondern eine möglichst einfallsreiche Antwort zu finden oder eben zugeben zu können, dass man die Lösung nicht weiß, da dies seiner Meinung nach von Charakterstärke zeugte. Allgemein ging bei ihm viel über Sympathie und wenn er einen mochte, hatte man gute Chancen den Job zu bekommen. Wenn es nach meinen Eltern gegangen wäre, hätte ich ein Jurastudium begonnen und wäre Anwalt geworden. Sie hatten mir beinahe den Kopf abgerissen als ich mich weigerte genau dies zu tun und mir einfach einen Job gesucht hatte und ausgezogen bin. Am Anfang hatte ich in einem Getränkemarkt an der Kasse gearbeitet, doch war die Bezahlung so mies gewesen, dass ich mir schleunigst etwas Besseres gesucht hatte. Ich landete in einer Bar hinter der Theke und schenkte fast ein halbes Jahr lang Bier und Schnaps an wenig hübsche Heteromänner aus, ehe ich durch Zufall von einer Freundin erfuhr, dass der Shop hier eine Stelle frei hatte – und jetzt arbeitete ich hier schon seit fast drei Jahren und es wurde mir immer noch nicht zuviel. Der Tag war ziemlich ruhig, nur ab und zu tröpfelten einige Kunden herein, von denen sich die wenigsten für die Fetischabteilung interessierten – und wenn sie es doch taten, dann kannten sie sich schon aus und brauchten meine Beratung nicht wirklich. Das waren die Tage, an denen ich meine angefallene Büroarbeit der letzten Tage erledigte und zu den Akten legte. Als diese vermaledeit langweilige Arbeit endlich vorbei war, ging ich einige Prospekte und Internetseiten durch, ob es neue interessante Artikel auf dem Markt gab. Dabei blieb mein Blick an einem Versender hängen, der auf stilvolle Schwarzweißbilder setzte, wobei mir einfiel, dass ich vor ein paar Tagen meinen Film mit den Bildern von meiner Schottlandreise zum Entwickeln abgegeben hatte und diese nun langsam fertig sein mussten und beschloss, dass ich heute Abend vorbeischauen würde, um danach zu fragen. Ich blätterte noch etwas herum, als plötzlich Sunny nach mir rief. „Jo, dein Rat wird gebraucht!“, schallte es durch den Laden und ich wunderte mich zum zigsten Mal, wie so eine zierliche Person so ein Organ haben konnte. „Komme!“, brüllte ich zurück und ließ alles stehen und liegen – eine Sunny ließ man besser NIE warten. „Was gibt’s?“, wollte ich wissen als ich neben ihr zum Stehen kam. „Die Lady hier würde gerne ein Hochzeitsoutfit kaufen.“ Sofort wurde ich hellhörig und begutachtete die ziemlich mollige junge Frau vor mir. „Deine Hochzeit oder nur als Gast?“, fragte ich sie direkt. „Meine Hochzeit – und es soll perfekt sein!“ Lächelnd nickte ich. „Wir alle wollen bei unserer Hochzeit perfekt aussehen, nicht?“, zwinkerte ich Sunny zu, die sofort eifrig nickte. „Was hast du dir denn vorgestellt? Oberteil und Rock, ein Kleid, Hose und Bluse, mit Korsett, ohne Korsett oder etwas mit Corsage?“, versuchte ich mir ein genaueres Bild von ihren Wünschen zu machen. „Das weiß ich noch nicht so genau … könnt ihr mir nicht erst einmal einfach zeigen was eurer Meinung nach in Frage kommen könnte?“ „Natürlich. Darf es denn auch etwas in Richtung Lack und Leder sein oder lieber ungern? Und weiß der Bräutigam schon, was er tragen wird?“ „Kommt ganz darauf an, um was es sich handelt … aber Spitze, Tüll und Samt wären mir bei weitem lieber.“ „Ist in Ordnung.“, schmunzelte ich. „Und wie steht es nun mit ihrem Bräutigam?“, wiederholte ich die Frage noch einmal. „Dem habe ich sein Outfit schon verpasst.“ //Der arme Kerl.//, schoss es mir sofort durch den Kopf. //Ob dem wohl klar ist, dass der ab dem Tage seiner Hochzeit nichts mehr selbst bestimmen darf?// Nach außen hin lächelte ich allerdings weiter freundlich und brachte die Kundin dann zu Sunny, die schon ein paar Blusen und Röcke in der hoffentlich passenden Größe herausgesucht hat, die eventuell in Frage kommen könnten. „Würde dir so etwas gefallen?“, sahen wir beide sie erwartungsvoll an. „Naja … ein Kleid wäre mir glaube ich schon lieber …“ „Okay, willst du nicht vielleicht doch die ein oder andere Bluse anprobieren? Du weißt schon, neue Klamotten für die Flitterwoche – wir haben übrigens auch Dessous für die Hochzeitsnacht der anderen Art.“, schlug ich grinsend vor und erntete dafür ein leises Lachen. „Also ich weiß ja nicht … aber okay, anprobieren schadet ja nicht.“ Und damit verschwand sie mit einer Bluse und einem Rock in der Umkleide, nachdem ich ihr beides herausgesucht hatte, in dem Wissen, dass die Kombination sehr figurschmeichelnd war und ihr alleine dadurch mit Sicherheit gefallen würde. Als sie mit dem Outfit vor mich trat, konnte ich mich nur gedanklich selbst loben, denn es stand ihr um einiges besser als das Outfit, das sie getragen hatte, als sie den Laden betreten hat. „Und?“, wollte ich wissen, als sie sich vor dem großen Spiegel drehte und wendete. „Gefällt es dir?“ „Ich hätte es ja nicht gedacht, aber ja, es gefällt mir.“ „Soll ich es dir dann schon einmal zurücklegen lassen?“, ging ich zum Angriff über. Kurz schien sie noch zu überlegen, doch dann nickte sie wie erhofft und ich brachte die Klamotten zur Theke, als sie mit Umziehen fertig war. Die durch die Anprobe gewonnene Zeit hatte Sunny genutzt um alle möglichen Kleider, die wir in großen Größen da hatten, herauszusuchen. Selbst das Lager musste sie durchwühlt haben, da ich ein oder zwei Kleider entdeckte, die wir eigentlich gar nicht mehr im Sortiment hatten, da sie sich nicht wirklich gut verkaufen ließen, da sie entweder zu teuer, zu ausgefallen oder nur noch in wenig gekauften Größen vorhanden waren. Mit geübtem Blick besah ich mir die Kleider und versuchte abzuwägen, welches der Kundin wohl am ehesten stehen und damit auch gefallen würde. Doch leider war diese schneller und verschwand mit einem sehr pompösen Kleid in der Kabine, bei dem ich mir sicher war, dass es sie bei weitem dicker wirken lassen würde als sie sowieso schon war, doch sollte sie das selbst herausfinden. Ich musste mir schon beinahe das leicht abfällige Grinsen verkneifen, das sich auf meine Lippen schleichen wollte als sie mit unglücklichem Gesichtsausdruck vor dem Spiegel stand. Ich hatte mal wieder Recht behalten und das war ein ungemein befriedigendes Gefühl. „Gefällt es dir nicht?“, fragte ich unschuldig. „Nicht so wirklich – dabei hat es doch alles, was ich immer wollte.“, kam es enttäuscht zurück. „Der Schnitt ist wenig vorteilhaft – wenn du nichts dagegen hast, würde ich dir gerne ein paar Kleider zeigen, die dir bestimmt auch gefallen werden, wenn du sie denn einmal angezogen hast.“, ließ ich meinen Charme spielen und schenkte ihr mein bezauberndstes Lächeln, das zwar bei weitem nicht so engelsgleich wie das von meinem Blondschopf war, aber doch seinen Zweck erfüllte, was mir ihr leicht geknicktes Kopfnicken verriet. Mit sicherem Griff zog ich die sechs Kleider heraus die ihr sowohl passen als auch stehen könnten, während Sunny davon eilte um sich um einen anderen Kunden zu kümmern. „Und das soll gut aussehen?“, wollte Moppelchen, wie ich sie für mich getauft hatte, von mir wissen. „Das ist so … einfach … da fehlt das ganze romantische!“ „Jetzt probier es doch erst einmal an. Gerade bei dem Kleid passen zum Beispiel sehr gut lange Spitzenhandschuhe und ein auffälliger Haarschmuck dazu.“, versuchte ich sie zu überzeugen. Zwar sah sie noch sehr zweifelnd drein, trollte sich dann aber doch brav in die Kabine, während ich hastig loslief um angesprochenen Handschuhe zu suchen. Ich fand sogar drei verschiedene Ausführungen: eine mit normal geschlossenen Fingern, eine bei der nur der Handrücken noch bedeckt war und durch einen Ring um den Mittelfinger an Ort und Stelle gehalten wurde und eine mit Rüschen am Bund – wenn ihr das nicht kitschig genug war, konnte ich ihr auch nicht mehr helfen. Als Haarschmuck nahm ich eine silberne Kette mit einem Herzanhänger mit. Ich kam gerade rechtzeitig zurück um sie davon abzuhalten das Kleid gleich wieder auszuziehen. Leicht keuchend zeigte ich ihr die Handschuhe, die ihr Gesicht wieder aufleuchten ließen. Freudig probierte sie das Paar mit dem Ring an, der zu meiner Verwunderung sogar über ihren Finger passte. „Und? Wie ist es jetzt?“, wollte ich wissen. Das Outfit war zwar schlicht, aber elegant und sie wirkte ziemlich schlank darin. „Mit den Handschuhen würde es gehen …“ „Schau, wenn du dir zum Beispiel so etwas hier besorgen würdest …“, damit legte ich ihr die Kette behutsam über die Haare, so dass das Herz kurz unter ihrem Haaransatz auf der Stirn auflag, „wäre es doch noch einmal schicker, oder?“ „Ja … hat schon was … aber ich will trotzdem lieber noch die anderen anprobieren.“ „Okay, geht klar.“ Das nächste Kleid war zwar ebenfalls größtenteils schwarz, doch die Nähte waren mit einem silbrig glänzenden Faden genäht worden und auf dem Oberteil schlängelte sich eine silbrige Pflanze hinauf. Alles sehr filigran gehalten, aber doch so, dass man zu allererst darauf sah und nicht auf die überflüssigen Pfunde der Braut. Noch dazu hatte es eine Schnürung, bei der ich ihr freundlicherweise half. Durch das korsettähnliche Oberteil konnten sich keine Fettringe abzeichnen, auf was ich persönlich an ihrer Stelle achten würde. „Und, ist das eher dein Geschmack?“, schmunzelte ich, da sie bei weitem begeisterter aussah als bei dem ersten Kleid. „Würden die Handschuhe auch dazu passen?“ „Hm … bedingt. Es wäre besser wenn die Handschuhe auch solche silbrigen Elemente hätten.“, überlegte ich. „Zur Not könnte man es aber schon kombinieren. „Hm, okay.“ „Willst du das nächste Kleid anprobieren?“ „Ja, gib’s her.“ Ich half ihr die Schnürung wieder zu lösen und vor allem zu lockern, so dass sie ohne Probleme wieder aus dem Kleid heraus kam, ehe ich ihr das nächste Kleid mit violetten Samteinsätzen an den Seiten und im Rock reichte, doch so wirklich gefiel ihr das wohl nicht. Auch das darauf folgende Kleid, das etwas kürzer als die anderen war und einen relativ großen Ausschnitt hatte, fand nicht ihre Zustimmung. Erst das vorletzte und das letzte Kleid schafften es wieder in die Endrunde. Ersteres hatte lange Fledermausärmel, ein eingearbeitetes Korsett und immer wieder verspielte violette Schleifchen, die es ihr anscheinend wirklich angetan hatten. Den Abschluss machte ein Kleid mit kleinen Puffärmelchen, zu denen die Handschuhe wieder passen würden und einem schwarzen Tüllrock, der im richtigen Licht bläulich schimmerte. Sunny war in der Zwischenzeit wieder zu uns gestoßen und besah sich das Spektakel leicht amüsiert. Ab und zu gab sie einen zustimmenden Kommentar von sich, ansonsten überließ sie mir das Reden. Auch war sie so lieb und brachte die ausgemusterten Kleider nach der kleinen Fashion-Show wieder dorthin, wo sie hingehörten. „Also, hast du dich schon entschieden?“, wollte ich wissen als sie fünf Minuten lang auf die drei verbliebenen Kleider gestarrt hatte. „Wieviel kosten die eigentlich?“, wollte sie dann plötzlich wissen und ich sah hilfesuchend zu Sunny, da die sich mit dem Preisen bei weitem besser auskannte als ich. Sie schien meinen Blick bemerkt zu haben, da sie wieder zu uns kam. „Was gibt’s?“ „Die Kundin würde gerne wissen wie viel die Kleider kosten würden.“ „Okay. Also das mit den silbernen Nähten läge bei ungefähr 500 Euro, das mit den Fledermausärmeln etwa 450 und das mit dem Tüllrock bei jeweils ungefähr 430 Euro.“ Die Preise waren saftig, aber wir garantierten für gute Qualität und ein richtiges Hochzeitskleid käme sie sicher noch teurer. „Hm … meine Eltern wollten mir das Kleid spendieren … vielleicht sollte ich sie noch fragen, bevor ich eines kaufe.“, überlegte sich Moppelchen. „Wir können dir die Kleider für eine Woche zurücklegen lassen.“, bot Sunny unverzüglich an. „Dann hast du eine Woche Zeit um mit ihnen herzukommen und sie ihnen vorzuführen.“ „Wenn das ginge … das wäre echt super!“ „Kein Ding. Aber was ist mit dem anderen Outfit? Nimmst du das gleich mit oder sollen wir das auch zurücklegen?“ „Nein, nein, das bezahl ich gleich jetzt. Karte geht doch, oder?“ „Klar.“, lächelten Sunny und ich zeitgleich. Ein Blick auf meine Armbanduhr zeigte mir, dass ich seit fünf Minuten Feierabend hatte, ließ es mir aber trotzdem nicht nehmen mit galant mit einem Handkuss von der Kundin zu verabschieden, ehe ich Sunny das Abkassieren überließ. Als sie dann endlich verschwunden war, kam Sunny zu mir nach hinten und steckte sie erst einmal eine Zigarette an. „Wetten, dass sie nicht mehr kommen wird?“, seufzte sie. „Hm, kann passieren …“, musste ich zustimmen, da Moppelchen ziemlich blass geworden war, als sie die Preise gehört hatte. „Sag mal, wo bleibt eigentlich Nor? Der hätte doch schon vor zehn Minuten da sein sollen.“, wunderte ich mich, während ich meine Sachen zusammenpackte und meine neuen Klamotten noch bezahlen ging. „Der kommt heute eine halbe Stunde später. Muss noch seinen Roller aus der Werkstatt holen.“ „Okay, kommst du alleine klar oder soll ich noch so lange hierbleiben?“ „Nein, ist schon okay. Ist ja nicht viel los … und die halbe Stunde werde ich schon alleine überleben.“ „Okay, dann bis morgen.“, verabschiedete ich mich von Sunny und drückte sie wie üblich kurz an mich, ehe ich mit einer Tüte in der Hand und meiner Tasche um die Schulter den Laden verließ. Tief atmete ich die vom Smog verseuchte Luft ein, die doch besser und frischer war, als die Luft im Laden, in dem hunderte von neuen Kleidungsstücken den Geruch von ‚neu’ absonderten. Ich bevorzugte eindeutig den Geruch von älterer, frisch gewaschener Wäsche, was die Erinnerung an den Stapel dreckiger Wäsche in mir wachrief, der daheim auf mich wartete. Na dann, auf in den Kampf! Kein andren Mann mein Aug mehr sieht, weil meiner Welt die Farbe fehlt Gähnend kratzte ich mich im Schritt während ich darauf wartete dass der Toast und der Kaffee fertig wurden. Ich hatte nicht mehr sonderlich viel Zeit bis ich los musste, da ich wie meistens viel zu spät aufgestanden war. Um 9 Uhr machte der Fotoladen auf in dem ich in den Semesterferien und wenn ich Zeit hatte als Fotograf arbeitete und jetzt war es schon zehn nach acht und um halb musste ich los um noch rechtzeitig zu meiner Schicht zu erscheinen. So wirklich Lust hatte ich nicht auf die ganzen Menschen, die den Laden betreten und ein Passfoto wollen würden. Es gab nichts Langweiligeres als Passfotos schießen! Besonders nervtötend waren kleine Kinder. Entweder sie schrien, sahen irgendwo hin nur nicht in die Kamera und wollten einfach nicht still sitzen. Am Liebsten war es mir, wenn jemand um ein richtiges Shooting bat, wobei es mir egal war, ob sich eine Frau nur beweisen wollte, dass sie immer noch gut aussah, ob ein Mädchen Fotos für eine Mappe brauchte, da sie Model werden wollte oder ob ein Angeber neue Fotos von sich brauchte, die er seinen Freundinnen schenken konnte. Ich machte auch Fotos von allen möglichen Events, solange man mich nur dafür bezahlte und nicht anmaulte, nur weil die Braut auf dem Bild genauso fett aussah wie sie in Wirklichkeit auch war. Von Photoshop hielt ich nicht viel. Klar konnte man damit viel machen, aber ich sah Bilder als etwas, das die Wirklichkeit abbilden sollte, dir Realität – und wenn jemand fett war, war er nun mal fett. Wenn jemand hübsch war, war er eben hübsch. Gerade die zukünftigen Models nervten häufig, ob man nicht noch etwas drehen konnte an den Aufnahmen, doch selbst wenn sie mit mir schliefen, änderte ich nichts daran. Ab und zu kommt es durchaus vor, dass ich gegenüber einem Kunden behaupte, dass ich dies und das geändert hätte, damit er sich zumindest einbildete, dass er würde auf dem Bild besser aussehen würde als in real und zufrieden von Dannen zog. Mein Chef ließ mich machen, solange ich ab und zu für ihn Model stand für seine Bilder im Schaufenster. Mal spielte ich den Bräutigam, mal einen coolen Jugendlichen – mir war das egal. Dass deshalb immer wieder Talentscouts vorbeikamen und wissen wollten, wer denn dieser Mann sei, da er das ‚gewisse Etwas’ habe, war mir dagegen nicht ganz so egal, da es mich schon etwas nervte. Wenn sie mir spontan einen Job geben konnten, spielte ich mit, ansonsten wimmelte ich sie ab, da ich nicht als Karteikarte in einem großen Unternehmen enden wollte. Ich hatte kein Interesse daran von Casting zu Casting zu rennen und Schaufensterpuppe für alte Männer oder Frauen zu spielen. Ich war zwar eitel, aber nicht dumm! Robert, mein Chef, stand schon grinsend in der Tür und zählte den Countdown herunter, als ich keuchend aber auf die Sekunde pünktlich ankam. „Moin Marc.“, grüßte er mich grinsend. „Eine Sekunde später und du hättest mich auf einen Kuchen einladen müssen!“ „Tja, Pech gehabt!“, gab ich zurück und zwinkerte ihm frech zu, ehe ich an ihm vorbei den Laden betrat und meine Kamera überprüfte, ob alles in Ordnung war. „Steht irgendetwas besonderes auf dem Programm?“, wollte ich wissen und linste zu Robert hinüber. „So ’ne Göre will mal wieder eine Mappe. Ihre Mutter hat heute Morgen angerufen.“ „Soll ich das übernehmen?“ „Du kommst mit jungen Mädchen besser zurecht als ich.“, kam nur zurück und ich richtete mich auf. „Dafür kommst du mit Kindern und älteren Menschen bei weitem besser klar.“ „Ich bin eben schon reifer!“ „Will ich auch hoffen! Schließlich bist du doppelt so alt wie ich!“ Wenn mich jemand fragen würde, wie das Verhältnis zwischen Robert und mir sei, könnte ich wohl guten Gewissens antworten: Freundschaftlich. Klar, er bezahlte mich, aber er ließ das nie irgendwie heraushängen und verzieh es mir auch, wenn ich einmal etwas später kam – dafür ging er früher. Nach einigem hin und her am Anfang haben wir uns überlegt, dass es morgens von 9 bis 10 Uhr und abends von 17 bis 18 Uhr reichen würde, wenn nur einer von uns da war. Und da ich gerne länger schlief in den Ferien und er abends lieber früher bei seiner Familie sein wollte, haben wir uns sehr schnell auf die jetzige Lösung geeinigt. Außerhalb der Semesterferien kam ich eben immer dann, wenn es sich einrichten ließ. Ab und zu stellte er dann noch einen dritten Fotografen für halbtags ein, doch der bekam immer unbezahlten Urlaub, sobald ich Ferien hatte. „Um wie viel Uhr will die junge Dame kommen?“, erkundigte ich mich. „Nach der Schule zusammen mit ihrer Frau Mutter … lass deinen Charme spielen, sonst frisst die dich auf … die klang schon am Telefon ziemlich hochnäsig und eingebildet.“, warnte er mich vor – doch das waren die meisten Mütter, die ihre Töchter für eine Mappe vorbei brachten und bisher hatte ich sie alle um den Finger wickeln können. Hier ein Kompliment, dort eine Schmeichelei, da einmal ein Witzchen und ab und zu die Schönheit der Tochter und der Mutter ansprechen, dann lief es meistens problemlos. „Geht klar. Also so gegen zwei Uhr …“, überlegte ich. „Soll ich hinten Fotos entwickeln oder hier vorne die Stellung halten?“, erkundigte ich mich und staubte die aufgestellten Bilderrahmen und Regale dabei mit einem Staubwedel ab. „Von mir aus kannst du entwickeln. Sind drei normale Filme, ein Schwarzweißfilm und zwei CDs mit digitalen Bildern hinten. Der Schwarzweißfilm liegt schon seit vorgestern da, vielleicht fängst du mit dem an? Nicht, dass der Kunde ungeduldig wird.“, erhielt ich Anweisung. „Geht klar Boss.“, meinte ich daraufhin nur und verschwand durch den Vorhang im hinteren Teil des Ladens. Geübt machte ich mich daran die Bilder zu entwickeln und stellte dabei fest, dass eine ganze Reihe alter Burgen und Bäume als Motiv dienten. Obwohl die Bilder nur in schwarz, weiß und grau waren, hatten sie etwas beinahe Magisches – vielleicht gerade weil sie auf Farbe verzichteten. Auch ein Selbstbildnis schien dabei zu sein, da auf einem der Fotos ein junger Mann mit langen schwarzen Haaren abgebildet war, der mit dem Rücken zur Kamera stand und seinen Kopf leicht seitlich gedreht hatte, so dass man nur sein Profil erkennen konnte. Quer über den Rücken ging ein großes, verschnörkeltes Tribaltattoo, das bei den meisten anderen Menschen wahrscheinlich fehl am Platze wirken würde, doch zu diesem Menschen irgendwie passte. Fast schon liebevoll hängte ich das Bild an die Leine und verließ dann die Dunkelkammer, um mir die drei Filme zu holen und fing mit dem Größten an. Ich hatte vielleicht noch zwei Stunden Zeit bis die beiden Grazien im Laden stehen würden, das würde genügen um einen 36er- und einen 24er-Film zu entwickeln. Mehr wollte ich mir nicht vornehmen, denn wenn die beiden Ladies doch etwas früher als erwartet kommen würden und ich sie warten ließe, gäbe es nur Ärger und eine angespannte Stimmung beim Shoot war nie wirklich förderlich. Als hätte ich es geahnt, standen sie schon im Laden als ich noch zehn Bilder fertig machen musste, was ich durch Robert mitteilen ließ, als dieser mich holen wollte. Dieser kam kurz darauf wieder zurück und meinte durch die geschlossene Tür zur mir: „Die Mutter sagt, dass sie es etwas eilig haben.“ „Dann richte ihr doch bitte aus, dass sie für eine gute Mappe schon etwas Zeit mitbringen müssen. Frag sie doch, ob sie sich schon Outfits und Styling überlegt haben und dann doch damit schon mal anfangen sollen.“ Er brummte noch irgendetwas vor der Tür, was ich aber nicht verstehen konnte und beeilte mich lieber fertig zu werden. 20 Minuten musste ich die Damen warten lassen, das ließ sich leider nicht verhindern, doch als ich ihnen mit meinem schönsten Lächelnd entgegentrat und mich bei ihnen entschuldigte, hatten sie mir schon wieder verziehen – ich liebte mein gutes Aussehen! Mit prüfendem Blick musterte ich das vielleicht 16-jährige Mädchen. Sie war zwar nicht hässlich, hatte aber auch nichts wirklich Außergewöhnliches an sich, das einen umgehauen hätte - und ehrlich gesagt rechnete ich ihr keine großen Chancen in der Modewelt aus. „Ich bin Marc und wir können uns gerne duzen.“, stellte ich mich artig vor. „Mareike Hahn und das hier ist meine Tochter Maria!“, ergriff die Mutter das Wort. „Hallo.“, grüßte ich noch einmal freundlich und führte die beiden dann in einen Nebenraum, in dem wir solche Shoots meistens machten, außer die Kunden hatten Extrawünsche. „Also Maria, was hast du dir denn vorgestellt?“, wendete ich mich direkt an die Tochter, um die es ja letztendlich ging. „Naja … ich habe einige Outfits dabei.“, kam die zögerliche Antwort. „Willst du denn eher auf dem Laufsteg sein oder dich eher auf Shootings konzentrieren?“, hakte ich nach, da sich darüber die wenigsten Gedanken machten – und tatsächlich sah sie hilfesuchend zu ihrer Mutter, die auch etwas ratlos dreinsah, dies aber gut überspielte. „Macht das denn einen Unterschied?“ „Ja, einen gewaltigen! Aber wenn Sie wollen, können wir die Mappe so gestalten, dass sie sich damit bei jedem Job bewerben kann.“, schlug ich vor. „Allerdings wird das etwas aufwändiger.“ „Solange Sie gute Fotos machen …“, wurde nach einigen Minuten aufgeregten Tuschelns eingewilligt – wie eigentlich immer. „Also gut, habt ihr euch schon ein Schminkkonzept für die Beautyaufnahmen überlegt?“ Ratlose Blicke. „Also nein … okay, vielleicht setzen uns dann erst einmal zusammen und überlegen uns etwas, in Ordnung?“ Stummes Nicken und die beiden folgten mir brav zu dem kleinen Tisch. „Also gut. Die Kunden, die Schminke verkaufen wollen, achten vor allem auf das Gesicht – auf große Augen, reine Haut, sinnliche Lippen und die Ausstrahlung.“, erklärte ich. „Also sollten wir genau dies betonen. Allerdings wollen sie trotz allem kein zugekleistertes Gesicht vor sich liegen haben, das könnt ihr mir glauben. Ich schlage also vor, dass du dich erst einmal komplett abschminkst und ihr mir zeigt, was ihr an Schminke dabei habt.“ Eilig nickte die Tochter und kramte die Abschminktücher aus ihrer Handtasche, während die Mutter einiges an Schminkutensilien hervorzauberte. Gezielt griff ich nach der Wimperntusche, Kajal und einem leicht rosa schimmernden Lipgloss. „Benutze bitte nur ganz ganz wenig Kajal und betone dafür deine Wimpern mehr. Vom Lipgloss bitte auch nur so viel, dass deine Lippen etwas glänzen.“, gab ich Anweisungen. Während Maria sich fertig machte, stellte ich den passenden unaufdringlichen Hintergrund für die ersten Bilder ein. „Fertig?“, wollte ich nach einigen Minuten wissen, woraufhin eifrig genickt wurde. „Okay, dann noch die Haare. Kommst du bitte mal zu mir?“ Sofort stand sie neben mir und sah mich fragend an. Ich zog aus einer meiner Hosentaschen einen Haargummi und fasste ihre Haare zu einem lockeren Zopf zusammen, den ich ihr seitlich über die Schulter legte und ein paar einzelne Strähnen ihr Gesicht umrahmen ließ. Langsam wurde das Mädel vorzeigbar, befand ich. „Stellst du dich bitte mal vor die Wand? … okay, und jetzt schau einfach in meine Richtung aber bitte nicht direkt in die Kamera … schau lieber etwas seitlich an mir vorbei – ja, genau so … und jetzt den Kopf etwas zur Seite neigen – lächeln – mehr – genau, das ist süß.“, gab ich Anweisungen und schoss ein Foto nach dem anderen. Tatsächlich stellte sich das junge Fräulein nicht einmal dumm an und wusste sich durchaus in Szene zu setzen. „Wendest du mir bitte einmal halb dein Profil zu? Okay, genau so, super!“ Ich lud die Bilder auf dem PC hoch, so dass sie sich das Ergebnis ansehen konnten. Von den 15 geschossenen Bildern waren vielleicht drei oder allerhöchstens vier gut genug um in die Mappe zu kommen, doch das war ganz normal. „Zweiter Teil. Zeigst du mir bitte mal deine Outfits, damit wir uns dafür das passende Styling überlegen können?“ Eilig wurden einige große Tüten geholt. „Ich dachte mir, dass ich diese Jeans mit dieser Bluse zusammen, die beiden Kleider hier, den Rock und das T-Shirt und den Bikini anziehe.“, wurde mir erklärt. Ich begutachtete die schwarze Jeans und die zitronengelbe Bluse, die anscheinend einen ziemlich großen Ausschnitt besaß, doch es passte zusammen – auch wenn es an die Biene Maja erinnerte. Das eine Kleid sah ziemlich Mini aus und erstrahlte in einem kräftigen Rot, während das andere eher einem schicken Abendkleid glich, das mit einem satten Blau überzeugte. Den flattrigen Rock und das T-Shirt fand ich dagegen nicht so wirklich passend und das sagte ich auch ganz offen und ehrlich, aber die beiden Frauen schienen da anderer Meinung zu sein und so ließ ich ihnen ihren Willen. Der schwarz-grüne Bikini hatte dagegen wieder Stil und auch die mitgebrachte Sonnenbrille und der Strohhut passten gut dazu. „Ich würde sagen, dass zu dem Hosen- und dem Rockoutfit am Besten ein alltägliches Make-Up passt – nichts außergewöhnliches, sondern relativ mädchenhaft, wobei es bei der Hosenkombi durchaus etwas erwachsener wirken darf. Beim Bikini halten wir es so natürlich wie möglich, betonen aber deine Wangen mit ein klein wenig Rouge und deine Augen mit ein wenig gelb-grünem Lidschatten. Zum Minikleid würde ich ein ziemlich heftiges Make-Up und zu dem Abendkleid ein dezentes, dunkles Make-Up, das vor allem die Augen betont, vorschlagen.“ Zu meiner ehrlichen Überraschung nahmen sie meine Ratschläge sogar an und konnten sie in etwa so umsetzen, wie ich es mir vorgestellt hatte. Am Anfang war das Mädel noch ziemlich verspannt, doch dann wurde sie lockerer und traute sich neue Posen, die teilweise ziemlich seltsam aussahen, aber trotzdem von mir festgehalten wurden. Nach jedem Outfit lud ich die Bilder auf den PC und wir sahen sie uns zusammen durch, trafen schon einmal eine Vorauswahl. Ich war fast drei Stunden beschäftigt ehe wir alle Bilder im Kasten und die Besten herausgesucht hatten. „Woher weißt du eigentlich so viel über Mode?“, kam dabei irgendwann die neugierige Frage und ich musste leicht grinsen. „Ich bin Fotograf, da habe ich mich damit schon mehrmals auseinander gesetzt. Außerdem bin ich auch schon ein paar Mal gelaufen und wurde schon für Shootings gebucht.“ Die überraschten und bewundernden Blicke und Worte die darauf folgten, hatte ich schon dutzende Male gehört, trotzdem gingen sie mir runter wie warme Semmeln. Ich war ziemlich geschafft als die beiden endlich gegangen waren und ließ mich ächzend auf einen Stuhl fallen, verwuschelte mir mit der Hand die blonden Haare. „Kaputt?“, erklang Roberts mitfühlende Stimme, die sich mir langsam näherte und dann eine Tasse Kaffee vor mir abstellte. Müde blinzelte ich zu ihm nach oben. „Das kannst du laut sagen … wenigstens haben sie meine Vorschläge angenommen und sich nicht erst lange mit mir gestritten.“, seufzte ich und nippte dann an dem Kaffee. „War vorne viel los?“ „Nein, war in Ordnung. Kamen nur ein paar Leute, die Passphotos wollten, zwei die einen Foto kaufen wollten und einer, der einen Bilderrahmen gebraucht hat.“ „War wohl wirklich tote Hose.“, brummte ich und trank dann meinen Kaffee aus. „Ich mach hinten noch die Fotos fertig, in Ordnung?“ Ich hatte für heute vorerst genug Kundenkontakt gehabt, da widmete ich mich gerne wieder der Fotoentwicklung. „Tu das.“, wurde ich nach kurzem Überlegen erlöst und ich verschwand eilig wieder hinter dem Vorhang und der Tür. Fünf vor fünf war ich fertig und konnte damit anfangen die ersten Bilder in die Umschläge zu stecken und mit nach vorne zu nehmen, als Robert sich verabschiedete. Wie jeden Abend räumte ich schon einmal auf und versorgte die einzeln hereinschneienden Kunden. Kurz vor Ladenschluss erklang das Glöckchen noch einmal und ich sah vom PC auf, an dem ich einige Fotos von Maria etwas nachbearbeitete, sprich einige Pickelchen retuschierte, wozu ich mich dann meistens doch herab ließ. „Hallo.“, grüßte ich die dunkle Gestalt mit den langen Haaren, die mich leicht verplant musterte. „Kann ich Ihnen helfen?“ Keine Reaktion. „Suchen Sie etwas Bestimmtes?“, versuchte ich es noch einmal und dann reagierte die seltsame Person auch endlich. „Ähm, ja, ich habe vor einigen Tagen einen Film zum entwickeln abgegeben und wollte fragen, ob er schon fertig ist.“ Jetzt wusste ich auch, woher er mir bekannt vorkam, denn es handelte sich eindeutig um den Typen auf dem Schwarzweißfoto. „Ja, habe ich vorhin erst fertig gemacht.“, lächelte ich freundlich. „Einen Augenblick bitte, dann hole ich sie.“ Eilig wuselte ich nach hinten und holte den richtigen Umschlag. „Hier, bitte. Das macht dann 6,80 Euro.“, verkündete ich und nahm das Geld entgegen. „Ich hoffe, dass sie mit meiner Arbeit zufrieden sind. Sie können wirklich gut fotografieren!“, konnte ich es mir nicht verkneifen zu sagen, woraufhin ich nur scheu angelächelt wurde, was einfach nicht so wirklich zu dem doch eher unheimlichen Outfit passen wollte. Als der Fremde dann mehr oder weniger die Flucht ergriff – zumindest deutete ich den eiligen Gang zur Tür, der auch noch rückwärts erfolgte, als solchen, musste ich doch leicht Grinsen. Leise lachte ich auf, als er dabei gegen die Eingangstür lief und diese dann aufriss um hinaus zu stolpern. Ich wusste ja, dass ich eine beeindruckende Ausstrahlung hatte, aber so hatte noch niemand auf mich reagiert und es amüsierte mich prächtig. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass es 18 Uhr war und ich endlich den Laden schließen und nach Hause gehen durfte. Penibel überprüfte ich alle Fenster und Türen, ob sie auch ja abgeschlossen waren, ehe ich die Rollläden hinab ließ und dann in den lauen Herbstabend hinaustrat, um hinter mir die Eingangstür fest zu verschließen und das Gitter davor herunter zu lassen. Vergnügt vor mich hin summend machte ich mich auf den Heimweg, freute mich auf das spätere Treffen mit Martin, mit dem ich etwas durch die Clubs ziehen wollte. Wir hatten uns schon länger nicht mehr gesehen, da er ja von seiner Nachbarin abgelenkt gewesen war. Insofern hatten wir uns sicher einiges zu erzählen – vor allem er – aber die Geschichte mit dem Typen von gerade eben würde ich ihm sicher nicht vorenthalten – dazu war sie einfach zu lustig gewesen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)