Spiegelverkehrt von Ur (Liebes Tagebuch, ...) ================================================================================ Kapitel 3: Pornoanalyse ----------------------- Es war eindeutig das Befremdlichste, was er je getan hatte. Normalerweise schaute er Pornos, um sich dabei einen runterzuholen. Nicht, dass er Pornos dazu nötig hätte… aber ein wenig visuelle Anregung konnte ja bekanntlich nicht schaden. Allerdings war dieser Porno offenbar lediglich zu Erheiterung und Unterhaltung gedacht, als würden sie eine stinknormale Komödie schauen. Hin und wieder lachte Felix leise, legte den Kopf schief, um die teilweise verkorksten Stellungen besser sehen zu können und grinste unablässig vor sich hin. Sie saßen nebeneinander auf dem Sofa, so dicht, dass ihre Oberarme sich aneinander schmiegten. Leon hatte das Sofa ausgezogen, ihre Beine lagen ausgestreckt vor ihnen und irgendwo hatte er eine halbe Tüte Weingummi ausgegraben, die sie mittlerweile beinahe ganz geleert hatten. »Noel?« »Nenn mich nicht so…«, brummte er. Felix knuffte ihn in die Seite. »Ich darf das«, meinte er schlicht. Ja, du darfst das, dachte Leon resigniert. Felix war vermutlich der Einzige, der ihn so nennen durfte. Niemand vorher war mit einem dermaßen blöden Spitznamen für ihn aufgewatet, normalerweise nannten die Leute ihn Leo. Aber dass er scheinbar Privilegien bei Leon hatte, das musste Felix ja nicht wissen. »Sag mal… stöhnen die Frauen, mit denen du schläfst auch immer so hoch und laut? Bekommt man davon keine Kopfschmerzen?« Leon wandte den Kopf und starrte Felix an. Der Gitarrist hatte sich ihm zugewandt, seine Miene zeigte deutliches Interesse. Er machte also keine Witze… »Wie haben denn die Frauen gestöhnt, mit denen du im Bett gewesen bist?«, fragte er brummig. Felix sah ihn erstaunt an. »Ich war noch nie mit einer Frau im Bett. Ich hab mich noch nie für Mädchen interessiert. Also sag schon, stöhnen die so wie die da?« Er ruckte mit dem Kopf in Richtung Fernseher, wo gerade ein besonders lautes Stöhnen zu hören war. »Ähm… ja, tun sie und nein…eigentlich… bekomme ich davon nie Kopfschmerzen«, gab er bereitwillig zurück. Felix wiegte den Kopf hin und her. »Sondern…du findest das heiß?« Leon murrte leise und wortlos vor sich hin. Wieso musste Felix ihm diese Fragen stellen? Für gewöhnlich hatte er keine Probleme damit, über Sex zu sprechen, aber mit Felix war das irgendwie etwas anderes. »Ja, sicher. Wie jeder normale Mann!« Felix lachte laut auf. »Ich bin also nicht normal, ja?«, erkundigte er sich amüsiert und schnappte sich noch ein Stück Weingummi. »Nein, du bist ein Alien«, gab er zurück. Felix war wirklich ein Alien. Oder zumindest etwas in der Art. Er war der merkwürdigste Mensch unter der Sonne und Leon verstand seine Stimmungsschwankungen nie. »Findest du? Sind alle schwulen Männer Aliens oder nur ich?«, wollte Felix weiter wissen. Leon warf ihm einen Seitenblick zu. Felix hatte den Blick wieder interessiert auf den Bildschirm gerichtet, als würde er eine sehr informative Tierdokumentation verfolgen. »Eigentlich schon. Aber du bist ein besonders… na ja… außerirdisches Alien«, meinte Leon und zuckte mit den Schultern. Felix stutzte, sah ihn an und ihre Blicke trafen sich. Leon hatte ein wenig das Gefühl, als hätte ihn ein elektrischer Schlag getroffen. Wenn er in dieses Gesicht rein schlagen könnte, dann wäre es nicht mehr so hübsch und dann müsste er nicht jedes Mal Herzrasen bekommen, wenn er Felix ansah… aber andererseits würde Felix ihm das sicherlich nie verzeihen und Leon konnte ihm schlecht erklären, dass er für einen Jungen zu hübsch und deswegen Schuld an Leons dauerhaftem Lampenfieber war. »Noel…« »Nenn mich nicht so…« »Du bist niedlich!« »Was?« Felix lachte erneut, streckte die Hand aus und wuschelte ihm ein weiteres Mal durch die mittlerweile trockenen Haare. »Stört’s dich wirklich, dass ich schwul bin?«, wollte der Brünette dann plötzlich wissen und seine Miene war so rasch von einem Lachen auf einen ernsten Blick umgeschwungen, dass Leon sich fragte, wie er das anstellte. Fast wurde ihm schwindelig von diesen Gemütswechseln. »Was hat das damit zu tun?«, raunzte er und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. Niedlich… also ehrlich. Felix nahm ihn überhaupt nicht ernst! Es war zum Verrückt werden. Eines Tages… »Sag’s mir doch einfach. Also…?« Leon richtete den Blick auf die Mattscheibe, ließ die Arme verschränkt und kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe herum. »Nein«, sagte er schließlich. »Es stört dich nicht?« »Nein, es stört mich nicht!« Es störte Leon lediglich, dass er selbst plötzlich auch an einem Mann interessiert war. Als wäre Felix irgendwie ansteckend. Felix schien einen Moment lang nachzudenken. »Aber es stört dich, wenn andere schwule Männer mir an den Arsch fassen?« Leon schloss einen Moment die Augen und atmete tief ein und aus. Aha. Da waren sie also bei dem Thema, über das er nur ungern reden wollte. Seine überzogene Reaktion auf Christians Baggerei. »Nein, eigentlich nicht«, meinte er. Er war immer schon ein mieser Lügner gewesen. »Warum hast du Christian dann angeschrieen?«, wollte Felix wissen. Wieso mussten sie das nun durch kauen? »Ach, was weiß ich«, schnauzte er ungehalten. Was für eine unsagbar schlagfertige Antwort. Aber er wollte einfach nicht darüber reden… Und schon gar nicht mit Felix. »Du bist eifersüchtig«, stellte Felix sachlich fest. Leon wandte ihm den Kopf zu. »Nein, bin ich nicht! Es ist mir schnuppe, mit wem du dich wie oft durch die Weltgeschichte vögelst. Ich kann Christian einfach nicht leiden, klar?« Felix legte den Kopf schief. Seine brünetten, seidig glänzenden Haare fielen ihm ins Gesicht und Leon unterdrückte den Drang, sie ihm aus der Stirn zu streichen. Felix’ dunkle Augen musterten ihn eine ganze Weile lang schweigend. Leon wurde nervös unter diesem Blick. »Noel…« »Ich hab doch gesagt…« »Ja, ich weiß. Aber ich tu doch ohnehin, was mir gefällt. Also… Noel…« Jedes Mal, wenn Felix ihn so nannte, dann machte sein Herz einen Salto. Deswegen hasste er es jetzt schon, wenn Felix ihn so nannte, dabei hatte er diesen beknackten Spitznamen jetzt erst seit ein paar Stunden. »Wollen wir nachher was zu essen zu bestellen?« Hä? Erst fragte er tiefgründige Dinge über Leons Verhalten Christian gegenüber und jetzt sprach er vom Essen? Himmel und Hölle, was war eigentlich los? Gab es einen tieferen Sinn, den er nur nicht erkannte? Felix war schlimmer als jede Frau! »Können wir machen«, brummte er. Felix lächelte und wandte sich wieder dem Bildschirm zu, wo gerade zwei Männer an einer Frau zu Gange waren. »Sag mal Noel, findest du ehrlich nicht, dass männliches Stöhnen angenehmer für die Ohren ist?« Leon verschluckte sich an dem Weingummi, das er sich eben in den Mund geschoben hatte. Felix klopfte ihm fürsorglich auf den Rücken, rutschte dann in eine liegende Position und drehte sich auf die Seite, sodass er Leon beobachten konnte. Leon hatte das Gefühl, dass Felix ihn absichtlich so aus dem Konzept bringen wollte und abgesehen davon verwendete er diesen Namen garantiert so oft wie möglich, nur um ihn zu ärgern! »Nein, ich finde männliches Stöhnen absolut abtörnend«, röchelte er. Felix grinste. »Bist du sicher? Die in den Pornos geben ja immer mehr so urmenschliche Geräusche von sich. Hast du schon mal ’nen Mann richtig stöhnen gehört? Soll ich’s dir mal vormachen?« Leons Gesicht musste einer Verkehrsampel gleichen. »Nein!«, sagte er heftig. Nicht….bloß nicht… er würde davon… vermutlich… Nein, er wollte gar nicht daran denken, wie scharf er davon werden würde, Felix stöhnen zu hören. Es war schon ein Wunder, dass er keine Latte hatte, während sie gemeinsam einen Porno ansahen. Felix lachte und kugelte sich ein wenig auf dem Sofa hin und her. Leon beobachtete ihn mit hämmerndem Herzen. Gut… er hat von seinem Plan abgesehen, dachte er. Felix hielt sich den Bauch vor Lachen. »Noel«, japste er und wischte sich zwei Tränen aus den Augenwinkeln, »ich liebe es, mit dir allein zu sein…« Sein Herz hörte augenblicklich auf zu schlagen und verabschiedete sich mit einem hastigen Winken. Leon starrte den immer noch matt glucksenden Felix an. Warum musste er solche Sachen sagen? Warum fühlte sich sein Herz an, als würde es bald einen Herzschrittmachen benötigen? »Wieso…?«, fragte er perplex. »Du bist viel angenehmer, wenn man mit dir allein ist«, sagte Felix schlicht und rappelte sich wieder auf, den Blick auf die Mattscheibe gerichtet. Leon beobachtete möglichst unbeteiligt, wie die Hauptdarstellerin von hinten genommen wurde. Sein Herz hatte sich wieder zurück gemeldet. Mit doppeltem Tempo. Felix liebte es, mit ihm allein zu sein… Seine Gedanken waren ein einziges Knäuel. Er konnte nicht denken. »Was ist deine Lieblingsstellung?«, erkundigte sich Felix. »Wieso willst du das wissen?« Leon legte sich neben Felix, drehte sich auf die Seite, damit er den Größeren ansehen konnte und ignorierte geflissentlich das heftige Hämmern seines Herzens. »Vielleicht will ich ja mal mit dir schlafen?« Seine Rippen brachen sicher gleich und dann würde er innerlich verbluten und dann merkte Felix hoffentlich, was er eigentlich mit ihm anstellte! Leon starrte ihn an. Felix lächelte verschmitzt. Leon schloss kurz die Augen und fragte sich, was um alles in der Welt Felix eigentlich damit bezweckte, ihm solche Dinge zu sagen. Er räusperte sich und beschloss, damit ganz souverän und nüchtern umzugehen. Immerhin hatte er keine Probleme damit, über Sex zu sprechen. Sex machte sein halbes Leben aus. Die andere Hälfte war die Musik. Felix war absolut nicht gewichtig in seinem Leben. Felix war sozusagen total egal… »Von hinten«, sagte er also möglichst trocken. Felix’ Grinsen wurde breiter. »So so…«, meinte Felix nur. Leon beschloss, dass er nicht so tun konnte, als würde es ihn nicht interessieren, wie Felix… »Und du?« Felix streckte ihm die Zunge heraus. »Ich lege mich nicht fest. Es hat alles seine Vor- und Nachteile«, meinte er und tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die vollen Lippen. Leon fand das Thema eigentlich ziemlich spannend, auch wenn er sich ziemlich sicher war, dass der Inhalt seiner Jeans nicht mehr lange standhalten konnte. Allein die Vorstellung, Felix nackt… »Sag mal…«, meinte Leon und er war sich ziemlich sicher, dass seine Wangen rot waren, »beim Sex… liegst du oben oder unten?« Felix’ Grinsen, was sich auf seinem Gesicht ausbreitete, hatte etwas leicht Diabolisches. Leon schluckte. »Das wechselt. Je nachdem, worauf ich Lust habe«, meinte er ganz locker und zuckte mit den Schultern. Es war beim Sex also nicht anders als im normalen Leben. Felix hatte scheinbar immer und überall Stimmungsschwankungen… Unweigerlich musste er darüber nachdenken, wie es wäre, wenn Felix anstatt von einem Mädchen unter ihm lag… sein Gesicht erhitzte sich noch mehr und in seiner Hose wurde es unangenehm eng. Gott sei Dank trug er keine engen Jeans. »Aber ich glaube, bei ehrlichem Sex würde ich lieber oben liegen wollen«, sagte Felix nachdenklich und schob sich noch ein Weingummi zwischen die Lippen. »Ehrlichen Sex?«, fragte Leon verständnislos. Felix wandte ihm das Gesicht zu und lächelte. Leons Herz bollerte wie ein Hochofen und ihm war dermaßen heiß, dass er am liebsten aufgesprungen wäre und das Fenster aufgerissen hätte. Dieses Lächeln haute ihn fast von den Socken. »Na du weißt schon. Sex mit Liebe und so. Wenn’s dazu mal kommt, dann will ich nicht dominant sein und unten liegen, um mich über den Andern zu amüsieren, wie das meistens ist, wenn ich unten liege. Dann will ich oben liegen und so sein, wie ich bin…« Leon sah Felix an. Wieso musste Felix immer solche Sachen sagen, die seinen ohnehin schon komplizierten Charakter noch komplizierter machten? »Stöhnst du eigentlich beim Sex oder bist du einer von diesen Machos, die über so etwas erhaben sind?« Felix grinste wieder und Leon brummte unwillig. »Ich stöhne nicht!« »Hab ich mir gedacht… Dabei stöhnen Männer so toll. Sicher, dass ich’s dir nicht vormachen soll?« »Ganz sicher!« Nachdem der Porno – eher nebenbei – zu Ende gelaufen war, bestellten sie Essen beim Chinesen. Als das Essen kam, setzten sie sich im Schneidersitz gegenüber dem jeweils Anderen auf das ausgezogene Sofa, machten Musik an und aßen. Leon genoss die Zeit. Natürlich war er darüber erhaben, Felix dies mitzuteilen. Felix hatte es sich scheinbar zur Aufgabe gemacht, Leon heute so viel wie möglich über seine sexuellen Vorlieben auszuquetschen. Leon fiel es nach einiger Zeit leichter, mit Felix darüber zu reden, er führte sogar eine halbwegs wortreiche Diskussion mit dem Anderen darüber, was für Vorlieben sie beim bevorzugten Geschlecht hatten. »Hände sind wichtig«, sagte Felix nachdenklich zwischen zwei Bissen Hähnchenfleisch, »ich glaube, ich hab einen Handfetisch.« Leon sah ihn amüsiert an. »Du achtest auf Hände? Gibt es da nicht elementarere Dinge…?« Felix musste lachen und schnappte mit den Stäbchen nach Leons Nase, doch er schaffte es gerade so, auszuweichen. »Du achtest sicher eher auf große Brüste und lange Beine, was?«, meinte er grinsend. Leon zuckte die Schultern. Was war denn schon dabei? »Und du schaust nur auf Hände?«, fragte er und konnte ein gewisses Interesse nicht ganz verheimlichen. Felix schien nachzudenken. »Ich stehe auf Stimmen und Hände und Augen. Aber alles in allem muss einfach das Gesamtpaket stimmen«, meinte er. Leon ertappte sich bei der Frage, ob er wohl ein Gesamtpaket war. Nach dem Essen lagen sie eine Weile lang bei offenem Fenster nebeneinander. »Noel?« »Nenn mich nicht so, sonst denke ich mir für dich auch so einen bescheuerten Spitznamen aus!« »Das fände ich cool. Nur zu«, gab Felix glucksend zurück. Leon grummelte. Musste Felix ihm immer den Wind aus den Segeln nehmen? »Was wolltest du fragen?«, erkundigte er sich also, um seinen verpatzten Triumph zu kaschieren. »Warst du schon mal verliebt?« Leon hob die Augenbrauen und drehte den Kopf, um Felix anzusehen. Felix drehte ihm das Gesicht zu. »Sehe ich so aus? So ein Gefühlskram liegt mir nicht«, meinte er. Felix lächelte kaum merklich. »Ja… was frage ich eigentlich«, murmelte er und blickte wieder hinauf zur Decke. Was war nun los? Hatte er was Falsches gesagt? Aber es war die Wahrheit. Er war nicht verliebt, er würde nie verliebt sein, er hasste alles, was mit Gefühlen zu tun hatte. Aber irgendwie hatte er das Gefühl, gerade irgendetwas vermasselt zu haben. Was auch immer es sein mochte. Felix setzte sich auf, fuhr sich durch die zerzausten Haare und streckte sich ausgiebig. »Ich denke, ich werd mich dann mal auf den Weg machen«, sagte er, erhob sich in einer einzigen, geschmeidigen Bewegung und sah zu Leon hinunter, der wie angewurzelt dalag und zu ihm aufblickte. »Hab ich was Falsches gesagt?«, fragte er und hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen, weil er das gesagt hatte. Felix lächelte und Leon setzte sich auf, erhob sich ebenfalls und stand nun direkt vor Felix. »Nein, alles ok. Ich bin nur müde und will dir hier nicht auf dem Sofa einpennen«, meinte er schulternzuckend. »Es würde mich überhaupt nicht stören, wenn du auf meinem Sofa einpennst. Also… hab ich was Falsches gesagt?« Er musste das jetzt wissen. Er wollte nicht, dass Felix so komisch lächelte. Was auch immer dieses Lächeln zu bedeuten hatte, er mochte es nicht. Felix legte den Kopf schief und machte einen Schritt auf ihn zu, sodass sie gerade eine handbreit voneinander entfernt standen. Dann beugte er sich vor und ließ seine Stirn auf Leons Schulter sinken. »Du hast nichts Falsches gesagt, Noel«, sagte er leise. Leons Herz begann so heftig zu wummern, dass er sich auf die Unterlippe biss. Was war nun los? Irgendwas war…irgendwie… aber… »Nenn mich nicht so…sonst…nenn ich dich…-«, brachte er heiser hervor, aber ihm fiel kein peinlicher Spitzname ein. Er konnte nicht denken. Felix lachte leise und hob den Kopf, sah ihn an und fuhr sich erneut durch die Haare. »Sag mir Bescheid, wenn dir was eingefallen ist«, meinte er, schien einen Augenblick nachzudenken und ging schließlich wieder zur Couch. Auf Leons Frage antwortete er trotzdem nicht. »Spielst du mir was vor?«, fragte er, ließ sich nieder und sah zu Leon auf. Der Blonde hob die Brauen, zuckte mit den Schultern und ging hinüber in eine der Zimmerecken, um seinen Bass zu holen. Als er sich umwandte, lag Felix ausgestreckt auf dem Sofa, die Augen geschlossen und die Arme im Nacken verschränkt. Leon sah ihn einen Augenblick mit diesem ätzenden Lampenfieber- Gefühl im Bauch an, dann setzte er sich neben ihn. »E-Bass ist nicht unbedingt das richtige Instrument für Schlaflieder«, brummte er. Felix’ Lippen bogen sich zu einem verschmitzten Grinsen. Innerlich seufzte Leon erleichtert auf. Da war es wieder, das normale Felix- Grinsen. »Macht mir nichts. Spiel einfach«, sagte er, blieb vollkommen regungslos liegen und gab keinen Mucks mehr von sich, als Leon damit begann, ihm wahllos irgendwelche Lieder vorzuspielen, die er aus dem Kopf kannte. Eine halbe Stunde später standen Felix’ Lippen leicht geöffnet und er atmete so regelmäßig, dass Leon sich ziemlich sicher war, dass er tatsächlich eingeschlafen war. Der Bassist schnaubte leise, stellte seinen Bass beiseite und erhob sich vorsichtig, um Felix nicht zu wecken. Er ging hinüber zu seinem Bett, schleppte seine Bettdecke hinüber zum ausgezognen Sofa, breitete sie über Felix aus und schloss das Fenster. »Pf…Noel…so ein Mist…«, brummelte er vor sich hin, während er das Zimmer durchquerte, sich seiner Klamotten entledigte und schließlich ins Bett stieg, nachdem er das Licht ausgeschaltet hatte. Als er im Bett lag, schob sich unweigerlich Felix’ Gesicht vor sein inneres Auge. Felix war schön. Aber er würde einen Teufel tun, jetzt wieder mit dieser beschissenen Gefühlsduselei anzufangen… Er warf sich mit seinem Tagebuch aufs Bett, das auf seinem Nachtschrank gelegen hatte, schaltete die Nachttischlampe ein, drückte auf den Kugelschreiber und setzte den Stift an. Du bist tatsächlich geblieben. Ich hätte nicht gedacht, dass du überhaupt mit mir redest, nachdem du gestern so sauer gewirkt hast. Jetzt liegst du auf der Couch. Ich will das eigentlich nicht schreiben, aber da es ja ohnehin keiner liest, ist es auch egal. Du siehst verdammt und Scheiße noch mal so schön aus. Wenn du eine Frau wärst, wär’ das alles viel einfacher. Dann würde ich dir vielleicht sagen, dass du schön bist. Aber so… ich bin schließlich keine Schwuchtel. Der Tag war merkwürdig. Aufräumen… Porno-Schauen. Mit dir über Sex reden. Egal, was du sagst oder tust, ich hab immer das Gefühl, dass da mehr hinter steckt, als hätte jede Handlung ’ne tiefere Bedeutung. Die ich natürlich nicht peile. Aber was soll’s. Ich könnt mich wirklich dran gewöhnen, öfter mal mit dir allein zu sein. Aber das werd ich dir sicher nicht sagen. Nachher stellst du wieder so komische Fragen… z.B. ob ich eifersüchtig bin. Bin ich natürlich… aber das sollst du als Letzter auf diesem beknackten Planeten wissen. Da bleibt noch die Frage, wieso du so merkwürdig reagiert hast, als ich meinte, dass ich noch nie verliebt war. Ist halt so. Auch in dich nicht. Kein Stück. Das ist lediglich – wenn auch unpassendes – sexuelles Interesse. Und na ja… ich kann dich schon gut leiden. So wie Lara eben. Oder so… auch wenn ich bei der nicht eifersüchtig bin… Wie auch immer, ich hab nicht vor, diese ganze Gefühlsduselei zu vertiefen. Wäre ja noch schöner. Ich sollte einfach ins Bett gehen. Und am besten nicht darüber nachdenken, wie es wohl geklungen hätte, wenn du mir dein Stöhnen demonstriert hättest… Leon schüttelte sein Handgelenk, legte das Tagebuch und den Stift zurück in die Schublade und rollte sich auf seinem breiten Bett ein. Dann heute eben ohne Decke… würde auch gehen, irgendwie… Fünf Minuten später war er eingeschlafen. Diese ganze Gefühlsduselei machte müde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)