Seeking von Nifen (BWxDM) ================================================================================ Kapitel 3: III -------------- Draco hatte sich ein wenig von seinen feiernden Mannschaftskameraden abgesetzt. Sechs Jahre und doch... In der Luft, während des Trainings oder während eines Spiels waren sie ein Team, jeder stand hinter jedem. Aber auf dem Boden, nach dem Abpfiff, war die unsichtbare Mauer wieder da. Der Argwohn, mit dem seine Teamkameraden ihn ob seiner Familie und seiner Vergangenheit betrachteten. Seine leicht arrogante Haltung, die suggerierte, dass er ein anderes, ein weitaus höheres Niveau gewöhnt war, die er nicht ablegen konnte. Man ließ eben nicht einfach so seine Erziehung hinter sich, auch wenn man sich öffentlich von einigen der Familienidealen abgewandt hatte. Außerdem waren einige eben nicht alle, denn es war ja nicht so, dass Draco nicht stolz war, ein Malfoy zu sein und es gab durchaus einige Vorfahren, derer er sich gerne bewusst war. Allerdings waren das alles eher Geschäftsleute und keine Lebemänner oder gar Politiker. In den wenigen Augenblicken, in denen Draco ehrlich sich selbst gegenüber war, erkannte er, dass er als Quidditch-Spieler von den nachfolgenden Generationen eher zu den Lebemännern gezählt werden würde und dieser Gedanke hinterließ bei ihm einen schalen Nachgeschmack. Aber Politiker, wie sein Vater, wollte er um keinen Preis der Welt werden. Überhaupt hatten alle Vorfahren, die sich mit Politik beschäftigt hatten, früher oder später dem Ruf der Familie eher geschadet denn genutzt. Doch nach dem Krieg und den anschließenden Justizrangeleien hatte Draco nicht gewusst, was er mit seinem Leben anfangen wollte, wie er dem Namen Malfoy wieder zu altem Glanz verhelfen sollte, und so hatte er sich auf das einzige besonnen, das er außer ein reiches Arschloch zu sein konnte: Quidditch. Er hatte ja noch die Hoffnung, dass er eines Tages einen Geistesblitz haben und dann endlich etwas Angeseheneres als Profisportler werden würde. Aber bis dahin... Draco seufzte leise und spielte gedankenverloren seinem halbvollem Glas Feuerwhiskey. Irgendwie war ihm, trotz der ausgelassenen Stimmung um ihn herum, die wahlweise auf den Sieg oder die allgemeinen Gringotts-Festivitäten zurückzuführen waren, nicht nach feiern zumute. Plötzlich schob sich ein Schatten in sein Blickfeld und als er aufsah, erkannte Draco zu seiner Überraschung Bill Weasley, der sich nach einem kurzen, fragenden Kopfnicken neben ihm an den Tisch setzte. Nach einem Moment des Schweigens, sagte der Rotschopf: „Nettes Täuschungsmanöver, das du da heute hingelegt hast.“ Draco grinste ein wenig spöttisch. „Es ging um den Sieg. Und der wird, entgegen dessen, was Potter in Hogwarts getrieben hat, nicht immer vom Sucher entschieden.“ Das war eine der schwierigsten Lektionen gewesen, die Draco bei den Wigtown Wanderer hatte lernen müssen. Die Mannschaft war der Star, die Mannschaft siegte. Nicht der einzelne Spieler. Bill lachte leise und Draco musste zu seiner wachsenden Verzweiflung feststellen, dass dieses Lachen nicht nur angenehm war, sondern ihm auch einen warmen Schauder über den Rücken laufen ließ. „Ich weiß jetzt nicht, ob du mit dieser Aussage Harry Narzissmus unterstellst oder der übrigen Gryffindormannschaft Unfähigkeit bescheinigst.“ „Beides?“ Herausfordernd zog Draco eine der elegant geschwungenen Augenbrauen hoch. Er war sich bewusst, dass er mit dieser Aussage nicht wenige Familienmitglieder des Gringotts-Suchers ansprach. Doch offenbar war Weasley an diesem Tag zu gut gelaunt, als dass er darauf ansprang und deswegen einen Streit begonnen hätte. Ein weiterer Punkt, der für den ältesten Spross der Familie sprach. Andere, allen voran Harry Potters getreues Anhängsel, hätten ihm schon längst wüste Beschimpfungen oder gar Flüche an den Kopf geworfen. Stattdessen sagte der Feuerschopf nur trocken: „Wie schön, dass Sucher von der Unfähigkeit ausgenommen sind und du den Narzissmus nur auf meinen Schwager bezogen hast. Also darf ich mich als nicht eingebildeten, fähigen Sucher betrachten.“ Dabei blickte Bill Weasley dermaßen selbstzufrieden drein, dass er seine eigenen Worte bezüglich der Bescheidenheit seiner Selbst Lügen strafte. Doch obgleich offensichtlich war, dass der Fluchbrecher nur einen Scherz hatte machen wollen, konnte er Draco damit kein Lächeln entlocken. Stattdessen verdüsterte sich dessen Miene, als er wieder daran erinnert wurde, dass er als Sucher von einem Amateur geschlagen worden war. Und es blieb die Frage: War das nur Zufall gewesen oder verlor er langsam sein herausragendes Reaktionsvermögen? Musste er sich eventuell darauf einstellen, in absehbarer Zeit von einem Neuling geschlagen zu werden und seinen Platz in der Mannschaft zu verlieren? Alles in ihm schrie förmlich danach, den Feuerwhiskey vor ihm hinabzustürzen und sich dann seinen Besen zu schnappen, um sich zu beweisen, dass mit ihm noch alles in Ordnung war, dass Weasley an diesem Tag einfach nur Glück gehabt hatte. Aber die Höflichkeit gebot es, mit den Gastgebern zu feiern. Außerdem, hatte er nicht mit seinem taktischen Spiel seiner Mannschaft den Sieg beschert? Aber, verdammt, die Art wie Weasley sich durch die übrigen Spieler geschlängelt hatte, instinktiv zu ahnen schien, wo der nächste Besen auftauchen würde, und rechtzeitig auswich, ohne das Tempo zu verringern, war etwas, das von Können zeugte. Ein Können, von dem Draco sich eingestehen musste, dass er selbst es nicht beherrschte. Allerdings, wenn dieser Weasley hier so gut war, wieso sprach dann alle Welt von dem Talent des zweiten Weasley-Sohnes, Clive oder wie er hieß? Der, der angeblich sogar für die englische Nationalmannschaft hätte spielen können, aber den Drachen den Vorzug gegeben hatte. Draco nippte an seinem Whiskey und beschloss dann, dass er genauso gut seiner Neugier nachgeben konnte. „Sag mal, wieso spricht alle Welt von deinem Bruder als dem Quidditchspieler schlechthin, während ich von dir bis heute noch nicht einmal wusste, dass du dich sicher auf einem Besen halten kannst?“, stellte er die Frage, die ihn beschäftigte. „Vielen Dank für das Kompliment, auch wenn du es, ganz Slytherin, geschafft hast, es hinter einer halben Beleidigung zu verstecken“, erwiderte sein Gesprächspartner schmunzelnd und trank seinerseits einen Schluck der goldgelben Flüssigkeit in seinem Glas. „Aber Charlie war früher deutlich besser als ich. Tatsächlich habe ich es während meiner Schulzeit nicht in die Hausmannschaft geschafft. Mittlerweile aber hat Charlie nicht mehr so leichtes Spiel. Ich würde sogar soweit gehen, zu behaupten, dass wir inzwischen nahezu gleich gut fliegen. Denn wo Charlie es gewöhnt ist, den freien Himmel zu haben, um einem wütenden Drachen auszuweichen, musste ich hier lernen, in den engen Gängen der Grabkammern der alten Ägypter zu navigieren. Interessant wird es dann auch noch, wenn man damit rechnen muss, jederzeit eine bislang unentdeckte Falle auszulösen.“ Überrascht zog Draco beide Augenbrauen hoch. Weasley trainierte in den Grabkammern? „Ich dachte, ihr geht immer zu Fuß in die Gräber und löst dort gewissenhaft einen Fluch nach dem anderen, bis ihr an die Schätze kommt, auf welche die Kobolde scharf sind.“ Erneut lachte der Gringotts-Sucher. „Normalerweise stimmt das“, bestätigte er. „Aber wir gehen nicht ohne Notfallausrüstung in ein bislang ungesichertes Grab. Denn mitunter kommt es vor, dass der Ausgrabungstunnel, den wir angelegt haben, einstürzt, weil er an dieser Stelle nicht mit der magischen Stabilität der Kammer harmoniert, oder beim Brechen eines Fluches etwas schief geht. Apparieren geht innerhalb der Gräber nicht, denn die Kobolde errichten gleich nach der Entdeckung eines ihrer Erdbindungsfelder, um Grabräuber daran zu hindern einfach so die Totenkammern zu plündern. Dann sind Besen die schnellste Fluchtmöglichkeit und gehören deshalb zu besagter Notfallausrüstung.“ „Und lass mich raten: Manchmal ist der Weg zurück versperrt und es bleibt nur der Weg durch die engen Schächte durch welche die Seele des Verstorbenen einst in den Himmel aufsteigen sollte?“ Weasley nickte, offenbar beeindruckt, dass Draco über diesen Aspekt der antiken Grabanlagen Bescheid wusste. Und dass, wo Binns in Hogwarts nie ein Wort über die alten magischen Hochkulturen verlor, sondern sich stattdessen in ganzer Breite über sämtliche Koboldkriege ausließ. Niemand, der mit Kobolden zusammenarbeitete, konnte abstreiten, dass es sich dabei um wichtige historische Begebenheiten handelte, die nicht in Vergessenheit geraten durften, aber genauso sträflich war es, anderes dafür im Geschichtsunterricht unbehandelt zu lassen und nur darauf zu vertrauen, dass die Schüler schon neugierig genug sein würden, sich selbst darüber zu informieren. Draco erlaubte sich ein leicht arrogantes Grinsen, als er Weasleys erstaunten Gesichtsausdruck bemerkte. „Privattutor“, sagte er schlicht. „Ein Malfoy kann schließlich nicht durchs Leben gehen und mit nur lückenhaftem Wissen glänzen, bloß weil die angeblich beste Lehranstalt für Magie es nicht schafft, kompetente Lehrer einzustellen.“ „Wieso überrascht mich das eigentlich?“, gab der Rotschopf kopfschüttelnd zurück und machte es sich auf der Bank etwas bequemer, womit er wiederum Draco überraschte, der nicht damit gerechnet hatte, dass ausgerechnet Weasley an seiner Gegenwart interessiert war. Auch wenn ein kleines Stimmchen in ihm nichts besseres zu tun hatte, als ihn wissen zu lassen, dass er ja eigentlich nichts dagegen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)