Schwimmen oder nicht schwimmen? von TeZ (Shuichi und das Wasser) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- „Shuichi?“ Der Rosahaarige blickte auf, als sein Geliebter in den Raum trat. Fast ein wenig missbilligend stellte der fest, dass Shuichi schon wieder Videos der ‚Nittle Grasper’-Auftritte sah. Irgendetwas störte ihn daran. „Was ist los, Yuki?“ Shuichi blickte in Yukis Augen wie ein kleiner Hund. Wie immer also. Yukis Blick blieb kühl, als er erklärte: „Ich gehe ins Schwimmbad. Ich muss den Kopf freikriegen. Kommst du mit?“ Shuichi senkte den Blick und das kam Yuki komisch vor. Langsam ging er auf seinen kleinen Freund zu. „Shuichi?“ Immer noch hielt der Rosahaarige den Kopf gesenkt und knetete nervös seine Hände. „Also weißt du…“, begann er langsam, dann nuschelte er so leise vor sich hin, dass Yuki kein Wort mehr verstand. Ein wenig genervt ging der Blonde vor Shuichi in die Knie und umfasste dessen Kinn. Vorsichtig zwang er seinen Freund zu Blickkontakt. Shuichi wirkte etwas ängstlich und vor allem verlegen. Seltsam. Shuichi wirkte nie verlegen! „Was ist los?“, fragte Yuki ernsthaft. Shuichi – gezwungen dem Älteren in die Augen zu sehen – war jetzt wirklich höchst verlegen. Mann, er schämte sich tatsächlich! „Ich… Yuki, ich… ich kann doch nicht schwimmen…“ Einen Moment war Yuki verblüfft, dann tat er etwas höchst Taktloses… er begann zu lachen. Shuichi war einfach nur entsetzt, enttäuscht und tief getroffen. Aber was hatte er auch anders erwartet. Er begann zu weinen, rappelte sich auf und lief zur Haustür. Er wollte nur noch weg! Wie konnte der Mistkerl in so einer Situation sein Lachen auspacken? Yuki lachte nie und dann, wenn man ihm so was Peinliches beichtete, nämlich dass man mit seinen neunzehn Jahren immer noch nicht schwimmen konnte, da fand der auf einmal sein Lachen wieder! Shuichi riss die Tür auf und stürmte blind vor Tränen hinaus. Weit kam er nicht, beinahe direkt auf der Türschwelle stieß er gegen einen muskulösen Körper, dessen Besitzer daraufhin das Gleichgewicht verlor und nach hinten knallte, wobei er gleich noch jemanden mit umriss. Als Shuichi verdutzt blinzelte, kugelte er zusammen mit Ryuichi und Yukis Bruder Tatsuha am Boden herum. „Haha, Shu-chan ist heute stürmisch!“, lachte Ryuichi sofort los und warf sich dem Jüngeren um den Hals, der immer noch etwas verdutzt auf seinem Hintern saß. „Ehrlich Shuichi, das war wirklich stürmisch!“, stellte auch Tatsuha lachend fest. „Ähm…“, machte der Rosahaarige nur. „Und? Was wird das hier?“, fragte Yuki, der eben in der Eingangstür aufgetaucht war, emotionslos wie immer. Irgendwie versetzte es ihm einen Stich, als er seinen Freund so vertraut mit Ryuichi sah. „Sucht euch einen anderen Platz für euer Massenkuscheln.“ Yuki wollte sich schon wieder abwenden, als Tatsuha erklärte: „Eigentlich wollten wir zu dir, Eiri.“ „Zu mir?“, brummelte der Angesprochene. Jetzt wurde er doch ein wenig neugierig. Er verschwand in der Wohnung, die offene Tür ein deutliches Zeichen ihm zu folgen. Die drei erhoben sich vom Boden, Tatsuha und Ryuichi gleich um Yuki zu folgen. Shuichi blieb nachdenklich vor der geöffneten Tür stehen. Wollte er jetzt wirklich wieder mit rein? Eigentlich hatte sich Yuki gerade böse über ihn lustig gemacht und Shuichi war ein wenig sauer auf den Älteren und vor allem enttäuscht. Auf der anderen Seite war er aber auch neugierig darauf, was Ryuichi und Tatsuha von Yuki wollten. „Was ist, Shu-chan? Kommst du gar nicht mit rein?“, wollte Ryuichi ein wenig traurig wissen. „Er war doch eh auf dem Sprung, Ryuichi. Vielleicht hat er etwas zu erledigen“, versuchte Tatsuha zu beschwichtigen, doch Ryuichi brach ernsthaft in Tränen aus: „Ich will aber, dass Shu-chan es auch weiß!“ Schnell folgte Shuichi den anderen beiden zurück in die Wohnung. Etwas genervt saß Yuki auf dem Sofa. Was dauerte denn da draußen so lange, hatten sei ihm nicht etwas mitteilen wollen? Dann sollten sie sich wenigstens beeilen! Die quengelnde Stimme Ryuichis auf dem Wohnungsflur war auch nicht gerade besser. Die drei traten endlich ins Wohnzimmer und nach einigen Minuten, die sie mit Gelaber verbrachten, kamen sie zu guter Letzt auch dazu sich hinzusetzen. Wie konnte man nur so langsam sein? Yuki registrierte nicht gerade erfreut, dass Shuichi sich nicht neben ihn setzte, sondern auf den Boden. Klar, es war nicht sonderlich geschickt gewesen zu lachen, aber warum führte der Kleine sich jetzt eigentlich so auf? „Eiri…“, begann Tatsuha leise und riss den Älteren damit aus seinen Gedanken, „Wir müssen dir, euch, etwas sagen…“ Dann beeilt euch doch endlich, ich hab noch mehr zu tun, dachte Yuki genervt. Er verbot sich daran zu denken, dass dieses ‚mehr’ sein könnte, den Streit mit Shuichi zu klären. „Also Eiri… bitte, versuch jetzt nicht allzu sauer zu sein, also… Ryuichi und ich… wir… nun ja… sind zusammen.“ Tatsuhas Blick kam ein wenig von unten herauf und Ryuichi grinste breit und fröhlich. Yuki sah mit etwas Ekel, wie die beiden die Finger miteinander verschränkten und Händchen hielten. Tatsächlich. Erst meinen Freund jetzt meinen Bruder oder was, hätte er Ryuichi fast an den Kopf geknallt, aber er biss sich auf die Zunge und schluckte den bösen Kommentar. „Nein“, sagte er stattdessen nur. Sofort verengten sich Tatsuhas Augen und das Lächeln wich von Ryuichis Gesicht. Stattdessen machte sich ein besorgter Ausdruck darauf breit. „Eiri, wir sind hier um es dir zu sagen. Nicht um zu fragen ob du etwas dagegen hast. Wir werden so oder so zusammenbleiben.“ „Nein“, wiederholte Yuki. „Du bist mein jüngerer Bruder und ich habe immer noch über dich zu entscheiden. Ich werde nicht zulassen, dass du mit jemandem ausgehst, der genauso gut dein Vater sein könnte!“ „Ist das nicht egal?“ Die drei Streithähne, die sich mehr oder minder wütend angefunkelt hatten, wandten jetzt die Blicke zu Shuichi, der immer noch auf dem Boden kniete. Er hielt den Blick gesenkt und spürte doch, dass alle ihn anstarrten. „Ist es nicht egal, dass Ryuichi so viel älter ist?“ Endlich hob der Rosahaarige den Blick und sah Yuki direkt an, in seinen Augen beinahe eine Kriegserklärung. Der vorhergehende Streit lastete noch schwer auf ihm, das Lachen hatte ihn gekränkt und jetzt wollte Yuki seinem Bruder das kaputt machen, was der sich schon so lange wünschte? So nicht! „Yuki, du weißt doch genau, wie lange Tatsuha Ryuichi schon mag, oder? Du weißt doch, was er schon alles angestellt hat, nur wegen Ryuichi! Wie kannst du ihm das jetzt verwehren wollen?“ Immer noch sahen alle drei Shuichi an, dann wurden Yukis Augen schmal. „Du schlägst dich also auch auf ihre Seite…“, murmelte er so leise, dass niemand es hören konnte. Schweigend stand Yuki auf und verließ das Wohnzimmer. Die Tür zum Arbeitszimmer schlug zu und ein Schlüssel wurde im Schloss herumgedreht. Shuichi seufzte leise und stand auf. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er Ryuichi und Tatsuha auf dem Sofa ansah. „Ich freue mich!“, erklärte er ehrlich. Tatsuha und Ryuichi grinsten sich kurz verliebt an, dann wandten beide sich etwas besorgt dem Rosahaarigen zu. „Streitet Shu-chan sich jetzt unseretwegen mit Yuki-san?“, wollte Ryuichi naiv wissen. Shuichi winkte ab. „Ach der… ihr wisst doch wie er ist, der kriegt sich wieder ein.“ In der Zeit in der sie schon zusammen waren, hatte Shuichi gelernt mit den Launen des Autors zu leben. Er versuchte es wenigstens. Yuki war zwar selbst oft beleidigend, konnte aber sehr schnell beleidigt reagieren. Und dann sperrte er sich in seinem Arbeitszimmer ein. Später würde er wieder herauskommen und dann war die Sache gegessen. Das war anstrengend für Shuichi, aber tragbar. Shuichi verbrachte den Rest des Nachmittags mit Ryuichi und Tatsuha, sie waren beim Karaoke, sie waren im Einkaufszentrum, sie waren bei Hiro gewesen, um ihm davon zu erzählen (einfach nur weil Tatsuha und Ryuichi es jedem erzählen wollten) und schließlich waren sie noch essen gewesen. Es war bereits spät, als Shuichi nach Hause kam und sobald er die Tür aufsperrte, überkam ihn Sorge. Was, wenn Yuki jetzt sauer auf ihn war? Schließlich war er den ganzen Tag nicht zuhause gewesen. Und sie hatten gestritten. Shuichi hielt den Atem an und konnte leises Tastaturgeklapper aus dem Arbeitszimmer vernehmen. Wenigstens war er nicht wieder weg. „Ich bin wieder da, Yuki!“, rief Shuichi, ehe er leise hinzufügte: „Aber das interessiert dich wahrscheinlich nicht mal.“ Er streifte seine Schuhe ab und ging leise ins Schlafzimmer. Müde und fertig mit der Welt und vor allem mit Yuki zog er sich aus und kuschelte sich ins Bett. Klar, Shuichi hatte schon oft alleine in dem Bett geschlafen, aber er war es nicht mehr gewohnt, es fühlte sich kalt an und so unwahrscheinlich groß. In letzter Zeit hatte es zwischen ihm und Yuki doch recht gut geklappt, was war jetzt also wieder schief gelaufen, dass sie sich so fetzten mussten? Shuichi spürte stumme Tränen über sein Gesicht laufen. Auch wenn er es sonst nicht so zeigte, es tat weh mit Yuki zu streiten. Verdammt, er liebte Yuki doch! Er wusste nicht wie lange er es noch durchhielt sich immer wieder so mit ihm zu streiten. Er wollte einfach nur eine Beziehung führen mit dem Mann, den er liebte. Warum durfte er das nicht? Shuichi drehte sich um und sah über die leere Betthälfte, auf der normalerweise Yuki schlief. Yuki sah immer so friedlich aus im Schlaf. Shuichi sah ihm gerne beim Schlafen zu. Heute Nacht blieb ihm das verwehrt. Traurig und mit dem Gefühl alleine gelassen worden zu sein angelte Shuichi nach dem Kissen seines Geliebten und schloss es fest in die Arme. Er vergrub das Gesicht im Stoff und roch Yukis Duft. Nach einiger Zeit schaffte er es tatsächlich einzuschlafen und er träumte von Yuki und von Liebe. Sein Traum wurde nicht wahr. Shuichi erwachte, immer noch das Kissen an sich gedrückt, immer noch alleine im Bett. Er stand auf, fuhr sich überfordert durchs Haar und tapste in die Küche. Vielleicht frühstückte Yuki ja? Yuki frühstückte nicht. Seine Tasse stand in der Spüle, benutzt. Yuki hatte ohne ihn gefrühstückt und war wieder verschwunden. Im Arbeitszimmer wahrscheinlich, denn die Tür war geschlossen und das leise Klappern wieder zu vernehmen. Shuichi ließ sich an den Tisch sinken und vergrub das Gesicht zwischen den verschränkten Ellenbögen. Ob Yuki jetzt nie wieder aus seinem Arbeitszimmer kommen würde? So unrealistisch der Gedanke auch war, er tat weh. Er tat sehr, sehr weh. Denn Shuichi vermisste Yuki schon jetzt, obwohl der nur ein paar Meter weiter hinter einer Tür verborgen war. Der Rosahaarige hatte keinen Hunger, dafür aber nach einigem Grübeln eine Idee. Alles hatte doch damit angefangen, dass er nicht schwimmen konnte, oder? Wenn er jetzt schwimmen lernte… dann würde doch alles wieder gut werden, oder? Rational gesehen machte das natürlich keinerlei Sinn, aber Shuichi war im Moment so gar nicht rational. Er wollte seinen Yuki wieder, egal wie. Der Rosahaarige packte also einige Sachen zusammen, die Badehose, die er vor wer weiß wie vielen Jahren mal von Hiro bekommen hatte und die seitdem sinnlos zwischen seinen Sachen vor sich hin gammelte, Handtücher, Fön und was ihm sonst noch alles einfiel, dann machte er sich auf den Weg zum Schwimmbad. Er würde schwimmen lernen, dann würde auch alles wieder gut werden. Eine logische Gleichung, seiner Meinung nach. Mit Gleichungen hatte er sich noch nie gut ausgekannt. Es war Dienstagmorgen und das Schwimmbad so gut wie leer. Auf der anderen Seite des Beckens zogen ein paar Rentner ihre Bahnen und der Bademeister saß hinter seiner Zeitung versteckt in seinem Glaskasten und hörte zu allem Überfluss noch über Kopfhörer Musik. Alles in allem also sehr ruhig und perfekt für Klein-Shuichi zum Üben. Im Moment übte der aber noch gar nichts, sondern stand die Arme um den zierlichen Oberkörper geschlungen an der Treppe und stippte immer wieder die linke Fußzehe ins kalte Wasser. Wie konnte man darin nur schwimmen? Minutenlang stand er noch so da, dann straffte er seine Schultern und stieg mit einem Fuß auf die erste Stufe. Shuichi biss die Zähne zusammen und ein Zittern durchlief seinen ganzen Körper von unten nach oben. Wahrscheinlich lief er auch schon ganz blau an vor Kälte. Mit aller Willensstärke die er aufbringen konnte stellte er auch den zweiten Fuß ins Wasser. Oh Gott, jetzt stand er bereits bis zu den Knöcheln im kühlen, nein kalten Nass. Schritt für Schritt, Fuß vor Fuß wagte er sich weiter vor, bis er schließlich ganz im Nichtschwimmerbereich des Beckens stand und vom Bauch abwärts gnadenlos fror. Vorsichtig tastete er sich weiter und langsam begann der Boden unter seinen Füßen abzufallen. Mittlerweile war es nicht mal mehr die Temperatur sondern die Höhe des Wassers, die ihm zu schaffen machte. Irgendwann stand er bis zur Brust im Wasser. Nachdenklich drehte er sich herum und beschloss, dass es sicherer war, erstmal in die Richtung Schwimmversuche zu machen, in der er noch auf zwei Beinen stehen konnte. Er versuchte sich daran zu erinnern, wie das bei den Leuten im Fernseher ausgesehen hatte. Dumm nur, dass er selten Schwimmen im Fernseher ansah. Warum auch, war doch langweilig und bei Weitem nicht so gut wie Musiksendungen. Aber das waren doch irgendwie so ausgreifende Bewegungen mit Armen und Beinen. Du kannst hier überall problemlos stehen, beruhigte er sich selbst, ehe er probehalber mal mit den Armen wedelte. Na ja… Shuichi lehnte sich ein wenig nach vorne. Und jetzt noch die Beine? Er stieß sich vom Beckenboden ab und glitt einige Meter einfach so durchs Wasser. Das erschreckte ihn so, dass er zusammenzuckte und natürlich sofort Wasser schluckte. Prustend und Keuchend kam er wieder auf die Beine und atmete gierig frische Luft ein. Jetzt wäre er aber beinahe ertrunken. Shuichi beschloss, dass es sicherer war sich erstmal am Beckenrand festzuhalten um das mit den Beinen zu erproben. Er hopste also hinüber zum Rand und klammerte sich daran fest. Und jetzt? Seine Beine glitten wie von selbst zur Wasseroberfläche, wo er erstmal kräftig strampelte, dass es nur so spritzte. War das jetzt gut oder schlecht? „Kann ich Ihnen helfen?“ Shuichi wand sich in die Richtung aus der die Stimme kam und wurde rot. Hatte ihm da jetzt wirklich jemand zugesehen? Es war einer der Rentner, der ihn freundlich anlächelte. „Ähm…“, machte Shuichi sehr intelligent. „Soll ich Ihnen die Bewegungen mal zeigen? Es ist ganz einfach!“ „Ähm…“, machte Shuichi wieder, dann nickte er jedoch schüchtern. Zwanzig Minuten später verließen die Rentner das Bad und Shuichi, der jetzt endlich die Technik draufhatte, machte seine ersten Schwimmversuche. Alleine. Zum Glück, jetzt konnte ihn keiner mehr komisch begaffen. Es war gar nicht schwer, der Alte hatte Recht gehabt, es war noch ein wenig ungelenkt und es ängstigte Shuichi ein wenig, dass er jederzeit absaufen konnte, aber es funktionierte. Shuichi schwamm – oder eher paddelte, so gut war es nun doch noch nicht – zum Seil, dass einen halben Meter über dem Wasser gespannt den Nichtschwimmerbereich – wo er eben noch stehen konnte, jedenfalls am Seil – vom Schwimmerbereich trennte. Dort drehte er sich mühsam um und paddelte zurück zum Rand. Es ging immer besser und nach zehn Minuten glaubte Shuichi endlich den Dreh raus zu haben. Und jetzt begann es sogar Spaß zu machen. Warum hatte er das nicht früher schon mal gelernt? Dann könnte er jetzt mit Yuki um die Wette schwimmen und Yuki wäre nicht sauer auf ihn… sie könnten doch glücklich sein… was lief nur immer schief bei ihnen? Shuichi hatte gar nicht bemerkt, wie weit er geschwommen war und fand sich mitten im Schwimmerbereich wieder. Erschrocken schnappte er nach Luft und hörte auf seine Arme und Beine im Gleichklang zu bewegen. Stattdessen schlug er nur hysterisch um sich. Er konnte doch noch gar nicht schwimmen! Wo war er da nur hineingeraden? Es war unabwendbar… Shuichi ging unter. „Hilfe!“, quiekte er erschrocken, doch auf der anderen Seite der Glasscheibe wackelte der Bademeister nur vergnügt mit einem Fuß im Takt seiner Musik und blätterte eine Seite seiner Zeitung um. Dienstagmorgen war eine schöne Schicht, da war kaum jemand im Bad. Kaum jemand… nun ja, Shuichi eben, der gerade mit dem Ertrinken kämpfte. Verbissen versuchte er über Wasser zu bleiben, aber er konnte sich einfach nicht mehr an die richtigen Bewegungen erinnern und strampelte nur sinnlos mit Armen und Beinen. Als sein Kopf unter Wasser geriet hatte er zum ersten Mal in seinem Leben Todesangst. Sein Überlebenswille war stark und Shuichi strampelte mit allem was er hatte gegen die Wassermassen an. Sein Kopf brach wieder durch die Oberfläche und er sog gierig die Luft ein, die sich ihm bot. Shuichis Blick war trübe und verschwommen, aber er konnte den Beckenrand ausmachen. Mühsam versuchte er in diese Richtung zu paddeln, doch seine Arme und Beine wurden langsam schwer. Er war müde, so müde! Und das Wasser griff mit eisigkalten, glitschigen Händen nach ihm, bereit ihn mit sich zu ziehen. Es umschmeichelte ihn, umschloss ihn. Keine Müdigkeit mehr, kleiner Shuichi, schienen die Wellen zu flüstern. Hier ist es schön… so blau… komm doch mit, kleiner Shuichi… Shuichi schloss die Augen. Warum strampelte er eigentlich? Warum kämpfte er dagegen an? Er war doch so müde… wenn er nur ein wenig seine geschlauchten Arme und Beine ausruhen konnte… Das Wasser schloss sich über seinem Kopf und Shuichi schreckte wieder auf. Was tat er eigentlich? Schnell nahm er sich hilfloses Gestrampel wieder auf, in der Hoffnung doch noch an den Rand zu kommen, aber es war zu spät. Das Wasser hatte ihn und es würde ihn nicht wieder gehen lassen. Shuichi fühlte den Druck auf seinem Brustkorb und seine Lungen, die nach Luft schrieen, doch er kam einfach nicht mehr an die Oberfläche. Er würde Yuki nie wieder sehen… nie wieder… hätte Shuichi noch die Kraft dazu gehabt, so hätte er geweint. Es war rein reflexartig, dass Shuichi begann zu strampeln und zu kämpfen, als er um den Brustkorb gepackt wurde. Er brach durch die Wasseroberfläche, spürte die Luft und atmete sie heftig ein. Luft! Endlich wieder Luft! Schlagartig hörte er auf sich zu wehren, viel zu sehr damit beschäftigt einfach nur zu atmen. Shuichi spürte Boden unter seine Füße zurückkommen und nur wenig darauf schlug er auch schon gegen die Stufen der Treppe. „Aua!“, beschwerte er sich und schlug die Augen auf. „Ach, du lebst ja doch noch!“, wurde er zornig angezischt und über die Treppe aufs Trockene gezerrt. Was nicht sonderlich angenehm war, aber er protestierte nicht mehr, der Ausdruck in Yukis Augen ließ ihn verschüchtert schweigen. Dann war er komplett aus dem Wasser heraus und Yuki kniete über ihm, blonde, nasse Strähnen fielen in sein Gesicht und in dem Grün seiner Augen glitzerten Wut, Aufregung und… Angst. Yuki krallte die Hände in Shuichis Oberarme und drückte so fest zu, dass es wahrscheinlich Abdrücke geben würde, aber keiner der beiden achtete im Moment darauf. „Ich hab mir solche Sorgen gemacht, verdammt! Wehe du machst noch mal so was! Wie bist du überhaupt auf die gnadenlos dämlich Idee gekommen, ins Schwimmbad und dann auch noch ins Schwimmerbecken zu gehen, wenn du überhaupt nicht schwimmen kannst, hä?“ Shuichi versuchte nicht mal sich zu verteidigen. Er sah nur wie feucht Yukis Augen geworden waren. „Weinst du?“, fragte er leise. „Natürlich nicht!“, schniefte Yuki und zog Shuichi ungeachtet der Tatsache, dass er sich gerade total lächerlich machte in eine sitzende Position, um ihn in den Arm zu nehmen. „Ich hatte Angst du würdest sterben!“, murmelte Yuki und vergrub das Gesicht in den rosafarbenen Strähnen. „Bist du mir noch böse?“, fragte Shuichi nach einiger Zeit, in der er und Yuki sich einfach in den Armen gelegen hatten. Yuki hob den Kopf endlich auf und starrte in Shuichis Gesicht. „Natürlich bin ich dir noch böse, du Idiot! Was, wenn du gestorben wärst?“ „Ist irgendwas passiert?“, unterbrach ein ziemlich verpeilter Bademeister ihr Streitgespräch. Der hatte eben seine Zeitung beiseite gelegt und Shuichi Shindo von ‚Bad Luck’ und den Autoren Yuki Eiri in seinem Schwimmbad neben seinem Becken gefunden. Yuki knirschte mit den Zähnen und Shuichi wusste ganz genau, Yuki war ehrlich sauer. Nur, dass sich der Zorn nicht gegen ihn richtete. „Halt den Rand du Idiot! Das hat ein Nachspiel, dass in deinem Bad beinahe jemand ertrunken wäre!“ „Ertrunken?“ „Geh mir aus den Augen!“, brüllte Yuki den Bademeister an, der zuckte zusammen und machte sich hastig aus dem Staub. „Lass uns nach Hause gehen“, murmelte Yuki und stand auf. Er reichte Shuichi eine Hand und der schlug ein und ließ sich aufhelfen. Yukis Hand war warm und kräftig. „Du, ich kann jetzt schwimmen“, erklärte Shuichi leise und kuschelte sich an Yuki. Der ließ das ausnahmsweise mal zu und spottete nur ein wenig: „Deswegen bist du auch fast ertrunken, was?“ „Na ja…“, gab der Jüngere zu, dann lachte auch er. Jetzt, nach den Minuten in denen Yuki das beklemmende Gefühl des Verlustes schon fast gespürt hatte, war ihm Shuichi wichtiger denn je. Er drückte ihn an sich und wollte ihn am besten nie wieder loslassen. Nie wieder. Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)