Lost von Nifen ================================================================================ Kapitel 2: II ------------- Ich fühlte mich mehr als unbehaglich in dem festlich erleuchteten Ballsaal. Es war warm und stickig, was angesichts der vielen hundert Kerzen und noch mehr Menschen in dem großen Raum kein Wunder war. Doch die Hitze war nicht der eigentliche Grund, weshalb ich mich so fühlte. Und auch der Kragen des für diesen Anlass mit besonderer Sorgfalt gestärkten Hemdes hatte damit wenig zu tun. Vielmehr lag es an dem Gefühl, einmal mehr verloren zu haben. In diesem Falle Hitomi an Van. Dabei war das irrsinnig, hatte ich in Hitomi doch immer mehr eine Schwester, eine Erinnerung an meine verloren geglaubte kleine Schwester, als eine begehrenswerte Frau gesehen. Dass ich ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte, hatte daran nichts geändert, war es damals doch die einzige Möglichkeit gewesen, die ich gesehen hatte, sie zu schützen. Auch Millerna war mit ihrem Gatten anwesend und das nicht nur in ihrer Funktion als Regentin Asturias, sondern sie hatte am frühen Morgen als Hitomis Trauzeugin fungiert, war sie doch auf Gaia für Hitomi was einer besten Freundin am nächsten kam. Ich wusste, dass das königliche Ehepaar nach dem eher unglücklichen Anfang doch noch zusammengefunden hatten und die kleine Tochter, die Anfang des Jahres geboren worden war, war quasi die Krönung ihres Glücks gewesen. Auch Millerna, obwohl ich in ihr nie etwas anderes gesehen hatte als die kleine Schwester Malens - der ersten Frau in meinem Herzen, die ich an der Seite eines anderen hatte sehen müssen - hatte ich verloren. Und die Mädchen, die am Markttag im Castello Fort mit mir geflirtet hatten, hatten letztlich andere geheiratet und ich hatte dabei zusehen müssen. Ich schnaubte ein wenig ungehalten über meine eitlen Gedanken. Denn nichts anderes war es wohl: gekränkte Eitelkeit ob der Tatsache, dass die Frauen, die mir, Allen Shezar, Gefühle entgegen gebracht hatten, letztlich ihr Glück doch mit einem anderen gefunden hatten und mir selbst lediglich mein Sohn blieb, den ich noch nicht einmal als Sohn anerkennen, dem ich lediglich ein Lehrer sein konnte. Und so konnte ich mich in diesem Moment eines Gefühls der Einsamkeit nicht erwehren. Es war als wäre ich verdammt dazu, stets zuzusehen, während andere ein glückliches Leben lebten. Selbst Chid würde nicht auf ewig einen Lehrer brauchen und dann… dann wäre ich wirklich allein. Serena hatte ich bereits gehen lassen müssen, war ich als Mann doch nicht wirklich geeignet ihr das angemessene Verhalten für eine junge Dame beizubringen. Sie lebte in Pallas unter Millernas Obhut und deren Berichten nach zu urteilen, hatte ihre Entwicklung große Fortschritte gemacht und meine kleine Schwester wohl auch schon die Aufmerksamkeit einiger junger Herren erregt. Vielleicht war das Gefühl, das ich beim Anblick des tanzenden Königspaares von Fanelia empfand ja auch weniger gekränkte Eitelkeit, als vielmehr der Vorbote einer lange unterdrückten Angst: Der Angst vor dem Alleinsein. Ich hatte dieses Gefühl der Einsamkeit schon einmal Mal in meinem Leben kennengelernt und es war alles andere als eine schöne Zeit gewesen. Damals, als meine Mutter gestorben war, mein Vater als verschollen galt und meine Schwester spurlos verschwunden war. Ich hatte das Familienanwesen verschlossen und war losgezogen. Ohne Plan, ohne Ziel, auf der Flucht vor der Einsamkeit, der Angst, dem eigenen Verlorensein. Hätte ich damals nicht zufällig den großen Schwertmeister Vargas getroffen, wer weiß, wie mein Leben dann ausgesehen hätte. So aber hatte ich einen Mentor gefunden und später einen Platz unter den Soldaten des Königs. Umstände, die es mir ermöglicht hatten, mich der Illusion hinzugeben, nicht länger allein zu sein. Aber die Umstände hatten sich geändert und meine Illusion war heute irreparabel zerrissen worden. Ich war mir bewusst, dass die einzig wirklich dauerhafte Lösung gegen die drohende Einsamkeit die Gründung einer eigenen Familie, die eigene Heirat war. Darüber hinaus entsprach es den gesellschaftlichen Erwartungen. Aber ich wollte nicht bloß eine Frau heiraten, um mit ihr die nächste Generation hervorzubringen und den Fortbestand der Familie Shezar zu sichern. Überhaupt war ich mir nicht sicher, was für eine Art Frau ich heiraten wollte. Und vielleicht war ich deswegen dazu verdammt zuzusehen, wie die jungen Frauen, die eben noch mit mir geflirtet hatten, im nächsten Jahr einen anderen heirateten. So wie Hitomi heute. Ich sah, dass ich mich mit meinen Gedanken im Kreis gedreht hatte und wieder beim Ausgangspunkt angelangt war. Und doch war ich um zwei Erkenntnisse reicher: Ich wusste nun, dass meine Furcht dem Alleinsein galt, dass ich aber zugleich nicht wusste, wie ich mir meine Lebenspartnerin wünschte. Ich fühlte mich verloren, trotz all der Menschen, die mich umgaben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)