Mississippi Dreams von desertdevil6 ================================================================================ Kapitel 14: Entscheidungen -------------------------- Kapitel 14 Entscheidungen Eine Lerche sang, als June am nächsten morgen erwachte. Er streckte sich und lächelte zufrieden vor sich hin. Ihm war auch danach zu Mute lauthals zu singen. Er stand aus dem Bett auf und trat ans Fenster, um hinaus zu schauen. Bei seinen Bewegungen fühlte er, dass sein Hintern ein bisschen wund war und sein Eingang leicht pochte, doch das sagte ihm, dass die letzte Nacht kein Traum gewesen war. Aber er hatte nirgendwo wirklich Schmerzen. June fühlte sich wunderbar, obwohl er wenig geschlafen hatte, und er war glücklich und sorglos und schäumte nur so vor Energie. Das Gras vor seinem Fenster schien grüner denn je zu sein und der Himmel blauer. Er lehnte sich an den Festerrahmen und lächelte über die Welt im Großen und Ganzen. Der Grund weshalb er sich so wunderbar fühlte, war der, dass er das Gefühl hatte geliebt zu werden. Logan liebte ihn! War das nicht ein Wunder, das diesen Namen zu Recht trug? Es war sehr früh. Die Sonne stand noch tief, und auf dem Gras lag Tau. Doch es war schon rege Betriebsamkeit ausgebrochen, und June fiel ein, dass heute die letzte Baumwolle geerntet werden sollte. Wie immer wenn die Baumwollernte zu Ende ging, würde auf dem Fluss reger Verkehr herrschen, da die Baumwolle von den Plantagen zu den großen Hafenstädten wie New Orleans gebracht wurde. Von dort würde sie dann nach England verschifft werden. June hatte den Trubel nach der erfolgreich eingebrachten Ernte schon immer geliebt, doch dieses Jahr waren seine Sinne geschärft, und er stellte fest, dass man die Freuden des Alltags viel klarer wahrnahm, wenn man verliebt war. Logan war zweifellos dort draußen, und June errötete leicht bei dem Gedanken, ihm nach allem, was in der vergangenen Nacht geschehen war, am helllichten Tage gegenüber zu treten. Doch sein Verlangen, ihn zu sehen, siegte gegen seine instinktive Scheu. Er wandte dem Geschehen vor dem Fenster den Rücken zu, um sich eilig anzuziehen. Wie immer war ein Krug heißes Wasser vor seine Zimmertür gestellt worden. June holte ihn, schüttete das Wasser in die Waschschüssel und wusch sich das Gesicht. Sein Körper kam ihm ein bisschen klebrig vor und er hätte gerne ein Bad genommen. Aber da er, wenn er mal badete es immer abends tat, hätten die Hausmädchen nur Fragen gestellt, wenn er jetzt danach verlangte. Wenn er auch noch so glücklich war, wusste June doch ganz genau, dass das, was in der vergangenen Nacht zwischen Logan und ihm geschehen war, vom Rest der Welt als skandalös und verrucht verdammt worden wäre. Es war schon genug der Schande, dass er mit einem Mann geschlafen hatte. Und dieser Mann war außerdem verheiratet, noch dazu mit der Witwe seines Vaters… das war durch und durch sündig, und June wusste es. Wenn jemand die Wahrheit entdeckte, würde man ihn als ruchlose Schlampe, wenn nicht sogar noch schlimmer beschimpfen, man würde über ihn lästern und ihn ausstoßen… Aber er war nicht bereit seine Freude durch die düstere Realität trüben zu lassen. Er würde noch früh genug Zeit haben, über die beunruhigenden Aspekte seiner Liebe zu Logan nachzudenken. June zog seinen Schlafanzug aus und seifte sich so gut wie möglich ein. Die bräunlichen Flecken auf der Innenseite seiner Oberschenkel verwirrten ihn einen Moment lang, bis ihm klar wurde, dass es sich um Blut handelte. Beim ersten Mal war Logan nicht besonders sanft mit ihm gewesen, erinnerte sich der Kleine und seufzte, bevor er leicht errötete, als er daran dachte, was der andere mit ihm getan hatte. Zuerst hatte es nur wehgetan… aber dann… dann war es einfach unbeschreiblich schön gewesen. June glaubte nicht, dass er mit Billy je diese Freuden erlebt hätte, wollte es auch gar nicht. Denn jetzt wo Logan auch zu ihm stand, war er davon überzeugt, dass sie gemeinsam irgendeine Lösung fanden, damit sie zusammen sein konnten. Allerdings war June auch Realist genug, um nicht zu verdrängen, dass Logan verheiratet war. Selbst wenn er sich scheiden ließ… sie beide würden niemals heiraten können. Blieb ihm im besten Falle nichts weiter übrig, seine Zeit als so etwas wie eine Mätresse auf der Plantage zu verbringen, während seine Stiefmutter die achtbare Stellung als Ehefrau inne behielt? Würde sich ihre Liebe mit klammheimlichen Stelldicheins um Mitternacht begnügen müssen? Oder würde Logan tatsächlich versuchen sich scheiden zu lassen? Die Frage war nur, was das für ihn brachte… im schlimmsten Fall musste er dann die Plantage wieder verlassen und June stand dann mit seiner Stiefmutter wieder allein da, oder wie? Je mehr der Blondschopf über die Situation nachdachte in die er sich gebracht hatte, desto weiter häuften sich unerfreuliche Tatsachen an. Doch er schüttelte bestimmt den Kopf und verdrängte das alles erstmal. Heute, wenigstens diesen einen Tag lang wollte er alle Probleme vergessen und sein Glück auskosten. Auskosten, das er liebte und geliebt wurde. Ein kleines Weilchen würde er sich vormachen, dass keines der Hindernisse zwischen Logan und ihm stand und dass sie sich ungehindert und nach Herzenslust lieben konnten. June zog sich schnell seine dunkelgrünen Reithosen und ein weißes Leinenhemd an, stellte sich kurz vor den Spiegel, um seine wilde blonde Lockenmähne durchzubürsten. Einzelne Strohhalme und Getreidekörner fielen dabei heraus und er dankte wirklich dem Himmel dafür, dass er sich morgens alleine anzog und die Haare machte. Nicht auszudenken, was er sich für Ausreden aus den Rippen hätte leiern müssen, wenn Trudi oder wer anders das gesehen hätte. Als June seine Haare in einem einfachen Zopf gebändigt hatte, sammelte er die Halme und Körner auf, die er herausgebürstet hatte und warf sie ganz hinten in den Kamin, wo sie vor einer Entdeckung sicher waren. Dann breitete er noch seinen Schlafanzug und seinen Morgenmantel auf dem Bett aus, um nach Blutflecken zu suchen, stellte aber zu seiner Erleichterung fest, dass beides sauber war. Schließlich spülte er den Waschlappen, mit dem er sich die blutverschmierten Schenkel abgewaschen hatte aus, bis er keine Flecken mehr hatte. Das trübe Waschwasser schüttete er fort. Bei allem fühlte sich June so schuldbewusst wie ein Mörder. Doch als das Werk getan war und er noch ein letztes Mal in den Spiegel sah, war er gleich wieder besser gelaunt. Bald, bald schon würde er an Logans Seite sein und nur das zählte für ihn. Es war ein kühler Morgen und die langen dunkelgrünen Hosen, sowie das langärmelige helle Hemd waren genau richtig für dieses Wetter, stellte June fest, nachdem er über die Hintertreppe das Haus verlassen hatte. Auf dem Weg zum Stall liefen ihm Trudi und Rosa über den Weg und er drückte Trudi überschwänglich an sich, während er Rosa einen Kuss auf die Wange drückte. Beide Frauen sahen kopfschüttelnd hinter ihm her. June nahm nicht wahr, dass beide Frauen sich wunderten und sich ihren Teil dachten. Er lief zum Stall, bat Aban sein Pferd zu satteln, tätschelte Firefly und ritt voller Vorfreude hinaus. In wenigen Minuten würde er Logan wieder sehen. Cecile kam gerade aus dem Haus und ging auf die Toilette zu. Sie lüpfte ihre Röcke mit übertriebener Sorgfalt, damit sie auch ja nicht mit dem frisch gemähten Gras in Berührung kamen. Selbst auf diese Entfernung wirkte sie außerordentlich verdrossen und noch dünner, als June sie in Erinnerung hatte. Cecile blickte auf und sah ihren Stiefsohn. June spürte, wie ein Teil seines kostbaren Glücks zersprang. Er wäre fort geritten, ohne auch nur eine Silbe mit seiner Stiefmutter zu reden, doch Cecile winkte ihn zu sich. Widerwillig griff June Firefly in die Zügel und ritt auf die Ehefrau des Mannes zu, den er liebte. »Du scheinst ja heut morgen außerordentlich gut gelaunt zu sein«, bemerkte Cecile und betrachtete June angewidert, als der Jüngere sein Pferd vor ihr anhielt. Ihr Gesicht war sehr blass, ihr Haar zerzaust und das sah Cecile gar nicht ähnlich, sodass June sich schon fragte, ob sie krank war. Auch ihr Tonfall war gereizter denn je. Natürlich war Cecile immer unfreundlich zu ihm gewesen und ihre Feindseligkeit war mit jedem Tag größer geworden, seit June attraktiver geworden war und doch… War es etwa möglich, dass seine Stiefmutter wusste, was sich in der Nacht zwischen ihm und Logan abgespielt hatte? Nein, natürlich nicht. Niemand wusste etwas davon, nur er und Logan. Trotzdem war June machtlos gegen die 8unbewusste Röte, die in seine Wangen aufstieg. »Wolltest du etwas bestimmtes von mir, Cecile?«, fragte June und hoffte gleich weiter reiten zu können, ehe seine Stiefmutter seine verräterisch geröteten Wangen wahrnahm. »Falls du meinem Mann über den Weg läufst – was ja ständig zu passieren scheint – dann schick ihn bitte zu mir. Also wirklich! Dieser Mann ist wirklich nie auffindbar – jedenfalls für mich nicht. Soweit ich gehört habe, gelingt es dir ziemlich häufig ihn zu finden.« Ceciles mürrischer, keifender Tonfall war nicht ausgeprägter als sonst, sagte sich June. Monatelang hatte sie darauf angespielt, wie viel Zeit und Aufmerksamkeit Logan June widmete. Hinter Ceciles Äußerungen steckte nichts weiter als sonst auch – oder etwa doch? »Falls er mir zufällig begegnet, schicke ich in zu dir,« meinte der Blondschopf und wollte losreiten. »Oh, ich bin ganz sicher, dass du ihm begegnest. Darauf legst du es doch an, oder nicht?« »Ich sage ihm, dass du ihn sprechen willst«, sagte June mit gezwungen ruhiger Stimme und kehrte seiner Stiefmutter den Rücken zu. Dabei schlug sein Herz schnell in seiner Brust und er verspürte einen Kloß im Hals. War es so offensichtlich, dass er zu Logan wollte? »Wenn ich es mir recht überlege, brauchst du dir die Mühe eigentlich gar nicht zu machen«, rief Cecile hinter ihm her, und die Gehässigkeit war deutlich aus ihrer Stimme heraus zu hören. »Was könnte passender sein, als dich die guten Nachrichten übermitteln zu lassen? Richte Logan doch einfach etwas von mir aus. Sag diesem elenden Lüstling, er hätte endlich bekommen, was er wollte: Ich bin ziemlich sicher, dass ich ein Kind kriege.« 36 June ging am frühen Nachmittag an Bord der »River Queen.« Sobald er zu dem Entschluss gekommen war, unter den Umständen sei es das einzig mögliche die Plantage zu verlassen, waren die Einzelheiten erstaunlich einfach gewesen. Nachdem Cecile seine Welt in tausend Stücke geschlagen hatte, war June eine Zeitlang blind drauflos geritten. Als er sich dann gezwungen hatte, sich mit seiner wirklichen Lage auseinanderzusetzen, hatte sich eine eisige Ruhe auf ihn herab gesenkt, und er wusste genau, was er zu tun hatte. Er kehrte zum Haus zurück, packte ein paar Sachen zusammen und schrieb eine Nachricht, die er unter seine Bettdecke legte, damit sie erst gefunden wurde, wenn eines der Dienstmädchen am Abend kam, um die Decken zurück zu schlagen. Es war nicht so schwierig, wie June gefürchtet hatte, sich mit der recht großen Tasche aus dem haus zu schleichen. Die Hausangestellten gingen ihren üblichen Aufgaben nach, und Cecile hielt sich entweder in ihrem Zimmer oder außer Haus auf, wie tagsüber meistens. June begegnete niemandem, als er das Haus durch den Haupteingang verließ und nicht durch die Hintertür, denn dort hätte er Trudi oder Rosa in die Arme laufen können. Das größte Hindernis schien ihm das Geld zu sein, als er den Entschluss gefasst hatte fort zu gehen, aber auch das erwies sich als kein Problem. Um diese Jahreszeit waren alle auf den Feldern beschäftigt, selbst der Aufseher, der seine Arbeit sonst weitgehend im Büro verbrachte. Das Büro, ein kleiner freistehender Ziegelbau, war leer. Es war abgeschlossen, aber June wusste, wo der Schlüssel aufbewahrt wurde. Er wusste auch, dass die Kasse unter einer losen Diele versteckt war, und den Schlüssel dazu fand er im Schreibtisch des Aufsehers. Es war lachhaft einfach, diesen Diebstahl zu begehen. June verbarg die Stahlkassette wieder in ihrem Versteck und schloss die Tür hinter sich ab, damit niemand etwas merkte, ehe man seine Nachricht fand. Dann ritt er mit Firefly zur Anlegestelle der Schiffe. Er hatte seinem treuen Begleiter einen Klaps geben können, und das Tier wäre nach Hause zurück gelaufen, doch dann hätte man sein Verschwinden zu früh entdeckt. Deshalb bat June zwei Feldarbeiter der Chandlers, Firefly für diesen einen Tag nach Elmway mitzunehmen. »Sie machen einen Ausflug, June?«, fragte George, einer der Männer, ihn überrascht, als er ihm Fireflys Zügel in die Hand drückte. »Ja, ich fahre nach Natchez. Ist das nicht schön?« June hoffte nur, dass die Fröhlichkeit in seiner Stimme in Georges Ohren nicht ganz so unecht klang, wie in seinen eigenen. »Oh doch. Natürlich«, bestätigte ihm der andere mit einem Lächeln und June tat es in der Seele weh, den jungen Mann zu belügen. Er tätschelte Firefly und winkte George noch einmal zu, ehe er an Bord ging. In dem Moment ging ihm auf, dass er nicht die geringste Ahnung hatte, wie man eine Schiffspassage buchte. Zum Glück sorgte sich der Kapitän gerade mehr um seine Fracht, als um die Passagiere, und sobald er gezahlt hatte, war auch die Schiffsreise kein Problem mehr. Als er den Kabinenschlüssel in der Hand hielt, atmete June erleichtert aus. War es nicht komisch wie furchtbar einfach es einem gemacht wurde, sein ganzes Leben auf den Kopf zu stellen und seine Wurzeln zu kappen? Die einzige Reise, die June je unternommen hatte, war sein Ausflug nach Jackson mit Miss Flora und Miss Laurel gewesen. Wenn er nicht ganz so sehr um Logan gelitten hätte, hätte ihm die Flussfahrt fast Spaß gemacht. Der Yazoo war ihm nie allzu schmal erschienen, doch als die »River Queen« auf dem Nebenfluss in den breiten, schlammigen Mississippi einbog, war June tief beeindruckt von der Breite dieses Stroms. Eigentlich war es für ihn als Junge kein Problem alleine zu reisen, dennoch fühlte er sich schon jetzt von einigen Männern beobachtet, die ihm Unbehagen bereiteten. Es war wohl das Beste, wenn er sich weitgehend in seine Kabine zurückzog, bis die »River Queen« ihr Ziel – New Orleans – erreicht hatte. Bis dahin konnte er in Ruhe Pläne schmieden, wie es mit ihm weiter gehen sollte. Die achthundert Dollar, die er aus der Stahlkassette entwendet hatte, würden nicht ewig reichen. Irgendwann würde er sich eine bezahlte Stellung suchen müssen, aber als was? Und wie suchte man sich überhaupt eine Anstellung. Panik stieg in June auf, als ihm ständig klarer wurde, wie behütet und zurückgezogen er bisher gelebt hatte. Doch er war nicht bereit sich dieser Panik zu überlassen. Wenn er bisher nicht gelernt hatte, wie man auf sich selbst gestellt in dieser Welt zurecht kam, dann würde er es eben jetzt heraus finden. Irgendwie würde er es schon schaffen, denn es musste sein! Er war jung, gesund, intelligent und scheute sich nicht vor harter Arbeit. Warum also sollte ihm die Welt außerhalb der Plantage so bedrohlich erscheinen? Natürlich konnte er sich jederzeit Geld von dort schicken lassen. June hatte das sichere Gefühl, Cecile würde es sich eine ansehnliche Summe kosten lassen, ihren verhassten Stiefsohn loszuwerden. Aber das war ein Schritt, den June hoffte vermeiden zu können. Wenn er Geld anforderte, hieß es, dass er seinen Aufenthaltsort preisgeben musste. Und dann würde mit Sicherheit jemand kommen, um ihn zurückzuholen – das war so sicher, wie das Amen in der Kirche. Und dieser jemand würde höchstwahrscheinlich Logan sein. June glaubte nicht, dass er Logan noch einmal gegenüber treten konnte. Jedenfalls nicht, ohne ihm in die Arme zu fallen und ihn zu bitten, ihn wieder nach Hause zu bringen. Als die »River Queen« die Plantage immer weiter hinter sich ließ, geriet June mehr als einmal in seinem Entschluss ins Wanken. Die Nacht brach an, und das Heimweh regte sich und wurde nur noch durch das Wissen verstärkt, dass er nie mehr nach Hause zurückkehren konnte. Als er nicht einschlafen konnte und sich im Bett herumwälzte, war das einzige, was ihn davon abhielt, in der Morgendämmerung sofort umzukehren, das wissen, dass er das richtige getan hatte, als er die Plantage und Logan verlassen hatte. Cecile war Logans Frau, ob es einem der drei Beteiligten nun passte oder nicht. Es gab keine Lösung, die wie durch ein Wunder alles zum Guten gewendet hätte. Nachdem die Grenze überschritten und Logan sein Liebhaber geworden war, waren die Weichen für eine Katastrophe gestellt. Wenn dann auch noch dazu kam, dass Cecile ein Kind erwartete – mochte es nun von Logan sein oder nicht, und June war sehr schnell auf den Gedanken gekommen, dass es nicht von Logan sein konnte - , stand eins fest: für June war auf der Pantage kein Platz mehr. Es änderte nichts, dass er Logan liebte und dieser ihn. Cecile war seine Frau und Cecile erwartete ein Kind, das sie als ihr gemeinsames aufziehen würden. Unter den gegebenen Umständen blieb June sowieso über kurz oder lang nichts anderes übrig, als die Segel zu streichen und von der Bildfläche zu verschwinden. Wenn er nicht schon mit Logan geschlafen hätte, hätte er sich wahrscheinlich an Billy gewandt und sich mit diesen dauerhaft aus Logans Reichweite entzogen. Aber diese eine Nacht mit Logan… Er hatte dem anderen seine Liebe geschenkt und June war sich selbst gegenüber so ehrlich, dass er genau wusste, dass es mit Billy sowieso niemals so geworden wäre, wie er es mit Logan erlebt hatte. Schon aus diesem Grund hatte er die Möglichkeit, doch noch zu Billy zu gehen, nicht mehr in Betracht gezogen. Die einzige Lösung, die ihm noch blieb, war die, sich ein eigenes Leben in der Ferne aufzubauen, wenn ihm das Herz auch noch so sehr blutete. Im Moment machte er sich allerdings nicht die geringste Vorstellung davon, wie dieses Leben aussehen sollte. Er versuchte hartnäckig, sich mit der Wahrheit abzufinden, wenn es auch noch so weh tat; Er hatte nicht nur Logan verloren, sondern alles und jeden, den er liebte. Sissi, Rosa, Aban, Firefly und Jasper… die gesamte Plantage und das rege Treiben… all das würde ihm schmerzlich fehlen. Tränen brannten in Junes Augen, als die geliebten Gesichter eines nach dem anderen an ihm vorüber zogen. Er bemühte sich, Logan gar nicht erst vor sich zu sehen, doch schließlich verlor er den Kampf. Er durchlebte jeden Moment mit ihm noch einmal, angefangen mit dem Anblick des Fremden, den er auf Anhieb abgelehnt hatte, als er als Ceciles Verlobter auf die Plantage gekommen war. Als die Tränen endlich über seine Wangen rannen, versuchte June gar nicht erst, ihnen Einhalt zu gebieten. Schluchzend drehte er sich auf den Bauch und vergrub sein Gesicht im Kissen, doch selbst die Tränen konnten seinen Kummer und Schmerz nicht lindern. Das hatte er schon vor langer Zeit gelernt, und er hätte daran denken sollte. June blieb in seiner Kabine, bis die »River Queen« am frühen Nachmittag des folgenden Tages in Natchez anlegte. Trotz der miserablen Nacht hatte er sich ein Paar ordentliche beigefarbene Hosen und ein helles Hemd angezogen, sowie seine Haare mit ein paar geschickten Handgriffen in Ordnung gebracht. Als das Schiff vertäut war, setzte June einen Hut mit breiter Krempe auf und verließ die Kabine. In den Trubel der jetzt herrschte, war er vollkommen unauffällig. June stellte fest, dass er Hunger hatte und überlegte kurz an Land zu gehen und sich an einem der Stände im Hafen etwas Essbares zu kaufen. Die »River Queen« hatte zwar einen Speisesaal, doch der Kleine hatte bisher nicht den Mut aufgebracht, ihn aufzusuchen. Er traute sich einfach nicht allein in ein öffentliches Restaurant zu gehen und eine Mahlzeit zu bestellen, um diese dann ebenfalls allein zu sich zu nehmen. Jedenfalls bisher nicht. Früher oder später würde er sich natürlich dazu durchringen müssen, wie er auch vieles andere noch lernen musste, worum er sich bisher nie gekümmert hatte. Sowie er von Bord gegangen war, sprach ihn ein Fremdenführer, der geschmacklos und auffällig gekleidet war an. June eilte weiter, ohne ihm zu antworten, doch in dem Gedränge kam er nur langsam voran. »Für ein so hübsches Bürschchen wie dich ist es gefährlich, allein durch Natchez zu laufen. Harley Brown, stets zu deinen Diensten«, hörte er plötzlich eine Stimme hinter sich. June stellte voller Entsetzen fest, dass der Mann mit der grellbunten Weste, der ihn schon vorher angesprochen hatte, plötzlich mit einem triumphierenden Lächeln neben ihm auftauchte. Der Blondschopf konnte nur hoffen, dass dieser Kerl ihn in Ruhe ließ, wenn er ihn nicht beachtete, und daher wandte er sich eilig ab. Aber der Mann ließ sich nicht abschütteln. »Du siehst ja wirklich prima aus, Süßer. Keine Angst, bei Harley Brown sind so hübsche Kerlchen wie du sicher. Soll ich dich nicht herum führen? Was meinst du dazu?« Es war schon schwer genug für June zu verkraften, dass dieser Typ es so offenkundig auf ihn abgesehen hatte. Aber als er wahrhaftig die Frechheit besaß, ihn am Ellenbogen zu greifen, platzte ihm der Kragen. Wut brodelte in ihm und der Kleine riss den Kopf herum und funkelte den Mann zornig an. »Finger weg!«, fauchte er aufgebracht und hatte es satt wie ein leichtes Mädchen behandelt zu werden. Auch dachte er nicht darüber nach, wie man in so einer Situation korrekt handelte. Dauerhafte Zurückhaltung war nie eine seiner Tugenden gewesen, und er sah auch keinen Grund sich gerade jetzt solche Beleidigungen gefallen zu lassen. Harley Browns graue Augen wurden größer, als June sich zu ihm umwandte. Seine Hand spannte sich nur noch fester um den Arm des Jungen. »Oho! Wir sind wohl eingebildet? Pass bloß auf, was du sagst! Ich bin nicht der Typ, der sich von rotznäsigen Bengeln etwas gefallen lässt.« »Lassen Sie meinen Arm los!«, forderte er den Mann noch einmal auf und knirschte ungehalten mit den Zähnen. Es war mal wieder typisch, dass gerade er sich in so eine Situation katapultierte. Ungehalten riss er an seinem Arm, doch der Griff darum wurde noch fester und das selbstgefällige Grinsen auf den Zügen des anderen wurde breiter. »Haben Sie Probleme, Jungchen?«, erkundigte sich ein grauhaariger Mann in steifer Kleidung bei ihm. Die Frau an seiner Seite wirkte nicht, als sei sie für einen Scherz zu haben. Als June sie ansah, rechnete er fast damit, die Dame würde Mr. Browns Hand von seinem Ärmel schlagen. »Ja, also…« Es widerstrebte June, Fremde in seine Schwierigkeiten hinein zu ziehen. Aber seine Zuversicht, allein mit der Lage fertig zu werden, ohne eine riesige Szene zu provozieren, nahm sichtlich ab, als sich die Hand fester um seinen Arm schloss. »Kümmern sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten«, fauchte Harley Brown. »Genau das habe ich vor! Wenn ein hübscher Junge von so einem schmierigen Kerl wie ihnen belästigt wird, geht das jeden gottesfürchtigen Bürger etwas an!« Die stämmige Frau sah zu, wie ihr Begleiter und Mr. Brown gehässige Blicke miteinander tauschten. »Was ist los, Cornelia? Du weißt doch, wie sehr ich laute Stimmen hasse.« Die Worte wurden heraustrompetet. Einer der Beteiligten musste Schwerhörig sein. »Der Kerl belästigt diesen hübschen Jungen, Martha.« Cornelia redete so laut, dass June vor Verlegenheit die Röte ins Gesicht schoss und er sich am liebten in Luft aufgelöst hätte, um dieser Situation zu entgehen. »Ach, wirklich?« Martha sah Mr. Brown und June, der immer noch versuchte, dem anderen seinen Ellenbogen zu entreißen, interessiert an. »Wer hat sich denn gebeten, dich einzumischen, du fette Kuh?« Martha war offensichtlich nicht schwerhörig, denn ihr Mund klappte entrüstet auf, und ehe einer der beteiligten ihre Absicht erkannte hatte, ließ sie ihren Sonnenschirm mit aller Kraft auf Mr. Browns Kopf heruntersausen. »Oh, Hilfe! So ein Miststück!«, heulte Mr. Brown und riss die Arme hoch, um die Schläge anzuwehren, die auf seinen Kopf hagelten. Er wankte rückwärts und prallte gegen ein Liebespaar, das daraufhin taumelte. »Sie werde ich lehren, was passiert, wenn man andere Leute mit Schimpfwörtern bedenkt!« Mit ihrem rüschenbesetzten, gefährlich erhobenen Sonnenschirm schien Martha der Inbegriff einer rachsüchtigen Furie. »Gib´s ihm, Marhta!« Cornelia sprang fast in die Luft, während sie Martha aufhetzte. Als es gerade so aussah, als käme es zu einer Rauferei, in der jeder nach Lust und Laune mitmischen durfte, erreichte June das Ende des Landungssteges, und die Kampfhähne wurden von den Leuten, die hinter ihnen drängten, weitergestoßen. Als er in die noch dichtere Menschenmenge eintauchte, die über die Mole wogte, spürte June, wie sein Arm schon wieder gepackt wurde. Wütend schwang er herum, doch als er seinen Angreifer erkannte, wurde er blass, und sein Herz schlug von einer auf die andere Sekunde schneller. »Was zum Teufel geht hier vor?«, fragte Logan rau. Wenn er es sich auch noch so ungern eingestand, war Junes erste Reaktion, als er Logan sah, die reine, ungetrübte Freude. Sein Herz schlug heftig, ein Lächeln drängte sich auf seine Züge und er musste sich wirklich zusammen reißen, sich nicht in Logans Arme zu werfen. Mit dem schwarzen Zylinder, dem schwarzen Frack und einer hellbraunen langen Hose, dem neuesten Schrei der Mode, der gerade die Kniebundhosen im Alltagsgebrauch ablöste, sah er ganz wie der vornehme Pflanzer aus. Die strahlende Mittagssonne betonte den Blauschimmer seines schwarzen Haares und gegen seine dunkelbraune Haut wirkten seine Augen ganz besonders blau. Mit seiner beträchtlichen Körpergröße, den breiten Schultern und den schmalen Hüften, sah er so gut aus, dass sogar Martha aufhörte zu keifen und ihn anstarrte. June brachte es nur unter größten Mühen fertig, sich nicht an Logan breite Brust zu drücken und die Arme um dessen Hals zu schlingen. Doch wenige Minuten später fielen ihm wieder all die Gründe ein, aus denen er sich nicht darüber hätte freuen dürfen, Logan zu sehen. Als Logan auf der Bildfläche auftauchte, fand die Rauferei fast schon ein Ende. Ein Blick auf diesen kräftigen und eleganten Herrn, der eindeutig die Aufsicht über den jungen Mann zu haben schien, reichte aus, und Mr. Brown zog ab. Auch das Liebespaar ging weiter. Martha, die ihres Opfers beraubt worden war, erwartete Logans Dank, weil sie sich für June eingesetzt hatte. Zusammenhangslos erklärte sie ihm, was vorgefallen war. Cornelia hingegen musterte Logan kritisch von Kopf bis Fuß. Im Gegensatz zu Martha ließ sie sich nicht von einem schönen Gesicht und guten Manieren einwickeln, und das kam deutlich heraus. »Kommen Sie mit dem da allein zurecht, junger Mann?«, erkundigte sich Cornelia skeptisch bei June, ohne dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Logan direkt neben ihr stand und Junes Arm gepackt hatte. Der Kleine errötete leicht und es war ihm etwas peinlich, dass diese fremde Frau sich als seine Beschützerin auserkoren hatte. Normalerweise sollte es eher umgekehrt sein. »Ja, Ma´am. Vielen Dank«, erwiderte er nach kurzem Zögern und begegnete ihrem skeptischen Blick. Dann wandte sie sich jedoch ab. »Nun gut. Gehen wir, Martha? Nach der Anstrengung kannst du es sicher kaum erwarten, etwas Kaltes zu trinken.« »Ja, das kann man wohl sagen. Aber hast du gesehen, wie dieser Rohling abgehauen ist? Ich kann mir vorstellen, dass er sich das nächste Mal genauer überlegt, ob er eine Dame beleidigt.« »Ja, ganz bestimmt. Du hast dich prächtig gehalten.« Die beiden Damen erörterten immer noch lebhaft die Lektion, die Martha Mr. Brown erteilt hatte, als sie weiter liefen, bis sie aus ihrer Hörweite waren. Logan zog June in die entgegen gesetzte Richtung. Erst als sie einen winzigen Part erreicht und den Trubel der Hafenmolen hinter sich gelassen hatte, blieb er stehen. Unter einem der drei einzigen Bäume, die in diesem Park wuchsen, stand eine Eisenbank. Logan stieß ihn auf die Bank und blieb vor ihm stehen. June musste sich den Hals verrenken, um ihn ansehen zu können. »So«, sagte er und verschränkte die Arme vor der Brust. June sah, dass das aufgesetzte Lächeln, mit dem er Martha und Cornelia beruhigt hatte, von seinem Gesicht gewichen war. Logans stahlblaue Augen waren wütend auf ihn gerichtet und um den Mund des anderen herrschte ein grimmiger Zug. »Und jetzt sag mir, was für einen verdammten Blödsinn du vorhattest. Ich musste die anderen allein lassen, die jetzt doppelte Arbeit leisten müssen, damit ich hinter dir herreiten konnte. Und wenn ich auch noch so halsbrecherisch geritten bin, scheint es doch, als hätte ich es kaum rechtzeitig geschafft. In Natchez gibt es Lokale, deren Schwelle so naive hübsche Jungs nur überschreiten brauchen, und man hört nie wieder was von ihnen. So wie die Dinge aussahen, als ich dazugekommen bin, standest du wohl gerade davor, einen dieser Orte mit eigenen Augen kennen zu lernen. Herr im Himmel, June! Machst du dir überhaupt eine Vorstellung davon, was dir hätte zustoßen können? Nein, natürlich nicht!« Die letzten Worte wurden so grimmig ausgestoßen, dass June erkannte, welche Ängste Logan um ihn ausgestanden hatte. Nur dieses Wissen hielt Junes Temperament im Zaum und ersparte dem Mann einen Zornausbruch von der Seite des Blondschopfes. »War das alles, was du mir zu sagen hast?« June war stolz auf seine gelassene Antwort. »Nein, zum Teufel, ganz und gar nicht!« Logan fischte einen zerknitterten Zettel aus seiner Tasche und schwenkte ihn vor Junes Augen. »Und das hier ist der reinste Blödsinn, oder was?« June erkannte die Nachricht, die er zurückgelassen hatte, um sein Verschwinden zu erklären. Darin stand, es sei ihm ein unerträglicher Gedanke Billy zu verletzen, indem er ihm die Wahrheit über seine Gefühle offenbarte. Dass er unter keinen Umständen mit ihm zusammen sein konnte und daher habe er vor eine längere Reise zu unternehmen, denn er hoffte, bis zu seiner Rückkehr hätte Billy ihn vergessen. Insofern konnte man die Nachricht zu Recht als »Blödsinn« bezeichnen. »Was hätte ich denn schreiben sollen? Die Wahrheit? Wohl kaum!« »Wie genau sieht die Wahrheit denn aus? Sei so gut und klär mich auf.« Logan stieß die Worte durch die Zähne vor. Die Hand, die den Zettel hielt, ballte sich zur Faust und zerknüllte das Blatt Papier regelrecht. »Cecile bekommt ein Kind«, offenbarte June und schluckte dabei hart. »Wenn das so ist, dann ist das Kind nicht von mir.« »Es geht nicht darum, ob es von dir ist oder nicht. Es geht darum, dass ich… dass du… dass Cecile deine Frau ist. Und ich bin gar nichts.« »Das erklärt natürlich alles.« Logan war spöttisch, wie so oft, und June geriet außer sich, wenn er spottete. »Du weißt genau, was ich meine!« Nun ballte auch der Blondschopf die Hände zu Fäusten und knirschte aufgebracht mit den Zähnen. »Nein, das weiß ich eben nicht. Als ich dich das letzte Mal gesehen habe – und du hast wirklich ganz bezaubernd ausgesehen -, schien es mir, als hätten wir einander unsere Liebe erklärt und dieses Bündnis nach Kräften besiegelt. Oder trügt mich meine Erinnerung?« »Du weißt genauso gut wie ich, warum ich fortgelaufen bin, und jetzt hör auf mir vorzumachen, du wüsstest es nicht!« Es war so ein heftiger Ausbruch, dass etliche Leute, die auf der gepflasterten Straße vorbeikamen, die Köpfe nach ihnen umdrehten. Deswegen senkte June die Stimme zu einem Zischen. »Hast du wirklich geglaubt, wir hätten danach so weitermachen können wie bisher? Ach so, ich verstehe. Du dachtest dir wahrscheinlich, du könntest eine Frau im Haus und einen Lustknaben im Stall beibehalten. Wie nett und gemütlich!« »Sarkasmus steht dir nicht, June.« Mit zusammen gekniffenen Augen schaute Logan auf ihn herab, was ihn noch mehr aufbrachte. »Und dir steht deine spöttische, überhebliche Art nicht, auf die du immer wieder zurück greifst.« Wütend sprang June von der Bank auf, ließ Logan stehen und lief aus dem Park und auf die Straße, die zur Stadt führte. »June.« Logan war hinter ihm. June reckte jedoch die Nase in die Luft und missachtete ihn bewusst. »June!« Bestimmt griff Logan nach seinem Arm und June drehte sich so abrupt um, dass er beinahe auf den glatten Pflastersteinen ausgerutscht wäre. »Geh doch! Geh zurück zu deiner Frau, die du ihres Geldes wegen geheiratet hast, und zu dem Kind, dass du vielleicht gezeugt hast, vielleicht aber auch nicht, und lass mich in Ruhe!«, fauchte der Kleine und lockte damit die Blicke weiterer Passanten an. »Wenn Cecile ein Kind bekommt, was zu bezweifeln steht, dann kann es unmöglich von mir sein. Zwei Wochen vor unserer Heirat habe ich das letzte Mal mit ihr geschlafen, seitdem nicht mehr!« »Psst!« June hörte ein schockiertes Keuchen hinter sich und musste feststellen, dass ein halbes Dutzend Augenpaare auf sie gerichtet waren. Sofort stieg ihm die Röte ins Gesicht und er sah Logan finster an, um dann bedeutungsvoll in die Runde zu schauen, da er hoffte, ihn damit zum Schweigen zu bringen. »Huren sind nicht nach meinem Geschmack, ob ich nun mit ihnen verheiratet bin oder nicht.« »Logan!« Zwei Damen sahen einander schockiert an, stießen die Nasen in die Luft und liefen eilig an ihnen vorbei. Ein Paar lief langsamer, um mit begierigen Blicken zu lauschen. June nahm nur allzu deutlich wahr, dass sie ein immer größeres Publikum anlockten, und er versuchte erfolglos, Logan darauf aufmerksam zu machen. »Du liebst mich, June. Und ich liebe dich.« »Würdest du dich bitte einmal umsehen?«, fragte der Kleine zischend, weil der andere einfach nicht zu begreifen schien, dass sie gerade dabei waren zu einer Attraktion zu werden. Diesmal war er zu Logan durchgedrungen, denn er sah endlich in die Runde. Als er die Schar von Zuschauern erblickte, die ihre Schritte verlangsamt hatten oder gleich ganz stehen geblieben waren, um zu gaffen, zuckte er zusammen. Die Passanten setzten sich jedoch augenblicklich wieder in Bewegung, als seine eisig blauen Augen finster über die Menge streiften. Dann legte sich Logans Hand fester um Junes Arm, und er drehte ihn zu sich um. June stellte fest, dass er ihn wieder zum Hafen führte. »Wohin bringst du mich?« »An einen Ort, an dem wir ungestört miteinander reden können. Du hast doch eine Kabine auf der River Queen, stimmt´s? Wir werden unser Gespräch dort fortsetzen.« Als er wieder an die Zuschauer dachte, die sie angelockt hatten, biss June sich auf die Lippen und ließ sich von Logan an Bord der River Queen führen. Sie lenkten keine gebührliche Aufmerksamkeit auf sich, und June war mehr als dankbar dafür. Vor seiner Kabinentür blieb Logan stehen und streckte die Hand aus. »Den Schlüssel.« Seufzend zog June ihn aus seiner Hosentasche und hielt ihn wortlos hin. Logan schloss die Tür auf, trat nach June ein und steckte den Schlüssel in seine Tasche, als gehörte er ihm, ehe er die Tür wieder schloss und sich daran lehnte, um den Kleineren zu mustern. »Ich gehe nicht auf die Plantage zurück.« Junes Stimme war sehr ruhig. »Das ist die dämlichste Äußerung, die ich je in meinem Leben gehört habe. Du wirst verdammt noch mal mit mir zurück kommen. Du bist dort zu Hause. Du liebst diesen verfluchten Ort.« »Trotzdem kann ich nicht dorthin zurück gehen. Wie könnte ich das, wenn ich für dich empfinde, was ich für dich empfinde?« Logan fluchte so heftig, dass June errötete, doch er wandte seinen Blick nicht ab. »Es besteht kein Anlass zu fluchen.« »Ich fluche, wann es mir passt. Und mir ist ganz gewaltig danach zumute.« Er verstummte, sah June finster an, holte tief Atem und zog das Zigarrenetui aus seiner Tasche. Er holte eine Zigarre heraus und zündete sie an. Das dauerte nur wenige Augenblicke, doch das war die Zeit, die er zum Nachdenken brauchte. »Bist du je auf den Gedanken gekommen, dass wir gemeinsam fortgehen könnten? Wir beide?« Die Frage wurde betont beiläufig gestellt, doch er paffte so nervös an seiner Zigarre, dass es nicht zu übersehen war. Es dauerte eine Weile, bis das zu June vordrang. Dann riss der Kleine jedoch die Augen weit auf. »Du würdest die Plantage verlassen?« Tiefe Ungläubigkeit drückte sich in seiner Stimme aus. »Was für eine gute Meinung du doch von mir hast! Ja, ich würde die Plantage verlassen. Mit dir.« Intensiv musterte der Blondschopf den anderen und die erst empfundene Ungläubigkeit machte einigen Zweifeln Platz. »Du hast Cecile geheiratet, um die Plantage zu bekommen…«, wandte er deshalb ein und legte den Kopf schief, beobachtete Logan jedoch ganz genau. »Das war ein Fehler. Ich hätte wissen müssen, dass einem nichts auf Erden so leicht zufällt.« Des zweifelnden Blickes war Logan sich durchaus bewusst. »Willst du damit wirklich vorschlagen, wir sollen.. gemeinsam… ausreißen?« June hielt regelrecht den Atem an, denn er konnte immer noch nicht glauben, was hier gerade passierte. »Warum denn nicht?« Jetzt lächelte Logan, ein lausbubenhaftes Lächeln, das unwahrscheinlich charmant war. »Und nie mehr zurück gehen…?« Ein wenig unsicher schaute der Blondschopf auf seine Hände, die er in seinen Schoß gelegt hatte. »Was ist mit Sissie und Rosa und Aban, oh, und mit deinen Tanten…?« »Wir könnten ihnen jede Woche schreiben.« Das war ein Scherz, aber June fing schon an dem anderen zu glauben, denn der Rest schien sein Ernst zu sein. »Und… Wie würden wir leben?«, konnte der Blondschopf sich nicht verkneifen zu fragen. Immerhin war es nichts alltägliches, wenn zwei Männer zusammen lebten. »Du traust mir nicht zu, dass ich dich ernähren kann?« »Doch.. das schon. Aber du wärst immer noch mit Cecile verheiratet.« Das war ein genauso wunder Punkt bei June. Die Ehe war eigentlich ein gesegnetes Bündnis und egal ob Logan dann mit ihm zusammen war, ein Teil blieb doch an Cecile gebunden, so ungern der Kleine sich das verdeutlichte. »Vielleicht ließe sich im Laufe der Zeit etwas ändern«, meinte Logan ruhig und June hob wieder den Blick, um den anderen mit großen Augen anzuschauen. »Du meinst… du würdest versuchen, dich von ihr scheiden zu lassen?« Damit hatte der Kleine nun gar nicht gerechnet und sein Herz schlug plötzlich schneller. »So etwas in dem Stil. Was sagst du dazu, hm? Sollen wir gemeinsam ausreißen?« June holte tief Luft. Tausend Gedanken rasten durch seinen Kopf. »Denk nur an den Skandal…«, brachte er leise heraus und sah zur Seite. Die Leute würden sich über sie die Mäuler zerreißen! »Weshalb? Wir sind doch nicht da, und werden nichts davon mitbekommen«, räumte Logan seine Bedenken gleich wieder aus. June sah erneut zu ihm auf und war in Versuchung, in schrecklich großer Versuchung. Er hatte sich damit abfinden wollen, alles für den Mann aufzugeben, aber es schien dem Kleinen fast unerträglich, dass Logan alles für ihn aufgab. Dieser zog ein letztes Mal an seinem Stumpen, ehe er ihn auf den Boden fallen ließ und die Glut unter seinem Stiefel austrat. Dann kam er auf June zu und warf auf dem Weg seinen Hut auf das Bett. »Nun, June, was ist? Wirst du für die Liebe dein zu Hause, deine Freunde und alles übrige aufgeben?« »Das.. das habe ich doch schon getan. Nur.. ich dachte nicht, dass du auch mitkommen würdest.« Seine Antwort war kaum zu hören und die Augen des Blondschopfes waren riesig, als er dem anderen ins Gesicht sah. »Ist das ein Ja?« Logan nahm die Hände des Jüngeren in seine. June spürte, wie warm und kräftig dessen Finger waren, als sie sich um seine Hände schlangen, die plötzlich eiskalt geworden waren. »Logan? Bist du ganz sicher, dass du das tun willst?« »Ob ICH sicher bin? Kleiner, alles, was ich aufgebe, hat nie wirklich mir gehört. Du bist derjenige, der sein zu Hause, seine Freunde und seine Geborgenheit opfert.« »Ich… na ja.. ohne dich bedeutet mir das nichts…«, gestand June verlegen ein und entlockte Logan damit ein liebevolles Lächeln. Zärtlich wurde er an den starken Körper gezogen. »Genauso empfinde ich es auch«, flüsterte Logan ihm mit gesenktem Kopf ins Ohr, und dann küsste er ihn auf den Mund. Tbc… © by desertdevil 31/08/11 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)