Melodie im Wind von Lexion (Bolero) ================================================================================ Kapitel 1: Schnee im Wind ------------------------- Tanzend, auf und ab hüpfend schwammen die Schneeflocken durch die Schwärze der Nacht. Es war eine kalte und stille Nacht. Nichts deutete auf die kommenden Ereignisse hin. Mit versteinerter Miene starrte der Mann auf die kleine Stadt die nahe bei ihm lag. Das Licht ihrer Häuser und Lampen schien hell wie ein Stern im nichts. Der Wind trieb ihm die kleinen Schneeflocken ins Gesicht. Er fühlte ein angenehmes kitzeln, so als wollten ihn die kleinen Eiskristalle zu einer Gefühlsregung bewegen. Doch würde man weder Zorn noch überschwängliche Freude je bei ihm sehen. Für ihn waren Gefühle dieser Art eine Schwäche und das Wort Schwäche gab es im Wortschatz des weißen Engels des Todes nicht. Mechanisch griff er in seine Manteltasche und eine behandschuhte Hand zog das Foto eines Anzugtragenden Mannes heraus. Gleichgültig betrachte er ihn. Man hatte Russlands skrupellosesten General geschickt um diesen Mann zu finden. General Sergei Dragunov, war nicht alleine in diese Einsamkeit Sibiriens gekommen. Versteckt und getarnt in den Schneewehen hinter ihm lauerte seine Einheit bereit auf das Zucken seiner Finger hin, anzugreifen. Leise eine bekannte Melodie vor sich hin summend, stand er mit verschränkten Armen da. Seine Finger tippten den Takt und den Rhythmus auf seiner Uniform. Er mochte dieses Lied, die Leichtigkeit, die darin lag, ließ ihn seine Aufgaben mit perfekter Präzision ausführen. Seine Augenlider waren geschlossen und er befreite seinen Geist von störenden Gedanken. Er summte nun lauter. Und wie als ob es ein stummer Befehl aus seinem Mund gewesen wäre, begannen die Schneeflocken nach dieser Melodie durch die Nacht zu tanzen. Der General bewegte sich nun leicht und mechanisch auf die Stadt zu. Unsichtbar und langsam folgten ihm seine Männer. Dragunov hörte ihre flüsternden Stimmen im Wind. „Hörst du? Das ist Ravels 'Bolero'...wenn er ihn summt wissen wir das es soweit ist!“ Sie fürchteten und bewunderten ihn, ihren General. Und er? Er sah in ihnen nur den verlängerten Arm seines Willens. Der Verlust eines menschlichen Objektes war ihm gleich, denn man konnte es immer wieder neu ersetzten. Der Tod, war sein Geschäft, weshalb er ihn nicht fürchtete. Er genoss sogar die Anwesenheit des Todes, dadurch fühlte er sich anderen Menschen überlegen. Überlegenheit ist Stärke. Der Schnee knackte unter seinen schweren Stiefeln. Mit den Fingern dirigierte er den Wind. Es wirkte als ob er ein unsichtbares Orchester leitete. Der Wind unterwarf sich ihm. Der weiße Engel des Todes kontrollierte mit seinem Willen, das hier und jetzt. Das Sein. Das Licht der Stadt erhellte sein kaltes und ausdrucksloses Gesicht. Trotz der Wärme die von den Lichtquellen ausging, schien Dragunov nicht davon erreicht zu werden. Es war als ob er die Wärme und Freundlichkeit der Stadt verschluckte. Die Kälte um ihn herum breitete sich langsam in seiner Umgebung aus. Die Menschen die noch auf der Straße unterwegs waren starrten ihn an. Sie hatten Angst. Er fühlte wie sie erschauderten beim Klang der gesummten Melodie. Man kannte ihn. Dragunov, flüsterten Stimmen im Wind. Man wusste was es hieß wenn er vor sich hin summend eine Stadt betrat. Dragunov, schrie es jetzt im Wind. Panik, süße Panik begann die Stadt zu durchfließen. Schreie und der Geruch von Angst lagen in der Luft. Der große General genoss die Emotionen der Stadt. Er summte die Melodie noch lauter. Der Wind und seine tanzenden Schneeflocken peitschten aufgregt aber dennoch scheinbar im Takt um Dragunov her. Es war als ob der Wind immer mehr Tänzer zu sich rief. Eine Hülle aus weißen und zarten Flocken umgab den General. Dragunovs Männer hatten die Stadt erreicht. Das Schreinen wurde lauter. Erste Schüsse fielen. Doch wurden die Geräusche vom Wind und seinem Heer aus weißen Tänzern geschluckt. Nur das Summen einer Melodie war klar und deutlich zu vernehmen. Der General erreichte ein Haus am Ende der Straße. Er schritt auf dessen Tür zu und trat sie mit Gewalt ein, dabei unterbrach er kaum merklich sein Summen. Ein Mann kam in den Flur gerannt und gestikulierte wie wild.Er brüllte Dragunov an er solle verschwinden. Mit einem kühlen Blick blieb der General stehen und griff sich mechanisch in die Manteltasche. Er hatte sein Ziel erreicht. Mit einem genüssliche Grinsen, zog er seine Waffe. Der Schuss und der Schrei des Mannes waren eins, doch konnten sie scheinbar Dragunovs Melodie nicht übertönen. Mit einem zufrieden Grinsen sah er aus dem Fenster des Hauses auf die brennende Stadt. Seine Melodie nährte sich dem Ende. Ein wimmerndes Geräusch ließ ihn herumfahren. Ein kleines Mädchen, dass ein Nachthemd trug und einen niedlichen Stoffteddy an sich drückte, stand neben der Leiche seines Opfers. Sie heulte. Flehend und ängstlich sah sie zu ihm auf. Mit den letzten Takten seiner Melodie erhob er erneut seine Waffe. Der Wind fegte ohne Takt über eine zerstörte und verbrannte Stadt. Kein Leben und keine Wärme lag nun mehr in diesem Stern im Nichts. Er war erloschen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)