Lumiél von Voidwalker (Königreich der Monde) ================================================================================ Kapitel 13: Schnipseljagd ------------------------- Schon seit Tagen sahen sie nichts anderes als Wüste. Sand, noch mehr Sand und ab und an mal einen verdorrt wirkenden kleinen Busch, der seit Jahren auf den kostbaren Moment der seltenen Regenbrüche wartete, um dann in voller Blütenpracht zu erstrahlen. Die Wüste schien indes tot zu sein, doch gerade einer aus jener Gruppe hatte lernen müssen, dass dem sehr zu seinem Verdruss nicht so war. „Ich halte das immer noch für eine wirklich, wirklich, wirklich schlechte Idee.“ merkte Alandor an und wischte sich zum wiederholten Male mit dem inzwischen völlig klammen Tuch über die verschwitzte Stirn. Hier im Süden erwies sich sein mehrlagiges, weites Gewand als deutlicher Nachteil. Andererseits erging es Vivica nicht besser – die junge Frau weigerte sich beharrlich, auch nur ein Stück ihrer Kleidung abzulegen, und das, obwohl ihr ein Tuch wohl schon nicht mehr geholfen hätte. „Das erwähnst du jetzt zum dritten Mal – heute. Sieben Mal gestern, und... wie oft davor?“ erkundigte sich Vivica ächzend. „Dreizehn Mal.“ warf Adamant fröhlich ein. Er war aus der gesamten Gruppe wohl so ziemlich der Einzige, der sich hierbei wohl fühlte. Anders als die Ortsunkundigen, wusste er durchaus dem zu folgen, was angeblich eine Händlerstraße sei. Natürlich hätten Diebe und Räuber sie gern belagert, aber welcher Narr war schon dumm genug, seine Überfälle mitten in der Wüste zu positionieren, wo es nicht einmal genug Nahrung und Wasser für das eigene Überleben gab? Mochte Jebis wissen, wie die Zentauren und Menschen hier überlebten! Blitze litt unter der stechenden Sonne nicht minder. Er hechelte, was seine lapprige, sabbernde Zunge her gab und dennoch wirkten seine Schritte vorsichtig – als würde er befürchten, jede Sekunde umzufallen. Selbst Suzuri, die als Phönix dem reinen Feuer entsprang, schien sich gequält zu fühlen. Allerdings, so vermutete der Magier, lag das wohl eher an der Aussicht, die sich ihnen bot. Weit im Süden ragten gewaltige Mauern vor ihnen auf. Sie hatten schon von Sundergrad gehört, bei den Göttern, wer hatte das nicht? Die massiven Mauern waren so dick wie ein Haus, in ihrem Inneren waren Waffenkammern, Wehrgänge, Schießscharten und sogar Ruheräume untergebracht. Sie würden jedem Ansturm Stand halten können und nicht zuletzt waren die Sundergrader Bogenschützen die besten Fernkämpfer ganz Lumiéls. Allerdings, wenn man den Gerüchten glauben konnte, würden dieser Tage keine der besagten, berühmten Schützen auf den Wehrgängen patrouillieren oder in den Ruhekammern ihr Nickerchen nehmen. Einige Händler und Reisende waren ihnen entgegen gekommen, hier und da hatte man um Proviant oder ein paar Kleinigkeiten gefeilscht – hauptsächlich Adamant, der sich nicht zu schade war, die Händler nach Strich und Faden auszunehmen und über den Tisch zu ziehen. Sie berichteten alle vom selben: Sundergrad sei 'gefallen'. Die Piraten hätten ihre jahrzehntelangen Streitigkeiten begraben, einen der Ihren gekrönt und sich gegen die Stadtwache erhoben. Marodierende Horden, die durch die Gassen zogen und Straßenkämpfe gegen die mit der neuen Situation völlig überforderte Stadtwache begonnen. Immer weiter musste diese sich zurückziehen, immer mehr Männer fielen. Angeblich unterstützten sogar die Gilden der Diebe und Assassinen das ganze Treiben mit Informationen und Waffen – das sah diesen Opportunisten ähnlich! Was genau Alandor zu erwarten hatte, war ihm nicht klar. War es wohl für niemanden hier, selbst Adamant nicht, der Sundergrad über alles liebte. Einst war die Stadt das größte Handelszentrum des Landes gewesen, tausende Gulden hatten dort täglich den Besitzer gewechselt – einige hundert davon nicht ganz freiwillig und mit Wissen des ehemaligen Eigentümers. Und nun? Obwohl die Händler mit Sorge und Furcht sprachen, von Kämpfen, von Blutströmen in den Rinnsalen der Straßen und roten Pfützen in den Gassen, sah man doch ein unterschwelliges Leuchten in ihren Augen. Die Stadtwache hatte den Händlern stets einen hohen Zoll, Steuern und Gebühren abverlangt. Es war mehr als offensichtlich, dass die Händlergilde darin nun eine Chance gekommen sah, sich ein wenig zu befreien und noch ein kleines Stück reicher zu werden. „Versucht bitte, euch halbwegs zivilisiert zu benehmen. Ich möchte nicht mehr Ärger provozieren, als nötig.“ merkte Alandor an, blickte dabei gezielt zu Badai und Adamant – die sich beide natürlich irgendwie auf merkwürdige Weise gar nicht angesprochen fühlten – und versuchte nebenbei das mulmige Gefühl zu ignorieren, das sich einstellte, sobald er zu den größer werdenden Mauern spähte. Als sie diese erreichten, zeichneten sich die Unterschiede schon deutlich ab. Keine muskulösen Figuren in standardisierten Rüstungen, die kerzengerade mit der Hellebarde in der Hand am Tor Wache hielten. Stattdessen eine kleine Traube schäbig wirkender, linkisch lächelnder Gauner mit Kopftüchern, fauligen Zahnstummeln und Krummsäbeln unter ihren bunten Gurten. Gar keine Frage: Piratenpack! Schon im Näherkommen erkannte Alandor, dass zumindest vorläufig keine Bedrohung zu schmälern war – die Piraten lachten, aus vollster Kehle. Anfangs vermutete der Magier, einer von ihnen hätte einen der berühmten, schmutzigen Piratenwitze gerissen, doch als sie noch näher kamen und deren Art einer 'Zollkontrolle' erreichten, bemerkte er, wie ihre Blicke immer wieder zu ihnen herüber wanderten. Der Bannwirker versuchte den Augenpaaren zu folgen und musste feststellen, dass offenbar Vivica Grund ihres Amüsements war. „Das wird unschön...“ merkte er resignierend und halblaut an. Suzuri wollte gerade fragen, was er damit meinte, als Adamant – offenbar ausnahmsweise mal genauso aufmerksam – sich bereits von seinem Kamel schwang und eifrig zu den Piraten herüber stakste. „Peter...!“ versuchte Vivica ihn noch aufzuhalten, doch da landete der auch schon den ersten Treffer und schickte einen der Halunken mit einem Kinnhaken zu Boden. Alandor hingegen stutzte – der ach so große Herr Adamant hieß... PETER? Ein hämisches Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab. Gut zu wissen... Adamant hingegen ging nach seiner altbewährten Regel vor: Wer kleiner oder schmächtiger als er selbst war – im Idealfall sogar beides – der konnte auch niedergerungen und für seine Frechheiten bestraft werden, jawoll! Dumm nur, dass er die Piraten offenkundig für dümmer hielt, als sie waren. Die drei am Eingang, mit denen er sich inzwischen eine stattliche Prügelei lieferte, waren nur der Köder für die letzten überlebenden Wächter, die vielleicht aus Sundergrad zu entkommen versuchten. Demgemäß war Alandor nicht im geringsten überrascht, als mehr und mehr aus den Gängen der Wehrmauer herbei strömten. „Hilf mir verdammt nochmal!“ maulte der mitten im Gefecht dem Bannwirker zu und verteilte weiter empfindliche Treffer, wie er sie auch einstecken musste. Alandor dagegen schüttelte nur resignierend den Kopf. „Glaubt der wirklich, dass ich ihm helfe?“ nuschelte er leise vor sich hin und ignorierte dabei geflissentlich die Blicke, die Vivica ihm zuteil werden ließ. Nein, er würde sich gewiss nicht einmischen. In Zadiora hatte Badai Streit angefangen und ihn selbst ausbügeln müssen. In Norwingen hatte Vivica Ärger verursacht und... nun gut, da hatte er sich eingemischt. Aber dafür gab es gute Gründe! Und hier würde... Peter... eben seinen Ärger selbst ausbaden. Als dieser schließlich von einer Reihe von üblen Treffern zu Boden geschickt wurde, die schon so schmerzhaft aussahen, dass Vivica das Gesicht verzog, begab sich Alandor von seinem Kamel herab und bedeutete Suzuri, einen Moment zu warten. „Da haste davon, Maulheld! Denkste wo, is deine Maua, oda was?“ blaffte einer der Piraten, während er sich die aufgeplatzte Lippe mit dem Handrücken abwischte. Adamant dagegen schien irgendwie nicht mehr fähig, einen seiner üblichen, schnippischen Kommentare zu erwidern – gut so, vermutlich hätte man ihn sonst noch totgeprügelt. Als der Bannwirker hingegen heran trat, richteten sich die Blicke der Piraten auf ihn. Sie waren warm gelaufen, sie waren angriffslustig – und sie warteten auf ein einziges, falsches Wort. Alandor hingegen rang sich ein freundliches Lächeln ab. Ein dutzend Piraten war eigentlich keine Herausforderung – ihnen gegenüber freundlich zu bleiben, obwohl Dummheit, mangelnde Hygiene und Dreck einem förmlich entgegen schrien, wenn man sie nur ansah... das war wiederum durchaus eine. „Ich wünsche den Herrn einen guten Tag und bitte zu bedenken, dass dieser Bursche nichts mit mir gemein hat. Er... reist lediglich die selbe Route.“ merkte Alandor zunächst an und blickte erneut kopfschüttelnd auf den ach so großen Herrn Adamant herab. Dann jedoch brachte er aus seinem Beutel eine Gulde zum Vorschein – und schon hatte er die Aufmerksamkeit der Halsabschneider ganz für sich. „Die sollteste uns gebe!“ forderte einer der Piraten, „Un alle annern och!“ setzte ein Zweiter nach. Alandor dagegen hätte lachen wollen – was dachte dieses Pack eigentlich, mit wem es hier sprach? Einem schnöseligen Adligen aus Samara, der seinen Hintern nichtmal gegen Ganovenpack zu verteidigen wusste? „Meine Herrn, als Magier der Zirkel bin ich keine leichte Beute und selbst, wenn dem so wäre, würden die Zirkel ganz Sundergrad niederbrennen, nur um zu zeigen, was für eine dumme Idee es ist, sich mit ihnen oder ihresgleichen anzulegen. Wenn ihr das Risiko einzugehen bereit seid, versucht es ruhig, doch ihr könnt diese Münze verdienen – mit nur wenigen Worten, geformt zu einer Antwort auf meine Frage.“ Einmal mehr wurde deutlich, dass Alandor zu den Menschen gehörte, die sich selbst gern reden hörten. Seine Stimme entwickelte sogar eine gewisse, melodiöse Führung und er gewann sichtlich an Selbstsicherheit, während er dort stand und gemächlich über die Folgen eines Angriffes referierte. Die Piraten dagegen wussten offenbar nicht so recht zu reagieren – solches Geschwafel hörten sie nicht aller Tage, eher sowas wie „Bitte lasst mich am Leben!“ oder dergleichen. Doch zumindest einer begriff, dass sie einfach nur antworten mussten, um die Münze zu bekommen. „Wat willst'n wiss'n?“ Bei Jebis, es war ihm so zuwider, mit solchem Pack auch nur zu reden...! „Eine Gruppe kam kürzlich hierher. Zwei Zwerge, zwei Elben, zwei Menschen, ein Tiefling. Wo sind sie hin?“ verlangte Alandor geradezu autoritär zu wissen. Ein paar der Männer schienen sich von seinem Tonfall offenkundig provoziert zu fühlen, weshalb der Magier die Münze über seine Fingerrücken tanzen ließ – Ablenkung war alles! „Ah die! Jo, sin' hier durch. Ham' nach so'nem Typ jefragt, wie hieß'er noch? Gillian? 'N Spitzohr!“ antwortete einer der Männer. Noch während Alandor sich umwandte, erschallte natürlich die Frage nach der Münze – die der Bannwirker souverän und als Teil seiner kleinen Theateraufführung über seine Schulter nach hinten schnippte. Erst als der Zirkelmagier wieder den Kamelrücken erklommen hatte, schienen die Piraten das Hauptproblem ihres Handels mit dem Fremden zu bemerken: Eine Münze für zwölf Mann? Fast augenblicklich begann die Schlägerei von Neuem. Alandor dagegen lenkte sein Tier durch den Torbogen des Wehrganges, sichtlich erfreut über die Dummheit anderer, darüber, endlich von diesem Pack weg zu kommen und obendrein keinen Wegezoll bezahlen zu müssen – der hätte nämlich für fünf Personen ungefähr eine Gulde gekostet... „Heda, Köter!“ richtete Alandor eine Etage tiefer. Trotz des tiefen, kehligen Knurrens hob Blitze dennoch den Kopf. Er schien inzwischen begriffen zu haben, dass der Magier mit diesem abfälligen Ton grundsätzlich nur ihn oder seinen Herrn bedachte – und Letzterer war gerade nicht da. „Geh und sorg dafür, dass dieser Idiot uns nicht noch mehr Zeit kostet!“ trug der Magier dem Hund auf. Tatsächlich jagte Blitze davon, um wenig später Adamant anzuschleifen – mit dem Kragen von dessen Weste in seinem sabbertriefenden Maul zog er den Körper des Bewusstlosen herbei. Für Alandor ein geradezu erhabener, wundervoll amüsanter Anblick. Zumindest bis zu dem Moment, an dem Vivica sich auf ebene Erde begab und ihre letzten Wasserreserven darauf verwendete, dieses ständig quakende Großmaul zu wecken. Schade eigentlich... „Du kostest mich Zeit. Schon wieder.“ merkte Alandor an, kaum dass Adamant wieder fähig schien, sich zu erheben. Natürlich jammerte der erstmal darüber, dass seine Weste ihm nun am Nacken klebe und ganz furchtbar nach Hundeschnauze müffeln würde – aber nach Meinung des Magiers war das für Adamants Bouquet eine Steigerung. Indes musste der Bannwirker zumindest nicht mehr betonen, was seine Worte zu bedeuten hatten. Adamant war geduldet, vorläufig, und das wiederum verdankte er einzig Vivica. Diese Vereinbarung würde aber aufgelöst werden, sollte dieser Idiot das Vorankommen weiter verzögern. Duncan durfte seinen Vorsprung nicht zu weit ausbauen! Natürlich begann, kaum dass Peter wieder klar denken konnte, sofort der nächste Streit. „Wir gehören dir doch nicht, verdammt!“ maulte der Straßenjunge herum und zweifellos wäre der Streit aus eskaliert, hätte es da nicht einen schlichtenden Zwischenfall gegeben. Die ganze Zeit schon hatte sich Vivica irgendwie nicht wohl gefühlt. Es war schrecklich, in den eigenen Statuten gefangen zu sein. Ihre Erziehung machte ihr deutlich, was angemessen und erträglich war und demgemäß auch, was es nicht war. Sie konnte einfach keine Kleidung ablegen. Es wäre ungebührlich gewesen, sich so zu entblößen! Nun allerdings begriff sie langsam, dass die Wüstensonne sie in die Knie zwingen würde. Während Adamant erwachte und der Streit entbrannte, versuchte sie mehrfach, auf sich aufmerksam zu machen, aber sie war einfach zu höflich und zu zurückhaltend, um sich mit der nötigen Dominanz bemerkbar zu machen. Das wiederum erreichte sie erst, als die Sonne sie tatsächlich bezwang – und Vivica schlichtweg umkippte. Sofort schwiegen die Männer betroffen und eilten herbei. Das letzte Wasser war für Adamant verbraucht worden, weshalb dieser seinerseits nicht zögerte, Wasser zu beschaffen. Auch Suzuri begab sich zu Vivica und betrachtete sie sorgenvoll. Die Fragen in ihrem Blick versuchte Alandor zu ignorieren – für den Moment gab es Wichtigeres. Eigentlich hatte er beabsichtigt, sie einiger Lagen ihrer Kleidung zu entledigen, aber irgendwie fand er keinen sinnvollen 'Anfang', und war nicht gewillt, einfach an ihrer Kleidung herum zu rupfen – was das schließlich für einen Eindruck erwecken würde! Dann jedoch kehrte Adamant zurück, mit einer Blechkelle voll Wasser, das er Jebis weiß wo her bekommen hatte. „Du willst ihr doch nicht ernsthaft diese Brühe ins Gesicht kippen?“ fuhr der Magier ihn an, doch noch während Adamant zurück blaffte, ob der Herr Zirkelmagier denn eine bessere Idee hätte, tat er genau das. So folgte auf einen Kreislaufschock gleich der Nächste und Vivica fuhr nach Luft schnappend auf. „Hey Schwesterchen!“ begrüßte Adamant sie breit lächelnd mit diesem für ihn typischen Gossencharme, „Tief einatmen! Riechst du Sundergrad? Wir haben es geschafft!“ versuchte er einer etwas verwirrt drein schauenden Nordfrau eine Orientierungshilfe zu geben. Alandor indes versuchte genau das zu vermeiden – tief einatmen. Denn bei allem Verständnis für das Gefühl von Heimat und Verbundenheit, jeder Atemzug war ihm die reinste Qual. Die Stadt platzte aus allen Nähten und man roch so viele Schweißnoten, wie es hier Salz-, Gewürz- und Dreckgerüche gab. Vom unerträglichen Gestank diverser Felle und Tiere ganz zu schweigen... nein, tief einatmen würde er hier ganz sicher nicht! Andererseits... Peter passte hierher. Ja, wirklich – als hätte das Mosaik sein letztes Stück zurück bekommen. „Adamant, auf ein Wort.“ bat der Magier und ignorierte den sichtlich enervierten Blick des linkischen Hundes völlig. Ohne dessen Leistung bei der Rettung Vivicas nur im Geringsten zu erwähnen oder zu berücksichtigen, fuhr der Magier schlicht fort und kam auf die essenziellen Punkte zu sprechen. „Wenn sie in diesem Aufzug bleibt, wird sie uns alle zwei Straßen umkippen.“ merkte der Magier an. Blicke beider Männer fielen zurück auf Vivica, die sichtlich neugierig von Suzuris Fragensturm davon abgehalten wurde, sich zu ihnen zu begeben und ihre Unterhaltung zu verfolgen. Adamant hingegen musterte nunmehr den Bannwirker selbst, ehe er sichtlich einverstanden nickte. Fast augenblicklich machte sich ein breites Grinsen auf seinem Gesicht breit, das Alandor nur vermuten ließ, dass das – wie könnte es auch jemals anders sein – nur erneut zu Schwierigkeiten führen würde. Gemeinsam schritten sie durch die Gassen und Straßen der Stadt auf der Suche nach einem Laden, der ihren Wünschen und Bedürfnissen entsprach. Eben dies fanden sie letztlich in einer kleinen Winkelgasse: Eine Handlung für Stoffe und Kleider aller Art. Gegen einen geradezu horrenten Aufpreis könne man auch Maßanfertigungen schneidern lassen, wie der Inhaber ihnen stolz versicherte. Alandors Blick auf den wuchtigen Bauch und die Finger, die fast so stark waren wie seine eigenen Handgelenke, ließen ihn jedoch daran zweifeln, dass er diese Kleider dann selbst fertigen würde. Ohnehin waren sie nicht hier, um ein paar Tage zu bleiben und sich die Schönheiten der Stadt anzusehen. Sehr zu Vivicas Verdruss. Suzuri indes hielt sich stets dicht bei Alandor. Anders als der Magier, der lediglich die Diebe seines Buches wegen und den Dreck seiner Kleidung wegen fürchtete und deshalb Sundergrad als Ganzes ablehnte, hatte das Phönixkind natürlich panische Angst vor dem ständigen, allgegenwärtigen Gedränge und Geschiebe, welches das Straßenbild Sundergrads dominierte. Während Alandor und Suzuri auf einem Stuhlpaar Platz nahmen, eilte Peter beständig im Laden herum und schleppte Vivica ständig neue Kleider an, die sie in einer kleinen Ecke, durch einen schweren Vorhang getrennt, anprobierte. Die meisten gab sie kommentarlos zurück, ohne sich auch nur darin sehen zu lassen. Nach dem dreißigsten Stück und der ersten Spur, das sogar Adamants Geduld mit Vivica nicht unendlich war, fragte die junge Frau schließlich, ob es nicht auch Kleider gäbe, die weniger freizügig wären. Peter hingegen lachte herzlich auf und verbrachte die nächsten Minuten damit, ihr zu erklären, das eben jene Freizügigkeit der Sinn der Sache sei – man würde weniger überhitzen, je weniger Stoff man am Leib trage, zumal das natürlich auch weniger wiegen würde, dann wäre da noch der rein optische Effekt und überhaupt...! Er beschwatzte die junge Frau so lange, bis sie sich für eines der von ihr abgelehnten Kleider zu entscheiden gewillt war. Alandor verfolgte diese Szenerie voller Amüsement. Einerseits hätte er Adamant nicht zugetraut, halbwegs vernünftig argumentieren zu können, andererseits unterhielt ihn schon Vivicas bloßer Widerspruch. Die Frage, ob sie lieber sterben oder sich nackt vor eine Menge stellen würde, schien dabei für den Magier besonders amüsant – vermutlich würde auf diese Frage hin eine sehr lange Bedenkzeit folgen und bei Jebis, er hätte nicht sagen können, was letztlich Vivicas Antwort gewesen wäre. Als die Rothaarige sich schließlich entschied, ihre Tracht zu offenbaren, zog sie den Vorhang zurück. Bei diesem Anblick musste selbst Alandor einen Moment schwer schlucken. Vivica war allzeit in seinen Augen ein schönes Weib gewesen, aber nun schmiegten sich Seidenstoffe an ihre Haut, die ihre Blässe in einem Kontrast hervorhoben, ihre kupferrote Mähne geradezu leuchten ließen und zudem weit mehr Haut zeigten, als man es von der jungen Frau bis dato zu sehen gewohnt war. Adamant erging es natürlich nicht anders, jedoch mit einem nicht unerheblichen Unterschied. „Wow!“ gab der Sundergrader Straßenköter seinen völlig unqualifizierten Kommentar von sich. Vivica errötete in einem Maß, dass man hätte meinen müssen, ihr würde gleich das Blut durch die Poren treten. Der Mager hingegen tat, was sich geziemte – er schwieg still und genoss den Anblick ohne derartig vulgäre Bemerkungen. Adamant hingegen konnte natürlich, wie überraschend, den Schnabel nicht halten und erging sich in einer gleichermaßen profanen wie ermüdenden Aneinanderkettung von Lobpreisungen, billigen Komplimenten und dergleichen Firlefanz, der zu Alandors Verdruss jedoch einmal mehr Vivicas Aufmerksamkeit und Wohlgefallen fand. War es nicht bedauerlich, wie leicht schöne Frauen sich von schmierigen Burschen umwerben ließen? „Das ist... einfach nur... wow...! Ich nenn' dich nie wieder Schwesterchen!“ versprach Adamant feist grinsend, „Das ist...“ setzte er erneut an, doch diesmal erhob sich Alandor aus seinem Stuhl und trat ebenfalls herbei. „... eine ausgezeichnete Wahl. Das Kleid steht euch gut und vermag die Exotik deiner Herkunft noch zu unterstreichen.“ beendete der Magier und warf einen geradezu spöttischen Blick zu Peter. Der hingegen streckte ihm, natürlich von Vivica ungesehen, die Zunge heraus und drohte ihm gar mit der Faust. Einen Augenblick schien der Bursche sich tatsächlich zu überlegen, ob er ihm nicht eine Abreibung verpassen sollte, doch inzwischen gab es in seinem Gedächtnis genug Erinnerungen diesbezüglich, die ihn daran erinnerten, was für eine dumme Idee das wäre. „Peter...?“ fragte Vivica nach einer scheinbaren Unendlichkeit, als sie ihre Stimme wieder fand. „Ja?“ „Könntest du mal... also... da ist am Rücken so eine Schleife...“ brachte die Rothaarige unter sichtlicher Mühe hervor. Ihr war die Situation offenkundig mehr als peinlich und erst in diesem Moment bemerkte Alandor, dass ihr Rücken tatsächlich mehr als luftig gehalten war. Offenkundig waren zwei Bänder dazu gedacht, zumindest einen Teil dessen mittels des an sie geknüpften Stoffes abzudecken, doch sie hatte sich eben schlecht selbst den Rücken binden können. Warum sie allerdings nicht Suzuri bat... ein Umstand, der Alandors Frustration nur weiter steigerte. Peter natürlich grinste wie ein Honigkuchenpferd, trat näher an sie heran und bewies Alandor einmal mehr, wie peinlich direkt dieser Junge war. Er hätte sich einen schönen Anblick bescheren können, hätte er die junge Frau umrundet und ihr die Bänder verknotet. Aber nein, er griff gleich nach den Sternen, trat so nah, dass sie zweifellos jeden Dreckkrumen in seinem Gesicht zählen konnte und legte die Arme um ihre Taille, als würde er blindlings alles bewerkstelligen können. Tatsächlich – sehr zu Alandors Missfallen – gelang ihm sogar, die Bände geschickt zu verknoten. Doch statt dann von der Rothaarigen abzulassen, hielt er sich in ihrer Nähe. Mit jeder Sekunde, die verging, spürte man die Ladung stärker, die sich im Raum aufzubauen schien. Ein Prickeln, das einem durch die Haut jagte, wenn man die Beiden so betrachtete. Alandor hingegen schob das auf diese Echse, die es gestern am Lagerfeuer gab und die möglicherweise nicht ganz ungiftig war... Dann musste der große Adamant es natürlich übertreiben. Statt einen Moment solcher Intimität zu bewahren, ging er den nächsten Schritt, neigte das Haupt und stahl sich einen Kuss von Vivicas Lippen. Alandor vermochte nicht zu sehen, wo Peters Hände waren – oder wohin sie sich bewegten -, er war zu überrascht, erschrocken, ja geradezu empört über die sich ihm bietende Szene... zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem Vivica Peter plötzlich mit Nachdruck von sich schob, voll ausholte und ihm eine Ohrfeige verpasste, die man sicherlich durch die geschlossene Tür auf der Straße noch hatte hören können...! Das wiederum ließ den Magier nun seinerseits breit und schadenfroh grinsen, während er dem Händler, der mit sichtlichem Gefallen das Treiben verfolgt hatte, das Kleid bezahlte. Als sie den Laden verließen, wurden sie sehr zum Missfallen Alandors bereits erwartet. Es geschah... schnell. Um genau zu sein, viel zu schnell. Badai war der Erste, der über die Türschwelle trat und 'verschwand'. Man zerrte ihn zur Seite und schlug ihn mit einem gezielten Knüppelhieb bewusstlos. Als Adamant hinaus trat, entging er geschickt dem ersten Schlag und konnte genug Alarm schlagen, um Alandor vorzuwarnen. Der Magier jedoch schaltete nicht schnell genug und wandte sich in bitterer Erkenntnis dem Stoffhändler zu, der lediglich feist grinsend zum Abschied winkte. Dann spürte der Bannwirker nur noch einen dumpfen Schmerzblitz im Hinterkopf. Er hörte Adamant kreischen und fluchen, hörte die Schreie der Frauen, ehe es dunkel wurde. Den Aufprall am Boden spürte er noch, das war es dann auch. … Das Erste, was er wieder wahr nahm, war ein widerwärtiger Gestank, der so vermutlich sogar die Dämonen der Niederhöllen bezwungen hätte! „Runter von mir, oder ich schleudere dich ins Meer...!“ raunte der Magier und versuchte seine Kopfschmerzen zu ignorieren. Blitze kläffte zufrieden und trottete zu Adamant zurück, der bereits sichtlich länger bei Bewusstsein versuchte, irgendetwas mit Badai zu besprechen. Als Alandor sich erhob, übernahm er – zumindest seiner Ansicht nach – automatisch wieder die Führung. „Wir müssen den Spuren folgen. Am besten quetschen wir diesen Händler aus.“ schlug er vor, unwissend, dass die Beiden längst so schlau gewesen waren. Nur, dass von dem Händler inzwischen jede Spur fehlte – wie unerwartet. Vermutlich waren sie auch deshalb direkt in der Gasse vor dem Laden erwacht. Wie Alandor es bereits vermutet hatte, fehlte von Vivica und Suzuri jede Spur. Verdammte Piraten! Die waren sich nicht mal für Sklavenhandel zu schade... „Ich weiß, wo der Markt ist!“ warf Adamant schließlich ein. Badai hingegen brachte seine Bedenken hervor, dass sie dadurch erneut Zeit verlieren würden, doch ausnahmsweise musste der Zirkelmagier mit diesem Gossenköter konform gehen. Er ließ sich von Peter führen, durch mehrere Straßen und Gassen, bis sich die verwinkelten, verschachtelten Häuserfronten direkt vor ihnen zu einem breiten Platz öffneten. Es schien, als hätten die Sklavenhändler keine Zeit zu verlieren – man war von der Jagd und dem Einfangen offenbar recht zügig zum Verkauf übergegangen. Adamant, Badai und Alandor drängten sich in die große, gaffende Masse, während die ersten 'Stücke' des Tages vorgeführt wurden. Aus der Masse heraus johlte hier und da mal jemand, während die Meisten anderen sich darauf beschränkten, Gebote abzugeben. Oben auf der hölzernen Tribüne stand nicht nur eine dralle Brünette und ein Muskelberg, der Fluchtambitionen eindämmte, sondern auch der Auktionator, der mit Federkiel, Tintenfass und Pergament die Gebote festhielt. Sobald ein Zuschlag erteilt wurde, begab sich der Käufer auf die Tribüne, entlohnte den Schreiber und nahm seinen neusten Besitz mit. Zu Alandors Schrecken musste er erkennen, dass hier keineswegs Monster und Dämonen standen. Händler, Adlige, Reisende, Piraten sicherlich auch – doch ein Sklave war teuer und ein solcher Markt lockte daher nur ein bestimmtes Klientel an. „Sag mal, woher weißt du eigentlich, dass der Markt hier ist?“ verlangte Alandor zu wissen, doch Peter blockte mit Stillschweigen ab und drängelte sich weiter zur Tribüne vor. Sie hatten bereits bemerkt, dass es in dieser Menge mehr Waffen als Käufer gab und obendrein sicherlich noch an den Zugängen Wachen standen. Selbst Adamant war, seinem Blick nach zu urteilen, klar, dass hier nichts mit Gewalt gewonnen werden konnte. Direkt vor der Tribüne angekommen, wurde ein breit gebauter Mann mit fast schwarzer Hautfarbe an eine... Frau? So ganz eindeutig war nicht, wer oder was ihn da eigentlich kaufte, und genau das schien dem Sklaven auch sichtlich zu schaffen zu machen. Dennoch gab es keinen Widerstand. Wohin hätte er auch fliehen sollen? Die Blutflecken am Boden zeugten davon, was mit Sklaven geschah, die sich weigerten. Alandor war bei Leibe nicht wohl bei alledem. Wo waren Suzuri und Vivica? Hatte man sie bereits verkauft? Er versuchte herauszufinden, woher man die Sklaven holte, doch durch die dichte Menge konnte er nichts erspähen. Sein Plan indes reifte immer weiter. Ursprünglich hatte er vor gehabt, seinen Bann für Körpertaubheit einzusetzen, um die Menge auf dem gesamten Platz zu betäuben. Aber das hätte ihnen nur wenige Sekunden gebracht, bei weitem nicht genug Zeit, und obendrein wären sie möglicherweise auch mit betäubt worden. Der alternative Plan hatte nicht weniger Schwachstellen, wirkte jedoch auf Alandor dennoch irgendwie erfolgversprechender: Sie würden Vivica und Suzuri 'kaufen', um jeden Preis, dann zu ihnen auf die Tribüne gehen, um ihr Gut entgegen zu nehmen. Dann mussten sie nur den Schreiber und diesen Muskelberg ausschalten und die zwei Treppen sichern. Mit seiner, Vivicas und Suzuris Magie, Adamants großem Mundwerk und Badais Klinge wären sie dann vielleicht eindrucksvoll genug, um den Platz unbelästigt verlassen zu dürfen. Adamant war von diesem 'Plan' nicht wirklich begeistert, sah allerdings zumindest auch keine brauchbarere Alternative dazu, weshalb er letztlich zustimmte. Dann war auch schon der Moment gekommen, in dem der Schreiber lauthals plärrend die nächsten 'Objekte' ankündigte. Es war schrecklich, zu sehen, wie die zwei Frauen vorgeführt wurden. Suzuri zitterte wie Espenlaub, wich geradezu panisch vor der Berührung durch den Muskelberg, der sie in Position hatte schieben wollen, zurück und schien recht nahe am Gedanken der todbringenden Flucht zu sein. Vivica hingegen wirkte überraschend gefasst, bedachte man sich ihre Lage – allerdings ging ihr Blick immer wieder zu Suzuri. Sie schien auf sie einzureden, aber gegen das Gejohle und die Gebote konnte man nicht verstehen, was. Wie Vieh wurden sie angepriesen. Ihr Alter, ihre Schönheit, keine Narben, keine Knochenbrüche, gute Gesundheit... Alandor konnte die Rede kaum ertragen, so sehr ballte sich Wut, Verachtung und Verzweiflung in seinem Inneren zu einem Knoten zusammen, der sich in körperlichem Schmerz Ausdruck verlieh. Er wollte diesen Mann zerreißen... er wollte zwei Barrieren nehmen und ihn dazwischen zerquetschen... möglich wäre es allemal gewesen! Doch die langjährige Übung und Erfahrung half Alandor, sich zu zügeln und zu beherrschen. Stattdessen gaben sie das erste Gebot ab – zwanzig Gulden. Der Schreiber belächelte sie, da kam schon das Nächste – einhundert Gulden. Da musste der Magier doch schlucken. Gut, zwanzig Gulden hätten sie auch sowieso nicht aufbringen können, aber erst jetzt wurde ihm richtig bewusst, in welchen Dimensionen hier gehandelt wurde. Das nächste Gebot waren einhundertfünfzig Gulden, zweihundertfünfzig, vierhundert. „Eintausend Gulden!“ hörte Alandor sich selbst rufen und schluckte schwer. Bei Jebis, er würde es wirklich tun... umzingelt von Piraten und Händlern und die Götter allein mochten wissen, was noch alles... „Fünftausend Gulden!“ rief jemand aus den hinteren Reihen. Alandor klappte fast der Kiefer auf – Adamant besaß weniger Beherrschung, ihm entfuhr ein leises „Bei Lenikki!“. Doch beide wandten sich um, zu überrascht, zu überfordert, um noch ein weiteres Gebot abzugeben. Sie wollten wissen, wer bereit war, zweitausendfünfhundert Gulden für eine der Frauen zu bezahlen. Natürlich hätte man es sich vorher denken können: Einer der Piraten schälte sich aus der Masse, groß, breit gebaut und von beeindruckender Statur. Er trat auf die Tribüne und entrichtete mit einem Säckchen Diamanten seinen Preis, ehe er an den Muskelberg heran trat. Dieser übergab ihm zwei eiserne Ketten, die im Verlauf ihrer Glieder zu den Metallkragen führten, die nunmehr um Vivicas und Suzuris Hälse lagen. Mit einem ruppigen Zug zottelte der Pirat die zwei Frauen hinter sich her und führte sie von der Treppe herab. Einer der anderen Piraten aus der Menge war jedoch dumm genug und konnte seine Finger nicht bei sich lassen. Suzuri schrie halb panisch auf und wich sofort zu Vivica zurück, während der Käufer jedoch inne hielt. Er wandte sich um, schritt auf die Frauen zu und musterte sie grimmig. „Wer?“ verlangte er zu wissen. Doch während Suzuri, festen Glaubens, ihr neuer Besitzer würde sie für ihren Schrei bestrafen wollen, sich dazu ausschwieg, deutete Vivica auf den Burschen, der das Phönixkind betatscht hatte. Harsche, schwere Schritte, ein kurzes Gestammel einer halbgaren Entschuldigung und ein Schlag, dass man hören konnte, dass diese Nase nicht nur einen Bruch erlitten hatte, waren die direkte Folge dessen. Angesichts solcher kompromisslosen Brutalität schluckte Alandor erneut. Als Bannmagier wusste er, wie man sich solche Berge vom Leib hielt, doch hier galt es nicht nur, ihn zu bezwingen, sondern sich aus einer feindlichen Menge frei zu wühlen! „Wir müssen jetzt zuschlagen!“ merkte Badai ungeduldig an. Der Bannwirker nickte nur zögerlich und begann, sich in Richtung der kleinen Meute durchzudrängeln, dicht von Adamant und Badai gefolgt. Zur Überraschung des Magiers jedoch, steuerte der Pirat direkt auf die Seitengasse aus, über die sie den Markt überhaupt erst erreicht hatten – und niemand folgte ihm. Das brachte Alandor wiederum auf einen neuen Plan... C, sozusagen. Sie würden zulassen, dass er den Markt verließ und ihn in der Gasse angreifen. Mit etwas Glück würde niemand diesen Kampf bemerken und sie konnten mit den 'Sklavinnen' entkommen. Immer wieder verloren sie den Käufer trotz seiner stattlichen Größe im Gedränge aus den Augen, weshalb Alandor sich bemühte, rasch aufzuholen. Und dann... endete plötzlich die Masse. Sie stolperten direkt aus der dichten Traube aus Schnaps-, Schweiß- und Meergeruch hinaus... und starrten in sieben Pistolenläufe. „Oh...“ merkte da sogar der Magier wortkarg an. Er hob die Hände, in dem Versuch, die Freibeuter zu beruhigen, die ihm nun gegenüber standen. Unter ihnen war auch der Bulle, der Suzuri und Vivica gekauft hatte. Noch immer hielt er mit der Rechten die Eisenketten, die ihre Gefangenschaft verdeutlichten. Zur Überraschung aller jedoch, schälte sich hinter seinem Rücken eine andere Gestalt hervor. Eine zierlich wirkende Elbe mit feuerrotem Haar und der ihrem Volk zueigenen, schmächtigen Gestalt. Einzig ihr Blick zeugte von der Härte, die das Piratenleben forderte. „Hm. Das kommt... unerwartet.“ merkte die Fremde sichtlich amüsiert an und betrachtete Badai, Adamant und Alandor eindringlich und ohne jede Hast. „Lasst sie gehen! Sie gehören euch nicht!“ fuhr Peter die Fremde herrisch an. Seine Ungeduld, so bedauerte der Magier insgeheim, würde sie noch Kopf und Kragen kosten! Ihr Gegenüber hingegen schien sich daran nicht wirklich zu stören, lächelte er belustigt und setzte dann zu einer einfachen und recht anschaulichen Erklärung an. „Du siehst aus, als kennst du diese Stadt. Dann solltest du wissen, dass mir ihre Brüste gehören, dass mir ihre Lippen gehören, dass mir ihr Unterleib gehört, und wenn ich das will, dann gehört mir jeder Arsch in ganz Sundergrad!“ säuselte die Elbe und bleckte amüsiert über Adamants kläglichen Versuch die Zähne, „Machen wir es kurz und einfach: Ich frage, ihr antwortet. Einverstanden?“ Peter schien natürlich nicht gewillt, sich so einfach abspeisen zu lassen. Die Pistolenläufe schienen ihn da wenig zu interessieren, offenbar ging es ums Prinzip – eine Frau, eine Elbe, eine kleinere und schmächtigere Person als er es war, verwies ihn hier ohne größere Probleme auf seinen Platz. Doch noch bevor dieser vorlaute Bursche ihre Situation verschlechtern konnte, bejahte Alandor die Frage. „Ausgezeichnet. Gehören die Beiden zu euch?“ „Ja.“ „Und ihr wolltet meinen ersten Maat angreifen, um sie zurück zu bekommen?“ „Ja.“ „Seid ihr ein Magier?“ „Ja.“ Alandor war sich nicht ganz sicher, wohin das alles führen sollte – aber noch lebten sie. Diese Elbe musste also etwas mit ihnen vor haben, oder nicht? Warum sonst ließ sie ihre Männer nicht einfach den Abzug drücken? Das gab ihnen zumindest einen Hoffnungsschimmer, eine Chance. Insgeheim bereitete Alandor jedoch auch schon Plan B vor... eine Bannmauer, mit der er sich und seine Begleiter im Notfall gegen die Kugeln würde schützen können. Dann würde er sie fallen lassen und- Die Klinge an seinem Hals ließ ihn erstarren und die Augen aufreißen. Einen kurzen Moment nur war er in Gedanken und Plänen versunken. Offenbar hatte die Elbe die Zeit genutzt, rasch heran zu preschen. „Lass das!“ „Was?“ „Du bereitest einen Zauber vor. Ich bin nicht blöd – lass das!“ fuhr die Elbe ihn an. Alandor war danach, zu seufzen, doch er fürchtete zu sehr, sich den Hals dann an ihrer Klinge aufzuschneiden – sie fühlte sich recht scharf an. Entsprechend ließ er seine Bemühungen vorläufig fallen, ebenso, wie die Elbe das Messer senkte. „Brav so. Interessiert an einem Geschäft? Ich biete euch die Freiheit eurer zwei Begleiterinnen an. Im Gegenzug... werdet ihr für mich eine Kleinigkeit erledigen.“ Da war der Punkt also gekommen – es ging ums Geschäft. Wie hätte es auch anders sein können! Peter wollte sich bereits wieder hervor tun, um die Führung zu übernehmen. Im Feilschen, das gestand Alandor ihm zu, war er unschlagbar. Aber diese Verhandlungen würden nicht so ablaufen, wie er es sich erhoffte. Die Elbe schien Peter mit einem Blick zu durchschauen – und wollte die Verhandlung nur mit dem Magier führen. „Was soll getan werden?“ erkundigte sich der Bannwirker zunächst vorsorglich. Immerhin musste ihre Leistung ja irgendetwas um die fünftausend Gulden wert sein. Woher hätte Alandor auch wissen können, dass sie mit Shandra vom Rotflaggenclan verhandelten, mit der Piratenkönigin von Sundergrad... woher hätte er wissen sollen, dass die Piratenclans die Verkäufe führten und Shandra damit praktisch 'sich selbst' etwas abgekauft hätte, also letztlich nichts würde bezahlen müssen? Eben dieser Umstand ließ die Elbe so breit lächeln. Sie würde die Leistungen hier völlig umsonst bekommen, so wie es sich ihrer Meinung nach ohnehin gehörte. „Es ist jemand in der Stadt. Niemand weiß, wie er aussieht oder was genau er ist. Er rennt ständig in einer schwarzen Kutte herum – bei diesen Temperaturen recht auffällig. Seit Tagen traktiert er meine Männer. Er versenkte ein Schiff, er meuchelte mehrere Leute in einer Taverne dahin, er hat ein paar Sklaven befreit. Bis jetzt nichts, was mir schmerzlich ins Fleisch schneiden würde, aber... er ist lästig. Und er wildert in meinem Revier, in meiner verdammten Stadt! Er beherrscht Magie, stark genug, dass ich mit ihm nicht fertig werde. Zumal er schwierig aufzuspüren ist. Er scheint irgendeinen Plan zu verfolgen, aber ich weiß nicht, welchen. Ist mir auch egal – ich will ihn einfach tot sehen!“ So lag das also! Je mehr Alandor hörte, umso mehr entspannte sich sein bis dato verkrampftes Gemüt. Die Pistolenläufe? Die erschreckten ihn nicht mehr. Weshalb auch – diese Elbe konnte es sich gar nicht leisten, sie abzuschießen. Sie war auf sie angewiesen...! Allerdings berunruhigte ihn dafür der Gedanke, wofür er hier eingespannt werden sollte. Eine Jagd quer durch Sundergrad nach einem... Magier? Nein, wohl eher nicht. Das Vorgehen klang nicht nach einem Anhänger der Zirkel. Ein Abtrünniger vielleicht? Oder ein Hexer. Da war ein Detail... das ihn irritierte. Es erinnerte ihn an etwas, aber noch vermochte er nicht zu sagen, was ihn an dieser Geschichte so verstörte. Stattdessen lehnte er sich weit aus dem Fenster und versuchte zu prüfen, wie nötig diese Elbe ihre Hilfe wirklich hatte. „Das ist nicht genug.“ „Bitte?“ „Unsere Begleiterinnen überlasst ihr uns sofort. Sie sind im Kampf sowieso unverzichtbar. Darüber hinaus verlangen wir ein Schiff und einen Steuermann, der sich in den nördlichen Gewässern auskennt. Und Seekarten.“ Alandors harscher Vorstoß schien die Elbe einen Moment aus der Fassung zu bringen, ehe sich ein breites, zufriedenes Grinsen auf ihre dünnen Lippen legte. Jetzt, bei Lenikki, sprachen sie endlich die selbe Sprache! Sie ließ sich seinen 'Vorschlag' durch den Kopf gehen. Ein Schiff war eine große Investition und wenn sie es übergab, würde sie es vermutlich nie wieder sehen. Seekarten dagegen waren leicht zu beschaffen. Aber einen Steuermann? Keiner von ihren Leuten wäre dümmlich genug, diese merkwürdige Bande zu begleiten! Ein kurzes Hin und her zwischen beiden entspann sich und letztlich verblieben sie so, wie Alandor es erwartet hatte – Schiff und Karten bekämen sie, Suzuri und Vivica wurden die Halseisen abgenommen, doch einen Steuermann mussten sie selbst auftreiben. Per Handschlag besiegelten Alandor und Shandra das Geschäft – unter mulmigen Blicken, sowohl der Piraten als auch seiner eigenen Gefährten. Zumindest für den Moment war Alandor fest überzeugt, dass Jebis ihm ein Geschenk hatte zuteil werden lassen. Die Frauen waren wieder, wo sie hingehörten: Frei und an seiner Seite. Noch dazu würden sie kein Vermögen für einen wahnsinnigen Kapitän und seine Crew ausgeben und das Risiko eingehen müssen, in nördlichen Gewässern einfach über Bord geworden zu werden, denn nun hatten sie ihr eigenes Schiff! Nur der Steuermann war noch ein Problem, aber... man konnte den Göttern ja schließlich nicht abverlangen, dass sie sich um jedes Detail kümmern würden. Shandra nannte dem Tross einige Orte, an denen der Unbekannte bereits zugeschlagen hatte und so machte sich der Bannwirker in Begleitung auf, sich diese Szenerien näher anzusehen. Die erste Station war eine Gasse. Sie war bereits 'aufgeräumt' worden. Nur das Blut zeugte noch von dem Gemetzel, das hier stattgefunden haben musste. Warum sollte jemand, der über solche Mächte gebot, sich damit herum plagen, einzelne Sklaven zu befreien? Die Elbe hatte sich geweigert, ihnen zu sagen, um wen es sich bei diesen Sklaven handelte – und nicht zuletzt deshalb vermutete Alandor, dass genau dies die Antwort geboten hätte. So jedoch war dieser Schauplatz wertlos. Der zweite Ort des Geschehens war einer der Hafenstegs. Jenseits des flachen Wassers ragte ein Nest an einem Mast aus dem Wasser, unterhalb der Oberfläche zeichnete sich sogar noch ein gespanntes Segel ab – das versenkte Schiff offenkundig. Es war noch am Pier liegend gesunken. Für Vivica und Suzuri deutlich unerträglicher war da der Anblick am Pier selbst. Ein Berg von Körpern, die aufgeschichtet wurden. Aus einer nahe am Steg gelegenen Taverne schleppten Piraten mit ernsten, grimmigen Gesichtern immer mehr Tote aus dem Haus und drapierten sie auf dem Berg. Letztlich würde man sie entweder auf See bestatten, damit sie in Eumenes' Reich eingehen konnten, oder man würde den Haufen einfach mit etwas Schwung in das Hafenwasser entsorgen. Wobei das zwar einfacher, aber ziemlich dumm wäre. Alandor scherte sich jedoch nicht um die mögliche Seuchengefahr – ihn interessierten die Wunden der Toten. Nicht zuletzt deshalb... weil es keine gab. Dutzende Leichen, ihre Grimassen in Schrecken und nackter Panik erstarrt, aber keiner von ihnen zeigte auch nur ein Zeichen eines Kampfes. Sicherlich, Narben gab es viele – die Meisten jedoch alt und verheilt. Der Bannwirker überwand sich sogar weit genug, einen der Toten am Hals zu berühren – und das erst ließ ihn die Geschichte der Elbe ernst nehmen. Es waren die flüchtigen, sich rasch auflösenden Abdrücke magischer Energien, die sich an den Körpern fanden. Sie waren auf gewaltsame Weise durch Magie getötet worden und der Masse an Opfern nach, ging das sehr schnell. Niemand war aus dem Gasthaus entkommen. Alandor trat von dem Berg zurück zu seinen Gefährten und war heilfroh, dass die salzige Seeluft sogar den Leichengestank übertünchte. Gemeinsam begaben sie sich trotz Vivicas und Suzuris Widerwillen in die Spelunke. „Seht euch um, seid gründlich, aber vorsichtig!“ mahnte der Magier und versuchte, irgendeine verwertbare Spur zu finden. Badai und Adamant, beide ergriffen von der mehr als gedrückten Grabesstimmung, begaben sich nach oben, während Suzuri und Vivica die Räumlichkeiten der Wirtsfamilie durchsuchten. Alandor verblieb im Hauptraum der Schenke und sah sich die Anordnung von Stühlen und Tischen an. „Heda, könntet ihr mir vielleicht helfen?“ sprach der Bannwirker nach einigen Minuten der Ratlosigkeit einen der Piraten an, die die Leichen hinaus trugen. Unwillig ließ der von seiner Arbeit ab und gesellte sich abseits zu Alandor. „Was gibt’s?“ „Was wisst ihr über den Angriff hier?“ „Muss schnell gegangen sein. Alle Lampen im Haus war'n gelöscht als wir kamen un' die Leute lagen tot verstreut 'rum, hingen über dem Geländer, über dem Tresen, lagen unter'n Tischen. Oben in einem der Zimmer wurd'ne echt üble Sauerei angerichtet! Blut und Gedärme überall. Wie in'er Gasse drüben beim Markt, wo dieser Hurenbock die ganzen Leute abjeschlachtet hat.“ „Ihr meint... die befreiten Sklaven?“ „Befreit? Pah!“ mit dieser abfälligen Antwort spuckte der Freibeuter sehr zu Alandors Ekel auf den Dielenboden und schüttelte den Kopf, „Alles Blödsinn! Man hat s'e nur nich' jefunden, das is' alles. Sind tot, jede Wette druff. Gillians Truppe hätte versucht, die Stadt zu verlassen, aber weder am Hafen noch am Tor ham' wir sie jeseh'n. Ich sag euch: Die sin' tot!... Noch wees'et keiner, aber wenn 'de mich fragst, da oben hat's seinen ersten Maat zerlegt!“ Letztlich, so ungern Alandor es auch zugab, verdankten sie den relevanten Durchbruch diesem Halunken. Damit hatten sie erstmals eine feste Spur: Wer oder was auch immer dieser Kuttenträger war, er jagte die Crew dieses 'Gillian'. In Folge dieser Erkenntnis ließ sich Alandor alles über Gillian erzählen, was der Pirat wusste. Ein alter Elb, der den Clans eine Menge Geld schuldete, für seine raue und schweigsame Art bekannt war und dessen Schiff man als Ausgleich für seine Schulden übernommen hatte. Offenbar war er nach Sundergrad zurückgekehrt in der Hoffnung, mit dem Fürstenmedaillon zum Piratenkönig zu werden, was seine Schulden natürlich nichtig gemacht hätte. Doch irgendetwas musste schief gelaufen sein – das Medaillon wurde verkauft, und zwar nicht an ihn. Damit saß er ziemlich schnell übel in der Tinte, verkroch sich bei alten Bekannten, in Tavernen, Gasthäusern. Seine Crew zerstreute sich rasch in dem Versuch, den Piraten zu entkommen. Die Meisten griff man auf und verkaufte sie als Sklaven an einen Fürsten aus Übersee, der jedoch samt seiner Geleitschaft in einer Gasse abgeschlachtet wurde. Die Crewmitglieder hingegen verschwanden. Danach folgten mehrere Attentate, quer über die Stadt verteilt, bis hin zu dem Gemetzel in der Taverne. Von Gillian selbst fehlte jedoch jede Spur, wie es schien. Alandor bedankte sich mit einem Silberling für die Auskunftsfreude des Freibeuters, der daraufhin lediglich zurück gab, das alles besser sei als den ganzen Tag die Leichen seiner Kameraden auf den Steg hinaus zu schleppen. Die Gruppe hingegen verließ die Taverne wieder und beriet sich vor der Szenerie des Hafens, in dem unzählige Piraten- und Handelsschiffe be- und entladen wurden. „Wenn Gillian noch lebt, müssen wir ihn finden. Er ist das nächste Ziel, möglicherweise das Letzte, bevor unser Unbekannter verschwindet und der Deal platzt. Ich möchte nicht erleben, was diese Elbe macht, wenn sie das mitbekommt...“ eröffnete Alandor und blickte in die Runde. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, wie er diesen entmachteten Kapitän finden sollte. Badai begann von Spuren zu faseln und Adamant warf ein, dass er 'Kontakte' befragen könne. „Wenn sein Schiff noch im Hafen ist, sollten wir da vielleicht einfach mal nachschauen...?“ hakte Vivica etwas unsicher nach. Binnen eines Wimpernschlages wanderten die Blicke in Erkenntnis getränkt zu ihr. Sie hatte eine grandiose Idee gehabt – und wurde trotzdem rot. „Ich... mein' ja nur...“ schob sie leise nach. Der Kapitän, ohne Schiff, ohne Crew, versoffen und abgewrackt... natürlich würde es ihn zum Symbol seines einstigen, freien Lebens zurückziehen, oder nicht? Zumindest erschien das allen am wahrscheinlichsten, weshalb sie beschlossen, diesem Gedanken nachzuspüren. Bis zum Abend hieß das, ruhig zu bleiben. Zwar gingen sie anfangs noch dem Alternativplan nach, Schenken und Gasthäuser nach dem Verbleib des alten Seebären zu fragen, doch erwiesen sich die Sundergrader Wirte allesamt als ein recht eigenbrödlerisches und verschwiegenes Völkchen, dessen Zungen, wie in der Stadt nur zu oft der Fall, er vom Glanz feiner Münzen gelockert wurde. Alle Schenken Sundergrads auszufragen hieße, sich völlig jeder Zahlungsmöglichkeit zu berauben, weshalb sie auf Adamants Verweigerung, noch einen weiteren Schritt zu tun, schließlich in einem der Häuser inne hielten und bis zum Abend ausharrten. Vivica wusste sich diese Zeit damit zu vertreiben, dass sie dicht bei Adamant versuchte, allen Blicken und Annäherungsversuchen des hiesigen Pöbels zu entkommen und zugleich in seinen Kartentricks wenigstens ein klein wenig Ablenkung zu finden, während Suzuri dicht bei Alandor blieb und ihn hauptsächlich mit der wiederkehrenden, immer anders formulierten Frage traktierte, wann sie die Stadt denn endlich verlassen konnten. Badai war angesichts seines ständig voll scheinenden Bierkruges der Einzige, der sich zumindest etwas zu amüsieren schien, während den anderen doch eine gewisse, nicht weichende Anspannung anzumerken war. Sie verblieben immerhin in der Stadt, weil sie für eine Elbe einen Kampf gegen jemanden austragen sollten, den sie selbst zu bezwingen nicht fähig war. Entweder war diese Elbe also sehr schwach... oder der Magier verflixt stark. Alandor hatte derweil endlich heraus gefunden, welches Detail der Erzählung ihn so gestört hatte. Es war die schwarze Kutte gewesen, in Verbindung damit, dass niemand wusste, woher dieser Fremde kam, wohin er ging oder wer er war. Es gab Geschichten und Gerüchte über solche Figuren, doch zumeist hielt man sie für Märchen. Oftmals lag man damit richtig – aber eben nicht immer. Und die Leichen, verstreut quer über die Straßen Sundergrads, sprachen dafür, dass es sich hierbei nicht um eine der Geschichtchen zur seichten Unterhaltung handelte. Als sie aufbrachen, fühlten sie sich dennoch bestärkt. Vielleicht lag es an der Ruhepause, am gestärkten Magen oder den angenehm kühl wirkenden Abendwinden, doch die Spannung schien sich trotz des nahenden Kampfes eher ab- als aufzubauen. Es brauchte nicht viel Zeit, um die Docks zu finden. Schwieriger war es da schon, sich zu Gillians Schiff durchzufragen, ohne zu viel über die eigenen Beweggründe zu verraten und weil Peter diese Stadt, seine zwielichtigen Bewohner und deren hinterlistige Art nun einmal bestens kannte, überließ Alandor diese Aufgabe auch genau deshalb ihm. Ihr Weg führte sie bis an den Pier, an dem ein geisterhaft leeres Schiff vor ihnen aufragte. Die Planke führte bis aufs Deck und dort verstärkte sich nur der unheimliche Eindruck. „Geht ihr runter und seht euch um, jeden Winkel, jeden Frachtraum.“ teilte Alandor die Aufgaben zu. Niemand wollte länger als nötig an Bord bleiben, weshalb sie sich zerstreuten und damit deutlich zügiger Raum für Raum absuchten. Das Schiff erwies sich dabei als größer, als es zunächst von außen wirkte. Alandor begutachtete die Kapitänskajüte, ließ – wohl sehr zu Badais Bedauern – den guten Rum stehen und nahm stattdessen das kleine Säckchen mit, dessen Inhalt ihre Reisekasse aufstocken würde. Eigentlich ein Wunder, dass die Piraten es bei ihrer Übernahme nicht gefunden hatten... oder aber, es lag hier nur deshalb so offen herum, weil Gillian tatsächlich an Bord war. Als hätte dieser Gedanke das Stichwort gegeben, hörte er Adamant verhalten rufen. Nach und nach fand sich die Gruppe auf Deck wieder zusammen und begutachtete den 'Fang' Peters. Er hielt einen alten, offenkundig sturzbetrunkenen Elb am Kragen gepackt, dessen blaues Auge irgendwie verdächtig frisch aussah... „Musste das sein?“ fuhr Alandor ihn ungehalten an und versuchte, dem Spitzohr aufzuhelfen, nur um festzustellen, dass dieser sehr eigenwillige Vertreter des 'hohen Volkes' dank des Suffes sofort wieder in sich zusammen klappte wie ein Messer. Sonderlich hilfreich im Sinne von gelieferten Antworten oder Informationen war der alte Kapitän damit leider nicht. Andererseits war das auch gar nicht nötig – Alandor hatte ihr Vorgehen als Rohfassung längst im Kopf und nun, da sie das zentrale Element seines Planes aufgegriffen hatten – den Köder – konnte dieser auch ohne weitere Verzögerungen umgesetzt werden. „Kommt her, wir müssen die Rollen verteilen!“ merkte der Bannwirker an und wartete, bis alle dicht genug bei ihm waren. Er rechnete zwar nicht mit hellhörigen Ohren jenseits des Steges, aber wenn es sich bei ihrem Feind wirklich um das vermutete, was er befürchtete, dann konnte man im Grunde nicht vorsichtig genug sein. Als er seine Vermutung offenbarte, reagierten alle so, wie er es erwartet hatte. Vivica stutzte ungläubig, Adamant wollte sich sogar sichtlich amüsiert darüber auslassen, dass der große Herr Zirkelmagier sich gerade völlig lächerlich mache und Badai und Suzuri blickten so elend fragend drein, dass ihnen ihre Absicht praktisch auf die Stirn geschrieben stand. Aber während Suzuri sich in Geduld übte, musste Badai dergleichen natürlich ausformulieren. „Was ist ein 'Ceteusdiener'?“ Pläne, so war Alandor fest überzeugt, waren bei einem größeren Kampf gegen einen Feind, dem man das erste Mal gegenüber stand, eigentlich das wichtigste Rüstzeug. Sie konnten nicht nur über Sieg oder Niederlage entscheiden, nein, ganz klar – sie taten es! Wer ohne einen guten Plan in einen solchen Kampf stolperte, war auf Gedeih und Verderb der Gnade seines Feindes ausgeliefert. Demgemäß scheute Alandor nicht davor zurück, jedes Detail doppelt und dreifach zu erklären, damit jeder seine Rolle verinnerlicht hatte. Zufrieden waren gerade Badai und Adamant mit ihren Rollen nicht, auch Suzuri wirkte eher zögerlich, aber andererseits... was hatten sie für eine Alternative? Zumal Alandors Pläne bisher gut funktioniert hatten. So kam es, dass die zwei Opportunisten johlend und gröhlend durch die Seitengassen zogen, immer Gillian zwischen sich gestützt. Der gute Rum aus der Kapitänskajüte hatte es doch noch in ihren Besitz geschafft und wurde hier und da kurz an die Lippen gesetzt, ohne nur einen Schluck zu nehmen – einzig der alte Elb trank sich um Kopf und Kragen. Fast durch halb Sundergrad mussten sie dieses mehr als lächerliche Schauspiel führen, ehe sich der gewünschte Effekt endlich einstellte: Die Schatten der Gasse schienen sich zu verdichten, wurden zu undurchdringlichen Wänden, die zusammen mit den Häusern um sie herum einen Käfig bildeten. In eben diesen Käfig trat, wie aus der schwarzen, nebulösen Wand herausgeschält, die Gestalt, die sie gesucht hatten. Bleiche, ausgemergelt wirkende Hände reckten sich und deuteten auf den Elb, ehe sich die Hand umdrehte und eine Geste vollführte, die andeutete, dass sie eben diesen ihm übergeben sollten. Badai und Adamant versuchten zwar, rein ihrer Neugier wegen, mit dem Unbekannten zu sprechen oder wenigstens unter die schwarze Kapuze zu blicken, doch dergleichen gelang ihnen einfach nicht, weshalb sie die Arme des Kapitäns, der sich auf ihre Schultern stützte, nun schlicht abluden und ihn wie einen Sack Mehl fallen ließen. Erst als sie sich aufbauten, ganz ohne verräterisches Wanken und Lallen, begann dem Feind klar zu werden, dass er in eine Falle gelaufen war. „Jetzt!“ rief Badai gehorsam aus. Der nächtliche Wind trug geflüsterte Worte herbei, die vermummte Gestalt fuhr herum, gewillt, diese Frechheit mit dem Tod zu vergüten, als er auch schon von Alandors Magie getroffen wurde. Der Magier hatte eine flexible Schale um ihren Gegner errichtet, die ihn sowohl am fliehen, als auch am Wirken seiner eigenen Magien hindern würde – ein Zauber, der den Bannwirker jedoch einiges an Kraft und Energie abverlangte und selbst dann nicht lange aufrecht erhalten werden konnte. „Jetzt!“ ertönte es nunmehr von Alandor. Auf das abgesprochene Kommando hin traten Vivica und Suzuri auf der anderen Seite der Gasse hervor und schlossen damit ihrerseits einen Käfig um den Feind. Nun kam der mehr als riskante Teil: Suzuris Magie war instabil und unterlag nur bedingt ihrer Kontrolle und Alandor war sehr zu seinem Leidwesen fest überzeugt, dass auch Vivicas Macht nur begrenzt war. Dennoch versuchten sich beide darin, den Kuttenträger in die Knie zu zwingen. Ihre Zauber passierten die Schilde Alandors mühelos – der Bann war eine Einbahnstraße, alles rein, nichts raus. Dennoch gelang es ihnen nicht, schnell genug so viel Schaden auszuteilen, wie nötig war. Vor der geplanten Zeit brach Alandors Schild zusammen, ebenso, wie der Magier in die Knie brach. Er hatte sich schlicht überschätzt. Seine Stirn stand von kaltem Schweiß, seine Hände gruben sich taub und zitternd in die Erde, während der Magier desorientiert sich auf den Gassenboden übergab. Für den Feind war das der Moment, zurück zu schlagen. Zumindest hätte er das sein sollen. An dieser Stelle hätte der Kampf für den Magier und seine Gruppe entschieden werden sollen. Und aus eben diesem Grund waren Badai und Adamant unzufrieden – ihre Rollen waren lächerlich. Nun jedoch zeigte sich, dass Alandor nicht ganz der Narr war, wie sie es vermutet hatten. Nun griff der 'Plan B'. Badais erster Schwerthieb traf den Gegner empfindlich und obgleich die Wunde oberflächlich war, zerstörte es doch die Konzentration des Feindes. Kaum den Vorteil der Reichweite einer Klinge ausgenutzt, war Adamant bereits nah genug herbei. Kleiner als er, schmächtiger als er – konnte man schaffen! Der erste Fausthieb traf das, was Peter für die Nase hielt. Zumindest hoffte er das – wer wusste schon, was für ein Gesicht unter der Kutte lag? Er setzte sofort zum nächsten Schlag an, ebenso, wie Badai zu einem Stoß ausholte, doch da riss der Fremde die Arme in die Breite und ließ sich zurück fallen. Er verschmolz binnen eines Wimpernschlages mit der Schwärze der Wände, den Schatten der Gasse. Das nächste Geräusch waren die Schreie der Frauen, als die Dunkelheit selbst ihnen näher rückte, sie umkreiste. Formlose Schatten ohne jede Substanz schlangen sich um ihre Gelenke, zerrten mit unnatürlicher Kraft daran, als wollten sie sie in Stücke reißen – was der Wahrheit erschreckend nah kam. Plötzlich gab es einen weiteren Aufschrei, dunkler, männlich – und nicht weit entfernt. Blitze hatte sich angeschlichen, die Götter allein mochten wissen wie, und sich auf einen Feind geworfen, den niemand mehr zu sehen fähig war. Er hatte die verhüllte Gestalt zu Boden gerissen und sich mit seinen kräftigen Kiefern in dessen Schulter verbissen, nur um nun mit nicht unerheblicher Kraft daran zu rütteln und zu reißen. „Gut so, alter Junge!“ feuerte Peter seinen Begleiter an und eilte zu den Frauen, während Badai sich um den Gegner zu kümmern gedachte. Der Feind versuchte sich dem Biss des Hundes zu entziehen, doch je mehr er sich wehrte, umso fester schraubten sich die Kiefer zusammen. Selbst die Versuche, den Hund von sich zu schlagen, die Schatten, die auf das Tier einschlugen wie Fausthagel, schienen Blitze eher wütender und starrsinniger zu machen. Zuletzt senkte sich Badais Klinge nieder und durchbrach das, was Halswirbel und Kehle ausmachte. Erst als die Gegenwehrversuche, das Geschrei und auch das letzte Zucken dieses Körpers endete, ließ der massige Hund von seiner Beute ab. Badai zog sein Schwert zurück und die Gruppe sammelte sich um Alandor, der nur sehr mühsam wieder auf die Beine kam. „Haben wir es geschafft...?“ erkundigte sich der Magier sichtlich mitgenommen. Als hätte er diese Bestätigung gebraucht, kam Blitze daher und präsentierte ihm und auch seinem Herrchen stolz seinen neusten Fang – im Maul ein Handgelenk, an dem noch der komplette, bezwungene Gegner hing. „Musst du nur ständig auf allem rumkauen!“ maßregelte Adamant und musste, allein dieses ulkigen Anblickes wegen, letzthin doch lachen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)