Die Meister der Zeit von Alaiya ([ShiroKari] [KenNa]) ================================================================================ Kapitel 1: Ein unerwartetes Treffen ----------------------------------- „Feuerzahn!“ „Tornupto, Einigler, roll dich an ihm vorbei!“ Trotz seiner Größe rollte sich das große Feuerpokémon zu einer Kugel zusammen und entkam dem Angriff seines Gegners so, ehe es sich erneut streckte und auf das nächste Kommando seiner Trainerin wartete. „Sternschauer!“, rief Tornuptos Trainerin vom Rand der kleinen, altmodisch eingerichteten Arena. Flamara, das gegnerische Pokémon fuhr herum. Sein Angriff und das Ausweichen Tornuptos hatte es an die Grenze des Ringes getrieben und dafür gesorgt, dass das Vulkanpokémon nun in der besten Stellung zum Angreifen war. Tornuptos Attacke kam schnell, doch die junge Frau auf der anderen Seite der Arena reagierte: „Flamara, weich aus! Ruckzuckhieb!“ Gerade noch schaffte es der Fuchs über die auf ihn zurasenden Sterne hinweg zu springen und dann mit dem Kopf voraus seinen Gegner zu tackeln. Dem beinahe doppelt so großen Tornupto schien die Attacke jedoch nicht viel auszumachen, als die Köpfe der beiden Pokémon aufeinander knallten. Es knurrte und schien fest entschlossen das kleinere Pokémon einfach zurückzudrängen, als dieses jedoch auch wieder auf dem Boden landete. „Biss!“, befahl die rothaarige, in einen Kimono gekleidete Frau, an der einen Seite des Kampffeldes nun. „Halt mit einem Tackle dagegen!“, rief das um einige Jahre jüngere Mädchen auf der gegenüberliegenden Seite. Als Flamara hochsprang um das gegnerische Pokémon in einen der massiven Vorderläufe zu beißen, wirbelte dieses herum und warf Flamara allein durch den Vorteil seiner Körpermasse zurück. „Jetzt Tornupto, Eruption!“ Daraufhin sprang Tornupto ohne zu zögern dem Flammenfuchs hinterher, wobei sein Flammenkragen aufloderte. Als Feuerkugel traf es schließlich das noch nicht auf dem Boden aufgekommene Flamara, ehe dieses einen Augenblick später unter einer Explosion davongeschleudert wurde und schließlich außerhalb des markierten Ringes liegen blieb. „Flamara ist kampfunfähig“, rief der mit einem blauen Hakamagewand bekleidete Schiedsrichter. „Hikari aus Zweiblattdorf gewinnt!“ Um diese Worte zu bekräftigen ließ Tornupto ein lautes Knurren hören, während seine Trainerin triumphierend mit der Hand in die Luft stieß. Der Abend senkte sich über Teak City und Tornupto lag zufrieden knurrend auf dem Boden neben seiner Trainerin, die auf der Bank des örtlichen Pokémon Centers saß und wartete. „Plinfa!“, verkündete ihr Starterpokémon und stand mit hervorschwellender Brust vor dem Mädchen, auf dessem Schoß ein Evoli saß. Dieses wirkte allerdings weniger überzeugt, als der kleine Pinguin, denn es hatte die Ohren angelegt und den Schwanz eingezogen. Es wirkte verängstigt und als nun Plinfa - aufgrund der ihm offensichtlich entgegengebrachten Ignoration - neben das Mädchen sprang, um näher bei dem Neuzugang zu sein und sich vernünftig vorstellen zu können. Dieser sprang jedoch vollkommen verschreckt auf und nahm reißaus. „Jetzt benimm dich doch einmal“, meinte Hikari und gab dem Wasserpokémon eine leichte Kopfnuss, was dieses mit einer beleidigten Miene aufnahm. „Du siehst doch, dass es Angst hat.“ Damit stand sie auf und ging zu dem großen Blumentopf hinüber, hinter dem sich das junge Evoli nun versteckte. „Hey, hab keine Angst, ich werde dir nichts tun und Plinfa auch nicht.“ Doch das kleine Pokémon zog den Kopf nur noch weiter ein und versuchte ganz hinter dem Blumentopf zu verschwinden. „Ooor“, gurrte nun das hasenähnliche Schlapor, das sich zuvor an Tornupto angelehnt hatte, und trat ebenfalls näher. „Ooor, schlapor.“ Damit ging es auf seine Vorderläufe und krabbelte zu dem verängstigten Evoli hin. Dieses schien nicht so ganz zu wissen, was es tun sollte, wich erst noch weiter zurück, begann dann aber, als sich Schlapor nicht rührte, zu schnüffeln und nährte sich dem anderen Normalpokémon langsam und vorsichtig. Als Hikari jedoch wieder die Hand ausstreckte, um es zu sich zu ziehen, verschwand es rasch wieder hinter dem Topf. Das Mädchen seufzte. Sie hatte schon länger ein Evoli haben wollen, immerhin hatten viele Koordinatoren eine der Entwicklungen, zumal das Pokémon so viele Möglichkeiten bot. Deswegen hatte sie sich auch mit Koume und Sumomo, zwei der Kimono-Mädchen, die hier in Teak City ihr eigenes Tanztheater betrieben, im Kampf gemessen, obwohl sie eigentlich selten in normalen Kämpfen antrat. Das Evoli war frisch aus einem Ei von Koumes Flamara geschlüpft und die Schwestern hatten es nur an einen, wie sie sagten „würdigen Trainer“ fortgeben wollen. So hatte Hikari nun ihr Evoli, nur leider schien dieses damit nicht so wirklich glücklich zu sein. „Du solltest es mit etwas Futter probieren“, meinte die Joy des Pokémon Centers, die gerade mit einem Tablett voller Fressnäpfe in die – von Hikari und ihren Pokémon abgesehen – leere Eingangshalle kam. Sie stellte zwei der großen Näpfe neben die Bank, auf der das Mädchen zuvor gesessen hatte. Sofort machten sich Pachirisu und Tornupto darüber her und auch Plinfa vergaß recht schnell zu schmollen, als es das Futter roch. Nur das letzte der an der Bank verbliebenen Pokémon – ein Altaria – hob nur stolz den Schnabel und beobachtete ablehnend, wie sich die anderen drei gierig an dem Essen gütlich taten. Mit dem letzten Napf kam die Schwester zu Hikari herüber und stellte ihn direkt vor die Lücke zwischen Blumentopf und Wand, so dass Evoli nicht umher kommen würde, das Essen zu riechen. „Vielen Dank“, erwiderte das Mädchen daraufhin und beobachtete, wie das junge Pokémon vorsichtig seine Schnauze aus dem Versteck hervor steckte, dann jedoch misstrauisch zur Joy hinaufsah. Erst als Schlapor etwas von dem Futter nahm und es aß, kam es schließlich ganz hinter dem Blumentopf hervor und begann - wohl ebenfalls hungrig - zu fressen. Hikari lächelte, versuchte dieses Mal aber nicht nach dem Jungtier zu greifen. Stattdessen stand sie auf und sah zu ihren anderen Pokémon hinüber. „Dein Altaria scheint keinen Hunger zu haben“, meinte Joy nun. Erneut seufzte das Mädchen. „Von wegen. Wahrscheinlich ist es sogar hungriger als Plinfa oder Pachirisu, aber es ist sich zu fein mit einem der anderen Pokémon aus einem Napf zu essen.“ „Soll ich noch etwas Futter für es allein bringen?“, bot sich die Krankenschwester an, doch Hikari winkte ab. „Übertriebene Eitelkeit sollte nicht auch noch belohnt werden. Wenn es sich zu fein ist, muss es halt hungern.“ Daraufhin kicherte die Joy. „Wie du meinst, es ist dein Pokémon.“ Sie lächelte ihr zu und sah dann auf die Uhr. „Du bleibst über Nacht hier, nicht?“, fragte sie dann. Hikari nickte. „Mein Mann wird in einer halben Stunde nach Hause kommen, wenn du willst, kannst du bei uns mitessen.“ „Das wäre nett, vielen Dank“, erwiderte das Mädchen lächelnd. „Kein Problem. Normal koche ich für's Pokémon Center extra, aber es ist auch selten, dass wir so wenige Gäste haben. Für eine Person extra kochen lohnt sich ohnehin nicht und das Essen schmeckt allein sowieso nicht.“ Die Schwester Joy legte ihr mütterlich die Hand auf den Rücken. „Ich bin in der Küche, wenn du etwas brauchst, musst du nur rufen.“ „Natürlich. Noch einmal vielen Dank, Joy.“ „Nenn mich Azuhina, das ist mein richtiger Name“, lächelte die Joy und verschwand durch die Tür, die in das Nebengebäude des Centers führte, in dem sie offenbar mit ihrer Familie wohnte. So war Hikari wieder mit ihren Pokémon allein und setzte sich schließlich auf eine andere Bank als zuvor, um ihre Pokémon nicht beim Essen zu stören. Glücklich lächelnd sah sie zu dem kleinen Evoli hinüber, das sich nun offenbar langsam mit Schlapor anfreundete. Schließlich, nach etwa zehn Minuten, stand sie wieder auf und nahm eine Bürste aus ihrem Rucksack, um sich im öffentlichen Bad zu waschen und frisch zu machen. Immerhin wollte sie nicht mit ungewaschenen Händen zum Essen erscheinen, wenn sie schon eingeladen war, und ihre Pokémon waren noch immer mit dem Futter beschäftigt. „Plinfa?“, fragte das Wasserpokémon und sah auf, als sie den Raum verließ, aber sie sah es nur beruhigend an. „Keine Sorge, ich mache mich nur frisch.“ Das schien dem Pokémon zu genügen und es wandte sich wieder seinem Futter zu. Im Bad löste Hikari, nachdem sie auf der Toilette gewesen und sich die Hände gewaschen hatte, den Zopf, den sie schon den ganzen Tag über getragen hatte, und bürstete sich die langen dunklen Haare durch. Kurz überlegte sie, ob sie die Haare offen lassen sollte, entschied sich dann jedoch dagegen, weil es sich meist als unpraktisch erwies. Nachdem sie die Haare wieder zu einem Zopf gebunden und an den Seiten festgesteckt, wusch sie sich das Gesicht und richtete dann ihr weißes Top gerade. So fühlte sie sich schließlich ansehnlich genug, um in der Eingangshalle darauf zu warten, dass das Essen fertig war. Immerhin spürte sie langsam auch, wie der Hunger in ihr aufkam. Als sie jedoch in die Halle zurückkehrte, sah sie, wie jemand ihr Altaria fütterte, offenbar mit Futter, dass sogar für das hochnäsige Pokémon gut genug war (sofern es denn nicht mittlerweile doch den Hunger über seine Eitelkeit gestellt hatte). Allerdings trotzdem nicht unbedingt etwas, das Hikari entgegenkam. „Hey, das ist mein Altaria, ich versuche es zu erziehen.“ „Erziehen?“, fragte die Frau, die neben dem Drachenvogel stand und wandte sich ihr zu. „Wenn es sich zu fein ist zusammen mit den anderen...“ Hikari verstummte. Vor ihr stand eine der letzten Personen, die sie hier in Johto zu treffen erwartet hatte. „Shirona-san?“ Die blonde Frau lächelte. „Lange nicht gesehen, was?“ Kapitel 2: Suicunes Schrei -------------------------- Nun, was die ehemalige Sinnoh Champion in Johto trieb, erfuhr Hikari nicht allzu bald. Denn kaum hatten sie die ersten paar Worte gewechselt, war Azuhina, die Schwester Joy von Teak City gekommen und hatte Shirona – was hätte sie auch anderes tun sollen? – ebenfalls zum Essen eingeladen. Hikari rief ihre Pokémon, bis auf Plinfa, das sich dies ohnehin nicht hätte gefallen lassen, zurück und folgte der Joy zusammen mit Shirona in den Wohnbereich hinter dem eigentlichen Pokémon Center. Dort lernten sie auch Take, den Mann der jungen Schwester kennen. Beide, sowohl Azuhina, als auch ihr Mann waren begierig darauf etwas vom fernen Sinnoh zu erfahren, so dass es auch beim Essen keine Möglichkeit für Hikari gab herauszufinden, was die Trainerin nach Johto getrieben hatte. Zwar wusste sie, dass Satoshi Shirona vor mehr als einem Jahr besiegt hatte und somit zum neuen Champion der Region geworden war, doch hatte sie nie erfahren, was diese danach gemacht hatte. Es war ohnehin mehr als drei Jahre her, dass sie sie das letzte Mal getroffen hatte. Als Azuhina die Trainerin fragte, lächelte diese nur und sagte, sie sei auf einer Reise – was jedoch auf nahezu jeden, der in einem Pokémon Center übernachtete, zutraf. Für eine Weile überlegte Hikari es ihr gleichzutun, wohl gemerkt nicht, um es Azuhina zu verheimlichen, sondern nur um der ehemaligen Champion, die sich auf ihre Weise immer gern mit einer mysteriösen Aura zu umgeben schien, den Spiegel vorzuhalten. Doch schließlich wandte sich die Joy an sie. „Und was hat dich aus Sinnoh hierher gebracht?“, fragte sie lächelnd und füllte dem Mädchen einen großzügigen Nachschlag Kartoffelgratin auf den Teller. Lange musste Hikari nicht nachdenken, um zu antworteten. „Ich bin auf den Weg zum Dukatia City Wettbewerb. Ich will beim diesjährigen großen Festival von Johto teilnehmen.“ „Am großen Festival?“, hakte nun Take nach. „Meine Schwester hat vor zwei Jahren teilgenommen.“ Er machte eine kurze Pause. „Allerdings ist sie nicht weiter, als in die Vorrunde gekommen.“ „Hat sie es nicht noch einmal probiert?“ Hikari sah von ihrem Gratin auf. „Nun ja, sie ist nach Hoenn gereist und wird dort beim diesjährigen Festival teilnehmen.“ „Ich finde die Hoenn Wettbewerbe am beeindruckensten“, erwiderte das Mädchen. „Eine Freundin hat dort als Koordinator angefangen. Und vorletztes Jahr habe ich am Festival dort teilgenommen. Gewonnen hab ich allerdings auch nichts.“ Sie machte einen verlegenen Gesichtsausdruck und wandte sich dann wieder dem Essen zu. Es war nun Azuhina, die lächelte. „Vielleicht schaffst du es hier. Wie viele Johto-Bänder hast du schon gewonnen?“ „Drei“, antwortete Hikari. „Das Dukatia-Band soll mein viertes werden.“ „Plin-Plinfa!“, fügte das auf dem Tisch sitzende Pinguinpokémon hinzu und machte einen sehr überzeugten Eindruck, den Schnabel stolz erhoben. „Zumindest dein Plinfa scheint überzeugt zu sein, dass ihr hier gewinnen könnt.“ Daraufhin seufzte die junge Koordinatorin. „Das ist es bei allem.“ „Plin!“, protestierte das Pokémon daraufhin, doch Hikari ignorierte es und wandte sich wieder dem Essen zu. Es dämmerte, als Hikari das Pokémon-Center noch einmal verließ, nachdem sie der Schwester beim Abräumen des Geschirrs geholfen hatte. Shirona hingegen war mit einem „Danke“ direkt nach dem Essen verschwunden, ohne zu sagen, wo sie noch hinwollte. Hikari selbst fühlte sich jedoch auch noch nicht müde – kein Wunder, es war gerade kurz nach acht – und hatte daher beschlossen sich noch ein wenig in der recht kleinen, aber historischen Stadt umzusehen. Noch immer war Plinfa außerhalb des Pokéballs und stolzierte neben ihr her, so als müsste jedes andere Pokémon ihm Respekt erweisen. Mittlerweile hatte Hikari aufgegeben, diesen Stolz ihm abzugewöhnen. In mancherlei Hinsicht war es einfach unverbesserlich. „Plinfa, Plin!“, rief es aufgeregt aus, als es ein kleines Café in der Nähe des Abgebrannten Turms entdeckte, aus dem der Geruch frischen Gebäcks zu vernehmen war. „Vergiss es, du hast gerade erst etwas gehabt“, erwiderte Hikari ungehalten. „Pli-Plinfa!“ Mit wedelnden Flügelchen baute sich das Pokémon vor ihr auf und sah sie herausfordernd an. „Plin Fa!“ Damit streckte es die Flügel empor, ehe es dann mit dem rechten auf seinen Bauch zeigte. Sie sah es nur gelangweilt und mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Nein, du wirst nicht mehr wachsen, auch wenn du noch fünfzig Kuchen essen wirst.“ „Plinfa!“ Nun stemmte es die Flügel in seine Seite. „Ich habe ‚Nein’ gesagt“, erwiderte sie und ging dann, das Pokémon nicht weiter beachtend weiter in Richtung der Turmruine. Für einige Augenblicke schaute Plinfa beleidigt rein und schien entschlossen sich kein Stück weiter zu bewegen, ehe es Süßigkeiten bekommen hatte, doch als sich seine Trainerin nicht umdrehte und sich immer weiter entfernte, wurde es doch bald vom Mut verlassen und folgte ihr mit schnellen Schritten. Kurz sah Hikari auf das Pokémon hinunter, als es nun wieder neben ihr stolzierte, dann blieb sie jedoch stehen. Sie hatte nun den kopfsteingepflasterten Platz vor dem Felshügel, auf dem die Ruine stand, erreicht und sah zu den verkohlten Holzstreben hinauf. Im rötlichen Abendlicht schien es beinahe, als würde sich erneut Feuer durch das alte Holz fressen – fast wie ein düsteres Omen. Schnell verdrängte sie diesen Gedanken. Nur dummer Aberglaube, sagte sie sich schnell, schaffte es damit jedoch nicht vollkommen das flaue Gefühl in ihrem Bauch zu verdrängen. Auch Plinfa ließ ein halb beeindrucktes, halb ängstliches „Faaa“ hören, während es den Kopf verrenkte, um zur Ruine hinauf zu sehen. Wofür der Turm wohl einst gestanden hatte? Sie hatte zwar bereits einige der Legenden von Johto gehört, doch an genaueres erinnerte sie sich nicht. Für einen Moment wünschte sie sich, Takeshi dabei zu haben, der die Regionsführer scheinbar auswendig kannte, aber in diesem Moment lenkte Plinfa ihre Aufmerksamkeit auf sich. „Plinfa, plinfa!“, meinte es und zeigte auf ein Schild, das an dem Zaun, der den Platz umgab und wohl als Absperrung diente, angebracht war. „Hmm?“ Sie folgte seinem Zeig und ging näher an das Schild heran, um die Aufschrift lesen zu können. Bronzeturm, beschriftete die obere Hälfte der großen Plakette in geschwungenen Lettern. Einst lebte das legendäre Pokémon Lugia auf der Spitze des Turmes, ehe er… Weiter kam sie mit dem Lesen nicht, denn ein seltsames Säuseln neben ihrem Ohr, das wie ein gehauchtes „Maaaaah“ klang, ließ sie aufschrecken. Eine Gänsehaut machte sich auf ihrem Nacken und den Armen breit, denn sie traute es so einer alten Ruine durchaus zu, dass sich Geister in ihrer Nähe herumtrieben. „Magil“, ergänzte die säuselnde Stimme nun und als sich Hikari umdrehte, schwebte ein Traunmagil direkt neben ihrem Kopf und sah bedächtig zu der dunklen Gestalt der Ruine hinauf. „Plinfa“, stieß der Pinguin aus und schien nicht so ganz zu wissen, ob es über die Herkunft des Säuseln nun erleichtert sein sollte oder nicht. „Traurig, dass nur noch Trümmer von dem Turm übrig geblieben sind“, hörten sie nun eine menschliche Stimme hinter sich und sahen im Umherblicken, dass Shirona auf sie zukam. „Was machst du hier?“, fragte Hikari etwas ungehalten. Noch immer schmollte sie, wegen der geheimnisvollen Aura, und war zudem nicht unbedingt darüber erfreut erschreckt worden zu sein. Deshalb beobachtete sie die Ältere Trainerin nun mit gereiztem Blick und verschränkten Armen, während diese zu ihr trat und ebenfalls das Schild inspizierte. „Ich bin nach Teak City gekommen, um die Türme zu sehen“, erwiderte sie ruhig und mit einem amüsierten Lächeln, da Plinfa nun die Haltung seiner Trainerin imitierte. „Ich bin erst gerade in der Stadt angekommen, aber ich konnte einfach nicht umher, noch eben einen Blick auf sie zu werfen, ehe die Sonne ganz untergegangen ist.“ „Kein Grund mich so zu erschrecken.“ Noch immer hatte die Koordinatorin die Arme vor dem weißen ärmellosen Shirt verschränkt. Nun galt das amüsierte Lächeln ihr. „Kein Grund so gereizt zu sein“, konterte Shirona, was Hikari nun mit einem „Hmpf“ abtat und sich wieder dem Turm zuwandte. Für eine Weile herrschte Schweigen zwischen ihnen. Shirona studierte die Tafel am Zaun, ihr Traunmagil schwebte still neben ihr, Plinfa hatte nun doch teils ängstlich, teils noch immer beleidigt die Nähe seiner Trainerin gesucht, welche ihrerseits zur Ruine hinaufsah. Der Himmel verlor nun schnell seine rote Färbung, wurde stattdessen violett und die Sterne kamen nach und nach hervor. Nicht lang und die Nacht würde komplett über sie hereingebrochen sein. Hikari bemerkte, dass die Ältere sie mittlerweile wieder ansah, doch sie sah überhaupt nicht ein, wieso sie ihr deswegen mehr Aufmerksamkeit schenken sollte. In der Hinsicht des Schmollens waren sie und ihr Pokémon sich doch oft nicht unähnlich. „Ich nehme an, du wirst morgen weiterreisen?“, unterbrach Shirona schließlich die Stille, was das Mädchen mit einem Schulterzucken beantwortete. „Der Wettbewerb findet erst in zweieinhalb Wochen statt. Ich habe noch genug Zeit“, erwiderte sie nach knapp einer weiteren Minute eiserner Stille. „Vielleicht werde ich mir die Stadt morgen noch genauer ansehen.“ „Ich werde wohl noch ein paar Tage hier bleiben“, erwiderte Shirona nun. „Wenn du willst, kannst du mich morgen begleiten. Ich kenne einige Geschichten über die Stadt.“ Erneut ließ die Jüngere ein schmollendes „Hmpf“ vernehmen, was Plinfa direkt mit einem ebenso beleidigten „Plin“ unterstrich. „Ich habe den Eindruck, dass du irgendwie sauer bist“, bemerkte die ehemalige Champion nun das Offensichtliche. „Und dein Plinfa ganz offenbar auch.“ „Ich mag es nicht erschreckt zu werden“, murmelte Hikari. „Und dein Verhalten im Center war nicht nett.“ „Nicht nett?“, harkte Shirona nach. „Also zumindest ich finde es nicht nett so unbeteiligt und geheimnistuerisch zu sein, wenn man wo zum Essen eingeladen wird.“ Letzten Endes war dies eigentlich kein wirklicher Grund, immerhin gab es auch keine Pflicht, zuviel über sich Preis zu geben, aber wie viele Mädchen in ihrem Alter konnte sich Hikari über diese Dinge aufregen. Zumal die Ältere keinen guten Auftritt für sie hingelegt hatte, immerhin hatte sie ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht, bezüglich ihrer Pokémon-Erziehung. Allerdings schien Shirona sie in der Hinsicht sehr gut zu durchschauen, denn sie kicherte nur leise in sich hinein. „Nachdem dein Freund mich in der Liga besiegt hat, habe ich begonnen Pokémon Mythen aus aller Welt zu sammeln. Es gibt bisher wenig Literatur, die Legenden aus allen Regionen beinhalten.“ „Du willst ein Buch schreiben?“, fragte Hikari und warf ihr mit hochgezogener Augenbraue einen Blick aus den Augenwinkeln zu. „So in etwa“, antwortete die Erwachsene und lächelte sie an. „Plin-Plinfa?“ Nun hatte auch das Pinguinpokémon den Kopf erhoben und sah sie mit etwas Neugierde an. „Hmm.“ Für einen Moment überlegte Hikari. „Dann kannst du mir auch sagen, was es mit dieser Ruine auf sich hat?“ „Natürlich“, lächelte Shirona. „Der Bronzeturm wurde ursprünglich zu Ehren den legendären Pokémon Lugias, dem Herrscher der Meere, errichtet, als Zwilling zum Zinnturm, auf dem sich Ho-Oh niederließ. Jedoch brach eines Tages ein Feuer aus und der Turm brannte drei Tage und drei Nächte lang. Bei jenem Feuer wurden drei Pokémon getötet. Lugia verließ die Stadt daraufhin und auch Ho-Oh flog hinfort, doch bevor Ho-Oh diesen Ort verließ, belebte es die gestorbenen Pokémon wieder.“ Plinfa sah nun mit noch größeren Augen zum Turm hinauf. „Plinfa“, staunte es, legte dann den Kopf schief und sah noch einmal Shirona an. „Plinfa?“ „Magil“, säuselte das Geistpokémon nun, das im Gegensatz zu den Trainerinnen die genaue Frage des Pinguins verstanden hatte, diesem jedoch ein ungeduldiges Flügelschlagen entlockte. „Plin-Plin!“ „Die drei Pokémon, so sagt man, laufen seither durch das Land, um die anderen Pokémon zu schützen“, fuhr Shirona fort und sah nun ebenfalls zur Ruine hinauf. „Ihre Namen sind…“ „Ihre Namen…?“, harkte Hikari nach, doch ihr Gegenüber antwortete nicht, sondern sah zur Spitze des abgebrannten Turms hinauf. Das Mädchen folgte ihrem Blick und tatsächlich konnte sie die von blassem Licht umgebene Gestalt eines Pokémon auf den verbrannten Brettern entdecken. „Was…?“, setzte sie an, brachte jedoch keine weiteren Worte über ihre Lippen. „Plinfa…“ Im Blick Plinfas neben ihr war etwas Ehrfürchtiges zu erkennen, was bei ihm doch recht selten vorkam. „Plin.“ Damit sah auch es zur katzenhaften Gestalt hinauf. „Suicune“, flüsterte nun die ehemalige Champion, als das Pokémon den Kopf erhob und einen langen, traurig klingenden Schrei ausstieß, der in den Gassen der altertümlichen Stadt widerhallte. Dann, mit einem Mal, stieß sich Suicune vom verbrannten Holz ab und landete direkt auf den mit Moos und Gras überwucherten Steinen gepflasterten Platz vor der Ruine. Für einen Moment sah es die beiden Trainerinnen und ihre Pokémon an, doch dann setzte es mit einem weiteren Sprung über den Zaun, vor dem sie standen, hinweg, flog zwischen ihnen hundurch, landete dann auf der Straße und sprintete weiter. „Plinfa“, flüsterte das Wasserpokémon leise, schien sich jedoch schnell zu fangen. „Irgendetwas scheint nicht zu stimmen“, murmelte Hikari, denn so viel hatte sie erkennen können, auch ohne etwas über Suicune zu wissen. „Sonst hätte es sich nicht gezeigt“, erwiderte Shirona und beide Trainerinnen sahen sich für einen Augenblick an. Dann jedoch nickten sie sich zu und liefen los, in dieselbe Richtung in der Suicune verschwunden war. „Altaria, halt nach Suicune Ausschau!“, rief das Mädchen und warf den Pokéball in die Luft, aus dem sich der blaue Vogel gen Himmel erhob und über die Dächer hinweg flog, um ihnen die Richtung zu zeigen, in die das legendäre Pokémon nun lief. Hikari spürte den abendlichen Wind in ihr Gesicht schlagen und hoffte, dass Plinfa mit ihnen mithalten konnte. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass einige Leute aus den Fenstern schauten, wahrscheinlich weil auch sie Suicune gesehen hatten, doch sie achtete nicht auf sie. Sie merkte, wie ihr Puls raste und das nicht nur des Rennens wegen. Sie hatte ein legendäres Pokémon gesehen, das erste Mal, seit sie Sinnoh verlassen hatte. Es war das erste Mal, seit sich ihre Wege von denen der Jungen getrennt hatten, dass sie überhaupt etwas wirklich ungewöhnliches erlebte. Ein Abenteuer?! Doch mit dem, was sie sahen, als sie Suicune schließlich einholten, hatte sie nicht gerechnet… Kapitel 3: Js Rückkehr? ----------------------- Nur langsam wurde Hikari klar, dass die leblose Statue, die unter den Bäumen, nicht sonderlich tief im Wald stand, eigentlich ein Pokémon war. Jedoch ein Pokémon, das komplett aus Bronze oder einem ähnlichen Metall zu bestehen schien. Ihr Herz setzte für einen Schlag aus. So etwas hatten sie schon einmal gesehen. „Plin-Plin-Plin!“ Aufgeregt lief Plinfa um das scheinbar leblose Pokémon herum, das mit aufgerissenen Maul - ganz so, als hätte es gerade angreifen wollen - erstarrt war. Derweil sah sich auch Suicune aufgeregt um, die Zähne gebleckt und immer wieder leise knurrend. Es beachtete die beiden Trainerinnen nicht, sondern schien vielmehr die Witterung des Verantwortlichen aufnehmen zu wollen. „J“, murmelte Hikari schließlich. Zumindest sahen die Statuen, in die die Jägerin Pokémon dank ihrer seltsamen Waffe hatte verwandeln können, genau so aus wie diese. „Was für ein Pokémon ist das?“, fragte sie dann leise und mit einem mulmigen Gefühl im Magen. „Entei“, erwiderte Shirona. „Es gehörte wie Suicune zu den Pokémon, die von Ho-Oh nach dem Brand im Bronzeturm wiederbelebt wurden.“ Das Mädchen sah auf das erstarrte Pokémon. Es war ein legendäres, aber wieso war es hier? Wieso war das mit ihm geschehen? Was war überhaupt geschehen? War J damals nicht gestorben? Hatte Shigeru nicht davon erzählt? Und wenn es J gewesen wäre - wieso hätte sie die Statue zurückgelassen? Aber die Art der Bronzestatue… Sie trug Js Handschrift. Da ließ Altaria sie mit einem Gurren aus ihren Gedanken aufschrecken und im nächsten Moment hörten sie die Sirene eines Polizeiautos oder besser gesagt eines Polizeimotorrades. Das Licht der Scheinwerfer fiel durch die Bäume - offenbar war die Straße nicht einmal sehr weit entfernt - und während die beiden Frauen in die Richtung blickten, aus der die Polizistin zu kommen schien, verschwand Suicune im Wald. Schließlich reagierte Hikari und löste sich aus ihrer Starre. „Junsa-san!“, rief sie aus und lief auf die Bäume zu hinter denen sich die Straße zu verbergen schien. „Plin-Plinfa!“, fiel auch das blaue Pokémon in ihr Rufen mit ein und folgte ihr ohne zu überlegen, während Altaria zusammen mit Traunmagil und dessen Trainerin bei Entei zurückblieb. Das Motorrad hatte sie bereits fast erreicht, als Hikari aus dem Gebüsch und auf die Straße sprang, so dass die Polizistin gerade noch rechtzeitig stoppen konnte. Erst schockiert und überrascht, dann wütend sah die Junsa sie an. „Was machst du denn da, Mädchen? Ich hätte dich beinahe angefahren.“ Das war dem Mädchen durchaus bewusst, während sie für ein paar Sekunden des kurzen Sprints wegen verschnaufte. „Pli-Plin! Plinfa-fafa!“, erklärte Plinfa derweil aufgeregt, wenngleich die Officer dadurch wahrscheinlich auch nicht klüger wurde. „Was ist denn los?“, fragte sie nun. „Ein Pokémon“, keuchte Hikari. „E-Entei… Im Wald. Es ist erstarrt. Zu… Zu einem Metall.“ „Entei?“, wiederholte die Polizistin. „Was redest du da? Entei ist ein legendäres Pokémon. Wie kann es…“ Doch Plinfa unterbrach sie aufgeregt. „Plinfa! Plin!“ „Bitte, kommen Sie mit“, flehte die Trainerin. „Wir…“ Sie brach ab. Wahrscheinlich würde es noch unglaubhafter klingen, wenn sie sagte, dass Suicune sie hierher geführt hatte. „Sie müssen es sich ansehen.“ „Aber ich bin gerade auf einem Einsatz“, widersprach die Junsa. „Ich habe dafür jetzt keine Zeit. Ich…“ Doch erneut wurde sie unterbrochen, dieses Mal von einer Stimme, die aus dem Schatten der Bäume kam. „Sie lügt nicht.“ Hikari fuhr herum. „Shirona-san“, stieß sie erleichtert aus. Immerhin war sie sich in einer Sache sicher: Der ehemaligen Champion der Sinnohregion würde man glauben schenken. „Aber“, setzte die Junsa an. „Aber Entei…“ „Es ist nicht weit“, erklärte Shirona ruhig. „Kommen Sie bitte mit.“ Noch immer zögerte die Polizistin, doch schließlich nickte sie und folgte ihnen in den Wald. Mittlerweile war die Nacht völlig hereingebrochen und von einem leichten roten Schimmer im Westen abgesehen, war der Himmel nun komplett in dunkles Blau getaucht. So war es zwischen den Bäumen, wo das Licht der ersten Sterne sie kaum erreichte, beinahe stockdunkel, weshalb die Junsa schließlich ihre Taschenlampe vom Gürtel löste und den Weg vor ihnen ausleuchtete. Als der Strahl der Lampe jedoch auf das erstarrte Pokémon traf, hielt sie inne. Ihre Augen wanderten über die Szenerie, in Unglaube geweitet. „Plinfa, plin!“, entrüstete sich nun Plinfa, offenbar wütend darüber, dass die Polizistin ihnen zuvor nicht geglaubt hatte. Einmal wieder stemmte es die Flügel in die Seiten und sah sie herausfordernd an, wurde aber völlig ignoriert. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren wandte sich die Junsa ab und ging durch das Gebüsch zurück zur Straße. „Plinfa“, empörte sich das Wasserpokémon nun noch aufgebrachter und wollte ihr offenbar nachstürmen, als Altaria es jedoch mit einem recht unzufriedenen Tonfall gurrend seinen flauschigen Flügel ausstreckte, um das kleine Pokémon aufzuhalten, und zu Hikari sah. Diese zögerte kurz, sah dann zu Shirona, dann zu Entei. Konnten sie es hier einfach allein lassen? So wie es nun war, konnte es sich nicht wehren. Doch wenn wirklich J hinter alle dem steckte, würden sie ihm wahrscheinlich auch nicht so leicht helfen können. Während sie noch mit sich haderte, nickte Shirona ihr zu und machte sich daran der Junsa zu folgen, während Traunmagil weiterhin ihren Kopf umkreiste. So seufzte Hikari und sah noch einmal zu Entei, ehe sie Altarias Pokéball von ihrer Tasche löste und es zurückrief. „Danke, Altaria“, murmelte sie. „Ruh dich erst einmal aus.“ Sie ahnte, dass diese Nacht und der nächste Tag noch sehr anstrengend werden würden. Mit dem immer noch wütend schmollenden Plinfa auf dem Arm folgte sie Shirona und der Polizistin, die mittlerweile ihr Motorrad wieder erreicht hatte und nun in das dort eingelassene Walkie-Talkie sprach. „Wir haben einen weiteren Fall“, hörte Hikari sie noch sagen. „Auf Route 37, in der Nähe von Teak City.“ Für einen Moment Stille. „Das Pokémon… Ist Entei. Ja, Entei.“ Dann schaltete sie das Gerät aus und sah die beiden Trainerinnen an. „Und ihr erzählt mir jetzt, was genau passiert ist.“ Etwas mehr als eine Stunde später war Hikari um folgende Dinge klüger: Die Junsa, die sie auf Route 37 getroffen hatten, war eigentlich die Junsa aus Oliviana City, hieß Maya und war die Schwester der Junsa aus Teak City, Mari, die müde vor ihnen in der behelfsmäßigen Küche der Polizeiwache von Teak City stand und einen Kaffee kochte. Junsa Maya war auf dem Weg in Richtung Dukatia gewesen, da die Pokémon hier und auch in Viola bereits den ganzen Abend unruhig gewesen waren. Und außerdem hatte sie erfahren, dass Entei nicht das erste Pokémon war, dass auf diese Art und Weise aufgefunden wurde. „Die Spur zieht sich von Oliviana hierher“, hatte Maya gesagt. Sie nahmen an, dass, wer auch immer für das Erstarren der Pokémon verantwortlich war, in Oliviana an Land gegangen war. „Ein Pokémon Hunter sagt ihr?“, fragte Maya, die ihnen gegenüber am kleinen Tisch der Küche saß. „Ja, sie nannte sich J“, antwortete Shirona, während Hikari nervös auf die Tischkante vor sich starrte. Sie fühlte sich bei der ganzen Geschichte nicht wohl, immerhin hatte Maya sie zuerst verdächtigt für die Sache mit Entei verantwortlich zu sein. Überhaupt wäre sie wesentlich lieber draußen gewesen, hätte lieber versucht herauszufinden, wer dafür verantwortlich war. Vielleicht hätten sie Suicune weiter folgen sollen. Aber hier in der Polizeiwache zu sitzen und einfach zu reden, erschien ihr im Moment als Zeitverschwendung. „Plinfa?“ Ihr Pokémon saß nun auf ihrem Schoß und sah sie an, da es offenbar merkte, wie bedrückt sie war. „Ist schon in Ordnung“, flüsterte sie und lächelte angestrengt. „J“, murmelte Mari nun. „Davon hab ich etwas gehört. Sie war sehr rücksichtslos, hieß es.“ „Aber nach unserem Wissen ist sie vor etwas mehr als vier Jahren gestorben“, erwiderte Shirona. „Allerdings sah Entei genau so aus, wie die Pokémon, die sie zu Statuen verwandelt hat. Und sie hat schon einmal bewiesen, dass diese Technik auch bei legendären Pokémon funktioniert.“ Hikaris Hände verkrampften sich. „Aber wieso“, fragte sie leise. „Wieso hätte sie Entei zurücklassen sollen? Oder die anderen Pokémon…“ Sie sah auf. „J war die ganze Zeit auf den Profit aus. Sie hat Pokémon verkauft - sie hätte kein Legendäres zurückgelassen.“ „Ich weiß“, murmelte Shirona. „Aber ich frage mich, wer sonst über diese Technik verfügt und was sein Ziel ist.“ Nach diesen Worten herrschte für einige Augenblicke Stille, in der offenbar niemand so richtig wusste, was er sagen sollte. Die Uhr an der Wand zeigte an, dass es bereits kurz vor zehn war. Derjenige, der Entei versteinert hatte, war mittlerweile sicher schon weit weg. Vielleicht hatte Suicune ihn gefunden?! Vielleicht hatte Suicune aber auch dasselbe Schicksal ereilt wie seinen Bruder. Vielleicht… Diese doch recht trübsinnigen Gedanken wurden vom Klingeln des Telefones im vorderen Teil der Wache unterbrochen. Für einen Moment sahen auch die beiden Junsa überrascht auf, so als wüssten sie gar nicht, woher das Geräusch kam. Dann lief Mari, welche nur von ihrer Schwester zu unterscheiden war, da sie Jeans und T-Shirt statt der Uniform trug, aus dem Raum. Einige Sekunden später war ihre Stimme aus dem Hauptraum der Wache zu vernehmen. „Ja. - Ja. - Sicher. - Wir hatten…“ Sie brach ab, da sie offenbar von dem Anrufer oder der Anruferin unterbrochen worden war. „Was?“, klang ihre entsetzte und ungläubige Stimme dann in die kleine Küche hinüber. „Natürlich, ich komme sofort.“ Und einen Moment später stürmte sie schon zu ihnen ins Zimmer herein. „Maya, der Anruf kam aus Dukatia. Wie es aussieht wurde diejenige, für die Pokémon verantwortlich ist gesehen… Sie…“ Sie brach ab und ihr Gesichtsausdruck verriet deutlich, dass sie selbst kaum glaubte, was sie sagte. „Es wurde gesagt, dass sie gegen… Gegen Raikou und Suicune kämpft!“ Kapitel 4: Gewitterwolken ------------------------- Der Geländewagen von Mari – der Junsa aus Teak City – rauschte Route 35 entlang. Es war ein älterer Wagen und hatte, ähnlich dem, den Shirona in Sinnoh gefahren war, ein offenes Verdeck, so dass ihnen die doch recht kühle Nachtluft in die Gesichter schlug. Langsam verschwand auch das letzte Licht im Westen vom Himmel, dessen Sterne in dieser Nacht furchtbar blass wirkten. Selbst das sonst vorlaute Plinfa war ruhig geworden und saß missmutig in Hikaris Schoß. Obwohl sie erst zehn Minuten fuhren, fröstelte Hikari bereits, wenngleich sie sich selbst nicht sicher war, ob dies des Windes oder der Ungewissheit wegen war. Das flaue Gefühl, dass sich bereits beim Anblick der Ruinen in ihr breit gemacht hatte, war nun so stark, dass ihr übel war. Denn egal, wer Entei hatte erstarren lassen, er oder sie musste ein böser Mensch sein. J war ein böser Mensch gewesen - jedenfalls in Hikaris Augen. Und noch immer rätselte sie, warum die Statue zurückgelassen worden war. Überhaupt – wieso waren so viele Pokémon erstarrt? War es wirklich J – oder jemand anderes mit einer ähnlichen Technologie? „Plinfa“, gab ihr Pokémon leise von sich, als sie in der Ferne das Grummeln von Donner hörten. Plinfa erhob sich in ihrem Schoß und sah mit nun nahezu ängstlichem Ausdruck in die Richtung, aus der der Donner kam. Der nächtliche Himmel genau in der Richtung, in der sie fuhren, war schwarz, wurde jedoch immer wieder von Blitzen erhellt. „Raikou“, flüsterte Shirona. Hikari folgte ihrem Blick. „Raikou?“ War es wirklich ein legendäres Pokémon das dort kämpfte? Ohne das die kleine Gruppe, die von Norden mit einem Auto auf dem Weg nach Dukatia war, es wusste, waren zwei weitere Trainer ebenfalls auf dem Weg zur Stadt und das mit genau demselben Ziel, wie Hikari, Shirona und die beiden Junsas. Sie wollten Raikou und natürlich auch Suicune im Kampf gegen denjenigen, der die Pokémon in Statuen verwandeln konnten, beistehen. Jedoch waren diese beiden Trainer nicht in einem Auto oder auf einem Fahrrad unterwegs, sondern auf dem Rücken eines Pokémon, eines Tropius um genau zu sein. Doch je näher sie dem Zentrum des Gewitters kamen, desto schwerer fiel es dem Pflanzenflugpokémon sich in der Luft zu halten und desto schwerer wurde es auch für die beiden Trainer sich auf dem Rücken Tropius’ zu halten. „Wir müssen bald da sein“, rief einer der beiden Trainer, um genau zu sein eine Trainerin, gegen den Wind an, als Tropius in einen Sturzflug verfiel, um sie gerade noch rechtzeitig vor einem Blitz zu retten. Sie hatte dunkles Haar, welches sie schon seit Jahren meist zu zwei Zöpfen gebunden trug, und eine weiße Jacke wehte hinter ihr im Wind, während sie die Arme um den Rücken ihres Partners – ein Trainer etwa im selben Alter – geschlungen hatte, um sich festzuhalten. Der junge Mann nickte nur, als ein andere Pokémon, etwa von derselben Größe wie Tropius, ihnen entgegen kam und schließlich neben ihnen schweben blieb. „Libelldra!“, rief der Junge erleichtert aus. „Hast du sie gefunden?“ Das Pokémon nickte und stieß einen Laut aus, der einem gerollten „r“ glich, ehe es einige Male mit seinen Flügeln schlug und ihnen dann vorausflog. „Raikou“, flüsterte das Mädchen und starrte auf die Landschaft die unter ihnen vorbeiflog. Nicht weit entfernt konnten sie die Lichter der Stadt – Dukatia City – erkennen, die jedoch nicht das Zentrum des Gewitters war. Dieses schien vielmehr im Nordosten zu liegen, wo die Landschaft hügelig und mit wenigen Bäumen bewachsen war, ehe hinter einem der vielen Wälder der Region irgendwo die Alphruinen lagen. Ein weiterer Blitz zuckte über den Himmel und schlug direkt auf der Spitze eines Hügels ein. „Da sind sie!“, rief Kenta – der Junge vor ihr – und zeigte direkt auf den Hügel, während das Libelldra bereits dorthin hinabflog. Auch Tropius setzte nun zu einem Sturzflug an, so dass sich das Mädchen – Marina – noch fester an ihren Gefährten klammern musste, der seine Arme wiederum um den Hals des großen Pokémon geschlungen hatte. Jedoch hielt sie auch dies nicht davon ab, suchend auf den Hügel hinabzublicken, ehe sie das tigerartige Pokémon Raikou erblickte. „Raikou“, rief sie aus und sprang, noch bevor sie ganz auf den Boden aufgesetzt hatten von Tropius’ Rücken um zu dem legendären hinüberzulaufen. Da sprang jedoch ein anderes Pokémon vor sie, knurrte sie an und versperrte ihr den Weg. „Das ist Suicune“, hörte sie Kenta hinter sich murmeln, doch ihre Aufmerksamkeit galt noch immer Raikou, das nun ebenfalls zu ihr herübersah und knurrte. „Was ist denn los?“, fragte sie leise, doch da sprang Suicune auf einmal fort zum Hang des Hügels, wo – wie sie nun erkannte – ein weiteres Pokémon stand. „Ein Despotar!“, rief Kenta, ehe das Unlichtpokémon das Maul öffnete und im nächsten Moment einen Hyperstrahl in ihre Richtung feuerte, der sie jedoch verfehlte, da es einen Augenblick später von Suicune getackelt wurde und das Gleichtgewicht für den Bruchteil einer Sekunde verlor. Nun rannte auch Raikou los um das Pokémon anzugreifen, sprang jedoch einen Augenblick später zurück, als ein heller Blitz, wie eine Kugel aus Licht nicht weit von ihm auf den Boden schlug. „Was...“, flüsterte Marina und starrte auf die Stelle, die nun mit einer Art Metall überzogen zu sein schien. Erneuter Donner. Ein Blitz zuckte von Himmel und traf Raikou, lud es mit Energie auf, die es einen Augenblick später in Richtung des Despotar in einem Donnerblitz wieder entlud. Für einen Augenblick schien es, als hätte diese Attacke gereicht, obwohl sie gegen den Boden-Unlicht-Mischtyp von Despotar eigentlich hätte im Nachteil sein müssen. Doch die Kraft eines legendären Pokémon war nicht zu verachten und Despotar ging zu Boden. Dann jedoch kämpfte es sich zitternd hoch und feuerte erneut einen Hyperstrahl in ihre Richtung ab, der in der Luft mit Suicunes Eisstrahl kollidierte. „Was geht hier vor?“, brachte Marina hervor und sah zwischen den Pokémon hin und her. „Was...“ Es war Dr. Utsugi gewesen, der sie vor etwa vierzig Minuten auf dem PokéCom angerufen hatte und ihnen von dem plötzlich aufgezogenen Gewitter erzählt hatte, das nur ein Zeichen für Raikous Wut sein konnte. Deswegen waren sie hierher geflogen, denn sie hatten sich vor einigen Jahren bereits geschworen Raikou zu beschützen, so wie es auch sie beschützt hatte. „Sieh' einer an“, hörten sie nun eine Stimme hinter dem Despotar, welches knurrend inne hielt und wie erstarrt wartete. „Was wir das? Verstärkung oder seid ihr nur zufällig hier?“ Nun erkannten sie auch die Gestalt, die hinter dem großen Pokémon stand. Es war eine Frau, so viel konnten sie erkennen, doch ihr schwarzer Umhang, der alles, bis auf ihren Kopf umhüllte, hatte sie in der Dunkelheit bisher beinahe unsichtbar gemacht. „Wer sind Sie?“, rief Kenta sofort mit geballten Fäusten, während Libelldra kampfbereit über ihm schwebte. „Wer fragt das?“, erwiderte die Frau mit amüsierter Stimme. „Ich habe zuerst gefragt“, erwiderte der Junge. Doch anstatt dass die Frau noch etwas sagte, sahen sie nur ein rotes Licht durch die Luft zucken und einen Moment später schwebte ein Panzaeron neben. Eine eindeutige Antwort: Sie wollte nicht reden, sondern kämpfen. „Libelldra“, rief Kenta. „Feuerodem!“ Marina zögerte für einen Moment, während das Libellenpokémon bereits den Feuerstrahl in Richtung des anderen Flugpokémon feuerte. Dann löste sie jedoch auch einen Pokéball von ihrem Gürtel. „Sunny! Setzt Blubbstrahl gegen Despotar ein!“ Ein Corasonn erschien vor ihr und begann, kaum war es aus dem Ball befreit, den Strahl aus Blasen gegen das Gesteinspokémon zu schleudern. Doch dieses reagierte nicht, ja, es schien beinahe als würde ihm die Attacke nichts ausmachen. Auch Suicune und Raikou, die die beiden Trainer für einige Augenblicke musterten, wandten sich nun wieder den Gegnern zu. Ein Donner traf das Panzaeron, während Suicunes Hydropumpe sich mit dem Blubbstrahl von Corasonn vereinte. „Geben Sie auf!“, rief Kenta nun erneut zu der fremden Frau hinüber, die seelenruhig, als seien die Verletzungen, die ihre Pokémon erlitten, ihr egal, von der Finsternis umhüllt am Rand des Hügels stand. Ein Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit, jedoch kein fröhliches Lächeln. Nein, es konnte nicht einmal als siegesgewiss bezeichnet werden, sondern viel eher als ein verrücktes Grinsen, das ihr Gesicht seltsam verformt wirken ließ. „Panzaeron – Metallsound!“ Und im nächsten Moment drückte eine Welle furchtbaren Krachs sie beinahe zu Boden. Marina warf ihre Hände über die Ohren, doch auch das machte es nicht besser. Die Pokémon brachen ihre Angriffe ab und dann feuerte das Despotar einen weiteren Hyperstrahl auf sie ab. Der Boden unter ihren Füßen brach auf und ehe sie überhaupt verstehen konnten, was gerade geschah, wurden sie durch die Luft geschleudert. Marina merkte, wie Kenta sie irgendwie in der Luft auffing, ehe sie einen Augenblick später auf ihn fiel und zusammen mit ihm noch einige Meter über den trockenen Boden schlitterte. „Sunny!“, rief sie, kaum fühlte sie sich sicher genug, um sich aufzurichten und sah sich nach ihren Corasonn um. „Raikou!“ Ihr Blick fiel auf die beiden Raubkatzen, die zusammengekrümmt ein ganzes Stück am Fuß des Hügels lagen. Auch ihr Corasonn und Kentas Libelldra lagen nicht weit von ihnen entfernt, während Tropius etwas hinter ihr und Kenta gelandet war, von allen jedoch am wenigsten verletzt schien, da es sich bereits aufrichtete. „Marina, warte!“, hörte sie den Jungen hinter ihr rufen, doch sie rannte bereits zu den vier Pokémon hinüber. „Sunny!“ Neben dem Wasserpokémon ging sie in die Knie. „Sunny, bist du okay?“ Das Pokémon blinzelte kurz und ließ ein schwaches „Sonn“ hören, ehe die Augen wieder schloss. Bedrückt holte das Mädchen den Pokéball hervor. „Komm zurück. Du musst dich ausruhen.“ Damit stand sie wieder auf und ging zu Raikou herüber. „Raikou“, flüsterte sie und strich durch das gelbe Fell des Legendären. „Raikou, kannst du mich hören?“ Es ließ ein Knurren hören, doch dann richtete es den Kopf auf einmal auf und sah hinter das Mädchen. Es feuerte einen kleinen, jedoch viel zu schwachen Blitz auf die Frau mit wehendem Haar seelenruhig den Hügel herunter lief. Doch diese hob nur ihren linken Arm, an den eine merkwürdige Metallschiene montiert war und der Blitz schien sich aufzulösen, bevor er sie überhaupt erreicht hatte. „Ein Schild?“, flüsterte Marina ungläubig. Ein von Menschen generiertes Schild, das stark genug war, um die Attacke eines legendären Pokémons zu stoppen? Dann – ohne ein weiteres Wort – richtete die Frau die Öffnung, die vorne in der Metallschiene eingelassen war, auf Raikou. Ein Lichtblitz, wie sie es bereits vorher gesehen hatten, schoss durch die Luft, dann noch einer, und als sich Marina zu den beiden Pokémon umdrehte schienen diese zu seltsamen Statuen erstarrt zu sein. „Was...“, flüsterte sie ungläubig, ehe sie auf einmal herumfuhr. „Was haben sie mit ihnen getan?“ Sie sprang auf die Beine und wollte die Frau angreifen, als ein weiterer Lichtblitz die Dunkelheit durchzuckte. Das war das letzte, was Marina sah. Kapitel 5: Verzweifelung und Rachedurst --------------------------------------- Ein verzweifelter Schrei hallte über die nächtliche Ebene hinweg. „Was war das?“, flüsterte Hikari und sah sich mit erschrockenem Blick um. Dabei erkannte sie ihr Altaria, das in ihre Richtung geflogen kam. Einen Augenblick später kreiste es über ihnen und signalisierte mit Schreien, dass es wohl gefunden hatte, wonach sie suchten. „Plinfa“, gab das Pokémon zu ihren Füßen von sich und sah aufgeregt in eine Richtung, wenngleich Hikari nicht hätte sagen können was in dieser Richtung lag. „Plinfa!“ „Was ist los?“, fragte sie und folgte dem Blick und Zeig ihres Pokémon. Als sie aber nichts erkannte sah sie erneut zu Altaria hinauf, ehe sie rief: „Ich glaube, Altaria hat etwas entdeckt.“ Nur wenige Sekunden später tauchte links von ihr ein Absol zwischen zwei der Bäume, die verstreut über die Hügel standen, auf, dicht gefolgt von seiner Trainerin - Shirona. Diese sah nur ebenfalls zu Altaria hinauf und nickte. „Was habt ihr entdeckt?“, kam nun eine Stimme von rechts, als ein Fukano zusammen mit zwei Junsâs, von denen nur eine ihre Uniform trug, auftauchte. Hikari schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht.“ Dann hob sie ohne ein weiteres Wort Plinfa vom Boden und rannte in die Richtung, in die das Drachenpokémon bereits voraus flog. Schnell hatte das Absol Shironas zu ihr aufgeschlossen und überholte sie schließlich, während sie den Hang eines Hügels hinausrannte. Als sie jedoch oben anbekam blieb sie stehen und sah auf das Szenario, das sich unter ihr erstreckte hinab. „Plinfa“, fiepte der Pinguin mit hängendem Kopf. „Plinfa…“ Nun kam auch Shirona neben ihnen zu stehen, während Absol bereits halb ins Tal vor ihnen hinab gelaufen war. „Was…“ Auch die ältere Trainerin erstarrte, als sie das Szenario erblickte. Auf der ganzen Fahrt nach Dukatia waren sie von Blitzen und Donner begleitet worden, die irgendwo aus dem Südosten zu kommen schienen, dann jedoch, als sie den Zentrum des Unwetters beinahe erreicht hatten, einfach verstummt waren. Sie hatten Raikou suchen wollen, hatten herausfinden wollen, wer für die Erstarrung der Pokémon verantwortlich war, auch wenn sie bereits, als keine weiteren Blitze mehr über den Himmel gezuckt waren, geahnt hatten, dass sie zu spät waren. Gerade, als Fukano zusammen mit den zwei Polizistinnen bei ihnen ankam, erkannte Hikari etwas im Tal unter ihnen. Eine Bewegung - und es war nicht die, eines Pokémon. „Ein Trainer!“, rief sie aus, ehe sie im nächsten Moment ins Tal losrannte, in dem offenbar drei Statuen standen. „Hikari!“, hörte sie Shirona hinter sich, wie auch einen aufgeregten Ruf Plinfas, aber stehen blieb sie nicht. Erst später wurde sie sich dessen bewusst, dass der Trainer auch derjenige hätte sein können, der für all das verantwortlich war. Doch daran dachte sie in dem Moment, als sie losrannte nicht. Das einzige, an das sie denken konnte, war der verzweifelte Schrei, den sie zuvor gehört hatte. Aber auch der Trainer - ein junger Mann, wie sie an seinem Körperbau erkennen konnte - ignorierte die Rufe vom Hang des Hügels. Er wandte sich ab, befestigte etwas - wahrscheinlich einen Pokéball - an seinem Gürtel und lief in Richtung der Lichter der Stadt davon, bis Absol ihm mit einem Knurren den Weg abschnitt. Er zuckte zusammen und drehte sich langsam zu Hikari um, als diese ihn erreichte. Sein Gesicht schien verzerrt, so als wäre er gerade aus einem Alptraum aufgewacht, ohne sich sicher zu sein, ob es ein Traum war. Und es war tatsächlich kein Traum. Hikaris Blick wanderte zu den Bronzestatuen hinter ihnen. Zwei davon waren die von Pokémon, zum einen Suicune und zum anderen, wie sie annahm, Raikou. Doch die dritte war es, die auch sie zweifeln ließ, ob dies Realität oder einfach eine Illusion war. Es war ein Mensch, eine Frau, die dort wie die Pokémon erstarrt war - einen Pokéball in der Hand. Und das seltsame war, dass sie Hikari irgendwie bekannt vorkam. „Wer seid ihr?“, keuchte der Junge, ohne das sich sein Gesichtsausdruck änderte. „Ich…“, setzte Hikari an. Sie warf einen letzten Blick auf die Statuen, wandte sich dann jedoch ihm zu. Auch ihre Mimik war entgleist, wie sie spürte. Sie musste schlucken, um vernünftig sprechen zu können. „Ich bin Hikari.“ Für einige Sekunden haftete sein Blick auf ihr, wanderte dann jedoch zu Shirona, die hinter dem Mädchen stehen geblieben war. „Mein Name ist Shirona“, erwiderte sie. „Wir sind aus Sinnoh.“ Er sah zwischen ihnen hin und her, offenbar unfähig irgendwelche weiteren Worte zu fassen. „Was ist hier passiert?“, durchschnitt Mayas Stimme nach einigen Augenblicken des Schweigens, die sich wie eine Ewigkeit hinzogen, die Stille. „Hast du die Pokémon erstarren lassen?“ Wenn dies überhaupt noch möglich war, weiteten sich die Augen des jungen Mannes, der wahrscheinlich etwas jünger als Shirona war. „Nein“, flüsterte er. „Nein, ich war das nicht… Das… Marina!“ „Marina?“, fragte die Junsâ, während ihre Schwester ein Stück hinter ihr stehen geblieben war, offenbar selbst zu geschockt von dem was sie sah. Immerhin hatte keiner von ihnen damit gerechnet, dass sie eine menschliche Statue finden würden. Nein - sie hatten ja nicht einmal geahnt, dass dies überhaupt möglich war! „Ist Marina der Name derjenigen, die…“, fuhr Maya fort, aber weiter konnte sie nicht sprechen, ehe der Junge sie unterbrach. „Nein, Marina…“ Er zeigte auf die Statue. Da kam es Hikari auch wieder in den Sinn, was sie bis daher nicht wirklich erkannt hatte. Die menschliche Statue, die Trainerin, die ihr so bekannt vorkam. Es war Marina, die Top Koordinatorin aus Johto. Marina, die sie schon, als sie ein Kind war, bewundert hatte. Für eine Weile schwiegen sie, doch dann war es erneut Shirona, die das Wort an sich riss. „Was ist passiert? Wer ist es gewesen?“ Noch immer sah er sie fassungslos an. Doch schließlich schaffte er zu sprechen. „Sie… Hatte eine Waffe. Eine Armschiene. Sie… Sie hat sie damit versteinert.“ „J“, flüsterte Hikari. „Weißt du, wer sie war?“, fragte die ältere Trainerin weiter, doch der Junge schüttelte den Kopf. „Nein… Sie… Sie will Celebi.“ Das Mädchen sah auf. „Celebi?“ „Plinfa?“, fragte auch das Pokémon neben ihr und sah zu ihm auf. „Ein anderes legendäres Pokémon“, erklärte Mari und trat nun näher an sie heran, wenngleich auch ihre Mimik nicht weniger geschockt wirkte, als die des Jungen. Einzig Shirona wirkte noch immer relativ gefasst. „Man sagt, dass es im Steineichenwald lebt.“ „Der Steineichenwald - dorthin will sie als nächstes… Glaube ich“, hauchte der Junge leise. „Ich… Sie wird dafür büßen.“ Er machte Anstalten, sich abzuwenden und weiter zu laufen, nun wo Absol zur Seite getreten war, doch Maya griff unsanft nach seinem Arm. „Woher weißt du das?“, fragte Maya. Der Junge schwieg und starrte sie erneut an. „Sie hatte so etwas, wie ein Funkgerät, glaube ich. Sie hat mit jemanden geredet…“ Er brach ab, wandte seinen Blick wieder den Statuen zu, ehe er leiser fortfuhr. „Sie… Sie sagte etwas von einem Auftrag. Und dass sie ihre Bezahlung haben wollte. Im Steineichenwald. Sie sagte, sie sollen ihr Celebi geben.“ „Wer sind ‚sie‘?“ Misstrauisch sah die Junsâ ihn an. Aber alles was er tat, war den Kopf zu schütteln. „Ich weiß es nicht.“ Auf einmal sah er müde aus, bevor sich sein Blick verhärtete. „Aber ich werde sie aufhalten! Ich werde Marina rächen! Wenn ihr mich nicht gehen lasst…“ Er löste einen Pokéball von seinem Gürtel. Shirona lächelte. „Glaub nicht, dass du so leicht mit uns fertig würdest.“, meinte sie, wenngleich ihre Stimme sagte, dass sie nicht vorhatte zu kämpfen. Da trat auf einmal Mari zu ihnen heran. Sie legte dem Jungen eine Hand auf die Schulter. „Wir nehmen den Wagen“, meinte sie dann. „Komm.“ Die rothaarige Frau sah auf den seltsamen Pokéball in ihrer Hand. Es war ein seltsamer Ball, dessen Oberseite aus purem Gold gemacht, während der untere Teil von Silber zu sein schien. Über dem Marker in der Mitte des Balls waren die Initialen GS eingraviert. „Was soll das?“, fragte sie scharf und sah den Mann vor sich an, dessen Gesicht halb maskiert war. Er trug, ihr nicht unähnlich, einen langen Umhang, der seinen ganzen Körper umhüllte und eine Kapuze verhüllte seinen Kopf größtenteils - ließ nur das Gesicht frei. Seine Lippen formten ein gemeines Grinsen, während seine stechenden Augen sie durch die dunkle Maske hindurch betrachteten. „Ich habe gefragt, was das soll!“, rief die Frau nun aufgebrachter aus. Sein Grinsen wurde noch breiter. „Was soll was?“, fragte er amüsiert und beobachtete, wie ihre Gesichtszüge entgleisten. „Wollt ihr mich verarschen?“ Ihre Hand, die den Ball umklammert hielt, begann zu zittern. „Ihr habt mir Celebi versprochen! Ich habe euch die Katzen wie abgemacht verschafft! Und nun drückt ihr mir einen veredelten Pokéball in die Hand? Ist das euer Ernst?!“ Sie spukte vor seine Füße. Doch sein Grinsen verblasste nicht. „Nun, du hast dich als durchaus fähig bewiesen legendäre zu finden. Dieser Ball wurde vor langer Zeit speziell für Celebi gebaut. Er ist das einzige Item, das es möglich macht Celebis Kräfte zu kontrollieren.“ Seine Stimme klang wie die eines Erwachsenen, der ein Schulkind belehren wollte. „Das war nicht unsere Abmachung!“, rief sie aus. „Dir war Kontrolle über die Kraft Celebis versprochen“, erwiderte er. „Lies dir Verträge durch, bevor du sie unterschreibst.“ Sie sah ihn mit einem Blick an, der ihn wahrscheinlich getötet hätte, wären menschliche Blicke dazu fähig. „Ich weiß genau, was in dem Vertrag stand. Sag deinem Boss…“ Dieses Mal unterbrach er sie. „Soll ich ihm sagen, dass du den Ball nicht willst? Du kannst ihn mir gerne wieder geben.“ Seine Miene zeigte, sofern man sie erkennen konnte, wie sicher er sich seiner Überlegenheit war. Noch sicherer wurde er, als sie, nach einigen Sekunden des Schweigens die Hand mit dem Ball einzog und diesen unter ihrem Umhang verstaute. „Du bist letzten Endes doch ein vernünftiges Mädchen, eh? Willst deinen Geliebten…“ Doch weiter kam er nicht, ehe sie die Schiene an ihrem Arm auf ihn gerichtet hatte. „Um euch werde ich mich noch später kümmern“, zischte sie. „Und jetzt sag mir, wo in diesem verdammten Wald ich Celebi finde. Ich habe keine Ewigkeit Zeit!“ Sie sah zum Mond hinauf, der zwischen den Bäumen, die die Lichtung umgaben, sichtbar war. „Ich habe schon zu lange gewartet…“ Kapitel 6: Die Brücke zur Vergangenheit --------------------------------------- Die Bäume leuchteten. Es war nahezu unheimlich, aber alle Bäume strahlten ein sanftes, türkises Licht aus, während sie sich zu einer lautlosen Melodie im Wind bewegten. Ein seltsames, aber fantastisches Bild. Wahrscheinlich hätten sie es sogar genossen, wären sie aus anderen Gründen in diesen Welt gekommen. Doch so sahen sie vorsichtig von einem Baum zum nächsten, erwarteten die Gefahr hinter jedem Stamm. Woher sollten sie wissen, ob J oder wer auch immer für all das verantwortlich war nicht in der Nähe war, sie vielleicht sogar beobachtete? Zusammen mit Mari, Shirona und dem Jungen Kenta lief Hikari zwischen den Bäumen umher, immer tiefer in den Wald hinein. Maya war am Wagen zurückgeblieben und Verstärkung zu holen, aber sie waren sich alle einig geworden, dass sie nicht länger warten konnten. Wenn sie nicht gingen, würde die Jägerin entkommen - vielleicht war sie das sogar schon. Vielleicht waren sie schon zu spät und Celebi war gefangen. Warum wollte sie Celebi überhaupt? „Man sagt, dass Celebi am See in der Mitte des Waldes lebt“, meinte die Junsâ Mari leise, so als erwarte sie belauscht zu werden. „Wenn… Nun, wer auch immer die Pokémon und Marina hat erstarren lassen… Wenn sie Celebi sucht und es noch nicht gefunden hat, wird er wahrscheinlich dorthin gehen.“ Niemand antwortete etwas darauf. Nicht einmal Plinfa, das sich scheinbar ebenfalls bemühte ruhig zu sein, während es über den nicht ganz ebenen Waldboden schlich. Vor ihnen lief Absol her, während irgendwo über dem Wald Altaria und das Tropius Kentas Ausschau nach der Verbrecherin hielten. Doch dabei fühlte sich Hikari noch immer recht unwohl: Was, wenn Altaria genau so endete, wie die legendären Pokémon? Was, wenn es jetzt schon bereits irgendwo in diesem Wald als eine Bronzestatue am Boden lag? Es war eine leichte Berührung auf ihrer Schulter, die sie - halb erschrocken - aufsehen ließ. Shirona hatte ihr für einen kurzen Moment die Hand auf den Rücken gelegt und lächelte ihr nun kurz zu. „Mach dir keine Sorgen“, meinte sie, ehe sie sich wieder von ihr entfernte. Hikari blickte vor sich. Sie lief direkt hinter Mari, in etwa auf gleicher Höhe mit ihr war Shirona, während Kenta ihnen mit ein paar Schritten Abstand folgte. Der Junge sah mittlerweile einfach nur elendig aus. Während der Fahrt hatte Hikari den Eindruck gehabt, dass er mit den Tränen gekämpft hatte, während er schweigend nach vorn gestarrt hatte. Nun sah er aus, als könnte er jeden Moment in Ohnmacht fallen. Irgendwie wollte sie ihm helfen, aber sie wusste nicht wie. Was sollte sie sagen? Sie kannte ihn ja kaum. Sie dachte an Satoshi. Dieser war oft gut darin gewesen, die richtigen Worte zu finden, wenn es jemanden schlecht ging oder jemand traurig war. Im Alltag hatte er oft das Taktgefühl eines Teelöffels gehabt, aber wenn es drauf ankam, konnte man sich auf ihn verlassen. Einmal wieder tat es ihr leid, dass sie allein weitergereist war. Aber was hätte sie tun sollen? In Sinnoh bleiben? Nein, das wäre auch nicht gewesen, was sie gewollt hatte. Sie ließ sich etwas zurückfallen, um mit Kenta reden zu können, aber bevor sie irgendetwas sagen konnte, bevor er es überhaupt bemerkte, hörten sie Schreie über sich und blickte, nahezu im selben Moment wie die anderen, hinauf um dort Tropius und Altaria kreisen zu sehen. „Sie haben etwas entdeckt!“, rief Shirona aus und einen Moment später liefen sie schon den Flugpokémon hinterher, ohne die seltsam glühenden Bäume zu beachten. Zumindest Hikari fehlte mittlerweile komplett das Gefühl, wie weit sie nun schon in den Wald hinein gelaufen waren. Wie lange suchten sie schon die Jägerin? Wie spät war es überhaupt? Sie hatte auf ihr Pokétch sehen können, was jedoch unter dem Rennen unratsam war. Aber sie hatte das Gefühl, dass Mitternacht schon seit einer Weile verstrichen war. Immer wieder sahen sie zu den Pokémon hinauf, die über ihnen flogen und ihnen den Weg zeigten. Was würden sie finden? Was hatten Tropius und Altaria entdeckt? Diese Frage klärte sich jedoch zu bald. Während sie liefen, sahen sie es aus den Augenwinkeln: Weitere Statuen, die auf den Bäumen zu hocken schienen oder darunter lagen oder standen. Weitere Pokémon, die zu Bronze erstarrt waren. Doch von der Verantwortlichen noch immer keine Spur. Bis Shirona stehen blieb und den anderen indizierte, es ihr nachzutun. „Hört!“, flüsterte sie. Tatsächlich konnten sie nun, wenngleich über ihren eigenen heftigen Atem hinweg nur schwer, eine Stimme aus nicht all zu großer Entfernung rufen hören: „Komm schon, Celebi! Ich weiß, dass du da bist! Siehst du nicht, was ich tu, Wächter des Waldes?“ In diesen letzten Worten klang mehr, als nur eine Spur Sarkasmus mit, während die anderen Worte schrill schienen und voller Verachtung schienen. „Pli-Plinfa?“ Fragend sah das Wasserpokémon, das noch immer nicht ganz wieder zu Atem gekommen war, seine Trainerin an. „Plinfa!“, rief es dann mit entschlossener Miene aus, was wohl soviel wie „Ich bin bereit zu kämpfen!“ hieß. „Wartet noch“, flüsterte die Junsâ an sie gewandt, während sie sich nun langsam in die Richtung, aus der die Stimme kam, bewegte. Doch während Hikari zögerte und Shirona Mari langsam folgte, dachte zumindest der Junge nicht daran zu warten. Bevor eine von ihnen ihn hätte aufhalten können, stürmte er schon an ihnen vorbei in die Richtung der Stimme. „Sie!“, schrie er. Für einen Moment zögerte Hikari noch immer, sah zu Shirona und zu Mari, welche selbst nicht so richtig zu wissen schien, was sie wollte, beziehungsweise tun sollte. Dann jedoch blickte sie zu Plinfa, das noch immer kampfbereit neben ihr stand. „Komm!“, rief sie und folgte dem Jungen. Sie konnten doch nicht einfach warten, bis er ebenfalls als eine Statue vor ihnen stand! Maris Stimme klang von hinter ihnen. „Wartet!“ Aber dafür war keine Zeit mehr. „Sie einer an“, empfing sie eine herablassende Stimme, als sie Kenta auf einer Lichtung erreichte. „Der Junge von vorhin.“ Dann sah die Frau zu Hikari und Plinfa. „Und wir… Haben wir uns nicht auch schon mal gesehen?“ Und nun, wo Hikari sie sah, auf der von den Bäumen selbst erleuchteten Lichtung, erkannte sie, dass die Frau nicht J war. Sie war gar keine Jägerin. „Mars?“, erklang nun eine Stimme neben ihr und als Hikari aufblickte sah sie, dass Shirona ihr ebenfalls gefolgt war. „Commander Mars?“ Shironas Augen glitten über die mittlerweile gewachsenen Haare der Frau, ihren dunklen Umhang und die Schiene an ihrem Arm. Ein wahnsinniges Grinsen breitete sich auf dem Gesicht der ehemaligen Kommandeurin aus, als sie Shirona sah. „Shirona, die ehemalige Champion von Sinnoh. Kann das sein? Habe ich heute vielleicht doch noch etwas Glück?“ Dann sah sie zu Hikari. „Dann bist du einer der Knirpse, die damals dabei waren.“ Sie löste einen Pokéball von unter ihrem Umhang, doch da stürmte Kenta auf sie zu. „Ignorier mich nicht!“, schrie er und schien sie tackeln zu wollen, doch sie wich ihm geschickter aus, als Hikari es erwartet hätte. Sie sah kurz zu Shirona, war sich nicht sicher was sie machen sollte. Woher hatte Mars Js Waffe? Was hatte sie überhaupt vor? Doch Shirona war ruhig geblieben, während ihr Absol angriffsbereit neben ihr stand. Anstatt weitere Worte zu verlieren, sah sie der anderen Trainerin nun, so gut es ging, in die Augen, die ohnehin auf sie fixiert waren. „Despotar“, sagte Mars dann erstaunlich ruhig und der Pokéball, der jedoch nicht weiß-rot, sondern komplett schwarz war. Im nächsten Moment erschien das große Bodenpokémon vor ihnen auf der Lichtung. Es ließ ein lautes Knurren hören und sah die beiden Trainerinnen an. Dann, ohne einen Befehl seiner Trainerin, bildete sich eine Energiekugel in seinem Maul. Es würde Hyperstrahl einsetzen. Doch während Hikari etwas zu lange dastand ohne überhaupt zu reagieren, sorgte Shirona dafür, dass Absol sie schützen konnte. „Absol, Schutzschild!“ Diese Anweisung kam keinen Moment zu früh, denn als das Unlichtpokémon seinen Schild aufbaute, schoss auch schon der Hyperstrahl auf sie zu, wurde jedoch gute zwei Meter vor ihnen von der unsichtbaren Barriere aufgehalten. Tatsächlich sah es danach aus, dass der Hyperstrahl Despotars aber nicht schwach war, denn Absol schien es einige Anstrengung zu kosten, die Attacke abzuhalten. Nun fasste sich Hikari wieder. „Altaria!“, rief sie zu dem Pokémon, das noch immer über der Lichtung seine Kreise zog, hinauf. „Drachenpuls!“ Das Pokémon reagierte sofort und einen Augenblick später traf ein violetter Strahl Despotar von hinten. „Es wäre wohl zu schön gewesen“, meinte Mars herablassend und zwei weitere Pokébälle flogen in die Luft, ehe ein Scherox und ein Panzaeron erschienen. „Aber zumindest geht es so langsamer.“ Damit schoss das Panzaeron in die Luft zu Altaria hinauf, griff es direkt mit einem Sternschauer an. „Altaria!“, rief Hikari aus, doch bevor sie ihrem Pokémon einen weiteren Befehl geben konnte, wurde sie schon von Mars unterbrochen. „Kleine, hier spielt die Musik“, meinte diese und erneut ohne einen direkten Befehl, ließ Despotar sich einige Steine aus dem Boden lösen und einen festen Ring um Hikari und Shirona bilden. „Tarnsteine“, murmelte Shirona. Das Mädchen sah sie an. Mars wollte sie offenbar am fliehen hindern. Nun jedoch begann Plinfa, das zusammen mit den beiden Trainerinnen in dem Steinring gefangen war, ebenfalls ohne einen Befehl zu attackieren. Mit einem „Plinfa!“ schoss es einen Blubbstrahl auf die umherschwebenden Steine. „Plinfa, pass auf“, rief Hikari aus, doch als das kleine Pokémon versuchte einen der Steine direkt anzugreifen, wurde es zurückgeworfen und landete erschöpft neben Hikari am Boden. „Plinfa“, flüsterte sie und nahm es wieder auf den Arm, vor allem auch, um weitere Aktionen dieser Art zu verhindern. Mittlerweile schien sich auch Kenta wieder gefangen zu haben, denn er stand nun - noch immer ignoriert - hinter Mars. „Tropius, komm zurück“, meinte er halblaut und mit einem roten Strahl verschwand das Pflanzenpokémon wieder in seinem Pokéball. Dann löste der Junge einen anderen Ball von seinem Gürtel. „Tornupto“, flüsterte er, ehe er die Stimme erhob. „Du bist dran. Flammenwurf!“ Das Pokémon erschien, brüllte und schoss seinen Flammenwurf auf das nächste Pokémon - Scherox - ab. Doch bevor die Attacke traf, wich das Insektenpokémon ihr schon aus und einen Moment später sah sich Tornupto mit Despotar konfrontiert, das auf es zuhetzte und es mit einem Biss in die Schulter angriff. „Absol, Psychoklinge!“, rief Shirona nun dem Pokémon außerhalb des Steinrings zu, woraufhin nun Absol in die Luft sprang. Das seltsam Klingenförmig geformte Horn an seinem Kopf leuchtete auf und einen Moment später schossen hellviolett leuchtende Geschosse auf Scherox zu. Noch immer war Hikaris besorgter Blick gen Himmel gerichtet, wo Altaria noch immer kämpfte. Die Pokémon die Mars besaß schienen unheimlich stark, doch es war auch seltsam, dass sie einfach ohne Befehle angriffen. Aber vor allem fragte sie sich noch immer, wieso Mars das alles tat? Team Galactic gab es doch nicht mehr, seit Akagi mit seinem Versuch eine neue Welt zu erschaffen gescheitert war! Was für ein Interesse hatte Mars überhaupt in Celebi. Hikari merkte, wie sie zitterte. „Plinfa?“, fragte das Pokémon auf ihren Armen besorgt. Auch Shirona wandte sich ihr zu. „Alles in Ordnung?“ Doch Hikari antwortete nicht. Stattdessen wandte sie sich an Mars. „Wieso?“, rief sie. Es dauerte ein wenig, bis die Frau bemerkte, dass sie angesprochen war und sie sah Hikari mit einem ähnlich wahnsinnigen Blick, wie zuvor an. „Du fragst ‚wieso‘?“ „Ja“, antwortete Hikari. „Wieso das alles? Was willst du mit Celebi?“ Anstelle einer Antwort lachte Mars nur. „Das wirst du ohnehin nicht verstehen, Mädchen.“ Nun griff auch Shirona Hikaris Fragen auf. „Es ist wegen Celebis Fähigkeit, oder? Die Fähigkeit in der Zeit zurückzureisen.“ „Du sagst es, aber du verstehst es nicht, Shirona“, rief Mars aus. „Aber ich… Sie… Ich werde dorthin zurück.“ „Werden Sie nicht!“, erklang auf einmal eine Stimme hinter ihr und ehe auch nur einer von ihnen verstanden hatte, was geschah, war Mari aus dem Gebüsch hinter Mars gesprungen und hatte es geschafft ihr einen Arm, den rechten, an dem die Schiene befestigt war, hinter den Rücken zu drehen. „Sie sind verhaftet.“ Doch Mars reagierte kaum auf sie. „Despotar.“ Mehr sagte sie nicht. Das Pokémon ließ sofort von Turnoptu, das gegen es offenbar genau so wenig eine Chance hatte, wie Altaria gegen Mars’ Panzaeron hatte. Dann, dieses Mal viel schneller als zuvor, feuerte Despotar einen weiteren Hyperstrahl ab. Erneut auf Hikari und Shirona gerichtet, die dank der Tarnsteine weder Ausweichen konnten, noch die Möglichkeit hatten sich so schnell zu schützen. Doch da wehte ein Wind über die Lichtung hinweg, ein seltsamer, grünlicher Strahl schoss vom Himmel herab und eine glockenklare Stimme erklang. „Bi“, sang sie. „Bi - Bi!“ Kapitel 7: Die Gegenwart? ------------------------- „Bi! Bi!“ Noch immer klang die Stimme in einer Art Singsang aus dem grünlichen Strahl heraus, der die Lichtung in beinahe taghelles Licht getaucht hatte. Die Bäume um sie herum schienen darauf zu reagieren, denn sie wiegten ihre Zweige im Rhythmus des Gesangs und schienen noch stärker zu leuchten als zuvor. „Plinfa.“ Das Pokémon in Hikaris Armen sah sich fasziniert und mit einem beinahe verträumten Ausdruck um. Wahrscheinlich konnte es verstehen, was die Stimme aus dem Licht heraus sang. „Plin...“ „Was ist das?“, fragte Hikari, auch wenn sie es bereits ahnte. Es konnte eigentlich nur Celebi sein, der Hüter des Waldes. Es hatte sie gerettet. Und trotzdem hoffte sie halb, dass es nicht Celebi war, denn ein Blick auch das wahnsinnige Gesicht Mars’ ließ sie ahnen, dass dem Pokémon nichts Gutes bevorstünde. Tatsächlich verkrampfte sich die Hand der Frau nun um einen seltsamen Pokéball, denn sie in unter ihrem Umhang hervorgeholt hatte. „Celebi“, zischte sie, ehe sie ihre Pokémon, die, wie auch die Pokémon von Hikari, Shirona, Kenta und Mari den Kampf unterbrochen hatten und gebannt auf die Lichtsäule starrten. „Despotar! Panzaeron! Scherox!“ Nun fiel dem Mädchen zum ersten Mal auf, dass etwas an den Augen von Mars’ Pokémon etwas seltsam war. Während die Blicke von Absol, Tornupto, Plinfa und Fukano voller Faszination leuchteten, schienen die drei anderen wie gelähmt von dem Licht. „Worauf wartet ihr?“, wütete Mars, doch es dauerte noch immer, bis sich eins der drei Pokémon rührte. Es war Panzaeron und einen Moment später schallte ohrenbetäubender Lärm durch den Wald, der das Lied übertönte und alle anderen Pokémon verwirrte oder, wie auch die Trainer zu Boden gehen ließ. Nur Mars selbst schien das Geräusch nichts auszumachen. Wieder wurde ihr Grinsen breiter, während sie die Lichtsäule, die nun langsam verblasste mit dem Blick fixierte. Während das Licht schwand wurde langsam ein kleines Pokémon sichtbar. Grün und mit kleinen Flügelchen. Entfernt erinnerte es an ein Kind. Auch es schien sich, zum Schutz vor dem Lärm, die Ohren zuzuhalten. Zwar sorgte der Lärm auch dafür, dass die Steine um Shirona und Hikari herum aus der Luft fielen, doch selbst die ehemalige Champion, die sich im Gegensatz zu der Koordinatorin, Kenta und Mari nicht die Ohren zuhielt und halbwegs gefasst wirkte, konnte nichts gegen das, was nun passierte, unternehmen. Für einen Moment noch zögerte Mars, mit einem noch weiteren Grinsen auf ihrem Gesicht. Ihre Lippen bewegten sich, auch wenn Hikari über Metallsound hinweg nicht verstehen konnte, was sie sagte. Dann warf sie den Pokéball. Der Ball traf mit dem Knopf voran auf das Feenpokémon, öffnete sich und umhüllte Celebi mit weißem, statt mit rötlichem Licht, wie es normale Pokébälle taten. Alles schien sich in Zeitlupe abzuspielen. Das Licht verschwand im Inneren des Pokéballs, er schloss sich und fiel. Noch bevor er den Boden berührte, fing Mars ihn auf. Einige Male noch leuchtete der Knopf in der Mitte des metallenen Balls auf, wie es üblich war, ehe ein Pokémon endgültig gefangen war. Wie gebannt starrte Hikari auf den Ball, betete, dass es nicht klappte, doch schließlich hörte der Knopf auf zu leuchten. Celebi war tatsächlich gefangen. „Celebi“, murmelte das Mädchen, unfähig sich zu rühren. Das konnte nicht sein! Wie konnte es sein, dass ein legendäres Pokémon gefangen wurde? Wie konnte ein legendäres Pokémon so einfach gefangen werden? Panzaerons Metallsound verstummte, doch Hikari hatte das Gefühl trotzdem nicht mehr zu hören, als zuvor. Alles schien dumpf. Unreal. Der Ausdruck auf dem Gesichtern Kentas und Maris verriet, dass es ihnen nicht anders zu gehen schien und wenngleich Shirona wesentlich beherrschter wirkte, rührte auch sie sich nicht. Schließlich aber war es Plinfa, dass sich aus der Starre löste und auf den Boden sprang. „Plin Plin Plin Fa!“, begann es aufgeregt zu schimpfen, machte einige Schritte auf Mars zu und wedelte aufgebracht mit den kleinen Flügelchen, als wolle es die ehemalige Kommandeurin belehren. „Plin! Plinfa!“ Es sprang auf und ab, schien tatsächlich die Frau belehren zu wollen, doch diese ließ nur ein herablassendes Lächeln sehen. „Erbärmlich“, flüsterte sie. „Sie...“, begann nun auch Mari, die noch immer hinter Mars stand, doch weiter sprach sie nicht, da ihr offenbar die Worte fehlten. Immerhin hatte sie die Verbrecherin schon für festgenommen erklärt, was sollte sie sonst noch sagen? „Erbärmlich“, murmelte Mars wieder. Letzten Endes schaffte es Hikari jedoch, sich zu rühren. „Plinfa!“, rief sie. „Blubbstrahl!“ Das zuvor noch immer schimpfende Plinfa, fasste sich sofort, sprang und setzte seinen Blubbstrahl auf Mars ein. Doch noch immer lächelte diese. Sie hob den rechten Arm vor sich und Plinfas Attacke prallte ab. „Was...“, begann Hikari, obwohl sie es verstand. „Ein Schutzschild.“ Sie mussten etwas tun. Sonst... Ja, was würde sonst mit Celebi passieren? Bevor sie Plinfa eine weitere Anweisung geben konnte, kam Shirona ihr zuvor. „Nachthieb!“ Ihr Absol reagierte sofort. Es sprang auf Mars zu, seine Klaue wurde von violett leuchtender Energie umhüllt und traf so auf das Schutzschild. Doch mit einer einfachen Armbewegung warf die Frau es zurück. „Flammenwurf!“, befahlen Mari und Kenta gleichzeitig, aber auch diese Attacken richteten nicht mehr an. „Sag Mars“, begann Shirona. „Was hast du nun vor, wo du es geschafft hast Celebi zu fangen?“ „Was geht dich das an, lästiges Weib?“, erwiderte die ehemalige Kommandantin. „Ihr könnt mich ohnhin nicht aufhalten.“ Aber Shirona schien sich nicht beirren lassen zu wollen. „Du willst Akagi zurückholen, habe ich Recht? Und was dann? Ein neuer Anlauf ein neues Universum zu erschaffen? Er hat sein Ende selbst gewählt.“ „Was weißt du schon?“, fauchte Mars. Hikari sah zu Shirona. Irgendwie hatte sie den Eindruck, dass sie nur redete, um Zeit zu gewinnen. Die Frage war nur wofür. So lange Mars diesen Schutzschild aufrecht erhalten konnte, waren sie offenbar machtlos. „Wahrscheinlich weiß ich mehr, als du“, erwiderte Shirona. „Weißt du etwas über ihn aus der Zeit, bevor du zu Team Galaktik kamst?“ „Ich weiß...“, setzte sie an, doch dann stockte sie. „Es geht dich nichts an!“ „Denkst du überhaupt darüber nach, was du tun willst?“, rief Shirona. Mars' Hände zitterten. Dann hob sie den rechten Arm und damit auch die daran befestigte Schiene und zielte auf Shirona. „Sei endlich ruhig!“ Kenta reagierte jedoch, bevor sie etwas tun konnte. „Tornupto! Biss!“ Dieses Mal wurde das Pokémon von keinem Schild aufgehalten – konnte sie es vielleicht nicht benutzen, wenn sie feuern wollte? – und die Zähne trafen auf die Schiene. Für einen Augenblick schien es, als würde nichts geschehen, dann aber zerbrach das Metall. Irritiert sah die Frau auf den nun auch leicht blutenden Arm, während Tornupto zu seinem Trainer zurücksprang. „Ihr“, zischte sie und auf einmal hob sie die linke Hand, in der sie noch immer den Pokéball, in dem Celebi gefangen war, hielt. „Celebi!“, rief sie dann. „Zeig ihnen deine Macht!“ Und damit befreite sie das Pokémon aus dem Ball. „Du wirst es nicht kontrollieren können!“, ermahnte Shirona sie, doch Mars lachte nur. „Oh doch!“ Sie sah zu dem Pokémon, auf dessen Stirn nun ein seltsamer Kristall zu kleben schien. Es öffnete die Augen, in denen sich ein seltsamer Schimmer ausgebreitet hatte. „Celebi! Blättersturm!“, rief Mars. Aber nichts geschah. Die Hände der Frau verkrampften sich aufs Neue. „Celebi!“ „Celebi!“, rief nun auch Hikari. „Celebi! Hör nicht auf sie!“ Sie hatte keine Ahnung, ob das Pokémon sie überhaupt hören konnte, sie wollte nur nicht einfach Nichts tun. „Celebi!“, stimmten nun auch Kenta und Mari mit ein, während Plinfa aufgeregt „Plin Plin“ rief. Auf einmal begannen sich Blitze um den Kristall auf Celebis Stirn zu bilden, so als würde er jeden Moment zerspringen. „Celebi!“, schrie Mars. „Benutze deine Kraft!“ Doch das Pokémon gab nur einen jammernden Laut von sich. „Bi... Bi...“ Dann schrie es plötzlich und der Schrei schien vom ganzen Wald widerzuhallen. Ehe einer von ihnen etwas tun konnte, ging ein seltsames Licht von Celebi aus, wie eine wabernde Masse, die sie alle umhüllte. Dann verklang Celebis Stimme. Kapitel 8: Gefangene der Zeit ----------------------------- Alles schien ruhig. Nicht komplett still, aber ruhig. So ruhig, wie der Grund des Meeres. Nichts, als ein leises Rauschen war zu hören und hätte Hikari nicht geatmet, so hätte sie gedacht, dass sie sich tatsächlich unterwasser befand. Was war geschehen? Doch das war nicht die eigentliche Frage. Vielmehr war dies, wo sie war und wie sie genau hierhin gekommen war. Träumte sie? Sie vermochte es nicht zu sagen, aber real kam ihr dieser Ort nicht vor. Alles um sie herum schien durch ein beständig die Farben wechselndes Licht eingefärbt. Auch wenn es noch immer so aussah, als wäre sie in einem Wald – ein wirklicher Wald konnte es kaum sein. Schlieren, wie aus Öl, aber unberührbar, zogen durch die Luft, lösten sich in Sterne auf, versuchte Plinfa doch sie zu ergreifen. Und wo waren die anderen hin verschwunden? Sie konnte niemanden sehen. Niemanden, außer Plinfa. Sie konnten sich doch nicht einfach in Luft aufgelöst haben. Und wo war Celebi? Waren es vielleicht Celebis Kräfte gewesen, die sie hierher gebracht hatten? „Plinfa“, hauchte das Pokémon, als sich eine weitere Lichtschliere in Sterne auflöste. Es sah sich um und ließ sich schließlich auf den Boden fallen. „Plin-Plinfa…“ Dabei schien es nicht mehr so selbstsicher, wie noch wenige Momente zuvor. Waren es überhaupt nur Momente? „Du hast auch keine Ahnung, wo wir hier sind, oder?“, fragte Hikari und tat es dem Pokémon gleich. Auf dem Boden sitzend versuchte sie einen Himmel zu erkennen, doch obwohl sie auf einer Art Lichtung zu sein schienen, war über ihnen nichts, als dieses seltsame, meist rötliche Licht. „Vielleicht“, murmelte sie, halb hoffnungsvoll. „Vielleicht ist das ja alles ein Traum. Was meinst du, Plinfa?“ „Plinfa“, erwiderte der kleine Pinguin. Was sollte er auch anderes sagen? „Plin… Fa…“ Dabei klang es nicht wirklich glücklich. Nach eine Weile fuhr sie fort. „Nun, wenn es ein Traum ist werden wir sicher irgendwann aufwachen und dann…“ Sie verstummte und für eine Weile herrschte Schweigen zwischen den Beiden. „Plin“, murmelte Plinfa schließlich. „Plin-Plin. Plinfa.“ Dabei schüttelte es den Kopf und sah auf den Boden. Wahrscheinlich war ihm ebenso wie ihr klar, dass es sich nicht um einen Traum handelte. Denn so irreal es auch war. Es fühlte sich nicht an wie ein Traum. Es fühlte sich an, wie in einem See ohne Wasser zu schwimmen. Und irgendwie hatte Hikari bereits jetzt das Gefühl für die Zeit komplett verloren. „Was ist denn nur passiert?“, jammerte sie leise und zog die Beine an sich heran. „Ich kann dir nicht sagen, was genau passiert ist“, erklang eine Stimme hinter ihr und ließ sie aufschrecken. „Aber für mich sieht es aus, als hätten Celebis Kräfte uns aus dem Zeitgefüge geworfen. Die Frage ist nur, was mit Celebi selbst passiert ist…“ Zwischen zwei Bäumen am Rand der Lichtung war Shirona hervorgetreten und kam nun auf sie zu. „Shirona-san?“, fragte Hikari mit einer Mischung aus Misstrauen und Erleichterung. Konnte sie in dieser seltsam verzerrten Welt sich wirklich sicher sein, dass dies vor ihr die richtige Shirona war? Wo war sie vorher gewesen? „Den Anhang solltest du dir sparen“, meinte die ehemalige Champion mit einem halbherzigen Lächeln. „Ich fühlte mich nur noch älter dadurch.“ Darauf sagte das Mädchen nichts. Was sollte sie auch sagen? Stattdessen legte sie die Arme um ihre Beine und ihr Kinn auf die Knie. So starrte sie auf die Gruppe Bäume vor ihnen und die Schlieren, die zwischen diesen umher schwebten. „Plinfa?“, meinte ihr Pokémon derweil. Es war nun aufgestanden und zupfte an Shironas Mantel, um ihre Aufmerksamkeit zu erhalten. „Plinfa?“, wiederholte es dann in nahezu dem exakt selben fragenden Tonfall wie zuvor. „Plin-Plinfa?!“ Damit wollte es ganz offenbar dieselbe Frage stellen, die Hikari sich nur dachte. Wie kamen sie hier wieder heraus oder würden sie – wo auch immer sie nun waren – für immer gefangen bleiben? Shirona seufzte und sah zu dem Pokémon hinab. „Wenn du fragen willst, wie wir von hier fort kommen, dann kann ich dir auch keine Antwort geben“, erwiderte sie. „Ich weiß ja nicht einmal, ob meine Theorie stimmt, daher…“ Für einen Augenblick schwieg sie, dann setzte sie sich jedoch den Mantel zurückschlagend neben das Mädchen auf den Boden. Dieses jedoch sah nicht einmal auf. „Was ist mit den anderen passiert?“, murmelte sie, auch wenn sie die Frage eher sich selbst, als der älteren Trainerin stellte. „Sind wir hier denn wirklich allein?“ „Ich habe niemand anderes hier gesehen“, erwiderte Shirona. „Aber das heißt nicht, dass außer uns niemand hier ist.“ Mit einem halbherzigen Lächeln sah sie zu dem Mädchen. „Kopf hoch. Es wird uns hier auch nicht helfen Trübsal zu blasen.“ Nun sah Hikari sie schließlich doch an, jedoch ohne dass sich ihre Miene wirklich aufhellte. „Und was hilft uns dann? Du weißt es doch selbst nicht, wie wir hier herauskommen…“ „Wir könnten drüber nachdenken“, erwiderte die Trainerin und versuchte offenbar etwas fröhlicher zu lächeln, ohne dass es ihr wirklich gelang. Plinfa sah sie mit in etwa dem Ausdruck an, den auch Hikari gerne gezeigt hätte: entgeisterte Ungläubigkeit. „Plinfa…“ „Mir fällt nichts ein“, kommentierte Hikari kurz und abweisend. Ihr kam der Gedanke, dass sie vielleicht zu kühl war, aber im Moment merkte sie, wie eine Wut auf die ehemalige Champion in ihr vor sich hinköchelte, ohne dass sie wirklich erklären konnte wieso. Vielleicht einfach, weil sie die ehemalige Champion war? Sie war so lange amtierende Champion gewesen, wie selten ein anderer Champion zuvor. Sie wusste soviel über Pokémon und die Legenden – wieso wusste sie jetzt keine Lösung? Wieso hatte sie vorher nichts getan? Wieso hatte sie Mars nicht aufgehalten? Sicher hätte sie es gekonnt, aber stattdessen hatte sie nur geredet. Obwohl sie selbst keine Trainerin, sondern Koordinatorin war, hatte sie immer zu Shirona aufgesehen. Eine Trainerin, die so jung die Top Vier scheinbar mit Leichtigkeit besiegte und ihre Stellung daraufhin über mehrere Jahre verteidigte. Bis Satoshi sie besiegte. Doch nicht nur das. Selbst ältere Trainer sprachen mit Respekt vor ihr und auch von ihrem Wissen über Pokémon. Als sie sie das erste Mal trafen, hatte sie Shinji mit Leichtigkeit besiegt. Sie hatte nicht einmal das Pokémon gewechselt. Aber was hatte sie erwartet? Hatte sie Shirona wirklich für allmächtig gehalten? Das vielleicht nicht, doch zumindest hatte sie gedacht, dass sie irgendetwas tun würde – irgendwas tun könnte… „Plinfa“, riss sie die Stimme ihres Starterpokémon aus den Gedanken. Sie mit einem besorgt wirkenden Blick ansehend stand das Pokémon neben ihr und berührte mit dem Flügel ihr Bein. Für einen Moment fragte sie sich, was Plinfa so besorgte, wenn nicht ihre Situation selbst. Doch dann merkte sie, dass ihre Wangen feucht waren. Sie weinte. Shirona aber sagte nichts, sondern sah sie nur an. Erst als sie bemerkte, dass Hikari ihren Blick erwiderte, lächelte sie wieder. „Was ist?“, fragte sie ohne auf ihre Tränen weiter einzugehen. „Wieso?“, flüsterte Hikari. „Wieso hast du Mars nicht aufgehalten? Du bist die ehemalige Champion von Sinnoh. Du hättest etwas tun können. Du hättest ihr den Pokéball abnehmen können. Deine Pokémon sind stark genug. Wieso hast du es nicht wirklich versucht?“ Das Lächeln auf dem Gesicht der Frau veränderte sich. Es bekam eine Spur von Trauer und Reue und es schien, als würden ihre Gedanken zu einer anderen Zeit wandern. Nach einigen Augenblicken des Schweigens klärte sich ihr Blick jedoch wieder und sie hob die Hand, um die Tränen von Hikaris Wange zu wischen. „Vielleicht hätte ich wirklich etwas tun sollen“, meinte sie und seufzte. Perplex sah Hikari sie an, nicht sicher, was sie von der überraschenden Berührung halten sollte. „Es mag seltsam klingen, aber ein Teil von mir, kann sie verstehen“, fuhr Shirona schließlich fort. „Mars. Aber sie weiß wenig. Viel zu wenig über Akagi. Würde sie mehr wissen, würde sie vielleicht verstehen. Dann wäre sie vielleicht nicht so dumm.“ Noch immer verwirrt und auch schmollend, sah das Mädchen sie weiterhin an. „Und was weißt du über ihn?“ Erneut schwieg Shirona und wandte sich von Hikari ab. Den Blick an den nicht sichtbaren Himmel gerichtet, antwortete sie schließlich: „Akagi kam wie ich aus Elyses.“ Kurz machte sie eine Pause. „Er ist zehn Jahre älter als ich. Gerade als ich zur Welt kam, hat er seine Pokémonreise begonnen.“ „Plinfa“, kommentierte der Pinguin überrascht und drückte damit einmal wieder genau das aus, was Hikari sich dachte. „Meine Großmutter sagte, er wäre sehr eifrig gewesen, damals“, fuhr Shirona fort. „Er wollte Meister werden. Champion. Er hat die Liga herausgefordert, aber er ist bereits in einer der Vorrunden ausgeschieden. Dann kam er nach Elyses zurück. Ich kann mich daran noch nicht wirklich erinnern, damals war ich kaum ein Jahr. Aber meine Großmutter hat viel über ihn geredet. Er muss als Kind schon sehr faszinierend gewesen sein.“ „Schon?“, fragte Hikari leise, doch Shirona reagierte nicht auf sie. „Danach begann er sich mit den Geschichten von Sinnoh zu beschäftigen.“ Shirona seufzte. „Natürlich war Elyses, auch wenn es ein langweiliges, kleines Dorf sein konnte, der ideale Ort dafür. Doch das, was Großmutter ihm erzählen konnte, schien ihm nicht zu reichen. Bald ging er wieder auf Reisen, suchte Informationen über die Feen und die Legende um Dialga und Palkia. Mal blieb er nur für wenige Wochen fort, mal für Monate, aber immer, wenn er zurückkam, wusste er neue Geschichten zu erzählen.“ Für einen Moment lächelte sie. „Ich habe ihm gern zugehört. Ich mochte die Legenden. Manchmal hat er mir auch Dinge mitgebracht. Eine Schneekugel von den Raum-Zeit-Türmen.“ Nach diesen Worten verfiel sie wieder in ein nachdenkliches Schweigen. Noch immer verstand Hikari nicht, worauf die andere hinaus wollte. „Du standest ihm also nahe?“, fragte sie schließlich, als ihr das Schweigen zu bedrückt wurde. „So könnte man es sagen, ja“, erwiderte Shirona. „Ich habe ihn bewundert. Er erschien mir so weise, so motiviert. Ich habe ihn beinahe für allwissend gehalten. Einmal hat er mich nach Fleetburg mitgenommen in die Bibliothek. Auf der Reise dorthin hat er mir geholfen ein Kaumalat zu fangen.“ „Knakrack?“, fragte Hikari überrascht, was das Pokémon an ihrer Seite mit einem „Plin“ unterstützte. „Ja, es war mein erstes Pokémon, dabei war ich nicht einmal zehn“, erwiderte sie. „Danach hat er mit mir trainiert. Dank ihm hatte ich schon einige Pokémon, ehe ich meine Reise überhaupt begonnen hatte. Doch damit änderte es sich auch… Als ich auf meine Pokémonreise ging, machte er sich auf den Weg nach Johto. Er wollte sich mit den Legenden von hier beschäftigen. Natürlich hoffte ich, dass er zurück sein würde, wenn ich die Liga herausforderte, doch er kam nicht zurück. Ich war ziemlich enttäuscht, immerhin war er damals für mich etwas wie ein großer Bruder. Vielleicht auch mehr. Doch schließlich kam ich darüber hinweg.“ Sie machte eine Pause. „Ich habe bei der ersten Herausforderung die Liga verloren, wenngleich ich es bis zum Viertelfinale schaffte. Ich reiste nach Hoenn weiter, wurde Vizemeisterin und als ich zurückkam war er auf einmal wieder da. Und obwohl er anders war als vorher, kehrte meine Bewunderung für ihn zurück. Nein, es war mehr als Bewunderung…“ Sie brach ab. Hikari brauchte ein wenig um ihre Worte sickern zu lassen. Überhaupt fragte sie sich auf einmal, wieso Shirona ihr all das erzählte. Immerhin gab es um einiges sinnigeres, worüber sie in dieser Situation reden sollten, doch dann erinnerte sie sich an ihre Frage, daran, dass Shirona Mars nicht aufgehalten hatte und langsam wurde ihr etwas klar. „Du warst in Akagi verliebt?“ Dies schien zumindest Plinfa nicht erwartet zu haben und mit großen, überraschten Augen sah es erst seine Trainerin, dann Shirona an. Daraufhin nickte die ehemalige Champion. „Ja, so könnte man es wohl sagen. Vielleicht war ich sogar besessen von ihm. Aber dann, als ich aus Hoenn zurückkam. Wir verbrachten einige Zeit miteinander und er war noch immer so faszinieren wie früher. Doch je mehr Zeit wir miteinander verbrachten, desto mehr wurde mir klar, dass auch er besessen war. Zu oft redete er von seiner neuen Idee: Die Macht der legendären Pokémon benutzen, um eine neue Welt zu erschaffen. Er wollte herrschen. Er wollte wortwörtlich der beste sein. Mir wurde klar, dass es falsch war, aber noch wollte ich ihn nicht aufgeben.“ Noch einmal ließ sie ein leises Seufzen hören. „Schließlich forderte ich ihn zu einem Kampf auf, weil ich dachte, dass ihn das zur Vernunft bringen könnte. Ich besiegte ihn. Aber Vernunft wollte er keine annehmen. Er verschwand wieder.“ Damit beendete sie ihre Erzählung. Für eine Weile erwiderte Hikari nichts. Sie sah zu Boden. Irgendwie musste sie zugeben, dass sie nur die Hälfte von dem, was ihr gerade erzählt worden war, verstanden hatte. Es hatte sie zu sehr überrascht. Was sollte sie darauf sagen? Sie war noch nie verliebt gewesen, deswegen konnte sie es nicht verstehen. Vielleicht verstand sie auch Mars deswegen nicht? Hätte sie vielleicht auch gezögert? „Was ist dann passiert?“, fragte sie schließlich kleinlaut. „Ich habe die Sinnohliga noch einmal herausgefordert, habe gewonnen und wurde zu einer der Top Vier“, antwortete Shirona in einem beinahe sachlichen Ton. „Als ich Akagi wieder gesehen habe, war ich bereits Champion und er begann bereits Anhänger für sein Team Galaktik um sich zu scharren. Auch damals habe ich gezögert, sonst wäre es nicht soweit gekommen…“ Ein beinahe humoröses Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit. „Es ist schon seltsam, wie du schon wieder dabei bist, wenn ich zögere.“ „Plinfa“, kommentierte der kleine Pinguin dies einmal wieder und verschränkte seine Flügel vor dem Körper. Als Hikari nicht einfiel, was sie antworten sollte, meinte sie schließlich: „Aber wir wissen noch immer nicht, wie wir wieder zurückkönnen.“ „Ich glaube nicht, dass es außer Dialga ein Pokémon geben kann, dass uns von hier fortbringen kann“, erwiderte Shirona. „Nicht so lange Celebi von Mars kontrolliert wird.“ „Und wieso sollte Dialga uns helfen…“, murmelte Hikari und senkte das Kinn wieder auf ihre Knie. „Wäre ich doch nur gleich ins Bett gegangen. Ich will doch am Grand Festival teilnehmen…“ „Wenn meine Theorie stimmt, vergeht hier keine Zeit. Das heißt, selbst wenn wir für uns gefühlte Jahre hier herumsitzen würden, könnten wir noch in dieselbe Nacht zurückkehren“, erwiderte die ehemalige Champion, was Hikari nur mit einem leisen Schnauben beantwortete. „Sehr aufmunternd, danke.“ „Plin“, stimmte Plinfa in nahezu demselben Tonfall zu. Es herrschte wieder eine Weile, in der Hikari einen Schmollmund zog, Schweigen. Zwar war sie nicht mehr so sauer wie vorher, aber noch immer wütend genug. Warum war sie nicht einfach im Bett geblieben…? „Schmollst du?“, fragtet Shirona nahezu belustigt und das Mädchen merkte, wie genervt sie von der scheinbaren Sorglosigkeit der Frau wurde. „Natürlich schmoll ich nicht“, erwiderte sie darum etwas zu heftig, was Plinfa durch ein ebenso wütendes „Plinfa!“ unterstützte. Auf einmal lachte die Trainerin. „Du bist niedlich, weißt du?“ Das hätte Hikari normal als Kompliment aufgefasst, immerhin bemühte sie sich genau darum. Aber im Moment reichte es, um ihr Gemüt noch mehr anzuheizen. Sie sprang auf. „Ich bin nicht niedlich! Ich bin sauer! Wieso bist du so unbesorgt! Ich will hier einfach weg, okay?!“ Sie brach ab, da sie beinahe etwas im Sinne von „Mach’ was!“ hinterher gesetzt hätte, was jedoch auch in ihren Ohren etwas zu kindisch geklungen hätte. „Wieso sitzen wir einfach hier herum und reden?“, fragte sie dann etwas ruhiger, merkte dabei aber erneut, dass sie gegen die Tränen ankämpfte. „Ich mein… Gibt es denn wirklich nichts das wir tun können? Wieso sitzen wir hier rum?“ Mit einem hörbaren Seufzen stand auch die Ältere wieder auf und tätschelte den Kopf des Mädchens, wie den einer fünfjährigen, die nach einem Sturz weinte. „Ich verlasse mich darauf, dass das Schicksal uns wohl gesonnen ist“, erwiderte sie. „Hey, es gibt keinen Grund zu weinen.“ „Ich weine nicht“, schmollte Hikari, auch wenn dies gelogen war. „Ich will hier einfach nur weg. Ich will…“ Doch ehe sie weiterreden konnte, wurde sie von einer leicht spöttisch, aber auch fröhlich und selbstüberzeugt klingenden Stimme unterbrochen. „Du willst mir danken, dass ich so gute Augen habe und euch tatsächlich hier entdeckt habe“, meinte die Stimme. „Ja, ich weiß. Ich bin unglaublich! Ihr seid mir jetzt wirklich etwas schuldig!“ Kapitel 9: Mars --------------- „Wo sind wir hier?!“, rief Kenta aus, während er sich noch immer verwirrt umsah. Sie waren einem Ort gelandet, der in ähnlichen Farben schimmerte, wie der seltsame Wald in dem Hikari und Shirona zur selben Zeit – wenngleich dies relativ zu sehen war – gefangen waren. Auch hier war bis auf ihre eigenen Worte kein Ton zu hören und doch war es nicht ruhig, denn ihre Umgebung, die irreal und unberührbar zu sein schien, veränderte sich permanent. Immer wieder blitzten Orte auf, dann jedoch war nichts mehr zu sehen, bis zum nächsten Aufblitzen. „Es muss an Celebi liegen, dass wir hier gelandet sind“, erwiderte Mari, die das grüne Feenpokémon in den Armen hielt, seit dieses ohnmächtig geworden war, als sie hier, wo auch immer hier war, angekommen waren. „Das…“, flüsterte Mars, die einige Meter von ihnen entfernt im Nichts stand. „Das kann nicht sein. Das ist nicht der Ort wo… Wo ist Akagi?“ Sie sah sich um. „Das ist nicht die neue Welt – oder?“ „Offenbar nicht!“ Kenta sah sie wütend an. Sie fixierte die anderen beiden. „Gebt mir Celebi!“ „Nein!“, erwiderte Mari laut. Kenta starrte sie wütend an. „Es wird dir ohnehin nicht helfen können! Sieh dir an, was du ihm angetan hast! Und denk dran, was du Marina und den anderen Pokémon angetan hast!“ Er sah sich um. „Wegen dir, stecken wir hier fest! Aber zumindest du genau so, wie wir…“ Doch sie schien ihm nicht einmal zuzuhören. „Gebt es mir!“ „Nein!“, rief Kenta aus. „Dann hole ich es mir!“ Ein Pokéball erschien in Mars Hand und im nächsten Moment sahen die Junsâ und der junge Mann sich erneut mit ihren Despotar konfrontiert. Kenta sah sich um. Er war sich nicht sicher, aber es schien so, dass es keinen Weg gab von hier zu fliehen. Letzten Endes wollte er auch nicht fliehen. Er wollte sich rächen – für Celebi, für Marina. Das war auch der Grund für das Pokémon, das er wählte. „Tornupto!“ Das große Feuerpokémon knurrte Despotar, gegen das es schon zuvor gekämpft hatte, an. Als Feurigel war es das Pokémon gewesen, dass er von Doktor Utsugi bekommen hatte, als sie damals, Marina, Junichi und er, in Neuborkia ihre Pokémonreise begannen. Seltsam, er meinte fast sein zehnjähriges Selbst in ihrer sich ständig verändernden Umgebung gesehen zu haben. „Lass uns darum kämpfen“, meinte er nun und versuchte dabei ruhig zu klingen. „Eins gegen eins. Wenn du mich schlägst, werden wir dir Celebi geben.“ Mari berührte seine Schulter. „Bist du dir sicher?“ Doch er erwiderte nichts. Es war die einzige Möglichkeit gegen sie zu kämpfen. Ihre Pokémon waren so unglaublich stark, wenn sie drei oder mehr von ihnen rief, hätten sie selbst mit all ihren Pokémon keine Chance. Nicht das er wirklich glaubte, mit Tornupto eine Chance gegen ihr Despotar zu haben, immerhin war es ohnehin im Nachteil und bereits verwundet, aber er vertraute seinem Pokémon. Zumal er kaum eine andere Wahl hatte. Sie sah ihn mit demselben wahnsinnigen Blick an, den sich schon gehabt hatte, als sie Celebi entdeckte. „Als ob du mit deinem Schwächling eine Chance hättest.“ Leise schluckte er. „Lass es uns herausfinden!“ Er wartete nicht darauf, dass ihr Despotar sich rührte. „Tornupto – Rauchwolke!“ Das Feuerpokémon atmete einen dicken Rauch aus, der Despotar und auch Mars kurzzeitig den Blick versperren sollte. „Flammenrad!“ Sofort rollte sich Tornupto feuerspuckend zusammen und raste so in den Rauch hinein, so dass auch Kenta und Mari erst einmal nicht sehen konnten, was vor sich ging. Als sich der Dunst jedoch lichtete, sahen sie, wie das Unlichtbodenpokémon seinen Gegner auf den Boden drückte. Die beiden Kämpfer starrten sich in die Augen, ehe Despotar sein Maul öffnete. Dieses Mal wusste Kenta, was es vorhatte. Es hatte dieselbe Attacke bereits so oft in den vergangenen Stunden verwendet. Wahrscheinlich wäre sie sogar machtvoll genug, Tornupto zu töten, wenn sie auf diese geringe Distanz traf. Wenn sie traf. „Tornupto! Setz Sternenschauer ein!“ Es war die erste Attacke, die ihm einfiel und viel Wirkung sollte sie nicht erzielen, doch sie war sehr genau und schneller als Hyperstrahl. Tatsächlich traf der Sternschauer des Feuerpokémon dessen Gegner genau ins Maul, während dort gerade der Energieball heranwuchs, aus dem Despotar nur wenige Augenblicke später seinen Hyperstrahl abgefeuert hätte. Die Energie entwich in einer Explosion, die beide Pokémon zurückschleuderte und hart auf den im Moment unsichtbaren Boden aufschlagen ließ. „Tornupto!“, rief der Junge aus, während sein Partner versuchte sich wieder auf die Beine zu kämpfen. Auch Despotar war noch nicht besiegt und sie mussten als erstes einen Treffer landen oder es würde sie besiegen. Und sie konnten nicht fliehen. Doch Tornupto kam, wenngleich schwankend und mit teilweise angekohltem Fell wieder auf die Beine und sah zu Despotar hinüber, das selbst nicht mehr ganz sicher stand. „Despotar!“ Mars Stimme war weder hoffnungsvoll, noch mitfühlend, sondern einfach nur wütend. „Du schwächliches Vieh! Los, mach! Besieg sie! Hyperstrahl!“ Erneut öffnete das Gesteinpokémon das Maul, doch ihm schien die Energie zu fehlen erneut eine Attacke abzufeuern. Man konnte dieselbe Attacke nicht endlos wiederholen. Das verschaffte ihnen Zeit. „Tornupto – Feuersturm!“, befahl Kenta seinem Pokémon. Er war sich nicht sicher, ob dessen Energie für die mächtige Feuerattacke reichte, aber sie mussten es probieren. Aber Tornupto enttäuschte ihn nicht. Vielleicht wusste es auch, dass es ihre einzige Möglichkeit war von diesem seltsamen Ort zu entkommen. Der Flammenkragen an seinem Nacken loderte auf und im nächsten Moment schoss ein flammender Stern auf Despotar zu, welches noch immer versuchte die Energie für einen weiteren Hyperstrahl zu sammeln. Feuersturm warf es zurück, wenngleich es bedrohlich schwankend noch immer nicht zu Boden ging. „Flammenrad!“, rief Kenta noch einmal und nun loderte der Kragen Tornuptos noch heller auf. Scheinbar hatte der Kampf seine Fähigkeit Großbrand aktiviert. Das Flammenrad, zu dem sich das Pokémon nun zusammenrollte, loderte größer und heller als zuvor und dieses Mal war Despotar nicht fähig es aufzuhalten. Tornupto traf es in den Brustkorb und nun endlich ging das Gesteinpokémon zu boden. „Das…“, flüsterte Mars, während Tornupto keuchend vor ihr stehen blieb. „Das…“ Sie starrte es an. „Das kann nicht sein!“ Dabei achtete sie nicht einmal auf das eigene Pokémon, obwohl dieses völlig erschöpft zu sein schien. „Ihr Schwächlinge könnt nicht…“ „Gib auf, Mars!“, rief Mari nun zu ihr herüber. „Gib endlich auf.“ „Nein“, erwiderte die ehemalige Kommandeurin heiser. „Akagi… Ich… Ich werde ihn zurückholen. Ich…“ Wie eine Schlafwandlerin ging sie an Tornupto vorbei. „Ich werde ihn zurückholen“, wiederholte sie. „Gebt es mir… Gebt mir Celebi!“ Doch in diesem Augenblick schlug das grüne Pokémon in Maris Armen die Lider hoch und sah Mars an, ehe seine Augen zu leuchten begannen. Es war noch schwach, aber es wollte scheinbar etwas tun. „Bi“, flüsterte es. „Bi…“ Dann wurde der Laut zu einem Schrei und ein ähnliches grünes Licht, wie zuvor ihm Wald von ihm aus. Und noch bevor Kenta verstand, was gerade geschehen war, verloren seine Füße den Halt, ehe er einen Augenblick später fiel. Wieso fiel er? Er verstand es nicht. Wieso war der unsichtbare Boden verschwunden? War geschah überhaupt? Wieso konnte er nichts mehr sehen? Wo war Tornupto? Er schloss die Augen. Würde er irgendwann irgendwo aufschlagen? Würde er dann sterben? Doch da legte sich auf einmal ein Arm um seine Brust. Irgendjemand hatte ihn aufgefangen. Er fiel nicht mehr. „Oh man“, hörte er auf einmal eine frech wirkende Stimme. „Sieh sich einer an, wen wir da alles geangelt haben. Einen schwächlichen Trainer, eine Polizistin… Und was bist du überhaupt?“ „Geht es dir gut?“, fragte nun eine andere Stimme, die er als Hikaris erkannte. Vorsichtig öffnete er die Augen und bekam das wohl seltsamste Bild geboten, das er sich bis dahin hatte vorstellen können. Über ihnen war Land, unter ihnen auch. Wie fliegende Insel schwebten Berge und Wiesen in einer dunklen Unendlichkeit. „Wo sind wir? Wo ist Tornupto?“, brachte er schließlich hervor. „Wir sind in der Zerrwelt“, erwiderte die freche Stimme von zuvor, die, wie er nun erkannte, von einem kleinen, weißen Pokémon mit großen Ohren und grüner Mähne kam. „Und wir haben euch gerettet. Und was ist ein Tornupto?“ Er sah auf den leeren Pokéball, denn er noch immer in der Hand hielt, als er Maris Stimme hörte. „Da vorn!“, rief sie aus und tatsächlich erkannte er einen Flammenball, der dort, wo sie hinzeigte, vom nicht vorhandenen Himmel hinabfiel. Das seltsame dunkle Pokémon, auf dem sie saßen, drehte ab und wandte sich in die Richtung, um Tornupto ebenfalls aufzufangen. „Was ist passiert?“, fragte Kenta schließlich, als sie nahe genug an seinem Pokémon waren, als dass er es mit dem Pokéball zurückrufen konnte. „Meine Augen haben euch alle gerettet!“, meinte das freche Pokémon nun wieder. „Ihr solltet mir wirklich dankbar sein!“ Damit sah es zu Celebi, welches wieder ohnmächtig war und in Maris Armen lag. „Und jetzt sag mir endlich einmal jemand, was das ist!“ Kapitel 10: Morgendämmerung --------------------------- Nach dem düsteren Zwielicht der Zerrwelt blendete selbst das schwache Licht der aufgehenden Sonne, vom Rand des Waldes aus nicht einmal zu sehen war. Vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend, machte Hikari die ersten Schritte, nachdem sie direkt nach Kenta, von Giratinas Rücken gerutscht war. Ihr folgte Mari mit Celebi, ehe Shirona um einiges eleganter zu Boden glitt. „Ich hoffe, ihr wisst was für ein Glück ihr hattet…“, begann Shaymin schon wieder, wurde jedoch von Plinfa unterbrochen, das es mit einem ungehaltenen und entnervten Blick strafte. „Plinfa!“ „Pah, so ein undankbares, kleines…“, wollte das Legendäre schon schimpfen, doch Hikari unterbrach es. „Eine Sache frage ich mich aber doch.“ Shaymin flog drei Kreise um ihren Kopf herum. „Und das wäre?“ „Was hast du überhaupt in der Scheinwelt gemacht?“ Das Pokémon kicherte. „Ach, du erinnerst dich noch an den alten Mugen, oder?“ Damit meinte es wohl den Forscher Mugen Graceland, der sich vor vier Jahren in der Zerrwelt ziemlich verirrt hatte. „Der Junge kann es einfach nicht lassen. Und ich habe ihn begleitet. Allein um meinen alten Freund Giratina wieder zu sehen.“ „Freund?“, echote Hikari und sah das Pokémon mit leichter Ungläubigkeit an. „Plinfa?“, echote auch der Pinguin in ihren Armen. Doch tatsächlich schien sich Giratina mittlerweile wunderbar mit diesem besonders frechen Shaymin zu vertragen, jedenfalls sah es – sofern man dies bei einem so großen, dunklen Pokémon behaupten konnte – nahezu ausgelassen aus, als Shaymin um seinen Kopf herumschwirrte. „Nun, wie dem auch sei“, meinte Shaymin nun schließlich. „Wir verschwinden hier besser, bevor Giratina zu viel aufsehen erregt. Also, es war nett euch wieder zu sehen und… Ihr könnt ja so was von froh sein, dass ich euch gerettet habe!“ Das Drachenpokémon ließ ein kurzes Knurren hören. „… Wir euch gerettet haben“, verbesserte daraufhin das kleine Pokémon, ehe es auf Giratinas Kopf platznahm. „Und deinen dummen Pinguin retten wir das nächste Mal nicht mehr!“, rief es dann noch zu Hikari herunter, was Plinfa dazu brachte, wütend mit den Ärmchen zu wedeln. „Plin-Plinfa!“ Doch Shaymin ignorierte es, ehe im nächsten Moment Giratina sich mit einer für den großen Körper ungewöhnlichen Anmut vom Boden hob, ihnen noch einmal freundlich zuknurrte und dann durch ein Tor in der Luft in seine Welt zurück verschwand. „Ihr kennt diese Pokémon?“, fragte Mari nun schließlich. Bevor Hikari jedoch Antworten konnte, hörten sie in einiger Entfernung eine Stimme nach ihnen rufen. „Mari-chan? Seid ihr alle da? Was ist überhaupt passiert?“ Maya kam von der Straße aus auf sie zugelaufen. Als sie schließlich so nahe bei ihnen war, dass sie ihren doch recht mitgenommenen Zustand sah, blieb sie stehen. „Was ist passiert? Und was ist mit der Verbrecherin geworden?“ Doch erst einmal bekam sie keine Antwort. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, doch im Pokémoncenter von Teak City herrschte allgemeine Müdigkeit, vermischt mit einer Spur von Verwirrung und Ratlosigkeit über die sich ihnen noch immer stellenden Fragen. Ob nun Azuhina, die sich zusammen mit ihrem Chaneira um das noch immer ohnmächtige Celebi kümmerten. Oder Kenta, der einen Arm um Marina gelegt hatte, welche wiederum mit einem heißen Kakao auf einer der Bänke des Pokémoncenters saß. Sie war aus ihrer Starre offenbar erwacht – vielleicht weil sie die seltsame Armschiene die Mars getragen hatte, zerstört hatten? Oder Mari, die noch immer versuchte ihrer Schwester zu erklären, was passiert war, als sie in der Zeit verloren waren, während beide, genau wie alle anderen darüber rätselten, was aus den Katzenpokémon geworden war, die scheinbar verschwunden waren. Nun, der Spuk der Nacht schien auf jeden Fall vorbei. Wie auch Marina waren die Pokémon aus der Starre erwacht, auch wenn sie den Grund nicht kannten und ohne die Überreste der merkwürdigen Waffe auch nicht fähig sein würden, ihn herauszufinden. Niemand schien verletzt. Nur die Frage nach dem Verbleib von Suicune, Raikou und Entei blieb, so wie auch niemand wusste, was aus Mars geworden war. Und wenn Hikari ehrlich mit sich war, wollte sie sich darüber auch keine Gedanken machen. Sie streckte sich. Eigentlich fühlte sie sich müde genug, um mindestens zwei Tage lang durchzuschlafen, doch auf der anderen Seite ahnte sie, dass sie vor lauter Grübeleien keinen Schlaf finden würde und dieser, wenn sie einmal schlief, unruhig sein würde. Sie beneidete Plinfa, welches sich einfach bäuchlings auf eine der Bänke gelegt hatte und nun seelenruhig schlief. Mit einem Seufzen sah sie sich um. Es gab hier nichts für sie zu tun. Wahrscheinlich wäre es das Beste, wenn sie duschte und zumindest zu schlafen versuchte. „Komm, Plinfa“, meinte sie und hob das Pokémon behutsam hoch, um es mit auf ihr vorübergehendes Zimmer zu nehmen. Das größere Bad, in dem es auch Dusche und eine kleine Badewanne gab, lag auf derselben Etage, wie die Unterkunftszimmer. Mit müder Hand schloss sie die Tür auf und schlurfte in den Raum herein, legte Plinfa auf einem der vier Betten ab und tat selbiges mit ihrer Tasche, aus der sie dann ihr Nachthemd und einen frischen Schlüpfer hervorzog, mit denen sie sich dann auf den Weg in das Badezimmer machte. Duschen entspannte sie erstaunlich und während das warme Wasser über sie lief, hatte sich den Eindruck, erst einmal nicht mehr nachdenken zu müssen. Beinahe fürchtete sie, dass die beklemmenden Gedanken zurückkehren würden, sobald sie das Wasser abdrehte, doch nichts dergleichen geschah. Wahrscheinlich gewann die Müdigkeit nun langsam, aber sicher die Oberhand. Wunderbar, dachte sie. Vielleicht fand sie tatsächlich etwas Schlaf. Als sie jedoch in ihr Zimmer zurückkehrte, musste sie feststellen, dass Plinfa Gesellschaft bekommen hatte, auch wenn es diese aktuell wohl wenig schätzte, denn es schlief noch immer. Jedoch saß ihm gegenüber, auf der unteren Matratze des zweiten Hochbettes Shirona, die Hikari schon als sie wieder in Teak City angekommen waren, aus den Augen verloren hatte. Tatsächlich trug auch die ehemalige Champion einen weißen Schlafanzug und ihre Haare lagen offen und ohne Schmuck über ihren Schultern. Das mysteriöse Flair, mit dem sie sich normaler Weise umgab, schien so beinahe komplett verschwunden. Vielleicht hätte die jüngere sich normalerweise gewundert, warum Shirona in diesem Zimmer war, doch so dachte sie sich nur, dass Azuhina ihr wohl denselben Raum zugeteilt hatte, da sie sich ja offenbar kannten. So ging sie wortlos zum anderen Bett und ließ sich neben Plinfa auf die weiche Matratze fallen. Auch Shirona schien nicht daran interessiert zu reden, denn zumindest sagte sie nichts. Deshalb drehte Hikari ihr nach einem Moment schließlich den Rücken zu und murmelte, obwohl es eigentlich offensichtlich war: „Ich schlafe. Ich bin müde.“ Und tatsächlich war sie nur wenige Momente daraufhin eingeschlafen. Wirklich zu wundern begann sie sich erst, als sie aufwachte. Sie musste einige Stunden geschlafen haben, denn von den Sonnenstrahlen, die zwischen den zugezogenen Vorhängen des kleinen Raumes hindurchfielen, war es bereits Nachmittag. Doch Shirona saß noch immer auf dem anderen Bett, beinahe genau so, wie als Hikari in das Zimmer gekommen war. „Kannst du nicht schlafen?“, fragte sie schließlich noch immer schläfrig. Erneut herrschte Schweigen. „Das war“, begann Shirona schließlich. „Eine äußerst seltsame Nacht, nicht?“ „Seltsam…“ Hikari drehte sich auf den Rücken. „Ja, seltsam…“ Sie verdrängte den Gedanken daran, was aus Mars geworden war. Ob sie noch immer in jener zeitlosen Dimension gefangen war? „Danke“, meinte die Ältere nun wieder, nachdem sie erneut geschwiegen hatte. Hikari sah zu ihr herüber. „Wofür?“ „Dass du mir zugehört hast.“ Das Mädchen wollte schon etwas darüber erwidern, dass sie kaum eine andere Wahl gehabt hatte, immerhin hatten sie ja von dem Ort ohnehin nicht fortgekonnt, ließ es schließlich aber und nickte nur. Nachdem sie erneut eine Weile geschwiegen hatten, seufzte Hikari schließlich und sah die junge Frau mit einem etwas schuldbewussten Blick an. „Ich glaube, ich bin dir eine Entschuldigung schuldig“, murmelte sie. Nun war es an Shirona sie fragend anzusehen. „Wofür?“ „Ich habe dich angeschrieen. Und dafür gab es keinen Grund. Tut mir leid.“ Was sie so aufgeregt hatte, behielt sie allerdings für sich. Sie wollte nicht länger darauf herumreiten, zumal sie noch immer recht müde war. Die ehemalige Champion lächelte. „Ich habe es dir nicht verdenken können“, meinte sie und schwieg für einige Momente. „Du bist eigentlich ein liebes Mädchen.“ Nicht wissend, was sie darauf erwidern sollte, schwieg Hikari für eine Weile, ehe sie seufzte. Irgendwie verwirrte sie das Gespräch oder war es der Ausdruck in den Augen der anderen, den sie nicht deuten konnte? „Du solltest versuchen zu schlafen“, meinte sie schließlich leise. „Ich bin auch noch müde, weißt du?“ Damit drehte sie sich erneut demonstrativ zur Seite und Shirona ihren Rücken zu. Mit einer Hand strich sie über den Kopf des noch immer selig schlafenden Plinfa. „Du solltest wirklich schlafen…“ Dieses Mal dauerte es etwas, bis sie einschlief, auch wenn sie sich bemühte, die Fragen nach Mars und den drei verschwundenen Pokémon aus ihrem Kopf zu verdrängen. So schnell würden sich keine Antworten ergeben, das wusste sie. Und doch brauchte sie, bis langsam eindöste. Es war kurz, bevor sie endgültig einschlief, dass sie meinte, etwas Warmes auf ihrer Wange zu spüren, doch sie war sich nicht sicher, ob sie nicht vielleicht schon träumte. Epilog: Aufbruch nach Oliviana City ----------------------------------- Natürlich war es Abend, als Hikari erneut aufwachte und im Zimmer wurde es langsam dunkel, doch das war nicht, was das Mädchen von einem Moment auf den anderen aufschrecken ließ. Es war die Tatsache, dass sie ganz offenbar nicht mehr alleine im Bett lag, denn sie spürte, dass jemand hinter ihr lag und zumindest ahnte sie, wer dieser Jemand war. „Shirona?“, fragte sie vorsichtig. Was machte sie in ihrem Bett? Nun wurde auch Plinfa langsam wach und öffnete verschlafen die Augen, ehe es sich streckte und aufrichtete. Auch es sah zur blonden Frau, die sich beinahe kindhaft an seine Trainerin gekuschelt hatte, und legte den Kopf fragend auf die Seite. „Plinfa?“ Vorsichtig drehte Hikari sich um. „Shirona?“, fragte sie erneut und etwas kleinlaut, da sie sich nicht sicher war, was sie von dem ganzen halten sollte. „Shirona?“ Sie berührte die andere am Arm, jedoch erst einmal, ohne eine Reaktion von ihr zu bekommen. Unsicher überlegte sie, was sie tun sollte. Sie erinnerte sich auf einmal, an das warme, dass sie beim Einschlafen auf ihrer Wange gespürt hatte. Konnte es etwa sein, dass…? „Plinfa, Plin! Plin!“, begann das Pokémon hinter ihr nun wieder und klang dabei recht entrüstet. „Plinplin!“ Dabei war es eindeutig lauter, als Hikari zuvor, sorgte so jedoch aber auch für eine Reaktion der älteren Trainerin. Nicht weniger verschlafen, als Plinfa zuvor, öffnete sie die Augen und sah sie an für eine Weile an. Dann lächelte sie. Unsicher sah Hikari zurück, nicht ganz sicher, was sie sagen sollte. „Wieso…“, setzte sie schließlich an, doch Shirona unterbrach sie. „Du bist rot“, meinte sie und lächelte nun etwas breiter. „Niedlich.“ Nun nahm Plinfa das Beschweren in die Hand und baute sich zu seiner zu verachtenden aber vollen Größe auf. „Plinfa! Plinfa! Plin-Plinfa!“, begann es zu schimpfen, wobei es wahrscheinlich war, dass dies nichts mit dem Verhalten der ehemaligen Champion selbst, sondern vielmehr mit reiner Eifersucht zu tun hatte. Immerhin neigte das Pokémon offenbar dazu seine Trainerin sozusagen als sein vermeidliches Eigentum anzusehen. Jedoch sorgte seine Schimpftriade nur dafür, dass die ältere der beiden Trainerinnen zu kichern begann. Schließlich fasste sich das Mädchen wieder. „Wieso…“, setzte sie erneut an. „Wieso liegst du mit in meinem Bett?“ „Weißt du, mir fiel schwer einzuschlafen“, erwiderte Shirona nun ernsthafter. „Aber das ist noch kein Grund…“, wollte Hikari widersprechen, wurde jedoch erneut unterbrochen. „Außerdem ist mir etwas klar geworden.“ Noch immer etwas verstimmt, da sie nicht sicher war, was sie von dem ganzen hielt oder halten sollte sah Hikari die Frau an. „Und das wäre?“, fragte sie dann schließlich, woraufhin die andere lächelte. „Ich mag dich“, erwiderte Shirona. Das Mädchen wandte den Blick ab, auch wenn dies schwer fiel, so wenig Abstand wie zwischen ihnen war. „Was soll das heißen?“, fragte sie kleinlaut und nicht sicher, was sie sonst darauf erwidern sollte. Denn sicher war sie sich nicht, ob sie dasselbe sagen konnte. Es fiel ihr schwer genau zu sagen, was sie über die andere dachte. Sie war seltsam, wie jemand mit zwei Gesichtern, und so sehr sie sie auch heimlich bewunderte, so fiel es ihr auch schwer, die ehemalige Champion einzuschätzen. Es war nahezu unmöglich zu erraten, was sie gerade dachte, oder was sie als nächstes tun würde. Es war einfach verrückt. Shirona schwieg für einige Momente erneut, lächelte dann abermals und hob den Kopf um sich noch ein Stück näher zu dem Mädchen herüberzubeugen. „Das“, flüsterte sie dann und küsste sie auf die Wange. „Plinfa!“, protestierte der kleine Pinguin, doch erneut kicherte die Trainerin nur, richtete sich auf und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum. „Plinfa?“ Mit einem vielsagenden Blick sah das Pokémon zu Hikari hinüber, doch diese drehte sich nur auf den Bauch und seufzte. „Einfach verrückt…“ „Du nimmst also am Oliviana Wettbewerb teil?“, fragte Marina, der es offenbar wieder gut ging. Sie hatte, seit Hikari aufgestanden war, kein einziges Wort über die Ereignisse der Nacht verloren und auch Hikari selbst war nicht sonderlich erpicht darauf, darüber zu reden. Vielleicht später, doch im Moment wollte sie am liebsten einfach vergessen. „Ja, das habe ich vor“, erwiderte sie leichthin. „Nimmst du auch teil?“ „Nein.“ Die ältere Koordinatorin lächelte verschmitzt. „Aber sehen werden wir uns trotzdem.“ Sie standen vor dem Teak City Pokémon Center, während der zweite Morgen seit der seltsamen Nacht anbrach. Die beiden Trainer aus Johto hatten bereits gefrühstückt und wollten aufbrechen, ebenfalls in Richtung Oliviana City. Jedoch wollten sie allein reisen, wofür die Gründe offensichtlich waren. So verabschiedeten sie sich von Hikari, deren Rucksack noch im Center lagen, wo ihre Pokémon auch noch ihr Frühstück zu sich nahmen. Nachdem die beiden Trainer auf Kentas Tropius am Himmel verschwunden waren, wandte Hikari sich ab und ging zurück ins Gebäude. Sie stellte fest, dass sie sich auf den Wettbewerb in Oliviana freute, zumal er sie wirklich von den vergangenen Geschehnissen ablenken würde. „Ich wünsch' dir viel Glück, bei dem Wettbewerb“, sprach Azuhina sie an, während sie ihre Pokémon zurückrief. „Danke“, meinte Hikari und lächelte, in der Hoffnung das dies überzeugend wirkte. „Ich werde mich bemühen zu gewinnen.“ „Wir werden uns den Wettkampf ansehen, wenn er im Fernsehen übertragen wird.“ Die Joy lächelte und drückte dem Mädchen eine Box in die Hand. „Das sollte zumindest für heute reichen. Komm wieder vorbei, wenn du durch die Stadt kommst.“ Die junge Koordinatorin verbeugte sich. „Vielen Dank.“ Dann verstaute sie das Paket in ihrem Rucksack und schulterte diesen. „Bist du soweit, Plinfa?“, fragte sie dann den kleinen Pinguin, der als einziges Pokémon außerhalb seines Pokéballs verblieben war. „Plinfa!“, bestätigte er begeistert. „Dann lass uns aufbrechen“, meinte sie und wandte sich noch einmal der Joy zu. „Auf wiedersehen. Und noch einmal vielen Dank.“ „Dafür sind wir da“, erwiderte die Schwester. „Mach's gut.“ Und damit verließ sie zusammen mit Plinfa das Pokémon Center von Teak City, versucht sich gedanklich voll und ganz auf den kommenden Wettbewerb zu konzentrieren. Nur einen Gedanken konnte sie nicht ganz verscheuchen. Sie fragte sich, wo Shirona geblieben war. Seit dem Gespräch am letzten Tag hatte sie die ehemalige Champion nicht mehr gesehen. Weder beim Essen am Abend zuvor, noch beim Frühstück, bei dem Azuhina ihr gesagt hatte, dass Shirona bereits gefahren war. Aber letzten Endes ging es sie auch nichts an, oder? Die Trainerin hatte sie schon am Tag zuvor viel zu sehr verwirrt. Was sollte dieses „Ich mag dich“ heißen? Und was war mit dem Kuss. „Pah“, murmelte Hikari, während sie Teak City zur Route 38 hin verließ. Wahrscheinlich hatte Shirona sie nur aufziehen wollen. Ja, wahrscheinlich... „Plinfa?“, fragte das Pokémon, das bisher neben ihr hergetrottet war, und sah sie an. „Nichts, nichts.“ Sie lächelte, wenngleich nur halbherzig. „Alles in Ordnung. Ich...“ Doch da ließ das Geräusch eines Motors sie aufschrecken. „Was...“, setzte sie an, als nur wenige Augenblicke später ein Motorrad neben ihr hielt und der Fahrer, oder besser gesagt die Fahrerin abstieg. Noch bevor sie den Helm abnahm, erkannte Hikari Shirona, die sie leicht, aber vor allem wieder mysteriös lächelnd ansah. Für einige Sekunden herrschte Schweigen, ehe die ehemalige Champion der Sinnohregion einen Schritt auf das Mädchen zumachte und es einfach auf die Lippen küsste. „Du wärst also gegangen, ohne dich von mir zu verabschieden?“, fragte sie dann. Hikari erwiderte nichts. Dafür hatte sie der plötzliche Kuss zu sehr erschreckt und sie war sich noch nicht ganz sicher, was sie davon halten sollte. „Was...“, setzte sie erneut an, fand aber keine Worte um den Satz zu beenden. Weniger wortkarg zeigte sich jedoch Plinfa, das schimpfend an Shirona auf und ab sprang, gelegentlich nach ihr pickend. „Ich kann dich nach Oliviana fahren“, sagte die Trainerin schließlich. „Wenn du willst“, fügte sie dann noch hinzu. „Und die Eifersuchtsattacken deines Pinguins ertragen kannst.“ Hikari, die ihre Wangen brennen spürte, antwortete nicht sofort. „Was soll das?“, brachte sie endlich hervor. „Was?“ „Der Kuss...“ Sie sah die Ältere nicht direkt an. „Und das, was du gestern gesagt hast.“ Wieder herrschte Schweigen, von Plinfas ununterbrochenen Schimpftriaden einmal abgesehen. Dann legte Shirona ihre Hand auf Hikaris Wange und sah sie an, als das Mädchen langsam den Kopf hob. Wieso schlug ihr Herz so? Konnte es tatsächlich sein, dass sie selbst Shirona auf dieselbe Art mochte, wie diese sie? Wieso? Es war nicht einmal zwei Tage her, dass sie sich wiedergetroffen hatten. Sie hatten sich nie sonderlich gut gekannt. Und sie waren beide Frauen. Trotzdem lächelte sie leicht, als sich Shirona ihr hinabbeugte, erneut „Ich mag dich“ flüsterte und sie dann schließlich erneut küsste. Dieser Kuss war intensiver, als der letzte, doch nach kurzem Zögern und noch immer unsicher erwiderte Hikari ihn. „Plinfa!“, protestierte das Pokémon nun so laut wie es konnte, aber es dauerte trotzdem einige Momente, ehe sich die beiden Trainerinnen voneinander lösten. „Also, kommst du?“, fragte Shirona nun, Plinfa weiterhin ignorierend. Erneutes Zögern, doch dann nickte Hikari. ENDE Fortsetzung? ... ... Die Meister des Schicksals http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/260357/ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)