Die Meister der Zeit von Alaiya ([ShiroKari] [KenNa]) ================================================================================ Kapitel 2: Suicunes Schrei -------------------------- Nun, was die ehemalige Sinnoh Champion in Johto trieb, erfuhr Hikari nicht allzu bald. Denn kaum hatten sie die ersten paar Worte gewechselt, war Azuhina, die Schwester Joy von Teak City gekommen und hatte Shirona – was hätte sie auch anderes tun sollen? – ebenfalls zum Essen eingeladen. Hikari rief ihre Pokémon, bis auf Plinfa, das sich dies ohnehin nicht hätte gefallen lassen, zurück und folgte der Joy zusammen mit Shirona in den Wohnbereich hinter dem eigentlichen Pokémon Center. Dort lernten sie auch Take, den Mann der jungen Schwester kennen. Beide, sowohl Azuhina, als auch ihr Mann waren begierig darauf etwas vom fernen Sinnoh zu erfahren, so dass es auch beim Essen keine Möglichkeit für Hikari gab herauszufinden, was die Trainerin nach Johto getrieben hatte. Zwar wusste sie, dass Satoshi Shirona vor mehr als einem Jahr besiegt hatte und somit zum neuen Champion der Region geworden war, doch hatte sie nie erfahren, was diese danach gemacht hatte. Es war ohnehin mehr als drei Jahre her, dass sie sie das letzte Mal getroffen hatte. Als Azuhina die Trainerin fragte, lächelte diese nur und sagte, sie sei auf einer Reise – was jedoch auf nahezu jeden, der in einem Pokémon Center übernachtete, zutraf. Für eine Weile überlegte Hikari es ihr gleichzutun, wohl gemerkt nicht, um es Azuhina zu verheimlichen, sondern nur um der ehemaligen Champion, die sich auf ihre Weise immer gern mit einer mysteriösen Aura zu umgeben schien, den Spiegel vorzuhalten. Doch schließlich wandte sich die Joy an sie. „Und was hat dich aus Sinnoh hierher gebracht?“, fragte sie lächelnd und füllte dem Mädchen einen großzügigen Nachschlag Kartoffelgratin auf den Teller. Lange musste Hikari nicht nachdenken, um zu antworteten. „Ich bin auf den Weg zum Dukatia City Wettbewerb. Ich will beim diesjährigen großen Festival von Johto teilnehmen.“ „Am großen Festival?“, hakte nun Take nach. „Meine Schwester hat vor zwei Jahren teilgenommen.“ Er machte eine kurze Pause. „Allerdings ist sie nicht weiter, als in die Vorrunde gekommen.“ „Hat sie es nicht noch einmal probiert?“ Hikari sah von ihrem Gratin auf. „Nun ja, sie ist nach Hoenn gereist und wird dort beim diesjährigen Festival teilnehmen.“ „Ich finde die Hoenn Wettbewerbe am beeindruckensten“, erwiderte das Mädchen. „Eine Freundin hat dort als Koordinator angefangen. Und vorletztes Jahr habe ich am Festival dort teilgenommen. Gewonnen hab ich allerdings auch nichts.“ Sie machte einen verlegenen Gesichtsausdruck und wandte sich dann wieder dem Essen zu. Es war nun Azuhina, die lächelte. „Vielleicht schaffst du es hier. Wie viele Johto-Bänder hast du schon gewonnen?“ „Drei“, antwortete Hikari. „Das Dukatia-Band soll mein viertes werden.“ „Plin-Plinfa!“, fügte das auf dem Tisch sitzende Pinguinpokémon hinzu und machte einen sehr überzeugten Eindruck, den Schnabel stolz erhoben. „Zumindest dein Plinfa scheint überzeugt zu sein, dass ihr hier gewinnen könnt.“ Daraufhin seufzte die junge Koordinatorin. „Das ist es bei allem.“ „Plin!“, protestierte das Pokémon daraufhin, doch Hikari ignorierte es und wandte sich wieder dem Essen zu. Es dämmerte, als Hikari das Pokémon-Center noch einmal verließ, nachdem sie der Schwester beim Abräumen des Geschirrs geholfen hatte. Shirona hingegen war mit einem „Danke“ direkt nach dem Essen verschwunden, ohne zu sagen, wo sie noch hinwollte. Hikari selbst fühlte sich jedoch auch noch nicht müde – kein Wunder, es war gerade kurz nach acht – und hatte daher beschlossen sich noch ein wenig in der recht kleinen, aber historischen Stadt umzusehen. Noch immer war Plinfa außerhalb des Pokéballs und stolzierte neben ihr her, so als müsste jedes andere Pokémon ihm Respekt erweisen. Mittlerweile hatte Hikari aufgegeben, diesen Stolz ihm abzugewöhnen. In mancherlei Hinsicht war es einfach unverbesserlich. „Plinfa, Plin!“, rief es aufgeregt aus, als es ein kleines Café in der Nähe des Abgebrannten Turms entdeckte, aus dem der Geruch frischen Gebäcks zu vernehmen war. „Vergiss es, du hast gerade erst etwas gehabt“, erwiderte Hikari ungehalten. „Pli-Plinfa!“ Mit wedelnden Flügelchen baute sich das Pokémon vor ihr auf und sah sie herausfordernd an. „Plin Fa!“ Damit streckte es die Flügel empor, ehe es dann mit dem rechten auf seinen Bauch zeigte. Sie sah es nur gelangweilt und mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Nein, du wirst nicht mehr wachsen, auch wenn du noch fünfzig Kuchen essen wirst.“ „Plinfa!“ Nun stemmte es die Flügel in seine Seite. „Ich habe ‚Nein’ gesagt“, erwiderte sie und ging dann, das Pokémon nicht weiter beachtend weiter in Richtung der Turmruine. Für einige Augenblicke schaute Plinfa beleidigt rein und schien entschlossen sich kein Stück weiter zu bewegen, ehe es Süßigkeiten bekommen hatte, doch als sich seine Trainerin nicht umdrehte und sich immer weiter entfernte, wurde es doch bald vom Mut verlassen und folgte ihr mit schnellen Schritten. Kurz sah Hikari auf das Pokémon hinunter, als es nun wieder neben ihr stolzierte, dann blieb sie jedoch stehen. Sie hatte nun den kopfsteingepflasterten Platz vor dem Felshügel, auf dem die Ruine stand, erreicht und sah zu den verkohlten Holzstreben hinauf. Im rötlichen Abendlicht schien es beinahe, als würde sich erneut Feuer durch das alte Holz fressen – fast wie ein düsteres Omen. Schnell verdrängte sie diesen Gedanken. Nur dummer Aberglaube, sagte sie sich schnell, schaffte es damit jedoch nicht vollkommen das flaue Gefühl in ihrem Bauch zu verdrängen. Auch Plinfa ließ ein halb beeindrucktes, halb ängstliches „Faaa“ hören, während es den Kopf verrenkte, um zur Ruine hinauf zu sehen. Wofür der Turm wohl einst gestanden hatte? Sie hatte zwar bereits einige der Legenden von Johto gehört, doch an genaueres erinnerte sie sich nicht. Für einen Moment wünschte sie sich, Takeshi dabei zu haben, der die Regionsführer scheinbar auswendig kannte, aber in diesem Moment lenkte Plinfa ihre Aufmerksamkeit auf sich. „Plinfa, plinfa!“, meinte es und zeigte auf ein Schild, das an dem Zaun, der den Platz umgab und wohl als Absperrung diente, angebracht war. „Hmm?“ Sie folgte seinem Zeig und ging näher an das Schild heran, um die Aufschrift lesen zu können. Bronzeturm, beschriftete die obere Hälfte der großen Plakette in geschwungenen Lettern. Einst lebte das legendäre Pokémon Lugia auf der Spitze des Turmes, ehe er… Weiter kam sie mit dem Lesen nicht, denn ein seltsames Säuseln neben ihrem Ohr, das wie ein gehauchtes „Maaaaah“ klang, ließ sie aufschrecken. Eine Gänsehaut machte sich auf ihrem Nacken und den Armen breit, denn sie traute es so einer alten Ruine durchaus zu, dass sich Geister in ihrer Nähe herumtrieben. „Magil“, ergänzte die säuselnde Stimme nun und als sich Hikari umdrehte, schwebte ein Traunmagil direkt neben ihrem Kopf und sah bedächtig zu der dunklen Gestalt der Ruine hinauf. „Plinfa“, stieß der Pinguin aus und schien nicht so ganz zu wissen, ob es über die Herkunft des Säuseln nun erleichtert sein sollte oder nicht. „Traurig, dass nur noch Trümmer von dem Turm übrig geblieben sind“, hörten sie nun eine menschliche Stimme hinter sich und sahen im Umherblicken, dass Shirona auf sie zukam. „Was machst du hier?“, fragte Hikari etwas ungehalten. Noch immer schmollte sie, wegen der geheimnisvollen Aura, und war zudem nicht unbedingt darüber erfreut erschreckt worden zu sein. Deshalb beobachtete sie die Ältere Trainerin nun mit gereiztem Blick und verschränkten Armen, während diese zu ihr trat und ebenfalls das Schild inspizierte. „Ich bin nach Teak City gekommen, um die Türme zu sehen“, erwiderte sie ruhig und mit einem amüsierten Lächeln, da Plinfa nun die Haltung seiner Trainerin imitierte. „Ich bin erst gerade in der Stadt angekommen, aber ich konnte einfach nicht umher, noch eben einen Blick auf sie zu werfen, ehe die Sonne ganz untergegangen ist.“ „Kein Grund mich so zu erschrecken.“ Noch immer hatte die Koordinatorin die Arme vor dem weißen ärmellosen Shirt verschränkt. Nun galt das amüsierte Lächeln ihr. „Kein Grund so gereizt zu sein“, konterte Shirona, was Hikari nun mit einem „Hmpf“ abtat und sich wieder dem Turm zuwandte. Für eine Weile herrschte Schweigen zwischen ihnen. Shirona studierte die Tafel am Zaun, ihr Traunmagil schwebte still neben ihr, Plinfa hatte nun doch teils ängstlich, teils noch immer beleidigt die Nähe seiner Trainerin gesucht, welche ihrerseits zur Ruine hinaufsah. Der Himmel verlor nun schnell seine rote Färbung, wurde stattdessen violett und die Sterne kamen nach und nach hervor. Nicht lang und die Nacht würde komplett über sie hereingebrochen sein. Hikari bemerkte, dass die Ältere sie mittlerweile wieder ansah, doch sie sah überhaupt nicht ein, wieso sie ihr deswegen mehr Aufmerksamkeit schenken sollte. In der Hinsicht des Schmollens waren sie und ihr Pokémon sich doch oft nicht unähnlich. „Ich nehme an, du wirst morgen weiterreisen?“, unterbrach Shirona schließlich die Stille, was das Mädchen mit einem Schulterzucken beantwortete. „Der Wettbewerb findet erst in zweieinhalb Wochen statt. Ich habe noch genug Zeit“, erwiderte sie nach knapp einer weiteren Minute eiserner Stille. „Vielleicht werde ich mir die Stadt morgen noch genauer ansehen.“ „Ich werde wohl noch ein paar Tage hier bleiben“, erwiderte Shirona nun. „Wenn du willst, kannst du mich morgen begleiten. Ich kenne einige Geschichten über die Stadt.“ Erneut ließ die Jüngere ein schmollendes „Hmpf“ vernehmen, was Plinfa direkt mit einem ebenso beleidigten „Plin“ unterstrich. „Ich habe den Eindruck, dass du irgendwie sauer bist“, bemerkte die ehemalige Champion nun das Offensichtliche. „Und dein Plinfa ganz offenbar auch.“ „Ich mag es nicht erschreckt zu werden“, murmelte Hikari. „Und dein Verhalten im Center war nicht nett.“ „Nicht nett?“, harkte Shirona nach. „Also zumindest ich finde es nicht nett so unbeteiligt und geheimnistuerisch zu sein, wenn man wo zum Essen eingeladen wird.“ Letzten Endes war dies eigentlich kein wirklicher Grund, immerhin gab es auch keine Pflicht, zuviel über sich Preis zu geben, aber wie viele Mädchen in ihrem Alter konnte sich Hikari über diese Dinge aufregen. Zumal die Ältere keinen guten Auftritt für sie hingelegt hatte, immerhin hatte sie ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht, bezüglich ihrer Pokémon-Erziehung. Allerdings schien Shirona sie in der Hinsicht sehr gut zu durchschauen, denn sie kicherte nur leise in sich hinein. „Nachdem dein Freund mich in der Liga besiegt hat, habe ich begonnen Pokémon Mythen aus aller Welt zu sammeln. Es gibt bisher wenig Literatur, die Legenden aus allen Regionen beinhalten.“ „Du willst ein Buch schreiben?“, fragte Hikari und warf ihr mit hochgezogener Augenbraue einen Blick aus den Augenwinkeln zu. „So in etwa“, antwortete die Erwachsene und lächelte sie an. „Plin-Plinfa?“ Nun hatte auch das Pinguinpokémon den Kopf erhoben und sah sie mit etwas Neugierde an. „Hmm.“ Für einen Moment überlegte Hikari. „Dann kannst du mir auch sagen, was es mit dieser Ruine auf sich hat?“ „Natürlich“, lächelte Shirona. „Der Bronzeturm wurde ursprünglich zu Ehren den legendären Pokémon Lugias, dem Herrscher der Meere, errichtet, als Zwilling zum Zinnturm, auf dem sich Ho-Oh niederließ. Jedoch brach eines Tages ein Feuer aus und der Turm brannte drei Tage und drei Nächte lang. Bei jenem Feuer wurden drei Pokémon getötet. Lugia verließ die Stadt daraufhin und auch Ho-Oh flog hinfort, doch bevor Ho-Oh diesen Ort verließ, belebte es die gestorbenen Pokémon wieder.“ Plinfa sah nun mit noch größeren Augen zum Turm hinauf. „Plinfa“, staunte es, legte dann den Kopf schief und sah noch einmal Shirona an. „Plinfa?“ „Magil“, säuselte das Geistpokémon nun, das im Gegensatz zu den Trainerinnen die genaue Frage des Pinguins verstanden hatte, diesem jedoch ein ungeduldiges Flügelschlagen entlockte. „Plin-Plin!“ „Die drei Pokémon, so sagt man, laufen seither durch das Land, um die anderen Pokémon zu schützen“, fuhr Shirona fort und sah nun ebenfalls zur Ruine hinauf. „Ihre Namen sind…“ „Ihre Namen…?“, harkte Hikari nach, doch ihr Gegenüber antwortete nicht, sondern sah zur Spitze des abgebrannten Turms hinauf. Das Mädchen folgte ihrem Blick und tatsächlich konnte sie die von blassem Licht umgebene Gestalt eines Pokémon auf den verbrannten Brettern entdecken. „Was…?“, setzte sie an, brachte jedoch keine weiteren Worte über ihre Lippen. „Plinfa…“ Im Blick Plinfas neben ihr war etwas Ehrfürchtiges zu erkennen, was bei ihm doch recht selten vorkam. „Plin.“ Damit sah auch es zur katzenhaften Gestalt hinauf. „Suicune“, flüsterte nun die ehemalige Champion, als das Pokémon den Kopf erhob und einen langen, traurig klingenden Schrei ausstieß, der in den Gassen der altertümlichen Stadt widerhallte. Dann, mit einem Mal, stieß sich Suicune vom verbrannten Holz ab und landete direkt auf den mit Moos und Gras überwucherten Steinen gepflasterten Platz vor der Ruine. Für einen Moment sah es die beiden Trainerinnen und ihre Pokémon an, doch dann setzte es mit einem weiteren Sprung über den Zaun, vor dem sie standen, hinweg, flog zwischen ihnen hundurch, landete dann auf der Straße und sprintete weiter. „Plinfa“, flüsterte das Wasserpokémon leise, schien sich jedoch schnell zu fangen. „Irgendetwas scheint nicht zu stimmen“, murmelte Hikari, denn so viel hatte sie erkennen können, auch ohne etwas über Suicune zu wissen. „Sonst hätte es sich nicht gezeigt“, erwiderte Shirona und beide Trainerinnen sahen sich für einen Augenblick an. Dann jedoch nickten sie sich zu und liefen los, in dieselbe Richtung in der Suicune verschwunden war. „Altaria, halt nach Suicune Ausschau!“, rief das Mädchen und warf den Pokéball in die Luft, aus dem sich der blaue Vogel gen Himmel erhob und über die Dächer hinweg flog, um ihnen die Richtung zu zeigen, in die das legendäre Pokémon nun lief. Hikari spürte den abendlichen Wind in ihr Gesicht schlagen und hoffte, dass Plinfa mit ihnen mithalten konnte. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass einige Leute aus den Fenstern schauten, wahrscheinlich weil auch sie Suicune gesehen hatten, doch sie achtete nicht auf sie. Sie merkte, wie ihr Puls raste und das nicht nur des Rennens wegen. Sie hatte ein legendäres Pokémon gesehen, das erste Mal, seit sie Sinnoh verlassen hatte. Es war das erste Mal, seit sich ihre Wege von denen der Jungen getrennt hatten, dass sie überhaupt etwas wirklich ungewöhnliches erlebte. Ein Abenteuer?! Doch mit dem, was sie sahen, als sie Suicune schließlich einholten, hatte sie nicht gerechnet… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)