Weihnachtsessen bei Edelsteins von Niekas (Indirektes HRExChibitalia) ================================================================================ Kapitel 3: Kultivierte Barbaren ------------------------------- 3. Kultivierte Barbaren „Dein Wein ist ausgezeichnet, Antonio“, gab Francis zu und lächelte versonnen, „aber meiner ist auch nicht schlecht, du wirst sehen.“ „Ich bin schon ganz gespannt“, erwiderte Antonio fröhlich. „Romanito, willst du auch einen Schluck abhaben?“ Romano hatte sich auf seinem Stuhl umgedreht, starrte finster die Wand an und brabbelte ein trotzig-monotones „ñoño, ñoño, ñoño“ vor sich hin. „Diesmal werde ich einen Toast ausbringen“, verkündete Francis. „Ist jeder versorgt?“ Erneut machte Feliciano eine Runde um den Tisch, und erneut blieb er vor Ludwig stehen. „Du hast dein Glas schon leer?“, fragte Roderich ehrlich schockiert. „Klar, was denkst du denn?“, antwortete Gilbert an seiner Stelle. „Er ist nicht so ein Asket wie du.“ „Himmel, Wein kann man doch nicht trinken wie Wasser!“ „Hast du je in diesem Tempo Wasser getrunken, West?“ „Nein.“ „Da hörst du's.“ „Aber...“ „Ich möchte auch anstoßen“, erklärte Ludwig und sah ihn leicht verärgert an. Roderich holte tief Luft. „Ich dulde nicht, dass so viele Toasts an meinem Tisch...“ „Roderich, bitte“, sagte Elizaveta leise. „Lass ihm die Freude. Ein halbes Glas...“ Bevor die beiden zu einem Schluss kamen, nahm Gilbert Feliciano die Flasche ab und füllte Ludwigs Glas. „Da. So einfach macht man das.“ Roderich schien kurz davor, ihm an die Kehle zu gehen, doch Elizaveta redete gedämpft und schnell auf ihn ein und er beherrschte sich. „Also...“, sagte Francis, erhob sein Glas und sah zu, wie die Lichter in der roten Flüssigkeit schimmerten. „Ich trinke auf eine gute Ernte im nächsten Jahr, ganz besonders auf eine gute Weinernte...“, er warf einen Blick zu Ludwig hinüber und lächelte, „...und ich trinke auf die Weisheit des Alters und die selige Unwissenheit der Jugend.“ Ein allgemeines „Prost“ antwortete ihm. Feliciano sah, wie Ludwig einen tiefen Schluck nahm, eine Weile lang ins Leere sah und dann schluckte. Er kannte den Wein von Bruder Francis wohl noch nicht, mutmaßte er. Man musste vorsichtig damit sein. Obwohl es ein verhältnismäßig aufregender Abend war, mit all den selten gesehenen Gästen am Tisch, kehrte bald die Routine von Essen auf- und abtragen und Gläser füllen ein, an die Feliciano nach so vielen Jahren in Roderichs Haus schon gewöhnt war. Wenn er gerade nichts zu tun hatte, starrte er Ludwig an, bis Elizaveta ihm einen scharfen Blick zu warf oder Romano ihn gegen das Knie trat, an den Haaren zog oder ins Auge stach. „Was ist so besonderes an diesem blöden Bastard?“, fragte er laut genug, dass man es bis zum Tisch hörte. Feliciano quietschte auf. „Sag so was doch nicht, fratello... sie könnten dich hören...“ Doch glücklicherweise war die Stimmung am Tisch (dank des Weins und des fortgeschrittenen Abends) bereits so angeheitert, dass niemand von dem ständig nörgelnden Romano Notiz nahm. Francis hatte Antonio gerade einen Witz erzählt, über den dieser herzlich lachen musste, und Elizaveta diskutierte quer über den Tisch hinweg irgendetwas mit Gilbert. Um genau zu sein, redete sie auf ihn ein, bis er grinsend irgendeine Bemerkung machte, die Feliciano nicht verstand, und Elizaveta verächtlich lachend ihr Haar zurück warf, was ein sicheres Zeichen dafür war, dass sie das Thema für erledigt hielt. „Nun, Ludwig“, bemühte Roderich sich, den Jungen mit in das Gespräch einzubeziehen, der bisher schweigend neben ihm gesessen hatte. „Magst du Musik?“ Unschlüssig sah Ludwig ihn an. „Manchmal höre ich zu“, antwortete er dann. „Aber ich spiele kein Instrument.“ „Nicht?“ Roderich warf Gilbert einen Blick zu und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass er dies für einen unhaltbaren Zustand hielt. „Würdest du es gern?“ „Eigentlich halte ich es für unnötig. Man kann ja doch nichts damit anfangen.“ „Hat Gilbert dir das gesagt?“ Ludwig sah ihn fragend an. „Ja.“ Roderich kniff die Lippen zusammen. „Oh, ich bitte dich, Roderich! Nur weil du schon in der Wiege liegend Cello gespielt hast, kannst du das nicht für jeden voraussetzen.“ Gilberts Lachen zeigte, für wie sinnlos er die ganze Aufregung hielt. „Es ist ja nicht so, dass West sich gar nicht bilden würde.“ „Wie verbringst du denn deine Zeit, wenn ich fragen darf?“ „Gilbert bringt mir alles bei, was ich können muss“, erwiderte Ludwig und ein bisher unbekanntes Leuchten lag in seinen Augen. „Fechten, Reiten und so etwas. Auch Strategie.“ „Und du glaubst, das ist alles, was du wissen musst?“ „Erst einmal schon. Ich wachse in eine Welt des Krieges hinein. Da ist es wichtig, dass ich mich behaupten kann, obwohl ich noch jung bin.“ „Wer sagt das?“ „Gilbert.“ „Weil es stimmt, Roderich“, warf Gilbert genervt ein. „Dein Kreuzverhör geht mir langsam auf den Keks. Es stimmt, was West sagt. Die Welt ist nicht so Friede-Freude-Eierkuchen, wie sie für dich aussieht. Wenn du immer nur auf deinem seidenen Thron hockst und Musik machst, ist es ja kein Wunder, dass du den Blick für die Realität verlierst!“ „Ich verliere keineswegs den Blick für die Realität!“, zischte Roderich und rückte seine Brille zurecht. „Nein, alles klar! Du hockst hier oben in deinen Bergen und lässt es dir gut gehen! Du hast doch keine Ahnung, wie es unten aussieht!“ „Ludwig wächst doch nur in eine Welt des Krieges hinein, wie er es ausdrückte, weil du ihn aufziehst, Gilbert! Weil er ständig in deiner Nähe ist und du jemand bist, der sich im Frieden nur allzu schnell langweilt! Du bringst ihm nicht nur bei, wie man Kriege führt, sondern vor allem, wie man sie verursacht!“ „Und was tust du? Schmierst jedem, der dir über den Weg läuft, Honig ums Maul, um ja deinen kostbaren Frieden zu bewahren! Du gehst sogar so weit, einen Drachen zu heiraten, nur um...“ „Jetzt gehst du zu weit, Gilbert!“, fuhr Elizaveta dazwischen. „Nicht vor den Kindern!“ Sie deutete auf Romano, der sich im Hintergrund zitternd hinter einem ebenfalls bebenden und heulenden Feliciano verschanzt hatte. Gilbert warf ihnen einen kurzen Blick zu, dann schüttelte er den Kopf und grummelte. „Sei bloß froh, dass dies hier dein Haus ist, Roderich. Beim nächsten Mal lade ich dich ein, ohne Kinder, und dann werden wir mal ein Gespräch unter Männern führen.“ „Mit Vergnügen“, erwiderte Roderich mit blitzenden Augen. „Ich freue mich schon sehr darauf, dich...“ „Ich habe Goethe gelesen“, unterbrach Ludwig die beiden. Einige Sekunden lang starrten alle ihn an, bis Elizaveta die Chance ergriff, das Thema zu wechseln. „Goethe? Das ist ungewöhnlich für einen Jungen in deinem Alter, Ludwig...“ Das Gespräch beruhigte sich wieder und wandte sich literarischen Themen zu, von denen Feliciano keine Ahnung hatte. Vorsichtig bugsierte er Romano wieder zu seinem Platz. „Du brauchst keine Angst zu haben, fratello...“ „Ich hatte keine Angst“, fauchte Romano ihn an, errötete wie eine Tomate und ließ sich auf seinen Stuhl plumpsen. Schweigend ging Feliciano zurück zu seinem Stuhl und setze sich, wobei er Ludwig keinen Moment lang aus den Augen ließ. Noch immer suchte er nach Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Jungen – dem, der verschwunden war, und dem, der plötzlich aufgetaucht war. Bücher zu lesen, die zu kompliziert für Feliciano gewesen wären... ja. Aber ansonsten? „Dieser Nachttisch war vorzüglich, Roderich“, säuselte Francis und tupfte sich mit der Serviette den Mund ab. Roderich nickte beifällig. „Danke. Nun... sobald alle ausgetrunken haben, würde ich sagen, wir gehen in den Salon und lassen den Abend ausklingen.“ Er gab sein Bestes, um die vorherigen Uneinigkeiten zu überspielen. „Oh! Kommt jetzt der gemütliche Teil?“, fragte Antonio erfreut und nippte an seinem Rest Wein. „Nicht ganz“, erwiderte Elizaveta und lächelte. „Der musikalische.“ „Der musikalische ist der gemütliche Teil“, erwiderte Francis und lachte leise in sich hinein. Feliciano war schon ein paar Mal zwischen Küche und Tisch hin und her gelaufen, um Teller und Besteck abzuräumen. Romano half ihm nicht und Antonio hatte es noch nicht bemerkt, weshalb Feliciano auf sich allein gestellt war. Er hatte gerade einen Stapel Löffel auf der Theke abgeladen und eilte zurück in das Esszimmer, wo er einen Satz von Gilbert auffing. Er sprach in dieser leicht spöttischen Art, die bei ihm Zuneigung ausdrückte, was Feliciano aber nicht wissen konnte. „Na dann... trink aus, West, und komm mit.“ Als sei das ein Stichwort für Roderich gewesen, sah er Ludwig an und seine Augen verengten sich. „Gilbert! Was hast du jetzt schon wieder gemacht?“ „Was? Wieso ich?“ „Das ist Bier!“ „Ja, na und? West trinkt zu Hause immer Bier!“ „Aber doch nicht auf den Wein! Du kannst ihn erst Bier und dann Wein trinken lassen, aber umgekehrt...“ „Ach, das ist doch alles Aberglaube“, winkte Gilbert überheblich ab. „Das ist es keineswegs!“, erwiderte Roderich laut, während Ludwigs Blick unschlüssig zwischen ihnen hin und her wanderte. „Er hat heute Abend schon viel zu viel getrunken, in seinem Alter! Und ich dulde nicht, dass in meinem Haus...“ „Nun halt dich doch einfach mal da raus!“, brüllte Gilbert, stand auf und schlug mit beiden Händen auf den Tisch, sodass Feliciano zusammen zuckte und froh war, sich mit dem Abräumen beeilt zu haben. „Er ist mein Bruder, nicht deiner! Ich entscheide, was gut für ihn ist!“ „Du bringst ihn ins Grab, Gilbert! Hör auf meine Worte!“ „Ich habe es satt, dass du dich immer einmischen musst! Ich hätte ihn nie mitbringen sollen!“ Francis räusperte sich vernehmlich, während Antonio hinüber zu Romano lief, um ihn zu beschützen. „Bitte, meine Freunde... könntet ihr das nicht ein andermal...“ „Du bist unfähig, dich um Ludwig zu kümmern, Gilbert! Ganz und gar unfähig!“ „Ach, und du könntest es besser, wie?“, zischte Gilbert und griff nach dem Schwert an seiner Hüfte, das bisher niemandem aufgefallen war. „Wir können das hier und jetzt klären, wenn du willst!“ „SCHLUSS JETZT!“, schrie Elizaveta, ging dazwischen und umklammerte mit beiden Händen Gilberts Schwertgriff. „Ich habe dich eingeladen, Gilbert, damit ihr beide seht, dass ihr auch miteinander auskommt, ohne euch die Köpfe einzuschlagen! Ihr werdet euch gefälligst einmal, einmal an einem einzigen Abend im Jahr vertragen!“ Ihre Stimme klang schrill, aber entschlossen. Sie wartete nicht auf eine Reaktion, ließ Gilberts Schwert los, fuhr herum und verließ den Raum, wobei ihre Haare hinter ihr her wehten. „Ich gehe schon einmal vor in den Salon! Wenn ihr aufgehört habt, euch wie Kleinkinder zu verhalten, dürft ihr nachkommen!“ Sprachlos standen Roderich und Gilbert da und sahen ihr nach. Francis zog die Augenbrauen hoch, warf Roderich und Gilbert einen letzten Blick zu und zuckte die Schultern, als wolle er sagen: „Ihr habt es gehört.“ Dann drehte er sich um, um Elizaveta zu folgen. Antonio richtete sich auf, Romanos Hand fest in seiner. „Wir werden auch gehen“, sagte er und versuchte, seine Unsicherheit mit einem Lachen zu überspielen. „Kommst du auch mit, Chibitalia?“ Feliciano stand da, schockiert von Elizavetas Ausbruch. Er kannte sie schon lange, aber so hatte er sie noch nie erlebt. In die unbeholfene Stille hinein rutschte Ludwig von seinem Stuhl. „Ich bin fertig“, sagte er. Gilbert löste sich aus seiner Starre. „Gut. Gehen wir dann?“ Er sah Roderich an, murmelte etwas Unverständliches und griff nach Ludwigs Schulter. „Chibitalia“, sagte Roderich kühl. „Räum den Tisch ab und komm dann nach. Wir werden nicht lange auf dich warten, also beeile dich.“ Feliciano nickte hastig und kletterte auf einen Stuhl, um an den Tisch zu kommen. Während die anderen den Raum verließen, nahm er die letzten Gläser vom Tisch. Eines davon war Ludwigs. Er hatte ausgetrunken. (Ñoño – Spanisch für „langweilig, blöd“ oder auch als Beleidigung gemeint. Ausgesprochen „njonjo“. Verzeiht mir, aber ich finde die Vorstellung allerliebst, wie Romano auf seinem Stuhl schmollt und „njonjonjonjonjonjo!“ sagt. Yay für Multikulti-Hetalia!) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)