Sunset Horizon von Jefferson ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Jede Begegnung, die unsere Seele berührt, hinterlässt in uns eine Spur; die nie ganz verweht. Klatschend traf ein weißer Schuh mit der Sohle in eine Pfütze, sank ein Stück weit darin ein. Das ohnehin schon schmutzige weiß verfärbte sich dunkel, sogar die roten Schnursenkel sogen sich mit dem Dreckwasser voll. Ein grimmes, nicht all zu erfreutes, Murren war zu hören, als der Besitzer des Schuhes diesen aus dem Wasser zog, die Augen verdrehte. Dass soetwas aber auch immer ihm passieren musste! Da war er ohnehin schon ein bisschen spät dran und dann schienen sich auch noch alle Götter diesseits und jenseits gegen ihn verschworen zu haben. Denn das war nicht das erste Ärgernis an diesem Tag. Sein Wecker hatte nicht geklingelt, daher war er erst knappe zwanzig Minuten zu spät aus dem Bett gekommen. Außerdem hatte er sich am gestrigen Abend nicht darum geschert, ob noch ausreichend frische Kleidungsstücke in seinem Schrank lagen, so dass er an diesem Morgen zusätzlich noch durch das ganze Haus gelaufen war um dieses oder jenes zu suchen. Weiter ging es damit, dass er so schnell wie möglich zur Bushaltestelle gelaufen war – den Bus aber dennoch verpasst hatte. Da der nächste erst in einer Stunde fuhr, musste er nun wohl laufen. Als der Junge noch fast eine Viertelstunde vom Schulgebäude entfernt gewesen war, hatte plötzlich dieser Regen eingesetzt, hatte ihm die Frisur zerstört, seine Tasche durchweicht, ebenso wie seine Kleidungsstücke. Das war wirklich ein gelungener Start in den Tag. Wirklich. Vielleicht hätte er einfach heute morgen im Bett bleiben sollen. Vielleicht aber auch nicht. Denn sollte er später einmal an diesen Tag denken, vielleicht mit gemischten Gefühlen, so war eines sicher: vielleicht gab es soetwas wie Schicksal. Wenn dem so war, dann konnte man von diese Montag behaupten, dass er schicksalshaft war für den rothaarigen jungen Mann. Kapitel 1: Sunset Horizont -------------------------- - 1 - Ein wenig hilflos stand der kleine Blondschopf da, daran konnte er sich noch erinnern. Mit einem Zettel in der Hand, der ebenfalls ganz nass war. Sicherlich längst durchweicht, bestimmt war die Tinte schon über das Papier gelaufen und machte es schwer, überhaupt noch etwas lesen zu können. In jedem Falle hatte der Kleine gewirkt, als könne er Hilfe gebrauchen – vielleicht hätte Axel ihm diese Hilfe zukommen lassen. Wäre er an diesem Tag nicht so spät dran gewesen, hätte er nicht ohnehin schon Probleme mit seinen Lehrern. Er und der andere Kerl dort waren die einzigen auf dem Schulhof. Natürlich, alle anderen waren wohl längst in ihren Klassenräumen. Ohne ihn zu beachten, wollte der Rothaarige an ihm vorbei eilen – mit kleinen Kindern beschäftigte er sich für gewöhnlich auch gar nicht erst. Dieser schien aber ganz andere Pläne zu haben, kam er doch auf ihn zu! „Warte mal! Kannst du mir helfen!“ Axel verharrte mitten in der Bewegung, brummte leise und drehte sich dann aber tatsächlich herum. War ja nicht zu fassen. Heute schien wirklich alles zusammen zu kommen. „Kommt drauf an“, gab er also nur schwammig und unwillig von sich, warf einen kurzen Blick auf die große Uhr hinter der gläsernen Tür. Fünf vor acht. Wenn der kleine Wicht sich nicht beeilen würde, würde Axel einfach gehen, so viel stand fest. Dieser seufzte, knitterte den Zettel in seiner Hand ein wenig zusammen. „Ich bin neu hier.“ Zumindest rückte er gleich mit der Sprache heraus – aber das umschrieb das Problem nicht, nicht wahr? War immerhin nicht Axels Problem, wenn der Bengel hier neu war. Sollte er sich doch Freunde suchen und nicht ihn belästigen. Scheinbar schien dieser das genau zu bemerken, die Unwilligkeit seines Gesprächspartners, daher beeilte der Junge sich auch sichtlich, endlich zum Thema zu kommen. „Ich soll mich im Sekretariat. Ich weiß aber weder wo sich das befindet, noch wie ich da hin komme.“ Daher wehte also der Wind. Ein Neuer, der sich nicht auskannte. Na, ganz toll. Aber da Axel eigentlich ein freundlicher Mensch war, seufzte er schwer, ließ eine Hand in seine feuchte Jackentasche gleiten. „Komm mit. Ich bring dich zum Sekretariat. Aber nur, wenn wir nicht noch länger hier im Regen rumstehen.“ Etwas hatte der Bengel an sich, was ihn ein wenig grinsen ließ. Fast, wie etwas… Vertrautes. Etwas, was er schon einmal gespürt hatte. Und das, obwohl Axel mit Sicherheit sagen konnte, dass er diesen Jungen hier vor sich niemals gekannt hatte! Den Gedanken weit von sich schiebend (immerhin konnte er später noch genug darüber nachdenken), löste sich Axel aus seiner Starre, um endlich die gläserne Tür aufzustoßen und sich ins Trockene zu begeben. Gefolgt von dem kleinen Zwerg natürlich. Der rothaarige Schüler warf einen kurzen Blick zu diesem – er musste mindestens einen ganzen Kopf kleiner als er selbst sein. Wie alt er wohl war? Da Axel sich im letzten Schuljahr befand, konnte es gut sein, dass der Junge dort neben ihm drei Jahre jünger war. Oder soetwas in dieser Richtung. Aber nun musste er sich ja nicht mehr mit ihm beschäftige. Denn die Tür zum Sekretariat befand sich direkt vor ihnen, er stoppte seine Schritte. „Hier. Dann mal viel Spaß“, gab er ironisch von, wollte sich abwenden und gehen. Denn gleich würde die Glocke ertönen, den Unterrichtsbeginn signalisieren. Aber wieder wurde er aufgehalten. Von dem Jungen. Schon das zweite Mal an diesem Tag. Denn dieser konnte sich scheinbar ein Lächeln nicht verkneifen, vergrub seine Hände tief in seinem nassen, dunkelblauen Kapuzenpullover. Sah genauso nass aus, wie Axel sich fühlte, wenn er mal ehrlich war. Die Stimme des Blonden riss ihn aus den Gedanken. „Danke. Vielleicht sieht man sich ja nochmal. Übrigens – mein Name ist Roxas.“ Mit diesen Worten schlüpfte er durch die Tür, ließ seinen rothaarigen Begleiter einfach stehen. Dieser stand nur da, wie vom Donner gerührt, nicht einmal der schrillende Ton der Glocke ließ ihn aufblicken oder veranlasste ihn gar dazu, sich zu seinem Klassenzimmer zu begeben. Stattdessen klingelte dieser fremde Name in seinen Ohren, ließ ihn nicht mehr los. Roxas. Nein, er kannte diesen Kerl nicht, er hatte ihn niemals zuvor gesehen. Zudem trug er einen Namen, den er noch nie zuvor gehört hatte. Oder? Denn andernfalls wäre da vielleicht nicht das vertraute Gefühl in ihm. Etwas, das ihm sagte, dass all das ihm doch nicht so unbekannt war, wie seine Gedanken es ihm weiß machen wollten. Denn es war nicht sein Kopf, der ihm sagte, dass dieser Roxas etwas an sich hatte, was er kannte: es war sein Herz. Und das Herz betrog einen Menschen, niemals, nicht wahr? - 2 - Es war wie verhext gewesen an diesem Tag – Axel hätte doch im Bett bleiben sollen. Nicht nur, dass dieser Roxas ihn so schwer aus dem Konzept gebracht hatte durch die bloße Erwähnung seines Namens. Nein. Als der Rotschopf eine gefühlte halbe Stunde später aus seinem Dämmerschlaf aufschreckte in den er im Mathematikunterricht gefallen war, fiel ihm ein blonder Haarschopf auf, der zur Tür herein kam. Es war Roxas! Und ein paar Minuten später musste Axel feststellen, dass dieser kleine Wicht von nun an in seiner Klasse sein würde. Wäre dem nicht schon genug gewesen, so setzte dieser sich eine Bank vor Axel, drehte sich aber für einen kurzen Augenblick herum, um diesen anzusehen, ihn kurz anzulächeln. Ja, so sah man sich also tatsächlich wieder, schneller, als Axel gehofft hatte. Und dennoch gab ihm dieses Lächeln etwas – ein kleines Stückchen Wärme in seinem Herzen. Den unglaublichen Drang, gleich darauf zurücklächeln zu müssen, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde. Der Gedanke, Roxas sollte sich Freunde suchen, war ernst gemeint gewesen. Nicht ahnen können hatte Axel aber, dass der Junge ihn dazu auserkoren hatte. Auserkoren? Nein, denn das alles war wohl lediglich ein dummer Zufall. Zumindest aber kam Roxas direkt auf ihn zu, als es zum Unterrichtsschluss läutete. „Hey.“ Er lehnte frech an Axels Tisch, grinste diesen leicht an. „So sieht man sich wieder.“ Genau das, was auch der Rotschopf zu Anfang gedacht hatte. Vorhin noch, als Roxas einfach so in diese Klasse spaziert war. „Scheint so.“ Zuerst tat Axel geschäftig, tat so, als würde er etwas in seiner Schultasche suchen und all seine Sachen einpacken um nach Hause zu kommen. Etwas, womit er es meist sehr eilig hatte. Vielleicht hielt er sich daher ein klein wenig knapp…? Vielleicht aber auch, weil er sich nicht sicher war, ob Roxas jemand war, mit dem er befreundet sein konnte. Andererseits.. war da dieser unwiderstehliche Drang in ihm. Etwas, das ihn dazu trieb, aufzublicken – und dann zu grinsen. Doch es war der sehr viel kleinere Schüler, der zuerst das Wort ergriff. „Hast du ein bisschen Zeit? Jetzt? Ich kenne noch kaum etwas in der Stadt. Und genau genommen kenne ich außer dir auch nicht sonderlich viele Leute bisher.“ Schien wahr zu sein – und brachte Axel dazu, noch breiter zu grinsen, während er seine Tasche schulterte. „Zeit? Hm…“, gab er von sich, so, als müsse er zunächst genau darüber nachdenken. Ehe er aber lachend nickte. „Warum auch nicht? Komm. Ich zeig dir die Stadt.“ Und zudem war es Winter, schneite. Nun ja – schnell wurde der Schnee ja doch immer wieder zu Wasser, zu hässlichen Pfützen, so wie heute morgen. Doch vielleicht würde er sich ja endlich mal irgendwo hinlegen, um auch dort liegen zu bleiben und nicht gleich zu schmelzen. Außerdem gab es zur Zeit ja auch ein paar wirklich tolle Weihnachtsmärkte! Und genau das hatte Axel vor. „Ich wollte eh zum Weihnachtsmarkt. Runter, in die Stadt“, schlug er dem anderen Jungen vor. „Lust? Obwohl man dir wohl sicherlich keinen Glühwein ausschenken wird“, spöttelte er, konnte sich den kleinen Seitenhieb eben einfach nicht verkneifen. Doch Roxas schien sich das nicht bieten zu lassen, grinste herausfordernd, während er nach seiner Tasche griff und den Klassenraum in Begleitung von Roxas verließ. „Kein Problem. Ich hatte eh nicht vor, einen zu trinken.“ Der Duft von gebrannten Mandeln stieg ihnen in die Nase, noch ehe sie den Weihnachtsmarkt erreicht hatten. Allein dieser Duft versetzte die beiden Jungen in eine noch bessere Stimmung als ohnehin schon. "Lass uns erstmal was essen ja?" Das war klar gewesen. Was Roxas aber noch nicht wissen konnte. Denn Axel war ein Mensch, der für sein Leben gern aß! Auch, wenn man es ihm kaum anmerkte, da er nicht nur dürr war, sondern auch ziemlich drahtig. „Ich will gebrannte Mandel! Und Makronen! Und Lebkuchen!", gab Axel begeistert von sich und zog Roxas hinter sich her, strahlte ihn an. "Was willst du haben? Komm... ich kauf dir was! Zur Feier des Tages, dass du hier bist!" Und das, obwohl Axel stehts pleite war, nicht viel Geld besaß. Allgemein musste er sich alles was er haben wollte, dazu verdienen. Die Eltern des Jungen waren zwar nicht arm, befanden aber, dass der Junge für sein Geld arbeiten sollte, wenn er etwas haben wollte. "Quatsch du musst mir nichts...", gab Roxas ein wenig unsicher von sich, doch Axel schien seinen Einwand gar nicht erst gehört zu haben. Oder aber, er ignorierte diese bewusst. Als sie sich schließlich Lebkuchen und Makronen geholt haben, zogen die Jungen weiter. Nicht weit allerdings – denn schon stieg Axel ein weiteres Mal der Geruch von gebrannten Mandeln in die Nase. Und ohne Roxas noch großartig eine Wahl zu lassen, zerrte er ihn mit zu diesem Stand. Wobei ‚zerren’ fast übertrieben war. Denn Axel hatte schon die Mandeln gekauft, da fiel ihm auf, dass er gar nicht drei Dinge zugleich tragen konnte. "Mist", gab er von sich, legte den Kopf ein wenig schief. "Ich glaube, ich hab eine Hand zu wenig." Das war wirklich ein Problem! Doch zu seiner Verwunderung löste es Roxas für ihn, der die Mandeln nahm und sie Axel dann grinsend unter die Nase hielt. „Hier. Ich halt sie für dich. Derweil kannst du den Rest essen.“ Roxas grinste verschmitzt, ehe sie zusammen ein paar Schritte weiter gingen. Doch dann wurden sie schon unterbrochen, denn von hinten ertönte ein lautes "Heeeey~!" Wie auf Kommando drehten sich die beiden um, konnten ein blondes Mädchen erkennen, ebenso wie ein braunhaariges. Zu den beiden gesellten sich schnell noch ein ebenfalls blonder und ein schwarzhaariger Junge. Der blonde sah groß aus, wirkte aber nicht ganz so groß wie Axel – diesen überragte niemand. Der schwarzhaarige dagegen war ein wenig dicklicher, man sah ihm an, dass er gerne aß. Die beiden Mädchen wirkten beide ein klein wenig zurückhaltend – wobei die dunkelhaarige eher so wirkte, als würde sie auch ihre Meinung sagen, wenn ihr etwas nicht passte. „Hey, hey!“, gab der Rotschopf von sich, grinste Roxas an, während die vier anderen zu ihnen herüber traten. „Sieh mal einer an! Roxas… das sind Freunde von mir.“ Die sichtlich etwas jünger waren als er. Aber es schien so, als wäre Axel der Mensch, der überall Freunde hatte. Und zwar viele. Sehr viele. „Das sind Hayner, Pence, Naminé und Olette.“ Nacheinander deutete er auf die vier, grinste dabei. Nun ja, genau genommen war deuten schwierig und so nickte er nur mit dem Kopf in deren Richtung. Während die vier Roxas neugierig musterten. „Wer ist das denn..? Wo hast du denn den aufgegabelt, Axel?“, verlangte der blonde Hayner zu wissen, grinste dabei breit. Doch Axel zuckte nur mit den Schultern, lachte fröhlich. „Er ist seit heute in meiner Klasse. Da dachte ich, ich zeig ihm ein bisschen die Stadt.“ „Seid ihr grade gekommen?“ Es war Olette, die sich nun zu Wort meldete. Und wenn man vermutet hatte, dass sie ihre Meinung auch laut kund tat, so hatte man damit recht gehabt. „Dann können wir euch ja begleiten – wir sind auch grade eben gekommen! Wart ihr schon beim Riesenrad? Hayner wollte dieses Jahr unbedingt rauf! Auch, wenn er dieses Jahr schon wieder kein Mädchen gefunden hat, das sich mit ihm die Gondel teilt“, neckte sie den jungen Mann – woraufhin die Gruppe einstimmig lachte. Und mit einem Mal war der viele Süßkram gar nicht mehr so interessant wie zuvor. „Klar! Lasst uns zum Riesenrad, komm!“ In rekordmäßiger Geschwindigkeit stopfte Axel all die vielen Ding die er bei sich hatte in sich hinein, um so schnell wie möglich die Hände frei zu bekommen. Noch ehe Roxas wirklich hatte reagieren können, hatte der Rotschopf dessen Hand gepackt und schlug eine Schneise durch die Menschenmenge, hielt direkt auf das große Riesenrad zu. Während die vier Anderen ihnen folgten. So war es auch kein Problem, dass sie die Attraktion schnell erreichten. "Ich hasse Riesenräder...", murmelte Roxas, als er dieser seine Karte entgegen nahm. Allerdings war seine Stimme gerade so laut, dass auch die anderen ihn verstanden. "Was? Warum das?", die braunhaarige Olette legte den Kopf schief. Scheinbar konnte sie das wirklich nicht verstehen – versuchte gleichzeitig aber auch, den Anderen zu verstehen. "Ach, ich weiß auch nicht. Es ist keine Höhenangst, aber ich hab immer Angst, dass ich runter falle", meinte der blondhaarige Junge schließlich schief grinsend. "Ach, wir passen schon auf~", Hayner klopfte ihm freundschaftlich auf den Rücken und schob ihn dann vor sich her. Die Gondeln waren recht klein – und so passten nicht mehr als jeweils zwei Leute hinein. Sie waren aber insgesamt sechs Leute. So kam es, dass sich Pence und Hayner und Olette und Naminé sich jeweils eine Gondel teilten. Denn sowohl Naminé als auch Olette weigerten sich strikt, mit Hayner in eine Gondel zu steigen. Vielleicht lag es auch daran, dass es ums Prinzip ging. In jedem Fall blieben am Ende nur noch Roxas und Axel übrig, die gemeinsam in die letzte Gondel stiegen – und somit allein waren. "Ich pass schon auf, dass du nicht runter fällst!", gab Axel von sich. "Ich spiel für heute einfach mal deinen persönlichen Leibwächter", verkündete er großspurig. So, wie es schon immer seine Art gewesen war. Axel war nuneinmal ein Großmaul. Wenn auch ein sehr, sehr liebenswürdiges. Meistens zumindest, wenn man ihn nicht reizte. Mit einem kurzen Ruck setzte sich die Gondel in Bewegung und stieg immer höher und höher. Als sie fast am höchsten Punkt angekommen waren, zeigte Axel begeistert auf einen kleinen Fleck in der Ferne. "Da...! Da ist unser Badesee!" Er blickte zu Roxas und grinste ihn nun breit an, verwuschelte ihm die Haare. "Dahin nehmen wir dich auch noch mit, Roxy." Er ließ den Jüngeren kurz los, schnitt eine Grimasse. „Natürlich erst, wenn s wieder wärmer wird und man auch drin schwimmen kann.“ Denn im Augenblick war der See natürlich zugefroren. Vielleicht konnten sie aber ja mal dort Schlittschuhlaufen gehen, wer wusste das schon…? Axel konnte aber auch nicht wissen, dass Roxas das nicht durfte. Dass Roxas genau genommen nicht einmal mit ihm hier sein dürfte… Der blondhaarige Junge nickte leicht, lächelte ein klein wenig – ehe er dann die Augen zusammen kniff und in die Ferne spähte. "Wenn ich mich nicht täusche würd ich sagen, dass das da hinten unser Haus ist." Axel wusste, dass das Riesenrad wirklich hoch war – so konnte man die halbe Stadt überblicken. Er konnte war nicht genau feststellen welches der Häuser das war in welchem Roxas wohnte. Aber er würde es sicherlich bald herausfinden. Denn irgendwann würde er den anderen Jungen besuchen, so viel stand fest. Viel zu schnell waren sie wieder unten, wo schon Naminé und die anderen drei sie erwarteten. Und dieses Mal war es auch das erste Mal, dass das blonde Mädchen sich zu Wort meldete. „Man konnte von dort oben ganz schön viel sehen, nicht wahr, Roxas?“ Lächeln hakte sich die junge Frau an dessen Arm ein, zog ihn fast unauffällig von Axel hinfort. Während dieser stutzte – und dann die Augen verengte und das Gesicht verzog. Zum Teufel noch mal – was bildete sie sich eigentlich ein? Musste sie sich einmischen, Roxas für sich beschlagnahen, als hätte sie ihn hier her eingeladen…? Scheinbar. In jedem Fall war das ziemlich nervig. Und es störte ihn! Wenn sie an Roxas heran kommen wollte und sich für ihn interessierte, dann musste sie erst einmal an ihm vorbei! … Moment. Axel stutzte gedanklich, blickte den beiden nach, ehe er sich ebenfalls mit Olette, Pence und Hayner in Bewegung setzte. Woher kam dieses Gefühl? Dieses Gefühl, dass Roxas ihm gehörte, dass niemand außer ihm ein Anrecht auf ihn haben könnte...? Mehr noch. Dass er es sich verdient hatte, in Roxas Nähe zu sein... Seltsam. Axel verscheuchte den Gedanken wie eine lästige Fliege und sah zu, dass er mit den anderen gleich zog. Er würde sicherlich nicht so tun, als wäre er eifersüchtig oder soetwas in dieser Art. Aber er musste zugeben, dass er bei Roxas inzwischen, nach nur wenigen Stunden, das Gefühl hatte, als wäre dieser etwas besonderes. Etwas, dass er schon einmal verloren hatte. Woher sollte Axel auch wissen, dass er den Blonden in einem früheren Leben schon einmal verloren hatte? Schon einmal alles aufgegeben hatte, um diesen am Leben zu erhalten. Ganz gleich, ob es nun als Niemand in einem Jemand war... "Roxas! Mein Schatz!" Die Gruppe zuckte zusammen, als eine energische Frauen mit einer ziemlich penetranten Stimme sich zu ihnen vor kämpfte. An ihrer Seite war ein groß gewachsener Mann, die beiden hatten beide blonde Haare. „Roxas, was tust du da?", meinte der Mann empört und zog Roxas etwas grober als notwendig von der Seite Naminés und Axels. "Mama, ich...", "Roxas, wo sind deine Erzieher? Oder Aerith? Sag mir nicht, dass du alleine bist!", sichtlich empört über das Verhalten des Jungen schüttelte sie den Kopf. "Haben wir dir nicht gesagt, dass du nicht alleine in die Stadt sollst?", der Mann, der sich als sein Vater entpuppte, hatte inzwischen Axel im Visier. "Und wer sind die hier überhaupt?", "Das sind mein Fre...", doch noch bevor Roxas den Satz zu Ende sagen konnte, hatte sein Vater ihn am Handgelenk gepackt. "Du kommst jetzt erst mal mit nach Hause. Ich will nichts von alledem hören! Diese Menschen sind nicht der richtige Umgang für dich! Wir reden zuhause weiter." Bestimmend schloss er seinen Satz ab, während sie sich immer weiter von der Gruppe entfernten. Denn Axel hatte nichts weiter tun können, als dort zu stehen und zu starren. So ganz konnte er nicht begreifen, was soeben vorgefallen war. Ebenso wenig wie seine Freunde das scheinbar konnten… - 3 - Als Axel am nächsten Tag in der Schule auf Roxas traf, mied dieser seinen Blick. Doch nicht nur in der ersten und in der zweiten Stunde. Sondern auch alle restlichen Stunden. Und als er ihn auch nach Schulschluss noch ignorierte, beschloss der Rotschopf, seinen neuen Freund darauf anzusprechen. „Hey.“ Er passte ihn am Schultor ab, deutete ihm, stehen zu bleiben, indem er nach dessen Handgelenk griff. So war der Junge gezwungen stehen zu bleiben – was er auch tat. Allerdings antwortete er nicht. Es war wieder Axel, der sprach. „Was ist los? Warum ignorierst du mich nicht? Wenn du nicht mit mir rumhängen willst, kannst du mir das auch sagen!“ Ein wenig sauer sah der Rotschopf schon aus – doch das änderte sich ein wenig, als Roxas den Kopf schüttelte. „Daran liegt es nicht“, gab er zu. Doch erst nach einer ganzen Weile des Schweigens. „Es geht um meine Eltern.“ Axel war bewusst, dass er nichts über dessen Eltern wusste oder sonst über irgendetwas was den anderen Jungen betraf. „Meine Eltern sind ziemlich… reich. Wir leben in einem großen Haus. Sie sind Geschäftsleute, wir ziehen verflucht oft um. Das war schon das vierte Mal in fünf Jahren. Nie bleiben wir irgendwo lange. Meine Eltern schicken mich zwar auf eine öffentliche Schule – aber das ist auch schon das Einzige. Weißt du… sie wollen nicht, dass ich allein in die Stadt gehe oder mit seltsamen Leuten zusammen komme. Sie sind stehts besorgt um mich.“ Roxas brauchte nicht viel zu sagen. Axel war klar, dass er zu diesen seltsamen Leuten gehörte. Kein Wunder: er trug die Haare ziemlich wild aufgestylt und zudem etwas länger. Gern trug er außerdem auch im Winter seine Chucks, trug Ketten und Tattoos unter den Augen! Kein Wunder, dass Roxas’ Eltern ihn verurteilten. Wie konnten sie ihren Sohn nur so unglücklich machen?! Man musste Roxas noch nicht einmal sonderlich genau kennen. Nein. Man musste ihm nur einmal ins Gesicht sehen, dann war schon klar, dass er litt. Dass er unglücklich war. Dass er nur ein... ein klein wenig normales Leben führen wollte. Mit Gleichaltrigen. Mit Freunden. „Das kannst du doch nicht zulassen!“, knirschte er, ballte die Hände zu Fäusten. „Wenn du mit jemandem Zeit verbringen willst, dann tu das! Du lebst nur einmal!“ Gequält blickte Roxas auf, den Rotschopf an. „Ich weiß… ich würde gerne Zeit mit dir verbringen. Ich hab dich echt gern, Axel. Weißt du… ich hab das Gefühl, dich schon ewig zu kennen. Und ich habe das Gefühl, als könnte ich dir alles erzählen. Aber meine Eltern…“ „Deine Eltern sind mir egal. Ich will Zeit mit dir verbringen. Und das werde ich auch tun!“ Axel blickte ihn entschlossen an, hielt seine Hand ganz fest, so, als würde er den anderen Jungen nie wieder gehen lassen. - 4 - In der nächsten Zeit lernten die beiden sich noch sehr viel besser kennen. Es war ein ziemlich komplizierter Drahtseilakt, den sie vollführten. Wie sich Roxas Eltern und auch dessen Erzieher ständig umgingen, wie sie alle möglichen Lügen aufbauten. Wie die Nachhilfestunden bei einem Lehrer. Alles nur, damit Roxas und Axel ein wenig mehr Zeit miteinander verbringen konnten. Und sich dabei immer und immer besser kennen lernten. Sowohl die guten, als auch die schlechten Dinge lernten sie aneinander kennen. Und Axel musste bald feststellen, dass sein neuer Freund in einer Welt lebte, die nicht nur schön sein konnte. Es war ein goldener Käfig. Roxas bekam alles was er wollte. Geld, schöne Kleidung, Schmuck, Möbelstücke. Nur eines verweigerten seine Eltern ihm: den Luxus, seine Freizeit mit Freunden zu verbringen. Doch nun da Axel ihm die Tür zu dieser Welt geöffnet hatte, ergriff der junge Mann sie scheinbar bereitwillig. Es fiel Axel nicht schwer, ihn mit sich zu ziehen, ihn von allerlei Dingen zu begeistern. Doch dass dies alles nicht für immer anhalten würde, das war klar. Für beide war es ein völliger neuer Start, ein völlig neues Leben. Axel, der früher stehts zu allem zu spät gekommen war, wurde pünktlicher. Durch Roxas hatte er gelernt, dass er mehr lernen sollte, in Punkto Schule vor allem – denn seine Schulnoten waren alles andere als gut! Würde er so weitermachen, dann würde er seine Klasse nicht schaffen. Dann würde er auch seinen Schulabschluss nicht schaffen, geschweige denn irgendeine Ausbildungsstelle bekommen oder Geld verdienen. Und schließlich wollte der junge Mann einmal selbst Geld verdienen, nicht auf andere oder auf seine Eltern angewiesen sein. Roxas Eltern hingegen schienen zwar zu wollen, dass ihr Sohn ordentlich lernte – anders herum hatte Axel aber heraus gefunden, dass sie nicht wollten, dass er mit ‚normalen’ Dingen in Berührung kam. Sprich, am besten er blieb zuhause und ging nur für die Schule raus. Nicht, dass er mit Drogen oder seltsamen Kindern in Berührung kam… Einer dieser Personen war Axel. Diesen mochten Roxas’ Eltern nämlich so gar nicht leiden, er war ihnen ein absoluter Dorn im Auge. Je länger Roxas und Axel zusammen waren, umso mehr. Axel vermutete schwer, ebenso wie Roxas, dass die Eltern des Blonden ihn vermutlich gleich sonst etwas hätten – hätten sie jemals heraus gefunden, dass Roxas und Axel zusammen waren… Denn nur knappe zwei Monate nachdem die zwei sich kennen gelernt hatten, kamen sie tatsächlich zusammen. Es war für beide fast so, als hätte es nie etwas anderes für sie gegeben – und doch war es ein völliger Neuanfang. Ein neues Leben. Doch wie schnell konnte so ein Leben zerstört werden…? - 5 - Axel fand das sehr schmerzhaft heraus. An jenem Tag waren er und Roxas verabredet gewesen, wie so oft. Oh, sein Freund scherte sich schon kaum mehr darum, was seine Eltern ihm sagten. Sie mochten ihm noch so oft verbieten bei Axel zu sein – am Ende war der Junge es ja doch wieder. Nur dieses Mal – da kam er nicht. Axel wartete geschlagene zwei Stunden am Kino, dort, wo sie sich verabredet hatten. Aber er kam nicht. Auch auf dem Handy konnte er ihn nicht erreichen… Und schließlich beschloss der Rotschopf das Zuhause seines Freundes aufzusuchen. Dabei war es ihm egal, dass dessen Eltern ihn nicht sehen wollten. Leider war das nicht im Geringsten das Problem. Fast wäre Axel sogar froh gewesen, die Eltern seines Freundes zu sehen! Doch… stattdessen fand er gar niemanden vor. Einfach niemanden. Das Auto war verschwunden, die Zimmer alle halb leer geräumt – es wirkte fast so, als wäre jemand überstürzt aufgebrochen. Jemand…? Nein, die ganze Familie! Ungläubig war Axel in den Garten geklettert, hatte sich an die Scheibe gestellt, um durch das Fenster hinein ins Haus zu blicken. Doch wo auch immer er hinsah im Erdgeschoss – überall sah er das gleiche. Das Bild eines Hauses, das überstürzt verlassen worden war. Doch, warum hatte Roxas ihm nichts gesagt…? Warum…?! Das musste…. Alles ein riesiges Missverständnis sein, was sonst….!? Den Kopf schüttelnd, sich an die Schläfe greifend, befand sich Axel auf dem Heimweg, zuhause angekommen blickte er nur (rein aus Gewohnheit) in den Briefkasten, entnahm den einzigen Brief darin. Und noch ehe er die Türschwelle erreicht hatte, fiel sein Blick auf den Empfänger: Er. Axel. Ohne nachzudenken riss er das Papier auf, ließ sich auf die Steinstufen vor dem Haus sinken, seine Augen huschten über das Papier. Ehe er dieses ganz langsam sinken ließ. Axel, es tut mir unendlich Leid. Ich habe keine andere Wahl, meine Eltern. Ich hoffe du verstehst, was ich meine. Sie haben alles herausgefunden – unsere Beziehung, einfach alles. Und sie sind… strikt dagegen – sie glauben, dass du kein Umgang für mich bist. Ich weiß nicht einmal wo wir hinziehen…! Sie haben mich einfach mitgenommen, ich bin ja noch nicht einmal volljährig, kann nicht einmal allein entscheiden, ob ich hier bleiben möchte oder nicht. Es tut mir so Leid Axel! Ich werde dir schreiben – sobald es geht! Dein Roxas - 5 - Doch von Roxas kam kein Brief mehr. Nicht zwei Tage danach, nicht zwei Wochen – und auch ein halbes Jahr später lag noch kein Brief in Axels Briefkasten. Was aus Roxas geworden war, wusste der Rotschopf nicht. Das einzige was die Menschen um Axel herum wussten war, dass Axel nie mehr so werden würde wie er zuvor gewesen war. Es war, als hätte Roxas einen großen Teil von Axel einfach mit sich genommen. Der junge Mann fühlte sich nicht mehr vollständig, es war, als bräuchte er Roxas, um zu überleben. Dennoch lebte Axel weiter – wenn es auch nur ein halbes Leben war. Sein Leben mit Roxas konnte er nicht vergessen – obwohl es nur ein knappes halbes Jahr gewesen war. Für ihn war es ein völlig neues Leben gewesen. Das ihm viel zu schnell wieder entrissen worden war. Einfach so. Doch, war es nicht immer so? Das was man am meisten liebt, das wird einem immer viel zu schnell entrissen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)