Und am Anfang, da warst du... von abgemeldet (Sherlock Holmes and the Prisoners of Today (H/W)) ================================================================================ Kapitel 8: Ein halber Sovereign ------------------------------- „Nach einigen Minuten der stillen Fahrt verging jedoch meine strapazierfähige Geduld und ich sprach meinen Beifahrer erneuert an. „Wollen Sie mir nicht erzählen, wo unsere Fahrt endet, oder können Sie nicht?“ „Ich habe ein Telegramm aufgegeben, als sie in der Küche waren. Ich schickte einen dieser Polizeibeamten.“ Holmes drehte seinen klugen Kopf ein wenig und sah mich an. „Wir fahren zu einem Verhör.“ Ich war erstaunt. „Ja, aber-“ Holmes gebot mir mit einer unmissverständlichen Handgeste zu schweigen und sprach weiter. „Ein Polzist fand die Leiche Drebbers, sein Name ist ist John Rance, ansässig in Audley Court 46, Kenington Park Gate. Zu ihm fahren wir, auch wenn ich denke, er wird uns nicht viel über den Täter sagen können.“ Ich schwieg und senkte betrübt den Blick. Holmes neben mir erschien mir hingegen wie ein junger Student auf dem Weg zu einem Klassenausflug, entspannt und ohne ein Fünkchen Trübsal. „Aber,“ Holmes hatte unvermittelt weitergesprochen, ich hob interessiert den Kopf, „ es wäre nicht weiter schlimm. Ich weiß so ziemlich genau, wie der Täter ausgesehen haben muss, will ich meinen. Es war ein sehr großer Mann, sicher mehr als sechs Fuß hoch.Eher jung als alt, hatte kleine Füße für seine Größe, rauchte eine teure Trichinopoly und war in grobe, eckige Stiefel gekleidet. Er kam zeitgleich mit dem Opfer in das leerstehende Haus, höchstwahrscheinlich fuhren sie in einer vierrädrigen Droschke, die von einem Pferd mit drei alten und einem neuen Hufeisen gezogen wurde. Die Fingernägel seiner rechten Hand waren auffallend lang und sein Gesicht höchstwahrscheinlich gerötet.“ Sherlock Holmes trug all diese Informationen vor, als sei es das normalste der Welt, scheinbar aus dem Nichts heraus, waghalsigste Behauptungen und Vermutungen aufzustellen. Zumindest dachte ich zu jener Zeit noch, Holmes wolle mich auf den Arm nehmen, und fragte verunsichert nach. „Ist das Ihr ernst?“ „Mein Vollkommener.“ „Und hätten Sie die Güte, mir die Zusammenhänge zu erklären?“ Holmes schnaubte und verdrehte genervt die grauen Augen, doch ich wußte, er liebte es, Leuten seine Methoden zu erklären. Also drehte er sich in der ratternden Droschke ganz zu mir um und fing mit seiner , zugegebenermaßen sehr einleuchtenden, Erklärung an: „Beginnen wir mit der Droschke. Es war ein brillianter Einfall von mir, bereits eine Straße vor dem Ort des Verbrechens auszusteigen – sicher können Sie sich denken, warum! Nicht nur der direkte Ort der Gräueltat birgt Spuren und mehr oder minder versteckte Hinweise, nein, auch alles darum enthält diese. Sollte unser Täter nicht zum Schauplatz geflogen sein“ Kurz zwinkerte Holmes mir schelmisch zu .„müssten seine Spuren auch auf dem gesamten Wege bis hin zu diesem Zimmer zu finden sein. Und, wie sooft, konnte ich recht behalten. Zunächst bemerkte ich auf der Straße vor dem Gebäude , dass die Räder einer Droschke zwei Furchen in den weichen Boden nahe dem Bordstein geschlagen hatten. Wir hatten bis auf letzte Nacht seit einer Woche nun keinen Regen mehr, also musste die Droschke, die solch starke Spuren hinterlassen hatte, letzte Nacht dort gewesen sein. Auch die Hufabdrücke des Gauls war gut erkennbar, doch ein Abdruck war weitaus besser zu sehen als die anderen; das heißt, besagter Huf musste neu beschlagen sein. Die Droschke war also dort, nachdem der Regen einsetzte – und sie war zu keiner Zeit des Vormittages dort, dazu habe ich Gregsons Aussage. Daraus schließe ich, dass sie während der Nacht dort gewesen war und jene zwei Personen zum Haus der Tat gebracht hatte.“ Erstaunt saß ich auf meinem Sitz und lauschte Holmes´ Genie. Seine Schlußfolgerungen klangen in der Tat sehr flüßig und widerspruchslos, doch so ganz wagte ich es nicht, ihm Glauben zu schenken. „Das klingt recht einfach. Doch wie steht es mit der Körpergröße des Täters?“ Mein Beifahrer schien amüsiert über meine – scheinbar recht einfältige – Frage und legte mir eine seiner Hände auf mein verletztes Knie. „Watson, Watson. Ich denke, Sie müssen noch eine ganze Menge lernen. Aber nun gut, ich will es ihnen erklären: Die Größe eines Mannes kann man in neun von zehn Fällen anhand seiner Schrittlänge ermessen. Zahlen langweilen nur, ich erspare ihnen die genaue Berechnung, auch wenn sie simpler nicht sein könnte. Ich hatte die Schrittlänge des Täters draußen auf dem Lehm und drinnen auf dem Staub. Und Sie, Doktor, gaben mir durch ihre grandiose Entdeckung an der Zimmerwand die Möglichkeit, meine Berechnung zu überprüfen; denn, wenn ein Mensch an eine Wand schreibt, tut er dies unwillkürlich in der direkten Nähe seiner Augenhöhe – jene Schrift befand sich sechs Fuß über dem Erdboden. Alles in allem ein wahres Kinderspiel.“ „Und sein Alter?“ Fragte ich. Das alte Kopfsteinpflaster der Straße die wir befuhren schüttelte den Innenraum der Droschke. „Viereinhalb Fuß. Das war die exakte Länge der großen Wasserpfütze auf dem Gartenwege des Hauses. Der Täter war eindeutig in einem einzigen Schritt drüberhinweg gestiegen, was seine eckigen Fußabdrücke mir verrieten. Das spricht nicht unbedingt für einen Mann im Herbst des Lebens.“ Ich erinnerte mich willkürlich daran, wie grob Holmes mich auf dem Gartenweg beiseite gestoßen hatte, doch nun verstand ich es. Meine Fußabdrücke hätten womöglich seine Nachforschungen stark gefährdet. Peinlich berührt kratzte ich mich am Hinterkopf. Holmes aber klopfte mir kameradschaftlich auf den Rücken. „Machen Sie sich nichts daraus, Doktor. Ich sollte mich bei Ihnen entschuldigen für meine absolut untragbare Grobheit. Hätte ich gewußt, welch Geist in Ihnen schlummert, nie hätte ich Ihnen dergleichen getan.“ Ich war nicht einmal darüber erstaunt, dass er meine Gedankengänge perfekt rekontruiert hatte, so über alle Maßen geehrt fühlte ich mich durch sein Lob. In solch einem Ausmaß sogar, das mir das Blut in die Wangen schoss und mein Herz ein wenig schneller noch als sonst schlug. Es war mir unangenehm, weshalb ich schnell versuchte seinen grauen Blick von meinen Wangen zu lösen. „U-und die Fingernägel? Die Trichinopoly?“ Sofort schien Holmes einmal mehr in seinem Element zu sein, und erzählte mir, wie anhand einiger Kratzer an der Wand um das Wort „Rache“ auf die langen Nägel zu schließen war, und dass eine Ascheprobe vom Fußboden des Zimmers die Zigarre bewies. „Ich habe einmal eigens eine Untersuchung über Zigarrenaschen angestellt, eine Einzeldarstellung darüber verfasst. Ich darf kühn von mir behaupten, dass ich in der Lage dazu bin, jede Asche jeder bekannten Zigarren und Tabaksorte auseinanderzuhalten.“ Hätte ein anderer Mensch mir solch ein „Können“ aufgetischt, ich hätte ihn als dreisten Lügner abgetan und stumm belächelt. Doch Holmes glaubte ich es beinahe bedenkenlos. Ich begann, den Unterschied zwischen ihm und Gregson oder Lestrade zu begreifen. „Doch ein Indiz gibt mir zu denken und noch vermag ich nicht zu sagen, wo ich es einordnen soll.“ Ich hob erstaunt meine dichten Brauen, als ich in Holmes´ angestrengtes Gesicht sah. Ohne ein Wort der Bemerkung abzuwarten, fasste er mit einer seiner Hände unter seinen Mantel und zog einen schmalen, hübschen Goldring hervor. Erstaunt beugte ich mich vornüber und begutachtete das Schmuckstück. „Das sieht mir aus wie der Trauring einer Frau.“, mutmaßte ich. Holmes nickte und verstaute das Fundstück wieder vorsichtig in der Innentasche seines Filzmantels. „Eindeutig der einer Frau. Er lag neben Drebber auf dem Boden, ich fand ihn, als man seinen Körper abtransportierte. Mir schwebt eine Theorie vor, doch ich behalte sie für mich, bis ich sie untermauern kann.“ Plötzlich ruckte unsere Droschke und Holmes schickte sich an, auszusteigen. Etwas zerknautscht von der langen Fahrt trottete ich ihm hinterher und fand mich augenblicklich in einer der schmutzigsten und düstersten Straßen, die ich je sehen musste, wieder. Ich erschauderte über die klagenden Häuserruinen und den schmierigen, schwarzem Schmutz der Fassaden, doch Holmes zu meiner Rechten brannte sich seelenruhig eine Zigarette an und sprach mir aufmunternd zu. „So. Nun denn, das Horn der Arbeit ruft. Doch wir müssen uns beeilen, ich möchte noch heute Nachmittag in die Konzerthalle, Norman Nerude hören!“ Somit schritt er schnell und leichtfüßig an mir vorbei in Richtung eines schmalen Durchgangs, der zum Audley Court führen sollte. Ich schüttelte den Kopf und lächelte ungläubig. Holmes war ein wahres Paradoxon. Im einem Moment ein Arbeitstier, versessen auf den Fall und ohne einen privaten Gedanken auch nur zulassend - Und im nächsten Augenblick voller Vorfreude auf irgendein Konzert, Schauspiel oder eine dieser skurillen Kunstausstellungen, die er so liebte. Der Name „Audley Court“ mochte schön geklungen haben, doch der eigentliche Platz, wenn man ihn denn so nennen mochte, war mehr als ernüchternd. Wir befanden uns auf einem rechteckigem Hof, der mit Steinplatten gepflastert und umsäumt war von engen, schäbigen Wohnhäusern. Zielstrebig gingen Holmes und ich zwischen Gruppen schmutziger, spielender Kinder und an einigen Wäscheleinen behangen mit vergilbter Bettwäsche vorbei, geradewegs zur Hausnummer 46, an deren kleiner Tür ein rostiges Messingschild mit der Gravur „Rance“ prangte. Das Hausmädchen erzählte uns, der gute Mann schliefe. Wir wurden also in ein enges, kleines Wohnzimmer bugsiert – wo wir auf einem alten, abgenutzten Sofa Platz nahmen - und waren angehalten, dort auf Herrn Rance zu warten. Kurze Zeit später erschien der Polizist auch schon, sichtlich genervt und ungesund blass. „Ich habe meinen Polizeibericht abgegeben.“ Schnauzte er in meine Richtung, vermutlich weil ich nicht so bedrohlich wirkte wie mein Gefährte, der immerhin gut zwei Köpfe größer war als Rance. Holmes aber ließ sich nicht beirren und holte langsam und spielerisch einen halben Sovereign aus seiner Hosentasche, rieb ihn nachdenklich zwischen Daumen und Mittelfinger, sah den Polizisten mit einer Unschuldsmiene von unten herab an. Das Gezetere Rance´s erstarb sofort. „Ich wollte es noch einmal von Ihnen persönlich hören, wenn es keine Umstände macht..?“ Sofort hellte sich die Miene des Polizisten auf und er rieb geschäftstüchtig seine Hände aneinander. „Aber, nein! Nein! Natürlich macht das keine Umstände! Keine Umstände!“ Ich war ein wenig davon angeekelt, mit welch unverhohlener Gier der Mann das goldene Plättchen in Holmes Händen anstierte, als er sich Holmes Gegenüber auf das Roßhaarsofa niederließ. „Sehr schön. Erzählen Sie mir einfach mit Ihren Worten, wie sich alles abgespielt hat.“ Rance holte tief Luft und sah angestrengt aus, als würde er um keinen Preis ein Detail vergessen wollen. „Ich erzähle es Ihnen von Anfang an. Wie Sie vielleicht schon wissen, dauert meine Dienstzeit von zehn Uhr Nachts bis circa sechs Uhr Morgens. Um elf gab es da diese Schlägerei im White Hart, doch ansonsten war die Schicht ruhig verlaufen. Um ein Uhr morgens setzte dieser verdammte Regen ein und ich schwatzte eine Weile mit Harry Murcher, der das Holland Grove-Revier hat, an der Ecke zur Henrietta Street. Ungefähr um zwei beschloß ich, einmal in der Brixton Road nach dem Rechten zu sehen. Die Straße war dunkel und schlammig, weit und breit keine Menschenseele in Sicht. Ich bummelte also recht langsam die Straße entlang, als mir plötzlich ein heller Lichtschein ins Auge fiel. Und da ich nun wußte, dass besagtes Haus schon seit mehreren Monaten leersteht, war ich augenblicklich dazu alarmiert, einmal nach dem Rechten zu schauen. An der Haustür angekommen-“ „Sie sind zum Gartentor zurückgelaufen, ich weiß. Warum taten Sie das?“ Rance sprang von dem Sofa auf, als hätte ihn ein Stromschlag getroffen, sein Gesicht war noch weißer als zuvor, er starrte Holmes argwöhnisch an. Dieser war vollkommen gefasst und blickte gelassen und emotionslos drein. Rance beruhigte sich wieder und ließ sich behutsam auf die Sofakante sinken. „Ja, ja genau, das tat ich. Nur Gott weiß, woher Sie das wissen. Sehen Sie, als ich dort stand, vor diesem einsamen Haus, dachte ich, es könne nicht schaden, jemanden bei mir zu haben. Ich kann von mir behaupten, nichts irdisches zu fürchten, doch mein angsterfüllter Gedanke, es könne dieser Kerl sein, der an Thypus gestorben war und nun die Senkgruben untersuchte, die ihn umgebracht hatten, ergriff so von mir besitz, das ich an den Gartenzaun stürzte um zu schauen, ob Murchers Lampe irgendwo in Sicht war. Doch niemand war zu sehen, nicht eine Menschenseele.“ Holmes rieb gemächlich die Hände. „Wirklich? Die Straße war leer?“ Rance blinzelte ihn an. „Ja, ja, Sir. Nicht einmal ein Hund oder eine Katze war zu sehen.“ Der Blick des Detektivs schien ein wenig verstimmt, er sagte jedoch nichts. „Ich ging also zum Haus zurück und stieß die Türe auf. Es war ruhig im ganzen Gemäuer, also lief ich in das beleuchtete Zimmer. Ich sah-“ Holmes unterbrach Rance´ Ausführung mit einem ungeduldigem Knurren. „Mir ist bewußt, was Sie taten. Sie gingen mehrmals im Zimmer auf und ab, knieten sich neben den Leichnam, stürzten hinaus, versuchten die Küchentür zu öffnen und dann-“ „Himmel, Herr Gott!“ Rance war abermals aufgesprungen, diesmal aber solcherart heftig, das unsere Teetassen auf dem Tische einen Hüpfer taten. Der Polizist griff sich theatralisch an die Brust und musterte Holmes geradezu angsterfüllt. „Wo zum Teufel waren Sie versteckt, dass Sie all das wissen?!“ Er schrie Holmes an. „Mir scheint es, Sie wüßten einiges mehr, als Sie sollten!“ Holmes aber lachte rauh und warf Rance über den Tisch hinweg seine Visitenkarte zu. „Hier! Damit Sie mich am Ende nicht noch verhaften wollen! Ich bin einer der Bluthunde, nicht der Wolf, wenn Sie verstehen. Mr. Gregson und Mr. Lestrade können Sie über mich aufklären.“ Ich machte mir ernsthafte Sorgen um den Polizisten, der leichenblass und schwitzend wieder Platz nahm. Holmes forderte ihn auf, weiterzuerzählen und überraschenderweise tat er dies auch sofort. „Ich ging – oder besser, ich stürzte - zurück zum Gartentor und betätigte augenblicklich meine Trillerpfeife. Sofort kamen Murcher und zwei andere Kollegen herbeigeeilt.“ Holmes nippte elegant an seinem Tee. „War die Straße noch immer leer?“ Rance schnaubte missbilligend. „Nunja, zumindest von solchen, die halbwegs gerade gehen konnten!“ Ich bemerkte sofort die Wichtigkeit dieses Satzes, denn Holmes´ Augen weiteten sich kaum merklich und sein Adamsapfel hüpfte auf und ab. Rance grinste ob seiner Erinnerung. „Ich habe in meiner Laufbahn manchen Betrunkenen gesehen, doch nie war einer so sternhagelvoll gewesen wie dieser Bursche, sage ich ihnen. Er lehnte an der Gartentür, er hing geradezu über ihr und sang in den höchsten Tönen von Columbines auffallend rotem Banner oder so etwas. Dieser Kerl konnte weder richtig stehen noch uns in irgendeiner Weise behilflich sein.“ Holmes gestikulierte wild mit den Händen und schien geradezu euphorisch. „Was für eine Art Mann war das?“ Rance runzelte die Stirn. „Eine außerordentlich betrunkene Art Mann. Normalerweise hätte er mit der Wache Bekanntschaft gemacht, wäre für uns nicht so viel zu tun gewe-“ „Sein Gesicht – Seine Kleidung – Haben Sie sich das nicht gemerkt?“ Holmes unterbrach unseren Informanten ungeduldig und grob. „Natürlich habe ich mir das gemerkt! Bei der Mühe, die Murcher und ich hatten, den langen Kerl aufrecht hinzustellen. Sein Gesicht war seltsam gerötet und mit einem Schal umwickelt.“ Holmes knirschte mit den Zähnen. „Was ist aus ihm geworden?“ Rance schien genervt. „Hören Sie, Mr. Holmes, ich habe wirklich besseres zu tun als Ihnen zu erzählen, was aus irgendwelchen Trunkenbolden geworden ist. Es gibt Wichtigeres-“ Unvermittelt schlug mein Gefährte mit seiner großen Faust hart auf den Stubentisch und beugte sich fast schon drohend zu Rance und mir herüber. Eine Tasse sprang von der Tischkante und zerschellte auf dem Holzboden. „Sie haben nicht zu entscheiden, was für MEINE Ermittlungen wichtig ist und was nicht! Also reden Sie, Kerl, oder ich werde einmal ein Wort mit ihren Vorgesetzten reden müssen!“ Holmes hatte nicht geschrieen oder eine sonstige Drohgebärde angewandt, doch Rance zog dennoch eingeschüchtert seinen hageren Kopf zwischen die Schultern. Selbst ich erschrak nicht wenig über diesen plötzlichen Ausbruch Holmes´. „I-Ich weiß nicht, was mit ihm geschah, Sir.“ Rance hatte nun kleinlaut und leise angefangen zu sprechen, Holmes verschränkte die Arme und taktierte ihn streng. „Er wird seinen Weg nach Hause gefunden haben, nehme ich an.“ „Wie war er gekleidet?“ Fragte der Detektiv, sich die Schläfen reibend. „Brauner Überzieher, Sir.“ „Und hatte er eine Peitsche in der Hand?“ Mr. Rance hob verwirrt eine Braue. „Eine Peitsche? Nein, hatte er nicht.“ Holmes grummelte etwas unverständliches, schien sich gedanklich Notizen zu machen. „Sie haben nachher keine Droschke gesehen und gehört?“ „Nein, Sir.“ Plötzlich stand Holmes auf, rieb sich erneuert die Schläfen und bließ verärgert durch die Nüstern, ehe er dem zusammengekauertem Rance den halben Sovereign zuwarf. Er griff nach seinem Hut und nickte mir zu, es war wohl Zeit zu gehen. In der Tür drehte Holmes sich noch einmal zu Mr. Rance ,dem Polizisten des Scotland Yard ,um. „Ich fürchte, Sie werden es nie weit bringen, Rance. Ihr Kopf ist für Denkarbeit ungefähr so nützlich wie diese Vase dort im Fenster. Hätten Sie auch nur eins und eins zusammenzählen können letzte Nacht, hätten sie heute schon ihren Sergeantstreifen. Der Mann, den Sie gestern in Händen hatten, ist der Schlüssel zu diesem Fall. Ihn suchen wir. Es hat keinen Zweck, Ihnen diese Tatsache genau zu erklären, ich sage ihnen nur, dass es so ist.“ Und damit schritt Sherlock Holmes würdevoll und ernst aus der kleinen Wohnung, ich folgte ihm staunend. Nie hatte ich etwas faszinierenderes gesehen als Holmes bei diesem Verhör. Seine Autorität imponierte mir und gleichzeitig fühlte ich mich unwohl neben ihm. Die Droschke wartete bereits auf uns und schweigend stiegen wir ein. Holmes setzte sich mir gegenüber und zündete sich eine starke Pfeife an, die mich leicht husten ließ. Das Gefährt ruckelte Leicht, als es zur Fahrt ansetzte und ich vermied es, in Holmes´ graue Augen zu sehen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)