Overkill von Inquisitor (Saga / Tora; Nao / Shou) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Es kamen Saga wie Stunden vor, doch er wusste, dass es sich nur um zehn Minuten handeln konnte, die er bereits vor Toras Haus wartete. Er war sich nicht mal sicher, ob sein Kollege überhaupt zu Hause war, oder ob er umsonst hier versauerte. Hätte Shou ihm nicht geraten, hierher zu fahren, so säße er jetzt bestimmt zu Hause vor seinem Fernseher, würde random irgendeine Sitcom sehen und seine Gedanken nur schwer von dem hübschen Gitarristen wenden können, vor dessen Haus er jetzt saß. Saga sah sich in seinem Auto um und bemerkte die Zigarettenschachtel, die ihm bei seiner letzten Fahrt wohl aus der Tasche gerutscht war. Automatisch griff er danach, zog sich eine Zigarette heraus, um diese anzuzünden und den ersten Zug zu nehmen. Dass dieser Abend ein langer werden würde, sah Saga schon kommen, als er den bläulichen Rauch seiner Zigarette gegen die Frontscheibe seines Autos blies. Seufzend schaltete Tora den Fernseher aus. Mit einer Hand auf seinem Bauch und in der anderen die Fernbedienung lag er auf dem Sofa in seinem Wohnzimmer. Die Fernbedienung rutschte ihm aus der Hand und fiel mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden. Da er sich nicht aufraffen konnte, danach zu greifen, blieb er einfach liegen und ließ seinen Arm schlaff von der Kante des Sofas hängen. Was auch immer das Fernsehen für Tora bereit hielt, es erinnerte ihn eh nur an Saga und dessen schöne Gesichtszüge, die ihm seit Kurzem nicht mehr aus dem Kopf gingen. Hatte er sich anfangs noch gegen den Gedanken gewehrt, dass der Bassist ihm gefiel, so war es ihm mittlerweile schon egal, dass Saga ein Mann war, der trotz seines Geschlechts auf Tora sehr verführerisch wirkte. Tora streckte seine Hand nach oben und beobachtete seinen Handrücken und die Sehnen, die er nacheinander anspannte. Er drehte die Hand um und betrachtete nun seine Handfläche, die sich schon so oft an den Hals von Sagas Bass gelegt hatte. Sagas Blick blieb an einem der Bäume hängen, der neben Toras Hauseingang wuchs. Er mochte den Baum nicht. Würde er nicht dort stehen, könnte er wenigstens sehen, ob in Toras Wohnung Licht brannte. Wenn Saga mal ganz vernünftig über die Aktion nachdachte, fand er es doch ziemlich albern, Toras Wohnung zu belagern, nur weil er ihn sehen wollte. Und wenn Tora nun aus der Bude kam oder er rein ging, würde Saga dann über ihn herfallen? Nein, das konnte selbst er nicht bringen. Zum ersten Mal seit Langem war Saga sich unsicher, was seine Gefühle betraf. Ob überhaupt etwas seine Gefühle betraf. „Hä?“, machte Shou verständnislos, nachdem Tora einen undeutlichen Redefluss am Telefon beendet hatte. Schlussendlich hatte Tora sich dazu durch gerungen, etwas anderes zu tun, als die Körperteile an ihm zu bewundern, die bereits Körperteile von Saga irgendwo irgendwann berührt hatten. Er hatte Shou angerufen und ihm ohne auch nur Luft zu holen erklärt, wie es um seine Gefühlswelt stand. „Auch im Namen meiner Freunde sage ich darauf nur ‚hää‘?“ „Ich wusste, du würdest mich für verrückt halten!“, jammerte Tora aus heiterem Himmel. Shou richtete sich auf. Es war zwar noch nicht spät gewesen, aber er hatte sich trotzdem vor ein paar Minuten ins Bett gelegt mit dem Ziel ein paar Stunden mehr als die Tage zuvor zu schlafen. „Was denn? Ich versteh‘ gar nicht, wovon du redest. Irgendwas mit ‚in Wallung‘ hab‘ ich mitbekommen. Hast du von Saga gesprochen?“, fragte Shou schnell, bevor Tora ins nächste Tief rutschte. „Ja, das hab‘ ich“, lautete die knappe Antwort. Shou erwartete daraufhin eigentlich mehr, aber er merkte, dass Tora von alleine nicht mehr bereit war sich zu erklären. „Okay, nochmal langsam. Du glaubst, du bist in Saga verliebt?“ „Sag‘ das nicht so, Shou! Das klingt ja, als wär‘ ich... du weißt schon!“ Ja, Shou wusste schon. Er war ja selber so einer. Nao auch. Nao war seiner einer. Und Saga war auch so einer. So einer, der auf Tora fixiert war, wie er ihm erst vor einer Woche verlegen mitgeteilt hatte. Ein Grinsen schlich sich auf Shous Gesicht. Da war die Chance, die Shou Saga versprochen hatte. „Wieso klärst du das mit mir und nicht mit Saga selber?“ „Das fragst du nicht wirklich, oder?“ „...nein, das war nur’n Scherz“, setzte Shou nach, „Weißt du was, du schaltest jetzt das Radio an – ja, der übliche Sender – und wartest, sagen wir ein, zwei Lieder. Dann denkst du über die Sache nach und wenn du dir sicher bist, gehst du nach draußen.“ „Wieso sollte ich nach draußen gehen?“, fragte Tora hörbar verwirrt. „Das ist der Plan, hinterfrage ihn nicht, okay!?“ „O-okay, wenn du es sagst“, an Toras Stimme war deutlich zu hören, dass er ‚den Plan‘ hinterfragte, als einfach Shous Wort zu vertrauen. „Na gut, bis bald“, mit diesen Worten legte Shou auf. Er ließ sich hinterrücks auf seine Kissen fallen und seufzte ungehalten. Sofort drehte er sich auf die Seite, warf einen Bild auf das Foto von ihm und Nao, das auf seinem Nachttisch stand. Mit einem Lächeln auf den Lippen öffnete er die erste Schublade und zog das Telefonbuch hervor. Tatsächlich hatte Saga es nicht geschafft, aus dem Auto auszusteigen, zu klingeln und damit das Risiko einzugehen, dass Tora vor ihm stehen könnte. Er musste sich eingestehen, dass er es heute nicht mehr schaffen würde, Tora... Was Tora eigentlich? Wollte er ihm erklären, dass er mittlerweile kaum noch einen klaren Gedanken fassen konnte, ohne dass ihm Tora in den Sinn kam. Dass Tora ihn sogar in seine Träume verfolgte und ihn dadurch schweißgebadet aufwachen ließ. Saga griff nach dem Zündschlüssel und wollte den Motor starten, als die Vibration seines Handys ihn inne hielten ließ. Er ignorierte den Fakt, dass sein Herz klopfte und seine Hand zitterte, während er sein Handy aus der Hosentasche friemelte. Enttäuschenderweise war es nur Shou. „Ja, bitte?“, meldete sich Saga mit einem betont gelangweilten Ton am. „Radio an“, war die knappe Ansage, die der Sänger machte. „Was?“, fragte Saga verdutzt. „Du willst doch Tora, oder?“ „Äh, ich würde es nicht so ausdrücken, aber-“ „Im Großen und Ganzen habe ich Recht, ich weiß doch. Dann hast du zwei Möglichkeiten“, begann Shou runter zu rattern, „Entweder du gehst jetzt zu ihm rein – ja, er ist da, bevor du fragst – und sagst Tora, was Sache ist“, Shou ließ eine Pause, um Saga reagieren zu lassen. „Ja, ist gut, John Wayne, das ist ein ganz toller Vorschlag“, sagte Saga ironisch, „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass-“ „Oder du machst das Radio an, hörst dir die nächsten ein bis zwei Lieder an und entscheidest dich, wie du weitermachen willst, und hörst auf mich zu nerven.“ Die plötzliche Stille am anderen Ende der Leitung verriet Saga, dass Shou aufgelegt hatte. Er war verwirrt und eigentlich zu stolz, um Shous Rat zu befolgen, aber er war neugierig und so begab es sich, dass Saga und Tora, die keine hundert Meter Luftlinie voneinander entfernt waren, dieselbe Musik hörten und über dieselbe Sache nachdachten. „Und nun für Shinji und Takashi mit der Bitte Kohara nicht mehr mit ihren Problemen voll zu weinen, sondern selber nachzudenken von Colin Hay das Lied Overkill.“ Sagas Augen weiteten sich, als die Moderatorin aus dem Radio seinen Namen und Toras Namen in einem Satz nannte. Er stützte seine Ellenbogen auf die Knie und legte den Kopf auf seine ineinander gefalteten Hände. War es ihm in letzter Zeit schwer gefallen, seine Gedanken von Tora zu wenden, so galt nun seine volle Konzentration diesem einen Lied. Auch Tora blieb nicht unbeeindruckt von dieser Geste Shous. Je länger und ernster er über Saga nachdachte, desto sicherer war er, dass er, würde er sich nicht bald aufraffen, jede Nacht mit der Frage konfrontiert wurde, wie es weitergehen sollte. Wie hatte er sich sein Leben eigentlich vorgestellt? Er hatte es noch nie leicht gehabt. Und wenn Saga ihn abblitzen ließ, würde er ihn einfach so lange belabern, bis er bereit sich auf Tora einzulassen. Was Tora wollte, bekam er auch, so war es bisher immer gegangen. Warum dieses Mal nicht? Er erhob sich und vertraute darauf, dass Shou ihn nicht vorführte, als er nach dem Wohnungsschlüssel griff und die Tür öffnete. Um sich selber zu beruhigen, nahm er die Treppe nach unten und ging zwei Stockwerke tiefer, bis er die Tür nach draußen aufschloss. Sagas Blick wanderte zur Wohnungstür, als er sah, wie das Licht im Treppenhaus an ging. Gegen seinen Willen wurde er nervös. Als er Tora sah, der aus der Tür heraus trat und sich mit fragendem Blick umsah. Saga zog seinen Schlüssel wieder aus dem Zündschloss, riss die Wagentür auf und dankte sich, dass er den Gurt nicht schon wieder umgelegt hatte. Nichts wäre peinlicher als im Gurt hängen zu bleiben, während er aus dem Auto stürzte. Hinter sich schmiß er die Wagentür wieder zu, hetzte um sein Auto herum und bremste ab, nachdem Tora ihn bemerkt hatte. Langsam ging er die letzten Schritte, die ihn von Tora trennten. „Hey“, grüßte er und hob eine Hand. Wie auch vor Shou gab er sich vor Tora betont gelassen, was im Gegensatz zu der Aktion aus dem Auto zu springen stand. „Hey“, gab Tora kleinlaut zurück, während er sich nervös an der Nase kratzte. Die beiden sahen sich an. „Wie lange wartest du schon hier?“, fragte Tora mit zweifelndem Unterton. „Ach“, Saga winkte ab, „Den ganzen Abend.“ „Respekt“, war Toras Antwort und auch er gab sich Mühe nicht zu aufgeregt zu erscheinen, „Magst du rein kommen? Ich hab‘ noch Pizza da, die wir uns warm machen können.“ „Gerne“, auch wenn Saga sich Mühe gab, sich nichts anmerken zu lassen, spürte Tora mit innerer Genugtuung, dass sein Gegenüber erleichtert war. Und er selber war es auch. „Dann komm rein, ich glaube, wir müssen einiges besprechen...“ „Hey, good job“, waren die Worte, die Shou aus der dämmerigen Zwischenzone zwischen wach sein und schlafen holten. „Nao?“, nuschelte Shou, öffnete schläfrig ein Auge und spähte zur Tür. „Der einzig Wahre“, grinste ihn dieser an, während er sich seiner Kleidung entledigte und zu Shou aufs Bett kam. „Ich dachte, du gehst trinken und schläfst dann bei Freunden“, zum zweiten Mal an diesem Abend richtete sich Shou in seinem Bett auf. Bevor Nao antwortete, drückte er Shou einen Kuss auf die Lippen. „Das war der Plan, aber als ich im Auto dein Lied gehört hab‘, hab‘ ich’s mir anders überlegt. Ich schlaf‘ halt lieber in deinem Bett.“ „War ich gut?“, fragte Shou süffisant. „Der Beste.“ „Ich bin eben ein Mann von Welt“, stellte Shou fest, der seine Faust gen Zimmerdecke hob. „Mein Mann von Welt“, korrigierte Nao und legte sich hin. Shou folgte ihm und rückte ein Stück näher an seinen Freund heran, ließ seine Finger über dessen Brust kreisen. „Ob die beiden das schaffen?“, dachte Nao klischeelastigerweise laut. „Sicherlich. Vergiss nicht; Das sind Tora und Saga. Die beiden lassen sich nicht einfach abwimmeln“, gab Shou zu bedenken. „Danke für die Pizzen“, sagte Saga schließlich und stand auf. Er wollte nichts mehr als weg. In was für eine peinliche Situation war er nur geraten? Erst saß er vor Toras Wohnung und als er schließlich drin war, traute er sich nicht über die wirklich ernsten Dinge zu reden. Tora genauso wenig. Das Ganze erschien Saga noch alberner als vor Toras Bude Schmiere zu stehen und auf diesen zu warten. „Danke, dass es dich gibt“, war Toras Antwort. Okay, damit war der erste Schritt getan und Sagas Vorhaben, nach Hause zu fahren, verpuffte auf der Stelle. Tora starrte stur auf den Teller, auf dem die Pizza gelegen hatte. „Vielen Dank für die vielen schlaflosen Nächte, die ich haben werde, wenn wir jetzt nicht klären, was zwischen uns ist“, fuhr Tora Saga an, der ihn leicht verstört betrachtete. „Redest du jetzt mit mir oder dem Teller?“, wollte Saga wissen, nur um auf Nummer sicher zu gehen. Tora lehnte sich zurück und legte den Kopf in den Nacken, um Saga besser ansehen zu können. Etwas an Toras Blick war da, dass ihn dazu brachte, ihn am Liebsten auf der Stelle zu küssen, aber statt ihn zu küssen, kniete er sich lediglich neben Tora, der ihm mit seinem Blick folgte. „Wie wichtig bin ich dir, dass du nach dem Essen abgehauen wärst?“, fragte Tora und ließ dabei nicht den Blick von Sagas Augen. „So wichtig, dass ich tierische Angst davor hab‘, dass du mich abblitzen lässt“, antwortete Saga ungerührt, obgleich er wusste, wie albern er klang. Aber es war ja nicht das Einzige, was an diesem Abend albern war. „Willst du mich küssen?“ Saga war überrascht, was er geschickt zu verbergen wusste, indem er erwiderte: „Ich wäre nicht abgeneigt.“ Tora sah ihn skeptisch an. „Ich bitte darum.“ „‘Danke. Du bist ein Mann von Welt.‘ JA! ICH WUSSTE ES“, jubelte Shou hellwach. „Was’s los?“, verschlafen tastete Nao nach dem Lichtschalter und schaltete das Licht an. Mit einem Blick auf die Uhr sank er wieder in sein Kissen zurück. „Eine SMS von Tora“, freute sich Shou sichtlich. „Es ist halb fünf, was soll das?“, kam es dumpf von Nao. „Die beiden haben es wohl geschafft. Freust du dich gar nicht?“ „Jetzt nicht, ich bin müde!“, Naos Ton war vorwurfsvoll, während er wieder das Licht ausschaltete. Shou klappte sein Handy zu und legte es zurück auf den Nachttisch. „Wir müssen Hiroto auch noch an den Mann bringen-“ „Jetzt nicht, ich bin müde!“ „Okay, Schatz, ich denk‘ mir was aus und dann reden wir morgen darüber.“ Das Letzte, was Shou mitkriegte, waren ein paar gemurmelte Worte seines Freundes, die allerdings im Kissen erstickten, bevor Shou wirklich verstehen konnte, was Nao ihm sagen wollte. „Ich liebe dich auch, Baby.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)