Verirrte Schneebälle und falsche Cashewkerne von Swaja ================================================================================ Kapitel 1: Verirrte Schneebälle und falsche Cashewkerne ------------------------------------------------------- Lautes Gejohle erfüllte den Schulhof der Odaiba-Schule, die Mittel- und Oberstufe miteinander verband. Der erste Schnee war so dick gefallen, dass er liegen blieb. Wie alle Menschen beim Anblick der weißen Flocken waren auch die Schüler wieder zu Kleinkindern mutiert. Der erste Ruf „Schnee!“ hatte alle aufspringen und zum Fenster rennen lassen und nun, da die Pause begann und die sportliche Ertüchtigung auch erlaubt war, rasten alle wie irr hin und her, lieferten sich Schneeballschlachten. Alle? Nein, natürlich gab es auch die Erwachsengebliebenen, die Raucher und die Coolen, die am Rand standen und das Geschehen aus sicherer Entfernung beobachteten. Zu welcher dieser Gruppen Yamato Ishida gehörte war jedem selbst überlassen. Jedenfalls hatte er keine Lust auf diesen Kinderkram, so sehr sein Klassenkamerad Taichi ihn auch nervte. „Komm schon, das macht wirklich Spaß!“, drängelte der Brünette mit Hundeblick, doch der Angebettelte schüttelte nur abweisend den Kopf. „Soll ich es dir buchstabieren? Ich will nicht!“. „Ist ja schon gut, Mister Griesgram.“, lachte Tai und stürzte sich in das eiskalte Vergnügen, zumindest schien es das für ihn zu sein. Ein Fakt, den Yamato ganz und gar nicht nachvollziehen konnte. Der blonde, junge Mann mit den viel bestaunten karibikblauen Augen besorgte sich lieber einen Automatenkaffee, an dem er seine Fingerspitzen wärmen konnte. Eine blöde Erfindung, diese fingerlosen Handschuhe, wenn sie nur nicht so praktisch wären, da man sie immer tragen konnte, ohne dass einem Stifte oder eben Thermobecher aus der Hand rutschten. Für eine Frostbeile, wie ihn Tai gerne betitelte, unabdingbar. Nur leider blieben die Fingerkuppen immer kalt. Kaum hatte er den Kaffee zum Mund gehoben, traf ihn plötzlich etwas im Nacken. Durch den unerwarteten Aufprall ruckte sein Kopf nach vorn, die Hand leistete Folge, jedoch leider in die Gegenrichtung, was nach sich zog, dass sich der Kaffee über sein Gesicht und seine Hand ergoss. Und jeder, der schon mal ein Automatenheißgetränk genießen durfte, wusste, dass dieser entweder schon kalt oder kochend heiß war. Wie es der äußerst gemeine Zufall so wollte, gehörte sein Kaffee natürlich letzterer Kategorie an. Die andere Hand tastete in den Nacken und fühlte nasse Kälte. Schnee… Ganz langsam drehte er sich um, nach außen hin scheinbar völlig ruhig. „Ach komm, Matt, nun stell dich nicht so an, das ist doch nur Schnee!“, rief ihm der brünette Übeltäter entgegen, der sich der Gefahr anscheinend nicht bewusst war. „Nur Schnee?“, echote der Attackierte beängstigend knurrend. „Steck dir deinen verfickten Schnee dahin, wo die Sonne nicht scheint!“, „Na, das wäre aber doch ganz schön kalt.“, entgegnete Tai grinsend, verstummte jedoch, als er sah wie Matts Gesicht immer röter anlief, mit der verbrühten Hand den armen Plastikbecher zerdrückte und ihn wutentbrannt auf den Boden schmiss. „Hey, jetzt warte doch mal!“, rief er und rannte dem davon stürmenden Matt hinterher. Doch von Verzeihen keine Spur. Yamato, der eiskalte Wolf, machte seinem Spitznamen alle Ehre. Er ignorierte seinen Freund, liess sich nicht mal auf ein Gespräch ein. „So ist das abgelaufen. Und seitdem spricht er kein einziges Wort mehr mit mir.“, seufzte Tai, während er die Mandeln einmal herumdrehte, damit auch alle unter der Wärmelampe Platz fanden. „Das ist echt kaum zu glauben. Mach dir keinen Kopf, Tai, das wird schon. Kommst du jetzt alleine klar? Ich mach Feierabend.“, meinte sein Kollege Hanasaki und verabschiedete sich lächelnd. Tai blickte über die Menschenmenge, die sich über den Weihnachtsmarkt schob. Er mochte den Job hier auf dem Markt sehr gerne. Die guten Gerüche, die weihnachtlichen Melodien, die fröhlichen Gesichter. Fröhlich… sein Tag war heute alles andere als fröhlich verlaufen. Er hatte sich mit seinem Klassenkamerad Yamato gestritten. Dabei hatte Tai gar nichts Böses im Sinn gehabt, er wollte doch nur, dass Yamato sich an der Schneeballschlacht beteiligte, dass er mal ein wenig Spaß hatte. Der blonde junge Mann wirkte immer so verschlossen, als wolle er niemals jemanden an sich heran lassen. Wie hinter einem Eispanzer… warum also nicht Schnee mit Schnee bekämpfen und Yamatos gefrorenes Herz mit einem Schneeball schmelzen? Gut, das war utopisch und auch ein klein wenig dumm gedacht, wie man ja gesehen hatte. Und nun redete sein Freund nicht mal mehr mit ihm. Ja, das störte Taichi. Wenn er daran dachte, wie lang es überhaupt gedauert hatte, bis er und Yamato überhaupt normal miteinander reden konnten. Zuerst konnten sie sich nämlich gar nicht ausstehen. Er, der beliebte, immer fröhliche Sunnyboy und der andere, der coole, aber verschlossene Misanthrop. Doch man lese und staune, sie hatten sich angefreundet und verstanden sich sogar recht gut. Auch das war nur durch ein dummes Missgeschick geschehen. Tai war in der Schulkantine unterwegs gewesen, gerade balancierte er das voll gepackte Tablett zu einem Tisch, als ihn jemand rief. Grinsend drehte er sich um, doch dabei entglitt ihm sein Essen und es landete ausgerechnet in Yamatos Schoss. Der war entsprechend ausgetickt, doch nachdem Tai sich tausendmal entschuldigt hatte, begannen sie zu reden und merkten, dass sie sich gut verstanden. Der Brünette war froh über diesen Umstand, denn irgendwie zog ihn Yamato magisch an. Er hatte etwas Mystisches, Geheimnisvolles an sich, etwas, das man unbedingt erforschen wollte. Wie ein Rätsel, welches man unbedingt knacken wollte, es liess einem keine Ruhe. Wie ein- genug der Vergleiche, eines stand fest, Yamato faszinierte ihn unheimlich und trotz der Freundschaft war es Tai noch nicht genug. Er wollte seinem Yama noch näher sein. Wie war es zu diesem mehr oder weniger glücklichen Umstand gekommen? Zunächst hatte Tai sich immer wieder dabei ertappt, wie er an seinen Freund dachte. An dessen blonde Haare, die blauen Augen, den melancholischen Blick. Er begann blöde, schmalzige Vergleiche zu ziehen. Mit seiner goldenen Haarpracht erinnerte Mann ihn an einen wunderschönen Engel. Seine blauen Iriden waren tief, geheimnisvoll und endlos wie das karibische Meer. Seine leicht melodische Stimme klang angenehm in seinen Ohren. So wurden seine Gedanken immer peinlicher und zu seinem Schrecken auch immer perverser. Natürlich wusste er nicht, was er tun sollte. Bisher stand er doch immer auf Frauen, niemals auf Männer, doch warum fand er dann Matt attraktiv? Was tat ein junger Mann mit Identitätsproblemen? Er redete mit seiner kleinen Schwester! Hikari, damals in der Hochzeit ihrer Shônen-Ai-Fan-Phase, war begeistert von der Wahrscheinlichkeit, dass ihr eigener Bruder schwul war und auch noch auf so ein Sahneschnittchen wie Yamato stand. Sie war es auch, die ihm riet es doch einfach zu probieren, mehr als schief gehen, konnte es schliesslich nicht. Man merkte die Verwandschaft, ihr Optimismus war unergründlich. Weiter als er war sie damit auch schon gekommen, sie und Matts Bruder Takeru waren inzwischen ein Paar. Tai suefzte leicht. Warum schaffte er es nicht, Yama einfach zu sagen, was er fühlte? Naja, man könnte den heutigen Tag als Beispiel nehmen, er fürchtete sich einfach vor seiner Reaktion. Dabei musste er doch keine Angst haben, immerhin hatte ihm erst letzte Woche eine Wahrsagerin eine glückliche Zukunft prophezeit. Ach, wenn er nur wüsste, was er tun sollte… Er sah auf, als jemand an den Stand trat. „Hi, was hättest du denn… Yama?“, rief er erstaunt aus. Das gab es doch nicht, das Sprichwort stimmte tatsächlich. Wenn man vom Teufel spricht… obwohl er ja schon festgestellt hatte, dass sein Gegenüber ein Engel war. Dennoch war er ihm in seinen Tagträumen nur mit Teufelshörnern auf dem Kopf bekleidet erschienen… Okay, genug der perversen Gedanken, sein Tagtraum stand lebendig vor ihm und wollte etwas. Eben jener hob gerade die Braue, wahrscheinlich wunderte er sich über die fehlende Reaktion. „Ich hätte gern eine Packung gebrannte Cashewkerne.“. Tai, vollkommen benebelt vor Glück, dass der andere wieder mit ihm redete, füllte extra ein neues Tütchen mit ganz frischen Cashews, schüttete als Überraschung noch ein paar Mandeln oben drauf. Wie ein Honigkuchenpferd grinsend reichte er ihm die Tüte, vergass sogar beinahe das Geld. Matt packte die Nascherei direkt aus, schob sich eine Nuss zwischen die Lippen. Doch kaum hatte er darauf gebissen, verzog er angewidert den Mund und spuckte den Inhalt auf den Boden. „Ich wollte Cashewkerne!“, fuhr er den verdatterten Verkäufer an, der abwehrend die Hände hob. „Ich wollte dir nur eine Freude machen und hab deswegen ein paar Mandeln oben drauf getan.“. „Bist du wahnsinnig? Ich bin allergisch gegen Mandeln!“, zischte er ihn an, warf die Tüte zurück auf den Tresen und rauschte wutentbrannt davon, einen betrübten Taichi zurücklassend. Er hatte es doch nur gut gemeint… Immer noch kochend stapfte Yamato über den viel zu vollen Weihnachtsmarkt. Warum hatte er sich das überhaupt angetan, er hasste doch Menschenmassen wie die Pest. Er wusste genau warum… er hatte mitbekommen, dass Tai an dem Stand arbeitete und wollte sich für seine übertriebene Reaktion am Nachmittag entschuldigen. Das hatte er ja toll hinbekommen… wenn zwei übertriebene Reaktionen gleich einer Entschuldigung waren, dann befand er sich auf dem besten Weg zu einer Versöhnung. Doch da die Realität anders aussah, musste er der Wahrheit ins Auge sehen. Tai war total unschuldig. Er selbst, Yamato Ishida, war der Grund dieses ewigen Hin und Her. Dabei mochte er den anderen wirklich, mehr als irgendjemanden sonst bisher, mal abgesehen von seinem kleinen Bruder, den vergötterte er regelrecht. Doch auch sein Bruderherz war inzwischen erwachsen und hatte eine Freundin. Nur er selbst bekam es nicht gebacken seine Scheu vor anderen Menschen zu überwinden. Warum fiel ihm das nur so schwer? Gut, man musste auch bedenken, dass die meisten seiner Klassenkameraden sich wie Kleinkinder aufführten, aber den König dieser Kinder mochte er nun. Super… Trotz des herrlichen neuen Pulverschnees mussten die Schüler im Klassenzimmer sitzen und dem staubtrockenen Unterricht folgen. Was für eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Einzige Erlösung war die Pausenklingel. Matt stand in einer ruhigen Ecke des Hofes, wie immer brachte er eine weitere Pause damit, sich vor aufprallwütigen Schneebällen zu ducken, die hatten nämlich das Bedürfnis sich scheinbar immer zu ihm zu verirren, fiel sein Blick auf ein kleines Häufchen Münzen, das plötzlich in seine Hand gelegt wurde. Als er aufsah, blickte er nun in schokobraune Augen. „Tai…“, echote er leise, musste schon wieder wegsehen. Er konnte ihm nicht mal in die Augen schauen, wie peinlich das war… „Was… was soll das?“, fragte er leise und hob die Münzen auf. „Das ist das Geld für die Cashewkerne… du hast sie ja nicht bekommen, da wäre es unfair, wenn du das bezahlen müsstest. Ich… wollte mich noch mal entschuldigen, ich hätte mich erst nach deinen Allergien erkundigen müssen, bevor ich dir irgendwas in die Tütchen schmuggel…“. Seine Worte klangen ironisch, doch der Ton seines Gegenübers war so ehrlich und demütig, dass der andere nicht anders konnte, als ihm zu verzeihen. Denn das hatte er schon längst. Die ganze Zeit hatte er hin und her überlegt, wie er sich bei Taichi entschuldigen konnte, doch wieder und immer wieder standen ihm sein dummer Stolz und sein Dickkopf im Weg. Und nun hatte sein kleiner Wirrkopf von einem Freund ihm das erspart und hatte sich entschuldigt, dabei war er es doch gewesen, der sich unmöglich benommen hatte. Neben die Münzen nahm nun plötzlich ein kleiner Marzipanteddy Platz. „Als Entschuldigung…“, flüsterte Tai, dessen Wangen sich leicht rot gefärbt hatten. Yamatos Mund stand vor Überraschung offen. Vorsichtig, als könnte es zerbrechen, nahm er die zarte Figur in die Hände. „Woher weißt du…?“. „Dass du Marzipan liebst? Naja, du stehst manchmal auf dem Hof und isst welches, dann wirkst du immer, irgendwie… naja… glücklich.“, erklärte der Brünette und kratzte sich an der Wange, leicht verlegen. „Du hast mich auf dem Hof beobachtet?“, fragte Yamato nach, immer noch erstaunt und nun ebenfalls etwas peinlich berührt. „Nicht nur da…“. „Tai… es tut mir-!“, noch bevor der Blonde seine Entschuldigung ausformulieren konnte, zog der süße Wirrkopf Taichi ihn einfach an sich und küsste ihn. Matt riss zunächst verdutzt die Augen auf, doch schliesslich liess er langsam die Lider sinken. Das würde bestimmt noch einige Diskussionen und übertriebene Reaktionen nach sich ziehen, doch jetzt wollte der einsame Wolf nicht darüber nachdenken. Einsamer Wolf? Das war er jetzt anscheinend die längste Zeit gewesen. --------------------------------------------------------------------------------- Ich hoffe, es hat euch etwas Gefallen und dass es zur Weihnachtsstimmung passt. Kommi-Kasten und ich freuen uns auf Kommentare.^^ Heal, und nochmal Etwas knuddel, eure Swaja Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)