Beloved Assassin von Saya_Takahashi (Geliebter Mörder) ================================================================================ Prolog: Ein nachdenklicher Abend -------------------------------- Es war ein schwüler Abend, als Sasuke das Büro verließ. Er stieg in seinen Wagen und trat aufs Gas. Die rote Ampel in der Matsumostraße ignorierte er, bog links ab und parkte auf einem schäbigen Parkplatz. In Gedanken überlegte er, wie er am kommenden Mittwoch mit dem Vertragspartner seiner Firma umgehen sollte. Mr. Usatomi war niemand von der angenehmen Sorte. Er war ein harter Geschäftsmann, der nur agierte, wenn etwas zu seinen Gunsten ausfiel. Ihn für die Firma und das neue Projekt zu gewinnen, würde schwer werden. Gar unmöglich, sollte er ins Grübeln geraten. Es hing fiel von diesem Treffen ab. Sasuke kehrte in das dreckigste Lokal ein, das es in dieser Gegend gab. Er nahm den gleichen Platz wie jeden Abend – in einer versteckten Ecke am Ende des Raumes. Dorthin verirrten sich nur die, die keine Ahnung von seiner finsteren Miene hatten, denn selbst an einen Ort wie diesen, stach Sasuke noch hinaus. Nicht, weil er einen teuren Anzug statt der hängenden Jogginghosen trug, die versoffene Kerle zu tragen pflegten. Auch nicht, weil er vor seinem Whiskey nach Orangensaft verlangte, oder weil er nie mehr als diese beiden Wörter von sich gab. Sasuke fiel auf, weil er der Mann mit dem gefährlichen Augen war, die grausamer drohen konnten, als die Messer und Waffen der anderen Männer hier. Als Sasuke seinen Orangensaft trank, überlegte er die Vorgehensweise bei Usatomi. Als er beim Kellner Whiskey orderte, dachte er zunächst, sein Problem wäre gelöst. Nach dem dritten Glas aber fiel ihm die klaffende Lücke in seinem Plan auf, und er musste alles noch einmal überdenken. Er bezahlte, verließ das Lokal und fuhr aus der Stadt zu seinem Anwesen. Die ganze Zeit dachte er über den hinterhältigen Geschäftspartner nach, und über seinen Nutzen für die Firma. Die Lösung lag ihm auf der Zunge. Zu Hause aß er Reis und Fisch. Er überlegte, Usatomi zu bestechen. Er ging die Möglichkeiten durch, auf die der alte Kauz eingehen würde. Er fand keine, die ihn zufrieden stellte. Nach dem Essen duschte Sasuke genau fünf Minuten. Er musste nicht auf die Uhr sehen, aber es dauerte keine Sekunde länger. Er zog sich legere Kleidung an und schloss den Keller auf. Er steuerte auf die Tür zu, die auf der anderen Seite des saalähnlichen Raumes lag, griff im raschen Schritt nach einer bereitliegenden Tasche und verließ das Haus durch den Hinereingang, der in den Wald führte. Niemand konnte ihn sehen, doch er sah alles. In Gedanken war er noch immer bei Usatomi, und dachte nun darüber nach, wer an zweiter Stelle seiner Firma stand. Darüber hatte er schon in der letzten Viertelstunde nachgedacht. Als der Wald hinter ihm lag, lief er über eine asphaltierte Straße und fuhr per Anhalter zurück in die Stadt. Dort nahm er sich ein Taxi und stieg an der Kreuzung aus, die er vorhin bei Rot überfahren hatte. Ihm fiel der Name des Mannes ein, der Usatomis rechte Hand darstellte. Dexter Lenakov, ein gebürtiger Russe, der nur durch Geld zu seiner Position gekommen war. Sasuke ging ohne Eile in ein renommiertes Hotel und fuhr mit dem Fahrstuhl zu den Suiten. Er schlenderte zu der Suitenummer 327 und lauschte. Aus seiner Tasche nahm er eine Zimmerkarte, womit er die Tür ohne Gegenwehr öffnen konnte. Er trat ein und sah sich um, ehe er zu dem Bad ging, aus dem das leise Summen eines Mannes drang. Es war Usatomi, der mit dem Rücken zu Sasuke stand, wie er in das Badezimmer kam. Dexter Lenakov war in jedem Fall käuflich, überlegte er. Usatomi dagegen war ein ausgekochter Fuchs. Ein gedämpfter Schuss ertönte, und Usatomis Blut vermischte sich mit dem laufenden Wasser der Dusche. Er summte nicht mehr die Melodie eines japanischen Klassikers, wie seine leblosen Augen zu Sasuke starrten. Sein Mund mochte noch einen Spaltbreit geöffnet sein, doch außer dem gerinnenen Blut kam nichts mehr hinaus. Seine Leiche würde man erst am nächsten Morgen finden, seinen Mörder nie. Als Sasuke das renommierte Hotel verließ, war er zufrieden. Nun brauchte er sich keine Gedanken mehr machen, wie er Usatomis Firma für sich gewinnen konnte. Nun war es nicht mehr Usatomis Firma. Er überquerte die Straße, als die Ampel auf Grün sprang. Er tauchte in die Masse ein, und zu diesem Zeitpunkt war er ein Passant unter Hunderten. Er mochte jedoch der einzige von ihnen sein, der vor kaum zehn Minuten einen Menschen das Leben genommen hatte, damit er sich den Ärger bei den Verhandlungen sparte. Sasuke hielt ein Taxi an und nannte dem Fahrer eine Adresse in der Nähe des Waldes, den er oft zu durchqueren pflegte. Er stieg ein, und so zufrieden er in diesem Moment auch mit sich war – als er noch einmal zu Straße sah, spürte er das schwarze Stück Muskel in seiner Brust springen, als würde es fühlen. Das Taxi fuhr los, doch Sasukes Blick hing noch eine ganze Weile an der jungen Frau, deren Augen ihn an etwas erinnert hatten. Etwas, das lange zurücklag, und das in dem schwarzen Loch seiner Vergangenheit untergegangen war. Als man um sieben Uhr und vierunddreißig Usatomis Leiche untersuchte, lag Sasuke noch immer schlaflos in seinem Bett und sah die junge Frau vor sich. Ihre Haare waren rosa gewesen, und wie sie sich mit jemand unterhielt, hatte sie immerzu gelächelt. Aber wirklich bemerkt hatte Sasuke nur die grünen Augen, und es kam ihm in den Sinn, dass diese Frau bald schon sterben würde. Kapitel 1: Es ist seine Angelegenheit ------------------------------------- Naruto hatte eine schlimme Nacht hinter sich. Bis kurz nach 12 hatte er vor dem PC gesessen und sich mit seinem Lieblingsspiel befasst, als ihm einfiel, dass er am nächsten Morgen eine Arbeit in Mathe schreiben musste. Durch diese Erkenntnis war er aufgesprungen, hatte sich sämtliche Bücher herangeholt (die unter dem Berg Wäsche erst einmal gefunden werden mussten) und bis zum Morgengrauen gebüffelt. Nicht ein Auge hatte er zugemacht, und nun waren beide geschwollen und er sah aus, als hätte er seit einer Woche nicht mehr geschlafen. Genau so fühlte sich Naruto auch, als er sich seinen fünften Kaffee aufgoss. Es hatte eben an der Tür geklingelt, und nur schleichend konnte er sich in den Flur schleppen. Durch seine halboffenen Augen blickte er seine beste Freundin an, die ihn zweifelnd musterte. „Naruto“, sagte sie seufzend. „Ich habe dir doch gesagt, dass du nicht die ganze Nacht vor deinem dummen Spiel sitzen kannst!“ „Hab ich ja nicht“, wehrte sich der Uzumaki. Er ließ sie eintreten und schlich in die Küche zurück. „Ich habe gelernt, Sakura.“ „In der Nacht?“ Naruto nickte, bevor er seinen Oberkörper quer über den Tisch fallen ließ. Nur ab und an hob er seinen Kopf, um irgendwie an seinem Kaffee zu nippen. „Ich werde den Test verhauen“, sagte er wimmernd. Sakura nickte. „Ich glaube auch. Du hättest nicht erst in der Nacht anfangen dürfen. Der Test ist wichtig, und er wurde schon vor zwei Wochen angekündigt.“ „Mach mir nur Mut“, grummelte Naruto und setzte sich halbwegs aufrecht. „Müsstest du mich nicht aufbauen? Wir sind Freunde, Sakura. Freunden streut man kein Salz in die Wunde.“ „Ich dachte, Freunde sollten immer ehrlich sein?“ Sakura grinste, wie sich selbst Kaffee eingoss und zu Naruto an den Tisch setzte. „Das hast du zumindest gesagt.“ „Ja, aber doch nicht so.“ Naruto gähnte erschöpft. Er und Sakura kannten sich nun ein halbes Jahr, und seitdem waren sie eigentlich unzertrennbar geworden. Er hatte viele Freunde, Sakura dagegen nur ihn. Sie war nicht die Leichteste im Ungang, doch dafür konnte er sich bei ihr immer sicher sein, dass sie jedes Wort ehrlich meinte. Nur manchmal war sie einfach zu ehrlich … „Du weißt aber, dass du in Mathe durchfallen wirst, Naruto. Wenn du dich nicht langsam auf den Hosenboden setzt und richtig lernst – und ich meine damit nicht eine Nacht vorher anfangen – dann versaust du dir dein Studium und musst es noch wiederholen.“ „Kannst du nicht mal was Aufbauendes sagen?“ Naruto trank seine Tasse leer und nahm sich gleich eine nächste. „Ich werde bei dem Test einschlafen. Ich werde ihn verhauen, und ich werde das Semester wiederholen müssen“, sagte er jammernd. „Hmm.“ Sakura sah Naruto mitleidig an. „Aber dass du dieses Semester nicht schaffst, steht ja noch nicht fest.“ „Danke“, brummte Naruto. „Für deine erheiternden Worte.“ Sakura grinste und schüttelte den Kopf, wie sie sich erhob und zur Uhr deutete. „Na los, lass uns wenigstens rechtzeitig da sein.“ „Bäh“, machte Naruto nur, doch stand er ebenfalls auf und verließ zusammen mit Sakura die Wohnung. Natürlich schlief Naruto während des Tests ein, und ebenso konnte er nicht einmal die Hälfte der Aufgaben lösen. Allerdings war er durch das unfreiwillige Einschlafen munterer geworden, und damit kehrte auch sein Optimismus zurück. „Weißt du was?“, sagte er, wie er mit Sakura nach Hause lief. „An sich waren die Rechnungen ganz einfach. Wenn ich mir das nächste Mal mehr Zeit zum Lernen nehme, dann wird das ein Klacks.“ „Das ist möglich“, sagte Sakura ernst. „Allerdings stehen die Chancen, dass du dich nächste Mal besser vorbeireitest nicht besonders hoch. Wenn man an die letzten Tests denkt und genauer darüber nachdenkt, wie oft du …“ „Argh, man Saku!“ Naruto verzog die Lippen zu einer schmalen Linie. „Pass auf, jetzt erklär ich dir mal eine neue Regel der Freundschaft!“ Er holte tief Luft und nickte eifrig. „Wenn du deinen besten Freund auf irgendeine Art und Weise aufheitern kannst, und sei es, dass du lügen musst, dann tu das!“ „Aber das steht doch gegen die ganzen anderen Regeln, die du mir erklärt hast.“ Sakura wirkte verwirrt. „Freunde lügen nicht, hast du gesagt.“ „Ich bin ein erfahrener Freund wie du, also stell mich nicht in Frage.“ „Du bist aber auch ein sehr verwirrender Freund“, erwiderte Sakura grinsend. Naruto sah Sakura ausdrücklich an. „Jede Regel hat Ausnahmen, oder? Aber lass uns jetzt das Thema wechseln. Kommst du am Wochenende nun mit zu Inos Party?“ „Am Montag schreiben wir einen Test in Arithmetik, Naruto. Ich muss lernen.“ „Du lernst jeden Tag“, rief Naruto, als könne ihn Sakura sonst nicht verstehen. „Du lernst sogar im Schlafen. Und abgesehen davon, weißt du das eh schon alles. Wozu willst du da unbedingt am Wochenende lernen?“ „Damit ich das Fach bestehe?“ „Du bestehst jedes Fach, Saku. Du bestehst ja sogar die Fächer, die es gar nicht gibt, oder die du überhaupt nicht belegt hast. Wie lautet Regel drei?“ „Sei ehrlich zu deinem besten Freund“, sagte Sakura sogleich. „Nein, ich meinte die Regel, dass du am Wochenende mit mir feiern sollst!“ „Aber“, Sakura runzelte die Stirn. „Das war Regel sieben. Du hast gesagt …“ „Argh!“ Naruto fuhr sich durch seine blonden, unbezwingbaren Haare. „Ich weiß, was ich gesagt habe! Das ist Regel fünf, schon vergessen? Ich weiß, was ich sage!“ „Regel fünf handelte von Vertrauen und dem ausplaudern von Klatsch und Tratsch. Regel zwei war …“ „Mano, Sakuuura!“ Naruto machte ein weinendes Gesicht. „Willst du, dass ich mich von einer Brücke stürze? Oder aus dem Fenster? Oder die Treppe hinunter?“ Er ließ die Schultern hängen, da Sakura ihm scheinbar nicht folgen konnte. „Okay, also noch mal. Kommst du mit zu Ino?“ „Nein“, sagte Sakura. „Ich muss noch immer lernen.“ „Lernen, lernen, lernen. Das wird doch total überbewertet! Hast du in dem halben Jahr, seit wir uns kennen, nicht genug von mir gelernt?“ „Ich habe vieles von dir gelernt, Naruto, aber ich bin mir nicht sicher … ob ich das anwenden sollte.“ Sakura grinste entschuldigend. „Immerhin stehst du kurz davor, durch einige Fächer zu rasseln. Und überleg nur, beinah wärst du auch aus deiner Wohnung geflogen, weil …“ „Schweeeig!“, rief Naruto gedehnt. „Himmel, bitte schweig, bevor du noch jemanden verletzt! Ich meinte, ob du nicht gelernt hast, was Spaß bedeutet? Du warst doch auch mit zu Shikamarus Geburtstag, oder? Hattest du da keinen Spaß?“ „Doch“, gab Sakura zu. „Es war sehr nett. Und du warst so betrunken, dass du deine mündliche Klausur am nächsten Tag absagen musstest.“ Sakura schien es eher nebenbei zu erwähnen, doch Naruto konnte nur die Augen schließen und sich schütteln. Warum fruchtete seine monatelange Arbeit mit Sakura nicht endlich? Sie musste doch ein Anti-Party Gen in sich tragen, oder sie hatte durch ihre ganze Büffelei jede Gehirnsparte abgetötet, die mit Spaß im Zusammenhang stand! Was machte er falsch? Oder war sie einfach nur verloren? Naruto tendierte zu letzterem … „Okay, gut.“ Er seufzte theatralisch. „Dann geh ich eben alleine. Und dabei habe ich mich doch so gefreut, dass du mitkommst.“ Sein Gesicht wurde leidend, doch innerlich grinste er, wie er Sakura erschrocken zusammenzucken sah. „Ich … ach komm schon, Naruto. Diese Feier ist doch nicht so wichtig …“ „So wichtig?“, japste er. „Für mich ist sie so wichtig wie eine Prüfung. Ich habe einen Ruf zu verlieren, wenn ich dort nicht erscheine.“ „Du kannst doch aber hingehen!“ „Nein“, sagte Naruto stur. „Ich werde einfach zu Hause bleiben, weinen und mich in meiner Wohnung einschließen!“ Gesessen, dachte Naruto. Sakura mochte noch so verliebt in ihre Bücher sein, aber niemals würde sie ihn im Stich lassen, wenn er dieses Gesicht aufzog. Es war sein Ass in dem langen Ärmel. „Wenn du nicht dorthin gehst, und in der Wohnung bleiben willst … du könntest ja dann lernen, Naruto. Du hast immerhin auch gesagt …“ „Ahhhhh“, kreischte der Uzumaki nur und am liebsten hätte er seinen Kopf in diesem Moment gegen eine Wand gehauen. Wie konnte man nur so verloren sein? „Ach komm schon, hmm?“ Sakura musste fast rennen, wie Naruto weiter stürmte. „Lernen kann auch spaßig sein.“ „Aus dem Fenster springen ebenso“, maulte Naruto zurück. Er hielt an einer Ampel, und kaum dass sie umschaltete, eilte erschon weiter. „Irgendwann wirst du das noch mal …“ Naruto stoppte mitten in seinem Satz, wie er die quietschenden Reifen hörte. Er blickte zu Sakura zurück, die gleichfalls verwirrt dreinschaute, als er schon den Wagen um die Ecke schießen sah. Direkt auf Sakura zu! Naruto dachte nicht lange nach, sondern machte einen heftigen Satz nach hinten und riss Sakura mit sich. Unsanft fielen die beiden zu Boden, und im gleichen Augenblick schon rauschte das Auto nur wenige Zentimeter an ihnen vorbei. „Dreckskerl!“, brüllte Naruto und half Sakura auf die Beine. „Scheiße, ey! Alles okay?“ Sakura nickte, doch war ihr jede Farbe aus dem Gesicht gewichen. „Wir wären fast …“ Sie biss sich auf die Lippen, doch kamen ihr schon die Tränen. Naruto nahm sie tröstend in die Arme und drückte sie fest. „Alles okay bei euch?“, fragte eine ältere Frau, die voller Entsetzen dem Wagen nachsah, der an der nächsten Kreuzung verschwand. „Soll ich einen Krankenwagen rufen?“ Naruto schüttelte den Kopf. „Was ist mit dir, Sakura?“ „Alles in Ordnung.“ Sie atmete tief durch. „Nichts passiert.“ „Wichser“, entfuhr es Naruto. „Am liebsten würde ich dem jetzt nach.“ „Hast du ihn denn erkannt?“ „Nein“, gab Naruto zu und lächelte aufmunternd. „Aber es ist immer das gleiche. Diese Idioten fahren wie die letzten Säcke überhaupt!“ „Hmm“, machte Sakura nur. Der Schrecken steckte ihr noch immer in den Knochen. Hätte Naruto sie nicht umgeworfen, hätte sie der Wagen frontal erwischt. Hatte der Fahrer sie denn nicht gesehen? Aber Naruto hatte Recht. In Tokio fuhren viele wie die Wahnsinnigen, und auf Rücksicht durfte man nicht vertrauen. „Na los, gehen wir erst mal zu mir und trinken Kaffee“, holte sie Naruto aus ihren Gedanken. „Ich kann jetzt mehr als einen vertragen.“ „Tust du das nicht immer?“, sagte Sakura und grinste wieder. Sie überquerten die Straße, und Sakura war erleichtert, dass sich kein weiterer Wagen auf sie stürzte. Es mochte albern sein, aber sie hatte ein komisches Gefühl bei der Sache. Sie seufzte nur und folgte ihrem besten Freund auf den Fußgängerweg, dann sah sie noch einmal zurück. Die alte Frau war noch immer auf der anderen Straßenseite, drehte um und ging davon. Zwei weitere Frauen waren ebenfalls stehen geblieben, doch setzten auch sie schließlich ihren Weg fort. Nur ein junger Mann blieb übrig, und fast wäre er Sakura gar nicht aufgefallen. Doch wie sie zu ihm sah, erwiderte er flüchtig ihren Blick. Ein bitteres Gefühl von Kummer überkam sie, doch dann hörte sie Naruto rufen und eilte ihm nach. Als Sasuke sich von der Fremden lösen konnte, waren etliche Sekunden vergangen. Er lockerte seinen Griff und nahm seine Hand aus der Jackentasche. Die Pistole hatte er zuvor wieder gesichert. Es war ihr Blick, der ihn aufgehalten hatte. Ihr Blick, der sein Herz erneut in Verwirrung setzte, es schlagen ließ wie das Herz eines Menschen. Nicht wie das Herz eines Killers. Sasuke fuhr sich durch die Haare, ehe er umdrehte und die Straße zurücklief. Den ganzen Vormittag über hatte er diese fremde Frau beobachtet, und als sie das Universitätsgebäude verlassen hatte, war er ihr und dem blonden Vogel gefolgt. Sein Plan war es gewesen, den beiden bis zu den belebteren Straßen zu folgen. Er wäre – genau wie er es immer tat – in die Masse der Fußgänger untergetaucht, ehe er sie erschossen hätte. Doch jemand hatte sich eingemischt, und Sasuke mochte es nicht, wenn sich andere einmischten. Er hatte den Fahrer erkannt, und er fragte sich, welches Interesse Satoshi Yamada an dem Tod der jungen Frau hegte. Er würde ihn besuchen müssen, um Antworten zu erhalten. Was sein Interesse betraf, so bestand es nach wie vor. Die Augen der Fremden erinnerten ihn an die Vergangenheit, und auch das mochte er nicht. Deshalb mussten sie sich schließen. Für immer. Aber zuerst würde er Satoshi Yamada aufsuchen müssen, um seine Neugierde zu befriedigen. Und, damit sich der Auftragsmörder nie mehr in seine Angelegenheit einmischen konnte. Kapitel 2: Im Schatten des Gartens ---------------------------------- Der Abend brach an, wie sich Sakura von Naruto verabschiedete und den Nachhauseweg antrat. „Verschlaf morgen nicht!“, rief sie ihm noch zu. Naruto stand auf seinen Balkon und winkte, als sie auf die beleuchteten Straßen Tokios trat. Es war ein ruhiges Viertel, und bis zu ihrer eigenen Wohnung waren es nur drei Kilometer, die sie an warmen Tagen gerne zu Fuß ging. Sie stöpselte sich ihre Kopfhörer in die Ohren und ließ den Mp3-Player laufen, den Naruto ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. Es war ihr erstes Weihnachten nach fünf Jahren gewesen, das sie nicht alleine verbrachte. In Naruto hatte sie einen wahren Freund gefunden. Oft dachte Sakura über die schönen Momente des letzten halben Jahres zurück. Es waren unnatürlich viele im Vergleich zu ihrem Leben davor. Und in allen spielte der blonde Chaot eine Rolle, der ihr damals wie ein Ritter mit Rüstung und Schwert erschienen war. Sein Selbstbewusstsein war unerschütterlich, seine Worte ehrlich und direkt. Er nahm nie ein Blatt vor den Mund und sagte, was er zu sagen hatte. Wie bei ihr, vor gar nicht all zu langer Zeit. Sakura hatte sich nie beschwert, keine Freunde zu haben. Es war ihre Entscheidung, mit der sie stets geglaubt hatte, auch leben zu können. Sie war von Yokohama hier her gezogen, um ihr Studium zu absolvieren, und für andere Dinge hatte sie nie Zeit gefunden. Sprach sie ein Studienkollege an, dann antwortete sie höflich. Bat sie jemand um Hilfe, dann tat sie, was sie konnte. Mehr aber auch nicht. Sakura war nie auf einer Party gewesen, seit sie in Tokio lebte. Sie hatte sich eine Wohnung abseits der Studentenwohnheime gesucht und immer allein in den Vorlesungen gesessen, oder in der Mensa beim Mittagessen. Sie erledigte ihre Hausaufgaben, und sie bestand ihre Tests. Sie sammelte Einsen, wie andere Briefmarken sammelten, und sie prahlte nie, auch wenn sie es verdient hätte. Sie blieb zu allen freundlich und lächelte, wenn jemand sie anlächelte. Mehr aber auch nicht. Während des ersten Semesters hatte niemand von Sakura Notiz genommen. Wie ein Schatten war sie in den Vorlesungen erschienen, und kaum einer erinnerte sich später, wie er durch Zufall neben ihr gearbeitet hatte. Zu Beginn des zweiten Semesters stellte die Fakultät eine Liste aus, auf der die besten Prüflinge des Vorhergehenden standen. Es war Sakuras Name, der an oberster Stelle geschrieben war, und von da an fragten sich einige, wer die junge Frau sei. Doch Sakura redete nur wenig über sich, und schon bald kamen ihre Mitstudenten zu dem Schluss, dass sie eingebildet und herablassend auf sie hinunter blickte. Sakura begegnete dem ganzen mit ihrem angeeigneten Desinteresse an anderen Menschen. Schließlich passierte es, dass ein junger Mann sein Interesse an ihr zeigte. Obwohl Sakura nur für ihr Studium lebte und auf ihr Aussehen kaum Wert legte, so war sie doch von Natur aus schön, wie es andere mit noch so viel Schminke und teurer Kleidung nie sein konnten. Sakura aber interessierte sich für den jungen Mann genauso wenig, wie für das zerreißende Gerede. Sie interessierte sich auch nicht für seinen Ruf, jede zu bekommen, oder dass er der angesagteste Student der ganzen Fakultät sei. Er machte sich an sie heran, und Sakura zeigte ihm die kalte Schulter – auf freundliche Art und Weise. Seinen Stolz aber hatte sie verletzt, und von da an blieb es nicht mehr bei den harmlosen Gerüchten, die ihre Runden machten. Stattdessen wurde Sakura öffentlich angefeindet, und nicht wenige ließen sich zu lächerlichen Schikanierungen hinreißen. Niemand wollte etwas mit ihr zu tun haben, und doch griffen sie alle an. Sakura wurde beschimpft, und nicht nur einmal waren es junge Frauen, die sie grundlos schubsten. Einmal fiel Sakura die Treppe hinunter, und hätte sie nicht jemand aufgefangen, es wäre böse geendet. Sakura lächelte immer, wenn sie daran zurückdachte. Daran, wie es Naruto war, der sie gepackt hatte, ehe sie weiter hatte fallen können. Daran, wie er sie gefragt hatte, ob alles okay wäre, und wie er die drei fremden Studentinnen zusammengestaucht hatte nach Strich und Faden. Seit jenem Tag war vieles anders geworden. Immer, wenn sich jemand an Sakura herangemacht hatte, war Naruto unerwartet aufgetaucht. Seine Blicke hatten sich in den anderen gebohrt, und meistens waren die hässlichen Zungen daraufhin verstummt. Sakura, die sich zuvor nur noch ängstlich umgesehen hatte, war Sicherheit gegeben worden von jemanden, den sie überhaupt nicht kannte. Und als sich das änderte, als Naruto und Sakura immer mehr miteinander zu tun hatten, da wurde der blonde Chaot zu Sakuras ersten echten Freund, der fortan stets für sie da war. Der es nie verpasste, sie aufzuheitern, und der meistens den Mund hielt, wenn es angebracht war. Nur war meistens nicht immerzu, und doch störte Sakura sich nicht an den Fehlern ihres neuen Freundes, wie er sich nicht an ihren störte. Sie wussten beide darum, akzeptierten sich, und konnten zueinander sein, wie sie waren. Es hatte zu regnen begonnen, und Sakura ärgerte sich, keinen Regenschirm dabei zu haben. Sie zog ein miesepetriges Gesicht und schlug die Kapuze hoch, doch ihre Haare waren längst nass geworden. Sie erreichte den Chiso Park in der nähe des Rikugien Garten und entschied sich, ein Stück unter dem schutzbietenden Blätterdach zu laufen. Sie kannte sich bestens aus, denn oft hatte sie ihre Zeit hier mit Lernen verbracht, oder war am Ende des Winters die Spazierwege entlang geschlendert und hatte sich die blühenden Aprikosen angesehen. Im April folgte die Kirschblüte, und auch die Azaleen öffneten ihre Knospen. Im Sommer setzte sich Sakura oft an den blauschimmernden Teich, der dann wie ein offenes Meer wirkte, oder ging auf den Hügel, der den Menschen wie ein Berg erscheinen konnte. Sie mochte diesen kleinen Park im Schatten des großen Rikugien Gartens, weil er ihr die schönsten Phantasien ins Gedächtnis rief, und weil er sie aus der betonierten Stadt hinaustragen konnte in die freie und unverbrauchte Natur. Sakura grinste, wie sie an Naruto denken musste. Er mochte den Garten mehr wie den Park, und im letzten Jahr, als die heiße Spätsommersonne über der Stadt brannte, hatte er sich vorgenommen, ihn gänzlich zu durchwandern. Natürlich hatte er Sakura dazu bewegen können, ihn bei seinem Vorhaben zu begleiten. Er schaffte es meistens, sie umzustimmen, auch wenn sie noch so sehr dagegen war. Der Garten bestand aus 88 Landschaften, die sich auf neun Hektar erstreckten. Naruto hatte es wieder einmal als einen Klacks dargestellt, doch war er eher aus der Puste gekommen wie sie. Ermattet war er an dem Flüsschen auf die Knie gefallen, doch zu seinem Unglück hatte er dabei eine Reiherfamilie aufgeschreckt. Frau Reiher, die das gar nicht lustig gefunden hatte, war ihm lautstark hinterher geflattert und hatte ihn in eine Wildentenschar getrieben. Naruto war es an diesem Tag nicht gut ergangen, und lange Zeit hatte er um den Rikugien Garten einen großen Bogen gemacht, und Sakura lieber in den kleinen Park begleitet, in dem die Enten und Reiher den Besuchern Wohlgesonnener waren. Für Sakura war dies, trotz Narutos blauer Flecke, zu einer schönen Erinnerung geworden, denn es hatte ihr eine Menge über den blonden Chaoten verraten, den sie damals noch nicht so gut kannte. Egal, was ihm auch passieren mochte, sein Lächeln blieb so ungetrübt wie der blaue Teich, der für den einen oder anderen ein offenes Meer geworden war. Sakura war bis auf die Haut durchnässt, als sie in den schwachen Lichtern der Laternen lief. Sie fürchtete sich nicht in der Dunkelheit, und obwohl es sonst niemanden um diese Uhrzeit in den Park trieb, empfand sie es nicht als gruselig. Sie lebte in einem friedlichen Stadtbezirk, und seit sie hier wohnte, war das Schaurigste das Verschwinden einer uralten Katze gewesen. Eine Nachbarin hatte ihr davon lang und breit erzählt, und Sakura hatte nur stillschweigend genickt und war in Gedanken die Elemente des Periodensystems durchgegangen. Das tat sie oft, wenn sie jemand in ein Gespräch zwang, in dem sie lediglich zuzuhören hatte. Manchmal zählte sie auch nur die Metalle, oder begnügte sich mit den Edelgasen. Meist kam es darauf an, wie lange man auf sie einredete. Für Klatsch und Tratsch hatte sie noch nie viel übrig gehabt. Sakura dachte gerade darüber nach, ob sie Naruto doch zu der Feier begleiten sollte, als ihr MP3-Player den Geist aufgab. Sie blieb für einen Moment stehen und wechselte rasch die Batterien, da hörte sie hinter sich ein knackendes Geräusch. Sie drehte sich jäh um, doch sah sie außer den dichten Büschen recht wenig. Die Augen zusammengekniffen, versuchte sie etwas erkennen zu können, doch schien die Dunkelheit in diesem Teil des Parks undurchdringbar. Erwartungslos schüttelte sie den Kopf, ehe sie ihre Musik anschaltete und sich von den Geräuschen der Nacht abschirmte. Außer der lauten Geigenarie eines ausländischen Orchesters konnte sie nichts mehr hören. Auch nicht den gedämpften Schuss, und das zu Boden gehen eines toten Mannes, der eben noch auf sie gezielt hatte. Als Sasuke in die Schatten der Bäume verschwand, sicherte er seine Waffe, schraubte den Schalldämpfer ab und ließ beides in seine Aktentasche verschwinden. Fast ärgerte es ihn, keinen zweiten Schuss abgegeben zu haben. Er hätte erst Satoshi Yamada, und gleich darauf die junge Frau erschießen können. Er kannte jetzt ihren Namen, und er wusste vermutlich mehr über sie als der blonde Vogel, bei dem Sakura Haruno den Nachmittag verbracht hatte. Es war eine interessante Geschichte, die ihm Yamada ausplaudert hatte. Er war sicher nicht der letzte gewesen, der ihr nach dem Leben trachten würde, sondern nur der Anfang, denn auf ihren Kopf war eine hohe Summe ausgesetzt worden. Auch Sasuke lockte das Geld. Doch der Grund, warum man sie tot sehen wollte, reizte ihn nicht. Es gab bessere Aufträge, und besseres Geld, so unterhaltsam die ganze Angelegenheit um Sakura Haruno auch klang. Sasuke hatte entschieden, sie eine Weile zu beobachten. Es machte ihn neugierig, wer ihr als nächstes das Leben nehmen sollte. Für ihn war alles nur ein Spiel, von dem die junge Frau nicht einmal wusste. Aber er wusste nun genug, und er hatte beschlossen, für eine Weile mitzuspielen. Kapitel 3: Kurz vor Mitternacht ------------------------------- Der nächste Morgen war so verregnet, dass selbst Sakura nicht aus dem Bett wollte. Doch schließlich überwand sie sich, duschte ausgiebig und machte sich auf den Weg zu Naruto, der – wie es nicht anders zu erwarten war – verschlafen hatte. Eine Stunde später fuhren sie mit dem Bus zu ihrer Fakultät. Es regnete so sehr, dass selbst auf den überfüllten Straßen Tokios kaum Passanten unterwegs waren. Die wenigen armen Seelen, die keine Wahl hatten, rannten mit Regenschirmen und Jacken von einem Unterstand zum nächsten. Naruto machte das Wetter natürlich nichts aus. Mit seiner guten Laune strahlte er den finsteren Busfahrer an, der dabei fast einen Herzinfarkt bekam, und auch als sie noch eine Straße bis zur Fakultät laufen mussten, grinste er unaufhörlich. Sakura dagegen fror und bibberte, und ständig wehten ihr die langen Haare ins Gesicht, die sie der Einfachheit wegen meistens offen ließ. Nun aber langte sie nach einem Gummi und band sich einen Pferdeschwanz, ehe sie noch die Nerven verlor. „Bist du heute wieder bei deiner Sekte?“, fragte Naruto, kaum dass sie das Gebäude betraten und ins Trockene kamen. „Hör auf dazu immer Sekte zu sagen, Naruto. Es ist eine wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft. Und ja, ich gehe heute hin. Du könntest …“ „Gott behüte!“, rief Naruto aus. „Ich schließe mich keiner Sekte an, die unter pseudomäßigen Namen ihr Tun verbirgt.“ „Du bist hoffnungslos“, jammerte Sakura. „Und du bist verloren“, konterte Naruto. „Soll ich auf dich warten?“ Sakura schüttelte den Kopf. „Nein, ich geh danach gleich nach Hause. Morgen stet ein Referat in Physik an, ich möchte mich noch …“ „Penibel genau damit auseinandersetzen, auch wenn ich es eh in und auswendig kenne“, beendete Naruto ihren Satz. „Echt mal, Saku! Du gehst mir noch vor die Hunde.“ „Und du mir durch die Prüfungen …“ „Das war nicht witzig!“, beschwerte sich Naruto sofort. Er schmiss sich auf eine der Bänke, die in der großen Halle zu Hauf standen, und wrang dabei seine Jacke aus. „Das war kein Scherz. Du musst dein Referat übernächstes Mal halten. Hast du dich schon vorbereitet?“ „Das ist erst in einer Woche! Ich habe doch keine Zeit, mir jetzt schon den Kopf zu zerbrechen. Ich würde nur alles wieder vergessen und …“ „Es ist am Freitag, Naruto.“ „Diesen???“ Als Sakura nickte, entwich dem jungen Mann die Farbe aus dem Gesicht. „Ohne Scheiß?“, hakte er nach. „In drei Tagen, so wahr ich vor dir stehe.“ „Freitag ist in drei Tagen?“ Naruto schnaufte. „Puh, Glück gehabt. Ich dachte schon übermorgen. Aber wenn ich noch einen Tag extra hab … ach, das reicht schon.“ „Ey, Uzumaki!“, rief plötzlich eine weibliche Stimme, die Sakura leicht zuordnen konnte. Es war Ino Yamanaka, die auch in diesem Augenblick auf sie zuschritt. Obwohl sie immer wie eine Barbiepuppe gekleidet war und nie ohne Make-up das Haus zu verlassen schien, mochte sie Sakura irgendwie. Sie wirkte auf andere vielleicht oberflächlich und arrogant – und wenn man es genau nahm, dann barg sie beide Eigenschaften sehr wohl in ihrem Charakter – aber im Gegensatz zu vielen anderen hatte sie Sakura nie schikaniert oder den Gerüchten ein offenes Ohr geschenkt. Seit sie mit Naruto befreundet war, nickte sie ihr sogar zu oder hob die Hand, wenn sie aufeinander trafen. Es war selten, dass sie ein paar Worte zu ihr sagte, aber dafür war sich Sakura sicher, dass sie hinter ihrem Rücken ebenso verhalten blieb. „Und Haruno“, sagte Ino, wie sie lachend vor den beiden stehen blieb. „Euch mal einzeln anzutreffen, wäre ein Ding des Unmöglichen, oder?“ Naruto grinste breit und Sakura schmunzelte zurückhalten. „Was gibt’s Ino?“, fragte Naruto neugierig. „Ich dachte, du wolltest heute nach Osaka fahren?“ „Doch nicht bei dem Wetter, da vergeht einem jede Lust aufs Shoppen.“ Ino warf ihre langen, blonden Haare zurück. „Aber in den Nachrichten haben sie gesagt, dass es morgen schon aufklaren wird. Also bin ich morgen wohl krank …“ Sie lachte leise, aber deutlich. Ino war jemand für sich. Sie tat was sie wollte, und dennoch hatte sie meistens Erfolg. Manchmal beneidete Sakura sie sogar für ihre ungezwungene Art. Wollte Ino in Osaka einkaufen, dann ließ sie sich einfach Krank melden und schwänzte die Vorlesungen. Wollte Ino eine Party im Studentenwohnheim veranstalten, und verstieß diese Party gegen sämtliche Regeln, dann flirtete Ino mit dem Verantwortlichen und erreichte, was kaum eine andere erreichen konnte. Sakura würde auf solche Gedanken niemals kommen. Vielleicht hatte Ino deswegen auch hunderte von Freunden, während Sakura nur einen besaß. Doch war es der Beste, wie sie fand. Es machte sie sogar stolz. Und nicht zu vergessen, gab Naruto ihr ein ganzes Stück Selbstbewusstsein, das sie zuvor nie besessen hatte. Die Grundlage ihrer Freundschaft war weit mehr, als Vertrauen und Akzeptanz. Die Grundlage ihrer Freundschaft beruhte auch auf Dankbarkeit. Sakura war dankbar, dass Naruto einfach nur da war. „So, und wie stets nun mit Samstag, Uzumaki? Kommst du?“ Inos Augen wanderten zu Sakura. „Was ist mit dir? Kriegt Naruto dich von deinen Büchern los?“ Sakura wusste, dass es Ino nicht böse meinte. Sie schüttelte den Kopf, doch schmunzelte sie dabei entschuldigend. „War ja klar“, seufzte Ino. „Aber na gut, dieses Mal lass ich es durchgehen. Zum Abschlussball wirst du aber aufkreuzen, kapiert?“ „Ich … ich weiß noch nicht so genau, aber …“ „Aber ich weiß es, Mademoiselle! Du wirst da sein, sonst wird Naruto den ganzen Abend ein kümmerliches Gesicht ziehen.“ Sakura blinzelte, da sie sich das kaum vorstellen konnte, doch wie sie zu ihrem besten Freund sah, der schon jetzt wie ein Trauerklos dreinblickte, nickte sie. „Okay, zum … Abschlussball komm ich.“ „Wahnsinn!“, rief Naruto unerwartet. „Ino, du hast es echt drauf! Bei mir hätte Sakura nur gesagt, sie müsse da fürs neue Semester lernen!“ Er lachte laut, wie er auch schon aufsprang. „Und das war ein mündlicher Vertrag, Saku! Den darfst du nicht zurücknehmen! Regel 14 besagt …“ „Mündliche Abkommen zwischen dir und mir sind bindend, ich weiß. Aber es ist trotzdem Regel 17 gewesen.“ Sakura lächelte, wie Naruto die Knie versagten. „Du schaffst mich“, jammerte er. „Echt jetzt, bis zum Abschlussball bin ich ein Frack …“ „Es heißt Wrack“, korrigierte Sakura automatisch, doch da rannte Naruto schon so schnell er konnte davon. Obwohl Sakura gerne zu ihrer AG ging, kamen ihr heute die zwei Stunden länger vor als sonst. Sie war nicht ganz bei der Sache, wie Professor Ajikan über ein neues Projekt sprach, dass sie mit dem kommenden Semester beginnen würden. „Nach den Ferien werden wir sofort mit dem Simplex-Algorithmus einsteigen“, sagte der Professor mit heiserer Stimme. Er sah zu Sakura, deren Blick immerzu aus dem Fenster schweifte. „Er wird unsere Grundlage für weitere Forschungen. Miss Haruno, hören sie?“ „Natürlich“, erwiderte Sakura sofort, doch hatte sie Mühe, sich dem Professor zuzudrehen. „Natürlich“, wiederholte er seufzend. Sakura gehörte wohl zu seinen Lieblingsstudenten, doch mochte er Unaufmerksamkeit von keinem, der seinen Kursen und Projekten beiwohnte. „Könnten sie mir dann bitte sagen, worüber ich gerade spreche?“ „Von einem Optimierungsverfahren der Numerik, das lineare Probleme nach zig Schritten exakt löst, oder aber die Unlösbarkeit feststellt. George Danzig stellte 1947 den Grundgedanken dazu vor, der seitdem immer wieder verbessert und schließlich zum wichtigsten Lösungsverfahren der linearen Optimierung in der Praxis wurde. Der Simplex Algorithmus läuft schneller als andere …“ „Ja, Miss Haruno, das ist … richtig, ja. Sehr gut, ähm …“ Professor Ajikan räusperte sich und ging hinüber zu seinem Pult. „Für heute machen wir Schluss. Nächste Woche gehen wir noch etwas … nun genauer darauf ein. Bringen sie ihre Unterlagen mit.“ Dann entließ er seine Studenten und ärgerte sich, Sakura Haruno ein weiteres Mal unterlegen gewesen zu sein. Es regnete noch immer, wie Sakura die Fakultät verließ. Zudem tobte ein ungemütlicher Sturm, und kaum war sie fünf Schritte gegangen, war sie schon nass. Sakura beeilte sich nach Hause zu kommen und fuhr den größten Teil des Weges mit dem Bus. Eilig lief sie in ihre Wohnung, froh, der unangenehmen Nässe entkommen zu sein, und ging als erstes unter die Dusche. Es war halb sieben, als sie mit bequemen Sachen in der Küche stand und sich eine Nudelsuppe machte. Sie wollte nicht zu viel Zeit vergeuden, denn es gab noch ein paar Punkte in ihrem Referat, die sie ändern musste. Und immerhin lief später noch eine Dokumentation über Mathematiker des letzten Jahrhunderts, die sie das letzte Mal vor vier Jahren gesehen hatte. Es war ein ausgezeichneter Film gewesen, und Sakura wollte ihn sich nicht entgehen lassen. Einer dieser Mathematiker hatte – sofern sie sich richtig erinnerte – wie Naruto und sie an der Universität Tokio studiert, und wie die beiden hatte er Mathematik als Hauptfach und Physik als Nebenfach belegt. Sakura fand diesen Herrn ganz besonders interessant, hatte er großes in der Forschung geleistet und war weit herum gekommen. Auch Sakura hoffte, einmal Japan verlassen zu können. Doch im Gegensatz zu Dr. Nasaki, dem gefeierten Mathematiker, wollte sie nie mehr zurückkehren … Die Sendung lief gerade aus, und gerade so schaffte es Sakura, den Fernseher auszuschalten. Sie war hundemüde, doch hatte sich die Dokumentation gelohnt. Ebenso war sie mit ihrem Referat nun vollstens zufrieden, und sie freute sich auf ihre warme Decke und dem leisen Klopfen der Regentropfen. Es war ihr immer am gemütlichsten, wenn sie in ihrem Bett liegen konnte, derweil es draußen stürmte und gewitterte. Sakura schlüpfte schlaftrunken in ihre Nachtsachen und wollte gerade in ihr Schlafzimmer gehen, als es unerwartet klopfte. Erst überlegte sie, ob sie es sich nur eingebildete hatte, oder ob es der starke Regen war, doch dann klopfte es ein weiteres Mal. Automatisch sah Sakura zur Uhr, die ihr sagte, dass es kurz vor Mitternacht war, und sie fragte sich, wer sie so spät noch besuchen mochte. Eigentlich fiel ihr nur Naruto ein … „Ich komme ja“, rief sie gähnend und zog sich wenigstens eine Jacke über. Was in aller Welt veranlasste Naruto, sie so spät noch aufzusuchen? Er hätte doch wenigstens vorher anrufen können! Sakura seufzte nur und lief um die Couch, als es wieder einmal klopfte, und im gleichen Moment auch ihr Telefon zu klingeln begann. „Eine Sekunde, Naruto!“, rief sie und griff nach dem Hörer. „Ja?“, meldete sie sich, vollkommen verwundert über diese nächtliche Störerei. Zuerst kam nichts, wie Sakura darauf wartete, dass ihr jemand antwortete. Wieder klopfte es an der Tür, diesmal lauter als zuvor, und sie wollte schon auflegen, um zu öffnen. „Mach nicht auf“, sagte plötzlich jemand am anderen Ende, und Sakura hätte vor Schrecken fast den Hörer fallen lassen. Noch nie hatte sie eine so düstere Stimme gehört! „Was?“, entfuhr es ihr, doch hämmerte es nun und sie zuckte zusammen. Wollte Naruto die Tür zerbersten? „Wer ist da?“, fragte sie den Fremden am Telefon. „Mach nicht auf, verstanden?“ Dann klickte es und die Verbindung wurde unterbrochen. Sakura blinzelte verwirrt, doch als es immerzu an ihrer Tür schellte, spürte sie, wie die Angst in ihr wuchs. „Naruto?“, fragte sie leise, und langsam bewegte sie sich in den Flur. „Naruto, bist du es?“ Plötzlich hörte das Pochen auf, und Sakura erstarrte voller Anspannung. Sie erwartete, dass ihr bester Freund in lautstarkes Lachen ausbrechen würde, weil er ihr einen Streich gespielt hatte, doch nichts dergleichen geschah. Es blieb totenstill, und Sakura konnte nur ihren eigenen, stockenden Atem hören, und den unregelmäßigen Herzschlag in ihrer Brust. Etliche Sekunden schien nichts zu geschehen, bis Sakura auf einmal etwas Rascheln hörte. Wie Eisen oder Messing, das aufeinander prallte. Wie ein Schlüssel, der ein Schloss zu öffnen versuchte … Sakura war wie gelähmt, doch als sie sich bewusst wurde, dass sich jemand gewaltsam zutritt zu ihrer Wohnung verschaffen wollte, machte sie auf dem Absatz kehrt und rannte ins Wohnzimmer. Sie hatte nur noch einen Gedanken. Sie musste die Polizei anrufen, und sie musste hoffen, dass der Einbrecher das Schloss nicht so schnell knacken konnte. Doch als Sakura das Telefon erreichte, da hörte sie wie die Tür auf glitt. Kapitel 4: Null zu Sechzehn --------------------------- Sakuras Puls raste, und ihr Herz schlug so heftig, dass sie glaubte, es würde aus ihrer Brust brechen. Sie klammerte sich mit der rechten Hand an der Sessellehne fest, während sie in zittriger Erwartung auf den Unbekannten lauerte, der sich soeben gewaltsam Zutritt zu ihrer Wohnung verschafft hatte. Sie blickte zur Tür, die in den Flur führte, und in der er jeden Moment auftauchen musste. Sie glaubte, dass es die längsten Sekunden ihres Lebens waren, und trotz der grausamen Furcht, die ihren Körper beben ließ, spürte sie noch einen Funken Hoffnung. Wer hatte sie eben am Telefon gewarnt? Sakura hielt die Luft an, als sie Schritte hörte. Schwere, bleierne Schritte, die den Gang entlang kamen, der ins Wohnzimmer führte. Ihre Gedanken waren nicht mehr klar, und ihre Gefühle überschlugen sich. Angst und Panik, aber auch Neugierde und Unglauben. Was geschah hier? Sakura krallte sich in den Stoff der Lehne, als die Tür bewegt wurde. Langsam schwang sie auf, und sie erwartete, vor Anspannung jeden Augenblick bewusstlos zu werden. Es war ihr wie ein unerträglicher Druck, der sich in ihrem Kopf breitmachte und auch ihren Körper einnahm. Die Anstrengung, sich auf den Beinen zu halten; nicht hysterisch die Flucht zu ergreifen, war enorm. Doch wohin hätte sie fliehen können? Und warum musste sie fliehen? Doch als sie in das Gesicht des Mannes blickte, der durch die Tür trat und stehen blieb, war sie sich in einem sicher. Sie hätte versuchen müssen zu fliehen, aber geschafft hätte sie es dennoch nicht. „Sakura … Haruno“, sagte der Fremde, der bald drei Köpfe größer als sie sein mochte. Sein fahles Gesicht erinnerte sie unwillkürlich an einen Geist, und genauso geisterhaft kam ihr diese bizarre Situation vor. „Wer sind sie?“, japste Sakura. Ihre Handknöchel waren weiß, so sehr griff sie nach der Lehne. „Was wollen sie? Ich … ich hab kein Geld!“ Sie hoffte, nicht so jämmerlich zu klingen, wie sie sich fühlte. Sie wollte nicht den Anschein erwecken, ein verängstigtes Häschen zu sein, das zu erlegen ein Kinderspiel war. Doch so sehr sie es nicht sein wollte – Sakura war in diesem Moment nichts anderes mehr. „Du bist Sakura Haruno?“, fragte der Fremde und schloss hinter sich die Wohnzimmertür. „Beantwortete nur meine Fragen, Miss, und ich verspreche dir, dass es nicht lange dauern wird.“ „Was … was soll dauern?“ Sakura schluckte und trat einen Schritt zurück. Sie musste sich weiterhin festhalten, doch ihre Augen huschen flüchtig zum Fenster. Sie konnte springen, sollte sie es erreichen. Doch aus dem dritten Stock? Sie würde es ebenso wenig überleben, wie diesen Mann … „Ich wiederhole mich nur ungern. Bist du Sakura Haruno?“ „Ich …“ Sakura überlegte angestrengt, welche Möglichkeiten sie noch besaß. Welche Chance, welche Alternative, dem Ganzen hier zu entkommen. Doch es gab keine. Sie nickte, wie sie verbissen auf den Lippen kaute. Die Angst übermannte sie beinah, und sie hoffte, dass trotz allem noch ein Wunder geschehen würde. Nur gab es in ihrer Welt keine Wunder. Die hatte es noch nie gegeben. Weder damals, noch heute. „Das triffst sich“, sagte der Fremde nun und lächelte. „Dann habe ich ja gefunden, wonach ich gesucht habe.“ „Warum?“, wisperte Sakura. „Warum sucht man mich? Wer will etwas von mir?“ Sakura erschauderte unter ihren eigenen Worten. „Ist es mein Vater? Hat er sie geschickt?“ Der Fremde lachte amüsiert über das zitternde Mädchen. „Tut mir Leid, Miss. Ich führe nur meinen Auftrag aus, das ist alles. Ich bin nicht wegen einer Unterhaltung hier.“ Er griff in seine Tasche, und als Sakura das silberne Messer aufklappen sah, fuhr sie zurück und stürzte rücklings zu Boden. Mit geweiteten Augen folgten sie seinen ruhigen Bewegungen, bis er über ihr stand und sich zu ihr nieder kniete. Er senkte das Messer, während er mit der anderen Hand über ihre Wange strich. „Es geht ganz schnell“, sagte er. „Du brauchst keine Angst haben.“ „Ich hab kein Geld“, wimmerte Sakura verzweifelt. „Ich hab wirklich keins!“ Sie verharrte regungslos, denn kein Muskel wollte ihr mehr gehorchen. „Ich bekomme genug Geld für dich, Liebes. Das Problem ist mehr dein hübscher Kopf, hm? Der ist zu schlau gewesen.“ „Was? Aber was hab ich denn …“ „Psst“, beruhigte sie der Mann und glitt mit seinen Fingern über ihren Mund. „Sei jetzt artig. Du wirst kaum etwas merken, versprochen.“ „Bitte nicht“, weinte Sakura. „Bitte, ich … ich will nicht …“ „Tut mir leid“, sagte er jedoch, und wie er die Hand hob, schrie Sakura panisch auf. Sie wollte sich wegdrehen und flüchten, doch griff er zu und hielt sie fest, ehe er das Messer an ihre Kehle setzte. „Das war's, junge Miss“, sagte er grinsend, doch als Sakura die Schmerzen erwartete, spürte sie nur, wie der Fremde auf sie nieder sackte. Atemlos sah sie nach links, und sie blickte direkt in die aufgerissenen Augen des Mannes, der sie eben hatte töten wollen. In die aufgerissen Augen, die soeben gestorben waren … Sakura wusste nicht, was sie denken sollte. Sie wusste auch nicht, wie sie mit den niederstreckenden Gefühlen umgehen sollte; mit ihrer Angst und der Versteinerung. Sie wollte die Leichte von sich schubsen, sie wollte schreien und davon laufen – doch einzig zittern tat ihr Körper in diesem Alptraum, in diesem grotesken Wahnsinn eines Augenblicks, den sie weder verstehen, noch erfassen konnte. Es kam ihr vor, als würden Stunden vergangen sein, bis jemand die Leiche von ihr stieß. Dennoch blieb Sakura bewegungslos und verharrte auf dem Boden, wie eine Statue ohne Leben. „Steh endlich auf“, hörte sie jemanden barsch sagen. Es war derselbe, wie am Telefon. „Wir müssen von hier weg, bevor der nächste kommt.“ „Der nächste?“ Sakuras Stimme bebte noch mehr, als es ihre Glieder taten. „Wie viel gibst du mir?“, fragte der andere Fremde unerwartet nah. Sakura blickte zur Seite, als sie das Gesicht eines jungen Mannes sah, so schön, wie sie schon lange keines mehr gesehen hatte. Außer ein einziges Mal, denn es war dasselbe Gesicht. Dieselben Augen, die ihr Herz Kummer fühlen ließen. „Du?“ Sie biss sich auf die Lippen und versuchte dabei, das Schluchzen in ihrer Kehle zu unterdrücken. „Ich hab dich gesehen. Auf der Straße …“ „Tatsache“, sagte er trocken. „Sag mir, wie viel du mir gibst, wenn ich dir deinen Arsch rette.“ Sakura schüttelte den Kopf, und langsam verschwand das dumpfe Gefühl, das ihren Körper lähmte. „Ich hab kein Geld“, sagte sie rau. „Ich …“ „Ich will aber Geld“, erwiderte der junge Mann. „Meine Hilfe kostet. Und du lügst. Ich weiß, dass du Geld hast!“ Sakura sah ungläubig in sein schönes Gesicht, das voller Kälte zurückblickte. Sie schluckte die erschütternde Angst hinunter, die er ihr machte, schloss sie die Augen und atmete tief durch. „Wer bist du?“, wollte sie wissen, doch war sie dabei so leise, dass er sie kaum verstehen konnte. „Warum sagst du, dass ich … dass ich lüge?“ Der junge Mann grinste, aber Sakura musste dabei eher an ein zähnefletschendes Raubtier denken. „Ich bin Sasuke“, sagte er schlicht. „Und du bist Sakura Haruno. Ich weiß sehr viel über dich, und deshalb weiß ich, dass du lügst.“ „Ich …“ Sakura atmete abermals tief ein, und als sie weiter sprach, klang sie schon etwas fester. „Ich habe nichts, wirklich! Ich kann dich nicht … bezahlen, und … du redest Unsinn, du kannst gar nichts … wissen.“ „Du verwechselst mich“, erwiderte Sasuke und setzte sich Sakura gegenüber auf den Boden. „Mit dem blonden Vogel. Er weiß nichts über dich, stimmts?“ „Naruto?“, entfuhr es Sakura fassungslos. „Was ist mit ihm?“ „Nichts, nichts“, grinste Sasuke. „Bis jetzt nichts …“ „Hör auf!“, rief Sakura. „Ich hab dir gesagt, ich habe kein Geld! Und ich will deine Hilfe nicht!“ Er ist genauso ein Mörder, wie der andere, schoss es ihr durch den Kopf. War sie zwischen die Fronten geraten? Sie hatte nichts getan! Er war ein Killer, aber warum bot er ihr seine Hilfe an? Für Geld? Es gab doch kein Geld! „Er ist im Treppenhaus“, sagte Sasuke auf einmal und lachte leise. Er nickte zu der Leiche, die neben ihnen lag „Sein Partner, verstehst du? Hör auf mich anzulügen, und sag, dass du mich bezahlst, Sakura Haruno. Ich kann dir dein Leben retten, oder es hier und jetzt beenden lassen.“ Sakura sah den jungen Mann voller Entsetzen an. „Du …“ Sie weinte, wie sie in seine kalten Augen blickte. „Du bist ein verdammter Dreckskerl!“ „Entscheide dich.“ Sasuke stand auf, als jemand ins Zimmer trat. Er hob die Hände und ging ein paar Schritte rückwärts, ohne mit dem Grinsen aufzuhören. „Hallo Kobayashi“, begrüßte er den schmächtigen Mann, der eine umso größere Pistole in der Hand hielt. „Ich wollte mich nicht einmischen, verzeih mir.“ Sasuke trat weitere Schritte zurück und deutete auf Sakura. „Beachte mich einfach gar nicht.“ „Uchiha!“, zischte Kobayashi, als sich Sakura panisch zu ihm umdrehte. Noch immer versagten ihr ihre Beine den Dienst, und sie schaffte es nicht einmal, sich irgendwie hinter den Tisch zu ziehen. Sie hockte nur auf dem Boden, und die Waffe des Mannes richtete sich in gerader Linie auf sie. „Hast du Sato getötet?“, knurrte er, doch war sich Sakura sicher, dass er damit Sasuke ansprach. „Ja, entschuldige. Ich hatte noch etwas mit ihm zu klären. Mochtest ihn wohl?“ „Nein“, sagte Kobayashi eisig. „Und was tust du dann hier? Uns wurde das Mädchen zugeteilt. Sato ist tot, also ist ihr Kopf meiner!“ „Hab nichts dagegen“, sagte Sasuke im gleichgültigen Ton. Er lächelte allerdings, wie er zu Sakura sah. Es war eindeutig, worauf er wartete: Sie musste ihm nur sagen, dass sie ihn bezahlen würde. „Ich hab nichts“; war jedoch das einzige, was sie über die Lippen brachte. Sie erwiderte seinen kalten Blick, und obwohl er so boshaft auf ihr lag, hielt sie ihm stand, wie die Felsen dem tobenden Meer standhielten. „Dann wirst du sterben“, sagte Sasuke, ohne den anderen Mann zu beachten, der misstrauisch zwischen den Beiden hin und her sah. „Das kann ich dir versprechen.“ „Was quatscht ihr da?“, wollte Kobayashi wissen, und argwöhnisch machte er einen Schritt auf Sakura zu. „Hey, Mädchen, mach das du hoch kommst!“, rief er, doch ließ er Sasuke nicht aus den Augenwinkeln. Er traute dem Kerl nicht, denn kein Mensch dieser Welt konnte ihm trauen. Vermutlich würde er sogar seine Mutter verraten, wenn es um Geld ging. „Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?“ Er bleckte seine Zähne, doch schien es, als würde Sakura ihm keine Beachtung schenken. „Los, steh auf, Miststück!“ Er trat gegen das am Boden kniende Mädchen, aber außer aufzukeuchen, tat sie nichts. „Ich kann nicht“, wimmerte Sakura. Sie stützte sich mehr auf ihre Arme, doch selbst sie konnten ihr Gewicht kaum halten. „Bist du taub, oder was?“, knurrte Kobayashi. „Ich sagte, steh auf!“ „Aber ich kann nicht!“, schrie sie weinend. „Ich kann einfach nicht, okay?“ Sakura log nicht, denn wie ihre Kraft sie verlassen hatte, verließen sie auch ihre Nerven. Sie hatte nichts getan, warum also? Aber sie würde sterben, so oder so. Ob sie tat, was der Killer ihr sagte, oder nicht. Sie würde sterben … „Sie kann nicht“, sagte der schmächtige Mann und lachte. „Gehört, Uchiha? Die Kleine kann nicht!“ Er schüttelte den Kopf und lachte immer weiter. „Ja, ich hab es gehört“, sagte Sasuke, und auch er grinste. Doch war sein Lächeln nicht amüsiert, sondern eisig. Er lehnte gegen das Fenster und blickte voller Verachtung auf das klägliche Mädchen. Er hasste Schwäche. „Dann sollte ich dir wohl helfen?“, fragte Kobayashi und ging neben ihr in die Hocke. Er entsicherte seine Pistole und hielt sie ihr an den Kopf. „Pass auf, wenn du jetzt aufstehst“, sagte er und grinste hämisch. „Dann darfst du wegrennen, klar? Du hast dafür fünf Sekunden. Danach drücke ich ab, und du musst dir keine Gedanken mehr machen.“ Er wuselte Sakura einfach durch die Haare, wie sie ihn unter den vielen Tränen erschüttert ansah. „Komm Mädchen, dass ist doch fair, oder? Besser, als würden wir um dein Leben pokern. Dabei pokere ich gerne. Ich meine, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit eine Straße zu bekommen, wenn dir nach dem Flop eine Karte in der Mitte fehlt? Echt niedrig, oder? Aber sieh mal, deine Chance hier …“ „Sechzehn“, sagte Sakura unerwartet, und so heiser, dass sie es kaum aussprechen konnte. Sie sah den Mann dabei an und weinte immer weiter. „Wie? Was quatscht du da?“ „Sechzehn“, wiederholte sie nur. „Etwas mehr … sogar. Ich … die Wahrscheinlichkeit die nötige Karte zu bekommen, liegt bei sechzehn Prozent und …“ „Ey Mädchen, krieg dich ein und red keine Scheiße.“ Kobayashi schüttelte ungläubig den Kopf. „Drehst wohl durch, oder was?“ „Ich wollte nur sagen, dass … die Wahrscheinlichkeit höher ist, bei dieser Straße zu gewinnen, als dass ich … weglaufen kann.“ Sakura biss sich wieder auf die Lippen, und sie hoffte nur noch, einfach ohnmächtig zu werden. „Sie erschießen mich doch sowieso, weil sie lügen. Also … ist die Wahrscheinlichkeit nur wenig über Null, dass ich überlebe. Pokern wäre … besser …“ Sakura schüttelte sich und musste kurz die Augen schließen, wie ihr schwarz wurde. Sie hatte nichts mehr zu verlieren, sagte sie sich. Sie würde sterben, wie Sasuke Uchiha es ihr versprochen hatte. „Niedlich, ja … ganz niedlich, was du da sagst. Schlaues Mädchen bist du, aber ich bin kein Lügner. Ich zähle bis fünf.“ Er grinste breit und legte Sakura die Waffe an die Schläfe. „Eins“, sagte er lachend, wie sie vor Angst zusammenzuckte. „Zwei … Lauf lieber los … Drei …“ Sakura öffnete ihre Augen, durch die sie kaum mehr sehen konnte. Und dann, ohne dass es jemand vermutet hätte, spuckte sie dem Killer ins Gesicht. „Wichser!“, flüsterte sie mit der letzten Kraft, die sie in ihre Stimme legen konnte. Sie rechnete, gleich darauf den Schuss zu hören, doch stattdessen fühlte sie den ohrenbetäubenden Schlag, den ihr Kobayashi verpasste. „Mistiges Biest!“, fluchte er, stand ruckartig auf und trat ihr mit Wucht in den Magen, ehe er sich über die Stirn fuhr. „Vier, Mädchen“, zischte er und zielte erneut auf Sakura. „Fünf“, sagte Sasuke, und drückte ab. Kapitel 5: Hilfe kostet ----------------------- Sakura kauerte auf dem Boden und atmete unregelmäßig. Der Schuss hallte noch immer in ihren Ohren, ebenso wie Sasuke Uchihas dunkle Stimme. „Du bist gut in Wahrscheinlichkeitsrechnung“, hörte sie ihn sagen. „Etwas mehr über Null …“ Er lachte leise und kniete sich zu ihr hinunter. Erst dachte Sakura, er würde sie jetzt selbst erschießen wollen, doch fasste er stattdessen unter ihre Knie und hob sie leichthändig hoch. „Warum etwas mehr?“, fragte er mit einem warnenden Unterton, damit Sakura sich ihre Antwort gut überlegte. „Wegen dir“, sagte sie zittrig, und doch brachte sie ein Schmunzeln zustande. Sie griff nach Sasukes Shirt, als wäre er plötzlich nicht mehr der furchterregende Killer, und wie sie sich an ihm festkrallte und bitterlich zu weinen begann, zuckte er zusammen und ließ sie beinah fallen. Aber nur beinah … „Hör auf zu flennen“, fuhr er sie an. „Ich schmeiß dich sonst aus dem Fenster, verstanden?“ Sakura nickte, doch statt ihm zu gehorchen, weinte sie auch noch, als er mit ihr über die beiden Leichen stieg, und sie lautlos die Treppen hinunter trug. Erst, als sie die weichen Polster in seinem Wagen unter sich spüren konnte, versiegten die Tränen. Sie wischte sich über die Augen und sah Sasuke nach, der um das Auto zur Fahrerseite lief und dabei ein Handy hervorholte. Ehe er einstieg und losfuhr, wechselte er mit jemanden rasche Worte, doch Sakura konnte nichts verstehen. „Wirst du mich jetzt töten?“, fragte sie, und obwohl sie nicht mehr weinte, hörte das Schluchzen nicht auf. „Erst mal nicht“, gab Sasuke grob zurück, doch nickte Sakura, als hätte sie diese Antwort erwartet. „Ich habe noch immer kein Geld.“ Sasuke bog an einer Kreuzung links ab, und kaum dass sie eine Landstraße aus der Stadt heraus erreichten, beschleunigte er auf 90 Meilen. „Dreh mir keine unnötigen Gespräche auf“, brummte er nur. „Aber ich habe selbst dann noch kein Geld.“ „Halt jetzt deinen Mund, kapiert?“ Sakura nickte, sah kurz aus dem Fenster und wieder zurück zu Sasuke, der verbissen nach vorne blickte. „Ist jetzt vorbei?“ Sakura hielt Sasukes tödlichen Blick stand, wie er sie vernichtend ansah. „Dann sag mir wenigstens, warum das eben passiert ist.“ „Ich muss dir einen Scheißdreck sagen.“ „Warum hast du mir geholfen, wenn ich doch kein Geld habe?“ Sakura ließ nicht locker. Noch immer steckte der Schock tief in den Knochen, doch war sie realistisch genug um zu wissen, dass es ihr Weinen nichts brachte. „Du bist eine gottverdammte Lügnerin! Ich weiß, dass du Kohle hast“, brauste Sasuke gegen sein sonstiges Verhaltensmuster auf. Sakura musste sich erneut über die Augen wischen, doch dachte sie nicht daran, Kleinbei zu geben. „Und du en gottverdammter Idiot, wenn du das glaubst.“ Sasuke verengte die Augen, kaum dass sie das gesagt hatte. Er beschleunigte, und Sakura wurde fast schlecht, wie sie zum Tacho sah. „Du willst verrecken, oder?“, fauchte er wutentbrannt. „Nicht so sehr, wie du es anscheinend willst“, hauchte Sakura furchtsam und schnallte sich hastig an. Wieder schluchzte sie auf, und doch hielt sie diesmal die Tränen zurück. „Fahr bitte langsamer, Sasuke.“ „Warum sollte ich?“ Er drückte noch mehr aufs Gas. „Sag mir die Wahrheit, sonst war's das. Der beschissene Schnallgurt wird dir gegen die ganzen Wichser nicht helfen.“ Sakura schloss die Augen, wie ihr übel wurde. Sie hörte das Rauschen des rasenden Wagens, und sie glaubte auch zu hören, wie jeder Baum an ihnen vorbeidonnerte. „Auf meinem Studentenkonto …“, sagte Sakura leise. „Hab ich noch 72593 Yen, und auf meinem anderen Konto noch 5147 Yen. Ich hab keinen einzigen Yen mehr, Sasuke. Ich schwöre es!“ „Das kannst du mir nicht weiß machen!“ „Verdammt“, rief Sakura plötzlich. „ICH HABE KEIN GELD!“, schrie sie einfach. „Ich habe gar nichts! Ich habe nur Naruto, und ein Studium, und eine Wohnung. Und bis vor kurzen hatte ich auch noch ein Leben. Aber ich habe keine Ahnung, was da vorhin passiert ist! Und ich habe keine Ahnung, was du von mir willst!“ „Du hast eine Vergangenheit“, sagte Sasuke unerwartet, doch blickte er das Mädchen diesmal nicht an. Er wusste auch so, dass sie ihn entsetzt ansah. „Was sagst du da?“, wisperte sie. „Du …“ „Ich habe dir doch gesagt, dass ich weiß, wer du bist!“, knurrte Sasuke, doch aus einem unbestimmten Grund war er diesmal ruhiger. „Lass mich raus“, flüsterte Sakura. „Halt an … HALT AN!“, brüllte sie, und währe Sasuke nicht gleichzeitig auf die Bremse gegangen, hätte Sakura vermutlich die Tür geöffnet, als wolle sie hinausspringen. Schlitternd kam der Wagen zum Stehen, und noch im selben Moment hetzte Sakura hinaus und lief so schnell sie ihre Beine tragen konnten in die andere Richtung. „Verschwinde!“, schrie sie Sasuke an, wie er neben ihr auftauchte und ihren Arm ergriff. „Lass mich los und verschwinde!“ „Du hast doch gelogen!“, rief er ebenso laut und wütend. „Hab ich nicht!“ Sakura zerrte an ihrer Hand, doch brachte es nichts. „Ich habe Kyoto vor Jahren verlassen! Ich habe in Yokohama gelebt, und ich habe auch Yokohama verlassen!“ Sie wurde immer lauter, um gegen den Sturm anzukommen, genau wie gegen den unsanften Regen, der auf sie nieder prasselte. „Das soll ich dir abkaufen?“ „Ja, verdammt!“, schrie Sakura. „Weil es die Wahrheit ist! Die gottverdammte Wahrheit, Sasuke Uchiha!“ In Sakuras Augen lag nur noch Verzweiflung. Es war die gleiche, die sie damals aus ihrer Heimat vertrieben hatte, weg von der geliebten Mutter, und dem verhassten Vater. „Hältst du mich für einen Narren?“ Sasuke schüttelte zornig den Kopf. Wieder musste er mit sich kämpfen, dieses Mädchen nicht einfach zu erledigen, oder sie hier auf der Straße stehen zu lassen. Es würde nicht lange dauern, bis der nächste Killer käme. Er brauchte sich nicht mit unnötigen Problemen beladen. Sie ging ihn nichts an, genauso wenig wie die Scheiße, in die sie sich gebracht hatte. Es waren nur ihre Augen gewesen, die ihn so eigenartig hatten handeln lassen. Aber ihre Augen waren ihre Auge – nicht die Augen, an den sie ihn lediglich erinnerte. Er hätte sie dafür töten wollen, damit auch dieser Teil seiner Vergangenheit ruhen konnte, doch selbst das brachte er nicht fertig. War er ein Schwächling? War er wie dieses jämmerliche Mädchen? „Ein Narr?“, hörte er sie gegen den Wind weinen, und wieder rührte sich etwas in ihm, dass er verabscheute. „Ich bin ein Narr, weil ich geglaubt habe, dass es in Tokio aufhört!“ Er ließ Sakura los, wie sie zu Boden sackte und auf die Knie fiel. „Verdammt!“, schrie sie wieder und schlug mit der Faust auf die Straße, als wäre sie ihr Feind. „Du bist nur ein Idiot.“ Sakuras Stimme war so heiser geworden, dass sie keine Energie mehr zum Schreien hatte. Sie kniff die Augen zusammen, und mit wackligen Beinen stand sie schließlich auf, als hätte sie sich wieder beruhigt. Doch es war die Erschöpfung, der sie kaum mehr standhalten konnte. „Ich lüge nicht“, wisperte sie mit letzter Kraft. „Kein Geld“, sagte Sasuke, und seine Worte schlugen auf Sakura ein wie ein Gewitter, das sie erwartete. „Keine Hilfe.“ Sakura nickte, fuhr sich über das nasse Gesicht und ging mit schwachen Beinen an ihm vorbei. Sie hörte, wie er seine Waffe zog und entsicherte, und sie wusste, dass er auf sie zielte. „Tu’s doch“, sagte sie und drehte sich ein letztes Mal um. Sie blickte ihm in seine dunklen Augen, deren Kälte sie erzittern ließ, und sie blickte tiefer und schüttelte den Kopf, bei all dem Kummer, den sie empfand. Sie setzte ihren Weg fort, und jeden Augenblick rechnete sie damit, den Schuss zu hören. Doch stattdessen hörte sie, wie Sasuke in seinen Wagen stieg und davon fuhr. Es wäre ihr lieber gewesen, er hätte sie erschossen. Nun würde es bald schon ein anderer tun … Sakura lief lange Zeit durch die Dunkelheit der unbeleuchteten Landstraße. Irgendwann tauchte ein Laster auf, der sie mitnahm und in die Stadt zurückbrachte. Sie suchte sich ein Taxi und ließ sich zu ihrer Wohnung fahren. Sakura war nicht überrascht, als ihre Wohnungstür repariert, und die Leichen fortgeschafft waren. Das also hatte Sasuke Uchiha bei seinem Telefonat erreicht. Die toten Körper der Männer waren verschwunden, und kaum jemand würde sich an sie erinnern. Sakura schon. Sie würde die beiden nicht so schnell vergessen können … Es dämmerte fast, als Sakura aus der Dusche kam. Sie fühlte sich elendig und war besorgt, ihr Referat heute zu vermasseln. Sie rief die Universitätsleitung an und meldete sich krank. Naruto würde aufatmen können, denn dadurch verschob sich auch seines auf nächste Woche. Doch sollte sie ihm erzählen, was passiert war? „Tut mir leid, Naruto“, sagte sie, wie er nach ihrer kuren SMS sofort anrief, als brenne ganz Tokio. „Ich bin krank geworden. Der dumme Regen …“ Sakura log, damit Naruto sich keine Gedanken machen musste. Zuerst musste sie selbst verstehen, was das alles zu bedeuten hatte. Sie musste hoffen, die nächsten Stunden zu überleben. Sakura ging auch nicht zur Polizei. Sasuke hatte von ihrer Vergangenheit gesprochen, und die Polizei würde es ebenfalls tun. Vermutlich würden Reporter auftauchen und eine fesselnde Story wittern. Sakura wollte keine Hilfe, doch sterben wollte sie auch nicht. Sie wollte nur wissen, was geschehen war. Warum jemand Geld auf ihren Kopf ausgesetzt hatte. Sie wollte die Wahrheit hören, die sie nicht kannte. Aber dafür kannte Sakura einen Mann, und nachdem sie etwas in ihrer abgeriegelten Wohnung geschlafen hatte, rief sie ihn an. Er war unfreundlich, wie sie sich meldete, und er legte auf, wie sie ihren Namen nannte. Eine Stunde später stand er wie erwartet vor ihrer Tür … Kapitel 6: Die dritte Regel der Freundschaft -------------------------------------------- Hey! Zuerst einmal vielen lieben Dank für eure Kommentare! Bin gerührt und begeistert, aber das bin ich bei euch ja eigentlich immer^^ Entschuldigt, dass ich mit den ENSen vershicken nciht nachkomme, hatten mich ja einige drum gebeten. Ich lade die Kapitel momentan recht schnell hoch, sollte es aber einmal länger dauern, schick ich ne Nachricht rum, wer sie möchte. Zur Zeit siehts noch gut aus, dass keine Wartezeit entsteht, hab noch ein Kapitel vor geschrieben und arbeite jetzt am nächsten. Es geht recht schnell, auch wenn dadurch wieder Mal andere FF's auf der Strecke bleiben :-( Gomen!! Liebe Grüße, Route66 _________________________________________ „Was soll das heißen, du kannst mir nicht helfen?“ Sakura musste mit beiden Händen nach ihrem Teeglas greifen, damit sie nichts verschüttete. „Du hast gesagt, ich kann dich immer anrufen, wenn …“ „Das ist zu heiß, Sakura“, sagte der andere, ein junger Mann Ende Zwanzig. Sein Name war Kaito, zumindest nannte ihn jeder so. Es mochte nicht sein richtiger Name sein, aber den kannten nur die wenigstens. „Und außerdem hab ich keine Ahnung.“ „Das kauf ich dir nicht ab!“ Sakura stand unruhig auf und lief um die Couch herum bis zu ihrem Fenster. Sie zog die Gardine davor und späte nur durch einen Schlitz auf die befahrene Straße. „Hat mein Vater was damit zu tun? Ist er es, der mich tot sehen will?“ „Nein“, seufzte Kaito und erhob sich ebenfalls. „Gut, pass auf …“ Er schloss die Augen und zwickte sich in die Nasenwurzel, als hätte er Kopfschmerzen. „Ich habe etwas gehört, aber ob es stimmt …“ „Sag schon!“ „Es ging um Drogen, glaub ich …“ „Drogen? Was hab ich mit Drogen zu tun? Ist es doch von meinem Vater?“ „Nein, nein … Man, Sakura, ich hab doch auch keinen Schimmer!“ Kaito stellte sich zu der jungen Frau und nahm ihre Hand. „Ich kann … telefonieren, okay? Ich werde sehen, ob ich irgendetwas raus finden kann, aber … das war's dann auch, klar? Ich steck meinen Kopf nicht mit deinem in die Schlinge. Ich muss auch an Hinata denken. Sie weiß von all dem Nichts, und das soll auch so bleiben.“ „Hinata …“ Sakura lächelte schwach. „Du hast eine Freundin?“ Kaito nickte. „Sie ist … Wahnsinn, Sakura.“ Er grinste leicht und verwuschelte Sakuras Haare. „Und fast so schlau wie du. Aber sie weiß nichts von meiner Vergangenheit, und ich wünschte, sie manchmal selbst nicht zu kennen.“ „Na vielen dank“, tat Sakura empört. „Dich würde ich natürlich nicht vergessen. Du warst das einzig Gute damals. Es war richtig, dass wir Kyoto verlassen, es war … notwendig.“ Kaito schüttelte sich unwillkürlich, dann wandte er sich um und ließ Sakura stehen. „Ich melde mich bei dir, wenn ich etwas weiß. Das bin ich dir schuldig, aber danach …“ „Wir hätten uns nicht die gleiche Stadt zum Vergessen suchen dürfen“, sagte Sakura traurig. Kaito nickte. „Tokio kann wie ein kleines Dorf sein. Ich mag dich Sakura, das weiß du. Aber … mein jetziges Leben mag ich auch, und Hinata. Ich werde sie fragen, ob sie mit mir nach Sapporo zieht.“ „Sapporo ist weit weg. Eine schöne Stadt. Du wirst mir wohl keine Ansichtskarte schicken?“ „Nein“, sagte Kaito und lachte leise. „Diesen einen Gefallen, und danach sehen wir uns nie wieder. So ist es für uns alle das Beste.“ „Danke“, sagte Sakura. Sie wandte sich wieder dem Fenster zu und hörte, wie die Wohnungstür ins Schloss fiel. Nach Kaitos Besuch legte sich Sakura auf die Couch. Immerzu lauschte sie, ob sie irgendein verdächtiges Geräusch hörte, doch bis zum frühen Nachmittag war es einzig die alte Frau von nebenan, die polternd durch die Treppenflure trampelte. Sakura konnte sogar noch etwas schlafen, und als sie ein paar Stunden später wach wurde, richtete sie sich erschrocken auf. Hatte es geklingelt? Sakura spürte die Angst, die sich durch ihren Körper kroch und ihr die Kehle zuschnürte. Sie sah nach draußen und stellte fest, dass es noch immer hell war. „Ja?“, rief sie vorsichtig, doch wagte sie es nicht in den Flur zu gehen. „Wer ist da?“ „Wer wohl?“, kam es prompt zurück, und Sakura atmete erleichtert aus. „Naruto!“ Sie musste sich zusammen nehmen, damit sie nicht zu weinen begann. „Ich …“ Sie lief in den Flur, doch öffnete sie nicht gleich. „Ich bin krank, Naruto. Du steckst dich nur an.“ „Ich hab mir Sorgen gemacht, Saku. Ich wollte nur nach dir sehen“, sagte Naruto durch die Tür. Sakura ging näher heran, um ihn besser verstehen zu können und sah flüchtig durch den Türspion. Ein kleines Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, und nach den ganzen letzten Stunden wurde es ihr wärmer ums Herz. „Ich bin soweit okay“, antwortete sie ihm, doch machte sie nicht auf. Wer auch immer hinter ihr her war, und egal aus welchem Grund oder was sie auch getan haben mochte – Naruto durfte nichts passieren. Nicht dem blonden Chaoten mit seinem ungetrübten Lächeln. „Ich habe eine Erkältung, Naruto. Du kannst es dir aber nicht leisten, in der Uni zu fehlen. Denk an dein Referat und an den Test nächste Woche.“ Sakura merkte, wie schwer es ihr fiel, dass zu sagen. Doch Naruto musste gehen, damit ihm niemand etwas tun konnte. „Bäh, muss du mich immer wieder daran erinnern?“, brummte er durch die Tür. „Kann ich dir wenigstens irgendwas bringen? Medikamente, oder Taschentücher?“ „Ich habe Taschentücher, danke Naruto.“ Sakura biss sich auf die Lippen, als eine heiße Träne zu Boden fiel. Geh endlich, dachte sie. Geh, damit dich hier niemand sieht! Geh, damit dir niemals etwas zustößt! „Gut, okay, dann geh ich jetzt“, hörte sie seine befreienden Worte. „Ich melde mich, sobald es mir besser geht“, gab Sakura erlöst zurück. „Mach dir für mich auch ein paar Notizen in Physik. Aber … schreib bitte so, dass ich es auch lesen kann.“ Sakura spürte, wie ihre Verkrampfung nachließ. „Mach ich“, rief Naruto, und Sakura glaubte, dass er schon ein paar Meter gegangen sein musste. „Danke“, flüsterte sie zu sich selbst und rutschte an der Tür hinunter. Leise begann sie zu weinen, wie sie Schritte auf der Treppe verstummen hörte. „Für alles, Naruto.“ Es tat ihr Leid, ihn wegzuschicken, doch blieb es das Sicherste. Es war, wie es auch Kaito gesagt hatte. Es war das Beste. Sakura strich sich einzelne Strähnen aus dem Gesicht und atmete tief durch. Sie erhob sich mühsam, als sie im Treppenflur erneut Geräusche vernahm. Sofort erstarrte sie, und sie traute sich kaum mehr, Luft zu holen. „Sakura?“, sagte wieder Narutos Stimme, und sie klang so traurig, wie es die junge Frau nie von ihm erwartet hätte. „Ja, Naruto?“, sagte sie einfach. Sie hätte es nicht fertig gebracht, so zu tun, als würde sie ihn nicht hören können. „Ich hab doch gesagt, dass …“ „Weißt du …“, unterbrach er sie, und Sakura zuckte erschrocken, weil er so dicht klang. „Erinnerst du dich an Regel drei?“ Sakura fuhr sich über den Mund, damit das Schluchzen nicht hinaus drang. Sie nickte, doch dann wisperte sie ein heiseres „Ja.“ „Sei ehrlich zu deinem besten Freund … War das Regel drei?“ Wieder nickte Sakura, doch diesmal konnte sie die weinenden Laute nicht unterdrücken. „Ja“, flüsterte sie durch die Tür. „Ja, das war Regel 3, Naruto …“ „Sakura?“, hörte sie ihn, wie ein paar Sekunden vergangen waren. „Bin ich dein bester Freund?“ Sakura erbebte unter den Worten, die Naruto aussprach. Sie schluchzte heftig und musste sich an der Wand festhalten, damit sie nicht den Boden verlor. „Verdammt, Naruto“, rief sie rau. „Bitte geh! Bitte!“ Verzweifelt hielt sie sich aufrecht, doch der Gedanke, was Naruto ihr so eben gesagt hatte, hielt sie gefangen und nahm ihr die Luft. „Lass mich in Ruhe, bitte“, flehte sie nur noch, und als er etwas erwiderte, hielt sie sich die Ohren zu und fiel auf den Teppich. Sie krümmte sich, als hätte sie unendliche Schmerzen, und es war ihr Herz, das ebenso schrie und weinte. Sie wollte nicht lügen, sie hatte noch nie wirklich gelogen! Aber Naruto durfte nicht in ihre Nähe, Naruto durfte nichts passieren. Nicht ihm! Sakura drückte mit aller Kraft gegen ihren Kopf, und sie krallte sich in ihre Haare, als könne sie so den Qualen entgehen, als würde sie der körperliche Schmerz von den seelischen befreien. Das Weinen ließ nicht nach, und auch das Zittern nicht. Warum nahm es kein Ende? Warum passierte das alles? Warum passierte es ihr? „Sakura?“ Plötzlich war Narutos Stimme so nah, dass sie aufschrie. Sakura sah ihren besten Freund fassungslos an, wie er neben ihr kniete und traurig lächelte. „Es wird gut, okay? Komm, sag mir was los ist.“ Er streckte seine Hand nach ihr aus, doch gleichzeitig wollte Sakura aufspringen und flüchten. „Geh weg!“, schrie sie, wie er sie rechtzeitig packte und an sich drückte, so fest, dass sie sich nicht gegen seine Umarmung wehren konnte. „Geh weg von hier!“ Sie strampelte so sehr sie konnte, doch gegen Narutos Kraft blieb sie machtlos. Beruhigend strich er ihr über die Haare und zog sie unnachgiebig mit sich ins Wohnzimmer. „Schon vergessen, dass du mir den Ersatzschlüssel gegeben hast?“, sagte er leise und setzte sich mit ihr auf die Couch. „Der war wohl für so eine Situation.“ „Du musst gehen, Naruto“, wimmerte Sakura, doch hielt sie sich gegen ihre Worte an Naruto fest. „Bitte!“ „Ich werde nicht gehen, Sakura. Sag mir, was passiert ist, ja?“ Sakura schüttelte heftig ihren Kopf, vergrub sich Narutos Shirt und weinte nur immer mehr. Sie konnte ihn nicht mit dort hinein ziehen, wohin man auch sie gezogen hatte. Sie durfte ihn nicht willentlich in Gefahr bringen, wo Naruto einer der warmherzigsten Menschen war, die sie je kennen gelernt hatte. „So schlimm kann es doch gar nicht, hmm?“, versuchte es Naruto nun und schob Sakura etwas von sich, um ihr ins Gesicht zu sehen. „Ist es wegen der Uni? Oder hat jemand wieder was gesagt? Du weißt doch, dass ich ihn mir dann vorknöpfe, Saku. Ich lass nicht zu, dass sie dich verletzen.“ Sakura wollte ihm sagen, dass er sie nicht beschützen konnte, dass es soviel schlimmer war, als er glauben würde, doch sie brachte kein Wort zustande. Egal, wie sehr er sie zu trösten versuchte, Sakuras Nerven waren zu angeschlagen, als dass sie noch reagieren konnte. Doch dann klingelte das Telefon, und Sakura sprang auf, als könne es jeden Moment in die Luft fliegen. „Ich geh schon“, sagte Naruto und lächelte sanft. „Leg du dich auf die Couch. Danach mach ich uns erst mal einen Tee …“ „Geh nicht ran!“, schrie Sakura, aber Naruto hatte schon abgenommen. „Bei Haruno“, meldete er sich, und es vergingen einige Sekunden, bis auch sein Grinsen verschwand. Er sah zu Sakura, während er dem Anrufer zuhörte, und sein sonst so freundliches Gesicht gewann an Härte. Sakura ahnte das Schlimmste, und mit entsetzten Augen beobachtete sie ihren besten Freund, der auf einmal nickte. Sie schluckte und versuchte sich an der Couch hochzuziehen, als Naruto in seine Jackentasche griff und fassungslos zu ihr sah. „Naruto?“, wisperte sie zitternd. „Wer ist dran, Naruto?“ Sie bekam Angst, wie sie sein bleiches Gesicht bemerkte, und seine Augen, die plötzlich so ganz anders wurden. „Naruto?“ Sakura bebte vor Anspannung, und sie schrie auf, wie er unerwartet das Telefon wegschmiss, und mit der gleichen Bewegung etwas aus seiner Jacke zog, dass Sakura versteinern ließ. „Was …“ Sakura blieb regungslos, wie Naruto die Waffe auf sie richtete. Woher hatte er eine Waffe? „Naruto … was tust du da?“, flüsterte sie. „Warum hast du … Naruto?“ Sakura musste die Augen schließen, wie Naruto mit gezogener Waffe näher kam und sie das furchtbare Geräusch des Entsicherns hörte. „Wie konntest du es schaffen, dass jemand 10 Millionen Yen auf deinen Kopf aussetzt?“ Naruto sprach mit der gleichen heiteren Stimme, doch hörte Sakura seine Nervosität heraus. „Was hast du gemacht?“ „Warum … Warum hast du eine Waffe, Naruto?“ Sakura ließ diese Frage nicht los. Zu sehr hatte sich das Bild in ihren Kopf gebrannt. Ihre Gedanken drehten sich einzig und alleine um ihren besten Freund, der eine Waffe hatte. Warum? War Naruto nicht der, der er immer gewesen war? Hatte er sie angelogen? Ihr etwas vorgespielt? War das alles nur ein Spiel, ein dreckiger Scherz? War er noch ihr bester Freund? War er es je gewesen? „Tut mir leid, Sakura“, hörte sie ihn sagen, und erschrocken riss sie dabei ihre Augen wieder auf. „Tut mir Leid, ehrlich.“ Dann hob Naruto innerhalb von einer Sekunde den Arm, und noch im gleichen Augenblick drückte er ab … Kapitel 7: Er täuscht andere und sich selbst -------------------------------------------- Sakura nahm kaum noch etwas wahr, und ihr gesamter Körper fühlte sich dumpf und ermattet an. Naruto hatte ihre Hand fest in seiner – er ließ sie keine Sekunde los, wie er mit ihr durch die dunklen Gassen rannte, und immer wieder drehte er sich zu ihr um. „Kannst du noch?“, hörte sie ihn öfter fragen, doch eine Wahl hatte sie dennoch nicht. Naruto lief mit ihr immer weiter, und sie wusste nur zu gut, dass Anhalten ihren Tod bedeuten würde. Als sie seine Wohnung erreichten, musste Sakura von ihm die Treppen hinauf getragen werden. Sie hatte zwar aufgehört zu weinen, doch noch immer spielten ihre Gedanken und Gefühle verrückt. Naruto hatte jemanden erschossen … Sie wusste nicht wen oder warum – aber er hatte durch ihr Fenster geschossen, und wie es in tausend Splitter zerfiel, hatte er sie gepackt und war losgerannt. Einfach so, ohne ihr irgendetwas zu erklären. Aber Sakura, die sich schämte auch nur eine Sekunde an ihm gezweifelt zu haben – ja sogar geglaubt hatte, er würde sie erschießen wollen – vertraute ihm nach wie vor. Das wusste sie mit absoluter Sicherheit. Sie wusste nur nicht mehr, wer Naruto Uzumaki war. Aber an ihrer Freundschaft hatte sich nichts geändert, „Komm“, sagte Naruto und holte sie aus ihren Gedanken. „Drinnen kannst du dich ausruhen, okay?“ Naruto fasste Sakura um die Taille und führte sie bis zu seinem Sofa. Er angelte rasch nach einer Decke, legte sie ihr um und verschwand ins Nebenzimmer. „Wir bleiben nicht lange hier“, rief er, und im nächsten Moment kam er mit einem Rucksack beladen zurück. Sakura hatte diesen Rucksack noch nie gesehen. Er benutzte ihn nicht für die Universität, wo seine Tasche so klein war, dass kaum ein Buch hinein passen konnte. In diesen Rucksack aber musste vieles passen, und Sakura traute sich nicht, nach dem Inhalt zu fragen. „Naruto?“, flüsterte sie stattdessen, und er musste sich neben sie setzen, um sie verstehen können. „Wer war … der Anruf war für dich, oder?“ „So in etwa“, sagte Naruto und lächelte sanft. „Eine Warnung. Du hast dir viel … ärger eingehandelt, Saku. Aber du kannst nichts dafür, hm? Wir sprechen darüber, wenn wir hier verschwunden sind.“ „Hast du jemanden … hast du jemanden erschossen?“ Sie konnte es nicht glauben, es nicht begreifen. Und trotzdem wusste sie die Antwort … „Er hat auf dich gezielt, Sakura. Er wollte dich erschießen …“ Naruto klang traurig. Es war ihm nicht leicht gefallen, dass zu tun. Er hatte sich überwinden müssen, doch die Situation hatte ihm keine Wahl gelassen. Früher lebte er ein anderes Leben, früher waren diese Dinge seine Gegenwart. Heute, wo sie vergangen waren, war Sakura sein Leben geworden. Und für sein Leben musste er die Vergangenheit zurückholen. Er hatte keine Wahl. „Wen?“, hauchte Sakura, als hätte sie längst keine Luft mehr zum Atmen. „Ein Kopfgeldjäger. Mach dir um ihn keine Gedanken. Es wird ihn niemand vermissen.“ „Aber … Gott“, stöhnte Sakura und griff sich verzweifelt in die Haare. „Warum passiert das? Warum hast du … ich versteh das nicht!“ „Ich versteh es auch noch nicht“, sagte Naruto und strich Sakura tröstend über den Rücken. „Aber wir kriegen es raus. Wir werden uns nur solange … verstecken müssen. Du wirst ein paar Vorlesungen verpassen …“ Sakura blickte Naruto in die leuchtenden Augen, die ihren Glanz nicht verloren hatten. Sie brachte ein kleines Schmunzeln zustande und nickte. „Aber doch … nicht viele, oder?“ „Nein“, sagte Naruto und grinste, als rede er über eine Kleinigkeit. „Nicht viele, versprochen. Wir regeln das, so schnell es geht. Aber Sakura …“ Sein Gesicht wurde ernst. „Wir müssen ehrlich zueinander sein, okay?“ „Okay“, sagte Sakura schwach. „Und wer … am Telefon, wer hat gewusst, dass du bei mir bist?“ „Tja.“ Naruto sah zum Fenster hinaus. „Der gleiche, der dir scheinbar schon die ganze Zeit nachläuft.“ Er stand jäh auf und wirkte auf einmal wütend. „Dieser dreckige Penner! Ich hätte es lieber gehabt, dass wir ihn raushalten. Aber bei ihm wird es auch … am Sichersten sein, irgendwie …“ Naruto schnaubte verächtlich. „Aber mach dir keine Gedanken, Saku. Sollte er dir zu nahe kommen, dann werde ich ihm …“ Er hielt inne, als er Sakuras entsetztes Gesicht sah. „Entschuldige, die Worte waren etwas unbedacht“, lachte er verlegen. „Ich kann ihn nur nicht ab, weißt du? Aber wie ich es gesagt habe … bei ihm wirst du am Sichersten sein.“ „Bei ihm? Von wem … von wem redest du?“ Naruto blickte Sakura betrübt an. „Tut mir leid, ich hätte ihn dir gerne erspart. Ich … hätte ihn jedem gerne erspart. Du kennst ihn schon…“ „Was? Du meinst doch nicht …“ „Sasuke Uchiha, ja. Er ist der Beste, den ich aufbieten kann, und davon abgesehen ist er der Beste überhaupt, Sakura. So sehr ich ihm … seinen verfluchten Hals umdrehen möchte …“ Naruto lächelte entschuldigend. „Aber dein Leben ist es mir Wert, mit ihm für eine Weile Frieden zu schließen … Ja, eine Weile muss es … wohl gehen.“ Sakura wollt nicht aussteigen, als das Taxi vor einem großen Anwesen hielt. Sie wollte überall hin – sogar zurück in ihre Wohnung – aber mit Sicherheit wollte sie nicht zu ihm! „Miss, die Uhr läuft noch“, bemerkte der Fahrer. „Es wird immer teurer, wenn sie nicht aussteigen.“ Sakura blinzelte verwirrt, doch dann warf sie dem Mann einen finsteren Blick zu. Sie hatte bei Naruto noch einen starken Tee getrunken, und jetzt, wo er an ihrer Seite wachte wie ein gefährliches Tier, dass stets auf der Hut war, ging es ihr um einiges besser. „Na komm, Sakura“, sagte Naruto und reichte ihr die Hand. Er bezahlte den Fahrer und schulterte seinen Rucksack, eher er sein Grinsen aufsetze, dass jedoch gestellt wirkte. „Sasuke Uchiha …“, begann Sakura, als sie Naruto den gepflasterten Weg durch ein großes altes Tor folgten. „Weißt alle Anzeichen eines psychisch kranken Menschen auf, Naruto. Dass wir zu ihm gehen …“ „Ist unsere einzige Chance, lebend raus zukommen.“ „Ist vergleichbar mit dem Verstecken in der Höhle von einem Rudel Löwen.“ Sakura sah sich aufmerksam um, damit sie sich einen Fluchtweg zurecht legen konnte. „Er könnte eine schwere Depression haben, oder eine Psychose, Naruto. Er könnte nicht … er hat mit Sicherheit eine Psychose! Er hat vermutlich eine gesteigerte Wahrnehmung und kann seine zwischenmenschliche Beziehung nicht mehr einschätzen. Ihm fehlt dadurch das Gefühl, Dinge bewerten zu können, und ich bin mir sicher …“ „Dass er nach wie vor unsere einzige Chance ist.“ „Dass er den Bezug zur Wirklichkeit verloren hat. Zu ihm zu gehen ist noch gefährlicher wie unter Löwen, Naruto. Die Selbstmordrate liegt übrigens bei 5 bis 10 Prozent, und zu dieser Rate scheint er ja nicht zu gehören. Man hat im Übrigen von etwa 8000 Patienten zwischen 1973 und 2006 13,2 Prozent im Strafregister wieder gefunden. Das fand eine schwedische Studie heraus. Ich meine, wenn eine Psychose behandelt wird, dann sind die Betroffenen nicht … gefährlich, wie es in den Medien immer aufgespielt wird, aber Sasuke Uchiha … Er ist bestimmt nicht in Behandlung, vermutlich lebt sein Psychiater ja nicht einmal mehr …“ „Er hat keine Psychose, Sakura“, sagte Naruto sanft und lief immer weiter. „Ja, okay … weißt du, ich würde auch eher vermuten, dass er eine dissoziale Persönlichkeitsstörung hat. Er wirkt doch leicht antisozial, oder psychopathisch. Und soziopathisch ist wohl auch ein gutes Wort, und wenn man genauer darüber nachdenkt …“ „Wenn sie nicht bald aufhört“, sagte plötzlich eine düstere Stimme, und keine Sekunde später trat Sasuke aus dem Schatten. „Naruto, ich schwöre dir, dass ich sie erschieße. Oder ihr die Zunge herausschneide, damit sie ihren Mund hält, verstanden?“ „Er meint es nicht so“, lachte Naruto hektisch, als Sakura jegliche Farbe aus dem Gesicht wich. „Stimmt’s, alter Kumpel?“ „Nein“, sagte Sasuke und lächelte gezwungen. „Das, was ich meine … würde sie bewusstlos werden lassen, und dann würde sie die Schmerzen nicht spüren können.“ „Siehst du?“, flüsterte Sakura giftig, aber fast unhörbar. Sie griff sich Narutos Arm und versteckte sich hinter ihm. „Ich hab doch gesagt, dass er alle Kriterien erfüllt!“ Sakura konnte nicht behaupten, dass das Zimmer, in dem sie seit einer halben Stunde wartete, ungemütlich war. Es mochte nicht besonders groß sein, aber es gab einen Balkon, der fast um das ganze Haus herumführte und alle äußeren Zimmer der ersten Etage miteinander verband, und es gab ein Regal … Ein Regal voller Bücher. Sakura hatte sich in den ersten Minuten vehement dagegen gewehrt, auch nur einen Blick dort hin zu werfen, doch schließlich hatte ihre Neugierde gesiegt. Naruto hatte sie alleine gelassen, und was sollte sie sonst tun, außer sich umsehen? Außerdem interessierte es Sakura, welche Bücher einen Soziopathen zusagten. Die Enttäuschung war jedoch groß, als sie hautsächlich Belletristik fand. Es standen 105 Bücher in dem Wandregal – Sakura hatte sie zu Anfang gezählt – und lediglich 10 Werke behandelten wissenschaftliche Themen. Das Spannendste mochte eine Studie über die Bergregionen in Spanien sein; Sakura aber hatte noch nie viel für diese Art von Reiseberichte übrig gehabt. Als Sakura einmal mehr aus dem Fenster blickte, begann der Sonnenuntergang. Erst überlegte sie, etwas zu schlafen, doch verwarf sie diesen Gedanken wieder. Sie traute es Sasuke Uchiha sehr wohl zu, dass er sie im Schlaf ersticken würde, zudem würde sie nicht einschlafen können – ihr Magen knurrte, als wäre darin ein Bär gefangen. Sakura wartete weitere Minuten, doch schließlich stand sie auf und schlich zur Tür. Sie lauschte und verdammte sich selbst dafür, nicht auf Naruto zu hören, doch war ihr Hunger gewaltig, und ihre Ungeduld immens. Mittlerweile musste sie schon mehr als hundert Fragen im Kopf haben, und langsam wollte sie die Antworten dazu. Naruto hatte eine Seite an sich gezeigt, die ihr überhaupt nicht gefiel, und der Soziopath schien mehr zu wissen als jeder andere überhaupt. Er hatte vermutlich die Lösung für ihre dringendste Frage … Was hatte sie getan? Sakura hatte dazu keine vernünftige Erklärung. Es gab mehrere Dinge, die durch abstruse Verstrickung zu solch einer Situation hätten führen können, doch waren sie dermaßen verworren und phantastisch, dass eigentlich keine davon in Frage käme. Am Anfang glaubte Sakura, es wäre ihr Vater gewesen, der auf sie ein Kopfgeld ausgesetzt hatte. Doch warum jetzt, fragte sie sich dann. Er hatte sie nicht töten lassen, als sie vor fünf Jahren von zu Hause weglief – wieso sollte er sich jetzt wieder mit ihrem Leben beschäftigen wollen? Es gab keinen rationalen Grund, denn als sie damals ging, ließ sie auch ihre Vergangenheit zurück. Es gab überhaupt keinen Grund, warum das alles hier passierte! Kurzerhand zog Sakura die Tür auf und trat entschlossen in den Gang. Sie hatte keine Lust, noch länger im Unklaren zu bleiben, und einschüchtern ließ sie sich auch nicht. Wer glaubte dieser Verrückte zu sein, ihr ständig zu drohen? Er mochte vielleicht ein erschreckendes Mundwerk haben, doch würde er sie wirklich einfach erschießen? Bisher hatte er das nicht getan, und wahrscheinlich tat Sasuke Uchiha auch nur, als wäre er ein kaltblütiger Mörder! Allerdings sprachen seine Taten wohl gegen ihre These, dass nicht viel hinter seinen Drohungen steckte. Er hatte zwei Menschen während ihrer Anwesenheit umgebracht, und ein Gewissen konnte sie ihm kaum zusprechen… Sakuras Entschlossenheit verebbte, als sie die Treppe hinunter schlich. Sie versuchte möglichst keine Geräusche zu machen und hoffte, Naruto zu finden, ehe Sasuke Uchiha sie fand. Sie musste ihn überzeugen, irgendwo anders unter zu tauchen; nur nicht hier, wo die Gefahr gleichfalls hinter jeder Ecke lauern konnte! Sakura ging am Ende der Treppe den Flur entlang bis zur Küche. Sie war offen mit dem Wohnzimmer verbunden, aus dem man den Fernseher hören konnte. Vorsichtig lugte sie hinüber und blickte auf Sasukes schwarzen Haarschopf. Er saß auf der Couch, und entweder war er in das Programm vertieft, oder aber eingenickt. Sakura hoffte letzteres, doch konnte sie es sich kaum vorstellen. Jemand wie er würde sich doch nicht der Gefahr hingeben, im Schlaf von einem Einbrecher getötet zu werden! Naruto hatte zwar gemeint, in dieses Haus könne niemand so leicht eindringen, aber ein professioneller Mörder, der mit Sasuke noch eine Rechnung offen hatte? Würde den eine Alarmanlage daran hindern? Zumindest glaubte Sakura, dass Naruto eine Alarmanlage gemeint hatte. Aber überhaupt – wo steckte er? So riesig dieses Anwesen auch sein mochte, müsste er nicht trotzdem bei Sasuke sein? Er hatte ihr doch gesagt, dass er sich kurz mit ihm unterhalten wollte. Hatte Naruto gelogen? Sakura zog ihren Kopf zurück und trat nervös auf der Stelle. Sie versucht, so leise wie möglich zu bleiben, damit Sasuke nur ja nicht auf sie aufmerksam wurde. Der Kühlschrank war nur ein paar Meter von ihr entfernt, und seit Ewigkeiten hatte sie nichts mehr gegessen. Sie fühlte sich wie ausgehungert, nachdem es ihren Nerven halbwegs besser ging. Langsam legten sich die aufgewühlten Gefühle, und auch die grausame Furcht der letzten Stunden verblasste. Narutos Anwesenheit hatte sie beruhigen können, und seine trostreichen Worte hallten noch immer in ihrem Gedächtnis. Es würde alles gut werden, hatte er ihr versprochen. Er würde sie nicht alleine lassen, und gemeinsam würden sie einen Ausweg finden. Das hatte er gemeint, als sie mit dem Taxi hier her gefahren waren. Doch warum war er jetzt schon wieder weg? „Bist du taub?“ Sakura blinzelte irritiert, als Sasuke wie aus dem Nichts vor ihr stand. Sie riss abrupt die Augen auf und wich einen Schritt zurück. Unsanft knallte sie gegen die Küchentheke und schmiss fast ein Glas um, doch fing Sasuke es in einer schnellen Bewegung ab. „Gott!“, entfuhr es Sakura. „Warum erschreckst du mich so?“ Sie wollte zusehen, dass sie aus seiner Reichweite kam, aber kaum, dass sie seine kalten Augen wütend funkeln sah, erstarrten ihre Glieder einfach. „Wo ist Naruto?“, fragte sie und hoffte, nicht so erbärmlich zu klingen, wie sie sich schon wieder fühlte. Naruto schaffte es, sie in nur wenigen Minuten mit seiner Energie anzustecken – Sasuke dagegen brauchte keinen Augenaufschlag, um ihr jeglichen Mut zu nehmen. Seine Art, sein ganzes Verhalten schmerzte, selbst wenn er nicht die Hand gegen sie richtete. „Weg“, erwiderte Sasuke schlicht, doch wich er kein Stück zurück, wie er sie erzittern sah. Es gefiel ihm, diese Reaktion hervorzurufen. Es gab ihm die Selbstsicherheit, die er Sakura dadurch nahm, und er hielt diese Macht für seine Stärke. „Weg?“ Sakuras Stimme war höher, als sie es beabsichtigt hatte. Am liebsten hätte sie sich dafür selbst geohrfeigt, denn so schwach sie sich auch in Sasukes Nähe fühlte – niemals wollte sie sich so klein vor ihm geben! „Und wann kommt er wieder?“, setzte sie brummig hinterher. Sie packte bald zuviel Festigkeit in ihren Ton, denn Sasuke hob noch im gleichen Moment die Augenbraue und versteifte sich leicht. „Wer sagt, dass er hier noch mal auftaucht?“ Er grinste zufrieden, wie er die erwartete Reaktion bekam. Sakura blickte ihn an, als wäre sie kurz vor einem neuen Weinkrampf. „Er hat es … gesagt“, meinte Sakura und schluckte schwer, wie Sasuke ihr noch näher kam und sich an dem Thekenbrett neben sie abstützte. „Und du lügst, wenn du mir weismachen willst, dass … dass er nicht wieder zurückkommen würde!“ „Ich lüge also?“, fragte Sasuke und lachte unmerklich. „Was, wenn er würde, aber nicht kann? Was, wenn er könnte, aber nicht will?“ „Wie meinst du das?“ Sakura blieb für eine Sekunde die Luft weg, doch dann schallte sie sich selbst einen Dummkopf. Es war offensichtlich, was dieser Verrückte mit ihr machen wollte! Naruto war vielleicht nur auf der Toilette; niemals konnte Sasuke ihr einreden, Naruto wäre gegangen, oder ihm wäre in der kurzen Zeit etwas zugestoßen. Er spielte mit ihren angeschlagenen Nerven, wie sie es von ihm zu erwarten hatte. Aber dieses Spiel würde er alleine spielen können! Sie ließ sich von niemanden um den Verstand bringen. „Hör auf mich täuschen zu wollen“, sagte sie forsch. „Ich glaube dir kein Wort.“ „Welch tapfere Worte für ein armseliges Mädchen wie dich.“ Sasuke lachte, doch klang es eher wie das Knurren eines Hundes. Er schüttelte amüsiert den Kopf und plötzlich, ohne dass Sakura es hatte kommen sehen, griff er nach ihrer Kehle. „Und viel zu vorlaut!“, fauchte er zornig und schien verkrampft mit sich zu ringen, sie jetzt nicht schlicht und einfach zu erwürgen. Er genoss es zu sehen, wie ihr die Farbe aus dem Gesicht wich, und fast glaubte er, ihr ängstliches Herz rasen zu hören. Es klang wie eine angenehme Melodie in seinen Ohren, und doch drückte er nicht fester zu. Er hätte ihr Herz vielleicht noch schneller schlagen lassen können, andererseits musste er sich vorsehen, dass es nicht plötzlich stehen blieb. Irgendetwas in ihm wollte nicht, dass diese Musik verstummte. Irgendetwas in ihm wollte nicht, dass dieses armselige Mädchen starb. „Du bist ein dummes Gör“, sagte er und grinste leicht. „Gibst dich so mutig und dabei …“ Er löste seine Finger von ihrer Kehle und strich unerwartet sanft über ihren Hals. „Dabei könnte ich wetten, dass du jeden Moment einpisst.“ „Sicher … nicht“, erwiderte Sakura zittrig, und doch fest genug, um Sasuke ein weiteres Mal zum Lächeln zu bewegen. „Und sag mir … sag mir endlich, wo Naruto hingegangen ist!“ „Du bist nicht in der Position, um Forderungen zu stellen. Und glaubst du wirklich, der blonde Vogel kann dir helfen? Er wird davon fliegen, Sakura Haruno. Du weißt nichts über ihn – überleg nur, was er dir verschwiegen hat. Was ist, wenn er dir nie die Wahrheit sagen wird? Möchtest du sie von mir hören? Ich kann dir sagen, was Naruto ausmacht, was sein einziges Ziel ist. Rache, hörst du? Naruto kennt nur die Rache, die ihn antreibt. Alles andere ist Fassade. Er täuscht andere, und er täuscht sich selbst.“ „Was … für Rache?“, flüsterte Sakura und schluckte ein weiteres Mal, als Sasuke seine Finger über ihre Wangen streifen ließ. Warum tat er das? Warum gefiel es ihm, ihr solche Angst zu machen? Was hatte er davon? „Für seinen Vater natürlich“, sagte Sasuke grinsend. „Er wollte vor langer Zeit einmal, dass ich ihm helfe. Aber er fand gefallen daran, den Mörder seines ach-so-geliebten Vaters nun selbst zu suchen. Damals tat er mir einen kleinen Gefallen …“ Sasuke verzog das Gesicht, als wäre es eher eine persönliche Beleidigung gewesen. „Deswegen meint er, ich wäre ihm verpflichtet, dir zu helfen. Aber ein Scheißdreck bin ich ihm schuldig!“ Wieder wurde er lauter, und sein aufkommender Zorn versetzte Sakura einen weiteren Schrecken. „Und du solltest dir überlegen, ob zwischen euch wirklich Freundschaft besteht. Er mag vielleicht so tun, aber in Wahrheit empfindet er rein gar nichts für dich!“ „Du lügst“, sagte Sakura, doch hatte sie Mühe, nicht wieder mit Weinen anzufangen. Warum erzählte er ihr das? War es die Wahrheit, oder belog er sie nur? Suchte Naruto wirklich den Mörder seines Vaters? Nie wäre sie auf den Gedanken gekommen, er könne einem Menschen etwas zu Leide tun! Aber … hatte er nicht auch in ihrer Wohnung auf jemanden geschossen? Konnte sie sich so in ihm getäuscht haben? Oder hatte sie sich nicht schon getäuscht? „Du bist ein verdammter Lügner!“, rief Sakura und schlug Sasukes Hand weg, die jedoch in sekundenschneller nach ihrem Arm griff und ihn ihr auf den Rücken drehte. „Lass los!“, schrie sie und versuchte sich dabei zu befreien. „Hast du nicht gehört!“ Sasuke dachte nicht daran. „Der einzige Lügner hier bist du! Oder weiß Naruto, dass du aus Kyoto kommst?“ „Es ist nicht wichtig!“, rief Sakura unter Tränen. „Es ist überhaupt nicht wichtig!“ „Ach nein? Und was ist mit deinem Nachnamen? Weiß Naruto wenigstens deinen richtigen Nachnamen?“ „Hör auf!“, kreischte Sakura und zappelte wie wild, doch entkam sie Sasuke nicht, der sie ohne erkennbare Anstrengungen festhielt und nun gegen die Theke drückte. „Hör auf und lass mich los!“ „Dann weiß er es wohl nicht?“, sagte Sasuke seelenruhig. „Dann wird er bestimmt auch nicht wissen, wer dein Vater ist, oder?“ „Er ist nicht mehr mein Vater …“ Sakura hatte keine Kraft mehr zum Schreien. Sasuke ließ sie los, und als sie sich weinend zu ihm umdrehte, tat er nichts gegen ihre Ohrfeige, die er kaum spürte. „Das war jämmerlich“, sagte er. „Mehr kannst du nicht? Hat dir dein Vater nichts beigebracht?“ „Du bist ein Mistkerl!“ Sakura biss sich auf die Lippen und erschauerte vor wütender Erregung. „So ein dummer Mistkerl … Du hast … du weißt überhaupt nicht, was du da sagst!“ „Nein?“ Sasuke beugte sich ein weiteres Mal zu Sakura. „Aber soll ich dir verraten, was ich ganz sicher weiß?“ Er lachte ihr ins Ohr, so dass Sakura zusammenzuckte. „Ich weiß, dass Narutos Vater in Kyoto ermordet wurde …“ Kapitel 8: Eine Familiengeschichte ---------------------------------- Sakura konnte sich nicht aus ihrer Starre lösen. Wie gebannt blickte sie in Sasukes amüsiertes Gesicht und wollte nicht glauben, was er eben gesagt hatte. Es konnte nicht stimmen, es konnte nicht wahr sein. Es war nur ein Traum. Nur ein schrecklicher Alptraum! „Da musst du überlegen, was?“, hörte sie Sasuke sagen. Er war belustigt über das Grauen, dass er ihr damit antat. Es machte ihm Spaß, sie zu quälen. Es machte ihm Spaß, sie zweifeln zu lassen! Warum tat er das? Und warum nahm es kein Ende? „Wie kannst du nur?“, flüsterte Sakura zurück und senkte ihren Blick zu Boden. Sie wollte seine kalten Augen nicht mehr sehen, die jede Reaktion beobachteten und sich an ihrem Leid erfreuten, sein Gesicht, dass so makellos schien, und hinter dem jeder Makel versteckt war, den ihn so grausam machte. Sasuke Uchiha gehörte zu den widerlichsten Menschen, die sie je getroffen hatte, und dabei war sie unter den schlimmsten aufgewachsen. „Aber es wäre doch interessant“, sagte er nun. „Sakura Yoshida … vielleicht sagt Naruto dieser Name etwas? Vielleicht …“ „Sasuke!“, donnerte es plötzlich, und Sakura fuhr so schnell herum, dass sie fast den Halt verlor und sich krampfhaft an der Theke festkrallen musste. „Hör damit auf, klar? Du hast deinen Spaß gehabt!“ Naruto kam ohne Eile auf die beiden zu, und als er Sasuke fixierte, sah er so kaltblütig aus wie er. Sakura blickte ihn entsetzt an, und sie fühlte, wie er ihr Angst einjagte. Wie er so ganz anders wirkte, als wäre er nicht mehr der Naruto, den sie kennen gelernt hatte. Sie wollte auch vor ihm zurückweichen, doch dann wandte er sich ihr zu – und lächelte, als wäre nie etwas passiert. „Alles okay?“, fragte er liebenswürdig, trat zwischen sie und Sasuke und zog sie einfach mit sich. „Das stimmt nicht, Naruto!“, weinte sie aber, denn Sasukes Worte hatten mehr ausgelöst, als sie sich selbst eingestehen wollte. „Er ist nicht mein Vater, bitte … Ich heiße Sakura, du weißt das! Ich heiße Haruno und nicht …“ „Es ist gut, Saku. Ich weiß, wie du heißt. Hör nicht auf Sasuke.“ Er führte sie zum Sofa, doch Sakura war zu aufgelöst, als dass sie sich hätte setzen wollen. „Aber er lügt nicht“, sagte Sasuke über sich selbst. „Vielleicht solltet ihr diesen Moment nutzen, um ehrlich zueinander zu sein.“ Er grinste sein falsches Lächeln. „Die Stunde der Wahrheit. Ich könnte sie euch auch erzählen.“ „Sei endlich still!“, sagte Naruto herb. „Wir können alles nacheinander klären. Das gehört nicht zu den wichtigsten Sachen!“ „Aber wenn alles zusammenhängt?“ Sasuke ließ sich auf den schwarzen Ledersessel fallen und verschränkte die Arme. Er sah auf einmal viel ernster aus, denn jede Belustigung war aus seinem Gesicht verschwunden. Zurück war nur seine Kälte und Arroganz geblieben, mit der er nun Sakura betrachtete, die zu den Fenstern gegangen war und abwesend nach draußen starrte. „Sie hat ihren Namen geändert, und eurer Freundschaft willen sollte sie ehrlich sein.“ „Unsere Freundschaft geht dich gar nichts an!“, gab Naruto erzürnt zurück. Natürlich wollte er ebenso die Wahrheit erfahren, doch waren Sakuras Nerven nie die Stärksten gewesen. Es würde niemanden etwas bringen, sollte jetzt zusammenklappen. „Ich heiße nicht Yoshida“, hörte er sie plötzlich sagen, und überrascht schaute Naruto auf und ließ sich angespannt gegen die Lehne des Sofas fallen. „Wir können später reden, Saku. Jetzt …“ „Jetzt ist es besser …“ Sakura schaffte es nicht, ihren Blick vom Garten zu nehmen. Sie beobachtete den Brunnen, der weit hinten stand, und doch nicht mehr zu funktionieren schien. „Haruno ist der Name meiner Mutter. Ich habe ihn angenommen, als ich Kyoto verlassen habe. Ich heiße Haruno, Naruto. Wirklich, ich … lüge nicht.“ „Ich weiß, dass du nicht lügst, Sakura.“ Naruto lächelte aufmunternd. „Setz dich lieber, hmm?“ Sakura schüttelte den Kopf, und noch immer wandte sie sich nicht Naruto zu. „Mein Vater heißt Yoshida, und ich … wusste nie wirklich, was er macht. Zuerst sind wir ständig umgezogen, bis wir in Kyoto blieben. Meine Mutter liebt ihn, und er … er war kein böser Mensch. Er hat viel für seine Familie getan.“ Sakura holte tief Luft. „Ich war immer auf den besten Schulen. Er wollte, dass ich gute Noten bekomme …“ „Das hast du bestimmt“, sagte Naruto lächelnd. Er hatte das dringende Bedürfnis, Sakura irgendwie aufzuheitern. Sie wirkte im Moment zerbrechlich wie Glas, und zu diesem Preis wollte er von ihrer Vergangenheit nicht erfahren. Nicht, wo sie doch scheinbar versucht hatte, damit abzuschließen. „Ja“, lächelte Sakura traurig. „Aber als wir nach Kyoto zogen, da wurde … mein Vater anders. Er wurde … Kyoto hat ihn erst böse gemacht. Früher war er nie so gewesen, wirklich nicht. Er hat schon immer falsche Dinge getan, aber nie … solche, wie in Kyoto. Er gehörte früher zu den Sokaiya – zu den Aktiengängstern. Er hat soviel Aktien gekauft, dass er dadurch Zugang zur Jahresversammlung der Unternehmen hatte, deren Aktien er erstand. Er hat ihnen mit Ärger gedroht, und die Unternehmen haben ihn ausgezahlt, damit er ihrem Ruf nicht ruiniert. Es war lukrativ, und er war gut in dem, was er tat. Aber nie hätte er einem anderen Menschen … auf andere Weise wehgetan! Nie hätte er … Kyoto hat ihn erst böse gemacht, wirklich Naruto! Er wäre nie so geworden, wenn er nicht nach Kyoto gegangen wäre!“ „Ich weiß, Saku. Ich glaube dir.“ „Er wollte das auch nicht“, setzte Sakura fort, als hätte sie Naruto nicht gehört, ja als wäre sie ganz allein mit sich und ihrer Vergangenheit; mit ihren Erinnerungen an die Familie, deren Taten sie verabscheute und dennoch rechtfertigen wollte. Sie blieb ihre Familie, wie auch Katsuro Yoshida ihr Vater blieb, egal wie sehr sie ihn hasste und verleugnete. Und er blieb ihr Vater, weil es eine Zeit gegeben hatte, in der er ihr auch ein Vater gewesen war. „Was hat Kyoto gemacht?“, hörte sie Naruto fragen, so vorsichtig, dass es ihr schon Leid tat. Was musste er von ihr denken? „Mein Vater“, sagte Sakura, wandte sich Naruto zu und lächelte leicht. „Hat sich irgendwann selbst Ärger eingehandelt. Er hatte schulden … viele Schulden. Und in Kyoto gab es Leute, die das ausnutzten. Wir hätten vielleicht … wegziehen müssen, aber … er wollte nicht mehr. Stattdessen verkaufte er sich und begann für sie zu arbeiten.“ „Was machte er?“ „Er ist sehr schlau, weißt du?“ Sakuras Lippen zitterten, doch hielt sie das Lächeln aufrecht. „Er fand Möglichkeiten, illegale Waren ins Ausland zu verschiffen, ohne dass die Polizei sie aufdecken konnten. Die Leute in Kyoto benutzen ihn, aber er … er lässt sich auch benutzen. Und er hat sie … immer ins Haus gelassen. Diese ganzen Verbrecher sind … bei uns ein und ausgegangen.“ „Gehören sie zur japanischen Mafia?“, fragte Naruto. „Meinst du die Yakuza?“ „Nein.“ Sakura schüttelte Sakura den Kopf. „Ich weiß nicht, wie sie sich nennen, oder ob sie überhaupt ähnlich organisiert sind. Es sind alles … Mistschweine, Naruto. Es sind alles Mörder und Verbrecher und …“ Sakura biss sich auf die Lippen und drehte sich abrupt zum Fenster. „Sie arbeiten vielleicht mit den Yakuza zusammen, aber sie agieren selbstständig. Mein Vater ist ein wichtiger Teil von ihnen geworden, und vielleicht ist er auch deshalb dabei geblieben. Aber ich … Sie sind doch alle Verbrecher!“, sagte sie lauter als gewollt und schüttelte sich. „Alles verdammte Verbrecher … Deswegen bin ich weggelaufen. Ich wollte nicht dort sein, wo sie alle waren. Und … mein Vater hat mich nicht aufgehalten. Es interessierte ihn nicht, obwohl ich am Anfang dachte, er würde mir jemanden …“ Sakura sprach es nicht aus, aber sie ballte ihre Hände, dass ihre Knöchel ganz weiß wurden. „Ich habe danach bei einer Verwandten in Yokohama gelebt, ehe ich nach Tokio gezogen bin. Irgendwann werde ich … mein eigenes Geld verdienen, dass habe ich meinen Vater damals geschworen. Ehrliches Geld, habe ich zu ihm gesagt. Und dann werde ich … gehen. Ich werde Japan verlassen, und ich werde nie wieder zurückkommen“, sagte Sakura viel fester, als es Naruto ihr zu diesem Zeitpunkt zugetraut hatte. Der Gedanke tat ihm weh, aber dennoch beeindruckte Sakura ihn. Er hätte nichts davon erwartet, nicht einmal ihre Ehrlichkeit. Und noch weniger ihren Mut. „Ein schöner Vorsatz“, sagte Sasuke auf einmal und stand auf. „Aber du solltest lieber überlegen, wie du die nächsten Tage überlebst, oder?“ Er grinste auf böse Weise. „Aber vielleicht zählt unter der Erde liegen ja auch?“ „Sasuke!“ Auch Naruto erhob sich und sah den Uchiha wütend an. „Verdammt noch mal, kannst du nicht endlich …“ „Schon gut“, unterbrach ihn Sakura und schüttelte den Kopf, ehe sie zu Sasuke sah. „Er hat ja Recht. Erst einmal die nächsten Tage …“ Sie lächelte matt und ging vom Fenster. „Ich leg mich hin, okay?“ „Klar“, sagte Naruto sofort. „Ich bleibe hier, ich geh nicht weg.“ Sakura nickte erleichtert. „Danke“, flüsterte sie und blickte noch einmal zu Sasuke. „Euch beiden.“ Kapitel 9: Der Mörder seines Vaters ----------------------------------- Es war kurz vor Mitternacht, als Sasuke unzufrieden aus der Dusche kam und sich ins Wohnzimmer setzte. Es war nicht seine Zeit ins Bad zu gehen, ebenso wenig war er es nicht gewohnt, länger als fünf Minuten zu duschen. Diesmal jedoch war er einfach über seine Zeit unter dem eiskalten Wasser geblieben, und nun fühlte er sich noch verfluchter als vorher. Er schaltete den Fernseher an und folgte für ein paar Minuten den Nachrichten. Naruto war vor einer halben Stunde ebenfalls ins Bett gegangen, nachdem er sich vergewissert hatte, dass Sakura tief und fest schlief. Er war hundemüde, hatte er Sasuke gähnend erklärt, wofür dieser ihm am liebsten irgendetwas Hartes ins Gesicht geschlagen hätte. Dieser blonde Vogel besaß keine Anzeichen einer Erziehung, und es schien ihm gleichgültig, dass sein Verhalten beleidigend war. Sasuke hasste diese Art des Auftretens, denn es zeigte ihm, dass Naruto keinerlei Disziplin besaß. Aber das war nichts Neues. Schon damals, wie er ihm das erste Mal begegnet war, hätte er ihm am liebsten den Hals umgedreht. Er besaß ein loses Mundwerk, und dass er noch unter den Lebenden weilte, kam einem Wunder gleich. Er selbst hätte ihm unzählige Male das Hirn wegpusten wollen, doch immer hatte ihn etwas gehindert. Zuerst der Zufall auf Narutos Seite, und dann der unumstößliche Fakt, dass der Uzumaki ihm verdammter Weise das Leben retten musste. Und dies auf eine Art und Weise, dass es selbst einem Mann wie Sasuke schwer fiel, ihn weiterhin dem Erdboden gleichmachen zu wollen. Allein das gab Naruto den Vorteil, dass sich Sasuke seiner nicht entledigte, wie eine schlecht sitzende Jacke. Er ließ ihn gewähren, und er ließ ihn sogar seinen Mund aufreißen. Jeden anderen hätte er für die Frechheit etwas genommen – zumeist das Leben – doch Naruto duldete er, wie er zuvor niemanden geduldet hatte. Er hinderte ihn nicht daran, an seinen freien Tagen aufzukreuzen und über Gott und die Welt zu reden, als wären sie Freunde. Er sah Naruto gewiss nicht als einen Freund, doch hatte er sich selbst einmal dabei ertappt, wie er wartend auf die Uhr geschaut hatte, bevor Naruto aufgetauchte. Darüber war er so wütend gewesen, dass er verschwunden war, ehe der Uzumaki das Anwesen erreichen konnte. Drei Jahre war es nun her, dass Sasuke Naruto traf, und seit dieser Zeit kam der blonde Vogel, als wäre er bei Sasuke Willkommen. Sasuke beleidigte ihn nach jeder Regel der Kunst; keine Möglichkeit ließ er verstreichen – und doch kam Naruto wieder und wieder. Sasuke verfluchte Naruto dafür, jeden verdammten Tag, an dem er sich blicken ließ – und doch war er der einzige Besuch, wenn nicht sogar der einzige Mensch, den er – wenn auch nicht bewusst – auf seine eigene, gestörte Art brauchte. Sasuke schaltete auf einen anderen Sender und bemerkte Sakura, die sich in die Küche geschlichen hatte. Er sagte nichts, denn momentan hatte er kein Interesse daran, sich mit ihr abzugeben. Sie war der Grund, weswegen sein Rhythmus durcheinander gekommen war, und er mochte es nicht, wenn solche Dinge passierten. Zudem ärgerte er sich darüber, dass sie ihm vorhin gedankt hatte. Es war unangebracht gewesen, und gegen jede Logik. Doch war es nicht auch gegen seine Vernunft, sie am Leben zu lassen? Sie brachte das Unheil über ihn, dass er bevorzugte, nicht in seinen Alltag kommen zu lassen. Sie wühlte seine Gefühlswelt auf, die bisher immer dem gleichen Schema gefolgt war. Sie weckte Erinnerungen, die er zu vergessen hoffte, und die er doch nicht vergessen konnte. Erinnerungen daran, dass auch er einst wusste, was Menschlichkeit bedeutete. Heute verachtete er diese Emotionen, die schwächten und einen Mann zum winselnden Hund degradierten – vor vielen Jahren aber waren sie Bestandteil seines Lebens gewesen. Er verachtete das Mädchen nicht, weil sie das jämmerliche Abbild einer Frau war. Er wollte sie nicht tot wissen, weil sie Probleme mit sich brachte, die er kaum gebrauchen konnte. Auch nicht, weil sie sein System durcheinander brachte. Er verachtete sie, weil er sie fürchtete, wie er bisher niemanden hatte fürchten müssen. Sasuke kannte keine Angst, denn er hielt sich weder an die Regeln der Menschlichkeit, noch an die Regeln des Gesetzes. Für ihn galten allein seine Regeln, und für ihn allein galt seine Existenz. Er fürchtete weder Tod noch Teufel, denn niemand konnte einem Mann wie ihm, der nichts zu verlieren hatte, befehlen oder in Schrecken versetzen. Sakura Haruno aber fürchtete er, weil er all das, was er ihr antun wollte, nicht antun konnte. Weil sie ihn manipulierte, durch ihre Augen, und ohne sich dessen bewusst zu sein. Weil sie den schwarzen Muskel in seiner Brust bewegte, der längst hätte verfault sein müssen. Und weil sie sich bedankt hatte, anstatt ihn zu verfluchen. Sasuke war auf der Couch eingenickt, und als er mit steifen Nacken erwachte, war der Morgen bereits angebrochen. Er wunderte sich, dass der Fernseher ausgeschalten war, und gleichfalls wurde er misstrauisch, als er Geräusche hinter sich hörte. „Guten Morgen, Sasuke!“, kam es ihm entgegen, noch ehe er das Ausmaß dessen begreifen konnte, was ihm in die Nase stieg. „Es gibt Frühstück!“ „Was zum …“ Sasuke warf Naruto, der an dem edlem Esstisch saß, einen mürrischen Blick zu. „Was wird das, wenn es fertig ist?“ „Immer noch Frühstück“, sagte Sakura und kam aus der Küche. Sie trug einen Korb voller Brötchen und stellte sie auf den Tisch, ehe sie sich selbst hinsetzte. „Du bist eingeladen, daran teilzunehmen.“ Sasuke runzelte die Stirn, doch war er viel zu verschlafen, um ihr eine schlagfertige Drohung an den Kopf zu werfen. Stattdessen verzog er das Gesicht und verschwand ohne Antwort aus dem Zimmer. Sakura, die über diese Form der Ablehnung erleichtert war, griff hungrig nach dem Messer und schmierte sich fast genauso viele Brötchen, wie es Naruto zu tun pflegte. Sie unterhielten sich, als säßen sie bei ihm in der Wohnung und würden danach zur Universität gehen. Für Sakura war es entspannend, und fast schon fühlte sie sich sicherer wie die Stunden zuvor. Mit Naruto fiel es ihr leichter, sich nicht ständig der grausamen Wahrheit hinzugeben. „Geht er eigentlich alleine einkaufen?“, fragte Sakura so leise wie möglich. Die Vorstellung, Sasuke Uchiha würde mit friedlicher Absicht einen Supermarkt betreten, kam ihr unnatürlich und bizarr vor. „Personal“, gab Naruto schmatzend zurück. „Er lässt für sich einkaufen.“ „Er putzt auch nicht, oder?“ Sakura kicherte leicht. „Personal“, sagte Naruto wieder und grinste. „Und was macht er den ganzen Tag, wenn er nicht …“ Sie sprach es nicht aus, doch Naruto wusste sehr wohl, was sie sagen wollte. „Er arbeitet. Er hat eine Firma im Bezirk Shibuya. IT-Branche, soweit ich weiß. Softwarevermarktung und so’n Käse. Kompliziertes Zeug.“ Sakura schnaubte. „Reicht ihm das nicht?“ „Du meinst, weil er nachts anderweitig beschäftigt ist?“ „Nein, weil er nachts Menschen umbringt! Ist er so krank, bringt es mehr Geld?“ Sakuras Laune wandelte sich schlagartig. „Er tötet gegen Bezahlung, das ist wahr …“ Naruto seufzte, und da er Sakura nicht ansehen wollte, blickte er aus dem Fenster. Sakura schüttelte sich und legte ihr Brötchen beiseite. „Ein Workaholic, wow …“ „Es …wir kennen seine Gründe nicht, wir …“ „Gründe? Welchen Grund kann es dafür geben, außer dass er ein Irrer ist? Gott, Naruto! Wir …“ Sakura versuchte durchzuatmen und nicht lauter zu werden. „Können wir nicht woanders hin? Können wir nicht vielleicht nach Okinawa Honto fliegen, oder noch weiter weg?“ „Was ist mit deinem Vater?“, fragte Naruto unerwartet. „Können wir ihn um Hilfe bitten, wenn er Kontakte in …“ „Nein!“, sagte Sakura heftig und stand noch im gleichen Moment auf. „Eher würde ich …“ „Dann haben wir keine Wahl, Sakura. Ich kenne nur Sasuke, er ist unsere einzige Hilfe.“ „Er ist keine Hilfe! Und ich versteh auch nicht … Woher kennst du ihn überhaupt? Ich … was meinte er, als er das mit deinem … deinem Vater gesagt hat, und mit Kyoto? Du hast mir nie davon erzählt.“ „So wie du mir nie etwas über dich gesagt hast“, meinte Naruto und lächelte betrübt. „Aber das hat nichts mit uns oder unserem Problem zu tun. Es spielt im Moment keine Rolle …“ Sakura wusste nicht so recht, wie sie Naruto antworten sollte. Sie mochte ihm nicht zu Nahe treten, und doch wollte sie Gewissheit, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Ermordung seines Vaters und ihrer Familie gab. „Weißt du, wer deinen Vater …“ „Ja“, sagte Naruto ruhig. „Das weiß ich. Sasuke hat Unrecht mit dem, was er behauptet hat. Ich habe es gehört, Sakura. Mach dir darüber keine Gedanken. Yoshida ist mir kein Begriff, und der Mord an meinem Vater hatte nichts mit den Geschehnissen in Kyoto zu tun. Es war nur Zufall, dass er dort umgebracht wurde.“ „Warum hat man deinen Vater … Ich meine, was hatte er getan?“ „Polizist“, sagte Naruto einfach. „Ein käuflicher. Falsche Leute, ein riskantes Spiel … zu hoch gepokert. Addiert man das zusammen, dann passiert das, was mit ihm passiert ist.“ Naruto schüttelte matt seinen blonden Schopf. „Aber er war mein Vater, und egal was er getan hat, so ein Ende hatte er nicht verdient.“ „Das … tut mir leid. Wann …“ „Vor fast fünf Jahren. Meine Mutter starb noch, als ich ein Kind war. Mein Vater hat’s nie verkraftet. Er hat getrunken und er hat … sich in die Scheiße ziehen lassen. Das kam bei raus.“ „Und du weißt, wer es war?“ Naruto nickte. „Sie nannte sich Keiko Ishiguro. Ich habe einige Frauen mit diesem Namen ausfindig gemacht, aber es gibt tausende in Japan …“ „Eine Frau?“, entfuhr es Sakura. „Ja“, sagte Naruto. „Eine Frau. Und sollte ich sie eines Tages finden, dann werde ich sie töten. Das habe ich am Grab meines Vaters geschworen. Das bin ich ihm schuldig.“ „Gott.“ Sakura konnte das alles kaum fassen. Sie fuhr sich durch die langen rosa Haare, doch dann blinzelte sie irritiert. „Wie hast du die Frau genannt?“ „Hmm?“ Naruto blickte genauso verwirrt. „Sie nannte sich Keiko Ishiguro. Aber vielleicht ist es auch ein falscher Name. Er stand in einem Brief, der an meinem Vater adressiert war. Es war eine Morddrohung. Das was sie schrieb, passierte. Alles okay, Saku?“ „Ja, mir ist nur …“ Sakura wurde ganz blass, dann sah sie Naruto entschuldigend an. „Ich leg mich kurz hin, okay? Mir ist irgendwie … das war … viel.“ Sie lächelte erschöpft, und kaum, dass Naruto besorgt zurücklächelte und nickte, verschwand sie eilends aus der Küche und rannte hinauf in ihr Gästezimmer. „Verdammt“, sagte sie sie, schloss die Tür hinter sich und schmiss sich aufs Bett. Sie griff nach dem Kissen und drückte es sich aufs Gesicht, wie sie das Schluchzen nicht mehr zurückhalten konnte. „Verdammt“, keuchte sie abermals hinein, krallte sich in dem Kissen fest und brauchte einige Minuten, ehe sie sich wieder fassen konnte. Sie schmiss es zur Seite, blieb aber liegen und starrte abwesend zur Decke. Immer wieder echote der Name dieser Frau durch ihr Gedächtnis. Keiko Ishiguro … Keiko Ishiguro … Keiko Ishiguro … Naruto hatte gesagt, er würde seinen Vater rächen. Er würde die Frau töten. Aber was, wenn er ihr gegenüberstand, und sie die erste sein würde, die abdrückte? Was, wenn es Naruto war, der erschossen wurde? Was, wenn sie ihm etwas über Keiko Ishiguro erzählen könnte; und es am Ende ihre Schuld wäre, dass Naruto sein Leben verlor … Kapitel 10: Vom Mitgefühl und Gewissen, und dem schwarzen Muskel in seiner Brust -------------------------------------------------------------------------------- Sakura hatte es nicht lange in dem Zimmer ausgehalten. Schon wenige Minuten nachdem sie sich einigermaßen beruhigt hatte, war sie wieder aufgestanden und hatte sich aus dem Haus geschlichen. Sie musste ihren Kopf frei bekommen, und immer, wenn sie sich mit ihren Gedanken überladen fühlte, ging sie für gewöhnlich spazieren. Sakura war erleichtert, dass sie niemand bemerkte, als sie um das große Anwesen lief und den gewaltigen Garten durchquerte. Die Sonne schien, als hätte es die letzten Regentage nie gegeben, und Sakura zog es zu dem stillgelegten Springbrunnen am anderen Ende des Geländes. Hinter ihm lag eine dichte, meterhohe Hecke, und fast war sie dankbar, dass sie so nicht hinüber sehen konnte. Sie setzte sich auf eine steinerne Bank und musterte den Brunnen genauer. Er musste sehr teuer gewesen sein, und sie fand es schade, dass er nicht lief. Sicher sah es herrlich aus, wenn der große Löwenkopf das Wasser in die vielen Schalen spie, wenn sie überliefen und die Stufen darunter bedeckt wurden. Sakura hatte Wasserspiele schon immer geliebt, und sie erinnerte sich an den Stadtbrunnen in Kyoto, den sie mit ihrer Mutter oft besucht hatte. Einmal war sie sogar hineingefallen, als sie sich zu weit über den Beckenrand gelehnt hatte. Ihre Mutter hatte natürlich geschimpft, doch dann hatte auch sie das Lachen nicht zurückhalten können. Sakuras Mutter hatte in Kyoto selten lachen können. Eine ganze Weile hing Sakura den alten Erinnerungen nach, als es in ihrer Tasche vibrierte. Erst schrak sie fürchterlich zusammen, doch dann griff sie hastig nach ihrem Handy. Sie erkannte Kaitos Nummer, doch kaum, dass sie abnahm, war die Verbindung unterbrochen. „Mist“, fluchte Sakura, stand auf und wollte zum Haus, als sie gegen etwas prallte. Sie stolperte zurück und fiel beinah zu Boden, doch packte sie eine Hand und hinderte sie am Stürzen. „Danke …“, murmelte sie verlegen, doch als sie glaubte Sasuke ansehen zu müssen, blickten ihr zwei braune Augen entgegen. „Ganz leise jetzt, wenn du möchtest, dass keinem etwas passiert“, sagte der Fremde und hielt sich den Finger bezeichnend an die Lippen. „Wie nett, dass du mir entgegen gekommen bist.“ „Wer …“ Sakura blieb die Luft weg und sie riss ihren Arm hektisch zurück. „Wer sind sie?“ Sie blieb leise, denn sie hatte seine Warnung sehr wohl verstanden. „Du wirst mich jetzt begleiten“, sagte der dunkelgekleidete Mann, dessen Statur einem schon Schauer über den Rücken jagte. „Und wenn du schreist, dann erschieße ich deine beiden Freunde, haben wir uns verstanden?“ „Ich …“ Sakura spürte, wie ihr die Knie versagen wollten, doch nickte sie widerwillig. Sie durfte Naruto nicht in Gefahr bringen, nicht einmal, wenn er sich vielleicht wehren könnte. „Los, hier lang“, sagte der Fremde, fasste Sakura am Arm und zog sie grob hinter sich her. Seine Waffe hielt er vor sich, und er schlich unentwegt an der hohen Hecke entlang, die auch die Sicht zu den Fenstern versperrte. Es würde niemand sehen, dass er Sakura mit nahm … „Lauf schneller“, befahl er, als er mit Sakura ein kleines Tor auf der anderen Seite des Anwesens erreichte. Er schubste sie unsanft hindurch, machte dabei keine Geräusche und trieb sie an, weiter zu laufen. Sakura stellte fassungslos fest, dass er sie in einen Wald führte, und als sie stehen bleiben wollte, stieß er sie in den Rücken und zerrte sie einen Weg entlang, der von den letzten Regentagen noch ganz schlammig war. „Sie wollen mich … sie wollen mich töten, wie die anderen“, flüsterte Sakura, die ruppig mitgeschleift wurde. Der Wald schien groß und dicht, und der Fremde führte sie immer tiefer hinein. Beklemmend sah sich Sakura um und hinauf zu den Wipfeln der Bäume, die nur spärlich das Sonnenlicht hindurch ließen. „Warum? Was hab ich getan?“ „Mir egal, was du getan hast“, gab der Mann zurück, und wie er sich zu ihr umdrehte und grinste, tat Sakura einen raschen Schritt zurück und versuchte abermals davon zu kommen. Ihre einzige Chance war Sasuke, und so sehr sie ihn verfluchte und verabscheute – in diesem Augenblick wollte sie nur zu ihm zurück . Doch Sakura schaffte es gerade einmal zwei Meter in die entgegengesetze Richtung, da fasste sie der Fremde schon und riss sie zu Boden. „Bleib gefälligst hier“, fauchte er, zog Sakura nach oben und stieß sie gegen den Stamm eines Baumes. Er hielt ihr seine Pistole gegen die Schläfe und grinste erneut. „Willst doch nicht etwa abhauen? Das bringt nichts, kapiert? Ich krieg dich doch wieder. Machs dir nicht unnötig schwer …“ Er lachte vergnügt und gab Sakura das Gefühl, er wäre noch wahnsinniger als es Sasuke war. Seine ruhelosen Augen lagen auf ihr, und Sakura wurde schlecht bei seinem Anblick. Sein Atem, der so dicht kam, betäubte sie bald, und seine Zähne waren gelb und lückenhaft. Der Vorderste war auf der linken Seite abgebrochen, und Sakura hatte das dringende Bedürfnis sich zu übergeben. Der Gestank von Alkohol und altem Rauch drang ihr in fortwährend die Nase, und sie musste an den widerwärtigen Geruch der Thioalkohole denken, die als Aromastoffe in Milch und Käse eingesetzt und bei den Fäulnisprozessen frei wurden. „Ich hab … nichts getan“, presste sie zwischen den Lippen hervor. „Ihr verwechselt mich, ich hab …“ „Dich verwechselt keiner, junges Fräulein, klar?“ Der Mann drückte sich stark gegen sie, und während seine Waffe weiterhin auf ihren Kopf gerichtet blieb, griff er mit der anderen Hand nach ihrem Hals. „Dich könnte man gar nicht verwechseln …“, sagte er heiser und drängte sich noch etwas mehr an Sakura, deren Herz entsetzlich raste und sich vor Angst zu Überschlagen drohte. Wie versteinert sah sie den Fremden an, dessen dreckiges Grinsen nicht verblasste, und dessen knorpelige Finger zu den Knöpfen ihrer Bluse glitten. „So eine Verschwendung“, hauchte er neben ihrem Ohr, dass Sakura schon den bitteren Geschmack im Mund fühlen konnte. Sie musste sich übergeben, schoss es ihr durch den Kopf. Wenn sie sich übergeben müsste, würde sie dieser ekelhafte Mensch nicht mehr anrühren wollen. Doch Sakura konnte nicht, so sehr sie es auch erwartete. Hilflos ließ sie den Mann die Knöpfe öffnen und flehte, dass es einfach nur schnell vorbei sein würde; dass sie abdriften konnte in eine andere, bessere Welt, und dass es ohne Schmerzen enden würde. Wozu wehren, dachte sie. Das kalte Metall drückte gegen ihre Schläfe, und selbst wenn sie diesen Menschen überleben würde – der nächste käme, und er würde das gleiche versuchen. Wozu weiterleben, fragte sie sich. Der nächste wartete schon, und sie würde doch sterben. Wozu es hinauszögern, wenn es doch hier ein Ende finden konnte … „Jetzt wird es interessant, junges Fräulein“, hörte sie ihn sagen, als er die letzten Knöpfe öffnen wollte. „Jetzt wird es …“ „Sehr interessant“, beendete eine eiskalte Stimme den Satz, so dass Sakura die Augen aufriss und fassungslos den Kopf wand. „Erst gibst du dem Mädchen deine Waffe, und dann machst du sie wieder zu“, sagte Sasuke, und mit seiner eigenen Pistole deutete er auf Sakuras Bluse. „Du hast zwei Sekunden, Toshida …“ „Was zum Henker …?“ „Eins …“ „Fuck!“ Der Mann knöpfte Sakura die Bluse zu, nachdem er ihr die Pistole in die Hand gedrückt hatte. „Bastard, du hast dich nicht einzumischen!“ „Der Wald gehört zu meinem Grundstück, Toshida. Du hast mein Eigentum nicht zu betreten“, korrigierte Sasuke. „Jetzt geh ein paar Schritte rückwärts.“ Toshida tat widerwillig, was Sasuke ihm sagte. Sein Gesicht war rot geworden, und seine Augen funkelten Sasuke vor Zorn an. „Du hast nichts davon, wenn du mich jetzt abknallt’s, Uchiha. Kapiert? Du hast überhaupt nichts davon!“ „Möchtest du ihn erschießen?“ Sasuke beachtete Toshida nicht, doch drehte er sich zu Sakura und sah sie kalt an. „Deine Gelegenheit. Ich muss dir kaum erklären, was er eben vorhatte.“ „Was?“, keuchte Sakura entsetzt. „Aber …“ Sie ließ die Waffe fallen, als hätte sie Angst davor. „Das … ich kann nicht …“ „Wie: was? Kannst du nicht abdrücken?“ Sasuke schien wütend, fast wütender wie er es keine Sekunde zuvor gewesen war. „Entsichern“, sagte er schlicht und richtete die Waffe auf Toshida. „Und dann den Abzug nach hinten ziehen.“ Der ohrenbetäubende Knall hallte durch den dichten Wald, doch noch lauter war Toshidas Aufschrei, als die Kugel seine linke Hand zerfetzte. „Soll ich es dir noch mal zeigen?“, fragte Sasuke, als hörte er die Schmerzenschreie des Mannes nicht. „Gott“, wisperte Sakura mit Tränen in den Augen, als Toshida zu Boden ging und seine andere Hand auf die blutende Wunde drückte. „Hör auf, Sasuke bitte …“ „Glaubst du, er hätte aufgehört?“ Sasuke klang beherrschter, als wirkte Toshidas Stöhnen beruhigend. „Er hätte dich erst vergewaltigt, und dir dann die Kehle durchgeschnitten. Und hätte er noch seine Waffe, würde er jeden von uns durchlöchern. Zuerst mich, dann wärst du an der Reihe, und zum Schluss würde er Naruto das Hirn wegpusten.“ „Hör auf“, wimmerte Sakura nur. „Hör bitte auf damit!“ „Das hätte wehgetan, Sakura.“ Sasuke schüttelte den Kopf. „Er hätte seinen dreckigen Schwanz in dich gestoßen wie in ein Tier, und deine Schreie hätten ihn auch nicht interessiert.“ Plötzlich feuerte er eine zweite Kugel ab, die Toshida am Oberarm traf. Wieder schrie der Killer auf, und Sasuke lächelte amüsiert, ohne sich ihm zuzuwenden „Uns sollten seine Schreie auch nicht interessieren, Sakura. Dich am allerwenigsten. Mir können sie dagegen eigentlich egal sein.“ Er seufzte gleichgültig, doch dann hob er die Waffe ein weiteres Mal. „Beschissenerweise sind sie das aber nicht“, raunzte er unerwartet heftig, und als er zum dritten Mal abdrückte, musste sich Sakura abwenden und die Ohren zu halten. „Bring ihn doch einfach um!“, schrie Sakura, und sie musste laut schreien, damit sie Toshida übertönte. „Gott, bitte mach doch, dass es endlich aufhört!“ Sie hielt sich an dem Baum fest, damit sie nicht zu Boden fiel und blickte auf die dunkle Rinde, doch hatte sich Toshidas Anblick längst in ihr Gedächtnis gebrannt. „Tss“, kam es von Sasuke, und wieder sah er voller Abscheu zu Sakura. Ihm fiel es nicht schwer, Toshida zu ignorieren. Seine Schreie erreichten ihn nicht – weder sein Mitgefühl, noch sein Gewissen. Er schüttelte nur seinen Kopf und ärgerte sich über Sakuras fehlenden Mut. „Sieh zu, dass du zurückgehst“, sagte er lediglich und deutete in Richtung des Anwesens. Dann wartete er, bis Sakura verstand und gehorchte, und langsam näherte er sich der stöhnenden Gestalt am Boden. Er war genervt, nicht nur von dem winselnden Mann, sondern auch von sich selbst. Von seiner eigenen Schwäche, die das Mädchen in ihm hervorrief. Er sollte Toshida am Leben lassen, überlegte er aufgebracht, als er ihm in den Magen trat. Allein deswegen, weil er niemanden für ‚sie’ töten wollte. „Wichser!“, verdammte er Toshida dabei, zielte und schoss ihm schließlich doch zwischen die Augen. Und zum ersten Mal tat er es nicht nur, weil ihm Mitgefühl und Gewissen fehlten. Sondern weil er wütend war, und sich der schwarze Muskel in seiner Brust rührte. Kapitel 11: Ein eigenartiges Gespräch ------------------------------------- Ohhhh jeeeeee!!!! Es tut mir sooo leid, ich hab tatsächlich ein Kapitel vergessen!! Jacward hat mich eben drauf hingewiesen (danke danke danke!!!), dass ich das Kapitel zwischen 10 und 11 nicht hochgeladen hab. Asche auf mein Haupt, ehrlich. Bei mir gehts momentan nur bissl drunter und drüber, kann mich also nur entschuldigen... Das ist also das vergessene Kapitel, das hinter "Vom Mitgefühl und Gewissen..." hätte kommen müssen. Goooomen!!! Eure Route66 _________________________________ „Was hast du getan?“, rief Naruto zornig. „Was hast du mit Sakura gemacht?“ Sasuke zuckte gleichgültig mit den Schultern, als er die Treppen zum Anwesen hinaufstieg. „Frag sie doch“, brummte er genervt, lief an Naruto vorbei und den Flur entlang zum Kellereingang. „Sie hat mir aber nichts gesagt, Sasuke! Dafür hat sie geweint, und jetzt hat sie sich eingeschlossen!“ Naruto hatte vor Wut rote Flecken im Gesicht, und er wirkte wie eine Bombe, die jeden Moment explodieren konnte. „Was war da draußen los?“ „Toshida“, sagte Sasuke kurz angebunden, blieb aber stehen. Er hatte seine Hand bereits auf der Klinke, doch wandte er sich Naruto noch einmal zu. „Pass in Zukunft auf, dass sie das Haus nicht mehr verlässt, verstanden? Ich bin kein Babysitter!“ „Wie?“, fragte Naruto. Er runzelte die Stirn und blickte Sasuke prüfend an. „Ist Toshida einer von … von denen, die Sakura …“ Er musste schlucken, wie er sich der Situation bewusst wurde. „Er war“, korrigierte Sasuke teilnahmslos. „Ich fahr jetzt nach Shibuya. Schließt ab.“ „Shibuya? Weswegen?“ „Weswegen?“ Sasuke verzog das Gesicht. „Die haben auf meinem Grundstück nichts verloren, deswegen! Wenn die euch irgendwo anders schnappen, ist mir das reichlich egal. Aber ich will hier niemanden von ihnen sehen, Naruto! Das ist logisch, oder?“ „Ähm …“ Naruto machte erst eine verwirrte Miene, doch plötzlich grinste er. „Ja, logisch, ja.“ Sasuke hob die Augenbraue, ehe er gefährlich knurrte. „Ich mach das nicht für euch, verstanden? Ich mach das allein für meinen Frieden!“ „Ja“, sagte Naruto und grinste immer fort. „Ich weiß. Danke, Sasuke …“ „Danke …“, höhnte dieser genervt. „Der nächste, der sich bedankt, wird rausgeschmissen. Ich hab die Schnauze voll von dem dummen Gelaber. Wenn das hier erledigt ist, dann sind wir quitt, geht das in dein Hirn? Dann will ich deinen Arsch hier nie wieder sehen!“ „Geht klar“, sagte Naruto und hob die Hand, als würde er salutieren. „Ich habe verstanden.“ „Idiot“, zischte Sasuke, trat durch die Tür in den Keller und knallte sie lautstark hinter sich zu. Als Sasuke den Keller zur Hintertür verließ, ging er unhörbar ums Haus herum und zu der mächtigen Garage, in der zwei Wagen standen. Der eine war ein schwarzer Toyota Crown, der andere ein Skyline der Marke Nissan. Sasuke hatte nicht viel für Autos übrig, aber zu gegebener Zeit waren sie ihm nützlich; in erster Linie, weil die Verbindungen aus Tokio in diese Gegend für ihn inakzeptabel waren. Sonst bevorzugte er jedoch die U-Bahn, denn nirgends gab es mehr Menschen, in deren Mitte er wie ein Schatten verschwinden konnte. Sasuke schaltete das Licht an und ging hinüber zu dem Toyota. Seine Mimik war starr, als er die Beifahrertür öffnete und Sakura eisig fixierte. „Was soll das werden?“, fragte er schroff. „Steig aus, sonst zerr ich dich raus.“ „Ich will mit, Sasuke“, bat Sakura, die das Gespräch zwischen ihm und Naruto gehört hatte. „Bitte, ich muss ... wenigstens versuchen mit ihnen zu reden. Wenn du weißt, wer mich töten will, dann …“ „Dann ist es das Einfachste, dich zu ihm zu bringen.“ Sasuke grinste. Er sah Sakura für einen Moment belustigt an, doch schlagartig wurde er wieder zornig. „Steig aus dem Wagen und geh ins Haus, Sakura. Ich habe keine Lust auf dein Selbstmordkommando. Im untersten Fach im Gästebad liegt eine Waffe. Meinetwegen kannst du sie dir nehmen und dich irgendwo außerhalb meines Grundstücks erschießen.“ „Dann kann ich auch ebenso mitkommen“, antwortete Sakura ernst, auch wenn ihr der Gedanke einen Schauer über den Rücken jagte. „Bitte Sasuke. Wenn es … wenn es nur eine Verwechslung ist, oder ein Missverständnis …“ „Du bist noch dümmer als Naruto.“ Sasuke schnaubte, als widere sie ihn an. Er schien eine Sekunde mit sich zu ringen, doch dann ging er um den Wagen herum und stieg ein, ehe er den Motor startete und los fuhr. „Du gehst mir auf die Nerven, weißt du das?“, knurrte er, kaum dass sie die Ausfahrt erreichten und auf die Landstraße Richtung Stadt einbogen. „Tut mir leid“, sagte Sakura einfach. „Hör auf dich zu entschuldigen. Das nützt mir wenig.“ „Okay.“ Sakura holte tief Luft und lehnte sich nach hinten. „Danke für … für vorhin.“ „Dein Dank nützt mir noch weniger“, kam es grimmig zurück. „Okay.“ Sakura seufzte. „Trotzdem danke.“ „Halt einfach die Klappe.“ „Hmm“, machte Sakura, und für eine Weile blieb es zwischen den beiden still. Sie nahm ihr Handy aus der Tasche, sah kurz hinauf und tippte Naruto eine Sms, damit er sich keine Sorgen machen brauchte. Kaum hatte sie die Sms verschickt, folgte aber schon sein Anruf, den Sakura eiligst wegdrückte. Sie stellte das Gerät auf lautlos, und als sie fünf Minuten später wieder aufs Display sah, konnte sie dreißig Anrufe in Abwesenheit ablesen, ehe es schon wieder zu klingeln begang. „Können wir reden?“, sagte sie so plötzlich, dass sie Sasuke zum Zusammenzucken brachte. Sofort warf er ihr einen finsteren Blick zu, und sie überlegte, ob es wegen ihrer unangemeldeten Frage war, oder weil sie reden wollte … „Reden?“, gab Sasuke zurück, und es klang wie das Widerlichste auf der ganzen Welt. „Wozu?“ „Warum nicht ‚worüber’?“ Sakura blickte Sasuke fragend an. „Wäre das nicht die nächstliegende Frage? Wozu erklärt sich eigentlich aus der Situation heraus, und selbst wenn man statistisch …“ „Verdammte Scheiße“, entfuhr es Sasuke. „Dann rede, aber hör auf über Statistiken zu quatschen!“ „Gut“, sagte Sakura. „Darf ich dich etwas fragen?“ „Ist das schon die Frage?“ „Nein, ich …“ Sakura kaute nervös auf den Lippen, doch dann riss sie sich zusammen und faltete ihre zittrigen Hände im Schoss. „Warum tötest du mich nicht?“ „Weil auch ich Fehler mache …“, sagte Sasuke grollend, ehe er arrogant grinste. „Ah“, gab Sakura irritiert zurück. „Das war … ein Scherz, kann das sein?“ „Mir kommt es wirklich wie ein Witz vor, was ich tue …“ Sakura wirkte noch immer ungläubig. Hatte Sasuke Uchiha tatsächlich einen Scherz gemacht? Einen makaberen sicher, aber – war es nicht trotzdem der Ansatz eines Scherzes gewesen? „Okay“, sagte sie hastig. „Aber ich habe nachgedacht und … ich finde es seltsam.“ „Das ist es in der Tat.“ „Warte doch mal kurz“, meinte Sakura schlicht, als würde sie in einem Dialog mit Naruto stecken. Sasuke runzelte die Stirn, doch machte er es wirklich. Er wartete … „Naruto hat mir gesagt, dass du … tagsüber in einer Firma arbeitest …“ „Meiner Firma“, verbesserte Sasuke automatisch, obwohl ihm dieses Gespräch überaus absurd erschien. „Ja, dann so, aber … nachts arbeitest du für andere … für Geld und … für Geld eben.“ „Auf was willst du hinaus?“, murrte Sasuke. Das war schon mehr als absurd, was dieses Mädchen hier mit ihm veranstaltete. Sakura lächelte unerwartet und wandte sich Sasuke zu. „Ich habe mich nur gefragt, ob man dir auch angeboten hat, mich zu töten. Es ist scheinbar nicht wenig Geld, und du tötest für viel Geld … aber vielleicht hat man es dir auch gar nicht angeboten, weil …“ „Du solltest den Mund halten, wenn du über Dinge redest, die du nicht verstehst“, unterbrach Sasuke kalt. „Weil du nicht jedes Angebot annimmst“, beendete Sakura trotzdem ihren Satz. „Ich kannte mal jemanden, der hat … etwas ähnliches getan wie du …“, gab sie nervös zu. „Aber er hat nie eine Frau getötet, oder Kinder. Er hat Menschen getötet, die selbst …“ „Sakura, ich bin kurz davor dich aus dem Wagen zu schmeißen!“ „Dann hab ich Recht?“ „Du hast höchstens ein Problem, wenn du nicht aufhörst!“ „Das hab ich sowieso schon“, murmelte Sakura und schüttelte sich. „Du weißt, warum sie mich umbringen lassen wollen. Warum sagst du es mir nicht?“ „Ich bin mir nicht sicher“, gab Sasuke einfach zu. „Yamada sagte mir, wer du bist, und dass sie dich wegen deinem Vater töten wollen. Es wäre logisch gewesen, hätten sie deinem Vater vielleicht einen Denkzettel verpassen wollen. Allerdings hat mir eine andere Quelle bestätigt, dass er seit vier Monaten in Europa ist. Das macht die Sache für mich weniger logisch.“ „Yamada?“ „Unwichtig“, knurrte Sasuke. „Aber ich weiß, für wen Yamada normalerweise gearbeitet hat.“ „Zu dem willst du jetzt?“ „Möglich“, knurrte Sasuke immer noch. Dieses Gespräch passte ihm überhaupt nicht, und noch weniger verstand er sich selbst. Er könnte Sakura auch einfach zum Schweigen bringen. Warum tat er es nicht? „Ich will …“ „Mir ist scheiß egal, was du willst. Du wirst dort warten, wo ich dich absetze.“ „Kann ich dich noch was fragen?“ Sakura sah wieder auf ihr Handy. Mittlerweile waren es 46 Anrufe in Abwesenheit. „Nein!“ „Es geht um Naruto …“ „Ich sagte nein!“ „Weiß du, wer seinen Vater ermordet hat?“ „Nein.“ Sakura seufzte und lehnte sich mit verschränkten Armen auf die Armatur. „Das ist ein schöner Wagen“, wechselte sie auf einmal das Thema. Sie griff zum Radio, und bevor Sasuke sie aufhalten konnte, hatte sie es angestellt. „Nur kurz“, bat sie und lehnte sich wieder zurück. „Liest du gerne? Du hast viele Bücher.“ „Willst du mich verscheißern?“, fragte Sasuke bissig. Wollte ihn dieses Weib zum Überkochen bringen? „Es gibt ein Buch, das ich früher oft gelesen habe, von einem japanischen Schriftsteller. Er lebt aber seit seiner Kindheit in Europa. Du hast es auch. Es steht zwischen den Büchern über Spanien.“ „Du steckst deine Nase zu tief in Dinge, die dich nichts angehen, Sakura …“, sagte Sasuke drohend. Langsam begriff er, auf was sie hinaus wollte. Es überraschte ihn, auch wenn es ihn ebenso wütend machte. „Naruto ist mein bester Freund … Ich weiß etwas über diese Frau, und du weißt es auch. Ich habe … nur Angst, dass ihm etwas passiert, wenn ich es ihm sage …“ „Du redest Unsinn. Philosophier lieber über deine eigenen Probleme.“ Sakura sagte nichts darauf, doch wie sie ins Stadtinnere kamen, sah sie aus dem Fenster. „Können wir bei mir halten? Ich müsste unbedingt ein paar Sachen holen.“ „Hat Naruto dir nichts zum Anziehen mitgenommen?“, erwiderte Sasuke gereizt. „Doch, aber … ich will noch ein paar von den Lehrbüchern, und …“ „Du bist doch irre“, entfuhr es Sasuke schlagartig. „Du hast ein Ding weg, verdammt …“ Sakura lächelte rechtfertigend. „Ich bin nicht diejenige, die nachts einem Nebenverdienst nachgeht.“ „Nein“, stöhnte Sasuke verstimmt. „Du bist diejenige, die sich wegen ein paar bescheuerter Bücher abknallen lässt.“ Kapitel 12: Die gewonnene Traumreise in den Abgrund --------------------------------------------------- „Alles ist durchwühlt“, sagte Sakura wütend und warf dabei noch mehr in ihren Schränken durcheinander. „Was zum Teufel wollen die von mir? Glauben die, ich hab hier irgendetwas versteckt?“ Sasuke, der aus dem Fenster sah und die Straße beobachtete, zuckte nur mit den Schultern und enthielt sich einer Antwort. „Aber sicher, ich meine … die Wohnung einer jungen Frau zu ramponieren, gehört ja dazu. Was bringt es, sie einfach nur erledigen zu wollen – kann ja sein, dass sie geheime Papiere über geheime Projekte von geheimen Organisationen geheim hält, die so verdammt geheim sind, dass sie selbst gar nichts davon weiß!“ „Höre ich Sarkasmus in deinem Ausbruch?“ Sasuke schaffte es nicht, sich diesen Kommentar zu verkneifen. „Sarkasmus?“, höhnte Sakura lautstark und versuchte wenigstens etwas Ordnung in ihr Wohnzimmer zubringen, in dem nicht einmal mehr eine Vase auf ihren Platz stand. „Ich habe einen Ausbruch tobender Wut und Empörung! Sieh dich doch hier um! Ganz ehrlich, was rechtfertigt es, dass die meine Einrichtung so zerlegt haben? Wie hirnverbrannt kann man sein, dass man in meinem Kleiderschrank wühlt? Was glauben die, da zu finden außer Klamotten? Ich verstecke weder illegale Einwanderer, noch Drogen oder Waffen, noch weiß der Fuchs!“ „Vielleicht verbotene Bücher?“ Sasuke grinste spottend, und diesmal war es Sakura, die genervt die Augen verdrehte. „Sag mal, hast du letzte Nacht in einer Witzkiste geschlafen? Setz wenigstens dein Asta-La-Vista-Baby Gesicht auf, das wäre für diese Situation wesentlich passender! Ich tick hier doch aus, und … Oh Gott, siehst du das?“ Sakura griff nach ihrer Tasche, in der sie sämtliche Bücher aufbewahrte. Das Sasuke ihr dabei einen vernichtenden Blick zuwarf, ignorierte sie vollkommen. „Das kann doch nicht …“ Sie zog eines ihrer Bücher heraus, beziehungsweise was davon noch übrig war. Mehr und mehr Seiten fielen lose hinaus, und jedes weitere Buch sah nicht besser aus. „Wie kann man nur?“, rief sie und fuhr sich durch die Haare. „Warum machen die meine Bücher kaputt?“ Sasuke kniete sich neben Sakura und blätterte in einem zerrissenen Buch. Gerne hätte er seine Aussage von vorhin wiederholt, doch Sakura ging ihm mit ihren Kontersätzen zu weit. Würde sie ihn noch etwas mehr reizen – er wüsste nicht, wie lange er sich beherrschen konnte. „Was suchen die?“, wisperte Sakura, für die die Entweihung ihrer Bücher schlimmer war als das Aufschlitzen ihrer Polstermöbel. „Können die mich denn nicht einfach anrufen und fragen? Das ist doch …“ Sakura fuhr erschrocken zusammen, als in diesem Moment auch wirklich das Telefon klingelte. Sie sprang auf, noch ehe Sasuke sie aufhalten konnte, nahm ab und brüllte kräftig in den Hörer, was sie sich alle einbildeten. „Oh …“, entfuhr es ihr verlegen, wie sie Naruto am anderen Ende hören konnte – ebenfalls brüllend und meckernd, was sie sich denn dabei dachte, alleine mit Sasuke nach Shibuya zu fahren. „Tut mir leid …“, entschuldigte sie sich hastig. „Wirklich. Aber … die haben alle meine Bücher zerschnitten und auseinander genommen. Sogar das über Quantenphysik, Naruto! Da waren meine ganzen Notizen zum Campton-Effekt drin, die Heisenbergsche Unschärferelation, und … Gott, ich hatte da auch die Aufzeichnungen zur Schrödingergleichung! Was mach ich denn jetzt? Das war wochenlange Arbeit und … Natürlich habe ich nichts getrunken, Naruto!“, zischte Sakura wutentbrannt, wie ihr bester Freund erneut zu schreien begann und ihr so verdeutlichen wollte, wie egal das jetzt alles wäre. „Und nein, ich gebe ihn dir nicht!“, fauchte sie hinterher, als er unverschämterweise Sasuke sprechen wollte. „Vergiss es …“ „Gibt her“, sagte es hinter ihr mürrisch, und ehe Sakura überhaupt reagieren konnte, hatte Sasuke das Telefon genommen. Während den ganzen drei Minuten, die Naruto offenbar ohne Pause auf ihn einredete, sagte er nur zwei Worte: Ein genervtes „hmm“, und kurz bevor er auflegte ein verachtendes „Verrecke!“ „Wir gehen“, sagte er kurz angebunden, und Sakura, deren Nerven ein weiteres Mal wankten, nickte nur. Sie klaubte eiligst das wenige zusammen, das von ihren teuren Universitätsbüchern übrig war, doch als sie Sasuke hinaus folgen wollte, klingelte das Telefon ein zweites Mal. „Jetzt aber!“, sagte sie giftig und schnappte den Hörer, in den sie abermals die fluchenden Worte von vorhin rief. Es folgte eine längere Pause, und als Sakura die Farbe aus dem Gesicht wich, griff Sasuke instinktiv in seine Tasche und ging zu ihr zurück. „Danke“, war das einzige, was sie dem Anrufer entgegnete, ehe sie auflegte. Als könne sie keine Sekunde länger stehen, ließ sie sich auf das zerstörte Sofa fallen und sah starr aus dem Fenster. „Wer war das, Sakura?“, fragte Sasuke sofort, griff sie am Arm und zog sie mit sich aus der Wohnung. „Sag schon!“ „Kaito“, erwiderte Sakura abwesend. „Das war Kaito …“ „Wer soll das sein? Reiß dich zusammen, verdammt!“ Er zerrte sie die Treppe hinunter, blieb dann aber im Aufgang stehen. Unsanft drückte er sie gegen die Wand und sah zuerst mit geschultem Blick auf die Straße, ob er irgendeine feindliche Handlung erkennen konnte. „Sag's mir endlich!“ „Ein … ein Freund, aus Kyoto.“ Sakura schloss die Augen und ihre Lippen bebten, als sie weiter sprach. „Er hat … er hat’s herausgefunden und … er musste abhauen, hat er gesagt … sie wären ihm auf die Schliche gekommen …“ „Was hat er raus gefunden?“, fragte Sasuke scharf. „Warum …“, wisperte Sakura, ließ sich an der Wand zu Boden gleiten und vergrub ihr Gesicht in den Händen. „Scheiße“, sagte sie. „Scheiße, scheiße, scheiße!“ Sie fing an zu schluchzen, krallte sich in die eigenen Haare und hoffte, sich durch den Schmerz ablenken zu können. „Diese Dreckskerle, diese verdammten Wichser! Das ist meine Schuld! Alles ist meine beschissene Schuld!“ „Hör auf auszuticken!“ Sasuke zog Sakura grob auf die Beine. „Was hat er gesagt? Red endlich!“ „Er will nach Südkorea, aber er weiß nicht, ob sie ihn vorher kriegen. Was, wenn sie ihn erwischen? Sie werden ihn töten, Sasuke!“ „Sag mir, was er gesagt hat, Sakura! Was hat er raus gefunden? Warum sind sie hinter dir her? Ist es doch wegen deinem Vater, oder …“ „Nein“, sagte Sakura, befreite sich aus Sasukes Griff und ging ein Stück rückwärts. Sie begann unerwartet zu lächeln, und dann, einfach so, kicherte sie leicht. „Es ist … es ist absurd. Es ist total … Naruto wird sich hinschmeißen, er wird … er wird sich kaputtlachen und …“ Sie schüttelte den Kopf und Sasuke nahm an, sie hätte nun völlig den Verstand verloren. Er war nicht einfach nur überrascht, wie sie grinsend vor ihm stand, obwohl sie eindeutig vor Anspannung zu zittern schien – er war fassungslos. „Was hat er gesagt“, wiederholte Sasuke seine Frage, und er klang dabei so bedrohlich, dass Sakura sich auf die Lippen biss, um nicht weiter zu grinsen. „Es ist verrückt“, sagte sie mit hoher Stimme. „Total verrückt. Das glaubt … das glaubt niemand. Du wirst es auch nicht, man … man würde dich ja auch für verrückt erklären!“ „Sakura!“ Sasuke schnappte das Mädchen an den Schultern und schüttelte sie. „Sag es sofort!“ „Ein Rätsel“, presste sie zwischen den Lippen hervor, ehe sie wieder lachen musste. „Wegen einem dummen Rätsel des Nihon Ki-in.“ „Nihon Ki-in?“ „Ein Verlag“, erklärte Sakura, die nach wie vor amüsiert wirkte. Doch Sasuke stand ihr nah genug, um die Tränen in ihren Augen zu sehen. „Er veröffentlicht Zeitschriften über das Go-Spiel. Er verkauft auch Artikel, eigentlich ist es ein Verein, aber … ich les die Zeitschrift manchmal. Ich hab früher viel gespielt und ich war auch gar nicht schlecht, doch eigentlich …“ „Komm zum Punkt, wir haben keine Zeit!“ Sakura grinste, schüttelte wieder den Kopf und zuckte mit den Schultern. „Ich hab an einer Verlosung teilgenommen. Man sollte ein Rätsel lösen, mehr nicht. Der Hauptgewinn war eine Reise nach New York. Ich habe … mitgemacht, ich hab meine Lösung an die Adresse geschickt und … anscheinend den absoluten Gewinn erzielt. Peng!“, machte Sakura und plötzlich verebbte ihr Lächeln. „Da war ein Code drin … Ich hab den Code gelöst, anstelle des Rätsels. Vielleicht kam so etwas wie ‚Traumreise’ raus, aber ich bin immer wieder auf ein paar Zahlen gekommen – ich dachte, das wäre was ganz Kniffliges, obwohl ich es sehr simpel fand, aber … Ich hab statt des gesuchten Lösungswort das Datum eingeschickt, an dem das nächste Schiff in Yokohama einläuft. Beladen mit zig Kisten reinem Ecstasy!“ Sie schauderte heftig. „Kaito sagt, im Verlag wäre einer von ihnen gewesen, der das heimlich überwachen sollte – eigentlich war das Datum in dem Rätsel versteckt, damit die Käufer nur Bescheid wussten. Aber ich … ich musste die Scheiße ja lösen, und als die raus fanden, wer mein Vater ist … die dachten natürlich, es wäre eine Drohung aus Kyoto, die ich diesen Leuten unterbreiten sollte. Das mein Vater auch Bescheid wüsste eben, und … Ist das nicht …“ Sakura liefen längst Tränen die Wangen hinunter, doch versuchte sie wieder zu lächeln. „Ist das nicht irre? Ist das nicht … bescheuert? Die sind doch dumm! Die sind so dumm und machen einen Fehler, weil alle Welt ihren Code hätte knacken können, und mich wollen sie dafür …“ Ihre Stimme versagte, und sie schaffte es nicht einmal mehr zu stehen. Sie griff nach der Tür im Aufgang und hielt sich verkrampft daran fest, derweil sie die Augen zusammenkniff und einfach weiter weinte. Für Sakura war die Wahrheit am Ende zuviel geworden. Sie zu begreifen war das eine; um sie aber zu akzeptieren, bedurfte es weit mehr Nerven, als sie in diesem Moment noch aufzubieten hatte. Sie verlor sich in ihren Tränen, und niemand war bei ihr, der sie hätte trösten können. Naruto war im Anwesen und konnte von alledem nichts ahnen. Kaito flüchtete, bemüht sein eigenes Leben zu retten. Und Sasuke war dort, wo ihn seine Wut beherrschte. In seinem tiefsten Innern, in dem es außer Hass und Bitterkeit nur die todbringende Dunkelheit gab. Doch galt sie seit langem nicht mehr Sakura, deren Augen für ihn zum ersten Mal zu ihren eigenen, traurigen Augen geworden waren. Sie galt den Menschen, die ihre Augen so traurig haben werden lassen. Kapitel 13: Das Buch der Antworten ---------------------------------- „Ich kapier das nicht“, sagte Naruto im gedämpften Ton. Er saß an dem Bett, in dem Sakura lag und wartete, dass sie endlich aufwachen würde. Darauf hoffte er bald schon einen ganzen Tag, doch weder hatte sie bisher die Augen geöffnet, noch sich in irgendeiner Weise bewegt. „Was gibt’s da nicht zu kapieren?“, gab Sasuke unwirsch zurück. Er senkte seine Stimme keinesfalls, doch war auch ihm Sakuras Zustand eigenartig. Gestern, noch im Aufgang des Treppenhauses, hatte sie immerzu geweint, und er hatte Mühe gehabt, sie ins Auto zu schaffen. Seinen Plan hatte er ändern müssen, und statt zu seinem anfänglichen Ziel war er zum Anwesen zurück gefahren. Unterwegs war Sakura eingeschlafen, doch konnte man eher behaupten, sie wäre bewusstlos geworden. Narutos Gekreische hatte sie nicht geweckt, und egal wie oft der blonde Vogel später versucht hatte, mit ihr zu reden – sie hatte einfach nur dagelegen, als würde sie schlafen. „Vielleicht sollten wir einen Arzt holen.“ Naruto hielt sich den Kopf, als würde es ihm beim Nachdenken helfen. „Wenn sie wirklich das Bewusstsein verloren hat, dann darf das doch nicht so lange dauern! Was, wenn sie aufhört zu atmen?“ Sasuke verengte die Augen. „Mir kommt kein beschissener Arzt ins Haus, verstanden? Lass sie einfach in Ruhe, die wacht schon auf.“ „Und wenn nicht? Wenn sie … nicht aufwachen will?“ „Dann hat sie die bestmögliche Entscheidung getroffen“, sagte Sasuke nüchtern, drehte sich um und ließ Naruto mit Sakura allein. „Zum Henker“, fluchte Naruto leise. „Man Saku, komm schon!“ Er nahm Sakuras kalte Hand in seine. „Mach jetzt kein Mist, das wird doch, hörst du? Ich hab's dir doch versprochen! Ich halte meine Versprechen, oder nicht? Hab ich dich je im Stich gelassen?“ Er drückte ihre Hand fest an sich und erschauerte. Noch nie hatte er in Sakuras Gesicht so wenig Farbe gesehen; immer war ihr Teint gesund gewesen, und oft hatte sie rosa Wangen gehabt, vor allem wenn sie sich über etwas aufregte. Nun aber lag Sakura leblos in den Kissen, und Naruto schien es, als würde er die Hand einer Toten halten. Er musste sich zusammennehmen, damit keine Tränen seine Augen verließen. Sein Herz aber weinte längst – weinte um seine beste Freundin, deren Kummer er gerne auf sich genommen hätte. Naruto blieb auch am nächsten Tag ununterbrochen bei Sakura sitzen. Ein paar Mal war er eingenickt, aber wirklich geschlafen hatte er die ganze Zeit nicht. Seine Knochen waren so steif, dass ihn jede Bewegung schmerzte, doch dachte er nicht daran, Sakura alleine zu lassen. Sie sollte merken, dass er bei ihr war, damit sie sich nicht alleine fühlte, wo auch immer sie gerade sein mochte. Sasuke dagegen war nicht noch einmal gekommen, um nach ihr zu sehen. Naruto wusste auch nicht, ob er überhaupt im Haus war. Er hätte gerne mit ihm darüber gesprochen, was sie jetzt tun sollten, welche Möglichkeiten sie hatten. Vielleicht brachte es etwas zu verhandeln, den Boss dieser Verbrecherbande aufzuklären und ihm klarzumachen, dass Sakura niemanden hatte drohen wollen. Sie stand in keinem Kontakt zu ihrem Vater; sie stand mit niemanden in Kontakt! Naruto überlegte mehrmals, ob er alleine etwas ausrichten konnte. Doch er musste diesen Gedanken jedes Mal aufs Neue verwerfen, denn wusste er weder mit wem er reden müsste, noch ob sie ihn nicht einfach erschießen würden. Sasuke hatte ihm erklärt, dass Sakura außer dem Namen Kaito keine weiteren genannt hatte. Wer also waren die Drogenschmuggler? Für wen arbeiteten die letzten Auftragskiller? Sasuke konnte es raus finden. Wer sonst, wenn nicht er? Aber wie weiter, fragte sich Naruto immer wieder. Wie sollte es dann weitergehen … Gegen Mittag des dritten Tages schreckte Naruto verstört auf. Abermals war er eingenickt, und ein furchtbarer Alptraum hatte ihn gequält. Langsam verebbte auch sein Optimismus, und gleichfalls sank die Hoffnung, Sakura könnte jeden Moment die Augen öffnen. Oft hatte er geglaubt zu sehen, wie sie sich bewegte, doch jedes Mal war es nur seine Einbildung gewesen, die ihm Streiche spielte. Naruto fürchtete, dass auch seine Nerven eine Grenze hatten, und dass er sie bald schon erreichte. Dennoch blieb er sitzen und verharrte weiter, denn er konnte von Sakura kaum verlangen, nicht aufzugeben, wenn er selbst aufgeben würde. Es musste später Nachmittag sein, als Naruto vom Stuhl rutschte. Er hatte gedöst, bis er dachte, etwas zu hören. Mit wagen Blick schaute er zu Sakura, die sich nicht gerührt hatte, und angespannt setzte er sich wieder hin. „Geh endlich pennen, man“, knurrte Sasuke plötzlich. Er stand unbemerkt hinter Naruto, der übereilt auf die Beine sprang und ihn wie ein gehetztes Kaninchen ansah. „Sasuke?“ Naruto war so überrascht, dass er einfach grinste. Aus einem ihm vollkommen unsinnigen Grund, hätte er am liebsten geweint. Die langen Stunden des Wartens hatte er Sasuke nicht einmal gehört, doch jetzt, wo er so unerwartet vor ihm stand, erfühlte es ihn mit einer seltsamen Erleichterung. „Ich wusste gar nicht, dass du da bist“, sagte er, als wäre diese Feststellung die Wichtigste von allen. „Ich war unterwegs. Du siehst beschissener aus als sie.“ Sasuke blickte flüchtig zu Sakura, ehe er sich Narutos Stuhl nahm und damit zum Fenster ging. „Was machst du?“, fragte Naruto verwirrt. „Ich muss nachdenken. Das kann ich auch hier“, knurrte Sasuke, als könne er es eigentlich nicht. „Also geh pennen und nerv mich nicht.“ Naruto war so verblüfft über diese Aufforderung, dass er einfach nur nicken konnte. Zwar mochte es Sasuke hinter ruppigen Worten verstecken, aber Naruto glaubte eine ehrliche Sorge heraus zu hören. Bildete er sich das auch nur ein? Naruto schüttelte grinsend seinen Kopf, schloss hinter sich die Tür und fiel sofort ins Bett. Er schlief mit dem Gedanken ein, Sakura in gewagter, und doch sicherer Obhut zu wissen. Sasuke beobachtete abwesend, wie die Sonne hinter den Bäumen verschwand. Eigentlich hatte er seine Gedanken ordnen wollen, doch waren sie immer wieder zu dem Mädchen abgeschweift, dass auf der anderen Seite des Zimmers lag und zu schlafen schien. Dem Mädchen, auf dessen Kopf eine Summe von mehreren Millionen Yen ausgesetzt worden war. Viel Geld, sogar für Sasuke … Auch ihm hatte man dieses Angebot unterbreitet. Gestern, als er bei dem Mann war, der die besten Auftragskiller unter sich wusste. Er bekam sie alle, denn er zahlte, wie kein anderer. Yamada hatte für ihn gearbeitet, Toshida ebenso. Sie waren alle Profis, und doch wurden sie von dem einzigen erledigt, den ihr Boss niemals hatte kaufen können. Er selbst … Sasuke hatte nie auch nur einen Finger für den Mann gerührt, der sonst alles bekam. Er gehörte zu den Leuten, die nicht einmal ihren Namen verdeckt hielten, die teure amerikanische Autos fuhren, die die Polizei manipulierten und große Unternehmen auf ihre Seite ziehen konnten, wie sie wollten. Er gehörte nicht zur japanischen Mafia, lebte nicht im Untergrund. Dieser Mann besaß Villen in den großen Städten Japans, wie es Sand am Meer gab. Er hatte seine Fäden überall, und doch konnten sie nirgends entdeckt werden. Er war das Hirn hinter allem, das Gehirn, das alles beeinflussen konnte. Was er tat, gelang. Eine Alternative zum Sieg – zu seinem Sieg – gab es nicht. Und doch war er unterlegen. Einer Zwanzigjährigen, die mehr Kind als Erwachsene war, und doch mehr Grips besaß, als alle seine Attentäter zusammen. Die vielleicht sogar mehr Grips besaß wie er. Sakura Haruno hatte Pein, den Anführer der Akatsuki, in seinem eigenen Spiel geschlagen. Sie hatte seinen Code geknackt, den niemand ohne bestimmte Hinweise hätte knacken dürfen. Sasuke hatte Pein besucht. Er fürchtete den Mann nicht, doch er wusste, dass Pein ihn ebenso wenig fürchtete. Er war zu ihm gegangen, um seine Neugierde zu befriedigen. Er hatte Pein auch davon erzählt, dass Sakuras Vater nicht involviert war, und das Sakura nicht ahnte, was sie damals einschickte. „Das weiß ich doch längst“, hatte Pein gesagt und dabei amüsiert gegrinst. Sasuke hatte nicht gefragt, weshalb Pein Sakura dennoch tot sehen wollte. Er wusste es, weil er Menschen wie ihn einschätzen konnte. Weil er denken konnte, wie sie dachten. Sakura Haruno hatte Pein, den Anführer der Akatsuki, in seiner Ehre gekränkt. Sie hatten einen Fehler begangen, für den sie nichts konnte, und für den sie dennoch sterben musste. Als Sasuke glaubte, nicht mehr sitzen zu können, ging er hinüber zu den Büchern und nahm eines hinaus. Es war das Buch, über das Sakura gesprochen hatte. Es musste dieses Buch sein, denn als Naruto ihm damals den Namen der Frau sagte, war es ihm ebenso in den Sinn gekommen. Er hatte nicht weiter darüber nachgedacht, und Naruto diesen Hinweis auch nie gegeben. Keiko Ishiguro war eine Killerin. Naruto aber war es nicht, und er würde bei dem Versuch sterben, seinen Vater zu rächen. Das mochte nicht der Grund sein, warum Sasuke ihm die Information vorenthielt – doch hatte ihn dieser Gedanke viele Tage beschäftigt. Nun aber nervte ihn eine andere Frage, und als er das Buch zuschlug und zu Sakura blickte, wurde seine Miene starr. Er ging zu ihr hinüber, griff in seine Tasche und holte das Flächen heraus, das er seit heute Morgen bei sich trug. Ohne lange zu zögern, träufelte er ihr die Tropfen in den Mund, schloss die Flasche und steckte sie wieder ein, ehe er zurück zum Fenster ging und in den dunklen Wald sah. „Soviel Geld, Sasuke“, hatte Pein zu ihm gesagt. „Willst du dir das entgehen lassen? Ich wäre bereit, für dich noch etwas drauf zu packen.“ Sasuke hatte sich die ganze Zeit gefragt, ob er wirklich verzichten konnte. Seine Antwort hatte er in dem Buch gefunden, in dem auch die Antworten für Naruto standen. Jetzt kannte er seine Antwort. Kapitel 14: Der Schlüssel zu seinem Herzen ------------------------------------------ Es konnte gegen Mitternacht sein, oder kurz vor dem Morgengrauen. Vielleicht war es auch später, und die dunklen Regenwolken verdeckten den Himmel, als gäbe es den Tag nicht. Vielleicht war dieses Zimmer auch gar nicht mehr das Gästezimmer. Möglicherweise war dies auch nicht mehr das mächtige Anwesen am Rande Tokios, irgendwo dort, wo Wälder und Wiesen abseits der Stadt wachsen konnten. Es konnte auch ein Ort sein, an dem überhaupt nichts mehr wuchs. An dem es weder Häuser gab, noch Gräser und Bäume, noch Zimmer oder Fenster. Vielleicht war es so dunkel, weil dies kein Zimmer war. Und vielleicht lebte Sakura nicht mehr, sondern war einfach nur tot. „Vielleicht“, flüsterte sie schwach ins Nichts und hoffte, dass irgendwer etwas erwidern würde. Sie hob den Arm wenige Zentimeter und lauschte nach ihrem Herzen. Das Herz mochte schlagen, doch in dem Zimmer war sie allein. Nachdem sich Sakura langsam an die Finsternis gewöhnte hatte, versuchte sie sich vorsichtig aufzurichten. Sie konnte jeden Knochen in ihrem Körper spüren, die Muskeln zwickten und ihre Kehle – ihre Kehle brannte, wie es das Feuer der Hölle es tun musste. Das Aufrichten kostete Sakura viel Mühe, und als sie ihre zittrigen Füße auf den Boden stellte, glaubte sie niemals auch nur einen Schritt laufen zu können. Was war passiert? Wie lange hatte sie geschlafen? Sie wusste es nicht, doch sie ahnte, dass es zu lange gewesen war. Eine klebrige Masse hatte sich mittlerweile in ihrem Mund gesammelt, und doch fiel ihr das Schlucken so schwer, dass Sakura Angst bekam. Sie wollte nach Naruto rufen, doch brachte sie nur ein heiseres Kratzen zustande, das kaum zu hören war. Jeden Moment – zu fühlte es sich zumindest an – würde sie verdursten. Sie fürchtete, einfach umzufallen und an der zähen Flüssigkeit in ihrem Mund zu ersticken. Denn niemand war da, und niemand konnte sie hören. Dabei brauchte sie nur ein Glas Wasser. Japsend stützte sich Sakura gegen den Nachttisch und zog sich auf die kraftlosen Beine. Ihr Körper wehrte sich gegen jeden kleinen Schritt, den sie machte, und doch trieb sie ihr Verstand an, immer weiter zu gehen. Bis in die Küche, sagte er. Du musst nur bis in die Küche kommen … Sakura fiel ermattet gegen die Tür, und wäre da nicht ihre Angst gewesen, sie hätte beim Herunterdrücken der Klinke gelächelt. Nie zuvor war ihr das Öffnen einer Tür so schwer gefallen, und nie zuvor hatte sie sich nach dem Einfachsten so sehr gesehnt. Sie wollte Wasser. Alles andere – jeder noch so penetrante Gedanke, jede noch so aufwühlende Frage – das alles musste warten, denn nichts war so drängend und wichtig wie das, was sie sonst als selbstverständlich hinnahm. Sakura schleppte sich in den Flur und hielt für einige Sekunden inne. Mehrmals musste sie tief durchatmen, ehe sie sich gegen die Wand stützte und Zentimeter für Zentimeter weiterging. Ihre Augen hatte sich genug an die Dunkelheit gewöhnt, so dass sie nirgends gegen lief – aber ihre Kraft nahm mit jeden weiteren Meter ab. Als sie die Küche erreichte, die lange Theke, da musste sie sich fest an das Holz klammern, so stark zitterten ihre Knie. Es war nicht mehr weit zum Wasserhahn, und Sakuras Verstand trieb sie mit Peitschenhieben an, nicht aufzugeben. Ihre körperliche Energie dagegen fand ihr Ende, und so sehr es Sakura wollte – kein Muskel gehorchte ihr mehr. Nicht einmal die Hände, die sie aufrecht hielten; und wie sich von der Theke lösten, glitt Sakura an den Schränken einfach hinunter. Der Schwindel folgte, und schnell schloss Sakura die Augen. Bitterer Geschmack gesellte sich zu dem Schleim in ihrem Hals, und fast hätte Sakura zu weinen begonnen. Doch wurde sie in dieser Sekunde so ruckartig hochgezogen, dass sie erschrocken die Lieder aufschlug und in Sasukes dunkle Augen starrte, die ihren Blick finster erwiderten. „Das hat ziemlich gedauert“, brummte er, legte den Arm um Sakuras Taille und half ihr zum Wasserhahn. Sakura brachte kein Wort zustande, doch war ihr selbst diese Überraschung einfach nur egal. Sie füllte sich ein Glas, setzte es mit bebender Hand an die Lippen und trank, als wolle sie die letzten Tage mit einmal nachholen. „Das reicht“, sagte Sasuke jedoch, wie sie ein paar Schlucke getrunken hatte. Er nahm ihr das Glas weg und schüttelte mürrisch mit dem Kopf. „Geh’s langsam an, verstanden?“ Sakura kam es für einen kurzen Moment in den Sinn, vielleicht noch immer zu schlafen. Konnte sich jemand wie Sasuke Uchiha so in der Realität verhalten? So … besorgt? Es war anders wie zuvor. Er benahm anders. Oder spielte ihr ihre Einbildung etwas vor? Vermutlich. „Noch …“, sagte Sakura, doch tat ihr das Sprechen so weh, dass sich ihre Miene verdüsterte. „Bitte … noch ...“ Sasuke runzelte die Stirn, wie sie schon zum Glas greifen wollte, und zog sie kurzerhand mit sich aus der Küche. „Du kannst dich wieder hinlegen, klar? Naruto kann dir später was bringen.“ „Welcher … Tag?“ Langsam wurde Sakura wieder Herr über ihre Stimme. Die Kehle schmerzte ungemein, doch zeigten die wenigen Schlucke allmählich ihre wohltuende Wirkung. „Sonntag“, brummte Sasuke, hielt mit der einen Hand die Tür zum Gästezimmer auf und rangierte Sakura mit der anderen hinein. „Du hast über 50 Stunden geschlafen.“ „Sonntag.“ Sakura brachte einen seufzenden Laut zustande. „Morgen sind …Vorlesungen.“ „Dein Pech“, erwiderte Sasuke. Er hob die Augenbraue, wie sich Sakura dagegen sträubte ins Bett zu gehen. „Was jetzt? Glaubst du, ich will dich noch lange halten?“ „Ich kann … auch …“ „Du kannst einen Scheißdreck! Du fällst wie ein nasser Sack, sobald ich loslasse. Geh jetzt, oder …“ Sakura schüttelte rasch den Kopf und sah Sasuke flehend an. Sie wollte nicht ins Bett, auf gar keinen Fall. Ihr Körper brauchte Bewegung, auch wenn er mittlerweile bebte, als hätte sie einen Anfall. „Nur ins … Wohnzimmer.“ Sakura klang noch immer heiser, doch kam ihre Stimme Stück für Stück zurück. „Dann tu, was du nicht lassen kannst“, sagte Sasuke barsch und ließ Sakura los. Als sie jedoch wankte, griff er erneut nach ihr. „Du nervst“, knurrte er wütend, brachte sie aber ins Wohnzimmer zurück. Er konnte sich nicht erklären, warum er ihr diesen Gefallen tat. Es ging ihm – anders konnte man es nicht sagen – gänzlich gegen den Strich, und trotzdem bewegte ihr hilfloser Anblick etwas in ihm, was er nicht zu seinen gängigsten Gefühlen zählte. „Danke“, sagte Sakura und setzte sich, als sie gar nicht mehr stehen konnte. „Was war … los? Was ist passiert?“, wollte sie wissen. Die Taubheit in ihren Gedanken klang endlich ab, so dass ihre Fragen immer drängender wurden. „Du hast geschlafen“, erklärte Sasuke knapp, als er sich auf den Sessel setzte. Er machte ein düsteres Gesicht und sah nicht danach aus, Interesse an einem Gespräch zu haben. „Aber … wieso?“ Sakura versuchte in ihren Gedächtnis nach Antworten zu suchen. Sie sah Sasuke fragend an, doch war ihr klar, dass er ihr nichts sagen würde. Sie erinnerte sich auch kaum noch. Alles wirkte wie ein Traum. Ein schrecklicher Alptraum … „Kaito hatte angerufen“, flüsterte sie, wie ihr der Gedanke kam. Sie redete mehr mich sich selbst und dachte angestrengt darüber nach, worüber er gesprochen hatte. Langsam kehrten Fetzen zurück, aus denen sich Sätze formten, die Sakura einen Schauer über den Rücken trieben. „Gott“, stöhnte sie leise, presste die Lippen aufeinander und atmete tief durch. Sie bemerkte, wie sie die grausame Erinnerung zu übermannen drohte, und jäh wurde ihr bewusst, dass dies der Grund für ihren langen Schlag gewesen sein musste. Hatte sie so die Realität verdrängen wollen? Aber was war mit Kaito? Wenn sie fast drei Tage geschlafen hatte, was konnte ihm nicht alles widerfahren sein? Doch wie konnte sie etwas über ihn in herausfinden? Sie hatte keine Telefonnummer, keine genauen Anhaltspunkte! Und was, wenn sie ihn dadurch erst recht in Gefahr brachte? Kaito hatte eine Freundin erwähnt … Sakura schüttelte sich innerlich. Ihre körperliche Schwäche drängte sich in den Vordergrund, als sie aufstehen wollte. Aber sie musste doch etwas tun! „Bleib sitzen“, hörte sie Sasuke murren. Überrascht sah sie auf, denn beinah hätte sie vergessen, dass er ihr gegenüber saß. „Kaito“, sagte Sakura atemlos. „Er ist auch in Gefahr, Sasuke! Er hat gesagt, dass sie ihn erwischt haben. Dass sie wissen, dass er geschnüffelt hat …“ „Das ist kaum mein Problem. Und jetzt setz dich hin!“, raunzte Sasuke misslaunig. Er verschränkte die Arme und wandte seinen Blick aus dem Fenster. „Du meintest, er wollte nach Südkorea. Falls sie ihn vorher nicht kaltgemacht haben, kann er sich dort ein schönes Leben machen.“ „Verdammte scheiße …“ Sakura fuhr sich durch die Haare. Das war alles ihre Schuld. Sie hätte Kaito niemals um den Gefallen bitten dürfen! Er hatte sich hier etwas aufgebaut, etwas erreicht. Wie sie, wollte auch er nur fernab der Vergangenheit leben. Warum fiel ihr nicht der Name des Mädchens ein, von dem er gesprochen hatte? War sie mit ihm gegangen, oder vielleicht in Tokio geblieben? Wusste sie bescheid, hatte sie mit Kaito Kontakt? Wenn sie sich nur entsinnen könnte … „Warum …“ Sakura ließ sich gegen die Lehne der Couch fallen. Einmal mehr wurde ihr übel, und gleichsam begangen ihre Glieder grundlos zu zucken. „Was ist das?“, fragte sie verzweifelt, weil es sie am Nachdenken hinderte. „Ich fühle mich, als wär ich …“ „Vergiftet“, beendete Sasuke unerwartet ihren Satz und ein unheilvolles Schmunzeln zeigte sich auf seinem Gesicht. „Es ist Gift.“ „Was?“ Sakura verstand nicht, doch hatte sie augenblicklich das Gefühl, ihr schnüre es die Kehle zu. „Was für Gift? Woher sollte ich …“ Sie hielt abrupt inne und sah Sasuke fassungslos an. „Hast du mir … Gift …“ Sie konnte nicht weiter sprechen, und mit letzter Kraft stand sie hektisch auf. Ihre Gedanken überschlugen sich, und plötzlich glaubte sie, in der Falle zu sitzen. In seiner Falle. So viel Geld für ihren Kopf, und Sasuke hatte davon gewusst … Sakura zwang sich, gleichmäßig zu atmen. Sie ging langsam rückwärts, und keine Sekunde ließ sie Sasuke aus den Augen. Er lächelte noch immer, und er verfolgte jede ihrer Bewegungen, wie ein Wolf auf der Lauer. Sakura schaffte es, dass Wohnzimmer zu durchqueren. Sie hielt sich an der Theke fest und schlotterte unter der Anstrengung, bis hier her gekommen zu sein. Kurz schloss sie die Augen, und als sie wieder zu Sasuke blickte, stand er auf. „Bleib da!“, krächzte sie keuchend. „Bleib wo … du bist, Sasuke.“ Hatte er ihr Gift gegeben? Warum? Er hätte sie doch erschießen können, wenn er auf das Geld aus war! Warum dann aber Gift? Hass, schoss es ihr durch den Kopf. Sie hatte es bemerkt, als sie ihm das erste Mal begegnet war. Er hatte sie wie einen Feind angesehen, und nur langsam war dieser Ausdruck verblasst. Aber er war nie wirklich verschwunden. Auch jetzt glaubte Sakura, Hass in Sasukes Augen zusehen. Hasste er sie so sehr? Sie hatte ihm doch nichts getan, und er hatte sie doch auch gerettet! Wozu, wenn er sie nun vergiftete? „Was hast du?“, fragte Sasuke, und unaufhaltsam kam er näher. Sakura konnte ihm nicht entkommen, er musste sich nicht beeilen. Und er genoss es, ihre Angst zu sehen. Ihre Furcht vor ihm. „Du solltest dich ausruhen, Sakura …“ Sein Lächeln verzog sich zu einer unbestimmten Grimasse. Er wartete darauf, dass Sakura schreien würde – doch sie tat nichts dergleichen. Sie stand einfach nur da, krallte sich an dem Holz fest und sah ihn wie ein gehetztes Tier an. „Geh weg“, sagte sie schwach. „Komm nicht näher …“ Sakura spürte die erste Träne, die sich über ihr Gesicht schlich. Was hatte sie erwartet? Das jemand wie Sasuke ihr helfen würde? Sie hatte ihm vertraut. Sie hatte sich mit einem Mörder eingelassen und gedacht, er würde sie schützen. Wie hatte sie so dumm sein können? Was hatte sie in ihm gesehen? In einem kaltblütigen Killer, der in ihrer Gegenwart Menschen wie Vieh getötet hatte? Mehr … Das war es gewesen, und war es noch immer. Sakura sah mehr in Sasuke, als das, was er von sich preisgab. Sie sah in seine Augen, die ihr von grausamen Dingen erzählen wollten, und es doch nicht konnten. Sie sah in seine Augen, und sie sah sein Leid – nicht das Leid, dass er anderen antat. Sie sah das Leid, dass ihn zu dem Menschen gemacht hatte, der er war. Das war das einzige, was sie von ihm wusste. Es hatte ihr gereicht. So naiv es war, aber es hatte ihr einfach gereicht. Und nun starb sie als Narr … „Nicht näher?“, sagte Sasuke, und wie er vor ihr stehen blieb, holte er die kleine Flasche aus seiner Tasche. Sakura wollte einen Satz nach hinten machen, doch packte er ihren Arm und zog sie grob zu sich. „Es ist nützlich“, hauchte er ihr ins Ohr, so nah war sie ihm. „Sehr nützlich.“ Sakura versuchte sich zu befreien, doch Sasukes Griff war eisern. „Hör auf, bitte“, flehte sie. Sasuke lachte nur, nahm ihr Kinn in seine Hand und öffnete vor ihren entsetzten Augen die Flasche. „Ich kann nicht“, sagte Sasuke, und schlagartig änderte sich seine Laune. Hatte er eben noch amüsiert gewirkt, war er jetzt zornig. „Und das ist deine beschissene Schuld!“ „Nicht …“, wimmerte Sakura, als er die Flasche hob und ihren Mund aufzwang. Die Tränen liefen ungehindert, und sie brannten wie Feuer auf ihrer Haut. Es war, als würden sie sich einen Weg über ihr Gesicht brennen, ehe sie zischend zu Boden fielen. Es war, als würde alles in Flammen stehen. Die Welt ging unter, und es war ihre Welt. Sie würde sterben. Als Narr. „Man sagt, dass zwei Tropfen …“ Sasuke ließ die Tröpfchen in Sakuras Kehle rinnen. „Tote wecken. Kaum jemand kennt die Reaktion, aber in dieser Dosierung wirkt das Gift wie eine Droge. Drei Tropfen …“ Sasuke lächelte schief, als er Sakura einen weiteres Tröpfchen in den Mund fallen ließ. „Drei Tropfen töten die Lebenden …“ Er nahm die Flasche weg, ließ Sakura aber nicht los. Voller Schrecken sah sie ihn an, und er erfreute sich jeder Träne, die ihre Augen verließ. Für kurze Zeit berauschte ihn ihr steinerner Ausdruck, doch gab es ein anderes Gefühl, dass sich immer mehr breit machte. Er wusste, wie viel Zeit sie noch hatte, ehe das Gift zu wirken begann. Er zählte die Sekunden, wie er in ihre Augen blickte. Sekunden, die sie von dem endgültigen Tod trennten. Und die Zeit gaben, ihm begreifen zu lassen, dass Sakura Sakura war. Niemand anders, nur sie. Es waren ihre eigenen Augen, nicht die eines anderen. So ähnlich sie sich sein mochten. In einer ruckartigen Bewegung griff Sasuke nach dem Wasserglas und zwang Sakura, es zutrinken. „Schluck!“, herrschte er sie an, wie sich das Wasser in ihrem Mund sammelte. „Es neutralisiert das Gift.“ Er sah Sakura eindringlich an und nickte knapp, wie sie ihm gehorchte und das ganze Glas leer trank. Dabei ließ er seinen Blick nicht von ihren verstörten Augen, die ihn für eine Weile an einen anderen Menschen erinnert hatten. Einen Menschen, den er als einzigen je geliebt hatte. Dessen Lider sich schlossen, obwohl Sasuke noch versuchte, es zu verhindern, und der als einziger in sein kaltes Herz eingezogen war. Der sich dort versteckte, und Sasuke manchmal daran erinnerte, dass er noch lebte. Dieser Mensch war gestorben, denn Sasuke hatte das Unheil nicht abwenden können. Seine Augen würden sich nie mehr öffnen. Sakura dagegen lebte; und als sie Sasuke mit weinenden Augen voller Furcht ansah, da schwor er sich, dass sich ihre nicht schließen würden. Sie waren der Schlüssel zu seinem kalten Herzen. Kapitel 15: Wer bist du wirklich? --------------------------------- Es dauerte einige Sekunden, bis Sakura begreifen konnte, was eben geschehen war. Sie sah Sasuke entsetzt an, doch spürte sie dabei, wie langsam etwas Energie in ihren Körper zurückkehrte. Vielleicht kam es von dem Schock, von dieser fassungslosen Situation eben – aber als Sasuke ihr Gesicht los ließ, da trat Sakura einen Schritt zurück und gab ihm mit aller Kraft eine Ohrfeige. „Verdammter … Mistkerl“, fluchte sie jämmerlich. Sie wünschte, eine festere Stimme zu haben, doch vermutlich hätte es Sasuke so oder so nicht interessiert. „Gott, du verdammter …“ Sie schüttelte ihre Angst ab und sah Sasuke wütend an. Fast wäre die Wut zu Hass geworden, und hätte Sasuke in diesem Moment nur amüsiert gegrinst, Sakura hätte auf ihn eingeschlagen, ob es etwas brachte oder nicht. Doch Sasuke grinste nicht. Sakura erwartete erst, dass er sogar zurückschlug – doch Sasuke tat nicht einmal das. Er blickte sie nur an, und Sakura wurde dieses Verhalten unheimlicher, als jedes andere, das er an den Tag zu legen pflegte. „Was soll das?“, rief sie aufgewühlt. „Hör auf mich so anzugucken!“ Sie wankte, und als sie gegen Sasuke fiel, da schlug sie kraftlos mit der Faust gegen seine Brust. Sie tat es immer und immer wieder; Sasuke aber tat dagegen gar nichts. Regungslos ließ er Sakura ihre letzte Kraft verbrauchen, und als zusammensackte, hielt er sie fest und wartete stillschweigende Sekunden, bis sie sich wieder beruhigte. „Fertig?“, fragte er irgendwann mit kalter Stimme, doch war seine Miene alles andere. Sakura konnte sein Gesicht nicht sehen, doch wenn, sie wäre erschrocken. Das, was sie sonst nur in seinen Augen schimmern sah, lag nun wie ein Schatten über ihm. Es zeichnete sich einem Abdruck gleich auf seiner Haut ab, als wäre seine Seele nach außen gekehrt. Es ließ den sonst so finsteren jungen Mann alt wirken, wie einen Greis, dessen Schultern über die Jahre viel getragen hatten. „Du bist … du bist so ein …“ Sakura vergrub ihr Gesicht und ihre Finger krallten sich in sein Shirt, als wolle sie ihn hier und jetzt einfach zerreißen. „… Arschloch. So ein verdammtes …“ „Sakura?“ Sakura sah auf, wie sie Narutos Stimme hinter sich hörte. Wacklig drehte sie sich um, und als sie ihren chaotischen Freund erblickte, traten Tränen der Erleichterung in ihre Augen. „Naruto“, sagte sie wimmernd, stieß sich von Sasuke weg und ging langsam auf ihn zu. „Alles klar?“, flüsterte er, kaum dass er sie in den Arm nahm. „Man Saku, hast du mir einen Schrecken eingejagt! Wie geht’s dir?“ Er blickte ihr grinsend ins Gesicht und wischte ihr die Tränen fort. „Du siehst echt furchtbar aus!“ Seine Augen wanderten zu Sasuke, der wieder eine steinerne Fassade aufgesetzt hatte. Sasuke zuckte gleichgültig mit den Schultern und wandte sich ab, ehe Naruto ihm Fragen stellen konnte. „Besser“, lächelte Sakura gezwungen und zog Narutos Aufmerksamkeit wieder auf sich. „Ich muss dringend …“ Sie kaute beschämt auf den Lippen, doch Naruto verstand ausnahmsweise sofort. „Klar, ich bring dich bis zum Klo. Und danach werden wir was essen, du siehst total verhungert aus!“ Es war jedoch Narutos Magen, der in diesem Moment gewaltig knurrte. Sakura grinste, so glücklich war sie, dass Naruto bei ihr war. Sie nickte leicht, damit er seinen Magen trösten konnte. „Danke, Naruto“, sagte sie leise, wie er ihr den Gang entlang half. „Wofür?“, fragte Naruto verdutzt. „Da wachst du auf, und ich bin nicht mal da. Dabei hab ich ständig aufgepasst.“ „Dafür“, sagte Sakura. „Weil du sonst immer da bist.“ „Ach was!“, rief Naruto ganz verlegen und lachte wirr. „Ehrlich, dass ist doch selbstverständlich für Freunde. Du weißt doch, Freunde sind immer ehrlich UND immer füreinander da, oder?“ „Stimmt.“ Sakura senkte den Blick zu Boden. Immer ehrlich … „Na zumindest war Sasuke mal parat. Ich hoffe, der knurrige Baka hat dir nicht wieder was Schauriges erzählt?“ „Nein“, sagte Sakura schnell. „Nein, er … hat er nicht.“ „Besser so.“ Naruto brummte kopfschüttelnd, als er über Sasuke nachdachte. „Aber er ist eigentlich gar nicht so finster, wie er immer tut. Ich glaub manchmal echt, dass der ne ganz feinfühlige Seite hat.“ „Tatsächlich …“ Sakura konnte die Ironie in ihrer Stimme kaum verstecken, doch öffnete Naruto schon die Badezimmertür und ließ sie eintreten. „Danke. Das letzte Stück …“ „Ich kann dir helfen“, grinste Naruto breit. „Wirklich, ich …“ „Du bist auch ein Baka!“, lachte Sakura leise, ehe sie die Tür zuschob und abschloss. Ein wenig hielt sie sich noch aufrecht, dann aber ließ sie sich an der Wand hinab und begann zu heftig zittern. Warum hatte er das getan?, fragte sie sich innerlich. Warum? Und wie lange würde sie das noch durchstehen, hier bei ihm? Würde er sie irgendwann wirklich töten, oder würde er sie beschützen? Sakura musste unwillkürlich an Narutos Worte denken, dass Sasuke gar nicht so finster war. „Wer bist du wirklich“, flüsterte sie zu sich selbst. „Was wirst du tun …“ Danach hatte sich Sakura zwar hingelegt, doch war ihr lediglich zum Dösen gewesen. Sie beobachtete, wie die Sonne aufging und lief schließlich im Zimmer umher, damit ihre steifen Glieder besser durchblutet wurden. Es dauerte, doch einige Stunden später war sie um vieles kräftiger auf den Beinen. „Das ist kreuzdumm mit diesem Kaito“, sagte Naruto beim zweiten Frühstück. Er biss genüsslich in sein Brötchen und sah es fragend an, als könne die Marmelade eine Antwort haben. „Wie hieß die Freundin?“ „Ich glaube, er nannte sie Hinata.“ Sakura seufzte nachdenklich. Es war ein Fortschritt, dass ihr der Name eingefallen war, doch brachte es nicht viel ohne einen Nachnamen oder einer Anschrift. „Mehr weiß ich nicht, aber wir müssen sie irgendwie finden, Naruto. Nicht, dass sie auch in Gefahr geraten ist.“ „Und wer sind nun die Akatsuki und Pain?“ Naruto blickte über den Esstisch zu Sasuke, der vor dem Fernseher saß und gelangweilt durch das Programm schaltete. „Mörder“, sagte er schlicht. „Na und weiter? Du hast uns gesagt, dass dieser Pain der Auftragsgeber ist, oder? Wir würden echt gerne ein bisschen mehr erfahren, Sasuke!“ „Guck doch im Internet.“ „Argh!“, knurrte Naruto und raufte sich die Haare. Dass er sich dabei Marmelade in die blonden Strähnen schmierte, bemerkte er nicht. „Können wir nicht ein einziges, vernünftiges Gespräch führen?“ Er fixierte Sasuke mit seinem Blick, und als dieser sich zu ihm umdrehte und ihn ein paar ordentlich deftige Worte entgegenbringen wollte, hielt er unerwartet inne. „Ich rede nicht mit dir“, zischte Sasuke eisig, stand auf und ging in die Küchenzeile, um sich seinen Orangensaft zu holen. „Warum nicht?“ „Du ekelst mich an.“ „Wie bitte?“, fauchte Naruto und sprang schon auf, doch Sakura grinste plötzlich und griff seine Hand. „Versuchs mal damit“, sagte sie amüsiert und reichte ihm eine Serviette. „Obwohl du lieber ins Bad gehen solltest, Naruto.“ „Ins Bad?“ „Du hast da was …“ Sakura musste kichern und deutete auf Narutos verklebte Haare. „Es ist … wirklich etwas unschön.“ „Hä?“ Naruto griff sich ohne zu zögern an den Kopf und verzog das Gesicht. „Bäh!“, machte er, wie er die Marmelade zwischen den Fingern bemerkte. „Aber sag mal …“ Er lutschte sich den Daumen ab und runzelte die Stirn. „Ich wusste gar nicht, dass ich Erdbeere gegessen hab …“ Sasuke verschluckte sich beim Trinken und verzog das Gesicht. „Du bist widerwärtig!“, brummte er in sein Glas. „Wieso denn? Ist doch nur Marmelade. Hmm, die ist gut und …“ Als es ‚platsch’ machte und eine Ladung Saft von Narutos Haaren floss, drehte er sich abrupt um und sprang Sasuke bald an. „Was sollte denn der Scheiß?“, keifte er und schüttelte den Kopf, dass die Tropfen nur so flogen. „Wenn du mir nicht sofort aus den Augen gehst, vergesse ich mich!“, sagte Sasuke voller Abscheu. „Hast du dich nicht eben schon vergessen …“, murrte Naruto beleidigt, trabte dann aber doch davon, bevor Sasuke vollkommen ausrastete. Sakura sah ihm vergnügt nach. Sie versuchte den Gedanken zu ignorieren, dass sie nun mit Sasuke alleine war – ein erschreckender Gedanke, wenn sie an die vergangene Nacht zurückdachte. „Was ist mit der Handynummer?“, hörte sie ihn plötzlich fragen. Sakura blinzelte verwirrt und zwang sich, Sasuke anzusehen. „Was meinst du?“ „Die von Kaito“, sagte Sasuke ungeduldig. „Es ging erst nur der Anrufbeantworter ran, und jetzt passiert gar nichts mehr.“ Sie zog ihr Handy aus der Tasche und gab es Sasuke, als er die Hand aufhielt. „Wie, wenn die Nummer nie existierte.“ „Hat sie aber“, sagte Sasuke und lauschte ins Telefon. „Ich nehm es mit. Mal sehen …“ „Was hast du vor?“ Sakura erhob sich, als Sasuke gehen wollte. Verdutzt blickte sie ihn an, und es war ihr gänzlich seltsam, dass sie ihn nicht lieber ignorieren wollte. Doch es ging nicht. „Jemanden besuchen.“ „Dann … komm ich mit, ja?“ Sie konnte selbst nicht fassen, dass sie das sagte. Der Gedanke mit Sasuke alleine zu sein, war furchtbar beängstigend. Der Gedanke, ihn alleine gehen zu lassen, war jedoch ebenso unerträglich. Fast, als wäre es keine Option, keine denkbare Alternative. „Nein“, sagte Sasuke aber und wandte sich um. „Du bleibst, wo du bist.“ „Bitte Sasuke! Wenn wir Hinata irgendwie finden können, und vielleicht Kaito anrufen …“ „Ich sagte nein!“ Sakura zuckte mit den Schultern. „Gut, dann geh doch.“ „Sakura“, sagte Sasuke scharf. „Verarsch mich nicht! Du wirst nicht auf dumme Gedanken kommen, klar? Naruto würde dir …“ „Ich komme auf gar keine Gedanken. Wir sehen uns später …“ Sakura ließ sich auf ihren Stuhl fallen und tat so desinteressiert wie möglich. Sie trank von ihrem Tee und versuchte nicht zu Sasuke zu sehen, der sie immer noch wütend beobachtete. „Ich kann dich hier auch festbinden!“, sagte er gefährlich. „Lass es also sein, Sakura!“ „Lass ich doch! Ich werde warten. Ich komm auf keine Gedanken und überhaupt, warum …“ „Verdammt, dann beeil dich, kapiert?“ Sasuke schritt davon und konnte Sakuras triumphierendes Grinsen nicht sehen, wie er die Tür hinter sich zuschmiss. Sakura aber wusste auch nichts von dem besorgten Ausdruck hinter seiner wütenden Miene. Kapitel 16: Es ist kein Vergleich --------------------------------- Nachdenklich saß Sakura auf dem Beifahrersitz und starrte vor sich her. Sie konnte nicht sagen, was sie sich dabei gedacht hatte, Sasuke zu begleiten – was Naruto dazu sagte, wusste sie aber sehr wohl. Sasuke hatte nicht warten wollen, und so hatte Sakura ihrem besten Freund lediglich eine Nachricht auf den Tisch legen können. Vorher hatte sie noch gegen die Badezimmertür gedonnert, doch Naruto schien entweder beim Baden eingeschlafen zu sein, oder aber in der Dusche gesungen zu haben – er hatte kein Lebenszeichen von sich gegeben und Sakura hatte Sasuke murrend folgen müssen. Sasukes Wagen überquerte gerade die zweite Kreuzung, als Naruto anrief. Zuerst hatte er Sakura vorgehalten, wie gefährlich es war, was sie tat. Im Haus sei sie am Sichersten, und es konnte nur leichtsinnig sein, sich in Tokio sehen zu lassen. Danach hatte er sich Sasuke geben lassen, doch kaum, dass der Schwarzhaarige das Telefon nahm, hatte er schon auf die rote Taste gedrückt. „Der Idiot nervt“, waren seine Worte gewesen, ehe er das Handy ganz ausgeschalten hatte. Als sie Tokio erreichten, wurde Sakura unruhig. Sie versuchte, ihre Nervosität zu unterdrücken und hoffte, wirklich wieder heil aus der Sache zu kommen. Sie hatte Naruto nicht verärgern wollen, und sicherlich schwamm er jetzt in Sorge. Er war ein guter Mensch, eigentlich der beste, den sie kannte. Sie wusste nicht, was sie ohne ihn machen würde – was sie das letzte halbe Jahr ohne ihn gemacht hätte. Er hatte sie vor den einfachen Dingen im Leben beschützt, und nun beschützte er sie vor den schlimmsten, die ihr je widerfahren waren. „Sasuke?“, fragte Sakura, als sie an der dritten roten Ampel in Folge standen. „Was war eigentlich mit Narutos Vater? Ich meine, was … was hat er gemacht, dass er getötet wurde?“ Sasuke hob die Augenbraue und bedachte Sakura mit einem abwertenden Blick. „Frag ihn doch! Was geht mich seine Scheiße an?“ „Hmm“, machte Sakura und ließ die Schultern hängen. Sie blickte kurz auf die Straße und sah dem Treiben der Menschenmassen zu, bevor sie sich wieder zu Sasuke wandte. „Aber du weißt es, oder?“ „Lass es stecken, Sakura! Ich habe kein Interesse an einem Gespräch.“ „Schon klar“, murmelte Sakura und seufzte. „Dieser Pein …“ „Bist du denn schwer von Begriff?“, zischte Sasuke ungemütlich. „Ich will nicht reden!“ Sakura verkniff sich ihre Antwort und drehte sich wieder den Passanten zu. Die Ampel schaltete auf Grün, und Sasuke trat hart aufs Gas. Sie schafften auch die nächste Ampel, mussten dann aber wieder halten. „Es ist zum Kotzen“, raunzte Sasuke, als der Wagen erneut zum Stehen kam. Wütend blickte er dabei die Ampel an, und Sakura hegte den Verdacht, dass er sie in einer weniger belebten Gegend einfach kaputt schießen würde. Auch ihr kam dieser Gedanke gar nicht so abstoßend vor. Der Verkehr in der Stadt war zu einer Stunde wie dieser abscheulich. Die Autos überfüllten die Straßen, die Busse taten es ebenso, und in den U-Bahnen bekam man nur selten einen Platz, der einem das Atmen ermöglichte. Sakura wollte gerade wiederholt aufseufzen, als sich ihnen ein junger Mann vom Fußgängerweg näherte. Er kam zielstrebig auf sie zu und hielt einen Stapel Flyer in der Hand. „Was will er?“, fragte Sakura, die den Fremden dabei beobachtete, wie er dem Autofahrer vor ihnen einen Flyer durch die Scheibe steckte. „Sterben“, brummte Sasuke gereizt. Er schaltete das Radio ein, als es schon an seiner Scheibe klopfte und das grinsende Gesicht des jungen Mannes hineinblickte. „Hey!“, rief er durchs Fenster. „Ich mach Werbung für …“ Sasuke stieß unerwartet mit dem Arm gegen die Scheibe, so dass Sakura zusammenschreckte und der Fremde einen Schritt zurücktorkelte. „Verpiss dich!“, schnauzte er ungehalten ohne den Blick von der Ampel zu nehmen. „Sei doch nicht so unfreundlich!“ Sakura lehnte sich an Sasuke vorbei und lächelte den jungen Mann liebenswürdig an. Sie hoffte, dass er keinen Schock fürs Leben hatte, denn aus seinem Gesicht war jegliche Farbe gewichen. Allerdings schien er sich schnell zu fassen, denn er grinste breit zurück und eilte auf ihre Seite. „Hallo Miss!“, rief er und klopfte nun gegen Sakuras Fenster. „Ich bin Ryo Kowasaki und verteile Prospekte für den Talentwettbewerb am …“ „Wenn er nicht sofort da weg geht, Sakura“, sagte Sasuke drohend und schien nervös auf Grün zu warten. „Dann erschieße ich ihn durch dein Fenster, verstanden? Ich – mag – keine – Flyerverteiler“, gab er so betont von sich, dass Sakura auch keine Sekunde daran zweifelte. Sie musste tief Luft holen, um sich von Sasukes Worte keine Angst machen zu lassen, dann lächelte sie dem Fremden entgegen und schüttelte den Kopf. „Wir haben kein Interesse“, sagte sie laut, damit der junge Mann auch verstand. „Das ist nicht unser Fall, und zudem besagt die Statistik, dass wirkliche Talente zu kaum 0,9 Prozent dabei entdeckt werden. Meistens sind es nur Angeber und Menschen, die sich nicht einschätzen können. Die meisten …“ „Was soll’n das heißen?“, rief der Fremde verwirrt zurück. „Ey, was quatschst du denn da für’n Mist?“ „Das ist kein Mist!“ Sakura verzog das Gesicht und ließ das Fenster etwas runter. „Wenn man die letzten Jahre bedenkt und die stattgefunden Talentshows, und wenn man daraus eine Bilanz zieht, dann kommt man …“ „Sag mal, willst du mich veräppeln? Komm mal runter, Schnecke, sonst …“ Der Fremde hatte Sakuras Tür geöffnet, doch noch im gleichen Moment schaute er in den Lauf von Sasukes Waffe. „Ey, verdammt, was zum …“ „Ich hasse Talentshows“, sagte Sasuke einfach. „Ist das akzeptabel, oder hast du damit ein Problem?“ „Kein Problem …“, gab der junge Mann zurück und schluckte schwer. „Gar nicht, nein. Die Süße hat Recht, alles … alles scheiße da, ehrlich …“ „Süße?“, knurrte Sasuke. „Ich meine natürlich nicht süß, ich …“ „Du meintest nicht süß?“ Sakura blickte den Fremden beinah etwas verärgert an. „Was dann?“ „Ich … Ich geh jetzt, okay?“ „Tzz“, kam es von Sasuke, als er die Waffe sicherte und runter nahm. Hinter ihnen hupte es lautstark, da die Ampel umgeschaltet hatte. „Ich werd hier irre!“, zischte er zornig und wollte die Pistole schon auf den Wagen hinter sich richten, als Sakura die Tür zuknallte. „Fahr doch einfach“, murrte sie genervt. Sasuke warf ihr einen finsterten Blick zu, der ausdrücken sollte, dass sie ihm nichts zu sagen hatte, trat dann aber wirklich aufs Gas. Er bog auf eine Nebenstraße und fuhr weiter in Richtung Norden, bis sie eine Tiefgarage erreichten. Die Lichter gingen erst an, als er hinein fuhr und die Schranken hinter ihnen hinuntergingen. Sakura wurde es unheimlich, doch hüllte sie sich in Schweigen. Die Garage musste alt sein, und überall an den Wänden waren Parolen und grässliche Bilder, die nicht besonders einladend wirkten. „Wo sind wir hier?“, fragte sie, als sie die misstrauische Neugierde nicht mehr unterdrücken konnte. „Bei einem Bekannten“, gab Sasuke zurück, stieg aus und schloss den Wagen zu, als auch Sakura auf den hallenden Beton trat. „Und was ist das für ein Bekannter?“ „Genauso ein Freak wie du.“ Sasuke konnte sich ein schiefes Grinsen nicht verkneifen. Er schüttelte den Kopf bei Sakuras beleidigter Miene und ging voran durch die unterirdische Garage. Er führte Sakura bis zu einem Fahrstuhl und ließ sie zuerst eintreten. „Und was macht dieser Bekannte? Kann er irgendetwas über Kaito herausfinden?“ „Werden wir sehen. Wenn’s geht, dann halt die Klappe, verstanden?“ „Kannst du nicht wenigstens versuchen, etwas freundlicher zu sein?“ „Wozu?“ Sasuke runzelte die Stirn. Es schien ihm kein Grund einzufallen. „Weil ich dann nicht permanent überlege, abzuhauen und mich erschießen zu lassen!“, fauchte Sakura, die sich gerade in gereizter Stimmung befand. Dass Sasuke sie ständig wie ein Ding behandelte, zerrte ebenso an ihren Nerven, wie das Gefühl, jeden Moment unter der Erde liegen zu können. Und der einzige, der das irgendwie verhindern konnte, war der, der sie gestern Nacht noch hatte vergiften wollen. Sakura fühlte sich wie in einem Teufelskreis gefangen, aus dem es kein Entkommen gab. „Seit wann stehst du auf Selbstmord?“ Sasuke grinste böse. Sakura blickte Sasuke ärgerlich an. „Seit ich bei dir bin! Obwohl ich da ja auch die Chance habe, dass du mir irgendwann den Hals umdrehst!“ „Du nimmst mir den Scherz von gestern übel“, meinte Sasuke amüsiert, wurde dann aber ernst. „Hab dich nicht so affig, kapiert? Das nervt!“ „Du nervst!“, gab Sakura aufbrausend zurück. „Deine Psychotour nervt! Dein Ich-dreh-dir-den-Hals-um Getue nervt! Dein Ich-knall-dich-ab Gehabe nervt! Stell dir vor, ich bin nun mal ein normaler Mensch mit einem normalen Vorrat an Nerven! Und du verbrauchst die, wie andere Luft verbrauchen!“ „Ich verbrauche deine Nerven?“ Sasuke lachte leise. „Die verbrauchst du doch selbst, weil du nichts abkannst!“ „Ich kann nichts ab? Weißt du was - ich kann das größte auf dieser Welt ab, okay? Ich schaffe es neben dir zu stehen und nicht bei deinem Wahnsinn durchzudrehen, oder etwa nicht?“ „Im Moment drehst du durch“, bemerkte Sasuke trocken. „Versuch dich lieber im Mund halten.“ „Ich versuch mich in gar nichts! Und ich werde gehen, ich hab's nämlich satt! Ich hab mir das nicht ausgesucht, ich hab mir nie irgendetwas ausgesucht! Und sobald dieser Fahrstuhl oben ist, werde ich …“ „Endlich den Mund halten?“ „Nein, ich werde wieder runterfahren und gehen. Ohne deine Hilfe, die ist mir jetzt nämlich scheißegal! Ich hab's satt ständig Angst haben zu müssen, ob du mir ein Messer in den Magen rammst, oder wartest bis …“ Der Fahrstuhl hielt ruckartig und als die Tür aufging, machte Sakura keine Anstalten auszusteigen. Sasuke sah sie wartend an, doch sein Gesicht verriet nicht, was er dachte. „Sie könnten schon unten warten, Sakura. Überleg es dir.“ „Hab ich!“ „Ich halte dich nicht auf …“ Sasuke trat aus dem Fahrstuhl. Er lehnte sich an die gegenüberliegende Wand und verschränkte die Arme. „Es ist deine Entscheidung.“ „Ja“, sagte Sakura einfach und drückte den Knopf für die unterste Etage. Sie sah noch einmal zu Sasuke, ehe ein weiterer Knopf aufleuchtete. „Hu? Ich wollte doch nach unten …“ Die Fahrstuhltür begann sich zu schließen, doch plötzlich stellte sich Sasuke dazwischen und zog sie grob nach draußen. „Was hab ich gesagt?“, knurrte er und wirkte schlagartig angespannt. „Du meinst, hier ist jemand … wieso?“ „Weil außer uns niemand hier sein dürfte!“ Sasuke zog Sakura den Gang entlang. Er hatte seine Waffe in der Hand und entsicherte sie, als er um die nächste Ecke spähte. „Klasse!“, knurrte er und schubste Sakura in ein Zimmer. Es war vollkommen leer … „Wo sind wir hier überhaupt? Ich versteh nicht, Sasuke! Ich dachte, dein Bekannter …“ „Das hier ist ein leer stehendes Gebäude, Sakura!“ Sasuke schritt zur Tür auf der anderen Seite. „Es wird nur genutzt, um bestimmte Dinge auszutauschen.“ Er nahm Sakuras Handy und steckte es in einen Wandtresor, der hinter dem bulligen Schreibtisch links neben der Tür versteckt war. Danach gab er eine neue Zahlenkombination ein. „Ich werde den Kerl anrufen, und er wird sich später das Telefon holen. Es besteht keine Nötigkeit, dass wir uns treffen müssen. Zudem ist er sehr misstrauisch.“ „Aber wenn hier jemand ist? Weiß er dann nicht, dass du dort …“ Sakura sprach nicht zu ende, als Sasuke ihr bedeutete, den Mund zu halten. „Vermutlich ist man uns gefolgt. Vielleicht hat uns jemand an einer Ampel gesehen, oder sie wissen, dass du bei mir bist. Vermutlich ja …“ „Dann könnten sie doch aber auch wissen, dass Naruto … Gott, wir müssen zurück, Sasuke! Wenn sie Naruto …“ „Naruto interessiert sie nicht, kapiert? Sie wollen deinen Kopf, und nichts anderes. Außerdem ist er im Haus sicher, und das weiß er. Niemand kann hinein, solange er die Tür nicht öffnet. So dumm wird er nicht sein!“ „Und wenn doch?“ Sakura bekam immer mehr Angst. „Können wir ihn nicht anrufen? Oder zu ihm fahren? Jetzt gleich, Sasuke, bitte wir …“ „Sei jetzt still!“ Sasuke lauschte gegen die Tür und schloss kurz die Augen. Als er die Tür öffnete, griff er nach Sakuras Hand und zog sie hinter sich her. Er beschleunigte seine Schritte, sobald sie die Treppe erreichten, die ebenso wie der Fahrstuhl nach unten führte. „Werden sie uns nicht dort erwarten?“, flüsterte Sakura, die kaum mithalten konnte. „Wir wissen nicht, wie viele es sind, aber ich glaube nicht, dass es mehr als zwei sein werden.“ Sasuke wurde nicht langsamer. Er hielt erst, als sie das Ende der Treppe erreichten. Er spähte durch die Glasscheibe in das Parkhaus und wartete, bis er abrupt die Tür aufriss und Sakura dicht an sich zog. „Beweg dich nicht von mir weg“, zischte er ihr ins Ohr und schob sie dabei durch die weitläufige Garage. Nicht einmal sah er sich um, und doch wusste Sakura, dass er alles genau beobachtete. Sie traute sich kaum zu atmen, und unbewusst klammerte sie sich fest an ihn. Sie blickte hinauf zu den flimmernden Lampen, die lose an den verrosteten Stahlträgern der Decke schaukelten und erwartete bald, dass sie jeden Augenblick hinunterfallen würden. Dabei lauschte sie ihren eigenen geräuschsvollen Schritten, die laut in der Garage widerhallten. Selbst ihre Turnschuhe hörten sich dabei wie klackende Absätze an, und Sakura lief es eiskalt den Rücken hinunter. Sie versuchte sich auf das Laufen zu konzentrieren und sah erst auf, als sie Sasukes Wagen in einiger Entfernung erkennen konnte. Sakura atmete erleichtert auf, doch riss Sasuke sie plötzlich zur Seite, keine Sekunde bevor ein ohrenbetäubender Krach ertönte. „Verdammt!“, fluchte Sasuke und brachte sich mit Sakura hinter einem Eisenpfahl in Sicherheit, als eine zweite Explosion das Auto in Brand setzte. „Verdammte Wichser!“ Erst wollte er Sakura loslassen, schien es sich dann aber anders zu überlegen. Stattdessen zog er sie auf die Beine und rannte mit ihr auf die andere Seite der Garage und um die Schranken herum. „Lauf schneller!“, blaffte er sie an. „Sie haben …“ Sakura bekam kaum noch Luft und noch immer konnte sie nicht richtig sehen. Das grelle Licht der Explosion hatte sie geblendet, und wäre Sasuke nicht gewesen, wäre sie vermutlich mit dem Wagen in die Luft geflogen. „Ja sie haben mein Auto in die Luft gejagt!“, rief Sasuke zornig. „Das werden mir diese Dreckskerle heimzahlen!“ Er rannte die die schräge Einfahrt zur Tiefgarage hinauf und ließ Sakura keine Zeit zum Luft holen. Er wurde nur immer schneller und Sakura glaubte, jeden Moment zu stolpern und nicht wieder aufstehen zu können. „Was jetzt?“, keuchte sie in ihrer Panik, kaum dass sie oben angekommen waren und im hellen Sonnenlicht der Nebenstraße standen. „Weiter, keine Pause!“ Sasuke lief die engere Straße entlang, die wie eine kleine Welt für sich schien. Niemand war hier unterwegs, doch konnte man die vielen Passanten am anderen Ende erkennen, die auf der Hauptstraße entlanggingen. Sasuke sah sich nur einmal um, dann stieß er Sakura inmitten der Masse und griff sie um die Taille, bevor sie gänzlich zu Boden gehen konnte. „Ich kann nicht mehr … Gott!“, sagte sie und atmete schwer. Sie rang nach Luft, doch Sasuke lief mit ihr unter all den Menschen weiter, als wäre nichts geschehen. Die Passanten schienen sie nicht einmal wahrgenommen zu haben, wie sie einfach unter ihnen aufgetaucht waren. Höchstens zwei oder drei, die sich für einen kurzen Augenblick verwundert umgedreht hatten. Doch sonst bemerkte niemand den jungen Mann, der erst jetzt seine Waffe in der Tasche verschwinden ließ, genauso wenig wie das Mädchen, welches ohne Hilfe nicht mehr laufen konnte. „Mach dich nicht so schwer“, sagte Sasuke gedämpft, als sie an einer Ampel hielten. Niemand bemerkte sie oder schenkte ihnen Aufmerksamkeit. „Schwer?“ Sakura keuchte noch immer, doch richtete sie sich nun auf und warf Sasuke einen pikierten Blick zu. „Was soll das heißen? Ich bin nicht schwer!“ „So ist es besser“, antwortete Sasuke leise und grinste etwas. „Wenn du dich so hängen lässt, fallen wir schneller auf.“ „Himmel“, stöhnte Sakura und wieder gaben ihre Knie leicht nach. „Ich bin fertig …“ „Du bist am Leben“, korrigierte Sasuke. „Meinen Wagen dagegen kann ich vergessen. Du schuldest mir was.“ Er klang ernst, als er das zwischen zusammengebissenen Zähnen sagte. „Danke“, sagte Sakura einfach. „Danke? Das ist etwas wenig für einen Wagen dieser Klasse. Weißt du, was der gekostet hat?“ „Dann zweimal danke.“ Sakura stützte sich auf ihre Beine und holte tief Luft. „Mehr hab ich nicht. Abgesehen davon, wollte ich eigentlich gehen …“ „Du hast nerven“, knurrte Sasuke und zog Sakura über die Straße, als sich auch die anderen Passanten bewegten. „Wegen dir …“ „Dann zwei ehrliche Danke, und ein Essen. Für mehr reicht mein Geld nicht.“ Sakura musste grinsen, als Sasuke sie verwirrt ansah. „Essen?“ Sakura nickte, streckte ihren Rücken durch und ging neben Sasuke her, ohne sich weiter stützen zu müssen. „Ja, ein Essen. Falls ich das hier überlebe, dann lade ich dich zum Essen ein. Aber nicht zu teuer, okay? Ich hab nämlich echt wenig …“ „Wieso sollte ich mit dir essen gehen?“ Sasuke wirkte vollkommen irritiert, und Sakuras grinsen wurde nicht weniger. „Weil ich dich einlade. Für dein explodiertes Auto.“ „Du verarscht mich! Was soll ich mit einem Essen? Das ist nichts im Vergleich zu dem Wagen!“ Sakura seufzte und schüttelte den Kopf. „Mein Dank und ein Essen ist alles was ich habe, Sasuke Uchiha! Dein Wagen war nur ein minimaler Teil von dem, was du besitzt, oder? Also ist es wirklich kein Vergleich, das stimmt.“ Sasuke sah Sakura zweifelnd an, doch sagte er nichts mehr dazu. Er blieb in seine Gedanken versunken und lief ohne Umweg zum nächsten Bahnhof des Shinkansen. „Wo wollen wir hin?“, wollte Sakura wissen, als er die Fahrkarten einlöste und sich dabei misstrauisch umsah. „Raus aus Tokio. Wir brauchen Luft und Zeit.“ „Und wohin?“ „Nagano.“ „Und was ist mit Naruto? Mit Kaito und Hinata?“ Sakura spürte die beklemmende Enge, die ihr die Sorge bereitete. „Wir rufen ihn von unterwegs an. Das mit Kaito und diesem Mädchen werden wir auch von unterwegs regeln. Im Moment haben wir ganz andere Probleme …“ „Wir?“ Sakura musste unwillkürlich grinsen. „Hast du dir meine Worte zu Herzen genommen?“ „Sehe ich so aus, als würde ich mir irgendwas zu Herzen nehmen, Sakura? Nerv mich jetzt nicht!“ Sasuke ging zu den Bahnsteigen und ignorierte Sakura, so gut es ging. Das war jedoch nicht so einfach, da Sakura sich demonstrativ vor ihn stellte. „Du wirst mich in Nagano nicht umbringen, oder?“, fragte sie geradeaus, obwohl nicht wenige Menschen in der Nähe waren. Ein junges Mädchen hatte ihre Wort gut verstanden und blickte überrascht zu Sakura und Sasuke. „Meinetwegen, und jetzt hör auf mich voll zu labbern.“ „Gibst du mir dein Wort?“ „Sakura!“, zischte Sasuke und sah auf die Uhr. Der Zug würde jeden Moment einfahren, und er überlegte, Sakura im Gepäckwaggon festzubinden. „Meinst du, ein Wort würde mich daran hindern, wenn mir danach ist?“ „Gib’s mir, sonst steig ich nicht ein!“ „Du hast mir gar nichts zu sagen!“ Sakura verschränkte die Arme, als sie den verdutzten Blick des Mädchens bemerkte. „Ich sag dir was, Männer sind so was von doof!“ Das Mädchen riss erschrocken die Augen auf und wandte sich hastig seinen Freunden um, die von der Unterhaltung nichts mitbekommen hatten. Es war offensichtlich, dass das Mädchen Sakura für unzurechnungsfähig hielt … „Hatten wir nicht gerade genug Aufmerksamkeit?“, knurrte Sasuke ungemütlich, als der Zug einfuhr. „Verdammt, zick jetzt nicht rum, Sakura!“ „Dein Wort?“ „Hör auf!“ „Gut“, sagte Sakura und trat zurück, als die Menschen sich ins Innere des Shinkansen drängten. „Ob ich hier oder in Nagano sterbe, ist dann auch egal!“ „Argh!“ Sasuke packte Sakura bei der Hand. „Gut, ich geb dir das verdammte Wort, aber dafür hältst du jetzt die ganze Zeit deine Klappe! Ich vergesse es sonst wieder, darauf kannst du Gift nehmen …“ „Wahnsinn“, brummte Sakura nur. „Ein echt passendes Versprechen …“ „Tzz.“ Sasuke schob Sakura durch das Abteil, doch hatte auch er für eine Sekunde grinsen müssen. Kapitel 17: Für ihren einzigen Freund, der der beste ist -------------------------------------------------------- Sasuke war reichlich genervt, als er in der Lobby eines heruntergekommenen Hotels stand und auf Sakura warten musste. Sie telefonierte seit über zehn Minuten mit Naruto, und eigentlich hatte Sasuke ihr verständlich gemacht, dass sie ihm nur eines zu sagen hatte. „Du sollst im Haus bleiben, was ist daran nicht zu verstehen?“, hörte er Sakura lautstark durch die Eingangshalle rufen, als wäre sie in einer isolierten Telefonzelle. Und das nicht zum ersten Mal … Sasuke verdrehte genervt die Augen, als Sakura ihm mit den Fingern zeigte, dass sie noch eine Minute brauchte. Er knirschte zermürbt mit den Zähnen, nickte dann aber. Sein Blick glitt zum Empfang und zu dem alten Mann, der Sakura ebenfalls brummend betrachtete. Scheinbar passte ihm ihre Lautstärke genauso wenig wie einigen Gästen, die hinaus oder hinein kamen und sich immer wieder zu der jungen Frau umwandten, die taktlos ins Telefon brüllte. „Ich brauche zwei Zimmer“, sagte Sasuke und rieb sich gereizt die Schläfen. „Für eine Nacht.“ Es wurmte ihn, in dieser Absteige unterkommen zu müssen. Überall lag Müll herum, und zudem stank es widerwärtig nach alten Möbeln, obwohl es kaum welche gab. „Sicher, Sir. Ich hab ein Zimmer in der zweiten Etage auf der rechten Seite, und das andere liegt … einen Moment.“ Der Alte suchte in seinen Büchern und tippte mit dem Finger fahrig auf der Tischplatte. „In der Etage darunter wäre ein zweites Zimmer. Es ist jedoch etwas kleiner.“ „Zwei Zimmer nebeneinander“, präzisierte Sasuke sein Anliegen. „Hmm. Das wird schwer.“ Der Alte drehte sich zu den Schlüsseln um und sah sie durch. „In derselben Etage wäre möglich, aber nicht nebeneinander.“ „Ich brauche sie nebeneinander.“ „Tut mit Leid, Sir. Ich habe keine zwei Zimmer mehr, die nebeneinander liegen. Ich könnte ihnen unsere zwei-Bett-Zimmer in der obersten Etage anbieten …“ „Gibt es eine Feuerleiter?“ „Hier ähm … hier gabs noch nie ein Feuer, Sir.“ „Gibt es eine Feuerleiter?“, wiederholte Sasuke seine Frage. Der alte Mann schien nervös zu werden. „Am anderen Ende des Ganges, aber man müsste das Fenster einschlagen. Natürlich wäre das bei einem Feuer …“ „Ah, vergessen sie es. Ich nehme die beiden Zimmer.“ „Sehr wohl.“ Der Alte griff hinter sich und angelte die zwei Schlüssel. „Bitte sehr. Zimmer 102 ist eine Treppe rauf und gleich rechts. Zimmer 208 ist eine Etage höher und am Ende des Flures ebenfalls rechts.“ „Gut.“ Sasuke nahm die beiden Schlüssel und nickte knapp. Er legte dem Mann dabei ein paar Scheine auf den Tisch und drehte sich nach Sakura um. Dann stieß er einen Pfiff aus, so dass nicht nur das Mädchen zusammenschrak. „Gleich, einen Moment noch!“, rief sie ins Telefon, sah aber Sasuke bittend an. „Jetzt, Sakura!“, rief er zurück, ohne sie aussprechen zu lassen. „Sag ihm, dass du morgen anrufst. Verlässt er das Haus, ist er ein toter Mann.“ Sasuke dachte nicht daran, seine Stimme zu senken. Es waren nicht wenige Augenpaare, die ihn deshalb erschrocken ansahen, ehe sie sich schnell wegdrehten und beide, die junge Frau wie den jungen Mann, für verrückt erklärten. Sakura brummte etwas ins Telefon, legte auf und kam schweren Schrittes auf Sasuke zu. „Naruto ist total wütend“, sagte sie missmutig. „Er will her kommen.“ „Du hast ihm gesagt, wo wir sind?“ „Nein, aber das ist Naruto doch egal. Ich hoffe, er macht nichts Dummes.“ Sie seufzte erschöpft, als sie Sasuke die Treppe hinauf folgte. „Wo ist mein Zimmer?“, fragte sie, als er das erste aufschloss und eintrat. „Hier.“ Sasuke betätigte das Licht und zog beim Anblick des winzigen Raumes die Braue hoch. Das Wort Abstellkammer traf es um Längen besser. „Und wo ist deines?“ „Hier“, sagte Sasuke, zog Sakura hinein und warf hinter ihr die Tür zu. Etwas Putz bröckelte dabei von der Decke, und angewidert verhärtete sich sein Gesicht. Er ging zu einer schmalen Tür auf der gegenüberliegenden Seite und stellte erleichtert fest, dass es wenigstens ein Bad gab. „Hier? Hast du eben nicht zwei Schlüssel gehabt? Ich teile mit dir kein Zimmer!“ „Dir wird nichts anderes übrig bleiben“, meinte Sasuke und hing seine Jacke ordentlich auf einen Kleiderbügel neben der Tür. „Das andere Zimmer liegt ein Stockwerk höher. Wenn sie uns gefolgt sind und dir heute Nacht den Hals umdrehen wollen, könnte ich zufällig zu spät kommen … die Versuchung wäre recht groß.“ Sasuke sagte das in einem Ton, der Sakura keine Zweifel an seiner Versuchung ließ. „Klasse“, gab sie mürrisch zurück und ließ sich samt Schuhe aufs Bett fallen. „Und wenn du heute Nacht gut träumst, bin ich morgen tot. Du erwürgst mich doch im Schlaf!“ „Du siehst die Dinge sehr negativ, Sakura.“ Sein Blick galt ihren Schuhen. „Würdest du das wohl unterlassen?“ „Was?“ Sakura blinzelte verwirrt, ehe sie verstand, was er meinte. „Oh sag mal, du bist doch kein Spießer, oder? Hier ist es so oder so dreckig!“ „Ich will aber nicht in einem Bett schlafen, auf dem du deinen Straßendreck abgeschmissen hast!“ „Wer sagt, dass du in dem Bett schläfst? Ich bin eine Frau, ich habe ja wohl Vorrang!“ „In deiner Welt vielleicht. Ich schlafe in dem Bett. Punkt.“ Sakura setzte sich empört auf. „Das kannst du vergessen! Meinst du, ich packe mich auf den Boden? Hier kommen bestimmt Ratten und Mäuse, und dann nagen die an mir und …“ „Ich gehe jetzt duschen“, sagte Sasuke dazwischen. „Wo auch immer du nachher sein wirst, ich werde im Bett schlafen, verstanden?“ Seine Stimme war ungemein drohend, doch Sakura verschränkte lediglich die Arme und schloss ungerührt die Augen. Sie wartete ein paar Minuten und lauschte dem laufenden Wasser der Dusche, bis sie geräuschlos aufstand und zu Sasukes Jacke schlich. Sie konnte sich genauso gut in dem anderen Zimmer einschließen, und wer würde schon auf die Idee kommen, dass sie in so einer Buchte abgestiegen waren? Ebenso wenig würde Sasuke die andere Zimmertür eintreten können, und wenigstens ein paar Stunden Schlaf in einem Bett wollte sie sich gönnen. Ihr ganzer Körper fühlte sich zermartert an, und niemand würde sie dazu kriegen, auf dem Boden zu schlafen. Niemals! „Was wird das, wenn es fertig ist?“, sagte in diesem Moment Sasukes eisige Stimme, und heftig zuckte Sakura zusammen. Sie fuhr herum, wie er jedoch schon nach dem Schlüssel griff und ihn ihr verärgert vor die Nase hielt. „Ganz dumme Idee“, zischte er. „Deine Ideen sind penetrant dumm, Sakura. Ich hab dir doch einen Grund genannt, oder war er dir nicht verständlich?“ „Mano!“ Anstatt sich vor Sasuke zu verkriechen, sah Sakura ihn quengelnd an. „Ich will auf einer Matratze schlafen! Ich mag keine Mäuse, und ich mag keine Milben und keinen alten Dreck von widerlichen Pennern, die hier drin gesoffen haben! Was soll denn schon passieren? Ich meine, die paar Stunden … und keiner weiß, dass wir hier sind!“ „Das ist deine Meinung.“ Sasuke steckte den Schlüssel zurück in seine Tasche. „Und die ist hier nichts Wert, Sakura. Das sind keine Anfänger, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie unserer Spur folgen. Wir werden jetzt schlafen, und morgen früh fahren wir weiter. Ich habe nicht vor, hier zu bleiben.“ „Und ich habe nicht vor, auf dem Boden zu schlafen!“ „Es ist aber wichtiger, dass ich ausgeruht bin, nicht du. Meine Sinne werden gebraucht, deine sind nutzlos!“ Sakura sah Sasuke finster an, ging an ihm vorbei und ließ sich auf dem zerbrechlichen Stuhl am Fenster fallen. „Gut“, sagte sie einfach, zog die Beine nach oben und legte den Kopf in den Nacken. „Dann schlafe ich so, und morgen werde ich so steif und müde sein, dass ich mich freiwillig erschießen lasse!“ „Meinetwegen“, sagte Sasuke und grinste leicht. „Damit werde ich leben können.“ Ohne zögern ging er hinüber zu dem Bett und legte sich wortlos hin. Sakura sah ihm erbost nach, doch so sehr ihn ihre Blicke auch durchbohrten; Sasuke dachte nicht daran, nachzugeben. Die Uhr neben dem Bett schlug zwei, als Sakura wieder einmal aus einer ungemütlichen Position hochschrak. Gähnend rieb sie sich die Augen und spähte durch das Fenster auf die beleuchtete Straße, die nicht gerade den angenehmsten Anblick bot. Sie lag eine ein paar Meter unter ihnen, aber Sakura hatte keine Probleme, die Leute dort zu erkennen. Schon vorhin hatte sie die ältere Frau beobachtet, die offensichtlich einem nächtlichen Gewerbe nachging. Ihre Kleidung war den kalten Temperaturen nicht im Entferntesten angepasst – dafür aber der Art von Arbeit, die sie ausübte. Sakura schüttelte es bei dem Anblick des kurzen Minirocks, der kaum den Hintern der Frau bedeckte. Sie trug nicht einmal Strümpfe und ebenso wenig eine Jacke. Nur ein Trägertop, durch dessen dünnen Stoff die Nippel der Prostituierten hindurch stachen. Sie musste ungemein frieren, kam es Sakura in den Sinn. Wäre ihr selbst nicht so kalt gewesen, hätte sie der Frau vielleicht sogar ihre Jacke hinuntergeworfen. Allerdings wusste sie auch, wie unfreundlich Prostituierte werden konnten, selbst wenn man es nur gut meinte. Einmal war sie mit Naruto in der Nacht durch ein weniger schönes Viertel in Tokio gelaufen, und als sie dort den freizügigen Frauen begegnet waren, hatten diese sie schon von weiten böse angeblickt. Sakura hatte es gewagt, sie höflichst anzusprechen (trotz Narutos übertriebenen Warnungen), und keine Sekunde später hätten sich die Frauen fast auf sie geworfen, wenn Naruto ihr nicht zu Hilfe geeilt wäre. „Sie verteidigen ihr Revier, Sakura“, hatte er zu ihr gesagt, als wäre sie eine Hinterwäldlerin. „Die mögen keine anderen Frauen in ihrem Bezirk.“ Sakura hatte Naruto nicht gesagt gehabt, dass sie den jungen Frauen die Rate neu erkrankter Aidsfälle im städtischen Prostitutionsgewerbe nur näher hatte legen wollen, nachdem sie das Gespräch über Verhüten oder nicht gehört hatte. Dabei hatte sie auch das nur gut gemeint … Einige Minuten vergingen, in denen Sakura überlegte, ob die Frau unten auf der Straße verhütete oder nicht. Ohne Verhütung brachte es mehr Geld, hatte sie einmal in einer Zeitschrift gelesen. Es waren bis zu einige tausend Yen, die man dadurch in einer Nacht erarbeiten konnte. Sakura hoffte, nie so zu enden. „Spannerst du?“, hörte sie plötzlich Sasukes Stimme, die verhalten amüsiert klang. Sakura aber zuckte nur mit den Schultern und ließ die Frau nicht aus den Augen. „Geh doch zu ihr runter und leiste ihr Gesellschaft“, fügte er noch hinzu. „Das mögen sie nicht“, sagte Sakura und wiederholte damit Narutos Worte. „Aber glaubst du, man verdient damit wirklich gut?“ „Wie?“ Sasuke runzelte die Stirn und lehnte sich aufrecht gegen die Kissen. „Woher soll ich das wissen?“ „Keine Ahnung. Hattest du noch nie eine Prostituierte?“ Sasuke blickte Sakura ungläubig an, doch dann hob er den Kopf und sah aus dem Fenster. „Nein“, sagte er. „Warum sollte ich?“ „Die Männer, die für meinen Vater gearbeitet haben, hatten alle Mädchen von der Straße. Sie haben ähnliche Dinge getan wie du. Daher lag die Vermutung nahe. Es gibt wissenschaftliche Studien, die das Verhalten bestimmter Personengruppen beobachtet und ausgewertet haben und …“ „Kannst du mir mal erklären, warum du permanent Studien aufsagst?“ Sasuke wirkte zum ersten Mal nicht genervt darüber, sondern beinah ehrlich interessiert. Es verblüffte ihn selbst, doch zwang er sich zur Ruhe. Die bleierne Müdigkeit der letzten Stunden war etwas gewichen, und er fühlte sich nicht so gereizt wie sonst. Sakura nahm ihre Augen von der Frau und schaute zur anderen Straßenseite. „Studien sagen viel über Menschen aus.“ „Das ist aber auch das einzige, was du über Menschen weißt.“ Er wartete ein paar Sekunden auf eine Antwort, doch bekam er keine. „Ich frage mich, wie viel Freunde du hast …“ Er grinste böse, da er scheinbar ins Schwarze getroffen hatte, als Sakura zusammenfuhr. „Ich habe Naruto“, sagte sie betont fest. „Und weiter?“ „Naruto.“ Sasuke schüttelte belustigt den Kopf. „Und das war's? Du zitierst Studien über Menschen, obwohl du eigentlich überhaupt nichts von ihnen weißt, oder? Redest über Prostituierte und Personengruppen, und dabei hast du keine Ahnung von der Welt. Das ist traurig, Sakura.“ Sakura zuckte mit den Schultern, als wäre es ihr egal. Sie wandte den Kopf und sah wieder zu der Frau. „Willst du dich gar nicht verteidigen?“ Sasuke lachte leicht. „Du könntest sagen, ich hätte noch weniger Freunde als du, hmm? Liegt dir das nicht auf der Zunge?“ „Nein“, sagte Sakura einfach. „Das tut es nicht.“ „Wieso nicht? Sagt deine Statistik darüber nichts aus? Gibt es kein Buch, in dem steht, wie man sich in solchen Situation zur Wehr setzen sollte?“ „Darüber habe ich nie gelesen“, meinte Sakura, und noch immer schien sie sich von Sasuke nicht provozieren zu lassen. Sie starrte nur zu der Frau auf der Straße, als gäbe es nichts Wichtigeres. „Das ist wirklich erbärmlich, Sakura. Ich dachte, dein Vater wäre ein ganz großer unter den Schurken gewesen? Hätte er dir nichts von der Welt zeigen können? Aber er hat dich wohl in Watte gepackt und dafür gesorgt, dass du eine feine Ausbildung hast. Solltest wohl nie so enden wie er, hmm?“ „Stimmt“, gab Sakura zu. „Und das wollte ich auch nie.“ „Ein braves Mädchen“, grinste Sasuke und schüttelte den Kopf. „Immer gute Noten, der ganze Stolz des Vaters. Was hast du bekommen, wenn du gute Noten nach Hause gebracht hast? Geld? Heute kriegen die Kinder immer Geld. Ihnen wird alles in den Arsch gesteckt.“ Sasuke schien der Gedanke zu verärgern, doch auch er folgte nun den Bewegungen der Frau. Eine Weile sah er ihrem Treiben zu, bis plötzlich ein Wagen neben ihr hielt. „Kundschaft“, sagte Sasuke und grinste. „Sie macht dir unten Platz. Das wäre doch ein Versuch wert, dann kannst du mal sehen wie viel Spaß es macht, dort zu stehen …“ „Die Frau wird geschlagen“, sagte Sakura unerwartet. „Ihr macht es sicher keinen Spaß.“ Sasuke sah nicht auf, doch runzelte er leicht die Stirn. „Wie kommst du da drauf? Hast du ihre Bewegungen analysiert?“ Er grinste schief. „Noch eine Studien über anatomische Veränderungen bei …“ „Man sieht es an ihren Bewegungen, ja. Und an ihrem Gesicht. Sie hatte Angst, als sie eben in den Wagen gestiegen ist. Sie weiß vermutlich, dass es immer wieder passieren wird. Und sie hat den Arm in einem bestimmten Winkel gehalten. Vermutlich hat sie Striemen auf dem Rücken und will die Spannung vermeiden. Die Wunden könnten bereits am Heilen sein.“ „Wunden?“ Sasuke war verwirrt. „Du redest gerade Unsinn, oder? Du machst dich über mich lustig, Sakura!“ „Ich meine Wunden von einem Gürtel. Gürtel tun … weh. Und sie hinterlassen immer Narben.“ Sasuke hob den Kopf und sah Sakura wütend an. Er wollte schon etwas erwidern, doch dann sparte er sich seine Antwort und blickte wieder hinunter auf die mittlerweile leere Straße. „Gürtel tun also weh“, bemerkte er um einiges leiser. „Das hast du wohl nicht von einer Studie über Leder.“ Er fragte nicht, denn als er Sakuras leeren Ausdruck in den Augen sah, war ihm die Antwort klar. „Hab ich gelesen.“ Sakura holte tiefer Luft. „Darüber gibt es viel Lektüre.“ „Tatsächlich“, sagte Sasuke trocken, als er unerwartet auf stand und zu Sakura ging, die ihn überrascht ansah. „Was ist?“ Sie wich auf ihrem Stuhl ein Stück zurück, doch griff Sasuke schon nach ihrer Hand und zog sie zu sich hoch. Er legte überraschend seinen Arm um ihre Taille und drückte sie einfach an sich. Sakura erstarrte augenblicklich und verlor jeden klaren Gedanken. „Was machst du denn?“, wisperte sie, als seine kühlen Finger unter ihr Shirt glitten und über ihren Rücken strichen – so unvermutet sanft, dass Sakura erschauerte und die Luft anhielt. „Was …“ „Narben“, sagte Sasuke leise, ehe er seine Hand zurückzog und sich anstelle Sakuras auf den Stuhl setzte. „Es bleiben immer Narben …“ Er schüttelte den Kopf und deutete zum Bett. „Schlaf jetzt. Ich will morgen so früh wie möglich von hier verschwinden.“ Sakura mochte keine Alpträume und sie war stets froh gewesen, nicht zu denen zu gehören, die sich damit permanent die Nächte um die Ohren schlugen. Nun aber lag sie schwer atmend in dem knarrenden Bett, starrte durch die Dunkelheit an die Decke und versuchte angestrengt, an schönere Dinge zu denken, wie sie ihr im Traum erschienen waren. „Schlecht geschlafen?“, hörte sie Sasuke die Stille durchbrechen, wofür sie in diesem Augenblick dankbar war. Sie richtete sich auf und lehnte sich gegen die Kissen. So konnte auch das letzte Bisschen ihrer veränderten Wahrnehmung weichen, und sie spürte die befreiende Realität in vollen Zügen zurückkehren. „Etwas“, gab Sakura zu und wischte sich über die Stirn. „Wie spät ist es?“ „Kurz vor fünf.“ Sakura sah zum Fenster hinaus und konnte zwischen den Hochhäusern und Fabriken den dämmernden Himmel erkennen, dessen Blau sich langsam erhellte. Die Wolken zogen nur langsam, aber sie gaben immer mehr der Sonne Vorrang, die stetig höher stieg und dabei rotgefärbt durch die wenigen Lücken schien. „Du hast also schlecht geschlafen“, wiederholte Sasuke und beobachtete Sakura, wie sie sich unter der Decke verkroch und die Augen schloss. „Hmm. So was passiert häufig in der zweiten Nachthälfte. Wenn in der desynchronisierten Schlafphase …“ „Sakura“, unterbrach Sasuke, bevor die junge Frau ausholen konnte. „Hör auf, alles immer in wissenschaftlichen Erklärungen zu verstecken, verstanden?“ Sakura öffnete den Mund, um etwas darauf zu erwidern, ließ es dann aber. „Gut. Willst du das Bett wieder haben? Ich möchte nicht mehr schlafen.“ „Das solltest du aber. Wir werden nach Nagasaki fahren. Es wird anstrengend, also solltest du dich ausruhen, damit du uns nicht aufhältst.“ „Nagasaki?“ Sakura sah Sasuke ungläubig an. „Warum?“ „Dort ist das Mädchen, nachdem du gesucht hast. Ich habe telefoniert.“ „Hinata ist in Nagasaki? Aber … wir können nicht dorthin!“ Sasuke zuckte mit den Schultern. „Es ist deine Sache. Aber sie wird vermutlich wissen, was mit deinem Freund ist.“ „Aber was ist mit Naruto?“ „Was hat Naruto damit zu tun?“ Sakura biss sich auf die Lippen und senkte den Blick. „Das weißt du doch ganz genau“, flüsterte sie. „SIE lebt irgendwo in Nagasaki! Wenn Naruto das erfährt …“ „Du meinst die Frau, die seinen Vater getötet hat.“ Sasuke fragte nicht. „Es ist wahrscheinlich, dass sie dort ist, aber es hat dich nicht zu kümmern.“ „Naruto ist mein bester Freund, natürlich hat es mich zu kümmern! Und ich belüge ihn doch, die ganze Zeit über …“ Sakura legte ihren Kopf gegen die angezogenen Beine und versuchte sich zusammenzureißen, damit sie nicht zu schluchzen begann. Eine Weile sah sie Sasuke nachdenklich an, bis sie sich schließlich wieder zurücklehnte. „Kannst du nicht …“ Sie sprach es nicht aus, so sehr missfiel es ihr, überhaupt daran gedacht zu haben. Doch Sasuke verstand auch so, und ein unmerkliches Grinsen schlich sich auf sein Gesicht. „Du wirst ja richtig kaltblütig. Du hattest in letzter Zeit wohl prägenden Umgang …“ Er stand auf und setzte sich an das Bettende, doch diesmal Sakura wich nicht zurück. „Du weißt, dass das kostet, Sakura. Ich mache nichts umsonst.“ „Du hilfst mir auch.“ Sakura sah Sasuke flehend an, aber sein hartes Gesicht gab ihr Antwort genug. „Und wie viel?“, fragte sie trocken. „Mehr als du hast. Abgesehen davon sind Frauen unter meiner Würde.“ „Sie hat Narutos Vater getötet, Sasuke! Sie wird auch Naruto töten! Hat Naruto den Tod verdient? Willst du wirklich zu sehen, wie er von ihr ermordet wird?“ „Naruto ist mir egal, dass solltest du …“ „Ich weiß, dass er dir nicht egal ist, Sasuke! Dir ist gar nichts so egal, wie du ständig tust! Und Naruto wird sterben, wenn du ihm nicht hilfst! Er wird es irgendwann herausfinden, und er wird sie finden! Und dann wird sie ihm die Kehle durchschneiden, weil es IHR egal ist! Also sag mir wie viel!“ „Sakura“, sagte Sasuke kalt. „Rede nicht mit mir, als würdest du irgendetwas über mich wissen! Narutos Dasein ist mir gleich, und das wird es auch immer sein. Und wenn er stirbt, dann ist das sein eigenes Verschulden.“ „Wie viel?“, fragte Sakura abermals und ebenso kalt wie Sasuke. Sein vernichtender Blick quälte sie, und doch wollte sie nicht nachgeben. Für Naruto … Eine Weile blieb es still, bis sich Sasuke etwas bewegte und seine Augen zum Fenster schweifen ließ. „Hunderttausend Yen, und das ist günstig. Es würde mich wundern, wenn du soviel aufbringen könntest, und Naruto wirst du kaum fragen wollen.“ Sakura atmete tief durch und blickte auf die alte, zerlumpte Decke. „Nein, Naruto werde ich nicht fragen …“ „Wie willst du dann an das Geld kommen?“ Sasuke grinste boshaft. „Dich vielleicht doch auf die Straße stellen?“ „Vielleicht“, flüsterte Sakura einfach. Sie meinte es nicht wirklich ernst, aber wie könnte sie soviel Geld in kurzer Zeit auftreiben? Welche Möglichkeiten hatte sie? Keine … „Vielleicht?“ Sasukes Grinsens verschwand schlagartig. „So tief würdest du sinken? Das ist wirklich armselig, Sakura.“ „Und was soll ich deiner Meinung nach sonst machen? Wie soll ich an Hunderttausend Yen kommen?“ Langsam entglitten Sakura die Nerven, und erste Tränen sammelten sich in ihren Augen. „Naruto ist mein einziger Freund, und er ist der liebste Mensch, den ich je kennen gelernt habe! Er hat mir geholfen, er hat mir immer geholfen, und er hat nie … nie irgendwas zurückverlangt! Er …“ Ihre Stimme brach, und weinend vergrub sie ihr Gesicht in der alten Decke. „Verdammt!“, stieß sie aus und schüttelte sich, so aufgewühlt waren ihre Gefühle. „Er ist doch … alles was ich habe, Sasuke! Ich …“ Sakura fuhr sich über die Augen, ehe sie Sasuke starr ansah. „Wie viel?“, fragte sie unerwartet. „Das habe ich dir eben ges…“ „Nein, ich meine … Wie viel zahlt … zahlt Pein für mich?“ Für einen kurzen Augenblick blickte Sasuke Sakura fassungslos an, ehe seine Miene sich zu einer wütenden Fratze verzog. „Verlierst du jetzt vollkommen deinen Verstand?“, brüllte er heftig. „Auf was für beschissene Ideen kommst du überhaupt?“ „Sag es mir!“, rief Sakura verzweifelt zurück. „Wenn es genug ist … du könntest das Geld …“ Sakura stoppte abrupt, als Sasuke sie packte und wuchtig in die Kissen drückte. Mit der einen Hand würgte er ihren Hals, doch mit der anderen zog er seine Waffe und hielt sie ihr an den Kopf. „Du bist so was von dumm!“, blaffte er sie an und würgte noch fester, dass Sakura die Augen vor Schmerz und Entsetzen weit aufriss. „Du willst also sterben, ja?“ Er entsicherte seine Waffe und presste sie fest gegen Sakuras Schläfe. „Fünf Millionen Yen, wenn du es wissen willst! Das ist Pein dein verdammter Kopf wert! Das reicht, was? Ich könnte dir tatsächlich den Gefallen tun, hmm? Willst du das?“ Sasuke musste sich zurückhalten, Sakuras Hals nicht noch fester zu drücken. „Willst du das, hä?“, schnauzte er sie noch rasender an, doch gleichzeitig, wie Sakura einfach nur nickte, ließ er sie abrupt los. Etliche Sekunden erwiderte er ihre starren Blick, ehe er seine Waffe zurücknahm „Verdammter Dummkopf …“, sagte er dann leise, und ohne das Sakura es hätte kommen sehen, zog er sie an seine Brust und drückte sie fest an sich. „Warum bist du so dumm?“ Sakura sagte nichts, sondern ließ es einfach nur geschehen. Doch hatte sie das Gefühl, dass in ihren erstarrten Körper eine Wärme floss, die ihr vorher fremd gewesen war. Es war seltsam, und sie vermochte es nicht richtig einzuordnen. Obwohl sie sonst soviel wusste – seit langen passierte etwas, was sich Sakura in keinsterweise erklären konnte, und was gegen jegliche psychologische Theorie stand, die ihr geläufig war. Sasuke hatte sie töten wollen, sie mehr als einmal bedroht und behandelt, als wäre sie das Letzte. Eben noch hatte er sie gewürgt und sie angeschrieen; Sakura aber spürte entgegen der Vernunft weder Furcht noch Wut. Sakura fühlte etwas gänzlich anderes, und allein das machte ihr angst. Wie Sasuke gesagt hatte, war die Fahrt nach Nagasaki anstrengend und Kräfte zehrend. Sakura schlief ein paar Mal ein, doch mussten sie oft umsteigen, so dass sie am Ende erschöpfter war als zuvor. Auch Sasukes Laune – die ohnehin auf Dauerfrost eingestellt war – blieb dezent im Keller. Mehr als ein Mal blaffte er herumstehende Passanten an, die ihm seiner Meinung nach zu dumm guckten, oder eben einfach dort liefen, wohin er gerade gehen wollte. „Ich muss Naruto anrufen“, sagte Sakura matt, als sie gerade den Bahnhof in Nagasaki verließen. „Er macht sich bestimmt furchtbare Sorgen und geht längst an der Decke spazieren.“ Sie gähnte ungeniert und erntete entrüstete Blicke eines älteren Mannes im pikfeinen Anzug, der mit einem Handy bewaffnet an ihnen vorbeirauschte. „Was gibt’s da zu glotzen?“, schnauzte Sasuke ihm nach. Er machte den Eindruck, nur darauf zu warten, dass der andere stehen blieb und sich auf eine Prügelei einlassen würde. Der ältere Mann im Anzug wirkte aber nicht interessiert und lief eiligst weiter. Er murmelte zwar in seinen Schnurbart, doch auf eine direkte Konfrontation mit dem übellaunigen Sasuke schien er keine Lust zu haben. „Pisser“, fluchte Sasuke ohne die Lautstärke zu drosseln, bevor er sich Sakura zuwandte. „Und deine Manieren sind von der Straße, oder?“ „Wie?“ Sakura konnte sich auch ein zweites Gähnen nicht verkneifen, doch hatte sie auf ein Wortgefecht ebenfalls keine Lust. „Ich muss immer noch Naruto anrufen, und ich bin müde, und ich kann auch nicht mehr laufen.“ „War's das mit dem Gejammer?“ „Ich hab Hunger … und duschen will ich auch. Oder eine Badewanne, ich glaub, die wäre mir lieber.“ „Fertig?“ Sakura seufzte mit hängenden Schultern. „Ich hätte gerne frische Klamotten, und zumindest irgendein Buch oder eine Zeitschrift oder irgendwas, damit ich lesen kann.“ Sasuke blieb mitten auf den Treppen stehen und sah Sakura genervt an. „Vielleicht möchtest du auch noch in einem fünf Sterne Hotel einchecken? Mit Restaurant und nobler Küche?“ „Oh“, machte Sakura und erwiderte Sasukes Blick. „Ist das eine Einladung?“ „Vergiss es!“ „Du bist geizig, hat dir das schon mal jemand gesagt? Ich denke, du hast eine Firma und deine … anderen Sachen. Nicht mal ein richtiges Hotel ist drin …“ „Wer bitte hat bisher deine Zugtickets bezahlt?“ „Vermutlich kann ich dir das in Raten abbezahlen“, murrte Sakura und lief einfach an Sasuke vorbei. Sie durchquerte die Bahnhofsvorhalle und ging nach draußen, ohne auf den muffligen Herren zu warten, der ihr im gedehnten Schritt folgte. „In Raten?“, war das einzige, was er dazu erwiderte. „Ein Bett!“, jauchzte Sakura, als sie eine Stunde später in einem Zimmer eincheckten. „Gott, und so ein großes und tolles Bett!“ „Mein Bett“, knurrte Sasuke, als er ebenso ins Schlafzimmer trat. Er war noch griesgrämiger wie zuvor, denn Sakura hatte so lange auf ihn eingeredet, bis er sich zu einem besserem Hotel wie dem Letzten breitschlagen ließ. Mit Restaurant … „Nun sei nicht so“, maulte Sakura und vergrub sich in den Decken. „Aber mir ist die Couch auch recht, ich bleib nur ein paar Minuten hier liegen, ja?“ Sie schloss genüsslich die Augen, und beinah wäre sie eingeschlafen, hätte Sasuke sich nicht unerwartet neben sie gesetzt. „Ich muss weg“, sagte er ruhig und blickte zu Sakura, die sofort die Augen aufriss und ihn entsetzt ansah. „Du gehst?“ Ihre Stimme klang sogleich hysterisch, und sie merkte, wie ihr Herz zu rasen begann. „Wieso? Was …“ „Ich bleibe nicht lange. Ich muss ein paar Dinge besorgen …“ „Aber …“ Sakura setzte sich hektisch auf und stieg aus dem Bett. „Dann komme ich mit, okay? Ich … ich muss nur kurz ins Bad und …“ „Ich gehe alleine, Sakura.“ Sasuke schien weniger gereizt, und auch sein Blick war milder. „Ich bin nur eine Stunde weg.“ Sakura ließ sich wieder aufs Bett fallen, und es war ihr gleich, wie nah sie dem finsteren Mörder in diesem Moment saß. „Du … gehst richtig, oder? Du willst … nicht wieder kommen, stimmts? Du …“ „Ich bin in einer Stunde zurück, Sakura. Du legst dich einfach hin und schläfst. Ich komme wieder, verstanden?“ „Das sagst du nur so“, wisperte Sakura, die plötzlich die beklemmende Furcht spürte, die Sasuke auf seltsame Weise zu lindern wusste. „Du sagst es nur … damit ich dir nicht folge.“ „Hier bist du sicherer, als wenn du mich begleitest. Red dir jetzt keinen Mist ein! Eine Stunde, meinetwegen sieh auf die Uhr.“ „Aber … sie können doch kommen, wenn du nicht da bist und dann … was mach ich dann? Ich weiß doch gar nicht, was ich machen soll!“ Sakuras Hysterie verwandelte sich in blanke Panik. Ihre Angst stieg mit jeder Sekunde, in der sie sich die schlimmsten Dinge ausmalte. „Du wartest hier“, sagte Sasuke fest, erhob sich und schenkte Sakura keine weitere Beachtung, als er zur Tür ging. Sakura sah ihm dabei zu, wie er seine Jacke griff, und sprang ruckartig auf. Ohne darüber nachzudenken schlang sie ihre Arme von hinten um ihn, und hielt ihn fest, als hoffe sie ihn irgendwie umstimmen zu können. Sie wusste, dass sie sich affig verhielt, und doch erzitterte sie allein bei dem Gedanken, dass er nicht mehr zurückkommen würde. „Bitte“, flüsterte sie flehend. „Bitte Sasuke, geh … bitte nicht weg!“ Sie klammerte sich so fest, dass sie jeden Moment eine deftige Reaktion erwartete. Doch was war die Alternative, dachte sie. Was würde mit ihr passieren, wenn sie zurückbleiben würde, und niemand mehr da war, der ihr half? Wenn Sasuke nicht mehr da war … Stille Sekunden verstrichen, in denen sich Sakura nicht einmal getraute zu atmen. Irgendwann spürte sie Sasukes Hände, die ihre Arme griffen und sie von sich drückten. Mit zusammengekniffenen Augen senkte sie den Kopf, als er ihr gegenüberstand und auf sie hinunter blickte. Sie fürchtete einen Wutanfall, doch immer mehr Zeit verging, ohne dass er sie anschrie. Dennoch wollte sie nicht aufsehen; sie konnte sich sein eisiges Gesicht vorstellen, dass sie voller Geringschätzung betrachtete. „Sakura“, sagte Sasuke dann, und die junge Frau erschrak bei dem fremd wirkenden sanften Klang seiner Stimme. Noch nie hatte sie ihn so sprechen gehört, oder gar geglaubt, dass er es könne. „Ich komme wieder, Sakura, verstanden? In einer Stunde. Du hast mein Wort.“ „Aber …“ Sakura konnte nicht anders und schaute zu Sasuke hinauf. „Du hast gesagt, dein Wort würde dich nicht daran hindern, es doch zu tun. Das hast du gesagt … gestern erst und …“ „Ich werde mein Wort halten, Sakura. Du kannst dich auf mein Wort verlassen. Nur du, und niemand sonst. Das muss reichen.“ „Aber …“ „Verstanden, Sakura?“ Sasukes Miene war ernst, und doch nicht so kalt wie sonst. „Ob du das verstanden hast?“ Sakura nickte zaghaft, und egal wie viel Menschen Sasukes Hände schon getötet hatten – sie hielt sich an ihnen und drückte sie so sehr sie konnte. „Verstanden.“ „Gut, dann behalt die hier.“ Sasuke reichte Sakura seine Waffe. „Entsichern, abdrücken. Zielen nicht vergessen. Auf die Brust, okay? Dann ist die Chance am größten, dass du deinen Gegner auch …“ „Ich kann doch nicht!“, rief Sakura verstört aus, als Sasuke ihr die Waffe in die Hände drückte. „Nein, nein, nein! Das geht nicht!“ „Du nimmst sie, Sakura! Und du wirst jeden erschießen, der außer mir in dieses Zimmer kommt!“ „Aber ich kann doch nicht einfach … und wenn es jemand von der Rezeption ist oder ein Zimmermädchen, oder …“ „Ich werde unten Bescheid geben, dass niemand in dieses Zimmer zu kommen hat. Wenn die Tür aufgeht, und irgendein anderer hier reinkommt, dann drückst du ab, klar?“ Sakura hatte zu weinen begonnen, nahm aber mit zittrigen Fingern Sasukes Waffe entgegen. „Nur eine Stunde?“ „Mein Wort, Sakura“, wiederholte Sasuke und drückte das Mädchen plötzlich an sich. „Und du wirst dieses Zimmer nicht verlassen. Du schließt hinter mir zu, und du lässt niemanden hinein. Wirklich niemanden!“ „Gut. Aber … du passt auf dich auch … auf, ja?“ „Tzz. Was für eine dämliche Frage.“ Sasuke grinste schief, ließ Sakura ruckartig los und ging ohne ein weiteres Wort hinaus. Kapitel 18: Die unvermeidbaren Gefühle, die sich nicht ändern lassen -------------------------------------------------------------------- Eigentlich hatte Sakura schlafen wollen, doch konnte sie weder ruhige im Bett liegen bleiben, noch ein Auge schließen. Zehn Minuten verbrachte sie mit Duschen, ehe sie in dem Zimmer auf und ab lief und nebenbei zur Uhr starrte. Der Fernseher flimmerte leise vor sich hin, doch auch dafür hatte Sakura keine Nerven. Es war halb zehn, und nur dumpf drang der Lärm der Stadt hoch zu ihrem Fenster. Sie griff kurzerhand nach dem Telefon und rief Naruto an. Fünf Minuten hörte sie sich mit einem Lächeln auf den Lippen seine Predigt an. Sie erklärte ihm, was vorgefallen war, sagte ihm aber nichts von Sasukes Abwesenheit. Er sollte sich nicht mehr Sorgen machen, als er ohnehin schon hatte. Und das waren nicht wenige. „Dann sag mir, wo ihr seid, Sakura!“, knurrte er durchs Telefon. „Ich komme zu euch.“ „Das soll ich nicht, falls dich jemand abhört. Sasuke will warten, bis es sicherer ist. Er weiß auch, wo Hinata steckt. Wir gehen zu ihr, und dann kommen wir zurück.“ Sie hoffte, dass sie ihn nicht anlog … „Morgen?“, fragte Naruto eindringlich. „Kommt ihr morgen wieder?“ „Vielleicht“, gab Sakura hinhaltend zurück. „Bitte bleib im Haus, ja? Du gehst doch nicht raus, oder?“ „Nein“, brummte Naruto. „Aber ich halt das echt nicht mehr lange aus! Ich such dich, wenn ihr nicht bald wieder hier seid, klar?“ „Ja, ist … ist gut. Wir kommen bald, versprochen. Und ich ruf dich an, sobald wir Hinata gefunden haben.“ „Es gibt Ärger, wenn du das nicht machst, Saku!“ „Ich weiß.“ Sakura musste leise kichern. „Wir sehen uns bald, ganz sicher. Bleib im Haus.“ „Ja doch“, murrte Naruto, ehe sich Sakura hastig verabschiedete und aufs Bett schmiss. Sie schloss die Augen und versuchte nicht den Geräuschen auf den Gängen zu lauschen. Es war nur noch eine halbe Stunde, und sie vertraute Sasuke. Er würde wiederkommen, wie er es ihr versprochen hatte … Eine viertel Stunde später schaffte es Sakura, endlich etwas zu dösen. Im Hintergrund ließ sie den Fernseher laufen, doch hatte sie sich tief in die Kissen verkrochen und versuchte dabei, ihre Gedanken nicht unkontrolliert abschweifen zu lassen. Allerdings drehten sie sich im Kreis, immer und immer wieder. Und sie drifteten ständig zurück zu einer gewissen Person, um die sie sich im Moment am meisten Sorgte. Sasuke hatte gesagt, dass er auf sich aufpassen konnte, und Sakura zweifelte auch keine Sekunde daran. Dessen ungeachtet kamen ihr dauernd schreckliche Hirngespinste in den Sinn; grausame Situationen, in die er sich gebracht haben könnte. Sie griff unter ihr Kissen und fühlte nach dem kalte Eisen seiner Waffe, das ihr gegen ihre Bedenken doch etwas Sicherheit gab. Sakura seufzte leise, als sie sich auf die andere Seite drehte und zu dem beleuchteten Spalt unter der Tür schaute. Sie lauschte angestrengt dem lauten Fußgetrappel im Gang. Flüsternde Stimmen liefen hektisch vorbei, so dass sie sich aufrichtete und schauernd zum Fenster sah. Die schwarze Nacht trug kaum Licht ins Zimmer, aber der starke Wind draußen blies durch die kleinsten Ritzen und brachte Sakura zum Frösteln. „Hallo?“, rief plötzlich eine Stimme an ihrer Tür, und Sakura fuhr so heftig zusammen, dass sie das Luft holen ganz vergaß. Automatisch nahm sie die Pistole in die Hand und kroch ängstlich aus dem Bett. „Ja?“, sagte sie leise und wickelte sich einen Morgenmantel um, der an dem Haken zum Badezimmer hing. Sie hatte nur Unterwäsche und ihr langes Shirt an, und als sie nicht mehr unter der warmen Decke lag, wurde ihr noch kälter. „Wer ist da?“ „Shin Hiroshi, Miss. Können sie bitte rauskommen? Wir haben ein internes Problem, aber es wird schnell behoben sein. Sie müssen sich keine Sorgen machen, es ist nur zu ihrer Sicherheit.“ „Was?“ Sakura fasste sich vor Schreck an die Brust. Eine Falle, schoss es ihr durch den Kopf. Man hatte sie gefunden … „Es ist nichts Ernstes, Miss. Würden sie bitte nach draußen kommen? Alle Gäste werden gebeten, sich in der Empfangshalle einzufinden. Wir entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten, und sie werden selbstverständlich entschädigt. Miss?“ „Gehen sie weg!“, rief Sakura heiser. „Ich komm nicht raus! Sasuke ist gleich wieder da!“ „Miss, bitte bewahren sie Ruhe.“ Der junge Mann auf der anderen Seite hörte sich nicht gefährlich an, sondern eher verunsichert. „Es ist nichts Bedrängendes, wir haben alles unter …“ Plötzlich ging die Alarmanlage des Hotels los, und lautstark drangen die Sirenen bis in Sakuras Zimmer. Sie stieß sich erschrocken gegen die Wand, doch traute sie sich nicht, die Tür zu öffnen. „Miss, bitte beeilen sie sich!“, rief der junge Mann wieder. „Wir müssen uns keine Gedanken machen, aber das Feuer …“ „Feuer?“ Sakura verschlug es die Sprache. Ungläubig schaltete sie das Licht ein, rannte zum Fenster und sah nach draußen. Die meisten Zimmer in den oberen Etagen lagen noch im Dunkeln, aber ein Stockwerk unter ihr brach bereits das Chaos aus. Kreischende Stimmen dröhnten durch das Fenster hinein, als sie es öffnete. Gleichzeitig roch sie den beißenden Geruch von Rauch, und unerwartet ging auch der Brandmelder in ihrem Zimmer los. „Miss, bitte!“, rief der Mann von draußen, und hastig rannte Sakura zur Tür. Sie hatte keine Wahl, ließ aber dennoch die Pistole in ihrem Morgenmantel verschwinden, ehe sie öffnete. „Schnell, hier lang!“ Der junge Mann griff Sakura bei der Hand, und auch er hatte keine Farbe mehr im Gesicht. So schnell er konnte, zog er sie zu den Treppen am anderen Ende des Ganges, als schon weitere Gäste aus ihren Türen stürmten und ihnen folgten. Die Panik brach unter den Leuten aus, und viele versuchten soviel Gepäck aus ihre Zimmern zu bringen, wie es ihnen möglich war. „Lassen sie ihre Kleidung bitte drinnen“, rief der Mann, der Sakura hinter sich herzog. „Nehmen sie nur das Wichtigste, meine Damen und Herren. Gehen sie bitte ruhig nach unten …“ Seine piepsige Stimme ging in dem Tumult unter, und als eine Traube Menschen hinter ihnen angerannt kam, musste er Sakura los lassen. „In die Empfangshalle, Miss!“, schrie er ihr zu, stolperte aber und wurde regelrecht unter den Flüchtenden begraben. „Mr. Hiroshi?“ Sakura wollte dem Pagen zur Hilfe eilen, als sie plötzlich von hinten ergriffen wurde. Kreischten drehte sie sich um, doch blickte sie fassungslos in Sasukes steinernes Gesicht. „Alles okay?“, fragte er, legte im gleichen Augenblick seinen Arm um Sakuras Taille und zog sie mit sich hinunter in die Halle. Ein anderer drängte sich vor ihnen, aber Sasuke zerrte ihn grob zur Seite und ignorierte das wütende Fluchen, das er dadurch verursachte. Er durchquerte im schnellen Schritt die Halle, stieß sich und Sakura den Weg frei und brachte sie nach draußen, ehe der Qualm auch das Foyer erreichte. „Was ist passiert?“ Sakura klammerte sich fest an ihn, als er sie die Straße entlang trieb und nicht ein einziges Mal stehen blieb. „Feuer?“, sagte er im ironischen Ton, schien aber dennoch erleichtert. „Vermutlich gelegt. Wir müssen hier weg …“ „Dann sind sie uns hier her gefolgt?“ „Ich sagte doch, dass es nur eine Frage der Zeit ist. Aber wir sind ihnen voraus. Es war vorherzusehen, dass so etwas passiert. Hey!“, brüllte er plötzlich und winkte einem Taxi. „Ich erklär es dir, wenn wir woanders sind. Was ist mit deinen Sachen?“, fragte er noch, als er an Sakura hinunter sah. „Im Zimmer“, gab sie ihm schlotternd zur Antwort. Doch lag es nicht nur an der frühjährlichen Kälte – die Angst saß tief in den Knochen, obwohl Sasukes Erscheinen sie ungemein beruhigt hatte. „Darum müssen wir uns später kümmern. Wir sind nicht lang unterwegs. Los, steig ein …“ Er hielt Sakura die Tür auf, als das Taxi neben ihnen hielt. Schroff nannte er dem Fahrer eine Adresse, ehe er sich neben sie setzte. „Was’n da los?“ Als der Taxifahrer an dem brennenden Hotel vorbeifuhr, wurde er langsamer und sah gespannt zu den Menschen, die hinausstürmten. „Brennt’s da?“ „Hör auf zu glotzen und fahr!“, herrschte Sasuke ihn an. „Wir haben keine Zeit, verstanden?“ Der Fahrer sah argwöhnisch in den Rückspiegel, nickte dann aber und fuhr ohne ein weiteres Wort weiter. „Wie sie meinen, Mister.“ Sasuke war gereizt, als er die Tür zu einem Apartment öffnete, das Licht einschaltete und darauf wartete, dass Sakura eintrat. „Wo sind wir hier?“, fragte sie und blieb im Flur stehen. Es war ihr unheimlich, hier zu sein. Der Flur wirkte so kühl, als würde hier niemand leben, und sie wollte gar nicht wissen, wie es in den anderen Räumen aussah. „Bei einem Bekannten. Er ist nicht da, also geh weiter.“ „Noch ein Bekannter?“ Sakura folgte Sasuke ins Wohnzimmer. Kein Bild hing an der Wand, und die beiden Fenster waren mit dunklen Gardinen zugehängt. „Ja. Warte hier.“ Er ließ Sakura alleine und ging in einen Nebenraum. Zwei Minuten später kam er zurück, in frischer Kleidung und weiteren Sachen für Sakura. „Das kannst du anziehen. Da hinten ist das Bad.“ Sakura sah Sasuke verwundert an. „Wer ist dieser Bekannte?“, wollte sie neugierig wissen. Es war doch seltsam, dass Sasuke sich hier so gut auszukennen schien. „Jetzt nicht, Sakura. Ich muss nachdenken und telefonieren. Geh ins Bad und zieh dich um.“ „Aber …“ „Deine ständige Widerrede nervt, also mach jetzt!“ Sakura verzog die Lippen zu einer schmalen Linie. Sie ließ sich auf die Couch fallen und sah Sasuke fragend an. „Sagt du mir wenigstens, wo du warst?“ „Nein.“ „Wieso nicht?“ Sasuke seufzte und schien mit sich zu ringen, nicht in Rage zu geraten. „Ich habe ein paar Dinge besorgt. Reicht das?“ „Fragst du das echt?“ „Sakura!“ Sasuke machte einen ungewöhnlich erschöpften Eindruck. „Lass uns das wenigstens später klären, okay?“ Sakura blickte Sasuke erst irritiert an, doch dann grinste sie. „Okay“, sagte sie lächelnd, schnappte sich die Sachen und verschwand ins Bad. Sasuke dagegen schüttelte nur den Kopf und ließ sich ermattet in einem Sessel sinken. Den Kopf lehnte er in den Nacken und schloss für eine Weile die Augen. Unbewusst griff er sich an seinen Arm und zog eine schmerzvolle Miene. „Was ist los?“, durchbrach Sakura seine Gedanken. Sie hatte sich aufs Umziehen beschränkt, und besorgt sah sie nun zu Sasuke, dessen Gesicht sofort finster wurde. „Nichts“, sagte er barsch, setzte sich aufrecht und beobachtete sie misstrauisch, als sie sich ihm näherte. „Was wird das?“ „Was hast du gemacht?“, fragte Sakura und setzte sich auf das Couchende dicht neben ihn. „Bist du verletzt?“ Ihre Augen weiteten sich erschrocken, als sie das Blut durch seinen Pullover dringen sah. „Schlimm?“ Sie wollte nach ihm greifen, doch packte er unerwartet heftig nach ihrer Hand. Als sich ihre Blicke trafen, lockerte er seinen Griff etwas, ließ sie aber nicht los. „Es ist nichts weiter, Sakura. Verkneif dir deine Sorge.“ „Lass es mich ansehen, Sasuke! Wurdest du angeschossen?“ Sasuke zog Sakura grollend näher. „Das geht dich nichts an, kapiert?“ „Hör doch mal auf“, gab Sakura zurück und hielt angestrengt die aufkommenden Tränen zurück. Wurde er ihretwegen verletzt? Auch das Feuer wurde vermutlich ihretwegen gelegt … „Flenn jetzt nicht rum!“, sagte er drohend. „Es war nur ein Streifschuss, also lass das Geheule!“ „Ich heul ja gar nicht.“ Sakura atmete tief durch. „Warst du beim Arzt?“ Sasuke grinste leicht. „Denk mit, Dummerchen. War dafür Zeit?“ Er schüttelte als Antwort den Kopf. „Außerdem brauch ich keinen Arzt. Das ist ein Kratzer.“ „Dann … lass mich drauf sehen. Wenn es so blutet, dann müsste es wahrscheinlich genäht werden. Umso länger dauert die Heilung und …“ „Medizinische Bücher liest du also auch.“ Sasuke grinste noch immer, auch wenn es nicht freundlich wirkte. „Du bist blass Sakura und wir können es uns nicht leisten, dass du jetzt ohnmächtig wirst. Also lass es stecken.“ „Ich kann Blut sehen“, sagte Sakura fest. „Lass mich los und zeig mir deinen Arm.“ „Und nähen kannst du natürlich auch.“ „Natürlich.“ Sakura wartete, dass Sasuke sich seinen Pullover auszog. Sie schaute leicht zur Seite, jedoch nicht wegen dem blutendem Arm. Sasukes freier Oberkörper erzielte eine Wirkung, die Sakura gar nicht zusagte. Sie ahnte, dass ihr die Röte ins Gesicht schoss, und als Sasuke mehr grinste als sonst, fühlte sie sich in ihrer Annahme bestätigt. „Du bekommst ja Farbe“, lachte er leise und beugte sich zu Sakura vor, die seinem Blick auswich und sich auf seinen Arm konzentrierte. „Wir sollten ins Bad“, murmelte sie verbissen. „Ins Bad? Eine interessante Idee …“ Sakura warf Sasuke einen beleidigten Blick zu. „Lass das. Die Wunde ist nur dürftig gereinigt, und genäht werden muss sie auch. Von wegen Streifschuss! Was hast du gemacht?“ „Nur eine kleine Meinungsverschiedenheit.“ Sasuke folgte Sakura ins Badezimmer und setzte sich auf den Rand der Badewanne. „In dem Schrank dort ist, was du brauchst. Vorausgesetzt du bist dir sicher, dass du das auch kannst. Hosen nähen zählt da nicht …“ „Kannst du dir vorstellen, dass ich schon mehr getan habe, als Bücher zu lesen?“ Sakura holte sämtliche Dinge aus dem Arzneischrank. „Eigentlich nicht.“ Sakura ließ Sasukes Aussage auf sich beruhen und konzentrierte sich stattdessen auf die Verletzung. Nach ausreichender Desinfektion wollte sie die offene Wunde nähen, doch zog er seinen Arm kurzerhand zurück. „Wer sagt, dass ich dir vertrauen kann?“ „Wirst du jetzt kleinlich?“, fragte Sakura nur und hielt seinem eisigen Blick stand. „Abgesehen davon hab ich dich bisher nicht ein einziges Mal erwürgen oder vergiften wollen, oder?“ „Vielleicht willst du dich rächen? Es wäre immerhin …“ „Halt jetzt die Klappe, okay?“ Sakura wurde langsam wütend. „Du hast nur Angst, dass ich das nicht hinbekomme. Es tut nicht … sehr weh.“ „Meinst du, ich fürchte mich vor Schmerzen?“ Sakura zuckte mit den Schultern und führte den Faden durch die Nadel. Wer auch immer Sasukes Bekannter war – er war für alle Fälle ausgerüstet … „Scheinbar schon. Es sind nur ein paar Stiche, also …“ „Ich habe keine Angst, verstanden?“, unterbrach Sasuke sie barsch. Sakura seufzte und ließ sich vor ihm auf den Boden nieder. Sie verschränkte die Arme und sah ihn pikiert an. „Du kannst mir vertrauen. Ich habe schon mehr als Hosen genäht, und das war nicht mit ein paar Stichen behoben. Wird das nicht genäht, wirst du immer mehr bluten, und irgendwann werde ich dich retten müssen, weil du zu schwach zum Laufen bist. Ist dir das vielleicht angenehmer?“ Sasuke grollte vor sich her, ließ Sakura dann aber doch weitermachen. Bei jedem Stich sah er jedoch zu, und innerlich rechnete er immer wieder damit, dass sie irgendetwas tun würde. Rache war etwas, das man nur selten vergaß oder auf sich beruhen lassen konnte. Und dass er Sakura einige Gründe gegeben hatte, konnte er nicht leugnen. „Fertig“, sagte sie aber irgendwann und lächelte erlöst. „Wie neu. Aber du solltest dich etwas … ausruhen.“ „Ausruhen?“ „Vielleicht schlafen, oder Fernsehen? Ich meine nur, damit der Arm für eine Weile ruhig gestellt ist.“ Sakura erhob sich, als ihre Augen flüchtig über Sasukes Rücken glitten. „Was hast du da … gemacht?“, fragte sie vorsichtig und sah starr auf eine Narbe. Es schien die einzige zu sein, die er hatte, aber sie war rund und bald faustgroß, als wäre er irgendwann von etwas durchbohrt worden. Sasuke stand auf und finster blickte er auf Sakura hinunter. „Das …“ „Geht mich nichts an, ich weiß.“ Sie lächelte matt, sammelte das Verbandszeug auf und räumte es eiligst weg, ehe sie Sasuke alleine zurückließ und ins Wohnzimmer verschwand. Sakura hatte Glück, dass in dieser leblosen Wohnung ein gefüllter Kühlschrank stand. Sie fragte erst gar nicht, und da Sasuke im Bad verschwunden blieb, durchsah sie die Lebensmittel nach ihrem Haltbarkeitsdatum. Das meiste war abgelaufen, doch ein paar Kleinigkeiten konnte sie sicherstellen. Eilig verdrückte sie, was in ihren Magen passte und kochte danach Tee, mit dem sie zurück ins Wohnzimmer kam und sich gähnend vor den Fernseher setzte. Es war kurz nach elf, und Sakura fragte sich, wie langsam die Zeit eigentlich verging. Gelangweilt schaltete sie durch das Fernsehprogramm, bis sie erneut in die Küche ging. Ihr Hunger war noch immer nicht vergangen, und das große Stück erhaltene Wurst reizte sie ungemein. Rasch kramte sie nach einem Messer, holte sich ein Brett und setzte gerade zum Schneiden an, als Sasuke in der Tür erschien. Vor Schreck rutschte ihr die scharfe Klinge weg und ungeschickt traf sie ihren eigenen Finger. „Willst du dich jetzt zerstückeln?“, fragte Sasuke mit gerunzelter Stirn und ging zur Kaffeemaschine. „Wenn du mich erschreckst“, brummte Sakura, setzte sich aber im gleichen Moment hin und legte den Kopf auf die kalte Tischplatte, während sie ihren blutenden Finger weit von sich hielt. „Ich glaub ich muss …“ „Was denn jetzt?“ Sasuke beobachtete Sakuras seltsame Gebärde und konnte das Grinsen nicht unterdrücken. „Willst du mir jetzt weismachen, dass du wegen dem bisschen Blut umkippst? Eben hast du noch …“ „Eigenes, Sasuke“, stöhnte Sakura. „Eigenes Blut ist was anderes. Viele Menschen können ihr eigenes Blut nicht sehen, das ist psychologisch erklärbar und … Gott, wird mir übel. Ich glaub, ich muss …“ „Du hast wirklich ein psychologisches Problem“, sagte Sasuke, hob Sakura einfach vom Stuhl und hielt ihre Hand unter das laufende Wasser. „Das waren nicht mal Tropfen.“ „Aber es war rot, und es kam aus meinem Finger …“ Sasuke grinste unmerklich immer weiter. „Willst du immer noch Wurst?“ Sakura blickte Sasuke entsetzt an, bevor sie sich die Hand auf den Mund schlug. Etliche Sekunden beschäftigte sie sich mit dem regelmäßigen Einatmen, griff schließlich zu einem Glas und füllte es sich mit Wasser, das sie in großen Schlucken hinterkippte. „Jetzt ja …“ Sasuke schüttelte nur den Kopf und ließ Sakura los, als sie wieder alleine stehen konnte. Anstatt sich Scheiben von der Wurst abzuschneiden, nahm sie einfach die ganze mit ins Wohnzimmer, trank dort auch den Tee leer und kaute zufrieden an ihrem Essen. Sasuke kam ebenfalls ins Wohnzimmer, nahm ihr im Vorbeigehen die Fernbedienung weg und setzte sich auf den Sessel. „Morgen gehen wir zu dem Mädchen“, warf er in den Raum, als ginge es um einen Kommentar zum Film. Sakura nickte und sah Sasuke fragend an. „Sagst du mir jetzt, wo du vorhin warst?“ Sasuke blickte mürrisch zurück, zuckte mit den Schultern und widmete sich wieder dem Spielfilm, den er eingeschalten hatte. „Ich brauchte ein paar Dinge. Ich hatte Waffen im Wagen, aber die haben ja alles in die Luft gesprengt.“ „Bist du öfter in Nagasaki?“, wollte Sakura neugierig wissen. „Diese Wohnung hier …“ „Gehört einem Bekannten. Punkt.“ Sakura zog ein grimmiges Gesicht. „Würde es dir einen Arm abreißen, mir mal etwas zu erklären?“ „Dich gehen manche Dinge nichts an und fertig.“ „Du tust aber, als gingen mich ALLE Dinge nichts an. Über Pein hast du mir auch nichts verraten, oder über diese Organisation. Die wollen aber rein zufällig meine Wenigkeit tot sehen, also geht es mich – wenn auch ganz entfernt – auch etwas an, oder nicht?“ „Pein ist ein Mörder und die Akatsuki sind es auch. Sie handeln hauptsächlich mit Drogen und Waffen, und sie mögen weder Konkurrenz noch Leute, die sich in ihre Angelegenheiten mischen. Du hast ihren Code geknackt und Pein damit überaus gereizt. Du hast seine Ehre beschmutzt und ihn bloßgestellt. Er fühlt sich getroffen, und das kann er nicht leiden. Er weiß, dass es deinerseits keine Absicht war, und er weiß ebenso, dass du ihn nicht an die Polizei ausgeliefert hast. Das interessiert ihn jedoch einen feuchten Dreck, denn nach wie vor hast du ihn in seinen Augen entehrt.“ Sakura sah Sasuke ungläubig an. „Wow“, sagte sie fassungslos. „Das war …“ „Die Wahrheit, und nun weißt du genug.“ „Nein, ich meine das waren …“ Sakura überlegte kurz. „97 Wörter, und ohne Unterbrechung. Soviel hast du noch nie hintereinander zu mir … gesagt. Ich bin … gerade voll überrascht. Das ist echt … komisch.“ „Komisch ist einzig und allein, dass du die Wörter mitzählst. Du solltest dir ernsthaft Gedanken machen, einen Psychologen aufzusuchen. Das ist ungesund, was du tust.“ „Quatsch“, sagte Sakura schlicht. „Abgesehen davon musste ich einmal zu einem Psychologen, und der sagte, ich sei vollkommen normal.“ „Ich frage mich, was der Psychologe von deinem Psychologen dazu gesagt hätte …“ Sasuke war sich nicht sicher, wie er das zu deuten hatte. „Und wieso musstest du dorthin?“ „Es war ein Eignungstest. Ich wollte nach dem Abitur ins Ausland, damit ich Zeit zwischen den Studienbeginn habe.“ „Zeit?“ „Ich war sechzehn“, sagte Sakura seufzend. „Ich wäre recht jung für die Universität gewesen. Es hätte womöglich zuviel werden können.“ „Du meinst, dass man dich schief angesehen hätte. Tut man das heute nicht auch?“ Sakura lächelte betrübt. „Sicher, aber heute ist es mir egal.“ „Dein Verhalten ist ernsthaft gestört, kann das sein? Solltest du dich nicht um Freunde und den ganzen Mist bemühen?“ „Ich habe Naruto.“ „Ich rede von der Mehrzahl, Sakura.“ „Ich hab's nicht so mit Menschen, so einfach ist es.“ Sasuke grinste unmerklich. „Beginnst du jetzt zu lügen?“ „Nein!“, empörte sich Sakura. „Das hat nichts damit zu tun, aber ich …“ Sie sah hinunter auf das Kissen, dass sie fest an sich drückte. „Ich wollte später von hier weg, und das nehme ich mir schon … sehr lange vor. Ich hab gedacht, dass Freunde … das sie nur hinderlich wären.“ „Du willst Japan also verlassen. Und was ist mit Naruto?“ Sakura grinste traurig. „Ich wollte nicht mit ihm befreundet sein, aber … er hat sich nicht verekeln lassen. Jetzt ist er … zu solch einem Hindernis geworden. Vielleicht wäre ich längst gegangen, doch wegen Naruto …“ Sie fuhr sich durch die Haare, lehnte sich nach hinten und starrte an die Decke. „Und was willst du irgendwo anders machen?“ Sasuke konnte sich selbst nicht erklären, woher dieses Interesse kam. „Egal, nur weg“, sagte Sakura und sah Sasuke bitter an. „Aber weißt du, was das Schlimmste ist? Das ich angefangen habe, es zu mögen. Ich will gar nicht mehr … nur alleine sein. Dabei … Naruto nervt so oft, und er macht sich nie Gedanken um seine Noten oder ob er die Prüfungen schafft. Er feiert am Wochenende, egal ob am nächsten Tag Vorlesungen sind und er dort einschläft … Das alles nimmt er so leicht und …“ „Und du würdest es gerne genauso leicht nehmen können.“ Sasuke wirkte auf eine fremde Art ernst. „Dann nimm dir doch an ihm ein Beispiel.“ Er konnte nicht glauben, dass er das wirklich sagte. Es war ihm selbst nicht geheuer. Zumal er über den blonden Vogel sprach, der garantiert kein Beispiel für irgendwen sein durfte. Sakura musste leise kichern. „Das hab ich versucht, aber Naruto ist kein Vorbild, an das ich mich halten könnte. Ich möchte auch nicht seine schlechten Noten haben.“ Sasuke zuckte mit den Schultern. „Schlechte Noten haben nicht viel zu sagen. Du hattest vermutlich noch nie eine, oder?“ „Doch, sicher. Ich hatte früher viele schlechte Noten. Ich hab es sogar gehasst zu lernen“, gab Sakura zu und schmunzelte dabei, als wäre sie darauf stolz. „Ich hätte die Aufnahme in eine weiterführende Schule kaum geschafft, so schlecht waren sie. Wir sind nach Osaka gezogen, und von drei Schulen wollten zwei mich gar nicht erst nehmen. Ich war sogar sehr schlecht. Bestimmt schlechter, als Naruto zu dem Zeitpunkt.“ „Wie konnte aus dir dann ein Überhirn werden?“ Sakura kniff die Augen zusammen, als könne sie sich nicht erinnern. „Keine Ahnung, ich hab meine Meinung übers Lernen wohl geändert. Ich wollte nicht wie mein Vater enden, und ich wollte schon damals weg.“ Sasuke grinste schief. „Du bist sehr schlecht im Lügen, Sakura. Und ich dachte, du magst es nicht, unehrlich zu sein?“ „Ich hab sie wirklich geändert“, verteidigte sich Sakura und krallte noch mehr nach ihrem Kissen. „Mein Vater hat mir auch gesagt, wie wichtig gute Noten wären. Das kann ich ihm nicht mal vorhalten, immerhin … hat er sich darum gekümmert.“ Sasuke beobachtete Sakura, wie sie nervös auf den Lippen kaute und jeglichen Augenkontakt vermied. „Was hat er dir für gute Noten versprochen?“, wollte er mit ruhiger Stimme wissen. „Dass du von zu Hause weg darfst? Und sieh mich endlich an, Sakura.“ Sakura hob den Blick, doch fiel es ihr sichtlich schwer, Sasuke in die Augen zu sehen. „Hat er nicht“, sagte sie langsam. „Er war … weißt du, vorher war er wirklich ein guter Mensch gewesen, und wenn ihn die ganzen Schulden nicht so ruiniert hätten, dann wäre er auch bestimmt ein guter Mensch geblieben. Und eigentlich ist Osaka schuld, weil die ganzen Schweine dort waren, die ihn so beeinflusst haben. Er war früher … er hat viel mit mir gespielt, weiß du? Er hat viel für mich und meine Mutter getan und …“ „Ich will eine Antwort auf meine Frage, Sakura. Was hat er gemacht?“, fragte Sasuke scharf. „Er hat’s nicht böse gemein“, sagte Sakura und lächelte starr. „Er wollte nur, dass die schlechten Noten aufhören. Und sobald sie besser wurden, hat er sich auch dran gehalten. Aber … deswegen fällt es mir schwer, verstehst du? Ich hab's sogar mal versucht und wollte einen Test verhauen, doch … es tut weh, deswegen. Wenn ich nur … daran denke, dann tut es weh …“ Sakura verzog das Gesicht, doch lächelte sie weiter. Nur, dass es stumpf wirkte, und nicht mehr ehrlich. „Also hat er dich für schlechte Noten geschlagen.“ Sasuke hob die Braue. „Daher die Narben. Er hat den Gürtel genommen.“ „Nur, wenn sie ganz schlecht waren“, sagte Sakura schnell. „Und ich hab … viel gelernt. Er musste nicht lange …“ „Könntest du bitte damit aufhören“, unterbrach sie Sasuke. „Dazu hatte er weder das Recht noch irgendetwas anderes. Du solltest ihn nicht verteidigen, sondern hassen!“ „Du tötest Menschen“, warf Sakura unbeirrt dazwischen, als wäre es eine Diskussion über alltägliche Dinge. „Du hast auch kein Recht dazu.“ „Er hat aber nicht irgendwen verprügelt, sondern seine Tochter, Sakura! Er hat das mit dir gemacht! Und du warst ein Kind!“ „Er wollte nur, dass es aufhört. Er hat … sich nicht anders zu helfen gewusst und ich ... ich war wirklich schlecht, und vielleicht wäre ich so geworden wie er. Das wollte er nur verhindern, und …“ „Schluss jetzt, verstanden?“ Sasuke stand abrupt auf, packte Sakura und zerrte sie mit sich ins Bad. „Lass los“, rief sie panisch und wehrte sich nach allen Regeln, doch war Sasukes Kraft ihrer weit überlegen. „Hast du es dir überhaupt mal angesehen?“, blaffte er aufgebracht und zog sie vor den Spiegel. „Hast du mal gesehen, was das Drecksschwein mit dir gemacht hat?“ „Hör auf!“, schrie Sakura weinend. „Hör bitte auf!“ „Hat er aufgehört?“ Sasuke griff Sakura bei den Schultern und zwang sie, ihn anzusehen. „Hat er es gelassen, wenn du geschrieen hast?“ Sein Blick war so kalt, dass Sakura immer mehr erzitterte und sich aus Angst an Sasuke krallte, auch wenn er der Grund dieser Angst war. Doch sie wollte nicht in den Spiegel blicken, und sie wollte auch nicht mehr darüber nachdenken. Sie hasste ihren Vater, wie könnte sie auch anders? Aber letzten Endes blieb er doch ihr Vater, auch wenn er auf seinem falschen Weg falsche Dinge tat. So sehr sie vergessen wollte, aber in ihrem tiefsten Innern gab es Erinnerungen an glückliche Zeiten, die nicht gespielt oder gelogen waren. Glückliche Erinnerungen einer ganz normalen, kleinen Familie, die es nicht zuließen, dass Sakura wirklichen Hass empfinden konnte. Darauf konnte sie keinen Einfluss nehmen, wie sie auf keine ihrer Gefühle Einfluss nehmen konnte. Auch nicht auf die, die sie für einen Mörder zu hegen begonnen hatte. Kapitel 19: Die Geschichte über den Muskel, der zum Herzen wurde ---------------------------------------------------------------- Sakura hatte die Erschöpfung überwältigt, als ihre Nerven durch die Erinnerung noch mehr belastet worden waren. Sasuke musste sie ins Wohnzimmer tragen, und sie hatte sich trotz allem so fest an ihn geklammert, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als sich mit ihr auf die Couch zu setzen. „Krieg dich wieder ein, Sakura“, sagte er recht unbeholfen, da sie sich einfach nur an ihm festhielt und keinen Laut von sich gab. Wie eine Statue lehnte sie an seiner Brust, und auch als er sie einmal schüttelte, brachte es keine Reaktion. „Könntest du dann mal loslassen?“, fragte er unwirsch, doch hielt ihn irgendetwas davon ab, Sakura einfach von sich zu stoßen. Er bereute nicht, was er gesagt oder getan hatte – ihm gefiel aber auch nicht dieser Ansatz von Mitleid, das sich in ihm breitmachte. Es fühlte sich wie eine Krankheit an, doch konnte er nicht einmal auf Sakura wütend sein, obwohl er ihr die Schuld dafür geben wollte. „Willst du vielleicht mit Naruto telefonieren?“, fragte er, um wenigstens etwas zu erreichen. Doch Sakura nickte nicht, und genauso wenig schüttelte sie mit dem Kopf. Sakura tat einfach gar nichts. „Soll ich deinen Kopf in kaltes Wasser tauchen?“ Langsam wurde es ihm wirklich zu bunt! Musste sie sich wie ein Kleinkind aufführen und sich wie ein Affe an ihn klammern? Möglicherweise brachte es etwas, wenn er ihr seine Pistole an den Kopf hielt … „Gut“, sagte er schnaubend, hob Sakura auf die Arme und durchquerte mit ihr das Zimmer. „Dann schmeiß ich dich jetzt ins Bett und schließ dich ein. Du kannst das selbst mit dir ausmachen, verstanden?“ Er trat die Tür zum Schlafzimmer auf und blieb vor dem ordentlich gemachten Bett stehen. Erst wollte er Sakura einfach fallen lassen, legte sie dann aber doch sanfter als gewollt auf die Decke. Da sie sich noch immer an ihm hielt, musste er sich durch den Ruck neben ihr abstützen, und finster sah er sie an. „Ich will jetzt gehen, Sakura!“, sagte er bedrohlich. „Kannst du nicht …“ Sakura biss sich auf die Lippen. „Bleiben?“ „Ich bin kein Babysitter“, war Sasukes kalte Antwort. „Ich sitz bloß nebenan, also reiß dich endlich zusammen.“ Sakura nickte widerwillig und versuchte so gleichgültig wie möglich zu wirken, was ihr jedoch kaum gelang. Sie löste ihre starren Finger von Sasukes Pullover und zwang sich zu einem entschuldigenden Lächeln. Es blieb jedoch bei einer kläglichen Grimasse, und rasch sah sie in eine andere Richtung. Sakura wartete, dass Sasuke sich von ihr abwandte und aufrichtete, doch stattdessen hörte sie ihn vorwurfsvoll seufzen. „Du bist … das Nervigste, was mir je begegnet ist“, sagte er im barschen Ton, doch spürte im nächsten Moment, wie er sich unerwartet neben sie setzte. Sakura zuckte erst erschrocken zusammen, doch dann blickte sie überrascht in Sasukes schwarze Augen, die sie fast sanft beobachteten. Sie wollte sich zusammennehmen, doch schon begangen ihre Lippen wieder zu beben und ungestüm krallte sie sich einfach wieder an ihm. „Tut mir leid“, sagte sie rau. „Ich will ja gar nicht …“ „Schon gut“, brummte Sasuke, legte Sakura einfach seinen Arm um die Schultern und ließ sich mit ihr in die Kissen sinken. Zuerst wusste Sakura nicht, wie sie das zu deuten hatte, doch dann musste sie schmunzeln und kuschelte sich noch mehr bei dem sonst so eisigen jungen Mann ein, bis sie schließlich sogar einschlief. Als Sakura wach gerüttelt wurde, wusste sie nur noch, dass sie einen angenehmen Traum gehabt hatte. Verschlafen öffnete sie die Augen und blickte direkt in Sasukes Gesicht. Erschrocken wollte sie sich aufrichten, doch hielt er sie fest und legte ihr seinen Finger auf den Mund. „Sei still“, sagte er leise. Er stand auf, zog Sakura ebenfalls aus dem Bett und schob sie hinter sich, als er schon seine Waffe in der Hand hatte und entsicherte. „Was ist?“, flüsterte Sakura entsetzt, doch hörte auch sie die beängstigenden Geräusche im Nebenzimmer. „Sind sie …“ „Still!“, zischte Sasuke, schlich neben die Tür und hielt die Luft an. „Hör mir jetzt genau zu, Sakura“, sagte er fast lautlos. „Dieses Mädchen wohnt in der Asahi-Machi-Straße. Es ist das kleine Haus neben der Jugendherberge auf der rechten Seite. Nummer 7.“ „Was … warum sagst du das?“ Sakura begann zu zittern, als Sasuke ihre Hand nahm und ihr einige Geldschein gab. „Du nimmst ein Taxi, hörst du? Du fährst dort hin und bleibst bei diesem Mädchen, bis ich zu dir komme. Du wirst nirgendwo anders hingehen und auch nicht mit Naruto telefonieren!“ „Aber …“ „Du tust, was ich sage, verstanden? Keine Umwege, und keine dummen Ideen. Ich kümmere mich um den Kerl im Wohnzimmer. Danach werde ich nach draußen gehen, und du wirst fünf Minuten warten, ehe du auch hinaus rennst und das nächste Taxi anhältst. Du wirst mich nicht suchen!“ Sasuke sprach so leise und schnell, dass Sakura Mühe hatte, ihn zu verstehen. „Es sind zwei gewesen, und der andere wird draußen warten. Also rennst du zur Straße und tust nur das, was ich eben gesagt habe. Dreh dich nicht um!“ „Und was ist mit dir? Wenn du …“ „Ich bin so schnell bei dir, wie es geht, Sakura. Du konzentrierst dich jetzt nur darauf, zu dieser Hinata zu kommen.“ „Und wenn sie mich nicht reinlassen will, oder …“ „Dann erschießt du sie, klar? Ich will, dass du in dieses Haus gehst und dich nirgendwo anders blicken lässt.“ Er ließ eine weitere Pistole in Sakuras Tasche gleiten und lauschte wieder. „Einfältige Idioten“, fluchte er leise, wie er den Einbrecher im Badezimmer nebenan rammeln hören konnte. „Und wenn noch mehr auftauchen?“ Sakura glaubte, in einem grausamen Alptraum zu stecken. „Wenn ein dritter kommt …“ „Es sind nur die beiden hier. Pein spielt ein Spiel, und er spielt es nach seinen eigenen Regeln. Wir reden bei dem Mädchen, Sakura. Hast du dir die Adresse gemerkt?“ Sakura nickte mit Tränen in den Augen, doch als Sasuke schon nach der Tür greifen wollte, hielt sie ein letztes Mal fest. „Du kommst ganz sicher?“, flüsterte sie erstickt. „Versprichst du’s?“ Einige Sekunden vergingen, in denen Sakura bald erwartete, dass er los laufen würde. Doch dann drehte er sich ruckartig zu ihr um, zog sie unerwartet zu sich und küsste sie einfach. Ungläubig sah sie ihn an, als er sich von ihr löste. „Meinetwegen“, sagte er und grinste schief, ehe er die Tür aufriss und hinter sich zuknallte. Ein gedämpfter Schuss erklang nur wenig später, aber Sakura realisierte es kaum. Sie musste sich gegen die Wand stützen und sah gezwungen zur Uhr. Fünf Minuten … Sakura schaffte es nur mit zittriger Hand, den Taxifahrer zu bezahlen. Sie stolperte aus dem Wagen und sah sich nicht um, als sie zu dem Haus mit der Nummer sieben rannte. Es hatte zu regnen begonnen, und immer stärker peitschten ihr Nässe und Wind um die Ohren. Sie glaubte sich in einer anderen Welt, die nur in ihren furchtbarsten Einbildungen existieren konnte. Ihre Beine knickten ein, doch fing sie sich mit letzter Kraft ab und rannte weiter, bis sie fast gegen die Haustür prallte und wie wild klopfte, ehe sie ununterbrochen gegen die Klingel drückte. Immer wieder sah sie Sasukes Grinsen vor sich, und immer wieder dachte sie an seinen überraschenden Kuss, der sich so nach Abschied anfühlte, dass ihre Tränen nicht trocknen wollten. „Mach auf, bitte Hinata!“, rief sie leise und mit heiserer Stimme. Wieder klopfte und klingelte sie, und jeden Moment erwartete sie, einfach von hinten erschossen zu werden. „Mach doch bitte auf …“ „Wer ist da?“ Plötzlich ging das Licht im Flur an, doch blieb die Tür verschlossen. „Es ist halb drei. Ich … ich ruf die Polizei und …“ „Ich bin Sakura“, weinte Sakura und stützte sich gegen die Tür. „Ich bin eine Freundin von Kaito. Lass mich rein, bitte.“ „Ich kenne keinen … Kaito“, sagte die erschrockene Stimme auf der anderen Seite. „Ich rufe wirklich die Polizei, wenn sie nicht …“ „Du musst ihn kennen“, sagte Sakura verzweifelt. „Er hat mir von dir erzählt. Er musste meinetwegen verschwinden, Hinata. Bitte … lass mich bitte rein!“ Einige Sekunden herrschte Schweigen, und nur Sakuras Schluchzen war in der dunklen Straße zu hören, in der kaum ein Auto fuhr und nur wenige Straßenlaternen brannten. Selbst das Licht der Reklametafeln aus der Innenstadt drangen nicht bis hierhin vor. „Wir sind Freunde gewesen …“ Sakura glitt kraftlos an der Tür hinunter. „In Kyoto. Lass mich bitte … ich … sie wollen mich auch töten …“ Sakura konnte nur noch flüstern, doch ging unerwartet die Tür auf. Zwei schmale Hände griffen nach ihr, und als Sakura sich aufrappeln konnte, sah sie in das zarte Gesicht einer jungen Schwarzhaarigen, deren Augen sie so angstvoll ansahen, dass es Sakura in der Seele schmerzte. „Es tut mir leid“, wisperte sie, ließ sich hinein helfen und atmete tief durch, als Hinata die Tür schloss. „Ich wollte … das alles nicht, dass musst du mir glauben.“ „Komm … komm erst mal in die Küche, ja? Ich mach … Tee …“ Hinata lächelte gezwungen. „Bist du irgendwie … verletzt?“ Sakura schüttelte den Kopf und nahm dankend die Taschentücher, die Hinata ihr reichte. „Ich wollte nicht kommen“, sagte sie leise. „Ich muss nur wissen, was mit ihm ist. Er hat gesagt …“ „Ich weiß“, sagte Hinata rasch, setzte Wasser auf und bot Sakura einen Platz an. „Er hat es mir … erzählt, bevor er gegangen ist …“ „Hat er?“ Sakura sah durch den Schleier ihrer Tränen verstört auf, ehe sie den Kopf schüttelte und Hinata entschuldigend ansah. „Das ist alles meine Schuld. Er wollte nichts mehr damit zu tun haben, aber ich … wusste nicht, was ich machen sollte. Ich hab's nichts verstanden.“ „Kaito hat mir auch von dir erzählt. Ich kenne den Grund, du brauchst … es mir nicht erklären.“ Sakura musste ihren Kopf auf der Hand abstützen, als sie neue Tränen übermannten. „Ist er … okay?“, flüsterte sie vorsichtig. „Ja“, sagte Hinata und lächelte zurückhaltend. „Er scheint über die Grenze gekommen zu sein.“ Sie wartete, bis das Wasser kochte und füllte zwei Gläser. „Du bist nach … Nagasaki gekommen, nur um das herauszufinden?“ Sakura nickte einfach, doch brauchte sie mehrere Ansätze, ehe sie ihre Stimme wieder fand. „Und ich wusste nicht, was er … dir gesagt hat, und ob man auch versucht hat dich … Ich wusste gar nichts.“ „Sind sie dir gefolgt?“ Hinata hatte eine so feine Stimme, dass Sakura sich auf jedes Wort konzentrieren musste. Sie nickte leidlich und vergrub ihr Gesicht in den Händen. „Sasuke hat sie abgelenkt, und er wollte herkommen, wenn er … Aber wenn er nicht …“, sagte sie undeutlich und erzitterte bei dem Gedanken. Sie versuchte sich etwas zu straffen und Ruhe zu bewahren. „Niemand weiß von deiner Verbindung zu Kaito?“ „Ich …“ Hinata rührte unruhig in ihrer Tasse, stand auf und lief zur Anrichte, um Schokolade zu holen. „Ich weiß es nicht. Er hat mir gesagt, ich müsse mir keine Gedanken machen. Sobald er verschwunden ist, würde niemand mehr ... aber ich hatte ein komisches Gefühl. Die letzten Tage waren … sehr aufreibend, es könnte auch nur daran liegen.“ „Komisches Gefühl?“ „Ich weiß nicht, als … würde mich jemand beobachten. Aber das sind die Nerven, es war niemand in der Nähe. Was ist mit diesem Sasuke? Ist er von der Polizei? Kann er dafür sorgen, dass es … aufhört?“ In Hinatas Worten schwang Hoffnung mit. „Kaito meinte, er würde … länger wegbleiben …“ Sakura blickte Hinata traurig an und fuhr sich über die Augen. „Ich weiß nicht. Er ist nicht von … der Polizei, aber er scheint sie zu kennen. Er …“ „Kennen?“ „Diese Organisation. Er sagte, sie nennen sich Akatsuki, und ihr Anführer hieße Pein. Durch dieses … verdammte Rätsel hab ich seine Ehre verletzt. Nur deswegen …“ Doch Sakura wusste, wie Japaner zu ihrer Ehre standen. Sie schätzten nichts höher, und warum sollte es bei einem wahnsinnigen Kriminellen wie Pein anderes sein? Es war eher schlimmer, denn worauf sonst baute sich seine ganze Macht, wenn nicht auf Angst, Respekt und Ehre? „Was ist mit der Polizei? Warum habt ihr nicht …“ „Es würde nichts bringen. Diese Leute sind keine Amateure. Pein und sie alle sind … verrückt.“ „Aber was ist mit Kaito? Ich verstehe nicht, warum er aus dem Land verschwinden musste?“ Sakura griff nach der heißen Teetasse. „Er hat Angst, denk ich. Und er will nichts mehr mit … dem zutun haben, was in der Vergangenheit passiert ist. Aber … er kommt bestimmt zurück, sobald das hier … irgendwie vorbei ist.“ Sie versuchte Hinata aufmunternd anzulächeln und nippte leicht an ihrem Glas. „Warum bist du nicht geflohen?“, fragte Hinata unerwartet, so dass Sakura sie verwirrt ansah. „Ich …“ Sie musste etwas schmunzeln und blickte dabei abwesend auf den Tee. „Wegen meinen … Freunden, weißt du? Naruto ist … er wäre dann alleine gewesen, und Sasuke hat mir ja geholfen, auch wenn er es eigentlich gar nicht wollte, und jetzt …“ Sie musste bei dem zerreißenden Gedanken schlucken, riss sich aber zusammen. „Kaito ist trotzdem abgehauen“, sagte Hinata und musste sich wieder setzen. „Dabei hab ich geglaubt, dass er mich wirklich … aber er hat die ganze Zeit gelogen, und er hätte mir wahrscheinlich auch nie die Wahrheit über Kyoto erzählt. Dass er dort gedealt haben soll und … ich kann das einfach nicht …“ Ihr versagte die Stimme und sie schüttelte erschüttert den Kopf. „Und jetzt ist er weg. Er wird … ich glaube nicht, dass er wiederkommen wird.“ „Es tut mir …“ „Nein, das muss es nicht. So weiß ich wenigstens … woran ich bin. Kaito hat mir so viel versprochen, aber am Ende war es … alles nur eine Lüge.“ „So darfst du das nicht sehen, Hinata. Er hat furchtbare Angst, und er wollte ganz neu Anfangen. Mit dir, das hat er mir erzählt!“ „Hast du keine Angst?“ Hinata sah Sakura mit einem betrübten Lächeln an. „Aber du läufst nicht davon und lässt jemanden im Stich, oder?“ Sakura wusste nicht, was sie sagen sollte. Es tat ihr vom Herzen Leid, und hätte sie es gekonnt, sie hätte alles Rückgängig gemacht. „Ich leg dir ein paar Sachen raus“, sagte Hinata plötzlich und erhob sich. „Du kannst dich im Gästezimmer ausruhen, bis dieser Freund von dir kommt. Was wollt ihr dann …“ „Wir gehen wieder“, sagte Sakura schnell. „Damit dir niemand …“ „Ihr könnt hier schlafen. Du siehst nicht gut aus. Ich mach … das Zimmer fertig und leg dir trockene Sachen hin.“ Hinata drehte sich um, und ohne noch etwas zu sagen, ließ sie Sakura allein in der Küche zurück. Es war reichlich spät, doch Sakura saß in einem molligen Pyjama auf dem Bett im Gästezimmer und horchte nach jedem verdächtigen Geräusch. Ein paar Mal hatte sie gedacht, dass jemand vor ihrem Fenster stand, und gleich zu Anfang glaubte sie auch einen Schatten gesehen zu haben. Sie schob es jedoch auf die nervenaufreibenden letzten Stunden und konzentrierte sich darauf, nach Sasuke zu lauschen. „Ich lege mich jetzt auch etwas hin“, sagte Hinatas zarte Stimme, als sie noch einmal bei Sakura vorbei sah. „Tee steht in der Küche, und wenn etwas ist, dann hol mich.“ Sakura lächelte dankbar und nickte. „Das ist sehr nett, Hinata. Ich weiß nicht, wie …“ „Nein, ist schon gut. Wäre ich in deiner Lage, ich …“ Sie lächelte matt zurück, sagte aber nichts mehr und verschwand lautlos in ihrem eigenen Schlafzimmer. Sakura dagegen starrte noch eine Weile auf die geschlossene Tür, stand dann auf und ging sich einen Tee holen. Der Regen prasselte dabei so laut auf das Dach, dass es Sakura unheimlich war, als sie durch die Zimmer in die Küche lief. Sie beeilte sich, zuckte aber kurz zusammen, wie es zu Gewittern begann. „Na herrlich“, murmelte Sakura und sah flüchtig zum Fenster hinaus. Das Gewitter zog schnell heran, und es donnerte immer lauter, dass selbst der lärmende Regen übertönt wurde. Grelle Blitze zuckten am Himmel, und es schienen immer mehr zu werden, die kurz aufeinander folgten und um die Wette eiferten. Sakura war gar nicht wohl zumute, und eiligst kehrte sie in das gemütliche Gästezimmer zurück. Sie kuschelte sich in die Decken ein, lehnte sich in die weichen Kissen und nippte an ihrem Tee. Immer wieder huschten ihre Augen zum Fenster, vor dem sich die dunklen Fichten bogen. Nichts war zusehen, doch erwartete sie jedes Mal aufs Neue, in das groteske Gesicht eines Mörders zu blicken. Der Tee half Sakura, die Nerven zu beruhigen. Seine angenehme Wärme durchflutete ihren Körper und gab ihr einige Reserven zurück, die sie längst verbraucht hatte. Die Sorge um Sasuke war immens, und ebenso gesellte sich die Angst um Naruto dazu, der auf sich gestellt in Tokio zurückbleiben musste. Sie konnte nur hoffen, dass er keine Dummheiten machte und den Schutz des Hauses nicht verließ. Sakura musste auch an Kaito denken, und ob es ihm gut ging. In den letzten Jahren hatten sie keinen Kontakt mehr gehabt, und dennoch war er sofort da gewesen, als sie verzweifelt um Hilfe gebeten hatte. Sie waren nie wirkliche Freunde gewesen, auch in Kyoto nicht. Aber Kaito und Sakura hatte die gemeinsame Vergangenheit verbunden, auf die sie beide mit den gleichen Augen zurückgeblickt hatten. Zwischen ihnen hatte ein Band existiert, das man vielleicht nicht Freundschaft nennen konnte, welches aber dennoch von Respekt und Achtung gestärkt worden war. Jeder hatte sich auf seine Weise gegen das aufgelehnt, was ihn an Kyoto band – und sie beide waren dem Sumpf aus Drogen und Gewalt entkommen. Sakura schreckte aus ihren Erinnerungen hoch, als es noch heftiger gewitterte. Verstört blickte sie hinüber zum Fenster, dass Sekunden zuvor noch hell erleuchtet worden war. Nun lag es wieder im Dunkeln, aber Sakura hätte schwören können, mehr gesehen zu haben, als nur die sich biegenden Fichten im Garten. Mit starren Gliedern stellte Sakura ihr Teeglas ab und rutschte vom Bett. Nicht ein einziges mal ließ sie die Scheibe aus den Augen, und doch fürchtete sie sich vor dem Moment, wenn es wieder blitzen würde. Sie hatte zwar das Licht in ihrem Zimmer ausgeschaltet, doch fühlte sie sich dennoch beobachtet, als wäre sogar jemand im Raum. Sakura jagte dieser Gedanke soviel Angst ein, dass sie augenblicklich zum Lichtschalter sprang und ihn betätigte. Sie tat es unzählige Male, doch das Erwartete geschah nicht. Es blitzte erneut, und Sakura schlug sich die Hand auf den Mund, damit sie nicht laut aufschrie. Sie durfte jetzt nicht überreagieren, doch zitterten ihre Knie mittlerweile sosehr, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Sie griff nach der Türklinge, wobei ihr Blick noch einmal flüchtig zum Fenster fiel. Sie keuchte auf, riss die Tür auf und rannte in den Gang, an dessen Wand sie sich presste, als könne sie so niemand sehen. Hier war jemand, schoss es ihr durch den Kopf. Hier musste jemand sein. Und hatte Hinata nicht auch von dem Gefühl erzählt, beobachtet zu werden? Sakura selbst hatte es die ganze Zeit nicht losgelassen, und eben am Fenster … Sakura schrie, als in diesem Moment der Donner über ihnen einschlug und es an der Haustür klopfte. Sie sah mit geweiteten Augen und versteinerten Körper zu dem Sichtfenster, und deutlich zeichnete sich der Oberkörper eines Fremden ab. Sakura glitt zitternd an der Wand hinunter, doch ihre aufgerissenen Augen konnten nicht von dem Schatten lassen. Sie hörte Schritte aus den anderen Zimmern, doch kein Muskel wollte ihr gehorchen. „Sakura?“ Plötzlich kniete Hinata neben ihr, fühlte Sakuras Stirn und tatstete ihren Puls. „Was ist passiert? Warum hast du geschrieen, Sakura?“ Es klopfte abermals und die junge Frau fuhr herum. „Wer ist da?“, rief sie, doch bebte ihre Stimme dabei, als verlöre auch sie bald die Nerven. „Ich hab die Polizei gerufen“, sagte sie dann und wollte Sakura aufhelfen, als ihr der Fremde auf der anderen Seite jedoch entgegenfluchte. „Sasuke“, wisperte Sakura und ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Das ist Sasuke …“ „Sasuke?“ Hinata atmete etwas auf und ging vorsichtig zur Tür. Sie spähte durch den Türspion und blickte in das knurrigste Gesicht, das sie je gesehen hatte. Ein Mörder aber, dachte sie noch, würde sich sicher verstellen und freundlich gucken, um hineinzukommen. Sie schauerte leicht, öffnete dann aber die Tür und trat zurück. „Warum habt ihr geschrieen?“, fragte Sasuke ungehalten, kam in den Flur und blieb vor Sakura stehen. Mit eisigem Gesicht und klitschnassen Haaren sah er zu der kauernden Gestalt hinunter und schüttelte den Kopf. „Was tust du da?“ „Hab mich … erschrocken“, sagte Sakura und lächelte augenblicklich. Sie rührte sich zwar nicht, doch strahlte sie voller Erleichterung. Dass Sasuke da war, kam ihr wie eine Erlösung vor, die ihren Alptraum beendete und sie zurück in die Realität brachte. „Wegen dem Donner“, murmelte sie verlegen und kniff die Augen zusammen, damit sie durch die Tränen zu ihm hoch sehen konnte. „Donner“, schnaubte Sasuke und runzelte die Stirn. „Stehst du auch wieder auf?“ „Gleich.“ Sakura grinste entschuldigend. „Ist grad … ungünstig.“ Sasukes Stirn glättete sich nicht, als er sie fragend ansah. „Ich kann … nicht“, versuchte sie beschämt zu erklären. „Vermutlich nur ein subjektiv empfundenes …“ „Lass stecken“, brummte Sasuke, beugte sich zu Sakura hinunter und hob sie auf die Arme. „Wenn du mir jetzt eine wissenschaftliche Erklärung für deine Schwächelein lieferst, werd ich nur gereizter.“ Er wandte sich zu Hinata. „Was ist mit diesem Kaito?“ „Er ist okay“, sagte Hinata leise. „Aber ich habe auch keinen Kontakt mehr zu ihm. Er wollte sich melden, wenn die Gefahr vorüber ist.“ „Feiges Schwein“, zischte Sasuke, so dass beide Mädchen zusammenfuhren. Er zuckte gleichgültig mit den Schultern und trug Sakura in das Zimmer, das Hinata ihm zeigte. „Sie wissen von dir. Der eine hat geredet. Spätestens in zwei Tagen tauchen sie hier auf. Sie wollen Kaito erpressen.“ „Was?“ Sakura sah Sasuke schockiert an. „Aber wieso? Hinata hat nichts getan!“ „Das ist Pein reichlich egal. Er ist … sagen wir angesäuert. Er hat ein paar gute Männer verloren.“ Sasuke grinste düster und ließ Sakura auf das Bett sinken. „Wir sollten die Sachen packen und nach Tokio fahren. Eigentlich sofort.“ Er sah zu Hinata, die keinen Mucks gesagt hatte. „Ich kann nicht …“ Die junge Frau wusste nicht, was sie erwidern sollte. „Entscheide dich. Entweder du kommst mit, und könntest das ganze möglicherweise überstehen. Oder du bleibst hier. Was dann ist, kannst du dir denken. Und vergiss die Polizei … Pein hat genug Kontakte, damit sie sich was Hübsches einfallen lassen können. Also pack die Sachen, verstanden?“ „Aber …“ „Ihr macht mich wahnsinnig, wisst ihr das?“, grollte Sasuke und hing seine nasse Jacke an einen Haken. „Euer verdammtes Aber! Morgen früh fahren wir, und kein Aber. Meine Geduld ist nicht grenzenlos, klar?“ Hinata nickte, obwohl sie keineswegs überzeugt aussah. Sie kämpfte mit den Tränen und begann zu zittern. „Du hast Zeit bis morgen früh. So schnell wird Pein niemand neues schicken. Jetzt hast du also nichts zu befürchten. Pack deine Sachen, schlaf noch eine Runde oder tu, was auch immer du sonst tust. Um 10 nehmen wir ein Taxi. Oder ein Mietwagen. Ich muss noch darüber nachdenken.“ Er ließ sich auf dem Stuhl am Fenster fallen und schien schlagartig in seine Gedanken zu versinken. „Gut, ich … ich leg Handtücher ins Badezimmer.“ Mehr brachte Hinata nicht heraus, ehe sie sich umwandte und ging, um ihre Tränen zu verbergen. Sakura hielt sich wach, bis Sasuke aus dem Badezimmer zurückkam. Die ganze Zeit über hatte sie nach draußen geschaut und erwartet, dass irgendetwas vorfallen würde, doch weder erschien eine entstellte Fratze, noch schoss jemand durchs Fenster oder ließ sich ins sonst einer Weise blicken. „Hab ich nicht gesagt, dass du schlafen sollst?“ Sasuke kam nur mit seiner Jeans bekleidet ins Zimmer und grinste hämisch, als Sakura rot um die Nase wurde, sich in die Kissen legte und starr an die Decke sah. „Deine Probleme sind weit gefächert, oder? Du solltest diese Gebärden mal diagnostizieren lassen.“ „Was soll ich denn da diagnostizieren lassen?“, nuschelte Sakura. „Es gehört sich nicht, so herum zu laufen!“ „Dann gib mir dein trockenes Hemd.“ Sasukes Aussage war überdeutlich und ließ Sakura noch roter werden. Sie schloss die Augen und übte sich im Atmen, damit sie wieder vernünftige Gedanken fassen konnte. Es lag weniger daran, dass Sakura wirklich die Meinung vertrat, man dürfe oben ohne nicht herumlaufen – es lag eher an Sasuke, der oben ohne ein prägendes Bild eines stattlichen, gut gebauten und überaus … Sakura rief sich innerlich zur Ruhe auf und verdrängte ihre Phantasien, in dem sie sich einen faltigen Alten vorstellte, der seine besten Jahre hinter sich hatte. Sie hoffte dadurch an glühender Farbe zu verlieren, allerdings übertrieb sie es mit dem Einbilden und glaubte, jeden Moment grün anzulaufen. „Du würdest … nicht hineinpassen“, zwang sich Sakura zu einer Antwort, doch hätte sie sich dafür am liebsten selbst geohrfeigt. Und warum nicht?, könnte Sasuke fragen. Weil du so bemuskelt bist, würde Sakura antworten müssen, und sich damit in Teufelsküche reiten. „Ach ehrlich?“, hörte sie ihn sagen - viel zu nah für ihren Geschmack. Sie schluckte schwer, öffnete die Augen und drehte sich leicht. Er ließ sich gerade neben ihr ins Bett fallen, und Sakura konnte nur froh sein, dass er sie in diesem Moment nicht ansah. Ruckartig warf sie sich auf die andere Seite des Bettes, zog Decke und Kopfkissen mit und unterließ das Atmen, damit sie ja keine unangebrachten Geräusche machen konnte und schnellstmöglich ohnmächtig wurde. Sasuke aber, kaum das er lag und die Braue heben konnte, holte sich die Decke zurück und drehte sich nach außen. „Das … kannst du nicht machen“, flüsterte Sakura, die sich nicht einmal mehr getraute, laut zu sprechen. Hinata nebenan könnte sonst etwas glauben, dachte sie, wobei ihre innerliche Stimme äußerst schrill klang. „Du hast doch noch das Kopfkissen“, brummte Sasuke desinteressiert, als würde er kurz vor dem Einschlafen sein. „Und im übrigen erlaube ich dir, die Decke mitzubenutzen“, fügte er hinzu, und Sakura konnte das Grinsen ganz genau heraushören. Sie blinzelte schockiert, ehe sie empört in die Dunkelheit stierte, in der Hoffnung, Sasukes Rücken zu durchbohren. Dennoch wanderten ihre Finger langsam zur Decke, glitten hinunter und pieksten Sasuke kurzerhand an. „Was tust du da?“, entfuhr es ihm perplex. Er drehte sich um und sah Sakura trotz der Dunkelheit ins Gesicht. Das wenige Licht des gewitternden Nachthimmels reichte, um ihre pikierte Miene erkennen zu können. „Ich hab was geguckt“, murrte sie. „Geguckt? Du hast mir etwas in den Rücken gestochen!“ „Ja“, zischte Sakura leise. „Meinen Finger … Du hast nichts an, Sasuke, und mir ist kalt, ich will unter die Decke. Das beides lässt sich aber nicht miteinander kombinieren, weil das Teilen einer Decke voraussetzt, dass beide Parteien einvernehmlich Kleidung tragen!“ „Ich könnte dir auch einfach eine Socke in den Mund stecken, damit du mit diesem Geschwätz aufhörst! Du benimmst dich wie ein Kind! Stell dir vor, du wärst kurz vor dem Erfrieren wegen deiner einvernehmbaren nicht durchführbaren idiotischen Regeln? Was tust du dann?“ „Das ist total hypothetisch und übertrieben. Menschen wie ich, die etwas gegen das nackte Teilen haben, machen den höheren Prozentsatz in …“ „Du willst mich in den Wahnsinn treiben, oder? Du legst es wirklich drauf an!“ „Das stimmt nicht“, protestierte Sakura. „Ich will dir lediglich mitteilen, das ich kein Einzelfall bin, und dass es ein normales Verhal…“ Sakuras Satz ging in einem leisen Quicken unter, als Sasuke sie kurzerhand packte und zu sich unter die Decke zog. „Jedes Mal“, begann er und beobachtete ihr verschrecktes Gesicht. „Wenn du Schiss kriegst, fängst du mit dem gleichen Mist an! Wie wär’s, wenn du versuchst, dich wenigstens im Ansatz normal zu verhalten?“ Er holte unmerklich Luft, damit er sich beruhigen konnte und lockerte seinen Griff, eher er ihr seine Hand überraschend sanft auf den Rücken legte. „Ich bin nicht dein Vater, Sakura, und ich werde dir nicht mehr wehtun. Ich habe es auch jetzt nicht vor, verstanden?“ Sakura biss sich auf die Lippen, nickte aber und brachte ein schwaches Lächeln zustande. „Okay …“, flüsterte sie kaum hörbar. „Okay?“ Sasuke blickte fast etwas ungläubig. „So einfach kann es gehen?“ „Ich …“ Sakura rang merklich um Worte. „Wüsste nicht, wie ich mich … ausdrücken soll, damit du nicht wütend wirst. Mir fehlen irgendwie …“ „… Die banalen Worte eines normal tickenden Menschen“, beendete Sasuke ihren Satz und grinste unerwartet. „Wir sollten das Normalsein wohl üben.“ Sein Grinsen wurde breiter, wie er sich plötzlich Sakura näherte und sie dabei festhielt. Seine Hand glitt hinauf zu ihrem Nacken, und er hielt dagegen, als sie reflexartig zurückweichen wollte. „Es tut wirklich nicht weh“, hauchte er ihr ins Ohr, ehe er sie schon fast zaghaft zu küssen begann. Sakura, die noch immer auf ihre Ohnmacht wartete, spannte sich schlagartig an, doch umso mehr sie Sasukes ungewöhnlich weiche Küsse ertrug, umso wärmer wurde es ihr. Allmählich verlor sie das starre Gefühl, verlor auch die Kälte und die Angst – und in ihrem Innern machten sie den viel angenehmeren Dingen platz, die sie so noch nie gespürt hatte. Zuneigung in dieser Form war ihr bisher kein Begriff gewesen; nun aber glaubte sie es nicht nur selbst zu empfinden. Sie glaubte an Sasukes Ehrlichkeit, und auch, dass dies keine Lüge sein musste. „Ich kann aufhören“, hörte sie Sasuke flüstern, und sein warmer Atem jagte ihr eine Gänsehaut über, wie es sonst nur seine Kälter vermocht hatte. „Du musst es nur sagen …“ Sakura lächelte verlegen, als sie mit ihren Fingern ganz vorsichtig über seine harten Muskel strich. „Ich glaube … mir fehlen dazu grad die richtigen Worte.“ Sasuke lachte leise, so dass auch Sakura schmunzeln musste. Sie erwiderte seinen Kuss, als er sich wieder zu ihr hinunterbeugte, und eigentlich bangte sie nur noch um ihr Herz, das ungestüm und wild gegen ihre Brust schlug. Sie wusste, wie es rational zu erklären war, und ebenso kannte sie die medizinischen Konsequenzen eines erhöhten Herzschlages. Sie alle gingen ihr durch den Kopf, doch je mehr sie sich auf Sasuke einließ, je mehr wurden sie verdrängt. Und das von eben jenem Muskel, den man im griechischen Kardia nannte, wie es Sakura nur zu gut hätte aufsagen können. Sie alle wurden einfach vergessen, als das Herz über den Verstand siegte, und sich in dem übte, wo es bisher nicht zu den besten gehörte. Es übte sich im Normalsein. Und es lernte schnell. Kapitel 20: Was ist in dem Behälter? ------------------------------------ Das erste, was Sakura an diesem Morgen bemerkte, war der Umstand, dass es nicht mehr in Strömen regnete. Das zweite – was eigentlich das erste gewesen wäre, was sie jedoch nicht einmal vor sich selbst zugeben wollte – war die Tatsache, dass sie mit Sasuke eine Decke teilte, und er nichts weiter trug als seine Boxershorts. Die dritte Sache – die nur an dritter Stelle stand, weil sie diese Erkenntnis so lange wie möglich hinauszögern wollte – war die definitive Gegebenheit, dass sie noch weniger trug. Sakura schloss die Lider, damit sich ihr Atem normalisieren konnte, doch galoppierten an ihrem inneren Auge viele wilde Pferde vorbei. Ganze Horden sprangen über weite Prärien, und es wurden mehr und mehr, bis sich Sakura sicher war, dass sie in ihrer Einbildung gerade eine Herde von mindestens einer Million Pferde sah – eine passende Gräueltat ihres Verstandes, ihr deutlich zu machen, dass in der letzten Nacht die Pferde mit ihr durchgegangen waren. Und es waren großgewachsene, hünenhafte Pferde. Keine kleinen Ponys, wie man sie auf dem Jahrmarkt füttern konnte … „Sasuke?“, wisperte Sakura, als er sich im Schlaf etwas von ihr wegbewegte. Sie kroch ihm nach und krallte sich an seinen Rücken und die Decke. „Bist du wach? Sasuke? Könntest du bitte wach werden?“ „Nein“, kam es brummig von der anderen Seite, und kaum dass er sich wieder ein Stück bewegte, rutschte Sakura ihm unerbittlich nach. „Wir haben noch Zeit, lass mich schlafen …“, nuschelte er irgendwo zwischen dieser und einer anderen Welt. „Du musst mir aber meine Sachen suchen“, flüsterte sie so leise, wie sie nur konnte. „Oh komm schon, bitte Sasuke!“ „Später …“ „Jetzt“, quengelte Sakura, erhielt aber keine Antwort. Sie wartete kurz, doch Sasuke schien schon wieder eingeschlafen zu sein. „Sasuke?“, fing sie also wieder an. „Da steht ein böser, gewalttätiger Mann vor dem Fenster …“ Sasukes einzige Reaktion war ein undeutliches Zucken mit den Schultern. „Eine ganze Armee von bösen Männern?“, versuchte Sakura, doch erreichte sie damit nur ein genervtes Grollen. Sie seufzte jämmerlich, klaute Sasuke so heimlich es ging noch mehr der Decke, und rollte sich auf den Rücken. „Das war … nicht gut“, klagte sie mit der Ehrlichkeit, die Naruto nur zu oft verfluchte. „In einem fremden Haus, in dieser Lage, viel zu schnell, absolut unkontrolliert …“, zählte sie auf, derweil die die Lampe über sich anstarrte. „Und eigentlich ist es allein deine Schuld. Weißt du, erst hasst du mich, dann verabscheust du mich, zwischendurch rettest du mich einfach, dann machst du mir wieder Angst, dann denk ich, dass ich mich vor dir retten muss, und dann …“ Sakura holte lauthals Luft. „Dann küsst du mich einfach! In der Wohnung von deinem Bekannten hast du’s einfach getan und bist weggelaufen, heut Nacht hast du’s einfach getan, und du hast … du … na du weißt, was du noch einfach getan hast!“, sagte Sakura zu der Lampe über sich, der sie verärgerte Blicke zuwarf. „Und jetzt …“, fügte sie im weinenden Tonfall hinzu. „Suchst du nicht mal meine Sachen zusammen! Dabei hast du sie durch die Gegend geworfen! Und was, wenn Hinata reinkommt? Oder irgendwer anders? Was ist, wenn es hier plötzlich zu brennen anfängt? Dann steh ICH da, weißt du? Und du machst dir nicht mal einen Kopf, sondern schläfst vor dich her und lässt mich mit allem alleine!“ Sakura hielt in ihrem Monolog inne, warf sich zur Seite und durchbohrte Sasukes Hinterkopf mit finsteren Blicken. „Du könntest doch wenigstens reagieren“, maulte sie und zupfte mürrisch an seinen Haaren. In der vergangenen Nacht hatte sie auch das letzte bisschen Angst vor ihm verloren, denn immerhin glaubte sie sich im Moment mutig genug, ihn solange zu piesacken, bis er ihr seine Aufmerksamkeit schenken würde. „Zumindest irgendeinen Ton, oder ein Zeichen, oder …“ Sakura schrie auf, als sich Sasuke plötzlich umdrehte und ihr mit einem Ruck die Decke wegzog. Sie griff panisch nach einem Kopfkissen, um sich wenigstens halbwegs zu bedecken, während sie gleichzeitig an der Decke festhielt. „Wie fies!“, fauchte sie. „Gib sie sofort wieder her!“ „Du wolltest doch eine Reaktion“, sagte Sasuke. Ohne Mühe zog er sie samt Decke zu sich, nahm ihr leichterhand das Kissen weg und grinste amüsiert, als sie sich noch irgendwie an ihn krallte, um sich bedeckt zu halten. „Es scheint, als bräuchtest du dringend eine Therapie, damit du ein vernünftiges Verhältnis zu deinem Körper entwickelst. Ich werde mir wohl mehr Zeit mit dir nehmen müssen …“ Er zwang Sakura in einen Kuss, derweil sie noch versuchte, unter die Decke zu kommen. „Ich hab ein vernünftiges … Verhältnis“, brachte Sakura irgendwie hervor, wusste aber sehr wohl, dass sie schon wieder rot angelaufen sein musste. Sie wollte sich aus Sasukes Umarmung befreien, doch ließ er sich mit ihr in die Kissen fallen und lachte triumphierend. „Jetzt ist doch genug verdeckt“, flüsterte er ihr ins Ohr, dass es Sakura wieder kalt und heiß zugleich wurde. „Obwohl mir die andere Variante auch gefallen hat.“ „Das …“ Sakura sah Sasuke mit puterrotem Gesicht an. „… ist nicht schön, was du da … gerade tuuust“, rief sie und wurde zum Ende ihres Satzes hin immer höher, da Sasuke ihr mit seiner Hand über den nackten Körper strich, ohne auch nur für eine Sekunde sein Grinsen zu unterlassen. „Was wenn wirklich jemand …“ „Du hast das Mädchen doch gesehen.“ Sasuke vergrub sein Gesicht in ihren Haaren, und sein warmer Atem ließ Sakura ganz weich werden, so dass sie selbst ihre Arme um seine Schultern legte. Sie zog ihn näher zu sich hinunter und ignorierte für den Moment sämtliche Einwände, die ihre Vernunft laut hinausposaunte. „Sie würde sicher nicht einfach reinplatzen …“, murmelte Sasuke, der Sakuras zaghafte Berührungen ebenso genoss, wie sie seine. „Und wenn jemand … anderes auftaucht?“ Sakura fuhr mit ihren Fingern durch Sasukes Haare, als er sie wieder küsste. Nichts wollte sie jetzt mehr wie ihn, und sie verdrängte alle Ereignisse der letzten Tage, nur damit sie diesen Augenblick in Ruhe genießen konnte. „Dann werde ich ihn erschießen“, grinste Sasuke in den Kuss hinein, doch wurde Sakura schlagartig ernst. Sie schob Sasuke etwas von sich und sah ihn betreten an. „Was ist?“, fragte er irritiert. „Ich …“ Sakura musste den Kloß in ihrer Kehle hinunter schlucken, ehe sie weiter sprechen konnte. „Das geht nicht, Sasuke! Wir können doch nicht … Was ist mit Naruto?“ Sasuke runzelte die Stirn und sah Sakura fragend an. „Was meinst du mit Naruto? Gehen deine Gedanken jetzt in …“ „Himmel, nein!“ Sakura kroch etwas unter Sasuke hervor und sah ihn bestürzt an. „Ich meine … wir können hier keinen … Spaß haben, und Naruto … wenn er nun das Haus verlässt und ihm etwas passiert?“ Sakura erwartete eigentlich, dass Sasuke wütend wurde, weil sie eine gewisse Sache zwischen ihnen unterbrach, doch stattdessen begann er zu grinsen und ungläubig blickte sie ihm in die dunklen Augen. „Dir hat es also Spaß gemacht?“, sagte er und schüttelte amüsiert den Kopf. Sakura konnte nicht verhindern, etwas zu schmunzeln, so ernst die Lage auch war. Dennoch rutschte sie zur Bettkante und angelte nach ihren Sachen, bis Sasuke es ihr nachtat. „Sasuke?“, fragte Sakura und hielt für einen Augenblick inne. Sie sah auf das Shirt in ihrer Hand, und ihr Herz raste viel mehr als zuvor. Gerne hätte sie ihn jetzt angesehen, doch traute sie es sich nicht. Er saß neben ihr; er war ihr viel näher als je zuvor, aber Sakura fiel eben darum jedes Wort schwer. „Was … was wird jetzt?“ „Was soll jetzt schon werden?“, gab Sasuke zurück, und Sakura fand, dass er wieder etwas kälter klang. „Wir fahren nach Tokio und schauen nach dem blonden Vogel. Ich hoffe für ihn, dass er nichts kaputt gemacht hat …“ „Ich meine … wegen dem, was passiert ist. Wegen …“ Sakura biss sich auf die Unterlippe. „Wegen uns …“ Es war raus, dachte sie, doch empfand sie trotzdem keine Erleichterung. Sie hatte die Frage gestellt, an die sie schon die ganze Zeit denken musste, aber die eigentliche Furcht lag in der Antwort. In seiner Antwort … „Wegen uns?“, hörte sie ihn fragen, und sie selbst fragte sich, ob es für Sasuke je ein ‚uns’ geben könnte. Er und sie, so sah er die Sache. So musste er sie sehen, denn er war Sasuke. Ein Killer, ein Mörder. Ein eiskalter Mensch, der andere für genügend Geld tötete. Den sie liebte … Sakura wurde es zum ersten Mal wirklich bewusst. Sie hatte an diese Gefühlen gedacht, doch erst jetzt war sie sich ihrer sicher. Sie war sich so sicher, dass sie gar keine Antwort mehr von ihm wollte. Von ihm, einen Mörder. Von dem Mörder, den sie gegen jede Vernunft, gegen ihre Vernunft, begonnen hatte zu lieben. Sakura zuckte zusammen, als sie Sasukes Hand auf ihrer Wange spürte. Er drehte ihr Gesicht zu sich, und Sakura kamen die Tränen, als sie ihn schief grinsen sah. „Du hast schon wieder Angst“, sagte er, bevor er sie sachte küsste. „Und trotzdem hast du es gerade unterlassen, mir deine statistischen Erläuterungen um die Ohren zu hauen. Das nenne ich einen Fortschritt …“ Er küsste sie abermals und wischte ihr die Tränen weg, ehe er aufstand und in seine Jeans schlüpfte. „Ich könnte Urlaub gebrauchen“, meinte er nüchtern, zog sich den trockenen Pullover über und steckte seine Waffe darunter. „Was ist mit dir?“ „Wie?“ Sasuke seufzte genervt, als er seine Jacke überwarf und eine zweite Pistole in den Taschen verschwinden ließ. „Warst du schon mal auf Kuba?“ Sakura schüttelte den Kopf und brachte kein Wort heraus. Meinte er wirklich, was sie glaubte, dass er meinte? „Wird dir gefallen“, sagte Sasuke betont ernst, doch konnte man das Zucken seiner Mundwinkel deutlich sehen. „Die besten Nacktstrände überhaupt …“ Sakura konnte nicht genau beschreiben, wie sie sich im Moment fühlte. Alle ihre Gefühle schienen in einem Wirrwarr gefangen und verwickelt, und es wechselte sich Sorge mit Frohsinn ab, Furcht mit Glück und Schwermut mit dem Empfinden angenehmer Leichtigkeit. Einige würden es Irrsinn nennen, und zu diesen einigen zählte vermutlich mehr als die halbe Welt. Andere aber würden Sakura eine andere Erklärung. Sie würden einfach vom Verliebsein sprechen, das überall und immer seinen Anfang nehmen konnte. Selbst in einer Situation wie der, in der sich Sakura befand. „Du trödelst“, bemerkte Sasuke und holte Sakura damit aus ihren Gedanken. Er lief neben ihr durch die Straßen Nagasakis, und er hatte nicht gerade vorgehabt, einen Spaziergang zu unternehmen. Sakura aber legte kein Tempo vor, sondern nach, und ständig musste Sasuke stehen bleiben und auf sie warten. „Entschuldige“, gab Sakura zurück, holte auf und sah sich wieder einmal um. Sie hakte sich bei Sasuke ein, als sie eine Straße überquerten und grinste verlegen, als er sie fragend anblickte. „Ich kann auch wieder loslassen, wenn es dich stört …“, meinte sie unsicher. „Was glaubst du, was passiert, wenn du es nicht tust?“, erwiderte er gegen ihre Erwartung, doch konnte sie mit seiner Antwort noch weniger anfangen, als mit einer einfachen Abfuhr. „Ich … weiß nicht?“ „Dummerchen“, sagte Sasuke nur, und als er schlicht weiterlief ohne sie abzuschütteln, grinste Sakura noch mehr wie zuvor. „Aber ist ein Mietwagen nicht ungünstig?“, fragte Sakura, ehe sie das gesuchte Gelände erreichten. „Würden wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht schneller sein?“ „Sicher, aber ich möchte Überraschungen vermeiden.“ „Wie lange brauchen wir mit Auto?“ Sasuke zuckte mit den Schultern. „Fast 16 Stunden.“ „Oh je. Naruto wird mir den Hals umdrehen, sobald wir zurück sind! Ich hab bei Hinata noch mit ihm telefoniert, und am Telefon war er schon ungemütlich drauf. Er hat gesagt, dass er nur meinetwegen die Vorlesungen schwänzen muss.“ Sakura schien diese Tatsache tief zu treffen. „Allerdings hat er auch gleich abgelehnt, als ich ihm angeboten habe, dass ich mit ihm lerne. Er ist sehr wütend.“ „Hmm“, machte Sasuke nur und unterließ es, Sakura darüber in Kenntnis zu setzen, dass Narutos Ablehnung zum Lernen weniger damit zu tun hatte, ob er wütend war. „Ich will wieder zu den Vorlesungen“, meinte Sakura betrübt. „Ich habe schon soviel verpasst, und … es ist keine Ende in Sicht.“ „Abwarten“, sagte Sasuke überraschend. „Mit jedem Wichser, den Pein schickt, verliert er gute Leute. Vielleicht wird er irgendwann müde.“ „Glaubst du das wirklich?“ „Ich hoffe es. Es ist die einzige Chance, die wir haben.“ Er hob die Braue, als Sakura daraufhin grinste. „Was?“ „Nichts. Es ist nur schön, wenn du ‚wir’ sagst“, meinte sie kichernd. „Hmm“, brummte Sasuke, öffnete die Tür zum Mietwagengelände und ließ Sakura zuerst eintreten. Er blickte kurz auf die Uhr und dann zu den vielen Wagen. In einer Stunde wollten sie zurück bei Hinata sein, also hatten sie Zeit, das richtige zu finden. Sie folgten einem gewundenen Pfad an sauber polierten Autos vorbei und klopften, ehe sie in das Büro traten, dass das einzige kleine Gebäude auf dem riesigen Grundstück ausmachte. „Hallo“, grüßte Sakura freundlich, als eine hübsche junge Frau von ihrer Arbeit aufsah und sofort schmunzelte. Ihre Augen galten jedoch in erster Linie Sasuke, dem sie ihr großzügigstes Lächeln schenkte. „Hallooo“, gab sie lang gezogen zurück. „Wie kann ich ihnen helfen?“ Sie klimperte mit den Wimpern und streckte die Hand zum Gruß. „Mary Stevens ist mein Name. Lassen sie mich raten, sie wollen einen Wagen mieten?“ Sie blickte kurz aus dem Fenster und nickte dezent. „Einen besonderen Wunsch?“ „Was Vernünftiges“, sagte Sasuke und folgte ihrem Blick. „Für eine weitere Strecke.“ „Wie viel möchten sie dafür ausgeben? Ich habe verschiedene …“ „Egal“, sagte Sasuke schlicht. „Dann könnte ich ihnen den schwarzen Honda dort empfehlen. Er ist mit das Beste, was ich zu bieten habe …“ Sakura verzog den Mund, sagte aber nichts zu dieser gehaltvollen Aussage. Was nahm sich diese Frau raus, für die sich Sakura einige unschöne Begriffe zurechtlegte. Äußerlich lächelte sie freundlich, aber innerlich kochte sie vor Wut! Schon der Name, dachte sie wütend. Mary Stevens, das klang ja wie eine von der Straße! „Wohin möchten sie denn?“, fragte diese nun und holte Sakura zurück in die Realität. „Kanazawa“, log Sasuke, ehe Sakura den Mund aufmachen konnte. „Ah, das ist schon ein Stück. Da macht sich der Honda hervorragend. Er ist flott und sehr bequem, vor allem für diese Strecke. Ich war selbst schon in Kanazawa, obwohl ich erst seit zwei Jahren hier lebe.“ „Sie kommen nicht aus Japan?“, fragte Sakura neugierig. Mary Stevens klang nicht nach einer Japanerin, und eigentlich sah sie auch nicht wie eine aus. „Nein, ich komme aus Europa. Meine Mutter ist Japanerin, mein Vater Brite.“ „Ah“, machte Sakura nur, doch überkam sie ein seltsames Gefühl. „Ist es schön in Großbritannien?“ „Sehr schön, aber auch sehr feucht. Der Regen und der Nebel … das ist nichts für jedermann.“ „Ich mag Regen nicht“, sagte Sakura einfach und wandte sich an Sasuke. „Wollen wir uns nicht ein paar Autos ansehen?“ „Der Honda ist passend. Wir brauchen …“ „Bitte, ich will noch andere sehen.“ Sakura sah Sasuke bettelnd an, ehe sie wieder zu der Frau blickte. „Wir dürfen doch, oder?“ „Ähm, natürlich …“ Mary Stevens schien irritiert, doch bewegte sie die Hand zu einer einladenden Geste. „Sehen sie sich nur um. Ich bereite schon die Formulare vor.“ „Danke“, grinste Sakura und zog Sasuke übertrieben fröhlich mit sich. Wieder hakte sie sich bei ihm unter, doch kaum, dass sie das Büro verließen und zu den vielen Wagen liefen, schob er sie vor sich. „Lauf vor mir“, sagte er mit eisiger Stimme. Er deutete Sakura immer weiter an den Autos vorbei zugehen. „Sie hat …“ Sakura flüsterte nur, doch überkam sie das Zittern. „Sie …“ „Sie wird nicht auf uns schießen, solange wir ihr den Rücken zukehren. Sie will ihren Gegner ins Gesicht sehen, wenn sie ihn tötet … Woher wusstest du von der Leiche?“ „Leiche?“, keuchte Sakura und wollte sich entsetzt umdrehen, doch Sasuke zog sie sofort wieder vor sich. „Unter ihrem Tisch liegt die Leiche des richtigen Vermieters. Man hat das Blut bis nach draußen gerochen. Warum wolltest du raus? Ich hatte eigentlich vor, sie nach der Schlüsselübergabe zu erschießen. Das passte nicht besonders, Sakura.“ Sakura schluckte und unterdrückte ein angstvolles Schluchzen. „Gott“, sagte sie mit bebender Stimme. „Ich …“ „Bleib genau vor mir, hörst du nicht?“ Sasuke knurrte leise, als er nach Sakura griff und zu einem Wagen deutete. „Sieh auf keinen Fall zum Fenster. Sie schießt, wenn sie Augenkontakt herstellen kann.“ „Wieso bist du dir so sicher?“, wisperte Sakura, als Sasuke ihr seinen Arm um die Schulter legte, dabei über den Lack des nächsten Autos strich und eine Miene machte, als würde er sich darüber ärgern. „Es gibt viele in ihrer Art. Du wirst mich jetzt umarmen und dabei meine Waffe hervorholen, verstanden? Sie darf nicht misstrauisch werden, Sakura.“ „Aber … Weißt du nicht … wer sie ist?“ Sakura hatte Mühe ruhig zu bleiben. „Mary Stevens … weißt du nicht …“ „Du kennst sie?“ Sasuke konnte seine Überraschung kaum verbergen. „Sag schon!“ „Du kennst sie auch … Ich, und du und … Naruto, Sasuke! Sie ist die Frau, die er gesucht hat!“ „Was sagst du da?“ Sakura nickte und lächelte gezwungen, als sie sich von Sasuke in die Arme ziehen ließ. „Sie ist Keiko Ishiguro, sie muss es sein! Es ist jetzt das gleiche Prinzip, mit dem sie sich den anderen Namen ausgedacht hat. Keiko war eine Figur in Kazuo Ishiguros Buch ‚Damals in Nagasaki’. Ishiguro selbst wurde in Nagasaki geboren, ehe er nach England zog. Er wurde erst in England zum Schriftsteller! Ich hab … seine Biografie gelesen, ich hab seine Bücher gelesen. Das Buch steht auch bei dir im Regal.“ „Ich weiß“, sagte Sasuke trocken. „Aber … nur weil sie einen englischen Namen hat und …“ „Nein, nein!“ Sakura rang um Luft. „Kazuo Ishiguro hat mehrere Bücher geschrieben. Und in einem anderen geht es um einen Butler, der sich an sein Leben und die Frau zurückerinnert, die Wirtschafterin in dem gleichen Haushalt gewesen war wie er! Das Buch war … es war ein großer Erfolg, und eigentlich kennt man es, aber nur wenige denken daran, dass das Buch von einem Japaner geschrieben wurde, verstehst du? Aber es wurde von einem geschrieben, von Kazuo Ishiguro! Der Butler hieß mit Nachnamen Stevens, und die Frau hieß Mary Kenton, Sasuke! Verstehst du? Sie macht es genauso wie vorher, in dem sie einfach Namen aus Ishiguros Büchern mischt! Sie ist … sie hat Narutos Vater getötet, ich bin mir sicher!“ „Okay“, sagte Sasuke. „Bleib ruhig, klar? Ich verstehe, was du sagst, also versuch dich jetzt bitte zusammen zu reißen. Es ändert nichts, und du wirst mir jetzt die Waffe geben, verstanden? Mach keine verdächtigen Bewegungen und hör auf zu weinen, Sakura!“ „Entschuldige.“ Sakura konnte die Tränen kaum zurückhalten. „Aber sie ist … Naruto hat es nie gewusst, und ich … hätte ich es ihm nicht sagen müssen?“ „Das ist jetzt egal, Sakura. Sie ist deinetwegen hier, und sie wird uns erschießen, wenn du jetzt nicht tust, was ich sage“, meinte Sasuke und sprach betont ruhig, damit sich Sakura wieder fasste. „Gib mir jetzt die Waffe, und sieh nicht zum Fenster.“ Sakura atmete tief ein, bis sie lächelte und unter Sasukes Jacke nach dem kalten Eisen griff. „Wirst du sie jetzt gleich …“, wisperte sie undeutlich und schluchzte leise auf. Dennoch fingerte sie die Waffe so unauffällig wie möglich nach vorne, und die ganze Zeit blickte sie nur zu Boden. „Wir drehen uns jetzt um, klar? Es muss danach schnell gehen, ich will keine Polizei hinter uns haben. Du wirst hier warten, sobald …“ „Erschießt du sie von hier?“ Sakura kam der Gedanke grausamer vor, als noch vor ein paar Minuten. So jung, schoss es ihr durch den Kopf. Die Frau konnte nicht viel älter als sie sein, und trotzdem … sie war die, die Narutos Vater getötet hatte, die den Besitzer des Geländes getötet hatte! Vielleicht für Geld? Tat sie es für Geld, wie Sasuke es auch tat? Und wenn sie Sasuke zuerst treffen würde? Wenn sie nur darauf wartete und längst ahnte, dass sie Bescheid wussten? „Mach die Augen zu, Sakura“, sagte Sasuke leise und küsste ihr auf die Stirn, als er sich zu ihr hinunter beugte und dabei enger an sich zog. Sakura gehorchte, und noch im gleichen Moment spürte sie den Ruck, als Sasuke sich mit ihr herumriss. Sie hörte auch den ohrenbetäubenden Knall der Pistole, obwohl er sie dicht an sich gedrückt hielt. Sie hörte, wie das Fenster zerbarst, und sie glaubte auch zu hören, wie Mary Stevens, deren richtigen Namen sie nie erfahren würden, zu Boden ging. Und wie ihr junges Herz aufhörte, zu schlagen. Sasuke suchte in aller Eile nach dem Fahrzeugschlüssel. Er hatte Sakura gesagt, dass sie draußen warten sollte, und umso mehr beeilte er sich. Es würde nicht lange Dauern, bis irgendwer hier herkam, da war er sich sicher. Er hatte keinen Schalldämpfer benutzen können, und dieses Gelände lag inmitten der Stadt. Irgendwer hatte den Schuss gehört, und hatte er das Geräusch erkannt, würde bald schon die Polizei auftauchen. Sasuke fluchte und warf einige Dokumente von dem Schreibtisch. Er trat über die Leiche des echten Vermieters und blickte flüchtig zu der toten Frau am Fenster. Sie war einfach zusammengesunken, und es wirkte, als würde sie nur auf dem Boden kauern. Keiko Ishiguro … Sasuke verzog bei dem Gedanken angewidert das Gesicht. Er fragte sich, wie Naruto auf diese Nachricht von ihrem Tod reagieren würde. Das es so kam, war für alle das beste. Auch für Naruto, der bei dem Versuch sich zu rächen, ihr mit Sicherheit unterlegen gewesen war. Sie war ein Profi gewesen, und vermutlich eine von Peins Leuten. Es war wahrscheinlich, dass sie Hinata beobachtet hatte, und dass sie sich über Sakuras Ankunft sicher gewesen war. „Profi“, schnaubte Sasuke verächtlich. Am Ende hatte sie den Kürzeren gezogen. Was Sasuke dennoch Sorgen bereitete, war, dass Pein noch jemanden geschickt hatte. Normalerweise spielte Pein nach seinen eigenen Regeln, die er nie verletzte. Sasuke kannte diese Regeln, und war sich daher sicher gewesen, dass sie Zeit hatten. Pein übereilte für gewöhnlich nichts, doch diesmal ließ er einen Hund nach dem anderen von der Leine. Er hatte seine eigenen Regeln gebrochen, und Sasuke ahnte warum. Er grinste düster, als er den Schlüssel für den Honda fand. Pein brach seine Regeln, weil er gegen ihn spielte … „Sasuke?“ Sakuras leise Stimme holte ihn aus seinen Gedanken, und mürrisch schob er den leblosen Kopf des Vermieters weiter unter den Tisch. „Ich hab doch gesagt, dass du draußen warten sollst!“ Sasuke drehte sich zu Sakura um, als er fast den Schlüssel aus den Händen verlor. In einer schnellen Bewegung griff er zu seiner Pistole, doch richteten sich schon zwei andere auf ihn. „Mach jetzt keinen Fehler, Uchiha“, sagte einer der beiden Männer, die hinter Sakura standen. „Schmeiß die Waffe weg, sonst …“ Er grinste hinterhältig und legte seine eigene Waffe an Sakuras Schläfe. „Keine übereilten Bewegungen.“ Sasuke grollte voller Wut, schmiss seine Waffe aber auf den Boden. „Die andere auch“, befahl der Mann. „Mach schon!“ Widerwillig griff Sasuke in seine Jackentasche und warf auch die zweite Pistole fort. „Verdammte Dreckssäcke“, knurrte er bedrohlich und fixierte Peins Männer mit eisigem Blick. „Lasst sie los!“, zischte er, als sich schon eine andere Waffe auf ihn richtete. „Keine Sorge ums Mäuschen. Pein will mit euch reden … später. Er ist wütend, Sasuke. Du hast ihn sehr verärgert, und du hast ihn viel Geld gekostet. Er möchte, dass ihr zu ihm kommt.“ Sasuke grinste gefährlich. „Wir haben wohl keine Wahl.“ „Nein, die habt ihr nicht. Dreh dich um, Hände an die Wand. Zackig, los!“ Der bulligere der beiden Männer trat hinter Sasuke, als sich dieser langsam umwandte, und im gleichen Moment, wie Sakura aufschrie und der Mann Sasuke in den Nacken schlug, ging er bewusstlos zu Boden. Alles lag im Dunkeln, als Sasuke die Augen öffnete. Er spürte stechende Schmerzen in den Armen, und als er an ihnen zerrte und rüttelte, bekam er sie doch nicht frei. Es dauerte keine zwei Sekunden, als er dafür zwei andere Hände spürte, die sich um schlangen. „Du bist wach!“, weinte Sakura bebend, küsste Sasuke stürmisch und drückte sich fest an ihn. „Gott sei dank, du bist …“ Die Stimme versagte ihr, und stattdessen schluchzte sie bitterlich. „Alles okay?“, fragte er rau und zerrte erneut mit aller Kraft an den Fesseln, die ihn auf unangenehme Weise an die klappernden Rohren über seinem Kopf banden. „Hör auf zu weinen, Sakura. Noch sind wir nicht tot.“ „Ich dachte, du wärst tot!“, rief Sakura scharf. „Und sie werden uns töten, Sasuke! Das haben sie gesagt und … Du musst aus den Fesseln raus, hörst du?“ Sakura zog sich an Sasuke hoch und tastete nach dem Metall, das seine Hände an die Rohre kettete. „Du musst irgendwas machen!“ Sasuke lachte leise. „Und das wäre?“ Er kniff die Augen zusammen, als sie sich langsam an die Dunkelheit gewöhnten. „Wo sind wir?“ „Ich weiß nicht“, sagte Sakura erstickt, derweil sie immer weiter an den Ketten zog. „Sie sind abgehauen und … du musst was machen, Sasuke, bitte! Du musst daraus!“ Sakura wurde immer hysterischer. „Haben sie dir was getan?“ Sasuke versuchte Sakura besser erkennen zu können. „Hör auf damit, Sakura. Sie gehen nicht ab! Das ist Eisen, du kriegst es nicht …“ „Das ist kein Eisen“, wimmerte Sakura und zerrte immer mehr. „Das ist Silber. Das ist alles aus Silber, Sasuke!“ „Sakura, beruhig dich, okay? Lass das und komm da weg. Sag mir, was die gesagt haben!“ „Das sind Rohre, du musst endlich …“ „Sakura!“, herrschte Sasuke sie an, dass Sakura zusammenzuckte und endlich von den Fesseln abließ. „Sag mir, was los ist!“ „Sie haben gesagt … die Rohre werden heiß, Sasuke! Sie haben gesagt, dass es Silber ist. Verstehst du?“ „Du meinst, es wird warm?“ „Deine Hände!“, rief Sakura weinend. „Silber leitet schneller und mehr, wie alles andere. Wenn dir Rohre heiß werden, wird sich die Wärme übertragen und … Nur Diamanten leiten noch mehr, und Kohlenstoffnanoröhren, aber …“ Sie schluchzte heftig und krallte sich an Sasuke fest, der langsam begriff. „Verstehst du? Wir haben keine Zeit, Sasuke! Sobald sie die Rohre heiß werden lassen, wird …“ „Hey, jetzt versuch bitte ruhig zu bleiben, okay? Ich lasse mich nicht grillen, also musst du dir keine Sorgen machen. Gibt es irgendwas in dem Raum, was wir gebrauchen könnten?“ Sasuke versuchte sich in der Dunkelheit zu orientieren, doch der Raum war weder groß, noch schien es überhaupt etwas zu geben. Weder Kisten noch Dinge, die jetzt nützlich gewesen wären. „Herrlich“, knurrte er, wie ihn die Erkenntnis traf. „Wann waren sie hier? Haben sie gesagt, dass sie wiederkommen werden?“ „Vor … ich weiß nicht, vielleicht vor zwei Stunden, aber sie haben nicht gesagt, dass sie … Was machen wir dann? Was machen wir, wenn …“ „Sakura!“, mahnte Sasuke abermals. „Was ist mit der Tür? Ist sie …“ Sakura nickte, noch ehe er zu Ende sprechen konnte. „Ich hab alles abgetastet. Hier ist gar nichts …“ „Dann müssen wir abwarten“, sagte Sasuke, versuchte sich schmerzfreier zu setzen und stieß gegen einen Schalter. „Alles abgetastet?“, fragte er Sakura, als ein schwaches Licht auf der anderen Seite des Raumes anging. Es erfüllte den Raum nicht im Geringsten, doch wenigstens nutzte es etwas. „Haben sie was wegen dem Mädchen gesagt?“, fiel es ihm dann ein. „Nein“, sagte Sakura und kaute besorgt auf der Unterlippe. „Vielleicht wissen sie aber auch gar nichts von Hinata?“ „Unwahrscheinlich“, gab Sasuke zurück und stöhnte leicht, als sich die Ketten durch eine falsche Bewegung in sein Fleisch schnitten. „Aber wenn sie nicht hier ist, dann hat sie für Pein vermutlich keine Bedeu….“ Er verstummte, als er glaubte Schritte zu hören. „Sie kommen wieder“, sagte er schnell und zerrte erneut an den Ketten. „Verdammt. Komm hinter mich, mach schon!“ Sakura hatte die Schritte ebenfalls gehört, und erstarrte sah sie zur Tür. „Sakura!“, zischte Sasuke wütend. „Du sollst hinter mich, verstanden?“ Sakura schluckte, dann krabbelte sie zu Sasuke und spürte, wie ihr Herz angstvoll gegen die Brust schlug. Sie fürchtete, jeden Moment ihre Nerven zu verlieren, und für den Bruchteil einer Sekunde überlegte sie sogar, sich einfach auf die Männer zu stürzen. „Und du bleibst hinter mir, kapiert? Wag es ja nicht, irgendetwas Dummes zu tun!“, machte Sasuke ihren hirnrissigen Einfall zunichte. Sakura nickte schwach, als die Tür aufgeschlossen wurde und ein grinsender Mann mit blondem Zopf eintrat. „Ihr seid beide wach, das ist günstig. Gut geschlafen, Sasuke?“ Er lachte auf und trat bei Seite, als zwei weitere Männer hineinkamen und einen schweren Behälter in die hintere Ecke des Raumes stellten. „Ihr fragt euch sicher, was das wohl ist?“ „Wir wollen mit Pein reden, Deidara. Ich hab keinen Bock auf deine beschissenen Spiele!“, zischte Sasuke wütend. „Was soll die Scheiße hier? Seid wann hat es Pein nötig, sich aufs unterste Niveau einzulassen?“ „Seitdem du mit ihm spielst, Sasuke.“ Deidara blickte hinüber zu Sakura. „Und seitdem du einen wunden Punkt hast. Pein ist über deine Entwicklung begeistert. Du wirst zum Menschen, bravo! Pein erfreut es, dir deine Frechheiten heimzuzahlen, jetzt, wo er einen Weg gefunden hat.“ „Was sagst du da?“ Sasuke verengte seine Augen zu Schlitzen und hasserfüllt sah er Deidara an, der weiterhin vor sich her lächelte. „Willst du damit sagen, dass es Pein allein darum ging?“ „Nein, nein“, wehrte Deidara hastig ab. „Versteh mich nicht falsch. Das Mäuschen wäre so oder so auf seiner Liste gelandet. Peins Ehre ist unantastbar, vergiss das nicht, Sasuke. Aber er fand es amüsant, die Regeln zu deinen Gunsten etwas abzuändern. Ein kleines Spiel, bei dem ihr verlieren oder gewinnen könnt. In der Vergangenheit hast du ihn oft verärgert, wirklich sehr oft, Sasuke. Aber Pein ist gütig, das wissen wir alle. Er mag die rohe Gewalt nicht. Was er schätzt ist Mut. Du bist ein sehr mutiger Mann, Sasuke. Deshalb gewährt Pein dir und Sakura eine winzige Chance. In meinen Augen ist sie unbedeutend, aber immerhin … was anderes habt ihr nicht.“ Er wandte sich Sakura zu und lächelte fast freundlich. „Komm her, Mäuschen, ich möchte dir etwas erklären …“ „Vergiss es!“ Sasuke beugte sich trotz der Ketten nach vorne, so dass Deidara zurückschreckte. „Sasuke, Sasuke“, sagte er und winkte Sakura zu. „Ich möchte dir den Schlüssel zeigen, Sakura. Ihr wisst sicher, was passieren wird, wenn Sasuke die lästigen Fesseln nicht los wird, hm?“ Er deutete zu den Rohren. „Du bist doch ein schlaues Mädchen. Sobald wir den Raum verlassen, werden sich die Rohre erhitzen, Sakura. Und sie werden für lange Zeit sehr heiß bleiben. Wann glaubst du, wird Sasuke anfangen zu schreien? Wie lange wird er es wohl stumm ertragen können? Komm also bitte her …“ „Sakura!“ Sasuke konnte nichts tun, als Sakura zu Deidara ging. „Was ist in dem Behälter?“, brüllte er wütend, als Deidara Sakura dorthin führte. „Der Schlüssel“, antwortete der Akatsuki und strich Sakura über die Haare. „Er ist dort drinnen, Mäuschen. Ich lüge nicht. Keiner verlangt von dir, dass du ihn herausholst. Auch mich würde es interessieren, wie lange unser junger Uchiha hier durchhält …“ „Was ist dort drin?“ Sasuke zerrte mit voller Wucht an den Ketten, doch gaben sie nicht nach. „Sei nicht so neugierig“, sagte Deidara mit mahnender Stimme und holte ein weißes Shirt hervor. „Ich möchte, dass du das hier anziehst. Mit deinem dicken Pullover kommst du sicher nicht tief genug durch die schmale Öffnung, nicht wahr?“ Sakura sah starr zu Deidara, der sie nach wie vor liebevoll anlächelte. „Wir drehen uns auch um, nicht wahr Jungs?“ Er nickte den anderen beiden Männern zu, die daraufhin den Raum verließen. Sakura zitterte heftig, als sie das Shirt nahm, doch dauerte es keine Minute, bis sie sich umzog und Deidara ihren Pullover reichte. „Braves Mädchen“, sagte er lobend und strich über ihre Wange. „Ich lass euch jetzt alleine. Du bist erstaunlich tapfer.“ Er verbeugte sich grinsend und trat zurück. „Versuch nicht zuviel … Dreck zu machen, hm? Aber ich glaube, du magst es selbst nicht, stimmt’s? Ich verstehe das, Mäuschen. Ich kann mein eigenes Blut auch nicht sehen …“ Er blickte noch einmal zu Sasuke, lächelte bedeutungsvoll und verließ ohne weitere Worte den Raum. Kapitel 21: Er ist hier ----------------------- Hey! Mal wieder ein kleines Vorwort meinerseits^^ Wie ihr sicher bemerkt habt, hab ich ja einiges durcheinander gebracht *räusper* Ich kann mich dafür nur entschuldigen!! Echt, so verplant ahhh, sorry, echt! ^^ Hehe, allerdings kommt das der Geschichte nun zu gute *g* Statt wie geplant nur noch ein Kapitel zu texten (das wäre dieses gewesen^^), schreibe ich als Wiedergutmachung ein paar mehr. Ich hab demnach die Fortschrittsanzeige auf der Hauptseite geändert und bin mit diesem Kapitel hier bei ähh 84%, glaub ich *g* Das heißt, wenn ich keine verteufelt, verhexten Fehler mehr mache (Kapitel vergessen oO), dann folgen noch 4 Kapitel. Das wollt ich nur eben erwähnen, damit wir sozusagen auf dem glichen Stand sind *lach* Und jetzt viel Spaß beim Lesen^^ Eure Route66 ______________________________________ „Sakura?“ Sasukes Stimme klang vorsichtig, als er das Mädchen beobachtete und sich alles andere als Nützlich fühlte. „Komm bitte her, Sakura. Sag mir, was dort drinnen ist, und wieso Deidara gesagt hat, dass er auch kein eigenes Blut sehen kann …“ Er versuchte so ruhig wie nur möglich zu sprechen, da Sakura regungslos in den Behälter blickte und nicht reagierte. „Sakura!“, sagte er etwas lauter. „Rede mit mir!“ „Ich …“ Sakura drehte sich nicht um, sondern sah nur immer weiter durch die durchsichtige Scheibe, die auf dem größeren Gefäß angebracht war. „Er hatte auf der Fahrt hier her … irgendwas gesagt, und ich hab ihm irgendwas gesagt, und ich … ich weiß auch nicht.“ Sie wollte sich so gern Sasuke zuwenden, doch ihre Augen konnten nicht von der schmalen Öffnung lassen, durch die sie ihren Arm gerade so pressen könnte. Ihr wurde schlecht, allein bei dem Gedanken dort hineinzugreifen; doch stand dagegen ihre Angst, dass jeden Moment die Rohre heiß werden konnten. „Was ist in dem Behälter?“, fragte Sasuke, nachdem Sakura einige Sekunden nicht einmal mehr Luft geholt hatte. „Der … Schlüssel“, gab Sakura mit gezwungenen Lächeln zurück. Irgendwo dort musste er sein, doch würde sie hinein fassen und ihn blind suchen müssen. „Und was noch?“ Sasuke ließ nicht locker. Eine seltsame Form der Angst überkam ihn. Er gehörte sicher nicht zu dem Schlag Menschen, die sich schnell ängstigten – eigentlich hatte Sasuke seit vielen Jahren keine Angst mehr empfunden – doch jetzt, wie er Sakura nur beobachten konnte, und nicht wusste, was das alles zu bedeuten hatte, da ergriff sie ihn auf ärgste Weise. „Kommst jetzt her, wir finden einen anderen …“ Sasuke fuhr zusammen, als er das Geräusch von fließendem Wasser hörte. Er sah instinktiv nach oben, von wo die Laute kamen. Es hatte begonnen … „Verdammt“, stieß er aus, als sich Sakura den Rohren ebenso erschrocken zuwandte. Ihr blasses Gesicht entsetzte ihn jedoch mehr, wie der Gedanke an das Bevorstehende. „Ich hab gesagt, dass du her kommen sollst!“, brüllte er sie an, als sich ihre Augen vor Panik weiteten. „Sakura!“ Machtlos musste er zusehen, wie ihre Knie nachgaben und Sakura beinah gestürzt, wenn sie sich nicht an dem einzigem Tisch gehalten hätte, auf dem auch der Behälter stand. „Sag mir endlich, was dort ….“ Sasuke verstummte und unterdrückte ein Keuchen, als er die nahende Wärme an seinen Handgelenken spürte. Er zerrte erneut daran, doch blickte er auf und bemerkte, wie Sakura ihn weinend ansah. „Ich … beeil mich“, wisperte sie und drehte Sasuke abrupt den Rücken zu. Sie schnappte nach Luft, als sie ihre Hand vorsichtig durch die Öffnung steckte, und musste eine Sekunde innehalten, damit sie nicht panischer wurde. Vorsichtig, dachte sie verstört. Sie musste nur vorsichtig nach dem Schlüssel fühlen. Doch Sakura wusste innerlich, dass Vorsicht nichts bringen würde. „Hör zu, du musst den Schlüssel nicht suchen, Sakura! Wahrscheinlich ist er überhaupt nicht dort! Das hat keinen Sinn, hilf mir lieber hier anders …“ Sasuke biss die Zähne zusammen, damit er kein weiteres Mal keuchte. Die Wärme an den Fesseln wurde mit jedem Atemzug heißer, und er gab sich höchstens eine Minute, ehe er den Schmerzen nicht mehr standhalten konnte. Was danach passieren würde, konnte er sich nicht einmal ausmalen. „Fühlst du denn irgendwas?“, fragte er zwischen den Zähnen. „Glaubst du wirklich, dass er dort ist?“ „Ja“, gab Sakura zurück, mit einer derart erstickten Stimme, dass es Sasuke eiskalt über den Rücken lief. „Bestimmt, er muss …“ Sie brach den Satz ab und steckte ihre Hand stattdessen immer tiefer hinein. „Hör auf, Sakura“, sagte Sasuke und versuchte seine Hände so zu halten, dass er das Metall nicht gänzlich berührte. Die Fesseln waren nicht so fest gezogen, und auf einer Seite blieb ihm bald ein Millimeter Luft. „Nimm sofort deine Hand da raus, verstanden?“ Er konnte kaum mehr an sich halten, doch mehr wie das Brennen an seiner Haut, quälte ihn Sakuras Anblick. Er wusste nicht, was dort drinnen war, er wusste gar nichts, und umso wahnsinniger machte es ihn. „Schleunigst, Sakura!“, brüllte er und hoffte, damit den Schmerzenschrei zu überdecken. Es zischte und er roch das Verbrannte, dass er glaubte, jeden Moment ohnmächtig werden zu müssen. „Ich hab ihn … gleich …“ Sakura biss sich so sehr auf die Lippen, dass sie allein deswegen zuckte. Trotzdem ließ sie ihre Augen geschlossen. Sie wusste genau, was passieren würde, sollte sie durch die Scheibe sehen; sie würde das Blut sehen müssen, ihr Blut, und sie würde Sasuke nicht helfen können. Er würde leiden und sterben, weil sie schwach war … Sakura versuchte, nicht nach Sasukes Aufforderungen zu horchen. Ihr Körper bebte so stark, dass sie immer wieder neu nachfassen musste, und doch hörte sie nicht auf zu suchen. Ihre Bewegungen wurden hastiger, und sie konnte sich ausmalen, wie sich ihr Blut mit dem Inhalt mischte. Doch auch als Sakura sich daraufhin übergeben musste, blieb ihre Hand auf der Suche, und als sie endlich glaubte ihn zu fühlen, riss sie die Augen auf, zog ihren Arm heraus und brach über dem Behälter zusammen. Sie hörte Sasukes dumpfe Schreie, drückte den Schlüssel fest an ihre Brust und stolperte rückwärts. Sie schleppte sich trotz des Schwindelgefühls zu ihm, und sie ignorierte seine fassungslosen Blicke und seine wütenden Laute. Sakura lächelte einfach, so stolz war sie, dem Mann helfen zu können, der ihr sonst immer hatte helfen müssen. „Ich hab ihn …“, wisperte sie, zog sich an Sasuke hinauf und fasste in das heiße Metall, das sie nur noch mäßig bemerkte. Kaum, dass sie den Schlüssel umdrehte und wusste, dass Sasuke befreit war, fiel sie zu Boden und übergab sich ein weiteres Mal. Ihre Gedanken waren verschwommen, und doch nahm sie wahr, wie Sasuke sie hastig ins Licht brachte. „Du bist so dumm“, brüllte er dabei. „Verdammt, was hast du dir gedacht?“ Sasuke glaubte für einen Moment, selbst würgen zu müssen, so sehr traf ihn Sakuras Anblick. Das Shirt war voller warmem Blut, und er wusste nicht einmal, wie er die Blutung der Schnitte in ihrer Hand stoppen sollte. Seit langem befiel ihm die Verzweiflung, und er musste sich innerlich zur Räson rufen, damit er sich irgendwie beruhigte. „Sieh mich an!“ Er hob Sakuras Kopf, damit sie aufhörte auf das viele Blut zu starren und ignorierte dabei den eigenen Schmerz in seinen Handgelenken. „Du sollst zu mir schauen!“ Er drückte einfach seine Lippen auf ihre, bevor er kurzerhand ihr Shirt zerriss. „Das wird wieder, okay? Das kriegen wir hin, Sakura. Hör nur nicht auf, mich anzusehen!“, herrschte er sie an und wickelte den Stoff so fest wie möglich um ihre Hand. Er glaubte, den Verstand zu verlieren, und seine eigenen Knie fühlten sich ungewöhnlich weich an. Dann drückte Sakura sanft an sich, küsste sie wieder und strich ihr behutsam über die Haare. Sie zitterte noch stärker wie zuvor, doch lächelte sie Sasuke an, als wäre alles halb so schlimm. „Du bist wirklich dumm, weißt du das? Warte hier“ Auch er lächelte matt zurück und ehe er aufstand, zog er sich seine Jacke aus und wickelte sie fest um Sakura. Dann ging er zu dem Behälter hinüber. Das alles würde er Pein heimzahlen, und er würde es ihm hundertfach zurückgeben … Sasuke blieb vor dem Tisch stehen und fuhr sich durch die Haare. Er blendete seinen Zorn aus und versuchte, überhaupt nichts zu denken. Er musste die Nerven bewahren, wenn er sich und Sakura hier lebend rausbekommen wollte. Gefühle verleiteten nur zu subjektiven Entscheidungen, und Sasuke durfte jetzt keinen Fehler machen. Doch egal, was sich Sasuke vornah, bevor hinein sah - noch im gleichen Moment, wie er die Augen aufriss, wurde seine Miene vom Hass verzerrt. Er schloss die Lider, zwang sich Luft zu holen und griff an die Kante des Gefäßes. Seine schmerzenden Hände bebten und er krallte sich an die Gefäßwand, dass die Knöchel weiß hervortraten. Dann schlug er die Augen wieder auf, und mit einem wütenden Laut riss er den ganzen Tisch um. Und hunderte von blutigen Rasierklingen verteilten sich auf den staubigen Boden. Sakura fühlte sich ausgelaugt, als sie an der Wand gegenüber der Tür kauerte und den näher kommenden Schritten lauschte. Sie hatte Mühe, ihren Kopf zu heben, als die Tür aufgestoßen wurde und Deidara sie ungläubig anstarrte. „Du siehst schlecht aus, Mäuschen“, sagte er, überrascht darüber, sie sitzen zu sehen. Er war in der festen Annahme gekommen, das Mädchen bewusstlos vorzufinden. Drei Stunden hatte er gewartet – und er war nun in freudiger Erwartung auf Sasukes Leichnam gekommen, denn das ein Mädchen wie Sakura den Schlüssel finden würde, daran hatte er nicht eine Sekunde geglaubt. „Das betrübt mich“, meinte er kopfschüttelnd, schlug die Tür gänzlich auf und ging hinüber zu Sasuke, der leblos an den Ketten hing. Der Geruch verbrannten Fleisches stieg ihm angenehm in die Nase, und er lächelte Sakura voller Wärme an, als er ihren Blick auf sich spürte. „Tut mir leid, Kleine“, sagte er seufzend und hockte sich hinunter zu Sasuke, dessen Kopf auf der Brust ruhte. „Hast ihn wohl gemocht? Ging es wenigstens schnell?“ Deidara presste deprimiert die Lippen aufeinander. „Ruhe in Frieden, Uchiha. Ich hab dich nie gemocht.“ „Ich dich auch nicht“, sagte plötzlich Sasukes Stimme, und er klang dabei so hasserfüllt, dass Deidara ihn regungslos ansah und nicht wusste, was passierte. Er fasste sich jedoch rasch und wollte reflexartig nach seiner Waffe greifen, doch sackte er in diesem Moment schon zusammen. Sasuke war schneller gewesen, und er hatte Deidara die Kehle durchgeschnitten, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. „Jetzt kannst du in Frieden ruhen“, sagte er kalt, spuckte auf die Leiche und suchte nach den Waffen, die Deidara bei sich trug. „Na komm“, sagte Sasuke zu Sakura, und gleichfalls wurde seine Tonlage sanfter. Er half ihr beim Aufstehen, legte seinen Arm um ihre Taille und entsicherte die Waffe. „Wir müssen zusehen, dass du zum Arzt kommst.“ „Was ist mit dir?“ Sakura sah auf seine verbrannten Handgelenke, als sie seine andere Hand in ihre nahm. „Hat Zeit.“ Er führte Sakura aus dem Raum und spähte dabei konzentriert durch die dunklen Gänge, die sich vor ihnen erstreckten. „Vermutlich sind wir in einem alten Bunker. Scheint mir unterirdisch zu sein. Hast du mitbekommen, wo sie lang gefahren sind?“ Sakura schüttelte den Kopf. „Ich hab mal gelesen, dass die Temperaturen in Kuba durchschnittlich bei 27 Grad liegen“, erzählte sie stattdessen und sah verträumt vor sich her. Sie spürte Sasukes verwirrten Blick, doch grinste sie nur und stellte sich die schönen Strände vor und den weißen Sand. Sie sagte nichts weiter dazu, und Sasuke fragte auch nicht nach, doch Sakura allein wusste um die Bedeutung dieser Vorstellung. Denn es war diese Vorstellung, die sie noch immer durchhalten ließ. Die Vorstellung, mit Sasuke zusammen zu sein. Der schöne Strand war dabei gar nicht so wichtig. Sakura taten die Augen weh, als sie es aus dem unterirdischen Bunker hinaus schafften. Sasuke ließ ihr keine Minute zum Ausruhen, doch auch sie erwartete, dass jeden Moment jemand auftauchte und ‚Überraschung’ rief. Weder Sakura noch Sasuke konnten sich vorstellen, dass es so einfach sein sollte, Pein zu entkommen. „Wo sind wir hier?“, fragte Sakura, als sie über den Schotter des stillgelegten Bahnhofs liefen. Die Sonne schien ihr grell in die Augen, und sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Sie konnte nicht einmal sagen, wo Norden lag, oder wo überhaupt irgendetwas lag. „Am Rande der Stadt. Wir brauchen schnellstens ein Telefon. Wie geht’s dir?“ „Ganz gut“, log Sakura. „Wie geht’s dir?“ Sasuke schnaubte, grinste aber. „Besser als dir. Wir können keine Pause machen, zumindest nicht hier.“ „Ich brauch keine, ehrlich.“ „Ich kann dich tragen.“ Sasuke zweifelte, dass Sakura überhaupt noch ein paar Meter schaffen würde. Er half ihr über die rostigen Schienen auf die andere Seite, als er aufhorchte und einen leisen Fluch ausstieß, ehe er Sakura packte und sich mit ihr zu dem verlassenen Bahnhofsgebäude durchschlug. „Was ist?“ Sakura atmete schwer, als Sasuke sie hinter die Tür schob und vorsichtig nach draußen spähte. „Ein Auto. Es kommt her.“ Er sah um die Ecke, doch dann zog er den Kopf zurück und blieb vor Sakura stehen. Angespannt versuchte er den Geräuschen auf dem Vorplatz zu lauschen, als eine schallende Stimme zu ihnen hinüber drang. „Sasuke!“, rief ein Mann so dunkel und finster, dass nicht nur Sakura zusammen zuckte. Sie sah Sasuke entsetzt an, doch hätte sie eher erwartet, dass auch er besorgt wurde. Doch stattdessen schien Sasuke wütend, und sogar etwas erleichtert. „Ich bin allein, Sasuke! Zeig dich!“ „Das soll ich dir abkaufen?“, rief Sasuke zurück. Er lächelte Sakura gequält an, doch dann nahm er sie hinter sich und zog sie einfach mit nach draußen. „Was machst du denn?“ Sakura krallte sich an Sasukes Pullover fest und wollte ihn zurückhalten, doch reagierte er nicht darauf. „Du brauchst Hilfe, Sakura. Wir haben keine Zeit.“ „Aber … wer ist er?“ Sakura sah zu dem Wagen, vor dem ein Mann ganz in schwarz stand. Er trug eine Sonnenbrille, und als sie ihm näher kamen, begann er zu grinsen. „Gehört er nicht zu den Akatsuki?“ „Doch, aber er kann helfen. Er ist vorher Arzt gewesen.“ „Aber … Sasuke nicht!“ Sakura wollte stehen bleib, doch nahm Sasuke sie kurzer Hand auf die Arme. „Es passiert dir nichts, Sakura. Wir haben keine Wahl.“ Sakura versteifte sich, als Sasuke mit ihr zu dem Fremden trat. Sie standen sich gegenüber, kein Meter trennte sie mehr, und als der andere seine Brille abnahm, da blieb Sakura fast das Herz stehen. Diese Ähnlichkeit … „Ich hab es nicht gewusst“, sagte der Mann ernst, und jegliches Grinsen war aus seinem Gesicht gewichen. „Ich hätte dich gewarnt, das weißt du! Ich hab es nicht gewusst!“ Er sah flüchtig zu Sakura und schüttelte den Kopf. „Ich hab …“ „Halt deinen verdammten Mund, Itachi!“ Sasuke klang eiskalt. „Das hätte niemals …“ „Ich weiß“, sagte Itachi schnell. „Das hätte nicht passieren dürfen. Meine Informationen waren falsch. Pein hat herausgefunden, dass wir in Kontakt stehen. Er hat es zu seinen Gunsten gewendet.“ Wieder sah er zu Sakura, die ihn noch immer fassungslos anstarrte. „Er hat mich wohl noch nie erwähnt“, meinte er lächelnd. „Ich bin Sasukes Bruder, Itachi Uchiha. Ich werde euch helfen, Sakura.“ Sakura brachte kein Wort zustande. Sie musste an die Wohnung von Sasukes Bekannten denken, und schlagartig kam ihr in den Sinn, dass es die Wohnung von diesem Mann gewesen sein musste. Sasukes Bruder … „Helfen?“ Sasuke klang, als würde er würgen. „Hast du nicht schon genug geholfen?“ Er spuckte fast vor unterdrückter Wut. „Sasuke, ich schwöre, dass ich davon keine Ahnung hatte!“ Itachis Augen wanderten zurück zu Sakura und blickten zu dem weißen Shirt, das um ihre Hand gewickelt war. Es war blutdurchtränkt. „Wir müssen von hier weg, bevor Pein jemanden schickt. Was ist mit Deidara?“ „Verreckt“, sagte Sasuke eisig. „Und woher weißt du, dass wir …“ „Kisame hat zuviel geredet. Er ist ein hirnloser Vollidiot. Sakura?“ Itachi sah Sakura prüfend an. „Wie geht es dir?“ „Ich … mir geht’s ganz …“ „Sie hat viel Blut verloren“, warf Sasuke dazwischen, da er wusste, dass Sakura nur lügen würde. „Es wird dringend.“ Itachi nickte. „Steigt ein. Wir fahren dorthin, wo sie uns nicht finden. Hinata wartet dort auch.“ „Hinata?“, fragte Sakura besorgt, als Sasuke sie schon auf die Rücksitze des Wagens entließ. „Ihr geht es gut, mach dir keine Gedanken.“ Itachi stieg ein und startete den Wagen, kaum dass Sasuke neben Sakura platz nahm. „Ich habe mir erlaubt, sie aus der Schussbahn zu bringen.“ Sasuke schnaubte verächtlich. „Glaubst du, Pein wird dich das durchgehen lassen? Dass du uns so offensichtlich hilfst, wird ihm nicht gefallen. Seit wann interessiert dich dein eigener Arsch weniger, als der von anderen?“ „Du machst es mir nicht leicht, Brüderchen.“ Itachi grinste in den Rückspiegel. „Ich mag für ihn arbeiten, aber ich bin nicht sein Eigentum. Wenn sich meine Prinzipien nicht mit seinen vereinen lassen, dann führt das automatisch zum Bruch.“ „Prinzipien“, höhnte Sasuke und blickte aus dem Fenster, als Itachi auf eine Landstraße bog. „Seit wann hast du so was im Vokabular?“ Itachi seufzte und beschleunigte den Wagen auf 130 Meilen. „Wer hat dir die ganzen Informationen beschafft, Sasuke?“ „Du hast mir nichts von dieser Schlampe gesagt! Und von Peins Leuten, die da aufgetaucht sind!“ „Weil ich nichts davon wusste! Ich dachte nicht im Traum daran, dass Pein seine Strategie wechselt! Das hat er bisher nie getan, oder?“ „Tzz“, machte Sasuke angewidert. „Macht das irgendwas besser?“ Itachi schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte er und schien ehrlich betrübt. „Das tut es nicht. Aber ich helfe. Ich sorge dafür, das ihr aus Japan rauskommt.“ „Als wenn das Pein aufhält!“, sagte Sasuke ungehalten. „Er würde uns jetzt bis sonst wohin verfolgen. Er tickt total neben der Spur!“ „Ich weiß. Wir … Zuerst verstecken wir euch, dann seh ich weiter. Außerdem … habt ihr noch ein weiteres Problem.“ „Was meinst du damit?“ Sasuke verengte die Augen und blickte nach vorne. „Von was sprichst du?“ „Ihr habt bei Hinata das Telefon benutzt. Hinata wusste nicht, was sie tun sollte, als ihr nicht aufgetaucht seid. Sie hat die Nummer angerufen, die noch in ihrem Telefon gespeichert war …“ „Oh Gott“, entfuhr es Sakura, die fast eingenickt war. Nun aber sah sie entsetzt zu Sasuke, der nicht minder fassungslos schien. „Und … weiter?“, fragte Sasuke, doch ahnte er längst, was das zu bedeuten hatte. „Euer Freund … der, der nicht wissen sollte, wo ihr seid … Hinata hat es ihm aus versehen gesagt, sie konnte es nicht wissen.“ „Naruto weiß, dass wir in Nagasaki sind?“ Sakura glaubte nicht, was sie hörte, doch nickte Itachi schon mit dem Kopf, als er über eine rote Ampel vor. „Ja. Es tut mir leid. Ich weiß, dass er nicht involviert werden sollte, aber das Risiko war zu groß.“ „Wie meinst du das?“, fragte Sasuke scharf. „Naruto …“ Itachi blickte wieder in den Spiegel. „Er ist hier …“ Kapitel 22: Die Augen des Mädchens ---------------------------------- Sakura war auf der Fahrt eingeschlafen, und nur widerwillig öffnete sie die Augen, als das Auto endlich sein Ziel erreichte. Sie staunte jedoch nicht schlecht, denn gegen ihre Erwartung waren sie nicht in die Stadt gefahren, sondern aufs Land. Und hier inmitten von Feldern, stand ein kleines Häuschen, das Sakura an alte Fernsehserien erinnerte. Es fehlte nur die Tiere, und schon wäre sie sich wie auf einem Landgut vorgekommen. „Hier wird uns keiner vermuten“, sagte Itachi und holte eine Tasche aus dem Kofferraum. Auf Sakuras fragenden Blick hin lächelte er etwas und schloss dabei das Auto. „Ich hab eine Arztpraxis ausgeraubt. Alles hier drin. Wird leer sein, wenn ich mit euch fertig bin.“ Sakura musste über seinen Scherz schmunzeln, ehe sie sich von Sasuke zum Haus helfen ließ. Sie folgten Itachi durch den Vorgarten, als die Tür aufgerissen wurde. Sakura schrak im ersten Moment zusammen, doch dann flogen die blonden Haare geradewegs auf sie zu, und herzlich wurde sie von Naruto in die Arme genommen. „Gott!“, rief er und schluchzte lauthals. „Gott Sakura!“ Sakura ignorierte die Schmerzen, die Naruto durch seine ungestüme Geste verursachte und legte ihm sachte die Hand auf den Rücken. „Du weinst doch nicht etwa?“, fragte sie heiser, ohne sich ihrer eigenen Tränen bewusst zu sein. „Ist doch alles gut, Naruto.“ „Gut?“ Naruto drückte Sakura etwas von sich und sah an ihr hinunter. „Das nennst du gut? Du siehst aus, als …“ „Überleg dir, was du sagst“, lächelte Sakura. „Werd jetzt nur nicht frech.“ „Gott!“, entfuhr es Naruto wieder und erneut schloss er Sakura in die Arme. „Dass du so was mit mir machst! Ich bin fast umgekommen vor Sorge! Ich hätte am liebsten alles auseinander genommen! Du hättest mir sagen müssen, wo ihr seid!“ „Du hättest aber nicht kommen dürfen“, erwiderte Sakura, doch war sie innerlich so froh, Naruto bei sich zu wissen, dass sie es kaum aussprechen konnte. „Du warst … doch sicher …“ „Sicher!“, jammerte Naruto nur. „Meinst du, dass bedeutete mir was, wenn ich nicht weiß, ob du in Sicherheit bist?“ Sakura schmerzte das Herz, als er das sagte. Sie drückte ihn fest an sich und musste an sich halten, nicht noch mehr Tränen zu vergießen. „Du bist … unmöglich“, brachte sie geradeso heraus, ehe ihre Beine nachgaben und sie sich auf Naruto stützen musste. „Wir sollten reingehen“, sagte Itachi schnell und griff Sakura am Ellbogen. „Ich werde zuerst nach dir sehen müssen. Was ist mit dir?“, wandte er sich an Sasuke, dessen Miene gleichgültig wirkte. „Ich bin okay. Kümmere dich um Sakura.“ „Und die Verbrennungen?“ Itachi runzelte die Stirn. Sakura hatte ihm vorhin im Wagen davon erzählt; Sasuke selbst hätte es nie erwähnt. „Kümmere dich um Sakura“, wiederholte Sasuke kalt. „Du hast dich verbrannt?“ Naruto sah Sasuke an, als wäre dies ein Weltuntergang mehr und fast schien es, als würde er gleich wieder mit Schluchzen beginnen. „Doll?“ „Sorg dich lieber um deine eigene Gesundheit“, knurrte Sasuke nur und ging ins Haus. Es kostete ihm unendliche Mühe, dem blonden Vogel keine rein zuhauen, denn immerhin hatte er sich seinen Anweisungen widersetzt. Naruto hätte in Tokio bleiben müssen, doch zog er es scheinbar vor, sich ebenfalls in Gefahr zu bringen. „Er macht sich nur Sorgen“, übersetzte Sakura Naruto flüsternd, als dieser ein deprimiertes Gesicht zog. Sie grinste leicht, und auch Naruto lächelte mäßig. „Er besaß noch nie das Talent, mit Worten umzugehen“, gab Naruto ebenso leise zurück. „Aber immerhin hat er mich heil gelassen …“ „Wenn du nicht die Kappe hältst, können wir das gerne ändern!“, rief Sasuke keine Sekunde später aus dem Wohnzimmer. „Spritzen?“, quiekte Sakura, als Itachi die Nadel aufsteckte und prüfte, ob alles seine Richtigkeit hatte. „Ich vertrag keine Spritzen, ehrlich nicht!“ Sakura rutschte tief in die Kissen und überlegte für eine Sekunde, um Hilfe zu schreien. „Wirklich, ich bin … allergisch!“ „Allergisch?“ Itachi musste grinsen. Er zog eine zweite Spritze auf und lachte, als Sakura ihn mit walnussgroßen Augen anstarrte, als wäre er der Teufel persönlich. „Gegen was genau?“ „Gegen …“ Sakura rang um Worte und verfolgte die Spritze wie eine lästige Fliege, die sie erwischen wollte. „Spritzen, im Ernst. Ich reagiere mit … Hyperventilieren und Übelkeit, und Herzstillstand und … Tot, ja genau! Itachi, das ist … niiicht!“, kreischte Sakura, kaum das Itachi nach ihrem Arm greifen wollte. „Mir geht’s schon wieder … richtig gut, weißt du? Man könnte sogar sagen, dass es mir blenden geht, sogar besser als blendend!“ „Sakura“, sagte Itachi mit der Autorität eines Arztes. „Das hier ist wichtig. Der Blutverlust hält sich in Maßen, aber du wirst doch sicher wissen, dass es unumgänglich ist …“ „Gibt’s keine … Brausetabletten? Wenn mir Eisen fehlt und das alles, dann kann ich doch …“ „Sakura“, begann Itachi wieder. „Du wirst doch vor diesem kleinem Pieks keine Angst haben? Du wirst gar nichts merken, versprochen. Und es ist so schnell vorbei …“ „Es soll erst gar nicht anfangen!“ Sakura ließ die Spritzen keine Sekunde aus den Augen. Sie griff nach einem Kissen und hielt es abwehrend vor sich. „Ich mach alles mit, aber … keine Spritzen, Itachi!“ „Sakura“, sagte Itachi zum dritten Mal. „Wenn du mir keine Wahl lässt, rufe ich Sasuke. Dann wird er dich festhalten müssen …“ „Wie?“ Sakuras Stimme schrillte förmlich. „Dann schreie ich! Und ich weine, und ich schreie noch mehr und ich werde treten und schlagen und beißen …“ Itachi seufzte, obwohl er innerlich feixte. Als er noch als Arzt gearbeitet hatte, hatte er viele Patienten wie Sakura gehabt. Auf der Kinderstation … „Wir wissen beide, dass du viel zu schwach wärst, um dich zu wehren, hmm?“ „Dann rettet mich eben Naruto!“ „Naruto wird ebenso einsehen, dass die Spritzen für dich unerlässlich sind.“ „Dann Hinata!“ „Sasuke?“, rief Itachi so augenblicklich, dass Sakura fast vom Bett fiel. Sie sah ihn an, als wäre er der größte Verräter überhaupt, drapierte sämtliche Kopfkissen vor sich und wirkte wie jemand, der sich gegen eine ganze Armee verteidigen musste. „Ihr werdet mir keine Spritzen geben!“, fauchte sie, zog auch noch die Decke vor sich und hoffte, dass Sasuke Naruto verprügelte und beschäftigt war. Aber sollte er nur kommen, dachte sie. Bis zum letzten würde sie den beiden standhalten, und eher würde ihnen die Spritze im Arm stecken als ihr! Doch kaum glitt die Tür auf, fiel sämtlicher Mut von Sakura ab. „Komm nicht rein! Ich renn weg, ich …“ „Was wird das?“ Sasuke ignorierte Sakuras Gebärden und sah Itachi fragend an. Er bemerkte die Spritze und musste das Grinsen hinunterschlucken. „Sakura möchte festgehalten werden …“, sagte Itachi betont fachmännisch, als Sakura schon wieder lauthals schrie. „Gar nicht wahr!“, rief sie mit hoher Stimme. „Aber ich bin … wirklich Sasuke, ich bin überempfindlich! Ich werde umkippen, und ich stehe nie wieder auf! Und außerdem fühl ich mich … richtig kräftig, und … und …“ Sakuras Satz ging in ihrem nachfolgenden Gekreische unter, als Sasuke in den Raum trat. „Geh weg! Kommt mir nicht zu nah! Alle beide, ich …“ Sakura krabbelte fast in die Wand, als sich Sasuke ihr Schritt für Schritt näherte. „Okay!“, schrie sie. „Gut, ihr … ihr habt gewonnen! Ich nehm die Spritze, aber … geh weg, Sasuke!“ „Siehst du, geht doch.“ Itachi lächelte, unterdrückte aber die glucksenden Geräusche. „Am Ende gewinnt immer der Onkel Doktor …“ „Soll ich warten?“, fragte Sasuke und grinste hinterhältig. „Falls es sich der Patient doch anders überlegt?“ Sakura erstarrte, doch dann schüttelte sie heftig den Kopf. „Tu ich nicht“, versprach sie mit flatternder Stimme, als stehe sie kurz vor einer Ohnmacht. „Echt nicht. Ich … muss nur kurz … durchatmen.“ Sasuke grinste leicht, ehe er kommentarlos das Zimmer verließ. Sakura dagegen ließ sich Zeit, und in sehr langsamen Bewegungen baute sie widerwillig ihre Befestigung ab. „Na dann, leg dich lang“, neckte Itachi. „Du hättest es längst hinter dir haben können. Wie geht’s dir jetzt?“ „Super“, murrte Sakura und kniff die Augen zusammen, als Itachi ihren Arm griff. Sie hielt die Luft an und erwartete jeden Moment den grausamen Stich. „So was hätte Sasuke früher nie gesagt“, kam es jedoch unerwartet, so dass Sakura Itachi fragend ansehen musste. „Ich meine, dass er gescherzt hätte.“ „Wann hat er denn gescherzt?“, brummte Sakura missmutig. „Das war die erste“, grinste Itachi und legte die leere Spritze beiseite. „Hast du was gemerkt?“ „Ja!“, log Sakura gleich, doch musste sie innerlich zugeben, dass es wirklich schmerzfrei vonstatten gegangen war. Itachi lachte, ehe er Sakura tröstend ansah. „Nur noch eine, uns du hast es hinter dir.“ „Toll …“ „Sasuke hat sich wirklich verändert“, bemerkte Itachi nebenbei. „Als er mich deinetwegen um Hilfe bat … ich muss gestehen, dass ich geglaubt habe, dass er mich verscheißert, um mir irgendetwas heimzuzahlen.“ „Hmm“, machte Sakura, die sich nur darauf konzentrierte, den Pieks diesmal zu merken. Dann fiel ihr jedoch etwas ein, was ihr schon lange auf der Seele lag. Sie wusste nur nicht, ob sie Itachi wirklich danach fragend konnte. Zum einen war er Sasukes Bruder – er war es unverkennbar – doch zum anderen gehörte er zu Peins Leuten, auch wenn es nun danach aussah, als hätte er sich gegen ihn gewandt und würde ihnen wirklich helfen wollen. Zudem fragte sich Sakura auch, warum Itachi überhaupt für Pein gearbeitet hatte. Er schien ihr ein herzlicher Mensch zu sein, ganz anders als die Killer, die ihr begegnet waren. Sie hatte ihn einfach ins Vertrauen fassen können, und das lag nicht nur daran, dass er Sasukes Bruder war. Es lag auch an seiner Art, an seinem Auftreten. Als Mensch, und nicht als Mörder. „Fertig“, hörte sie Itachi sagen. Verwundert sah Sakura auf, ehe sie eine beleidigte Schnute zog. „Wieder nichts bemerkt?“, erriet er schmunzelnd. „Möglich“, gestand Sakura und zog ihren Arm so rasch unter die Decke, dass es bald einem unmöglichen Wunder glich. „Itachi? Kann ich dich … was fragen?“ Sie setzte sich etwas auf und beobachtete den jungen Mann dabei, wie er in der Tasche wühlte. „Natürlich. Frag nur.“ „Hat Sasuke dir irgendeinen Grund genannt, warum … er mir geholfen hat? Ich meine, weil ich am Anfang das Gefühl hatte, dass er … dass er mich eher … „Verachtet?“, half Itachi weiter und sah Sakura mit einem traurigen Lächeln an. „Nein, das hat er nicht.“ „Hmm …“ „Aber ich glaube, ich kann dir trotzdem erzählen, was du wissen möchtest. Ich sehe es nämlich auch.“ „Was meinst du?“ Itachi lehnte sich etwas zurück und schüttelte leicht seine langen schwarzen Haare, als würde er nachdenken. „Sasuke reißt mir den Kopf ab. Du wirst es also für dich behalten müssen.“ „Sicher, aber … ich versteh nicht. Was siehst du?“ „Die Ähnlichkeit.“ Itachi schmunzelte betrübt. „Deine Augen. Ich vermute, dass es Sasuke sehr … geschmerzt hat, als er deine Augen zum ersten Mal gesehen hat.“ „Meine Augen?“ Sakura verstand gar nichts mehr, doch Itachi nickte bereits. „Vor ein paar Jahren kam Sasuke ins Krankenhaus. Er war in eine Schiesserei geraten, obwohl er damals diese Art der Arbeit noch nicht hatte. Innere Verletzungen“, sagte Itachi fachgemäß. „Es sah nicht gut aus, aber die Ärzte haben ihn wieder zusammen geflickt. Ich bin ihn oft besuchen gewesen, aber er war damals schon sehr … kalt. Ob ich kam oder nicht, das interessierte ihn nicht. Und Freunde … Sasuke hatte nie Freunde, auch keine Bekannten oder Vertraute. Das ist seine Art. Er ist … ein ziemlich unerträglicher Mensch, das war er schon als Kind gewesen.“ „Wirklich?“ Sakura hörte aufmerksam zu. Sie hatte nicht erwartet, dass Itachi ihr viel mehr erzählen würde, als einfach nur auf ihre Frage zu antworten. Doch auch darin unterschieden sich die Brüder: Sasuke sprach nur, wenn es keine Alternative gab. Itachi dagegen redete gerne. „Ja, wirklich. Weißt du, unsere Eltern starben früh. Sasuke war erst sechzehn geworden, und ich hatte mit meinem Medizinstudium begonnen. Wir erbten natürlich die Firma unseres Vaters, aber ich wollte sie nicht. Sasuke dagegen setzte alles daran, sie nicht zu verlieren. Er ist auch sehr ehrgeizig, und mit Sicherheit kein Nichtstuer. Er brach die Schule ab und kümmerte sich um das Fortbestehen der Firma – seiner Firma. Ich trat dabei nur als Vormund auf, weil er noch nicht Volljährig war. Geleitet hat er sie ganz alleine, und ich konnte es nicht verhindern. Dabei … es war sehr viel Arbeit, und Sasuke konnte nicht überall sein. Die Firma verschuldete sich nach und nach, und ihr Ruf floss dahin. Dann kam der Unfall – Sasuke kam ins Krankenhaus, doch er haderte jeden Tag, endlich entlassen zu werden. Aber wie gesagt, es waren schwere Verletzungen gewesen. Er musste einen Monat auf der Station bleiben. Natürlich passte ihm das gar nicht …“ Sakura grinste. Sie konnte sich gut vorstellen, dass es die Ärzte nicht leicht mit ihm gehabt hatten. „Und was passierte dann?“, fragte sie neugierig, obwohl ihr seltsam schläfrig wurde. Sie hielt sich jedoch mit aller Mühe wach, nur um noch mehr über Sasukes Vergangenheit erfahren zu können. „Dann“, sagte Itachi und lächelte traurig. „Lernte Sasuke ein Mädchen kennen, mit Augen so grün wie deine.“ „Ein Mädchen?“ Sakura fragte so ungläubig, dass Itachi grinsen musste. „Ja, obwohl man es nicht glauben möchte.“ Er schüttelte den Kopf und atmete tief durch, als würde auch ihn diese Erinnerung berühren. „Und sie war … sogar ein sehr hübsches Mädchen. Und sehr geschwätzig. Sasuke traf sie das erste Mal, als er auf dem Gelände spazieren ging. Seitdem fing sie ihn immer ab. Ich kannte sie auch. Ihre Ausstrahlung war … ergreifend.“ Sakura wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie fühlte sich verwirrt, doch ihre Neugierde ließ nicht nach. „Dann … freundeten sie sich an?“ „So möchte ich es nicht nennen. Sasuke war … du kennst sicher seine abweisende Art. Jeder machte einen großen Bogen um ihn, aber sie … Wann es nur ging, hat sie sich an ihn gehangen, und … Sasuke hat es irgendwann aufgegeben ihr zu sagen, dass er kein Interesse an ihre wirklich sehr langen Erzählungen hatte. Er konnte ziemlich ekelhaft werden, allerdings hat er sich bei ihr von Anfang an mehr zusammen genommen, als bei anderen. Es war schon … niedlich, die beiden zu beobachten. Ich glaube, dieses Mädchen war die erste und letzte, die es schaffte, ihn rot werden zu lassen.“ „Sasuke war rot geworden?“ Sakura blinzelte überrascht. „Das ist …“ „Unglaublich, oh ja!“ „Aber … warum war sie im Krankenhaus?“ Itachis Miene wurde traurig, und er kniff die Augen zusammen, als würde ihn die Sonne blenden. „Sie brauchte eine neue Niere. Sie wartete seit vielen Wochen auf die Transplantation.“ „So schlimm?“ Sakura fröstelte es. Itachi wirkte so bedrückt, dass sie das Schlimmste ahnte. „Was ist mit ihr …“ „Weißt du, warum die Origami-Kraniche als Symbol des Friedens gelten?“, fragte Itachi so plötzlich, dass Sakuras Augen erschrocken aufsahen. Für einen Moment betrachtete sie sein Gesicht und glaubte beinah, er könne zu weinen beginnen. Er lächelte zwar, doch wirkte es wie das verzerrte Lächeln eines Menschen, der mehr Übel hatte sehen müssen, als er ertragen konnte. Als Sakura langsam nickte, merkte sie wie ihre Hände zitterten und schnell faltete sie sie ineinander. „Wegen … einem Mädchen …“, sagte sie leise. „Sadako Sasaki, sie war Schülerin …“ Sakura rang um Worte und ihre Unsicherheit brachte sie dazu, in ihr altes Muster zu fallen. „Sie war 1945 etwas älter als zwei Jahre, und sie hat in Hiroshima gelebt, als dort die Atombombe gezündet wurde. Sie … man dachte erst, sie sei vollkommen gesund, aber … als sie zwölf war, wurde bei ihr Leukämie festgestellt und …“ Sakura verfing sich in ihren Worten und kaute nervös auf der Unterlippe. Das Schicksal der 12 jährigen Schülerin wurde weltweit bekannt, und die Anteilnahme zur damaligen Zeit, ebenso wie heute, war enorm gewesen. „Ja“, half Itachi. „Sie war 12 gewesen. Sie kam ins Krankenhaus, und 14 Monate lang blieb dort. Eine Freundin erzählte ihr von der Legende, dass, wer eintausend Origami-Kraniche faltet, einen Wunsch von den Göttern erfüllt bekommt …“ „Und dieses Mädchen, das Sasuke kennen lernte …“ „Auch sie kannte diese Legende. Wie Sadako Sasaki faltete sie über tausend Kraniche. Sie glaubte fest daran, dass die Götter ihren Wunsch nach Genesung erfüllen würden.“ „Aber …“ Sakura wischte sich die Tränen aus den Augen. „Aber wie Sadako Sasaki …“ „Starb auch dieses Mädchen, ja. Sie bekam ihre Transplantation, und erst schien es, als wäre alles gut gegangen. Sasuke … er wurde zu dem Zeitpunkt entlassen, aber er war jeden Tag nach ihrer Operation bei ihr. Er hat in seinem ganzen Leben sicher nie an irgendwelche Götter geglaubt, aber er sah diese vielen weißen Origamischnipsel an, als würde er insgeheim die Götter anflehen, diesem Menschen seinen Wunsch zu erfüllen. Er selbst hat sich vermutlich bis zum damaligen Zeitpunkt nie etwas mehr gewünscht, als dass sie leben würde.“ Sakura war so ergriffen von der Geschichte, dass sie leise schluchzte. „Was ist passiert?“, fragte sie zittrig. Itachi seufzte traurig. „Eine Woche später bekam sie Fieber. Ich war bei ihr, genauso wie Sasuke. Ich habe dort als Arzt gearbeitet“, fügte er hinzu. „Wir haben alles versucht, aber … noch in jener Nacht erlag sie dem Fieber. Sie war … zu geschwächt gewesen.“ „Du warst ihr Arzt?“ Sakura wischte sich über die Augen. „Sasuke …“ „Er gab mir die Schuld, ja. Und er hat es mir bis heute nicht verziehen. Das … habe ich selbst nicht, auch wenn ich weiß, dass es … keine Hoffnung gab. Danach habe ich nie wieder als Arzt praktiziert.“ „Er hat sie … geliebt, nicht?“ „Jeder hat sie geliebt. Sie war trotz ihrer schweren Erkrankung immer ein Wirbelwind. Ihre Augen haben vor Leben gefunkelt, und vielleicht war dies der Grund, weshalb auch Sasuke sich einem Menschen zu öffnen begann. Sie … gehörte zu den Menschen, die bis zum Ende voller Hoffnungen an ihrem Glauben festhielten. Sie war das verträumteste Kind, dass ich je kennen gelernt habe.“ „Kind?“, fragte Sakura irritiert. „Das Mädchen war noch ein Kind?“ Itachi nickte. „Sie war sieben, als sie starb.“ „Wie …“ Sakura wusste ihre Gefühle kaum zurückzuhalten, so zerriss sie, was Itachi ihr erzählte. „Wie hieß sie?“ „Alle nannten sie Klein-Hanna, außer Sasuke natürlich.“ Itachi lächelte, als erinnere er sich an jene Tage. „Aber jetzt ist genug, Sakura. Du musst schlafen. Es ist nicht gut, wenn du dich so lange gegen die Schlafmittel wehrst.“ „Schlafmittel?“ Sakura spürte, wie ihr die Augen zufielen, doch versuchte sie sie immer wider zu öffnen. „Du brauchst Schlaf, Sakura. Soviel wie möglich. Außerdem möchte ich dir die Träume ersparen.“ „Aber … ich versteh noch immer nicht … Am Anfang hab ich geglaubt, dass Sasuke mich hassen würde. Er hat mich angesehen, als …“ „Weißt du, Sasuke wurde nach Hannas Tod noch … unausstehlicher. Er wurde … zu dem, was er heute ist. Er hat alles verdrängen wollen, und er hat getan, als gebe es diese Erinnerung nicht. Aber deine Augen … Vermutlich hat es ihn sehr getroffen, in deinen Augen die kleine Hanna zu sehen. Genauso grün, und genauso lebendig. Es ist manchmal seltsam welche Zufälle uns das Leben zuspielt, aber sie passieren.“ Sakura fielen die Augen gänzlich zu, aber sie griff nach Itachis Hand und hielt ihn fest. „Warum … warum ist er so geworden?“, wollte sie wissen. „Er hatte doch … die Firma und …“ „Schulden“, meinte Itachi schlicht und nahm Sakuras Hand in seine. „Und Sasuke hatte seit je her kein Gewissen. Ich denke, er tat das, was er jetzt tut, weil er wusste, dass er es kann. Es bringt … Geld. Und es bringt viel Geld, schnelles Geld. Manche tun es einmal, und danach sind sie kaputte Menschen. Sasuke war schon immer … kaputt. Er ist, wie er ist, und ich bete, dass er sich eines Tages ändern wird.“ „Aber … er kann doch nicht schlecht sein, wenn er doch … er hat mich doch gerettet, und …“ „Deswegen hoffe ich auch, dass du in der Lage sein wirst, ihn ändern zu können. Aber … Ich zweifle keine Sekunde mehr daran, dass er dich bis zum Letzten beschützen würde, Sakura, doch Gerechtigkeit und Gewissen … Das besitzt er nicht. Alles gute, was er tun würde, würde er ausschließlich für dich tun, und für keine andere Seele auf dieser Welt. Das ist der Unterschied, verstehst du? Er … ist sogar fähig, freundlich und liebevoll zu sein, das habe ich vorhin gesehen, aber … er wird es immer nur zu dir sein können. Sasuke wurde ohne Gewissen geboren, und … das hat ihm zu dem gemacht, was er heute ist. Weil er es schon immer war. Für ihn existiert nur seine eigene Welt, dessen Regeln er selbst erstellt. Dort haben die Dinge, die wir der sozialen Norm zusprechen, keinen Platz. Aber aus irgendeinem Grund … hat er dich in seine Welt gelassen.“ „Wegen … dem Mädchen?“, fragte Sakura, und es machte sie traurig, daran zu denken. „Nein, das denke ich nicht“, sagte Itachi aber. „Deswegen mochte er dich vielleicht am Anfang verabscheut oder gerettet haben, aber mit der Zeit… Das gehört wohl zu den Dingen, die nie jemand erklären können wird. Vielleicht ist es Schicksal, oder Zufall, oder beides zusammen.“ Itachi lächelte und drückte Sakuras Hand, ehe er aufstand. „Vielleicht ist es auch einfach nur Liebe. Was wissen wir schon darüber.“ Kapitel 23: Außer sich und außer Kontrolle ------------------------------------------ Sakura erwachte mitten in der Nacht, doch war sich keinesfalls sicher, nur einen halben Tag geschlafen zu haben. Sie fühlte sich gestärkt, und nur die verbundene Hand ließ sie das Gesicht verziehen. Dennoch schaltete sie das Licht an und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Wie Itachi versprochen hatte, war ihr Schlaf traumlos geblieben. Jetzt aber, wie sie alleine in dem großen Schlafzimmer saß und die Erinnerungen zurückkamen, da merkte sie auch die gestauten Ängste aufkommen. Sakura atmete tief durch und versuchte, an angenehmere Dinge zu denken. Es war nichts passiert, das sie nicht irgendwann vergessen würde, sagte sie sich, derweil sie sich durch die Haare fuhr. Eine Dusche hatte sie auch dringend nötig … Sakura stieg aus dem Bett und hielt kurz inne. Die ersten Schritte fielen ihr schwer, und sie machte einige Probeläufe durch das Zimmer, damit sie nicht noch vor den anderen umkippen würde. Sie wollte nicht so schwach wirken, wie sie sich in Wahrheit noch immer fühlte. Ihre körperlichen Reserven mochten wiederhergestellt sein, aber ihr Innersten schrie und wehrte sich bei jedem Bild, dass sie vor Augen hatte. Und Sakura sah viel. Nachdem sie zwei Minuten auf und ab gelaufen war, öffnete Sakura vorsichtig die Tür und stellte beruhigt fest, dass niemand in dem Wohnzimmer saß. Als sie jedoch einen zweiten Blick warf, sah sie Naruto auf der Couch schlafen, und vorsichtig schlich sie hinüber in die Küche. „Hallo Sakura“, sagte eine leise Stimme, kaum das die junge Frau den Raum betrat. Hinata saß am Küchentisch und trank Tee. Sie lächelte ihr aufmunternd zu und deutete fragend auf ihr Glas. „Gerne“, sagte Sakura und ließ sich ebenfalls nieder. Sie war dankbar, sich unauffällig wieder setzen zu können. Ihre Beine hatten längst wieder zu zittern begonnen. „Wie hast du geschlafen?“, wollte Hinata wissen. Selbst bei dieser einfachen Frage klang sie verlegen, und sie sah Sakura nicht an, als sie ihr den Tee einschenkte. „Er ist nicht mehr so heiß. Du kannst gleich trinken.“ „Danke“, gab Sakura freundlich zurück. Sie hatte in Hinatas Anwesenheit das Gefühl, besonders umsichtig und leise sprechen zu müssen, damit sie nicht erschreckte. „Und ich hab … ausgesprochen gut geschlafen. Itachis Schlafmittel haben mich ordentlich niedergehauen.“ Sie lächelte so breit wie möglich. Sie hoffte, Hinata dadurch Sicherheit zu geben, ganz wie bei einem schüchternen kleinen Mädchen. Aber eben genauso wirkte Hinata. Als wäre sie ein scheues Rehkitz. „Und wie geht es dir jetzt? Fühlst du dich besser?“ Sakura öffnete den Mund, und eigentlich wollte sie ihr erzählen, dass alles okay wäre, aber … Aus dem gleichen Grund, wie sie ruhig und bedächtig sprach, konnte sie Hinata auch nicht anlügen. Es war bald bizarr, aber Sakura fühlte sich manipuliert. Genötigt, die Wahrheit zu sagen, weil sie andernfalls glaubte, Hinata zu verletzen. „Ging … schon besser“, gab sie schließlich zu und nahm einen kräftigen Schluck. „Erst hab ich gedacht, es wäre wieder … alles gut, aber irgendwie … ich muss ständig daran denken, was in dem Bunker … was dort …“ „Schon gut, du musst es nicht … aussprechen. Sasuke und Itachi haben darüber gesprochen, und ich hab es gehört. Es … tut mir sehr leid. Das war sicher …“ Hinata rang ebenso um Worte, wie Sakura. Sie lächelte auf ihre zurückhaltende Art, ehe sie abrupt aufstand. „Ich muss … ich geh mal ins Bett. Gute Nacht Sakura. Sasuke …“ Sakura sah schlagartig auf, als Hinata Sasukes Namen nannte, doch setzte er sich schon ihr gegenüber und blickte sie prüfend an. Es war ein Unterschied wie Tag und Nacht, Sasukes kaltes Gesicht im Vergleich zu Hinatas zu sehen. „Du siehst noch immer müde aus. Du solltest dich wieder hinlegen“, sagte er nach einigen Sekunden Stille. Sakura lächelte matt und schüttelte den Kopf. „Ach was. Mir geht’s ganz gut. Ich muss nur unbedingt unter die Dusche.“ „Itachi kann dir noch einmal Schlafmittel geben. Dann brauchst du dir keine Gedanken machen, dass du Alpträume bekommen könntest“, bemerkte Sasuke, als handle es sich um eine ganz nebensächliche Sache. Nur seine Augen hinter der Maske verrieten die Sorge. „Ich … mach mir keine Gedanken, wirklich. Ich brauch bloß eine Dusche und … frische Sachen, und alles ist wieder …“ „Nichts ist gut, Sakura, also hör auf, so tun zu wollen. Du bist keine gute Lügnerin, das habe ich dir schon einmal gesagt.“ Er stand auf und griff Sakura am Arm. „Ich bring dich zurück ins Bett und sag Itachi Bescheid.“ „Bitte Sasuke, ich will jetzt wirklich nicht! Lass mich … nur duschen, ja? Danach gehe ich wieder Schlafen, aber ohne …“ Sakura erschauderte. „Ohne Spritze.“ Sasuke musste leicht grinsen, als er Sakura mit sich aus der Küche zog. „Fässt in hunderte von Rasierklingen, aber pisst dir beim Gedanken einer einzigen Nadel ein …“ „Das ist … sehr ordinär ausgedrückt“, brummte Sakura und hielt sich an der Klinke zum Badezimmer fest. „Erst duschen“, schmunzelte sie, sich des Sieges sicher. „Sonst bekomme ich wirklich Alpträume.“ „So?“ Sasukes Grinsen wurde schief, und er schob Sakura mit sich ins Bad, ehe er abschloss. „Sasuke!“ Sakura wurde prompt rot und glaubte so verlegen wie Hinata aussehen zu müssen. „Ich kann …“ „Du zitterst, Sakura. Du kannst mir ja erzählen, dass es dir gut geht, aber dann solltest du drauf achten, dass dich dein Körper nicht verrät. Und der hält dich keine fünf Minuten mehr, oder? Ich warte hier, bis du fertig bist. Dann bringe ich dich zurück.“ Sakura machte ein beleidigtes Gesicht. Das Sasuke sie am laufenden Band durchschauen musste, ärgerte sie andauernd, ebenso wie seine Bevormundung. „Aber keine Spritze.“ Wenigstens in einer Sache wollte sie gewinnen. „Beeil dich“, war jedoch das einzige, was Sasuke dazu sagte. „Weißt du, dass ich echt gerne wieder meine eigenen Sachen tragen würde?“ Sakura zwängte sich in die Jeans, die Hinata ihr hingelegt hatte. „Himmel, Sasuke siehst du das?“ „Wie denn?“, kam es brummig vom anderen Ende des Badezimmers. „Ich soll doch die Wand anstarren.“ Sakura schürzte die Lippen, ehe sie tief Luft holte und den Reißverschluss schloss. „Gott, ich werde ersticken! Ich bin … total fett!“, keuchte sie und lief im seltsamen Schritt zu Sasuke. „Bin ich fett? Sag schon, ich bin fett, nicht?“ Sie beugte sich über seine Schulter und blickte ihn jammernd an. „Du antwortest nicht mal, also findest du mich wirklich fett!“ „Sakura“, seufzte Sasuke und zog sie dabei grinsend auf seinen Schoß. „Du müsstest mir wenigstens den Bruchteil einer Sekunde lassen, um zu antworten, meinst du nicht?“ „Du hättest doch schon längst nein sagen können! Ich werde … nicht mehr essen können.“ „Hör auf Mist zu reden, Sakura.“ „Das ist kein Mist“, maulte Sakura. „Ein Gramm mehr, und ich kann den Knopf der Hose als Schusswaffe benutzen …“ Sasuke grinste leicht, als er den Kopf schüttelte und Sakura in einen Kuss zog. „Jetzt gehst du ins Bett, verstanden?“ „Hmm. Aber erst zieh ich mir die Hose mit dem Gummibund an … Nur für den Fall, dass ich von Kuchen träume.“ „Dann mach endlich hinne. Deine Versuche, Zeit zu schinden sind nicht sehr kreativ.“ Sasuke entließ Sakura aus seinen Armen, stand auf und lehnte sich wartend neben die Tür. „Deine Angst vor Spritzen ist albern.“ „Das ist nicht albern! Aber vergiss nicht, dass du mir versprochen, jetzt nicht Itachi zu holen.“ Sasuke runzelte die Stirn. „Wann habe ich das denn gesagt?“ Als Sakura umgezogen zu ihm kam, öffnete er die Tür und hielt abrupt inne. „Naruto“, sagte Sasuke kalt, als ihn sein Gegenüber entgeistert ansah, ehe dessen Blick fassungslos zu Sakura glitt. „Was habt ihr …“ Narutos Gesicht wirkte so bestürzt, dass Sakura selbst ganz blass wurde. „Naruto, das ist …“, setzte sie an, doch wurde sie gleich von ihrem besten Freund unterbrochen, dessen Miene ungewöhnlich hart und wütend wurde. „Das ist nicht … euer ernst?“ Er konnte sich ganz genau denken, was hier vorging. Er sah es Sakura an, die rot geworden war und betreten zu Boden blickte. „Das könnt ihr mich nicht erzählen wollen, dass … Verdammt Sakura, hast du sie noch alle?“ Naruto war so entsetzt darüber, dass Sasuke und Sakura gemeinsam aus dem Bad kamen, dass er einen Schritt rückwärts machte und gegen die Wand hinter sich prallte. „Du hast doch nicht wirklich mit …“ „Überleg dir genau, was du sagen willst“, fuhr Sasuke bedrohlich dazwischen. „Was ich …“ Naruto schüttelte ungläubig den Kopf, als Sasuke Sakura am Arm nahm und mit sich zum Schlafzimmer zog. Er hatte kein Interesse an Narutos Getue, und noch weniger wollte er sich in ein dümmliches Gespräch ziehen lassen. „Lass Sakura sofort los!“, wütete Naruto aber und kam den beiden hinter. „Wie kannst du …“ Er verengte die Augen und blickte Sasuke zornig an. „Du machst dich nicht wirklich an sie ran, oder? Du tust das nicht wirklich!“ „Hör doch auf Naruto!“, sagte Sakura hastig, ehe Sasuke etwas erwidern konnte. „Ich hätte es dir … längst sagen müssen, aber … du siehst das falsch! Er macht …“ „Er ist ein Mörder, Sakura!“, rief Naruto wutentbrannt. „Verdammt, du machst deine Beine für einen Mörder breit, den deine Gefühle am Arsch vorbei gehen!“ Das saß … Sakura sah Naruto entsetzt an, und gleichfalls spürte sie, wie Sasuke ruckartig stehen geblieben war. „Das hättest du nicht sagen sollen, Naruto …“, knurrte er ins Nichts, ehe sich umwandte und auf Naruto zu Schritt. Sakura aber klammerte sich an seinen Arm und versuchte ihn mit aller Macht aufzuhalten. „Mach das nicht, Sasuke!“, rief sie ängstlich und zerrte so sehr sie konnte. „Bitte, lass uns einfach …“ „Wie tief kann man eigentlich sinken, Sakura?“ Naruto hatte sich nicht mehr unter Kontrolle. Die Erkenntnis hatte ihn zu sehr getroffen, seine eigenen Gefühle zu sehr verletzt. Er fühlte sich hinter gegangen, ja sogar verraten. Verraten von seiner besten Freundin, um die er sich so gesorgt hatte. Und dabei hatte sie vermutlich noch ihren Spaß gehabt, während er aus Angst um sie fast wahnsinnig geworden war! „Naruto, bitte! Wir können doch … wir können doch reden und ich erklär dir …“ „Spar’s dir“, sagte Naruto eisig. „Das ist mir echt …“ Sasuke grollte, wie Naruto das sagte, und kalt sah er auf Sakura hinunter. „Geh ins Zimmer“, zischte er und schüttelte Sakura ab. „Was?“, brüllte Naruto. „Willst du mich jetzt erschießen?“ Er hob die Hände, doch in nächsten Moment hatte er schon Sasukes Faust im Magen. Sakura schrie auf, als Naruto sich krümmte und zurückstolperte. Es dauerte jedoch keinen Atemzug, da schlug er ebenfalls auf Sasuke ein. „Hört auf! Hört bitte auf!“ Sakura erzitterte und wusste nicht, was sie tun sollte. Sie wollte irgendwie dazwischen gehen, doch riss Sasuke Naruto zu Boden, eher er ihn deftig im Gesicht traf. Naruto spritzte das Blut aus der Nase, doch verteilte er sofort einen nächsten Hieb, der Sasuke zurückwarf. „Sasuke! Lass ihn!“, schrie Sakura wieder, doch Sasuke hörte sie nicht, genauso wenig wie Naruto. „Hört endlich auf!“ Sakura atmete nur noch stoßweise, und mit jeder Sekunde wurde ihre Sicht immer verschleierte. Sie griff sich an die Stirn, derweil die Prügelei immer weiter tobte und krallte sich an einer Kommode fest, bis ihre Beine schließlich nachgaben. „Hört doch endlich ...“ Ihre Stimme ging in dem Schluchzen unter, wie auch die Tränen ungehindert über ihre Wangen liefen. Sie streckte ihren Arm, doch so sehr sie auch hoffte irgendetwas ausrichten zu können; weder Sasuke noch Naruto ließen von einander ab. „Was zum …“ Plötzlich tauchte Itachi in der Tür zum Wohnzimmer auf, und ohne Zögern drückte er seine Faust in Narutos Nacken, während er Sasuke mit voller Wucht an die Wand warf. „Verdammte Idioten!“, brüllte er so laut, dass Sakura noch mehr zu weinen begann. In Itachis Gesicht spiegelte sich eine Wut, die ihr mehr Angst machte, als alles andere. Es verging jedoch kein Augenblick, dass er sich ihr zuwandte und sich eilig zu ihr hinunter kniete. „Schon gut, Sakura“, sagte er unerwartet leise und strich ihr dabei beruhigend über die Wange. Sie zitterte mittlerweile so stark, dass er im ersten Moment noch glaubte, sie hätte einen Anfall. „Tut mir leid, ich war sehr laut, hmm?“ Er drehte den Kopf zu seinem Bruder, der sich schon wieder aufgerichtet hatte, und dessen Blick voller Zorn auf Naruto lag, der sich mit dem Aufstehen schwerer tat. Unbemerkt kontrollierte er dabei Sakuras Puls und griff ihr an die Stirn. „Ihr bescheuerten Mistkerle!“, fauchte er Sasuke und Naruto an. „Musste das sein? Habt ihr sie noch alle?“ Itachi war außer sich, als er Sakura gegen die Wand lehnte. „Hättet ihr nicht rausgehen können? Hättet ihr das nicht klären können, wenn sie nicht dabei ist? Verdammt!“, fluchte er zornig, ehe er selbst tief einatmen musste, um sich zu beruhigen. Er schüttelte den Kopf, bevor er Naruto ansah. „Hol ein Glas Wasser, verstanden? Und Sasuke holt die Tabletten aus der Tasche, bewegt eure verdammten Ärsche! Ihr habt … weiß Gott genug angerichtet!“ Er atmete abermals tief ein. „Gleich wird’s besser“, wandte er sich im liebevollsten Ton an Sakura, die kaum noch Farbe im Gesicht hatte. Er lächelte sie aufmunternd und strich ihr die Haare zurück. „Wir beruhigen deine Nerven etwas, und dann lässt auch das Zittern nach. Ist nicht schön, was?“ Er sprach mit ihr, wie er es früher mit seinen jungen Patienten getan hatte, doch brachte er Sakura wenigstens dazu, verneinend mit dem Kopf zu schütteln. „Ist es … nicht“, gab sie heiser zu und lächelte kläglich. Als Sasuke und Naruto die verlangten Sachen brachten, reichte Itachi ihr die Tabletten und verteilte dabei so finstere Blicke, dass keiner der anderen beiden ein Wort sagte. Sakura hatte Schwierigkeiten mit ihren bebenden Händen die Tabletten zu nehmen, weshalb Itachi ihr umsichtig das Glas an die Lippen hielt. „Gleich wird es wirken“, lächelte er und gab Naruto das Glas zurück, nun jedoch ohne ihn dabei eines Blickes zu würdigen. „Ich … will aber nicht schlafen, Itachi.“ Sakura spürte die nagende Angst, dass Naruto oder Sasuke irgendetwas Dummes tun könnten. Sie mussten das Ganze klären, und vor allem musste sie mit Naruto sprechen. Er sollte nicht wütend auf sie sein, und ebenso wenig auf Sasuke. Es sollte überhaupt niemand auf den anderen wütend sein. Gefühle waren doch Gefühle! Und was war Schlimmes an der Liebe? Egal, wem sie galt – es war doch die Liebe … „Sie machen dich nur ruhiger, keine Sorge.“ Sakura nickte und versuchte regelmäßig Luft zu holen. Sie schloss die Augen und wartete auf die befreiende Wirkung, doch dauerte es seine Zeit. Irgendwann merkte sie jedoch, wie ihr Körper leichter wurde, und wie ihr die Dinge viel erträglicher schienen. Starr sah sie auf ihre Hände, die nicht mehr so stark zitterten, und langsam hob sie den Kopf und blickte in Itachis lächelndes Gesicht. Es mussten Minuten vergangen sein, aber er war nicht einen Augenblick von ihrer Seite gewichen und hatte mit ihr an der kalten Wand des Wohnzimmers verharrt. Sakura bewegte den Kopf noch etwas mehr. Auch Sasuke und Naruto waren nicht gegangen, und beide sahen sie mit ganz anderen Gesichtern an. Sasuke blickte kalt, so wie er nach außen immer blickte, und Narutos Gesicht war wie das gemeißelte Gesicht einer Statue. Seine Miene war erschrocken, und sie schien sich in keinsterweise ändern zu wollen. Das beide bisher kein Wort gesagt hatten, verunsicherte Sakura jedoch am meisten. „Schauen wir, ob du aufstehen kannst, was?“ Itachi reichte Sakura die Hand und half ihr auf die Beine. „Geht“, sagte sie zufrieden. „Tut mir leid, dass ich …“ „Oh“, entfuhr es Itachi, und er hob abwehrend die Hände. „Solltest du dich jetzt wirklich entschuldigen wollen, werde ich Naruto und meinen Bruder krankenhausreif schlagen, klar?“ Er lächelte an Sakura vorbei und sah Sasuke an, als würde er es so oder so vorhaben. Sasuke dagegen sagte auch weiterhin kein Wort. Er unterließ sogar ein abfälliges Kommentar auf Itachis Drohung, obwohl ihm der Ton seines Bruders missfiel. Allerdings besaß er eine gewisse Einsicht, sofern es Sakura betraf. „Ich bring sie ins Bett“, meinte er schließlich, und als er Sakura um die Taille fasste, warf er Naruto einen eisigen Blick zu. „Aber wir müssen darüber …“ „Jetzt wird nicht mehr geredet, Sakura. Das kannst du morgen machen“, sagte Sasuke deutlich. „Aber …“ Sakura schaute zu Naruto, der ihrem Blick auswich. „Wir reden wirklich morgen? Gleich früh, ja?“ Es war ein komisches Gefühl, dass sie beschlich. Es befiel ihr Herz und ließ sie glauben, etwas verloren zu haben. Sakura wollte es retten, doch ahnte sie nicht einmal, was es sein könnte. „Sicher“, sagte Naruto in einem Ton, der eher an Sasuke erinnerte. An den dunklen, harten Sasuke. „Versprochen?“ Naruto nickte abermals; mehr jedoch nicht. Sakura ließ sich widerwillig ins Schlafzimmer bringen, und als die Tür hinter ihr zuviel, da war das fremde Gefühl so stark, dass es ihr schmerzlich bewusst wurde. Das Gefühl von Verlust. Der Verlust von Vertrauen. Die Sonne schien durch die zugezogenen Gardinen und warf ihre wärmenden Strahlen ins Zimmer, die von einem Sommer erzählten, der eigentlich noch in weiter Ferne lag. Sakura dachte an den letzten Sommer; an Naruto, mit dem sie sooft schwimmen gewesen war. Sie drehte sich auf die andere Seite, aber einschlafen konnte sie nicht mehr. „Sasuke?“, flüsterte Sakura und richtete sich auf. Sasuke saß auf dem Stuhl neben ihrem Bett und schlief. Sakura wurde bewusst, dass er dort vermutlich die ganze restliche Nacht verbracht haben musste, und es tat ihr Leid, ihn so zusammengesunken zu sehen. Sie stand leise auf, und als sie zur Tür schlich, sah sie sich noch einmal nach ihm um. Sein Schlaf war sonst so leicht, dass er durch das kleinste Geräusch aufwachte. Dass er nun so tief schlief, machte sie umso trauriger. Auch ihn hatten die letzten Tage mitgenommen. Sakura sah es ihm an, obwohl man es ihm eigentlich gar nicht ansehen konnte. Sakura aber tat es. Behutsam schloss sie die Tür und hörte Stimmen aus der Küche. Ihm Wohnzimmer war niemand, und sie hoffte Naruto dort zu finden, wo man ihn für gewöhnlich immer fand. Doch war es nur Hinata, die das Radio laufen hatte, und Sakura begrüßte sie ein wenig enttäuscht. „Guten Morgen, Hinata.“ Sie lächelte und ging zu dem aufgebrühten Tee. „Darf ich?“ „Sicher. Möchtest du was essen?“ Hinata stand auf und deckte auch rasch für Sakura. „Frische Brötchen“, schmunzelte sie dann und senkte den Blick. „Ich war beim Bäcker, obwohl Itachi … eigentlich gesagt hat, ich solle nicht.“ „So?“ Sakura musste grinsen, als sie sich an den Tisch setzte. „Ich verrat’s ihm nicht, aber … es ist vielleicht auch keine gute Idee, wenn du alleine zum Bäcker gehst, oder?“ „Nein“, sagte Hinata schnell. „Aber … es ist so schönes Wetter. Und der Bäcker ist nicht weit. Aber … ich geh natürlich nicht mehr …“ „Tut mir Leid“, sagte Sakura betrübt. „Das ist alles meine Schuld. Ich hab Kaito mit hineingezogen, und ich hab dich mit hineingezogen. Ich kann gar nicht sagen, wie …“ „Es war Kaitos Entscheidung, Sakura. Du musst dir … nicht die Schuld geben.“ „Das sagt sich so leicht.“ Sakura seufzte auf und nahm sich ein Brötchen. „Hat er sich denn mal gemeldet? Hast du irgendwas von ihm …“ Hinata schüttelte den Kopf. „Nein. Aber so ist es vermutlich auch besser. Dort ist er in Sicherheit und …“ Hinata rang um Worte, und Sakura wünschte, ihr irgendetwas Aufmunterndes sagen zu können. Doch was konnte das sein? Dass Kaito abhauen musste, ist das eine. Dass er aber Hinata zurückließ, obwohl auch für sie Gefahr bestand … „Kaito kommt bestimmt bald zurück. Ich denke nicht, dass er es lange …“ „Nein, ist schon gut, Sakura“, unterbrach Hinata und spielte nervös mit ihren Händen. „Er war schon immer ein Mann, der … der zuerst an sich denkt. Ich hab ihn trotzdem sehr … gerne gehabt, aber mir war schon immer bewusst, dass er … irgendwann gehen wird. Es war eine schöne Zeit. Das muss reichen.“ Sakura sah Hinata traurig an. Ihre Kehle war so trocken geworden, dass sie sich nicht traute, etwas zu sagen. Aber sie hätte auch nichts gewusst, weil es eigentlich nichts gab. Sie konnte Hinata den Schmerz nicht nehmen. Gerne hätte sie alles rückgängig gemacht, oder dafür gesorgt, dass Kaito niemals in Gefahr geraten wäre – aber diese Macht besaß sie nicht. Und eigentlich gab es nur eine Lösung, damit Hinata wieder ihren Frieden hatte. Vielleicht sogar mit Kaito, der nur unter einer Bedingung zurückkehren könnte. Wenn Pein zufrieden gestellt war … Hinata hatte Sakura erzählt, dass Itachi am Morgen weggefahren war. Er wollte bis zum Mittag zurück sein und sich in der Stadt umhören. Naruto hatte sie jedoch noch nicht gesehen, und so ging Sakura nach dem Frühstück zu dem Gästezimmer, dass Naruto bezogen hatte. „Naruto?“, rief sie leise durch die Tür und klopfte. „Ich wollte mit dir reden. Bist du wach?“ Sakura wartete kurz, doch als sie keine Antwort erhielt, drückte sie die Klinke leicht hinunter. Naruto war nicht in seinem Zimmer. Sakura atmete tief durch. Sie wollte nicht in Panik ausbrechen, aber die unbeschreibbare Angst der gestrigen Nacht kam zurück – viel stärker als zuvor, und so intensiv, dass Sakura erst gar nicht wusste, was sie nun tun sollte. Sie konnte Sasuke holen, aber sie hatte Angst, dass er noch wütend auf Naruto war. Und Hinata? Sie hatte Hinata schon genug in alles mit hineingezogen. Sakura lief in den Flur und öffnete die Haustür so leise wie möglich. Sie blickte hinaus in den Garten, doch fehlte von Naruto jede Spur. War er vielleicht auch nur zum Bäcker gelaufen? Auf die Felder, die hinter dem Haus lagen? Oder war er gegangen … Sakura kämpfte mit sich. Hinaus zu gehen war gefährlich. Niemand wusste, wo sie sich versteckten, doch wenn sie auf der Straße herumlief, stellte sie ein leichtes Ziel dar. Durfte sie es riskieren? Sakura musste an Naruto denken, und dass er von Tokio hier hergekommen war, nur um ihr zu helfen. Sie hatte ihn verletzt, weil sie ihm nichts von sich und Sasuke gesagt hatte, und weil er nicht wissen konnte, wie ernst es ihr war. Sie hatte ihm wehgetan, ohne es zu wollen. Durfte sie zulassen, dass er jetzt einfach ging? Dass er verschwand, ohne dass sie noch einmal mit ihm reden konnte? Ohne es ihm zu erklären, damit er verstand? Auch er war in Gefahr, und das nur, weil er ihr Freund war. Deswegen musste sie es riskieren. Weil er ihr bester Freund war. Kapitel 24: Sechs Fuß unter der Erde ------------------------------------ Das vorletzte Kapitel^^ Ich weiß, ist sehr kurz, sorry sorry *g* Das letzte wird länger, Leute, versprochen!! Bin gespannt, hehe, jetzt geht’s ans Eingemachte. Das Ende naht *seufz* Viel Spaß, einmal lesen wir uns ja noch^^ __________________________________________ Sasuke hatte ein ungutes Gefühl, als er durch Geräusche im Wohnzimmer nebenan geweckt wurde. Er rieb sich den steifen Nacken und verfluchte sich, als er auf die Uhr sah. Es war fast um neun, und er erinnerte sich nicht, in den letzten Jahren auch nur einmal so lange geschlafen zu haben. Veränderungen mochte Sasuke nie, und in den vergangen Tagen hatte es schon genug gegeben, mit denen er sich zu arrangieren hatte. Dass er nun auch noch so fest geschlafen hatte, ließ seine üble Laune noch übler werden. Das alles passte ihm in keinsterweise. Sasuke fuhr sich durch die hoch stehenden Haare und stieß einen leisen Fluch aus, als er aufstand und sich ungelenk und starr fühlte. Dass selbst Sakura vor ihm wach geworden war, nervte ihn noch mehr. Und dass sie ihn nicht geweckt hatte, ließ ihn mürrisch vor sich her brummen, als er zur Tür lief. Als er ins Wohnzimmer kam, fühlte er sich sofort gereizt. Hinata und Itachi standen in der Nähe des Fensters, und kaum dass sie ihn bemerkten, wurden sie abrupt still. Sasuke sah Hinata an, die noch im nächsten Moment zu Boden blickte und kurz vor dem Weinen schien. Er runzelte die Stirn und verengte die Augen. „Was ist los?“, fragte er scharf, und sein drohender Blick glitt zu Itachi. „Wo ist Sakura?“ Itachi hob beschwichtigend die Hände, als er auf seinen Bruder zuging. „Draußen“, sagte er, ließ aber keine Pause und setzte sofort nach. „Aber bleib jetzt ruhig, okay? Sie sucht vermutlich nur Naruto und …“ Itachi verstummte. Sasukes Ausdruck war starr geworden, doch dann wurde seine Miene wütend. „Sie ist draußen …“ Sasuke klang beherrscht. Er schloss die Augen, und als er den Kopf schüttelte, legte sich ein falsches Grinsen über seine Lippen. „Das ist … nicht dein Ernst, oder?“ In seiner beherrschten Stimme klang soviel unterdrückter Zorn mit, dass selbst Itachi einen unmerklichen Meter zurück tat. „Kein Grund zur Sorge, Sasuke. Sie ist höchstens seit einer halben Stunde weg, und wahrscheinlich schon auf dem Weg zurück. Ich steig ins Auto und fahr die Straße runter, dann werde ich … Sasuke!“, rief Itachi seinem Bruder nach, doch der war schon zur Tür hinaus. „Ich gehe auch suchen“, wandte er sich Hinata zu. „Du bleibst hier, falls sie vor uns zurück ist. Wenn etwas ist, ruf mich sofort an, klar?“ Hinata nickte und wischte sich die Tränen aus den Augen. Hätte sie nur eher bemerkt, dass Sakura gegangen war. Hätte sie es nur bemerkt … Um Zehn kam Itachi wieder. Er war gegen sein sonstiges Verhalten gereizt, und als er zu Hinata in die Küche ging, wirkte er nervös. „Irgendwas gewesen?“ Er goss sich einen Tee ein, trank ihn hastig und stellte das Glas in die Spüle. „Nein, aber … Ihr habt sie nicht gefunden?“ Hinata wusch das Glas gleich ab. Auch sie war viel zu Unruhig, um sich hinzusetzen, und die ganze letzte Stunde über hatte sie versucht Naruto anzurufen. Er war nicht rangegangen. „Ob Sasuke weiß ich nicht. Aber ich hab keine Spur von ihr gefunden. Ich war im nächsten Dorf, ich hab die Leute gefragt. Keiner hat sie gesehen.“ „Vielleicht ist sie zu den Feldern gegangen. Wenn sie Naruto sucht, könnte sie ihn dort gefunden haben, und sie sind nur noch nicht …“ Hinata ließ das Glas fallen, doch anstatt es aufzuheben, vergrub sie ihr Gesicht in den Händen und schluchzte leise auf. „Das ist meine Schuld, Itachi! Ich hätte es eher merken müssen! Ich hab noch mit ihr gefrühstückt, und als sie nach Naruto gefragt hat … Ich hätte es mir denken müssen! Du hattest mir doch erst erzählt, was gestern Nacht passiert ist! Ich hätte … daran denken müssen!“ „Hör auf, dir die Schuld zu geben, Hinata. Wir hätten alle besser aufpassen müssen. Wir hätten alle damit rechnen müssen.“ Er seufzte ermattet und ging zur Tür. „Ich fahr die Feldwege ab. Hast du mal versucht, Naruto zu erreichen?“ „Die ganze Zeit. Er geht nicht ran. Meinst du, er wollte … wegen gestern zurück nach Tokio fliegen?“ „Ich weiß es nicht. Versuch mal, den Airport von Nagasaki anzurufen. Tisch ihnen irgendeine Geschichte auf, damit sie dir sagen, ob Naruto auf der Passagierliste steht. Und schreib ihm SMS. Vielleicht ließt er sie wenigstens.“ „Hab ich auch schon“, sagte Hinata erstickt. „Aber ich versuch’ weiter.“ Itachi nickte, dann griff er nach seinen Autoschlüssel und verschwand ein weiteres Mal. Es war halb elf, als es Hinata gelang herauszufinden, ob Naruto einen Flug nach Tokio genommen hatte. Sie rief Itachi an und erzählte ihm hastig, dass Naruto auf keiner Passagierliste stand. Es dauerte eine weitere Stunde, bis Itachi die Felder abgesucht hatte. Er kam zurück und ließ sich mit sorgenvollem Blick am Küchentisch nieder. Hinata brachte ihm Tee, und ihre Augen waren so rot vom Weinen, dass Itachi sie ins Wohnzimmer schickte. „Leg dich etwas hin, Hinata“, sagte er und ließ keine Widerworte zu. „Vielleicht hat Sasuke die beiden längst gefunden.“ Aber als Sasuke weit nach 12 Uhr zurückkehrte, war er alleine. Seine Gesichtszüge waren hart wie Stein, und sein Blick wirkte wie der eines Wahnsinnigen. „Ich gehe zu Pein“, sagte er, als er aus seinem Zimmer kam und Itachi keines Blickes würdigte. „Aber wenn sie nicht bei Pein ist? Wenn sie Naruto gefunden und …“ „Ich weiß, dass sie bei Pein ist. Warum sonst sollte sie nicht längst wieder da sein? Warum sonst hat sie sich nicht gemeldet?“ „Und Naruto?“ Itachi wusste nicht, wie er seinen Bruder aufhalten konnte. Zu Pein zu gehen, kam einem Todesurteil gleich. Er lief ihm in die offenen Arme, und dass ohne zu wissen, ob Sakura überhaupt dort war. Aber in einem hatte er Recht … Warum hatte sie sich noch nicht gemeldet? „Naruto?“, hörte Itachi seinen Bruder grollen. „Er sollte mir lieber nicht mehr unter die Augen treten, falls er noch lebt.“ „Du musst ihn verstehen, Sasuke! Euer Streit gestern …“ „Itachi!“ Sasuke funkelte ihn wutentbrannt an. „Halt mich nicht auf, verstanden? Sakura hat wegen Naruto das Haus verlassen, und sollte ihr irgendwas …“ Er presste die Zähne aufeinander, als er sich eine andere Jacke anzog und die Pistole voll lud. „Ich schwöre dir, dass ihr Naruto dann sechs Fuß unter der Erde finden werdet!“ „Das ist Selbstmord!“, gab Itachi aufgebracht zurück. „Verdammt, die knallen dich ab, noch ehe du nach Sakura suchen kannst! Die warten nur darauf, dass du was Idiotisches tust!“ „Ich habe aber keine Zeit mehr, sinnlos rumzusuchen!“ Itachi fuhr sich übers Gesicht. Sasuke hatte Recht, denn die Zeit lief ihnen davon. „Gut“, sagte er trocken. „Dann gehe ich. Ich komme näher an sie heran. Ich kann Kisame …“ „Du“, zischte Sasuke ohne Itachi ausreden zu lassen. „Stehst vermutlich genauso weit oben auf ihrer Liste. Verrat, schon vergessen? Jeder wird mittlerweile Bescheid wissen, dass du uns geholfen hast! Die knallen dich ab, und ich verliere noch mehr Zeit!“ „Aber ich kann …“ Itachi verstummte augenblicklich, als etwas gegen die Haustür knallte. Es kam ihm in den Sinn, dass jemand eine Granate geworfen haben könnte, doch Sasuke war schon zur Tür und riss sie auf. „Wer ist da?“ Itachi sah an ihm vorbei, und noch im gleichen Moment wie er Naruto erkannte, wurde sein Gesicht aschfahl. „Scheiße! Naruto, was ist passiert?“ Er kniete sich zu dem Blonden hinunter, der seine Hand fest gegen den Bauch drückte. „Naruto, sag was verdammt! Hilf mir, Sasuke!“, brüllte er seinen Bruder an, als das Blut an Narutos Hand herunter lief. „Er wurde angeschossen, wir müssen ihn sofort reinbringen!“ „Wo ist Sakura?“ Sasuke packte Naruto am Kragen und interessierte sich nicht dafür, als dieser das Gesicht zu einer qualvollen Grimasse zog. „Sag es mir!“ „Sie haben …“, flüsterte Naruto und schloss die Augen. „Der … Bunker …“ Sasuke ließ Naruto los, wurde aber gleichzeitig von Itachi gepackt. „Du kannst nicht alleine dorthin!“, rief er, wohl wissend, was sein Bruder vorhatte. „Das ist eine verdammte Falle!“ „Ich weiß“, sagte Sasuke kalt. Er blickte auf Naruto hinunter und schüttelte den Kopf. „Flick ihn wieder zusammen.“ Dann riss er sich los und verschwand. Kapitel 25: Kein Happyend ------------------------- Sooo, Leute, hier ist es. Das letzte, absolut allerletzte Kapitel von Beloved Assassin. Es wird nichts mehr folgen, kein vergessenes Kapitel, und auch kein Epilog. Sorry, oh ja! Mir hat’s auch Spaß gemacht, aber leider endet die Geschichte hier, hab da keinen Einfluss *lach* Ihr ward toll, echt! So viele liebe Worte, so klasse Spekulationen *g* Ohne euch wäre die Geschichte nicht geworden, was sie geworden ist! Also meinen Dank, und zwar ein echt großer Dank! Mit Bussis, Umarmungen und Keksen^^ Tja, wie wird es nun weitergehen … Die Frage nach einer Fortsetzung fiel. Ich weiß es, ehrlich gesagt, nicht. Das Ende lässt Fragen offen, und natürlich steckt da ein Hintergedanke hinter. Aber ob ich wirklich eine Fortsetzung schreibe, und wann und über wen? Ich kann’s noch nicht sagen. Es sind noch andere FF’s offen, und vermutlich werde ich mich in nächster Zeit mit ihnen beschäftigen, auch wenn mein Herz noch an Beloved Assassin hängt. Vielleicht sollte ich mir Urlaub gönnen *g* Irgendwohin, wo es keinen Schnee gibt! *lach* Na gut, ich will euch nicht hinhalten. Ich wünsch euch viel Spaß beim Lesen, und ich hoffe, dass ihr mit dem Ende nicht enttäuscht seid. Aber was heißt Ende? *g* Es heißt ja, das Ende kommt immer erst am Schluss. Und Schluss ist ja noch nicht^^ Zumindest warten noch einige andere Geschichten auf die Vollendung. Aber nun hör ich wirklich auf. Nochmals viel Spaß, und mit einem tiefen Knicks verbeug ich mich, eure Route66 ______________________________________________________ Sasuke hatte sich Itachis Wagen genommen, und er hatte den Motor bis zum Äußersten strapaziert. Dennoch brauchte er für die Strecke fast eine ganze Stunde, und als er den stillgelegten Bahnhof erreichte, war es drei Uhr Nachtmittags. Dicke Regenwolken zogen auf, und sie verdeckten die Sonne, als hätte sie nie zuvor geschienen. Sasuke stieg aus dem Wagen. Er hatte seine Waffe längst entsichert und war auf jeden Hinterhalt vorbereitet. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich Peins Killer zeigen würden. Dass sie ihn von hinten erschießen wollten, bezweifelte er, und doch war er sich nicht sicher. Er war sich in gar nichts mehr sicher. Sasuke rannte über den Schotter, und der aufgewirbelte Staub drang selbst in seine Lungen. Dieser Bahnhof wurde seit über 20 Jahren nicht mehr genutzt, und niemand kümmerte sich darum. Vermutlich, weil Pein seine Finger im Spiel hatte. Er hatte seine Finger immer im Spiel. Der Eingang zum unterirdischen Bunker war unbewacht. Sasuke erwartete auch hier den Hinterhalt, aber nichts geschah. Er stürmte die Tür und starrte in die tiefe Dunkelheit. Dass sich seine Augen nur langsam an die Finsternis gewöhnten, ließ ihn trotzdem nicht vorsichtiger werden. Die Zeit rannte, als hätte jemand eine Sanduhr umgedreht. Er musste Sakura finden, ehe das letzte Sandkorn durch die schmale Öffnung rieselte. Er musste sie finden, oder alles wäre umsonst. Die letzten Tage wären es, und die Veränderungen, die Sasuke hingenommen hatte. Aber das Wort umsonst gab es in seinem Wortschatz nicht, und so lief Sasuke die vielen Treppen nach unten, als gäbe es keine unmittelbare Gefahr. Als Gäbe es nur ihn; und Sakura, die er finden musste, bevor die Zeit abgelaufen war. Sasuke entsicherte auch seine zweite Pistole und erreichte das Ende der Treppen. Seine geschärften Sinne konzentrierten sich auf jede Auffälligkeit. Er lauschte nach Geräuschen, doch außer den Mäusen in den Rohren über sich konnte er nichts hören. Nicht ein verdächtiger Laut, der ihm einen Anhaltspunkt gab, wohin er musste. Itachi hatte ihm erzählt, dass der Bunker einige Tausend Quadratmeter groß war, und dass es über 70 Räume gab. Wo sollte er anfangen zu suchen? Den ersten Raum, den Sasuke betrat, war ein weitläufiger Konferenzraum. Der verstaubte runde Tisch in der Mitte würde einen interessierten Geschichtskenner an Artus’ Tafelrunde erinnern; Sasuke aber interessierte nur, dass Sakura nicht in diesem Raum war. Er durchsuchte die nächsten Räume, doch außer hunderten von Mäusen fand er nirgends etwas. Hatte Naruto gelogen? Oder hatte Pein ihn hier her gelockt, um sich Zeit zu verschaffen? War dies kein Hinterhalt, sondern der Versuch, ihn hinzuhalten? Sasuke ballte die Fäuste und hielt inne. Er atmete stoßweise ein, und sein Zorn übernahm fast die vollständige Kontrolle über seine Gedanken. Er stieß einen wütenden Schrei aus, als auch in der Küche nur Dreck und Staub war, und mit voller Wucht warf er die verrosten Geräte von dem schmalen Tisch. Das polternde Knallen ließ ihn erstarren, und langsam kehrte sein Verstand zurück. Er hatte keine Zeit mehr … Sasuke versuchte sich zu erinnern, in welchen Raum Deidara sie gesperrt hatte. Er lief zurück in den Gang, der wie ein düsterer Tunnel ins Nichts wirkte, und er folgte ihm immer weiter und weiter. Er lauschte angestrengt, aber er öffnete keine Tür mehr. Stattdessen ging er denselben Weg, den er mit Sakura genommen hatte, als sie geflüchtet waren. Er rannte so schnell er konnte, und das Schmerzen der Lunge überging er, als würde er es nicht einmal bemerken. Erst die verschlossene Stahltür ließ ihn stehen bleiben, und er suchte an den Wandhaken nach einem Schlüssel, den er niemals glaubte finden zu können. Doch Sasuke fand ihn, und er machte sich keine Gedanken, wieso. Er steckte ihn ins Schloss und stieß die Tür auf. Es war ihm egal, was dort hinter lauern würde – denn auch Sakura musste dort sein, da war er sich sicher. Doch als Sasuke in den Raum trat, musste er würgen. Es war noch dunkler als in den anderen Räumen, nicht eine flackernde Lampe brannte, wie sie in den Gängen vereinzelt auftauchten. Das Schlimmste aber blieb der Geruch. Der Geruch eines verwesenden Leichnams … Sasuke lief in den Rauch, auch wenn er nicht wusste, was ihn dort erwartete. Er sagte leise Sakuras Namen, als er sich zu dem Lichtschalter vortastete. Der widerwärtige Geruch wurde stärker, und Sasuke war erleichtert, als er gegen Deidaras Leiche stieß. Wuchtig trat er den töten Körper beiseite und suchte mit den Händen die Wand ab, bis er den Schalter fand. Atemlos betätigte er ihn, doch nichts geschah. „Sakura?“ Sasuke fürchtete sich, eine Antwort zu erhalten, ebenso wie keine zu bekommen. Er flüsterte immer und immer wieder, und er suchte blind den Raum ab, als könne das Mädchen irgendwo auf dem Boden liegen. Er fand keinen Körper, doch plötzlich griff er unerwartet durch Eisenstände. Ein Gitter … „Sakura?“ Sasuke wusste, was das bedeuten konnte. Er griff durch die Stäbe so weit er konnte, doch außer Luft bekam er nichts zu fassen. Er tastete hektisch weiter, lief um die Stäbe herum und ahnte von dem mannshohen Käfig, der an der Wand stand. Er ahnte, dass Sakura dort war. Sasuke wollte sich etwas zum Verlängern holen, als er plötzlich leise, sirrende Geräusche hörte. Er riss die Augen auf, griff unkontrolliert durch die Stäbe, und wurde im gleichen Moment zurückgeschleudert, als der Strom durch das Eisen jagte. Sasuke rappelte sich auf. Und hörte das Keuchen aus dem Käfig. „Sakura!“, brüllte Sasuke, und er fasste immer wieder blindlings in den Käfig, ohne nur das Geringste von ihr zu erwischen. Sein Verstand war vom Irrsinn benebelt, und er fluchte und tobte und ignorierte die andauernden Stromschläge, die ihm durch den Körper fuhren. Er wusste, dass sie auch Sakura erlitt, und dass es sie irgendwann umbringen würde, wenn er sie nicht retten konnte. Die Schläge waren nicht so stark, dass sie einen gestandenen Mann einer Berührung wegen töten konnten, doch Sakura war kein Mann; sie war zierlich und längst am Ende ihrer Kräfte, und womöglich durchfuhr der Strom ihren Körper unaufhörlich. Er konnte sie immer wieder aufkeuchen hören, und die dumpfen Schreie ließen ihn immer tobender werden. Man musste ihr etwas über den Kopf gezogen haben, und Sasuke wusste nicht einmal, ob sie ihn hören konnte. Er redete auf sie ein, versuchte sie zum Sprechen zu bewegen, aber sie brachte nur die kehligen Laute hervor, die Sasuke als die grausamsten Schmerzen empfand, die er jemals hatte ertragen müssen. „Du musst dich bewegen!“, brüllte er unter dem Surren des Stroms. „Du musst versuchen da raus zukommen!“ Sasuke tastete den Käfig ab; jeden Zentimeter der Stäbe glitt er entlang, auf der Suche nach einem Schloss. Es war nichts zu finden, und er versuchte den ganzen Käfig mit aller Kraft zu bewegen. Seine Hände brannten, und mit jeder verstrichenen Sekunde verletzte er sie mehr. Er hielt dem Brennen kaum mehr stand, doch er griff immer wieder danach. Er hörte ihr Keuchen, er wusste um ihre Schmerzen, und er begann lauter und wilder zu brüllen, und immer mehr an dem Käfig zu rütteln. Doch nichts passierte, und als Sasuke irgendwann innehalten musste, da bemerkte er die Stille. Sasuke sah in die Finsternis, und er hörte nichts. Weder das Surren des Stroms, noch die Mäuse in den Rohren. Noch Sakuras dumpfe Schreie. Sasuke sank zu Boden, lehnte seinen Kopf gegen die Wand und atmete schwer. Er lauschte angestrengt; viele Minuten tat er nichts anderes, und doch geschah nichts Unerwartetes. Kein Mäuschen rannte mehr. Sakura begann nicht mehr zu atmen. Und Sasuke begriff, dass er verloren hatte. Gegen die Zeit, und gegen Pein. Er hatte verloren. Die Veränderung, die er akzeptiert hatte; die Veränderung, die er nicht hatte verlieren wollen. Das Einzige, das ihm etwas bedeutete. Er hatte Sakura verloren. Es vergingen viele Minuten, in denen Sasuke leblos an der Wand lehnte und unregelmäßig atmete. Eine Weile dachte er an nichts, dann an Sakura, und schließlich an Pein. Irgendwann zog er die Waffe und schoss in die Richtung, in der Deidaras Leiche lag. Er hoffte bald, dass die Kugeln irgendwo abprallen und ihn treffen würden, doch sie verfehlten nicht ihr Ziel. Sasuke schoss ein weiteres Mal, und er schoss so lange, bis das Magazin leer war. Er nahm die zweite Pistole aus der Tasche, und er feuerte auch sie leer. Nur eine Kugel ließ er übrig. Nur eine einzige. Es war die Kugel, die Pein töten würde, sollte er ihn finden. Nur Pein, und sonst niemanden. Und dann würde auch ihn nichts mehr hier halten. In dieser Welt, die er nie gemocht hatte. Die er hasste, bis zu dem Tag, als er Sakura traf. Mit ihr hatte es wieder begonnen. Das Leben. Irgendwie. Und irgendwie hätte er mit ihr das Leben geteilt. Aber die Mäuse liefen nicht mehr durch die Rohre. Es war still. Sakura begann nicht mehr zu atmen. Und Sasuke verstand, dass er mehr verloren hatte. Pein hatte ihm alles genommen. Nun war es an der Zeit, dass er ihm alles nehmen würde. Mit einer einzigen Kugel. Nur mit dieser einen. Sasuke erhob sich, und er fühlte sich ungewöhnlich schwach auf den Beinen. Die Pistole konnte er kaum noch halten, doch er zwang seine Beine zur Tür, und er zwang seine Hände, ihn nach draußen zu ziehen. Am Ende des Ganges sah er das flackernde Lichtchen brennen, und fast hätte er die Waffe genommen, um es zu löschen. Sasuke wollte kein Licht mehr. Er schleppte sich an den hallenden Betonwänden entlang, als er abrupt nach oben sah. Die Warnlampen waren angesprungen, so unerwartet, dass er zusammenzuckte und gegen die Wand prallte. Sirenen gingen, als der Alarm durch den ganzen Bunker tönte, und es hörte sich in seinen Ohren erstickt und leer an. Sasuke wusste, was es bedeutete. Itachi hatte es ihm gesagt. Er hatte ihm erzählt, warum Pein diesen Bunker immer für sich wollte. Der Bunker diente nie als Schutzraum für Zivilisten, auch nicht für Politiker. Er war unterirdisch mit den Flüssen verbunden, und er konnte geflutet werden. Der Bunker war ein Massengrab. Sasuke hatte das Ende des Ganges erreicht. Er erklomm die ersten Treppenstufen, doch dann hielt er inne. Er griff wie im Wahn in seine Tasche, in die er vor ein paar Minuten seine Waffe mit dem letzten Schuss gepackt hatte. Er griff auch ein zweites Mal hinein, doch sie war nicht mehr dort. Er hatte sie verloren. Sasuke holte tief Luft. Er musste sich konzentrieren, als die einzelnen Stufen vor seinen Augen verschwammen. Seine Hand fasste an die kalte Wand, und keuchend hielt er sich daran fest. Ein paar Sekunden vergingen, dann riss er sich zusammen und kehrte um. Er brauchte seinen letzten Schuss. Sasuke torkelte mehr, als dass er ging. Seine Schritte waren langsam, doch er glaubte noch etwas Zeit zu haben. Irgendwann würde sich der Ausgang automatisch verschließen, aber ohne seine Waffe konnte er nicht verschwinden. Für ihn galt nur noch seine Rache an Pein, und es war einzig diese eine Kugel, die er dafür nutzen würde. Allein diese Kugel durfte Pein das Leben nehmen. Sasuke kam zum Stehen und fiel auf die Knie, als er die Pistole in dem roten Licht der Alarmlampen fand. Sein Blick glitt zu der Tür, hinter der all das lag, was ihn Peins Spiel hatte spielen lassen. Er wollte aufstehen, doch seine Beine konnten ihn nicht mehr tragen. Das Spiel schien endgültig verloren. Sasuke zog sich in den Raum, und der beißende Gestank beeinträchtige seine letzten Sinne. Das rote Licht drang auch bis hier hin vor, und die Sirenen begangen im selben Moment schneller zu werden, wie Sasuke sich zum Käfig zerrte. Seine dunklen Augen blickten zu der zusammengesunkenen Gestalt und zu dem schwarzen Sack, der über Sakuras Gesicht gezogen war. Nur einzelne rosa Haarsträhnen lugten hervor, und Sasuke widerstand dem Drang, Sakura den schwarzen Stoff vom Gesicht zu nehmen. Sie war nach vorne gefallen, und er könnte sie vielleicht erreichen, aber … Sasuke brachte es nicht fertig in ihr totes Gesicht zu blicken. Er fühlte sich außerstande Qual und Schmerz zu sehen, obwohl er dem Tod sooft begegnet war. Er war der Tod gewesen, für viele Menschen. Und nun auch für Sakura. Die Alarmlampen an den Decken brannten durchgehend, als Sasuke seinen Kopf hob. Er lehnte an der Wand und wartete, dass sich die Türen automatisch verriegeln würden. Es gab Luftschächte, und Sasuke ahnte, dass von dort das Wasser kommen würde. Er hatte keine Ahnung wie genau und wann, aber es war nur eine Frage der Zeit, so wie alles eine Frage der Zeit gewesen war. Irgendwann sah Sasuke auf die Pistole in seiner Hand und drehte sie leicht. Der Lauf glänzte, und für einen Moment überlegte er, sich das nahende Ersticken zu ersparen. Machte es einen Unterschied, ob er sich erschoss, oder die letzten Minuten verharrte? Sasuke streckte den Arm, doch dann zog er die Waffe wieder zurück. Sakura wäre die Folter erspart geblieben, wenn er den Mut besessen hätte, sie zu erschießen. Er hatte nicht das Recht, es sich leichter zu machen. Sasukes Augen blickten auf und huschten zur Seite. Er stieß sich von der Wand ab und erhob sich langsam, ehe er nach den Eisenstäben griff. So viele Menschen, die durch ihn den Tod gefunden hatten; so viele, denen er danach ins Gesicht geblickt hatte. Nichts davon bereute er, nichts davon bedrängte sein Gewissen. Nur dieser eine Gedanke ließ ihm keine Ruhe. Dieser eine Gedanke, Sakura am Ende nicht beschützt zu haben. Der Gedanke an seine eigene Feigheit, ihr nicht ins Gesicht sehen zu können. Sasuke langte nach dem schwarzen Stoff. Er riss ihn herunter und blickte in das verzerrte Gesicht einer Toten. Es war nicht Sakura. Sein Körper war ausgelaugt, und doch rannte er durch die verzweigten Gänge. Seine Hände brannten wie das tödliche Feuer, und doch riss er alle Türen auf. Seine Stimme war trocken und klang gebrochen, aber er brüllte Sakuras Namen und fluchte auf Pein. Und er lachte. Er hatte sich reinlegen lassen, und selbst wenn Sakura hier irgendwo wäre, ja selbst, wenn er sie fand – sie würden sterben. Denn er hatte sich reinlegen lassen. Sasuke hielt inne, als er vor einer mächtigeren Tür wie die anderen stand. Er zögerte kurz, doch dann schlug er sie auf und blieb für eine Sekunde stehen. Es musste die Kommandozentrale sein, und nur Schritt für Schritt konnte sich Sasuke fortbewegen. Seine Augen hingen an der Uhr, die über den verdreckten Computern angebracht war. Sie zählte rückwärts. Sie zählte noch neun Minuten. Sasuke stürmte aus dem Raum und rannte den Gang entlang. Als er sich gabelte, entschied er sich für die linke Seite, die noch tiefer hinunter zu gehen schien. An keiner Tür machte er mehr halt, sondern rannte nur immer weiter. Und er zählte. Von neun Minuten abwärts. Sasuke erreichte das Ende des Ganges. Diese eine Tür, vor der er nun stand, war vermutlich die hinterste im ganzen Bunker. Und es war Peins Spiel. Wenn Sakura hier war, dann hinter dieser Tür. Er griff nach der Klinke und drückte sie hinunter. Fast erwartete er, dass sie explodierte, aber nichts geschah. Dennoch sträubten sich seine Nackenhaare, und mit dem letzten bisschen Achtsamkeit entsicherte er seine Waffe und trat ein. Das grelle Licht ließ Sasuke ruckartig stehen bleiben. Er musste die Hand vor seine Augen halten, bevor er sich zwingen konnte, weiterzugehen. Der Raum war groß, viel größer als jeder andere, und doch war er überschaubar. Sasuke nahm die Hand hinunter, kniff die Augen zusammen und stockte in seiner Bewegung, als er Sakura sah. Zuerst hielt er sie für eine Einbildung, die ihn an die Fremde in dem Käfig erinnerte. Sakura war auf einem Stuhl festgebunden, und ihr Kopf lehnte reglos auf der Brust. Er ging ihr einen Schritt näher, verengte die Augen noch mehr und blickte erschrocken, als sich ihr Brustkorb hob und senkte. „Sakura!“ Sasuke stürmte nach vorne und umging dabei jeden Gedanken an eine Falle. Er löste das Seil, das sie an den Stuhl band, und schüttelte sie an der Schulter. „Mach deine Augen auf!“ Er drückte sie fest an sich, als hätte er Angst, sie jeden Moment wieder zu verlieren. Die Zeit rann ihm davon, aber selbst das vergaß er. „Sasuke …“, hörte er sie plötzlich flüstern, heiser vielleicht, aber mit der Stimme, die Sasuke geglaubt hatte, nie mehr zu hören. „Du hast mich … du hast mich gefunden.“ Die Tränen ließen ihre Worte untergehen, und sie krallte sich fest ihn, dass er nur den Kopf schütteln konnte, als er ihr Gesicht musterte. „Natürlich“, sagte er matt und zwang sich zu einem schiefen Grinsen. „Was hast du erwartet?“ „Es ist eine Falle“, wisperte Sakura und erzitterte. „Sie haben gesagt, dass sie alles unter …“ „Ich weiß“, gab Sasuke zurück. „Wir haben keine fünf Minuten, dann schließen sich die Ausgänge. Es … tut mir leid, Sakura. Fünf Minuten reichen nicht aus, um …“ Er wollte ihr sagen, dass sie es nicht schaffen konnten. Das sie hier sterben würden, sobald die Wassermassen hereingelassen wurden. Er wollte ihr sagen, dass alles umsonst gewesen war. Aber er konnte nicht. „Wir werden sterben, nicht?“ Sakura klang nüchtern, als sie das sagte. Sie lehnte sich gegen die Lehne des Stuhls und sah Sasuke lächelnd an. „Er hat gewonnen.“ Sasuke nickte nicht, aber er blickte in Sakuras verweintes Gesicht, als versuche er sich jeden Zentimeter einzuprägen. Er presste die Zähne zusammen, damit er ruhig bleiben konnte. Vor nicht einmal einer halben Stunde hatte er Sakura sterben sehen – auch wenn sie es nicht gewesen war. Nun würde er sie ein zweites Mal verlieren. Ihr beider Tod war besiegelt, und es würde kein angenehmer Tod werden. „Sakura“, sagte Sasuke, als er aufstand und seine Pistole hervorholte. „Ich habe noch eine Kugel. Es geht … schneller.“ Sakura sah Sasuke verständnislos an, aber dann begriff sie. Ihre Augen weiteten sich erschüttert, doch dann musste sie einfach grinsen, als hätte der Wahnsinn auch sie eingeholt. „Du willst mich erschießen?“ Sasuke nickte knapp. Er hielt seine Gefühle unter Kontrolle, doch viel es ihm so schwer, wie noch nie zuvor. „Du würdest nichts merken. Es wäre einfach vorbei … Aber wenn sie das alles hier fluten, dann … wird nichts schnell vorbei sein.“ „Du hast nur … eine Kugel?“ „Nur eine“, sagte Sasuke, beugte sich langsam zu Sakura hinunter und küsste sie. Seine Empfindungen brachten ihn fast um den Verstand, doch durfte er sie nicht zeigen. Stattdessen hob er unbemerkt die Pistole, als er Sakura in seinem Kuss hielt. Es würde schnell gehen. Sie würde nichts merken. Es wäre einfach vorbei. Sasuke ließ nicht von Sakura ab, als er die Waffe entsicherte. Er lächelte in den Kuss hinein, aber dieses Lächeln war weder falsch noch amüsiert. Es war ein trauriges Lächeln. „Sasuke?“, sagte Sakura, als Sasuke den Finger schon am Abzug hatte. Sie legte ihren Kopf an seine Schulter und hielt sich an ihn gedrückt. „Hatte ich dir erzählt, dass auf … auf Kuba 27 Grad sind?“ „Das hast du“, gab Sasuke leise zurück und strich mit der anderen Hand über Sakuras Haare, ehe er sie noch enger an sich zog und nickte. „Kuba wäre angenehm gewesen.“ „Sasuke?“ Sakura bewegte sich leicht, aber Sasuke ließ sie nicht los. Doch er horchte auf, denn ihre Stimme klang verändert. „Ist das dort ein Gang?“ „Ein Gang? Was meinst du?“ „Ich …“ Sakura stieß sich von Sasuke ab und ging zu der mächtigen Tür, die Sasuke offen gelassen hatte. „Bist du den Gang entlang gekommen?“ Sasuke blickte Sakura verwirrt an, doch dann verstand er und riss die Augen auf. „Ja, aber … Du meinst, du nicht?“ Sakuras Herz machte einen Aussetzer, ehe sie sich panisch in dem dunklen Gang umsah. „Nein“, rief sie mit rauer Stimme. „Treppen. Wir sind Treppen runter, und dann war da gleich der Raum. Ich hatte verbundene Augen, aber … ich hab mitgezählt. Ich hab die Schritte mitgezählt, und …“ Sie lief zurück zur Tür und ging dann zehn Schritte den Gang entlang, ehe sie ruckartig innehielt. Sie tastete die Wände ab, und auch Sasuke ergriff das, was Sakura antrieb. Hoffnung … „Hier“, sagte er plötzlich und rüttelte an der versteckten Klinke, die selbst durch die gedämpften roten Lichter kaum zu erkennen war. „Wir haben noch …“ Plötzlich hörten die Lampen auf, durchgehend zu blinken. Stattdessen drehte sich das Licht darin im Kreis, und die Sirenen setzen in voller Lautstärke fort. „Eine Minute …“ Sasuke griff Sakuras Arm und riss dabei die Tür auf. Er zog sie die schmale Treppe hinauf und atmete stockend, aber dennoch trieb er sie immer mehr an. Die Treppe drehte sich um ihre eigene Achse, wie eine betonierte Wendeltreppe hinauf in einen Turm. Aber sie war viel mehr. Sie führte hinauf in die Freiheit. Und als sie das Ende erreichten, da warf sich Sasuke gegen die Tür, stieß sie auf und trat mit Sakura ins Freie. „Willkommen“, wurden sie von der tiefen Stimme begrüßt, die Sasuke nur zu gut kannte. „Schön, dass ihr da seid.“ Dann klatschte Pein vergnügt in die Hände, und seine Männer taten es ihm nach. „So so.“ Pein trat einen Schritt auf Sakura und Sasuke zu, ließ aber einen sicheren Abstand und verzog die Lippen zu einem grausamen Lächeln. „Ihr seid also hinaus gekommen. Und fast unbeschadet, möchte ich sagen.“ „Wie du siehst“, knurrte Sasuke gefährlich und trat dabei vor Sakura. „Hattest du jetzt genug Spaß?“ „Genug?“ Pein lachte, zog unerwartet eine Pistole und drückte ab. Sakura schrie noch im gleichen Augenblick auf und griff nach Sasukes Arm, als erwartete sie, dass er zusammenbrechen würde, doch blieb er stehen und keuchte lediglich. „Ich habe noch lange nicht genug!“, raunzte Pein ungehalten. Es machte ihn wütend, dass Sasuke nicht zu Boden ging, obwohl er ihm ins Bein geschossen hatte. „Du hast mich gute Männer gekostet, Uchiha! Ihr beide habt mein Ansehen beschmutzt!“ Sakura biss sich auf die Lippen und blickte ins Sasukes Gesicht, der seinerseits die Akatsuki nicht aus den Augen ließ. Eben war ihr Körper noch starr vor Angst gewesen, doch hatte sie der Schuss aus dem Alptraum in die alptraumhafte Realität gebracht. „Mistkerl“ wisperte sie und kniff die Augen zusammen, um die Tränen zu unterdrücken. Sie schüttelte den Kopf und drehte sich zu Pein, der nur belustigt zurückblickte. „Du bist ein Mistkerl! Und ein verdammter Irrer! Du hast gar keine Ehre, die wir dir hätten nehmen können! Du hast nichts weiter, als …“ Sakura stoppte schlagartig, als Sasuke sie packte, ehe der nächste Schuss abgefeuert wurde. Er stand vor ihr und grinste leicht, ehe er sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte und zusammensackte. „Sasuke?“ Sakura hielt Sasuke sitzend, und sie suchte nach der Verletzung, bis sie das warme Blut an seinem Rücken spürte. „Nein“, flüsterte sie panisch und schaffte es nicht mehr, die Tränen zurückzuhalten. „Sasuke!“ „Schon gut“, gab er hustend zurück. „Halb so schlimm …“ Doch er zog eine schmerzhafte Grimasse, und hätte Sakura ihn nicht gestützt, wäre er längst gänzlich zu Boden gegangen. „Tapfer, tapfer.“ Pein klatschte abermals und trat näher an die beiden heran. „Und so rührend. Er ist das kaltblütigste Monster, das ich kenne, Sakura. Aber für dich wirft er sich in die Kugeln. Das ist wirklich … rührend.“ Pein wirkte, als würde er jeden Moment zu weinen beginnen. Dann aber zuckten seine Mundwinkel und er begann zu lachen. „Und dumm! Ja, es ist so dumm! Oh?“ Er zuckte leicht zusammen, als er in den Lauf einer Pistole blickte. „Was wird das, Mädchen?“ „Ich erschieß dich!“, weinte Sakura und zielte weiterhin auf Pein. „Wenn du uns nicht in Ruhe lässt, dann drück ich ab!“ „Du willst mich erschießen? Sasuke, lässt du zu, dass sie einen Mord begeht?“ Er zeigte seine weißen Zähne, als er eine dramatische Miene zog. „Leg sie weg, Sakura, hmm? Was hast du davon? Erschießt du mich, werdet ihr ebenfalls sterben. Und dein blonder Freund wird es, falls er noch leben sollte. Und das süße Mädchen von diesem Nichtsnutz. Ganz zu Schweigen von Itachi. Nicht Sasuke, dein Bruder hat mich verraten?“ „Tzz“, schnaubte Sasuke verachtend. „Jeder kriegt, was er verdient, nicht wahr Pein?“ Pein grinste und trat ein wenig zurück. „Ein großes Mundwerk, Uchiha. Dabei bist du nicht in der Position, die Klappe aufzureißen. Aber ich sehe ein, dass du wütend bist. Ich kann mir vorstellen, dass du dich ein wenig rächen möchtest. Deswegen musst du verstehen, dass ich … dich nicht am Leben lassen kann, hmm?“ Er blickte zu Sakura und grinste noch breiter. „Allerdings halte ich viel von Tapferkeit. Bist du auch, tapfer, Sakura? Gelegentlich lasse ich nämlich mit mir reden …“ „Wichser!“, zischte Sasuke, noch ehe Sakura etwas erwidern konnte. „Du wirst nicht auf ihn hören, Sakura!“ „Was … willst du sagen?“ Sakura ließ ihren Arm nicht sinken. Weiterhin zielte sie mit Sasukes Waffe auf Pein, doch wieder trat in ihr Gesicht die unzerstörbare Hoffnung, die sie bis hier hin gebracht hatten. „Was meinst du mit reden?“ „Reden eben!“ Pein schlug die Hände in einander und lief ein paar Schritte auf und ab. „So etwas wie einen Deal. Zeige mir, wie tapfer du bist, Sakura, und ich lasse sie alle in Ruhe. Das meine ich ernst. Selbst Sasuke, sollte er mir nicht mehr in die Quere kommen.“ Pein lächelte unschuldig, als er Sasukes verhassten Blick bemerkte. „Das ist der Deal, Sakura. Du hast mich verärgert, und es ist dein Kopf, den ich will. Die Ehre gebietet es mir. Ich kann dich nicht gehen lassen … Dein Leben“, sagte Pein und verneigte sich leicht. „Gegen das der anderen.“ Sakura brachte kein Wort heraus, als Peins Forderung zu ihr herüber drang. Entsetzt blickte sie ihn an, und ihre Hand mit der Pistole zitterte immer stärker. „Gib mir die Waffe, Sakura!“, herrschte Sasuke sie im gleichen Moment an, wie sie auf die Beine sprang und seinem Griff auswich. „Hörst du nicht? Lass die Scheiße sein!“ „Ist das … dein Ernst?“ Sakura ignorierte Sasuke und kaute weinend auf der Unterlippe. „Du lässt sie alle in Ruhe? Auch Kaito und …“ „Alle, Sakura. Auf meine Ehre. Beende dein Leben, und lass’ ihnen dafür ihre …“ Pein grinste ungebrochen. Er nickte Sakura zu und ging noch einen weiteren Schritt zurück. Er stand im Schutz seiner Männer, die sich nicht rührten und teilnahmslos zu Sakura blickten. Aber – und auch wenn die anderen Akatsuki dagegen sein würden – er meinte es ernst. Er sagte, was er dachte. Und wie er es mit der Ehre hielt, so hielt er es auch mit der Tapferkeit. „Sakura!“, rief Sasuke und stützte sich schmerzhaft auf die Beine. „Gib mir jetzt einfach … die Waffe, klar?“ Er ging einen wankenden Schritt auf das Mädchen zu. „Nimm sie runter …“ Sasuke sah erleichtert, dass sie gehorchte und die Waffe sinken ließ. „Gut so, jetzt gib sie mir. … Sakura!“, schrie er dann aber, wie sie sich ihm zuwandte und die Pistole stattdessen an ihre eigene Schläfe hielt. „Tut mir leid …“, sagte sie zu ihm und lächelte unter all den Tränen. „Tut mir … leid.“ Und dann drückte sie einfach ab. Peins Männer blickten nicht mehr so gleichgültig, nachdem Sasuke gebrüllt und zu Sakura gestürzt war. Doch auch er war schlagartig stehen geblieben, ebenso wie Pein, dessen Gesicht nicht mehr grinste. Sie alle blickten fassungslos zu Sakura, die abgedrückt hatte und dennoch stand. Es hatte nicht einmal geknallt. Kein Feuer war losgegangen. Es hatte nur Klick gemacht. „Keine Kugel?“ Peins Ausdruck war undurchdringbar. Ohne Zögern ging auf Sakura zu und riss ihr die Pistole aus der Hand. Er löste das Magazin und … „Leer? Das Magazin ist leer?“ Er blickte in Sakuras aschfahles Gesicht und sah zu, wie sie vor ihm zusammenbrach. „Geh von ihr … weg“, zischte Sasuke, ließ sich zu Sakura auf den Boden fallen und zog ihren gekrümmten Körper zu sich. „Das …“ Plötzlich hatte Sasuke seine zweite Waffe gezogen und richtete sie auf Pein, der keine zwei Meter von ihm entfernt stand. „Das war dein letztes Spiel!“ „He, ruhig Männer!“ Pein hob die Hände, denn gleichzeitig wie Sasuke seine Waffe auf Pein richtete, richteten sich viele Waffen auf ihn. „Wir wollen doch kein Massaker.“ „Massaker?“, rief Sasuke voller Hass und es klang fast, also wolle er genau das erreichen. „Warum kein Massaker, Pein?“ „Waffen runter“, befahl Pein und drehte seinen Männern flüchtig den Kopf zu. „Warum war das Magazin leer?“ Er ignorierte die Pistole, die Sasuke auf ihn richtete. „War das ein Bluff?“ Er blickte verachtend zu Sakura, die sich an Sasuke krallte und heftig zitterte. Ihre Augen waren vor eigenem Entsetzen weit geöffnet, doch starrten sie apathisch ins Nichts. Pein wusste, dass es kein Bluff war, auch ohne dass Sasuke ihm antwortete. „Kein Bluff“, sagte er und schüttelte den Kopf. „Keine Kugel.“ Er begann plötzlich zu grinsen, und dann erbebte er vor lachen. Er lachte fast eine Minute, und selbst seine Männer sahen ihn verständnislos an. Er lachte so sehr, dass er sich krümmte, wie es Sakura vor dem Wahnsinn tat, der sie mit sich riss. „Und da?“, rief er dann amüsiert. „Hä Uchiha, ist da eine Kugel drin?“ „Willst du es wissen?“ Sasuke sprach mit soviel Kälte, dass Pein augenblicklich zu lachen aufhörte, und seine Männer sofort wieder die Waffen erhoben. „Hn“, machte Pein und verzog das Gesicht. „Wohl weniger.“ Seine Augen huschten zu Sakura und er hob den Arm, damit die anderen ihre Pistolen runter nahmen. „Jetzt stehen wir vor einem Problem. Du bist nicht tot, der Deal ist geplatzt …“ Er wartete, bis Sakura es schaffte ihren Kopf zu heben, und dann lächelte er wieder. Diesmal schien es aber nicht amüsiert, und er verschränkte die Hände hinter dem Kopf und lief erneut auf und ab. „Keine Kugel, kein Bluff. Kein totes Mädchen, kein Deal …“ Er seufzte und benahm sich fast wie ein kleiner Junge. Doch dann blieb er stehen, und alle Anwesenden sahen ihn an wie das verwirrte Tier in ihrer Mitte. Das verwirrte Raubtier, das jeden Moment aus seiner Verteidigung erwachte und zum Sprung ansetzte. Doch Pein sprang nicht, wie erwartet. Er blieb stehen und sah wieder zu Sakura. „Und trotzdem Tapferkeit. Das Wichtigste nach der Ehre, nicht wahr?“ Er warf ihr die Waffe vor die Füße und grinste. „Gut, neuer Deal. Ihr verschwindet. Jetzt. Und treffe ich noch einmal auf euch, kommt ihr mir noch einmal in die Quere …“ „Du glaubst, dass ich …“ Sasuke sah Pein an, als würde er sich jeden Moment auf ihn stürzen. „Dass ich wirklich einfach so …“ „Ihretwegen, Sasuke“, sagte Pein ernst. „Ja, ihretwegen glaube ich, dass du keinen Fehler machen wirst.“ Dann drehte er Sasuke den Rücken zu und lief zu seinen Männern. Er hob die Hand, als würde er ihnen winken. „So einfach kann es manchmal gehen. Bravo. Ihr habt gewonnen.“ Er schüttelte sich und lachte wieder. „Die Tapferkeit hat über die Ehre gesiegt.“ Und dann verschwand er, und mit ihm die Akatsuki. Sakura starrte auf die Stelle, an der eben noch Pein gestanden hatte. Sie hörte Sasukes schmerzhaftes Keuchen, als er zu ihr trat, und entgeistert wandte sie sich ihm zu. „Ist das eben … passiert?“ Sie griff nach seiner Hand und versuchte ihm zumindest im Ansatz eine Stütze zu sein. „Geht’s? Wir müssen einen Arzt holen und …“ „Schon gut“, gab Sasuke zwischen den Zähnen zurück. „Das überlebe ich. Was ist mit dir?“ „Ich … ich weiß nicht.“ Sakura sah wieder hinüber zu der Stelle, als sich die Tränen in ihren Augen sammelten. Sie blickte nur flüchtig zu Sasuke, als er ein Handy herausholte und Itachi anrief. „Er ist auf dem Weg.“ „Und Naruto?“, flüsterte Sakura bang. „Dem geht’s gut. Jetzt noch …“ „Wieso, was …“ Sasuke grinste leicht. „Nur ein Scherz, aber ich hab … noch ein paar Dinge mit ihm zu klären.“ „Er konnte nichts da…“ „Später, Sakura. Lass uns erst mal zum Bahnhof zurücklaufen.“ Sakura machte ein besorgtes Gesicht, als Sasuke ein paar Schritte tat. „Meinst du wirklich, dass du laufen kannst?“ „Du wirst mich kaum tragen können, und ich habe keine Lust hier zu warten, damit Pein es sich anders überlegen kann.“ Sakura lächelte matt und lief vorsichtig neben Sasuke her. „Meinst du, dass er es ernst gemeint hat? Dass er nicht doch noch …“ „Fürs erste“, sagte Sasuke und erwiderte Sakuras grinsen. „Haben wir wohl Ruhe.“ „Und dann?“, fragte Sakura zweifelnd. „Dann werde ich ihn umbringen …“ Sakura schwieg auf seine Worte und ging still neben ihm her. Sie erreichten den Bahnhof, und auch als sich die Sonne langsam dem Horizont näherte, tauchte keiner mehr von Peins Leuten auf. Nur die Vögel waren zu hören, und ganz weit entfernt die Autos der Straße. Nichts bewegte sich auf dem verlassenen Gelände, außer ein paar kleinen Mäusen, die über den Schotter liefen und erschrocken das Weite suchten, als sich ihnen Sasuke und Sakura näherten. „So einfach …“ Sakura schüttelte ihren Kopf, als sich Sasuke auf eine zerschlissene Bank setzte und dabei aufstöhnte. „Er hat uns so einfach gehen lassen …“ „Einfach?“ Sasukes Blick war eisig, als er Sakura traf. „Wäre die Pistole geladen gewesen, dann wärst du jetzt tot!“ Eigentlich hatte er diesen Gedanken versucht zu verdrängen, damit ihn seine Gefühle nicht erschlugen. Er spürte die Wut, und das Entsetzen. Er spürte die ganze Grausamkeit der letzten Tage, und die nachhaltige Angst, Sakura beinah für immer verloren zu haben. „Wenn du irgendwann noch einmal auf so eine bescheuerte Idee kommst …“ „Dann erschießt du mich, schon klar.“ Sakura grinste, setzte sich neben Sasuke und lehnte sich an seine Schulter. „Trotzdem kann ich es noch nicht fassen. Wir sind … davon gekommen.“ „Für eine Weile“, machte Sasuke Sakuras Erleichterung einen Strich durch die Rechnung. „Hmm.“ Sakura sah auf, als sie einen Wagen hörte. „Ist das Itachi?“, fragte sie, als ihr das Auto gänzlich unbekannt war. „Ja. Ich hab seinen Wagen vorhin genommen und an der Straße stehen gelassen. Hätte der Mistkerl nicht näher ran fahren können?“, murrte er, wie der Wagen in einiger Entfernung hielt und Itachi ausstieg. Er sah sie und eilte auf die beiden zu. „Naruto und Hinata sind jetzt in Sicherheit?“, fragte Sakura und hielt Sasukes Hand fest in ihrer. „Davon gehe ich aus.“ „Und Itachi?“ „Er sollte für eine Weile Urlaub machen.“ Sasuke grinste leicht und küsste Sakura auf die Haare. „Und wir auch. 27 Grad wären jetzt sehr angenehm.“ Sakura lächelte leicht und nickte. „Dann ist das so was, wie ein Happyend, oder?“ „Kein Happyend“, gab Sasuke zurück, doch grinste er weiter, als Sakura ihn verwirrt ansah. „Das Ende“, fügte er hinzu. „Kommt erst am Schluss, Dummerchen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)