Beloved Assassin von Saya_Takahashi (Geliebter Mörder) ================================================================================ Kapitel 14: Der Schlüssel zu seinem Herzen ------------------------------------------ Es konnte gegen Mitternacht sein, oder kurz vor dem Morgengrauen. Vielleicht war es auch später, und die dunklen Regenwolken verdeckten den Himmel, als gäbe es den Tag nicht. Vielleicht war dieses Zimmer auch gar nicht mehr das Gästezimmer. Möglicherweise war dies auch nicht mehr das mächtige Anwesen am Rande Tokios, irgendwo dort, wo Wälder und Wiesen abseits der Stadt wachsen konnten. Es konnte auch ein Ort sein, an dem überhaupt nichts mehr wuchs. An dem es weder Häuser gab, noch Gräser und Bäume, noch Zimmer oder Fenster. Vielleicht war es so dunkel, weil dies kein Zimmer war. Und vielleicht lebte Sakura nicht mehr, sondern war einfach nur tot. „Vielleicht“, flüsterte sie schwach ins Nichts und hoffte, dass irgendwer etwas erwidern würde. Sie hob den Arm wenige Zentimeter und lauschte nach ihrem Herzen. Das Herz mochte schlagen, doch in dem Zimmer war sie allein. Nachdem sich Sakura langsam an die Finsternis gewöhnte hatte, versuchte sie sich vorsichtig aufzurichten. Sie konnte jeden Knochen in ihrem Körper spüren, die Muskeln zwickten und ihre Kehle – ihre Kehle brannte, wie es das Feuer der Hölle es tun musste. Das Aufrichten kostete Sakura viel Mühe, und als sie ihre zittrigen Füße auf den Boden stellte, glaubte sie niemals auch nur einen Schritt laufen zu können. Was war passiert? Wie lange hatte sie geschlafen? Sie wusste es nicht, doch sie ahnte, dass es zu lange gewesen war. Eine klebrige Masse hatte sich mittlerweile in ihrem Mund gesammelt, und doch fiel ihr das Schlucken so schwer, dass Sakura Angst bekam. Sie wollte nach Naruto rufen, doch brachte sie nur ein heiseres Kratzen zustande, das kaum zu hören war. Jeden Moment – zu fühlte es sich zumindest an – würde sie verdursten. Sie fürchtete, einfach umzufallen und an der zähen Flüssigkeit in ihrem Mund zu ersticken. Denn niemand war da, und niemand konnte sie hören. Dabei brauchte sie nur ein Glas Wasser. Japsend stützte sich Sakura gegen den Nachttisch und zog sich auf die kraftlosen Beine. Ihr Körper wehrte sich gegen jeden kleinen Schritt, den sie machte, und doch trieb sie ihr Verstand an, immer weiter zu gehen. Bis in die Küche, sagte er. Du musst nur bis in die Küche kommen … Sakura fiel ermattet gegen die Tür, und wäre da nicht ihre Angst gewesen, sie hätte beim Herunterdrücken der Klinke gelächelt. Nie zuvor war ihr das Öffnen einer Tür so schwer gefallen, und nie zuvor hatte sie sich nach dem Einfachsten so sehr gesehnt. Sie wollte Wasser. Alles andere – jeder noch so penetrante Gedanke, jede noch so aufwühlende Frage – das alles musste warten, denn nichts war so drängend und wichtig wie das, was sie sonst als selbstverständlich hinnahm. Sakura schleppte sich in den Flur und hielt für einige Sekunden inne. Mehrmals musste sie tief durchatmen, ehe sie sich gegen die Wand stützte und Zentimeter für Zentimeter weiterging. Ihre Augen hatte sich genug an die Dunkelheit gewöhnt, so dass sie nirgends gegen lief – aber ihre Kraft nahm mit jeden weiteren Meter ab. Als sie die Küche erreichte, die lange Theke, da musste sie sich fest an das Holz klammern, so stark zitterten ihre Knie. Es war nicht mehr weit zum Wasserhahn, und Sakuras Verstand trieb sie mit Peitschenhieben an, nicht aufzugeben. Ihre körperliche Energie dagegen fand ihr Ende, und so sehr es Sakura wollte – kein Muskel gehorchte ihr mehr. Nicht einmal die Hände, die sie aufrecht hielten; und wie sich von der Theke lösten, glitt Sakura an den Schränken einfach hinunter. Der Schwindel folgte, und schnell schloss Sakura die Augen. Bitterer Geschmack gesellte sich zu dem Schleim in ihrem Hals, und fast hätte Sakura zu weinen begonnen. Doch wurde sie in dieser Sekunde so ruckartig hochgezogen, dass sie erschrocken die Lieder aufschlug und in Sasukes dunkle Augen starrte, die ihren Blick finster erwiderten. „Das hat ziemlich gedauert“, brummte er, legte den Arm um Sakuras Taille und half ihr zum Wasserhahn. Sakura brachte kein Wort zustande, doch war ihr selbst diese Überraschung einfach nur egal. Sie füllte sich ein Glas, setzte es mit bebender Hand an die Lippen und trank, als wolle sie die letzten Tage mit einmal nachholen. „Das reicht“, sagte Sasuke jedoch, wie sie ein paar Schlucke getrunken hatte. Er nahm ihr das Glas weg und schüttelte mürrisch mit dem Kopf. „Geh’s langsam an, verstanden?“ Sakura kam es für einen kurzen Moment in den Sinn, vielleicht noch immer zu schlafen. Konnte sich jemand wie Sasuke Uchiha so in der Realität verhalten? So … besorgt? Es war anders wie zuvor. Er benahm anders. Oder spielte ihr ihre Einbildung etwas vor? Vermutlich. „Noch …“, sagte Sakura, doch tat ihr das Sprechen so weh, dass sich ihre Miene verdüsterte. „Bitte … noch ...“ Sasuke runzelte die Stirn, wie sie schon zum Glas greifen wollte, und zog sie kurzerhand mit sich aus der Küche. „Du kannst dich wieder hinlegen, klar? Naruto kann dir später was bringen.“ „Welcher … Tag?“ Langsam wurde Sakura wieder Herr über ihre Stimme. Die Kehle schmerzte ungemein, doch zeigten die wenigen Schlucke allmählich ihre wohltuende Wirkung. „Sonntag“, brummte Sasuke, hielt mit der einen Hand die Tür zum Gästezimmer auf und rangierte Sakura mit der anderen hinein. „Du hast über 50 Stunden geschlafen.“ „Sonntag.“ Sakura brachte einen seufzenden Laut zustande. „Morgen sind …Vorlesungen.“ „Dein Pech“, erwiderte Sasuke. Er hob die Augenbraue, wie sich Sakura dagegen sträubte ins Bett zu gehen. „Was jetzt? Glaubst du, ich will dich noch lange halten?“ „Ich kann … auch …“ „Du kannst einen Scheißdreck! Du fällst wie ein nasser Sack, sobald ich loslasse. Geh jetzt, oder …“ Sakura schüttelte rasch den Kopf und sah Sasuke flehend an. Sie wollte nicht ins Bett, auf gar keinen Fall. Ihr Körper brauchte Bewegung, auch wenn er mittlerweile bebte, als hätte sie einen Anfall. „Nur ins … Wohnzimmer.“ Sakura klang noch immer heiser, doch kam ihre Stimme Stück für Stück zurück. „Dann tu, was du nicht lassen kannst“, sagte Sasuke barsch und ließ Sakura los. Als sie jedoch wankte, griff er erneut nach ihr. „Du nervst“, knurrte er wütend, brachte sie aber ins Wohnzimmer zurück. Er konnte sich nicht erklären, warum er ihr diesen Gefallen tat. Es ging ihm – anders konnte man es nicht sagen – gänzlich gegen den Strich, und trotzdem bewegte ihr hilfloser Anblick etwas in ihm, was er nicht zu seinen gängigsten Gefühlen zählte. „Danke“, sagte Sakura und setzte sich, als sie gar nicht mehr stehen konnte. „Was war … los? Was ist passiert?“, wollte sie wissen. Die Taubheit in ihren Gedanken klang endlich ab, so dass ihre Fragen immer drängender wurden. „Du hast geschlafen“, erklärte Sasuke knapp, als er sich auf den Sessel setzte. Er machte ein düsteres Gesicht und sah nicht danach aus, Interesse an einem Gespräch zu haben. „Aber … wieso?“ Sakura versuchte in ihren Gedächtnis nach Antworten zu suchen. Sie sah Sasuke fragend an, doch war ihr klar, dass er ihr nichts sagen würde. Sie erinnerte sich auch kaum noch. Alles wirkte wie ein Traum. Ein schrecklicher Alptraum … „Kaito hatte angerufen“, flüsterte sie, wie ihr der Gedanke kam. Sie redete mehr mich sich selbst und dachte angestrengt darüber nach, worüber er gesprochen hatte. Langsam kehrten Fetzen zurück, aus denen sich Sätze formten, die Sakura einen Schauer über den Rücken trieben. „Gott“, stöhnte sie leise, presste die Lippen aufeinander und atmete tief durch. Sie bemerkte, wie sie die grausame Erinnerung zu übermannen drohte, und jäh wurde ihr bewusst, dass dies der Grund für ihren langen Schlag gewesen sein musste. Hatte sie so die Realität verdrängen wollen? Aber was war mit Kaito? Wenn sie fast drei Tage geschlafen hatte, was konnte ihm nicht alles widerfahren sein? Doch wie konnte sie etwas über ihn in herausfinden? Sie hatte keine Telefonnummer, keine genauen Anhaltspunkte! Und was, wenn sie ihn dadurch erst recht in Gefahr brachte? Kaito hatte eine Freundin erwähnt … Sakura schüttelte sich innerlich. Ihre körperliche Schwäche drängte sich in den Vordergrund, als sie aufstehen wollte. Aber sie musste doch etwas tun! „Bleib sitzen“, hörte sie Sasuke murren. Überrascht sah sie auf, denn beinah hätte sie vergessen, dass er ihr gegenüber saß. „Kaito“, sagte Sakura atemlos. „Er ist auch in Gefahr, Sasuke! Er hat gesagt, dass sie ihn erwischt haben. Dass sie wissen, dass er geschnüffelt hat …“ „Das ist kaum mein Problem. Und jetzt setz dich hin!“, raunzte Sasuke misslaunig. Er verschränkte die Arme und wandte seinen Blick aus dem Fenster. „Du meintest, er wollte nach Südkorea. Falls sie ihn vorher nicht kaltgemacht haben, kann er sich dort ein schönes Leben machen.“ „Verdammte scheiße …“ Sakura fuhr sich durch die Haare. Das war alles ihre Schuld. Sie hätte Kaito niemals um den Gefallen bitten dürfen! Er hatte sich hier etwas aufgebaut, etwas erreicht. Wie sie, wollte auch er nur fernab der Vergangenheit leben. Warum fiel ihr nicht der Name des Mädchens ein, von dem er gesprochen hatte? War sie mit ihm gegangen, oder vielleicht in Tokio geblieben? Wusste sie bescheid, hatte sie mit Kaito Kontakt? Wenn sie sich nur entsinnen könnte … „Warum …“ Sakura ließ sich gegen die Lehne der Couch fallen. Einmal mehr wurde ihr übel, und gleichsam begangen ihre Glieder grundlos zu zucken. „Was ist das?“, fragte sie verzweifelt, weil es sie am Nachdenken hinderte. „Ich fühle mich, als wär ich …“ „Vergiftet“, beendete Sasuke unerwartet ihren Satz und ein unheilvolles Schmunzeln zeigte sich auf seinem Gesicht. „Es ist Gift.“ „Was?“ Sakura verstand nicht, doch hatte sie augenblicklich das Gefühl, ihr schnüre es die Kehle zu. „Was für Gift? Woher sollte ich …“ Sie hielt abrupt inne und sah Sasuke fassungslos an. „Hast du mir … Gift …“ Sie konnte nicht weiter sprechen, und mit letzter Kraft stand sie hektisch auf. Ihre Gedanken überschlugen sich, und plötzlich glaubte sie, in der Falle zu sitzen. In seiner Falle. So viel Geld für ihren Kopf, und Sasuke hatte davon gewusst … Sakura zwang sich, gleichmäßig zu atmen. Sie ging langsam rückwärts, und keine Sekunde ließ sie Sasuke aus den Augen. Er lächelte noch immer, und er verfolgte jede ihrer Bewegungen, wie ein Wolf auf der Lauer. Sakura schaffte es, dass Wohnzimmer zu durchqueren. Sie hielt sich an der Theke fest und schlotterte unter der Anstrengung, bis hier her gekommen zu sein. Kurz schloss sie die Augen, und als sie wieder zu Sasuke blickte, stand er auf. „Bleib da!“, krächzte sie keuchend. „Bleib wo … du bist, Sasuke.“ Hatte er ihr Gift gegeben? Warum? Er hätte sie doch erschießen können, wenn er auf das Geld aus war! Warum dann aber Gift? Hass, schoss es ihr durch den Kopf. Sie hatte es bemerkt, als sie ihm das erste Mal begegnet war. Er hatte sie wie einen Feind angesehen, und nur langsam war dieser Ausdruck verblasst. Aber er war nie wirklich verschwunden. Auch jetzt glaubte Sakura, Hass in Sasukes Augen zusehen. Hasste er sie so sehr? Sie hatte ihm doch nichts getan, und er hatte sie doch auch gerettet! Wozu, wenn er sie nun vergiftete? „Was hast du?“, fragte Sasuke, und unaufhaltsam kam er näher. Sakura konnte ihm nicht entkommen, er musste sich nicht beeilen. Und er genoss es, ihre Angst zu sehen. Ihre Furcht vor ihm. „Du solltest dich ausruhen, Sakura …“ Sein Lächeln verzog sich zu einer unbestimmten Grimasse. Er wartete darauf, dass Sakura schreien würde – doch sie tat nichts dergleichen. Sie stand einfach nur da, krallte sich an dem Holz fest und sah ihn wie ein gehetztes Tier an. „Geh weg“, sagte sie schwach. „Komm nicht näher …“ Sakura spürte die erste Träne, die sich über ihr Gesicht schlich. Was hatte sie erwartet? Das jemand wie Sasuke ihr helfen würde? Sie hatte ihm vertraut. Sie hatte sich mit einem Mörder eingelassen und gedacht, er würde sie schützen. Wie hatte sie so dumm sein können? Was hatte sie in ihm gesehen? In einem kaltblütigen Killer, der in ihrer Gegenwart Menschen wie Vieh getötet hatte? Mehr … Das war es gewesen, und war es noch immer. Sakura sah mehr in Sasuke, als das, was er von sich preisgab. Sie sah in seine Augen, die ihr von grausamen Dingen erzählen wollten, und es doch nicht konnten. Sie sah in seine Augen, und sie sah sein Leid – nicht das Leid, dass er anderen antat. Sie sah das Leid, dass ihn zu dem Menschen gemacht hatte, der er war. Das war das einzige, was sie von ihm wusste. Es hatte ihr gereicht. So naiv es war, aber es hatte ihr einfach gereicht. Und nun starb sie als Narr … „Nicht näher?“, sagte Sasuke, und wie er vor ihr stehen blieb, holte er die kleine Flasche aus seiner Tasche. Sakura wollte einen Satz nach hinten machen, doch packte er ihren Arm und zog sie grob zu sich. „Es ist nützlich“, hauchte er ihr ins Ohr, so nah war sie ihm. „Sehr nützlich.“ Sakura versuchte sich zu befreien, doch Sasukes Griff war eisern. „Hör auf, bitte“, flehte sie. Sasuke lachte nur, nahm ihr Kinn in seine Hand und öffnete vor ihren entsetzten Augen die Flasche. „Ich kann nicht“, sagte Sasuke, und schlagartig änderte sich seine Laune. Hatte er eben noch amüsiert gewirkt, war er jetzt zornig. „Und das ist deine beschissene Schuld!“ „Nicht …“, wimmerte Sakura, als er die Flasche hob und ihren Mund aufzwang. Die Tränen liefen ungehindert, und sie brannten wie Feuer auf ihrer Haut. Es war, als würden sie sich einen Weg über ihr Gesicht brennen, ehe sie zischend zu Boden fielen. Es war, als würde alles in Flammen stehen. Die Welt ging unter, und es war ihre Welt. Sie würde sterben. Als Narr. „Man sagt, dass zwei Tropfen …“ Sasuke ließ die Tröpfchen in Sakuras Kehle rinnen. „Tote wecken. Kaum jemand kennt die Reaktion, aber in dieser Dosierung wirkt das Gift wie eine Droge. Drei Tropfen …“ Sasuke lächelte schief, als er Sakura einen weiteres Tröpfchen in den Mund fallen ließ. „Drei Tropfen töten die Lebenden …“ Er nahm die Flasche weg, ließ Sakura aber nicht los. Voller Schrecken sah sie ihn an, und er erfreute sich jeder Träne, die ihre Augen verließ. Für kurze Zeit berauschte ihn ihr steinerner Ausdruck, doch gab es ein anderes Gefühl, dass sich immer mehr breit machte. Er wusste, wie viel Zeit sie noch hatte, ehe das Gift zu wirken begann. Er zählte die Sekunden, wie er in ihre Augen blickte. Sekunden, die sie von dem endgültigen Tod trennten. Und die Zeit gaben, ihm begreifen zu lassen, dass Sakura Sakura war. Niemand anders, nur sie. Es waren ihre eigenen Augen, nicht die eines anderen. So ähnlich sie sich sein mochten. In einer ruckartigen Bewegung griff Sasuke nach dem Wasserglas und zwang Sakura, es zutrinken. „Schluck!“, herrschte er sie an, wie sich das Wasser in ihrem Mund sammelte. „Es neutralisiert das Gift.“ Er sah Sakura eindringlich an und nickte knapp, wie sie ihm gehorchte und das ganze Glas leer trank. Dabei ließ er seinen Blick nicht von ihren verstörten Augen, die ihn für eine Weile an einen anderen Menschen erinnert hatten. Einen Menschen, den er als einzigen je geliebt hatte. Dessen Lider sich schlossen, obwohl Sasuke noch versuchte, es zu verhindern, und der als einziger in sein kaltes Herz eingezogen war. Der sich dort versteckte, und Sasuke manchmal daran erinnerte, dass er noch lebte. Dieser Mensch war gestorben, denn Sasuke hatte das Unheil nicht abwenden können. Seine Augen würden sich nie mehr öffnen. Sakura dagegen lebte; und als sie Sasuke mit weinenden Augen voller Furcht ansah, da schwor er sich, dass sich ihre nicht schließen würden. Sie waren der Schlüssel zu seinem kalten Herzen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)