Ti odio. von gluecklich (Xanxus X Reader) ================================================================================ Akt I. ------ Du bist dir sicher, dass du noch nie etwas so Dummes getan hast. Auf der ganzen Welt gibt es überhaupt nichts Dümmeres als das. Was auch immer die Menschheit in ihrer ewigen, dummen Geschichte getan hat, es war nicht so dumm wie das hier. Und dennoch muss es sein. Dumm mag vielleicht ein lustiger, umgangssprachlicher Begriff sein, aber eigentlich stehst du vor einer verdammt ernsten Sache. Vor einer verdammt ernsten Sache, die du verdammt nochmal hinter dich bringen musst, weil du sonst verdammt nochmal nie wieder verdammt glücklich werden wirst. Allerdings hegst du den Verdacht, dass du auch nach der Sache nicht glücklich werden wirst. Deshalb ist es ja so dumm. Aber einen Versuch ist es wert, einen Versuch ist es immer wert, und eigentlich bist du ja eine optimistische Person. Optimistisch und emanzipiert. Wärst du nicht beides, hättest du auf die Dauer wohl nicht in der Varia überlebt. Wenn man dort als Frau klarkommen will, muss man seinen Mann stehen. Es klingt komplizierter, als es ist: Man muss einfach nur selbstsicher sein, mit ihnen fluchen und ihnen ab und zu androhen, sie zu töten, so, wie man das innerhalb dieser Gruppierung eben macht – und du musst optimistisch genug sein, um daran zu glauben, dass sie dich irgendwann respektieren werden. Wahrscheinlich haben sie das mittlerweile sogar getan, aber eben nur, weil du die Freundin ihres Bosses bist. Nicht etwa, weil du selbst eine erfolgreiche Größe innerhalb der Mafiaszene bist, nein, das ist völlig egal, sobald du die Varia-Residenz betrittst, denn selbst du und deine Famiglia könnt nie und nimmer so gut sein wie sie. Und das lassen sie dich spüren. Aber du schweifst ab. Es geht nicht um sie. Sie sind in Ordnung, sie sind Auftragskiller und Männer, daran hast du dich gewöhnt. Es geht um ihren Boss. Ja, du und Xanxus, ihr seid zusammen, seit einer Weile schon. Ihr habt euch vor Jahren auf einer Mission kennengelernt, aber du gehst davon aus, dass er das bereits vergessen hat. Und damit nähern wir uns deinem Problem. Es hat lang gedauert, bis ihr wirklich zueinander gefunden habt, bis ihr beide fähig dazu wart, dem anderen vorzugrummeln, was ihr fühlt. Es war nicht romantisch, nein. Ihr seid euch danach nicht in die Arme gefallen und ihr habt euch nicht geküsst. Er hat die Hände in die Hosentaschen geschoben und mit seinen warnend roten Augen zu dir hinabgesehen, mit einem Blick, als hättest du ihm etwas furchtbar Schlimmes angetan. Und du hast die Arme verschränkt und zu ihm hochgesehen, mit einem Blick, als habe er euch beiden großen Mist eingebrockt. Und so eine Beziehung hat keine Zukunft. Keine Beziehung mit Xanxus hat Zukunft. Das wusstest du von Anfang an, aber es war so schwer, zu widerstehen. Der Mann ist schlichtweg ein Mysterium und wird es immer bleiben, und Mysterien sind manchmal verflucht anziehend. Du wolltest wissen, wie weit er gehen kann, wie viel er dir sagen kann, ob er dich jemals küssen wird, ob er dich manchmal umarmen und nach deinem Tag fragen wird. Letzteres hat er nie getan. Aber ihr habt miteinander geredet. Nie wirklich über Triviales, oft über Geschäfte, selten über Gefühle. Wenn er sehr betrunken war, hat er dir manchmal gesagt, dass er dich liebt. Umarmt und geküsst habt ihr euch, wenn ihr unter euch wart. Es war durch und durch eine spezielle Beziehung. Ab und zu hat er dich geschlagen. Aber dabei ist es nicht geblieben, denn du hast zurückgeschlagen. Wie gesagt, du bist emanzipiert. Du lässt dich nicht einfach so von deinem Freund vermöbeln, wenn er meinte, handgreiflich werden zu müssen, dann mutierte das meistens zu einer Prügelei. Du warst ihm trotzdem meist unterlegen, seine immense Kraft ist einfach nicht wegzureden, aber um das Ergebnis ging es dann gar nicht mehr. Es ging dann nur noch darum, dass du dich wehrtest, dass du dich wehren konntest, dass er nicht immer der Boss war. Eine spezielle Beziehung. Nachdem ihr euch fertig geprügelt und ein wenig verarztet habt, seid ihr meistens im Bett gelandet. Und was ihr da getrieben habt, könnte man eigentlich fast schon wieder als Prügelei bezeichnen. Es war aufregend, keine Frage. Eine spezielle, aufregende Beziehung. Aber alles, was aufregend ist, ist auf die Dauer auch ermüdend. Es war, wie aus einem Traum zu erwachen, in dem man seltsame Dinge getan hat. Du bist irgendwann aus dem Bett aufgestanden und mit O-Beinen ins Bad gewankt, hast dich aufs Waschbecken gestützt und dein Spiegelbild angestarrt. Dein blaues Auge war schon fast wieder weg, seine Beule in Stirnnähe hingegen noch deutlich spürbar. Dich freute das, ihn regte es auf. Deine Haare waren verwuschelt, dein Gesicht blass und fahl, an deinem Hals war ein gigantischer Knutschfleck, wobei du diese Bezeichnung sehr euphemistisch findest, seit du mit Xanxus zusammen bist. Bei ihm war es nicht wie knutschen, eher so, als wolle er dich fressen. Nicht essen. Fressen. Jedenfalls standest du an diesem Morgen vor dem Spiegel und hast dich gefragt, was um Himmels Willen du da tust. Es schien nicht mehr richtig. Es schien nicht mehr aufregend, nicht mehr speziell. Nur noch falsch und dumm. Du wolltest keinen Freund mehr, mit dem du dich schlugst, selbst, wenn er nicht der typische Saufen-und-Prügeln-Freund war, weil du ja immerhin zurückprügeltest, es war nicht richtig. Und du wolltest etwas Richtiges, du wolltest einen richtigen Freund. Die Erkenntnis weitete deine müden Augen und du warfst langsam einen Blick über die Schulter zu Xanxus, der noch immer schlief, als fürchtetest du, dass er deine Gedanken gehört hatte. Heute Nacht hast du nicht bei ihm geschlafen, sondern bei dir. Es fühlte sich unheimlich gut an, mal wieder bei deiner eigenen Famiglia zu sein, sich nicht mit Psychopathen zu umgeben und keine fliegenden Whiskeygläser aus der Luft zu pflücken, nur um sie wieder zurück zu ihrem Ursprung zu werfen. Und dann bist du wieder aufgestanden und wieder vor den Spiegel getreten. Und hast den Entschluss gefasst. Heute muss es sein. Du hast Angst. Große Angst. Denn du hast keine Ahnung, wie er reagieren wird. Wenn du ihn einschätzen kannst, ist alles halb so wild. Wenn du weißt, dass er austicken und auf dich losgehen wird, ist das in Ordnung, weil du dich vorbereiten und verteidigen kannst. Aber du weißt nicht, ob er das tun wird. Denn du weißt etwas Anderes: Er hat dich geliebt. Ob er es noch immer tut, da bist du dir nicht sicher. Aber irgendwann hat er es getan. Und es ist gut möglich, dass das sein Verhalten umkrempelt. Tief und seufzend atmest du durch, starrst die Tür an. Es muss sein. Du kannst so nicht weitermachen. Du erträgst diese Beziehung nicht mehr. Es muss sein. Du hebst die rechte Hand und klopfst mit den Fingerknöcheln gegen das schwere Holz. »Xanxus?« Deine Stimme zittert nicht, darüber bist du heilfroh. »Ich bin’s. Ich muss mit dir reden.« Er gibt einen undefinierbaren Laut von sich, den du über die Jahre als »Komm doch bitte rein, Liebling« identifizieren konntest. Für einen Moment schließt du die Augen. Jetzt oder nie. Du drückst die Türklinke herunter und trittst ein. Es dauert nicht lang. Du versuchst, ihm schonend zu erklären, dass eine Beziehung wie eure nicht gesund ist und du sie nicht mehr aushältst, und schließt mit dem einen, bedeutungsschwangeren Satz. Xanxus sitzt zurückgelehnt und mit ausgestreckten Beinen in seinem Sessel und sieht dich an. Sonst nichts. Seit du den Raum betreten hast, hat sich nichts in seiner Mimik verändert. Seine Augen ruhen so auf dir, wie sie immer auf dir ruhen. Etwas mürrisch, nicht ganz offen, vielleicht sogar ein wenig gelangweilt. So steht ihr euch gegenüber und keiner rührt sich. Er starrt dich an, du starrst zurück. Er sitzt, du stehst. Niemand zittert oder schwitzt, niemand sagt ein Wort. Dein Herz schlägt dir bis zum Hals, aber das lässt du dir nicht anmerken. Du bist Profi. Und dann bewegt er sich. Nur ganz wenig. Ganz kurz. Es dauert höchstens eine Sekunde. Eine Sekunde, die eure Beziehung beendet. Er nickt. Das ist alles. Du hast ihm gesagt, dass du Schluss machst, dass du mit Xanxus, dem Boss der gefürchteten Varia Schluss machst, und er nickt. Immerhin greift er mich nicht an, denkst du dir, und drehst dich der Tür zu. »Ich bin bei meinen Leuten«, sagst du, ohne ihn anzusehen. »Hab nichts hiergelassen. Oh, und ich hab den Jungs nicht Bescheid gesagt, aber ich nehme an, es interessiert sie sowieso nicht.« Er antwortet nicht. Diesmal hast du damit gerechnet. Du verlässt sein Büro und schließt die Tür hinter dir, dann gehst du ohne Umschweife die Treppe hinab, durchquerst die Eingangshalle und verlässt die Varia-Residenz. Du willst froh sein. Endlich hast du diese zerstörerische Beziehung beendet, endlich kannst du dich wieder auf deine Familie konzentrieren und musst dich nur noch mit denen schlagen, die deinen Geschäften schaden, und das Ganze hat dir noch nicht einmal eine weitere Prügelei eingebrockt. Man könnte fast sagen, ihr seid friedlich auseinandergegangen. Aber du bist nicht froh. Du kannst nicht. Natürlich nicht. Natürlich musst du dir die unweigerliche, furchtbar nervige Frage stellen. Hast du ihm denn so wenig bedeutet? Du hast ja nicht erwartet, dass er in Tränen ausbricht, nein, das wäre nun wirklich sehr befremdlich gewesen. Aber er hat überhaupt nicht reagiert. Er hat es abgenickt. Wie einen seiner Aufträge. Ich liebe dich nicht mehr, ich kann dich nicht mehr lieben, und deshalb werde ich dich verlassen. – Gut. Dieses Nicken bedeutete Gut. Gut, dass du gehst. Gut, dass wir uns trennen. Dabei war es nicht gut. Nicht vorrangig. Es war traurig. Jedenfalls denkst du dir das, während du dich durch den orangen, italienischen Sonnenuntergang auf den Weg zu deinem Wohnsitz machst und ein paar einsame, zögerliche Tränen verlierst. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)