24 Days von Kiru (Ein Adventskalender, ursprünglich für Tattoo, nun zugänglich für alle!) ================================================================================ 01.12. Means of Communication ----------------------------- aus Pflanzen entschied sich für Tulpen! ~*~ „Fragst du dich nicht manchmal, wie ich auf manche Songtexte komme?“ Daisuke lag auf dem Sofa, die Knie pyramidenförmig aufgestellt, hatte einen Notizblock auf seine Oberschenkel gelegt und schrieb nachdenklich etwas auf. Sein Kopf ruhte auf Aies Bein. Das andere hatte der Gitarrist unter Daisukes aufgestellten Beinen hindurchgeschoben, sodass der Sänger mehr oder weniger in Aies Schoß lag. „Doch, ständig“, entgegnete Aie sofort zustimmend. Er betrachtete den Schwarzhaarigen aufmerksam und mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Daisuke bemerkte den amüsierten Unterton in der Stimme des anderen nicht (oder wollte ihn vielmehr nicht bemerken), und fuhr stattdessen fort: „Ich habe Bilder im Kopf, noch keine richtigen Worte, sondern Vorstellungen, Ideen... manchmal mehr davon, manchmal überhaupt keine, und dann, wenn die Vorstellungen konkreter werden, ich sie mit bestimmten Farben, Ausdrücken, Gefühlen verbinden kann, bekomme ich ein deutlicheres Bild von dem, was ich ausdrücken will.“ „Und dann musst du diese nur noch in Worte fassen“, ergänzte Aie mit einem Nicken, um zu zeigen, dass er verstanden hatte. „Nein. Also, ja, ich fasse sie in Worte, aber dann abstrahiere ich sie noch einmal. Ich nehme quasi meine bildhafte Vorstellung, forme sie in fassbare Worte und Bezeichnungen um und überlege mir, wie ich sie anschließend noch verschlüsseln kann, sodass meine Idee trotzdem noch übermittelt wird – ohne dass ich sie profan einfach hinklatsche wie ein Stück Schinken.“ Das ließ Aie grinsen, aber er unterbrach seinen Sänger nicht. „Mir gefällt es nicht, wenn man sich auf die Bühne stellt und singt ‚Ich liebe dich so sehr, dass ich dir das Herz rausreißen muss’; wenn man so etwas unbedingt ausdrücken möchte, kann man das auch poetischer tun“, entrüstete dieser sich. „Dass man jemandem das Herz rausreißen muss“, wiederholte Aie und zog die Augenbrauen nach oben. „Beispielsweise, ja“, erwiderte Daisuke nickend. Es wurde offensichtlich, dass er es ernst meinte, und so ging Aie nicht weiter darauf ein, sondern berührte den schwarzen Haarschopf auf seinem Schoß. Daisuke schüttelte nur den Kopf, um ihn zu verscheuchen, und sprach weiter: „Vielleicht wird nicht so ganz klar, was ich meine. Nehmen wir ‚Thursday’. Ich hatte das Bild der inneren Zerrissenheit im Kopf, das Gefühl, dass sich etwas verändert, dass etwas auf der Kippe steht, dass irgendetwas vorbei geht und etwas anderes beginnt. Dass man sich in der Mitte befindet. Nachdem ich diese Ideen entwickelt hatte-“ „Hast du beschlossen, dass Donnerstag diese Gefühle am Besten vermittelt“, unterbrach Aie ihn verständnisvoll nickend und fuhr nun mit den Fingerspitzen durch Daisukes Haare, worüber der andere sich dieses Mal nicht beschwerte. „Genau“, bestätigte er. „Donnerstag ist die Mitte der Woche, man hat schon die erste Hälfte hinter, die zweite allerdings immer noch vor sich. Am Montag, Dienstag und Mittwoch kann man sich einreden, dass die Woche gerade erst angefangen hat, und am Freitag, Samstag und Sonntag weiß man, dass die Woche ihrem Ende zugeht. Aber am Donnerstag? Was ist am Donnerstag?“ „Stimmt, eigentlich müsste man donnerstags grundsätzlich aufgeschmissen sein“, warf Aie ein und gab sich Mühe, sein Lächeln nicht wieder in ein Grinsen abdriften zu lassen, während er behutsam Daisukes Kopfhaut massierte. „Eben. Verstehst du jetzt, was ich meine?“, entgegnete Daisuke ernst. „Und weißt du, was mir noch aufgefallen ist?“ „Leider nicht. Erzähl’s mir“, bat Aie neugierig. „Ich vertrete die Ansicht, dass man, um wirklich kreativ sein zu können, nicht nur Inspiration aus sich selbst, sondern auch immer aus seiner Umwelt schöpfen muss.“ Hier legte Daisuke eine Kunstpause ein, die Aie nutzte, um unauffällig mit seiner freien Hand den ersten Knopf vom Hemd des anderen zu öffnen. Daraufhin hielt der Sänger seine Hand fest. „Wenn man ausschließlich auf sich selbst zurückgreifen würde, nur seine eigenen Gefühle und Empfindungen beschreiben, nur über seine eigenen Probleme sprechen, ohne äußere Einflüsse zu berücksichtigen, wäre es ziemlich langweilig für die Zuhörer, weil nichts vorhanden ist, mit dem sie sich identifizieren können. Würde man rein persönlich schreiben, wäre es kaum von Interesse.“ „Das kann ich mir vorstellen“, gab Aie zurück und wand sich beiläufig aus Daisukes Griff. „Deine Mutter würde die CDs trotzdem kaufen.“ „Und deshalb glaube ich, dass man, um richtig gute Songs zu schreiben, immer irgendwelche äußeren Einflüsse und Inspirationen braucht. Etwas, was man in den Nachrichten sieht, ein Lied, das man hört, ein Buch, das man liest, etwas, was jemand sagt oder nicht sagt, die Art, wie sich jemand verhält... all das kann, meiner Meinung nach, inspirierend sein und ist es auch oft. Wenn man nur aus sich selbst schöpfen würde, wäre irgendwann nichts mehr da, aber dass man auch nach Jahrzehnten noch geistreiche und ‚neue’ Texte schreiben kann, liegt daran, dass man von außen beeinflusst wird.“ „Ach so“, warf Aie mit einem interessierten Unterton ein und während Daisuke seinen Kopf zur Seite drehte, um zum Blumenstrauß auf dem Wohnzimmertisch zu sehen, nutzte er die Gelegenheit und machte sich daran, die nächsten Knöpfe zu öffnen. „Nimm beispielsweise diese Tulpen hier“, begann Daisuke nachdenklich und schenkte dem anderen keinerlei Beachtung mehr. „Die Nachrichten, die sie aussenden, sind so vielfältig wie oft widersprüchlich. Das kräftige, gesunde Grün ihrer Blätter steht für Natürlichkeit, Lebendigkeit und natürlich Hoffnung. Wenn man sich allerdings die Form ihrer Blüten ansieht – sie wirkt eher verschlossen dadurch, dass sie ihre Blütenblätter zusammen zu falten scheint. Deshalb stehen Tulpen in der Blumensprache oft für die Botschaft: ‚Du bist zu keinem echten Gefühl fähig’.“ Da allerdings hielt Aie für einen Moment inne und wollte bereits etwas sagen, als Daisuke ihm jedoch das Wort abschnitt: „Genauso oft enthalten Tulpen allerdings die Nachricht ‚in meiner Liebe zu dir bin ich im siebten Himmel’, eine zwar nicht völlig gegensätzliche Mitteilung, aber sind die doch nicht unbedingt miteinander vereinbar. Tulpen können so viel aussagen, wenn man sie für sich betrachtet. Die Blüten hier speziell sind rosa, was für aufkeimende Liebe steht, und somit beide Nachrichten enthalten könnte.“ Inzwischen waren sämtliche seiner Knöpfe offen. „Begreifst du?“ Daisuke schaute wieder zu seinem Gitarristen, der erneut sein Lächeln auf den Lippen trug. „Tulpen für sich alleine können für alles stehen, man muss sie immer in ihrem Kontext sehen. Deshalb wären sie eine hervorragende Inspiration, weil sie so viel bedeuten.“ „Wie faszinierend“, kommentierte Aie mit einer hochgezogenen Augenbraue und legte eine Hand auf Daisukes nackten Bauch. Daraufhin verengten Daisukes Augen sich ein wenig. „Warte mal, warum hast du mir die Tulpen dann geschenkt?“ „Möchtest du nicht noch ein wenig weiterreden?“, antwortete Aie mit einer Gegenfrage. „Ich hoffe für dich, dass das, worauf mein Kopf liegt, dein Handy in der Hosentasche ist, sonst würde das bedeuten, dass du mir keinen Deut zugehört hast“, murmelte Daisuke und runzelte missbilligend die Stirn. Aie grinste nur. ~*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)