Hidden Flowers - As The Years Go By von june-flower (Nebenkapitel zur Hidden Flowers-Trilogie (Ino/Shikamaru)) ================================================================================ Weil es keine andere Möglichkeit gibt, mit dir zu reden ------------------------------------------------------- Hidden Flowers – As the Years go by Gewidmet: Kate. Weil ich nie wusste, wie ich mit dir reden sollte. Aber es gab nichts anderes, was ich lieber getan hätte...Ich wünschte, ich könnte es dir sagen. “Was zum Teufel hast du jetzt schon wieder gemacht?” Die laute, irgendwie fassungslose Stimme hallte durch die langen Gänge des Krankenhauses, unterbrach die sanfte Stille der sterilen Welt der Heilung in Konoha-Gakure. Mehrere wartende Patienten drehten – sofern sie dazu in der Lage waren, weil sie nicht schliefen – suchend die Köpfe, um herauszufinden, woher die Aufregung kam. In der Notaufnahme schien es zu einem Tumult gekommen zu sein. In diesem Moment stürmten einige Schwestern durch die weiße Flügeltür in den hell erleuchteten Raum dahinter und für einige Sekunden konnten diejenigen, die günstig standen, einen Blick auf die Szene erhaschen. „Ich wusste es! Kann man dich nicht eine Sekunde lang aus den Augen lassen? Ich schwöre dir, Shikamaru Nara, ich bringe dich um! Lasst mich endlich los!“ Den letzten Satz warf die blonde, schlanke Frau wütend den Schwestern entgegen, die sie an den Armen gepackt hatten und offensichtlich verhindern wollten, dass die Ärztin ihre Drohung wahrmachte und gegen ihren Hypokratischen Eid verstiess, etwas, zu dem sie nur zu bereit schien. Die Schwestern, die ziemlich verschüchtert wirkten, sie aber dennoch beharrlich festhielten, machten Anstalten, sie aus dem Raum zu zerren, aber sie stemmte beide Füße in den Boden und riss sich los. Dann fiel die Tür zu und das Publikum schaute mit staunend offenem Mund auf die weiße Metallwand zwischen ihnen und der Notaufnahme. Sie schauderten bei dem Gedanken, dass diese Frau sie behandeln würde. Endlich frei, warf sich Ino Yamanaka auf die Person, welche soeben durch die Tür gewankt war, eine Hand auf seiner Seite gepresst und offensichtlich eine blutende Wunde verbergend. Wie er es durch das Dorf geschafft hatte, ohne dass jemand auf ihn aufmerksam wurde – wie er es überhaupt hierhergeschafft hatte – war ihr ein Rätsel. Während sie begann, den Mann von Kopf bis Fuß zu untersuchen, schimpfte sie weiter und warf hin und wieder den Schwestern, die sie misstrauisch und furchtsam gleichermaßen beobachteten, wütende Blicke zu. „Jedes Mal – jedes verdammte Mal! – kommst du wieder und kannst kaum noch stehen! Welche Aufträge geben sie dir? Die können doch nicht so gefährlich sein – wahrscheinlich ist es wieder mal deine unglaubliche Dummheit, die dich in diesen Bockmist geritten hat! Kannst du nicht einmal etwas richtig machen? Wofür hast du deinen Kopf, wenn er angeblich so brillant ist? Setz ihn auch mal ein! Was ist es diesmal? Wieder eine punktierte Lunge? Oder nur ein Schädeltrauma? Sobald du hier raus bist, bringe ich dich um – ich bringe dich um, und wenn es das letzte ist, was ich tue!“ Ruckartig steckte sie eine Hand aus. Ihr ehemals weißer Kittel war blutbeschmiert. „Sedativa, 3ml!“ Eine Krankenschwester trat neben sie und reichte ihr das Gewünschte. Mit einer routinierten Bewegung zog Ino die Spritze auf. „Ich würde gerne sagen, es wird weh tun“, sagte sie beissend. „Aber leider wirst du das hier kaum spüren.“ Der Mann zuckte mit keiner Wimper. „Leg dich hin“, kommandierte sie und mit einem lautlosen Seufzen liess er sich nach hinten sinken und schloss die Augen. Mit vorsichtigen Handgriffen, die gar nicht zu ihrem wütenden Gesicht zu passen schienen, berührte die Ärztin die blutverschmierte Weste. „Ein Skalpell, bitte“, sagte sie beinahe leise. Als eine Schwester ihr dieses reichte, schnitt sie die Weste einfach auf und besah sich mit besorgten Augen die Wunde. „Verdammt“, murmelte sie und warf einen kurzen Blick auf Shikamarus blasses Gesicht. „Du schaffst es echt immer wieder!“ Sie sah sich um. „Wir bringen ihn nach A6“, sagte sie zu einer der anwesenden Schwestern. „Helfen Sie mir!“ Gemeinsam hoben sie den Mann auf eine Rollbahre und schoben ihn fort. Während die Liege sich fortbewegte, lief Ino neben ihr her und besah sich die Wunde genauer. „Stichwunde, ziemlich tief“, murmelte sie. „Anscheinend hat es die Lunge nicht getroffen. Hoffen wir, dass...“ Was ihre Hoffnungen waren, erfuhr niemand mehr, denn sie betraten einen weiten Raum und mehrere Krankenschwestern stürmten auf sie zu. „Doktor Yamanaka! Sie können hier nicht herein! Wir sind gerade dabei...“ „Das ist egal“, unterbrach die Ärztin sie knapp und fegte sämtliche Einwände beiseite. „Dieser Mann wird sterben, wenn wir nicht sofort etwas unternehmen, und ich brauche die Maschinen hier!“ Ohne auf irgendwelche Einwände zu achten, begann sie mit ihrer Arbeit. Sobald die Maschine, welche den Shikamarus Herzfrequenz überwachte, angeschlossen war, war das laute, viel zu schnelle Hämmern für alle im Raum zu hören. „Er steht unter Schock“, sagte eine Schwester. „Er hätte niemals den ganzen Weg hierher laufen...“ „Hören Sie auf zu reden und geben Sie mir die Zange“, schnappte Ino. Eine andere Schwester warf ihr einen nervösen Blick zu. „Was?“, fuhr sie sie an. „Nichts.“ Die Frau zog unbehaglich die Schultern noch. „Ich dachte nur...“ „Was dachten Sie?“ „Ich dachte, Sie seien vielleicht zu... da Sie selbst betroffen sind, sind Sie vielleicht...“ „Ich bin sehr gut in der Lage, diesen Mann zu behandeln!“, fuhr sie sie an. „Und nein, ich bin nicht nervös. Ich bin wütend. Sehr wütend. Sehen Sie das hier?“ Ihr Finger – in einem Einmalhandschuh und blutverschmiert – fuhr wie der Zorn eines Gottes auf Shikamaru herab. „Sehen Sie? Wissen Sie, wann ich in das letzte Mal so gesehen habe? Vor zwei Wochen. Vor zwei Wochen! Und da ist er wieder, mehr tot als lebendig! Nein, kein Grund mich aus dem Saal zu werfen. Ich habe diesen Mann schon so oft zusammengeflickt, dass ich bestimmt weiß, was zu tun ist!“ Kurz warf Ino einen Blick auf ihre blutbeschmierten Hände und fragte sich, ob sie das tatsächlich konnte. Shikamaru hatte es wieder einmal geschafft, sich halb umbringen zu lassen, und hier war sie und sollte ihn wieder zusammenflicken, sollte dafür sorgen, dass er so schnell wie möglich wieder auf den Beinen war, damit er wieder hinauslaufen konnte und sich der erstbesten Gefahr in den Weg werfen konnte... Sie tat ihm Unrecht, das wusste sie, Shikamaru war niemals leichtsinnig gewesen. Sein verdammtes Pflichtgefühl brachte ihn dazu, sich immer und immer wieder dem Gegner zu stellen, sich immer und immer wieder für das Team zu opfern, dem er zugeteilt war, weil seine Techniken am Besten zur Deckung eines Rückzuges geeignet waren. Wenn er so weitermachte, würde er eines Tages tatsächlich nicht mehr wiederkommen. Verbissen arbeitete sie weiter, tastete in der Wunde, bis sie den kleinen, scharfkantigen Stern fand, der sich tief in sein Fleisch gebohrt hatte. Vorsichtig zog sie ihn heraus. „Schnittwunden, mindestens zwei gebrochene Rippen, Blutungen im Bauchbereich“, zählte sie mit zusammengebissenen Zähnen auf. „Wahrscheinlich auch ein Schädeltrauma, das sähe ihm ähnlich. Wir machen auf jeden Fall ein MRT, sobald wir sicher sind, dass er das hier überlebt.“ Blaues Chakra flammte auf. *** „Sie wissen genau, dass es eigentlich verboten war, was Sie getan haben“, belehrte die Oberärztin Ino mit strengem Gesicht und rückte ihre Brille zurecht. „Es ist untersagt, in einem Raum zu operieren, der gerade anderweitig verwendet wird. Was hätte alles geschehen können! Stellen Sie sich nur vor...“ „Es ist aber nichts geschehen“, unterbrach Ino sie und presste müde die Hände vor ihre Augen. „Was hätte ich tun sollen? In der Notaufnahme hatte ich nicht die richtigen Instrumente und alle anderen Räume in der Nähe waren besetzt. Es tut mir sehr leid, dass diese Leute dort einen Schock bekommen haben. Aber wenigstens ist der Patient noch am Leben.“ „Und das ist der einzige Grund, warum Sie nicht sofort gefeuert sind, junge Dame“, sagte die Frau streng und blickte auf die Akte vor ihr. „In Zukunft denken Sie besser nach, bevor Sie solch unüberlegte Aktionen starten, nur weil ihr Freund es wieder einmal in die Notaufnahme geschafft hat.“ „Was soll das denn heißen!“, fuhr Ino auf. „Shikamaru ist ein Jugendfreund, wir haben zusammen trainiert! Sonst ist da nichts!“ „Dafür ist er ziemlich oft hier. Nun ja, vermutlich kann er sich das auch leisten.“ „Glauben Sie etwa, das macht er absichtlich?“ Ino war blass vor Wut. Sie ballte die Fäuste. „Er ist ein Shinobi! Er geht auf Missionen, er kämpft für Konoha! Wenn Leute wie er nicht wären, würden Sie wahrscheinlich gar nicht mehr am Leben sein! Wie können Sie es wagen, ihm zu unterstellen, er würde seine Pflicht nicht kennen und seine Stellung ausnutzen!“ Die ältere Frau stand langsam auf und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Reden Sie besser nicht weiter, Doktor Yamanaka“, sagte sie leise und warnend. „Sonst sehe ich mich gezwungen, Sie für einige Zeit zu beurlauben, bis Sie sich wieder gefangen haben und Ihre Arbeit unbeeinflusst aufnehmen können.“ Sprachlos starrte Ino sie an und schluckte alle weiteren Worte. „Bin ich dann hier fertig?“, fragte sie kühl und die Frau nickte. „Hier sind Sie erst einmal fertig“, bestätigte sie. „Sehen Sie sich vor, Doktor Yamanaka. Sie sind eine gute Ärztin, aber es gibt bessere Ärzte als Sie in Konoha. Und wir alle wissen, dass Shinobi sich in ihrer Arbeit immer wieder Gefahren aussetzen müssen. Aber es ist ein Unterschied, ob man sich blindlings vor einen Gegner wirft oder bedachtsam und klug einem Kampf begegnet. Meiner Ansicht nach hat ihr Freund Letzteres nicht getan. Dass er dem Tode diesmal wieder so knapp entronnen ist, war pures Glück und sicherlich nicht allein sein Verdienst. Aber wenn er weiterhin so unvorsichtig ist, wird der Tag kommen, an dem wir ihm nicht mehr werden helfen können.“ Fassungslos starrte Ino ihre Vorgesetzte an. „Sie würden Ihn sterben lassen?“ „Natürlich nicht. Er wird sich selbst umbringen. Sie werden sehen.“ „Das würde Shikamaru niemals tun!“ „So sieht es für mich aber nicht aus.“ „Ich kenne ihn! Er würde sich nicht umbringen!“ „Doktor, alle seine bisherigen Missionen liefen auf das hinaus, was wir „Selbstmordmission“ nennen – und dies nicht aufgrund der Art der Mission, sondern aufgrund der Art, wie sie durchgeführt wurden.“ „Dass seine Teams die Höchstquote aller erfolgreich erfüllten Missionen hält und dass seine Kameraden dabei kaum verletzt werden, zählt für sie nicht?“ „Manchmal muss man eben wissen, wann es Zeit zum Rückzug ist. Und das scheint Ihr Freund nicht zu wissen. Wahrscheinlich ist es nicht einmal böse gemeint, wahrscheinlich stellt er sich immer zwischen Gefahren und seine Kollegen. Aber das ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass ihm nichts wichtig ist – nicht einmal sein eigenes Leben. Erscheint es Ihnen nicht auch so?“ „Nein“, flüsterte Ino fassungslos und spürte den Klumpen im Hals. Sie hatte das Gefühl zu ersticken und dennoch – sie log. „Dann sind Sie blind“, fasste die Oberärztin zusammen und zuckte die Schultern. „Oder Sie wollen es einfach nicht sehen. Tja. Sehen Sie den Tatsachen ins Auge, Doktor Yamanaka. Ihr Freund möchte gar nicht mehr leben. Und nun gehen Sie und sehen Sie nach ihm. Vielleicht hat er es durchgestanden.“ Sie war entlassen. Die schwere Tür fiel hinter ihr zu. Die Wahrheit tat weh. *** Das Gefühl zu schweben hielt an. Merkwürdigerweise verspürte er nichts außer der Schwere, die es ihm unmöglich machte, seine Glieder zu bewegen, und für einen furchtbaren Moment glaubte er, er sei tot. Doch dann erinnerte er sich an andere Male, an denen er genau so erwacht war, und verspürte Erleichterung. Gepaart mit Trauer. Er war am Leben. Sie hatte ihn wieder einmal zusammengeflickt. Die Welt hinter seinen Augenlidern war orange und weiß – und still. Er bewegte vorsichtig seine Hand – sie funktionierte. Seine rechte Seite war taub. Er liess die Hand wieder fallen und lag eine Weile lang einfach nur da, versuchte, alles zu ignorieren und in die Stille der Ohnmacht zurückzufallen. Aber das blieb ihm verwehrt. „Tu nicht so, Shikamaru“, sagte eine wohlbekannte, helle Stimme neben ihm mit einem undeutlichen Unterton. „Ich sehe doch, dass du wach bist.“ Shikamaru Nara öffnete die Augen und starrte Ino direkt ins Gesicht. Sie musterte ihn durchdringend. Der sanfte Duft ihrer Haare kitzelte ihn in der Nase. Vanille. „Aha“, sagte sie spöttisch und überprüfte geübt den Verband an seiner Seite. Er spürte nichts. Sie hatte ihn betäubt. Aus reiner Gewohnheit liess er seinen Blick durch den Raum schweifen, aber er blieb nirgends hängen. Es war ein Krankenzimmer – eines von Tausenden. Er hatte schon so viele von ihnen gesehen und sie waren alle gleich. „Ehrlich“, sagte Ino und funkelte anklagend das Thermometer an, das sie aus ihrer Kitteltasche gezogen hatte. Komischerweise klang sie nicht so wütend wie das letzte Mal, dass er in solch einem Bett gelegen hatte. Sie sah auch nicht so wahnsinnig aus wie sie ausgesehen hatte, als er in die Notaufnahme gekommen war – sowieso schien sie nicht wütend zu sein. Und eine Ino, die nicht wütend war, war ungewöhnlich. Mit so einer Ino konnte er nicht umgehen. „Warum tust du das? Ständig muss ich dich verarzten. Das machst du doch nicht absichtlich, oder?“ Genervt rollte Shikamaru mit den Augen. Alles, was er wollte, war Ruhe. Ganz sicher keine Diskussion mit Ino, der Königin der Diskussionen. „Ino“, formten seine Lippen beinahe lautlos. Ino hielt inne und sah ihn an, trat dann ganz dicht heran, um hören zu können, was er sagen wollte. In ihrem Blick sah er etwas, das ihn die Augen schliessen liess. Er flüsterte es, ohne sie anzusehen. „Lass mich in Ruhe, Ino. Du nervst. Kümmer dich um deine eigenen Angelegenheiten und hör auf, mir Vorwürfe zu machen.“ Er öffnete die Augen nicht mehr. Aber er lauschte den schnellen Schritten, die den Raum leise verliessen, und hörte die Tür ins Schloss fallen. Endlich war es still. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)