Mutterinstinkt von Ricadu ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Hektik. Alles, was sie um sich herum wahr nahm war Hektik. Panisch umher hastende Menschen, schreiende Kinder, fluchende und Prophezeiungen umher rufende Menschen höheren Alters prägten das ansonsten eher friedliche Stadtbild, das zusätzlich auch noch massiv von dem großen Angebot an Sicherheitskräften gestört wurde. Sie verstand es immer noch nicht. Wie hatte es dazu nur kommen können? Der Tag hatte doch ganz normal begonnen! Oder täuschte sie sich da? War das, was sie als „normal“ bezeichnete, von dieser Realität vielleicht gar nicht so weit entfernt, ja, sogar gleich? Was war normal, was war Realität? Als sie aufgestanden war, mit ihrer Familie gefrühstückt hatte und sich auf den Weg gemacht hatte, da hatte sie sich diese Fragen noch nicht stellen müssen... was gab es denn im großen Universum der Zufälle, das sich jetzt auf einmal dazu entschieden hatte, ihr Leben so stark zu stören? Aber vielleicht sollte man bei dem Versuch, ihre Situation zu schildern, zu erklären, warum sie verschmutzt in einer dunklen Ecke hinter einer Mülltonne saß, etwas früher anfangen als hier, wo ihr langes, dunkelblondes Haar, ihr ganzer Stolz, nur noch dreckig vor ihrem Gesicht hing und die wieder aufgehende Sonne das ganze Geschehen in ein unwirkliches, blutrotes Licht tauchte... Der Tag hatte normal angefangen. Fröhlich summend war sie dem Nebel der Dusche entstiegen, hatte sich ihre Kleidung für den heutigen Tag zurecht gemacht, ihr Make-up aufgetragen, sich die Haare gerichtet und ihre Katze gefüttert, der restliche Haushalt war auch versorgt gewesen, die Kleine war in der Vorschule, eigentlich war alles in aller bester Ordnung. Keinerlei Beachtung hatte sie den Nachrichten geschenkt, in denen gewarnt wurde vor einer schrecklichen Seuche. Sie hatte es für einen üblichen Rückblick auf die Erlebnisse in Racoon City gehalten, nichts Neues, nichts Ungewöhnliches. Natürlich wusste sie von dem T-Virus, erst recht da ihr Mann bei Umbrella arbeitete, aber sie hätte nie gedacht, nie geglaubt, dass diese widerliche Krankheit hier, in ihrer schönen, ruhigen Vorstadt, weit genug von Racoon entfernt, ausbrechen könnte. Seelenruhig war sie aufgebrochen, um ihrer Tätigkeit als harmlose Verkäuferin im Einzelfachhandel, einem Blumenladen, um genauer zu sein, nach zu gehen. Im Grunde verdiente ihr Mann das Geld, aber sie war mit der Vorstellung von harter Arbeit aufgewachsen, außerdem hatte dieser Blumenladen einst ihrer Mutter gehört und sie war praktisch gesehen darin aufgewachsen, außerdem lief er ganz gut, also warum sollte sie ihn nicht weiter führen? Ihre kleine Tochter mochte den Duft von frischen Blumen, der immer an ihrer Mutter anhaftete, und ihrem Mann gefiel es, regelmäßig frische Blumen im Haus und auf dem sonntäglichen Frühstückstisch zu haben. Außerdem konnte ihre Kleine wunderbar Blumenkränze flechten und war dadurch bei den anderen Mädchen gleich viel beliebter. Ihre kleine Tochter... ihr ganzer Stolz. Ihre Familie war praktisch gesehen perfekt, auch mit dem Laden lief es gut, sie hatte einen treuen und liebenden Ehemann und unter ihren Stammkunden hatte sie einen richtig guten Freundschaftskreis aufgebaut. Was sollte sie sich also noch wünschen, außer dass es so blieb? Sich munter auf ihr Fahrrad schwingend radelte sie zu ihrem Laden. Ihr langes Haar wehte trotz des Gummibandes ein wenig im Wind, aber das störte die junge Frau nicht wirklich. Ihr Haar war ohnehin das einzige an ihrem Aussehen, dass ihr gefiel, und auch wenn ihr Mann ihr immer erzählte, sie wäre perfekt, so sah sie im Spiegel doch immer nur das übliche Durchschnittsmodell von Frau: flache Brust, zierlich, blass und keine wirklich schönen Gesichtszüge. Aber immerhin war sie kein wandelndes Fass, obwohl sie gerne mal wie eines aß. Dafür war sie, trotz ihrer zierlichen Figur, recht muskulös durch die Arbeit im Laden, außerdem fuhr sie viel Rad und lief auch gerne mal ein paar Runden, wenn sie nicht mit ihrer Tochter spielte. Nur dieser Tag, der eigentlich ein ganz normaler Mittwoch hätte werden sollen, war etwas anders als gewohnt... Vor ihrem Laden traf sie gleich eine ganze Gruppe von ihren Kunden. Größtenteils Frauen mittleren Alters. Aber es war anders als sonst... für gewöhnlich begrüßten diese sie mit einem fröhlichen „Guten Morgen Frau Thompson, wie geht es ihrer Tochter?“ oder „Frau Thompson, sie glauben gar nicht, was mir da letztens passiert ist!“, aber heute wirkten sie wie aufgeschreckte Hühner und, kaum dass Heather Thompson von ihrem Fahrrad abgestiegen war, so wurde sie auch gleich belagert. „Frau Thompson! Schnell! Schließen sie den Laden auf!“ Reichlich verwirrt, aber mit einem freundlichem Lächeln auf den Lippen versuchte sie ihr Fahrrad mit den Worten „Nur sachte meine Damen, ich bin gleich für sie da.“ an zu schließen, aber dieser Versuch wurde prompt vereitelt. „Nein! Aufschließen, bitte!“ Verwundert blinzelnd erhob sie sich wieder, das Schloss noch in den Händen, nun doch etwas irritierter. Zum Glück war der Tag bisher so schön gewesen. „Was ist denn los? Für gewöhnlich sind die Blumen doch auch nicht so lebensnotwendig, oder?“ Aber anstatt zu antworten deuteten die Frauen plötzlich sehr viel ängstlicher sogar noch als zuvor auf irgendetwas hinter Heather. Mit einem sanftmütigem Lächeln drehte sie sich um, doch was sie da sah ließ ihr das Herz still stehen. Einige Menschen liefen durch die Straße, direkt auf sie zu, wenn man dieses Humpeln denn noch als „gehen“ bezeichnen konnte. Ihre Haut war über und über von roten Flecken bedeckt und ihre Augen milchig weiß. Geschockt erkannte die junge Frau auch eine Mutter, Mitte dreißig, aus ihrem Freundeskreis unter diesen seltsam wandelnden Menschen. „Louise...?“ Jegliche Farbe wich aus ihrem ohnehin schon blassen Gesicht, und hätte nicht eine Frau von hinten sie am Arm gepackt und umgedreht, dann wäre sie wohl wie eine Salzsäule stehen geblieben. „Was... was...?“ „Die Nachrichten, Heather! Dieses widerliche Virus! Hast du denn nichts davon mitbekommen?! Arbeitet dein Mann nicht bei denen?!“ Es dauerte ein paar Sekunden bis Heather verarbeitete, was ihr da gerade gesagt wurde, und zum Glück bewegten die Infizierten sich mit der Geschwindigkeit einer Schnecke beim Umzug. Schnell nach ihrem Ladenschlüssel greifend schloss sie, das Fahrrad einfach zu Boden werfend, den Laden auf. Die Glocke schellte und nun drängten sich gut sieben Frauen auf einmal in das kleine Geschäft, die Letzte drückte schnell die nach innen aufschwingende Tür zu, die nächste stellte einen großen Topf mit einer stattlichen Zimmerpalme davor. Früher hatte Heather diese Tür immer verflucht, aber inzwischen war sie äußerst dankbar dafür. Mit noch immer rasendem Herz ließ sie sich die junge Mutter auf der Theke nieder und musterte die Gesichter der Anderen. Keine von ihnen schien zu scherzen. Jede hatte Panik, nur äußerte es sich bei jeder von ihnen anders. Die meisten von ihnen trugen noch Zeugen für zahllose vergossene Tränen zur Schau. Schließlich atmete sie tief durch und brach das Schweigen. „Also... was zur Hölle ist da los...?“ Sie verfluchte ihre Öffnungszeiten, denn da sie den Laden erst um zwei pm öffnete waren ihr Mann und ihre Tochter immer schon längst außer Haus wenn sie ging. Eine Weile herrschte wieder Schweigen, bis schließlich eine von ihnen zu erzählen begann. „Du weißt doch, wo dein Mann arbeitet... da gab es heute so gegen acht einen Betriebsunfall... sie haben wohl einen Behälter mit einem Virus umgestoßen, so wie in Racoon City. Die Geschichte dürftest du ja wohl kennen.“ Ja, die Geschichte kannte sie. Als das T-Virus ausgebrochen war und die ganze Stadt angesteckt hatte, die daraufhin mit Nuklear-Waffen vollständig ausgerottet wurde. Von ihrem, sich dauerhaft über seinen Konzern beschwerenden Mann wusste sie, dass Umbrella noch immer mit diesem widerlichen Virus arbeitete, also nichts dazu gelernt hatte. Aber das... hier, in ihrer Stadt... und... „Nein!“ Geschockt stand sie auf, sich automatisch in Richtung Ausgang bewegend, vergessend, dass die Infizierten, nun nur noch durch das Virus wandelnde Tote, noch immer davor umher streiften, einen Weg in das Innere ihres Ladens suchend. Zum Glück verfügten sie über keinerlei Intelligenz mehr, wie sie von ihrem Mann wusste, sondern wurden nur durch den Uhrtrieb zu fressen auf den Beinen gehalten. „Mein Mann und meine Tochter sind in Gefahr!“ Vier der sieben Frauen waren zu geschockt von dem, was sie gesehen hatten; übereinander herfallende Menschen, die sich gegenseitig fraßen, Menschen, die langsam zu rosa-roten Klumpen zusammen fielen, eine völlig in Panik verfallene Gesellschaft, um zu reagieren, aber die restlichen drei versuchten, Heather zurück zu halten. Halbwegs beruhigt suchte diese, die Einwände der Anderen nicht einmal wahrnehmend, nach einem Ausgang, der nicht von diesen... diesen Zombies blockiert wurde. Nach einer Weile fiel ihr der Notausgang ein. Nun nur noch eine Ausrede... „Ich... seh mal, ob ich etwas Tee oder Kaffe auftreiben kann.“ Mit mechanischer Stimme kamen diese Worte über ihre Lippen, aber die Frauen ließen sie gehen, obwohl sie ihr nicht trauten. Sobald Heather im Hinterzimmer angekommen war, öffnete sie dort die Feuertür und rannte durch die Flure des großen Altbaus, in dem sich ihr Laden befand. Zum Glück hatte sie früher hier gewohnt, dadurch kannte sie sich noch immer gut genug in diesen verzweigten Gängen aus, um auf die Straße zu finden. Sich mal eben ein anderes, herum liegendes Fahrrad nehmend, radelte sie so schnell sie konnte zur Vorschule ihrer kleinen Tochter. Allerdings musste sie zwei mal andere Wege einschlagen, weil überall Infizierte im Weg waren. Hätte die Angst um ihre Tochter sie nicht angetrieben, sie wäre wohl kaum so gefasst weiter gefahren. Der Mutterinstinkt war in ihrem Fall eben stärker ausgeprägt als alle Überlebensinstinkte gemeinsam. Bei ihrem nächsten Fluchtversuch geriet sie ins Straucheln und stürzte. Sich schnell aufrichtend spürte sie plötzlich die starke Hand eines Mannes, der sie hoch zog, doch anstelle einer Reaktion, wie sie sie bei den Frauen in ihrem Laden gesehen hatte, herrschte dieser sie an. „Sie Närrin! Verschwinden sie!“ Verschreckt sah sie sich um, versuchte, zu entkommen, nun von blanker Panik getrieben. Wieder fiel sie hin, unwissend, wo sie war. Es dauerte eine Weile, bis sie wieder aufstehen konnte. Es war eine dunkle, schmale und kaum beleuchtete Seitenstraße. Ihre Augen suchten hektisch alles ab, doch es schien keine Seele an diesem kalten Ort zu sein. Langsam setzte sie sich in Bewegung, lief tiefer in die unheimliche Straße. „Noch scheint er nicht hier zu sein.“, überlegte sie. Abrupt blieb sie stehen. Ein Geräusch! Sie lauschte angestrengt, doch nun hörte sie nichts mehr. Mit rasendem Herzen drehte sie sich um, blickte in die Dunkelheit. Aber es war immer noch nichts und niemand zu sehen. "Ist da wer? Zeige dich!", rief sie in die Stille der Nacht, die inzwischen über ihr Städtchen hereingebrochen war. Es war Herbst, beinahe Winter, dennoch wunderte sie sich. Ging die Sonne wirklich so schnell unter? Als sie wieder das Geräusch von zuvor wahrnahm, zuckte sie zusammen und sah sich erneut schreckhaft um. Flackernd gingen die Straßenlaternen an und erneut vernahm sie die Stimme dieses Mannes. „Sie sollen verschwinden habe ich gesagt! Diese Stadt ist nicht mehr zu retten! Es gibt keine Überlebenden mehr außer uns beiden!“ Mit Tränen in den Augen wich Heather zurück und lehnte sich dabei seitlich an eine Wand, den Blick auf diesen Fremden gerichtet. Als er endlich aus dem direkten Licht heraus trat und halbwegs erkennbar war, sah sie, dass auch er abgehetzt wirkte. Auf seiner Wange hatte sich bereits ein roter, triefender Flecken rohes Fleisch gebildet. Vor Übelkeit schlug sie eine Hand vor den Mund und wand sich ab, während sie von weiter Ferne Hubschrauber heran nahen hörte. „Sie haben das Militär herbei gerufen...“ Meldete er sich wieder zu Wort, den Blick verzweifelt gen Himmel gerichtet. „Bald wird es vorbei sein, bald sind wir alle tot...“ Panisch zu dem Mann sehend schrie Heather ihm ein wutentbranntes „Nein!“ entgegen, ehe sie an ihm vorbei rannte. Überall, wohin sie auch sah, waren Infizierte. Dennoch schaffte sie es, in einer letzten Überwindung, das gestohlene Fahrrad wieder auf zu heben - Infizierte konnten damit wohl nicht sonderlich viel anfangen - und radelte los, in Richtung Stadtrand, wo die Vorschule ihrer kleinen Tochter lag. Sie konnte ihr Kind in so einer Situation doch nicht alleine lassen! Je weiter sie fuhr desto schwieriger wurde es jedoch für sie, da ihr die typischen Anhaltspunkte für die Wegfindung schlichtweg fehlten. Inzwischen brannten diverse Autos und Geschäfte, überall liefen sie wie die Zombies umher, die letzten noch klar denkenden Menschen schrien wie am Spieß während sie versuchten zu entkommen, obwohl sie auch an sich bereits die Spuren der Krankheit entdeckten. Es dauerte nicht lange, da stürzte sie mit dem Fahrrad über einen undefinierbaren Klumpen etwas, sie wollte sich gar nicht vorstellen, was genau das war. Nur leider war jetzt das Fahrrad hinfällig, und wohin sie auch sah, sie sah keinen Weg mehr. Ihr Mut verließ sie und sie spürte Müdigkeit und Schmerzen, die sie schon seid dem ersten Sturz beherrschten, bedeutend stärker, nun, wo das Adrenalin fehlte. Verzweifelt blickte sie an sich herab und sah dort, wo ihre Kleidung zerrissen war, nun schon ebenfalls diese widerlichen roten Male die ihr Leben hin fort nehmen würden. Sie wusste, sie würde ihre Tochter nicht mehr erreichen, sie nie wieder sehen. Mutlos schleppte sie sich weiter, von den Bewegungsabläufen ähnelte sie nun denen, vor denen sie die ganze Zeit geflohen war. Inzwischen hatten jedoch einige Soldaten die Stadt betreten und schossen alles nieder, was ihnen entgegen kroch. Das letzte bisschen Überlebensinstinkt ließ sie in eine Seitengasse verschwinden, wo sie sich hinter einer Mülltonne versteckte und die letzten Überlebenden beobachtete, wie sie zwischen den Soldaten Schutz suchten, den sie doch nie erhalten würden. Leise seufzend richtete sie ihren Blick auf das kleine Stück vom Horizont, das sie sehen konnte, während die aufgehende Sonne alles in ein seltsam unwirkliches Licht tauchte... Etwas später am Tag las die etwas ältere Nachrichtensprecherin über ihre neuen Notizen, eine Hand in ihrem grauen Haar versunken. Ein neues Racoon City... wie schrecklich! Und auch die kleine Fußnote, die Anzahl der Überlebenden... furchtbar... Nachdem sie sich etwas gefasst hatte trat sie an ihr Pult für die üblichen 10-Uhr-Nachrichten. Mit belegter Stimme begann sie zu erzählen. „Bevor wir zu den modernen politischen Entwicklungen kommen, möchte ich sie über einen Vorfall in einer kleinen Stadt unseres geliebten Landes informieren. Der Ort, der einen großen Firmensitz des allseits bekannten Pharmakonzerns Umbrella beherbergte, wurde gestern von einer schrecklichen Seuche, dem so genannten T-Virus, heim gesucht. Wie damals in Racoon City musste die Stadt vollkommen unter Karantäne gestellt werden, lediglich eine kleine Vorschule am äußeren Stadtrand blieb unversehrt, da die Lehrer und Lehrerinnen die Gefahr rechtzeitig erkannten und Alle Zugänge versperrten, sobald die Nachricht über die ersten Infizierten sie erreichte. Ein großes Lob gebührt diesen Männern und Frauen, die es geschafft haben, die Kinder am Leben zu erhalten. Leider gibt es keinerlei Informationen über die Familien der Kinder, man muss aber damit rechnen, dass sie alle ihre Eltern verloren haben. Spenden zur momentanen Versorgung der Kinder können sie an die nun am unteren Bildrand angezeigten Daten überweisen. Und nun zur Politik...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)