All the Wrong Reasons von Xynn (... are they the Right Decisions?) ================================================================================ Kapitel 28: Veränderung ----------------------- Rue öffnete seinen Mund. Sekunden der Angst. Sekunden in denen eine grausame Vorstellung die nächste jagte. Was würde Rue ihr sagen? Konnte es noch viel schlimmer kommen? „Ich bin zu einer Erkenntnis gelangt.“, begann er und starrte sie unbeirrbar an. Ihr fehlte augenblicklich die Luft zum Atmen. Welche Erkenntnis? Shaelyn konnte nicht sagen, ob sie dieses mal seine dunkle Stimme wirklich hören wollte. „Meine Haltung dir gegenüber, Shaelyn, war nicht korrekt. Dafür möchte ich mich offiziell entschuldigen.“ Ein stiller Moment verging. Fassungslos blickte sie in sein blasses Gesicht. Ein Augenblick, in dem sie versuchte seine Worte zu realisieren. Worte vollkommen ohne Emotion. Worte ohne einen Wimpernschlag. War das hier echt? Eine Entschuldigung? War es die Wahrheit? Sie öffnete ihre Lippen, doch kam nichts über jene. In ihrem Kopf war völlige Leere. Verwirrt zog Shaelyn ihre Augenbrauen zusammen. Schließlich siegte ein Gedanke. „M-Meinst du das ernst? Die Entschuldigung. War sie ernst gemeint?“, fragte sie heiser, als sie versuchte den Kloß in ihrem Hals herunter zu schlucken. Konnte sie sich seiner Worte schon sicher sein, selbst wenn er es bejahen würde? Rue zeigte keine Regung – schien er in Gedanken versunken zu sein. Musste er tatsächlich erst darüber nachdenken? „Ja.“, folgte es schließlich wohl überlegt und ebenso sicher, was sie wiederum verunsicherte. Konnte sie nun einfach seine Entschuldigung annehmen? Sie spürte noch immer den tiefen Schmerz in ihr. Etwas, was sie nicht einfach ignorieren konnte. Was Rue getan hatte war sehr verletzend gewesen. War er so skrupellos? Erwartete er nun, dass sie ihm wirklich verzieh? Wie sollte er das wieder gut machen? Oder … wollte er das gar nicht? War das die traurige Realität? „Shaelyn.“, schüttelte ihr Großvater sie regelrecht mit ihrem Namen wach, sodass sie nach Vorn sah. Watari blickte sie warum durch den Rückspiegel an. „Du solltest Ryuzakis Entschuldigung annehmen.“ Abermals fragte Shaelyn sich ob das alles wirklich passierte. Ihr Großvater ergriff das Wort? Und er riet ihr, dass sie ihm einfach so verzeihen sollte? Rasch warf sie Rue einen Seitenblick zu - jener sie noch immer anstarrte. Unerschütterlich mit seinen dunklen Augen; als wartete er ganz auf ihre Antwort. Ihr Herz tat einen Sprung. „I-Ich weiß nicht...“, meinte sie weiter zaghaft. Ihr war absolut nicht wohl. Völlig überfordert, wusste sie nicht wohin mit ihren Gedanken und Gefühlen. Natürlich wünschte sie sich von Herzen eine Versöhnung – aber es blieb die Angst erneut enttäuscht zu werden. Würde er es noch einmal tun, wenn ihm danach war? Zählte das? Sie wünschte sich doch, dass er auf sie zu kam. Ihr ganzes Ich sehnte sich nach ihm. Jeder weitere Tag ohne ihn war unerträglich. Ganz egal was ihr Verstand sagte, wie blind sie war – sie wollte auf ihr Herz hören. War doch Rue es, der ihr Herz so hoch schlagen ließ. Wie in diesem Moment. Rue bewegte sich leicht, was sie etwas aus der Starre löste. Stumm beobachtete sie wie er sich für einen Moment richtig hinsetzte, nur um in seine rechte Vordertasche zu greifen. Mit geschlossener Hand holte er etwas hervor und hielt ihr kurze Zeit später jene entgegen. „Ich schenke es dir.“ Shaelyn zögerte. Besah zunächst seine Hand, ehe sie langsam ihre Handfläche darunter hielt. Was wollte er ihr schenken? Vor allem jetzt? Die Antwort befand sich schon in der nächsten Sekunde auf ihrer Handfläche. Verwirrt blinzelte sie einmal bevor sie es erkannte. Und schließlich bescherte ihr dieses kleine Geschenk tatsächlich ein kleines Lächeln. Eine, in buntem Papier gehüllte, Süßigkeit lag auf ihrer Handfläche. War es wirklich das, was sie sich dachte? Hatte er es so lange in seiner Tasche aufbewahrt? Das würde an ein Wunder grenzen. „Ist das … ?“ „Ja.“ Ja, es war das Vanillebonbon von Silvester. Das, was er ihr unter keinen Umständen geben wollte und erbittert verteidigt hatte. Und er hatte es bis heute nicht gegessen. Shaelyn umfasste das Bonbon und blickte zu Rue auf, der wie gewohnt einen Daumen an seinen Mund führte. Natürlich sagte sein Gesichtsausdruck nichts aus. Allerdings dafür sein Geschenk umso mehr. Dieses Bonbon war eine schöne Erinnerung. Auch wenn es wohl für einige nicht verständlich war. Es war ein Symbol, das auch er nicht vergaß. Ein Zeichen, das ihr etwas Hoffnung gab. Die Aussicht auf einem vielleicht besseren Start. Konnte Shaelyn von Vorn beginnen? Sah sie viele ihrer Fehler, wenn auch nicht alle. Es war an der Zeit für eine Veränderung. Und kamen solche Erkenntnisse nicht immer erst nach schlimmen Dingen? Sie hatte Rue überfordert. Zu Sachen gezwungen, die er so nicht wollte. Die Zeit sollte ab jetzt ihr Trumpf sein. Rue brauchte einfach nur mehr Zeit. Diese sollte er bekommen. Allerdings zweifelte sie an ihrer Geduld. Nicht, dass sie nach einem halben Jahr vollkommen verzweifelte und ihn irgendwann doch überrumpelte. Doch... für Rue war es wert zu warten. Egal wie lang das sein würde. Sie war demnach mehr als bereit Rue eine Chance zu geben. Es war das sanfte Lächeln von Shaelyn, das unmittelbar sein starkes Interesse weckte. Aufmerksam verfolgte er ihre Regungen - Die noch so kleinste Veränderung wurde wahrgenommen. Doch lag sein schnell schlagendes Herz nun an der Tatsache dass sie ihm verzieh, oder dass sie ihn anlächelte? Oder war es beides zugleich? Es war L suspekt – nach wie vor. Sicher war allerdings die Erleichterung die er verspürte. Ebenso wie den Schmerz in seiner Daumenkuppe, auf der unruhig gebissen hatte. „Ich kann dein Geschenk nicht annehmen, Rue.“, verließ es ihren Mund, was ihn überraschte. Hielt Shaelyn ihm dann ihre geöffnete Hand entgegen. „Warum?“, folgte es skeptisch von ihm. „Es ist ganz allein dein. Du sollst es vernaschen. Wann immer du es auch vorgehabt hast. Oder... ob du es überhaupt tust.“ … L unterband die Gedanken die sich einschlichen. „Wenn du willst, dann schenke mir etwas anderes. Aber das kann ich wirklich nicht annehmen.“ Fragend zog er eine Augenbraue an. „Was schwebt dir als Ersatz vor?“, fragte er salopp, obwohl er schon bedenkliches vermutete. Streckte L auch gleich seine Finger nach ihrer Hand aus. „Mir wäre ein Neuanfang lieb. Lass uns einen Neustart machen.“ Kurz hielt er inne und musterte ihr Gesicht. L wusste was das bedeutete. Shaelyn schöpfte Glauben. Eine Zuversicht, auf die er gut acht geben müsste. Trotz dessen musste er etwas zugeben: Shaelyn besaß Kampfgeist. Sie gab nicht auf. Sie gab ihn nicht auf. Seine Neugierde war geweckt. So nahm L sich die Süßigkeit mit den Worten: „Einverstanden.“ Es war ein stummes Versprechen an ihr. Es gäbe eine Möglichkeit auf eine gemeinsame Zukunft. L konnte nicht einschätzen ob es gut oder schlecht für ihn war. Shaelyn freute sich. Endlich wieder, weshalb sie breiter Lächelte. Es war nicht nur die Erleichterung und Freude, die sie überwältigte. Wenn sie im nächsten Moment nicht an die Schule dachte. Eigentlich hätte sie keinen Grund sich nun zu freuen. Schließlich musste sie von ihrem Versagen in der Schule berichten. Schnell wandte sie sich ab und kratzte sich beschämt an der Wange. Papier raschelte, ein Schmatzen war zu hören und ließ sie nicht daran zweifeln, dass gerade Rue Süßes verputzte. „Keine Sorge.“, war es dann nach einem Schmatzer zu hören, sodass sie in seine Richtung blickte. Rue leckte sich die rechte Daumenkuppe ab. „Wir sind bereits im Bilde.“ Über was? Sie brauchte einen Moment, bevor sie den Faden fand und es böse in ihr dämmerte. „Was... ?“, tastete sie sich vorsichtig heran. „Du hast die Aufnahmeprüfung nicht bestanden.“, meinte Rue entspannt. Ihr Herz setzte vor Schock eine Sekunde aus. Erschrocken stierte sie Rue neben sich an. Woher wussten sie davon?! Ihr Großvater? Panisch blickte sie nach Vorn. Ihr Großvater ließ nun den Motor an. „Opa... das...“ „Mach dir darum keine Gedanken, Shaelyn.“ Komplett verwirrt zog sie ihre Augenbrauen zusammen. Jetzt hatte sie tatsächlich das Gefühl im falschen Film zu sein. War sie doch fest davon überzeugt gewesen, dass ihr Großvater enttäuscht sei. „Und... das ist nicht schlimm?“, wandte sie sich an ihren Großvater, der ihr einen kurzen warmherzigen Blick im Spiegel zuwarf. „Ryuzaki wird sich jetzt deiner annehmen.“ Verdutzt warf sie Rue ihren Blick zu – Er wirkte gelassen. „Ich denke, … das wird für dich kein Problem darstellen.“, meldete sich Rue zu Wort, woraufhin Shaelyn ihn prompt perplex anblinzelte. „Ja... ich meine Nein.“ Shaelyn war wirklich fassungslos. Jetzt war Rue ihr Lehrer? Wie lange würde er das machen? Nur für die Prüfungsaufnahme? Was sollte das alles bedeuten? „Und für wie lange, … Herr Lehrer?“ Wenn sie sich nicht versah, dann schienen seine Mundwinkel leicht nach oben zu wandern. Ob ihm das Spaß machte das sie ihn so nannte? Oder hatte das etwas anderes zu bedeuten? „Das werden wir feststellen müssen.“ „Und wann fangen wir damit an?“ „Sofort.“ Shaelyn lehnte sich ergeben gegen die Rückenlehne. „Sofort? Nicht Zuhause?“ „Nein. Wir werden zunächst einen kleinen Ausflug starten.“ „... und wohin?“ „Das wirst du noch erfahren.“ Baff öffnete sie ihren Mund. Wieso wurde sie das Gefühl nicht los, das bereits alles geplant war? Aber beschweren wollte Shaelyn sich sicher nicht. Immerhin versprach das jede menge Zeit mit Rue. Was er wohl alles wusste und ihr beibrachte? Wo sie wieder bei der bereits oft gestellten Frage war: Wie schlau war Rue? Sie musste es mit einem Genie zu tun haben. Watari bog in eine weitere Straße ein und Shaelyn versuchte gleich einen Anhaltspunkt für das Reiseziel zu finden. Das tat sie nun schon seit gefühlten Stunden. Wohin brachte Großvater sie? Oder viel mehr; sie und Rue. Und was konnte Rue gemeint haben? Bisher hatte er nicht mit seinem Unterricht begonnen. Also wartete er doch bis zum Ziel der Reise – das offensichtlich außerhalb der Villa lag. Shaelyn war nervös. Was würde sie erwarten? Sah sie immer höhere Gebäude. Ragten sie so hoch in den Himmel, dass sie nicht einmal das Ende von ihrer Fensterseite sehen konnte. Gingen unzählige Leute die breite Straße entlang. War sie in der Innenstadt? Noch nie hatte sie derart viele Menschen gesehen – noch diese großen Wolkenkratzer. Es gab noch so viel zu entdecken und es war überwältigend. Führte der Weg jedoch weiter, vorbei an den gewaltigen Gebäuden, den Massen von Menschen, geradewegs in eine ruhigere Gegend. Bäume säumten die Allee, in der ihr Großvater einbog. L. A. war doch ein seltsamer Ort. Gigantisch und vielfältig. Von den Villen in den Hills, über die unglaubliche Innenstadt und diesen fast parkähnlichen Ort, der aber keinesfalls einer war. Es war... wie ein großzügiger Platz. Das Auto fuhr langsamer und bog in die andere Seite der Straße ein, sodass Shaelyn ihren Blick auf jene Seite richtete. Unmittelbar fing sie das Starren von Rue ein. … Wie lange wurde sie schon von ihm beobachtet? Rue unterbrach sein Stieren nicht. Nein, er hielt es aufrecht. Es war ihm egal, ob sie ihn bemerkte. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Dachte er nach? Shaelyn biss nervös auf ihrer Unterlippe herum. Sie war sich unsicher was sie sagen oder tun sollte. Oder sollte sie gar nichts tun? Er fing sie mit seinem Blick ein und ließ sie nicht gehen. Eine Flucht war unmöglich. Schien es fast so als wäre sie unfähig etwas anderes anzusehen. Stockend hob und senkte sich ihr Brustkorb. Das Atmen war schwerer geworden. Was wollte Rue? Im Grunde wollte L damit nichts bezwecken. Es war ein reines Beobachten. Allerdings reagierte Shaelyn fast wie in Trance darauf. Ihre aufkommende Aufregung konnte man ihr ansehen, rührte sie sich jedoch nicht. Shaelyn blieb still. Ein Umstand, der ihm etwas zu denken gab. Ohnehin gab es ein paar ungeklärte Fragen. Dessen Antworten er allerdings schon bald bekam. Schließlich trat der Detektiv in Aktion – aber niemals ohne einen bestimmten Grund. Der Wagen hielt. Das Ziel war somit erreicht, registrierte Shaelyn dies nur nicht. War ihre volle Aufmerksamkeit noch immer auf Rue seine Augen gerichtet. „Wir sind da, Shaelyn.“, merkte Rue unter seinem Starren an, sodass sie doch kurz irritiert blinzelte. „Auch wenn deine ungeteilte Aufmerksamkeit meinerseits für dein Lernen nur Vorteile schafft, solltest du es darauf beschränken.“ Shaelyn zog ihre Augenbrauen zusammen. Wie sollte sie das jetzt verstehen? „Du solltest dich auf das Wesentliche konzentrieren. Nur ein gut gemeinter Tipp.“, fügte er an, woraufhin sie schwach grinsen musste. Das Wesentliche? Rue war für sie das Wesentliche. „Das Lernen, Shaelyn.“, bekam sie den Verweis von Rue, als ob er ihre Gedanken lesen konnte. Was bei ihm kein Grund zur Verwunderung war. Ein Lächeln stand ihr im Gesicht. „Ja, was denn auch sonst?“ Natürlich wusste sie, dass er sich damit nicht ablenken ließ und er die Wahrheit kannte. Aber wenigstens gab sie ein klein bisschen Kontra. Bei dem ganzen Trubel hatte sie gar nicht bemerkt, dass ihr Großvater längst außerhalb des Wagens stand. Genau genommen an ihrer Tür, die er vorsichtig öffnete und ihr seine Hand entgegen hielt. Wie es sich eben als wahrer Gentleman gehörte. Demnach fasste sie nach seiner Hand und stieg aus dem Wagen. Gleich wusste sie, worauf der Ausflug abzielte. Ein riesiges Museum, an dessen Pforte die amerikanische Flagge im lauen Wind wehte. Was hätte sie auch anderes erwarten können? Es wäre der beste Ort für ein paar freiwillige oder unfreiwillige Unterrichtsstunden. Erfreut lächelte sie. Es wäre wohl das erste Mal, dass sie sich freiwillig und gern unterrichten ließ. Ob ihr Großvater mitkam? Ein Blick zu jenem und er schenkte ihr einen freundlichen Gesichtsausdruck. „Ich wünsche dir einen angenehmen Vormittag und zögere nicht Ryuzaki um Hilfe zu bitten.“ „Danke...“ Ihre Frage wurde somit beantwortet. Ein ganzer Vormittag allein mit Rue. Wenn das nicht vielversprechend war, dann wusste sie auch nicht weiter. Die perfekte Gelegenheit sich in Geduld zu üben. „Wir haben wenig Zeit zur Verfügung. Daher sollten wir anfangen, Shaelyn.“, kam es plötzlich von der Seite, sodass Shaelyn prompt zu Rue blickte. Wenig Zeit... ? L ging voraus. Es blieben exakt zwei Stunden und neununddreißig Minuten. Bis dahin sollten die wichtigsten Dinge erklärt und verinnerlicht werden. Zumindest fürs Erste. „Halt! Warte doch mal!“, rief Shaelyn ihm nach. Der Detektiv wandte sich mit dem Oberkörper um und konnte beobachten wie sie die Treppen hastig hinaufstieg um zu ihm aufzuschließen. „Was soll das heißen; wenig Zeit?“, fragte sie als erstes aufgeregt, als sie eine Treppenstufe unter ihm zum Stehen kam. „Die Zeit ist begrenzt.“, antwortete er geradeheraus und sie verzog das Gesicht. „Ja... das weiß ich auch. Aber wieso?“ L hob einen Finger an, sodass sie aufmerksam darauf blickte. „Es gibt noch andere Dinge zu erledigen.“ Direkt starrte sie ihn wieder an. „Das klingt gar nicht nett... so wie du das gesagt hast.“ „Wir sollten die verbliebene Zeit nutzen.“, verließ es knapp seinen Mund und überging somit ihre Anschuldigung, steckte die Hand wieder in die vordere Hosentasche und wandte sich nach Vorn. Eine Diskussion mit ihr zu beginnen war keine gute Idee. Jene Diskussionen führten meist zu Problemen, die er gern vermeiden wollte. Und es blieb erstaunlich ruhig. Keine Wiederworte. Shaelyn folgte ihm still ins Gebäude. Shaelyn drückte das Band der Umhängetasche fest in ihrer Hand zusammen. Es kostete sie einiges an Beherrschung nicht Zunder auf seine provokative Antwort zu geben. Jedenfalls empfand sie es als provokant. Schon der Satz, er habe noch andere Dinge zu erledigen, klang überhaupt nicht nett. Als sei sie ein weiteres 'Ding', was man auf der Liste abhaken müsste. Oder war es gerade nur die Wut, die ihr das einredete? Immerhin war sie neugierig und wollte wissen was er noch vor hatte. Es kam selten genug vor, dass er sagte, er müsste etwas erledigen. Und sie wusste auch immer noch nicht, was er so erledigte. Sie musste seufzen. Um ihren neu gefassten Plan in die Tat umzusetzen, brauchte es nun einmal Ruhe. Sicherlich war es unmöglich immer ruhig zu bleiben, aber versuchen konnte sie es. Und war es nicht Rue, der ihr schon oft riet, sich in Beherrschung zu üben? Sie musste es endlich lernen – und natürlich nicht nur das. Rue kaufte die Einzeltickets und wies sie an ihm zu folgen. Bei dieser Gelegenheit besah sie die große Eingangshalle. Ihr stand sprichwörtlich der Mund offen. Nicht nur der gewaltige Innenraum, sogar auch der Boden war ein Blick wert. Sie konnte sich im hellen, fast weißen, Marmor selbst erkennen. Spiegelglatt, ohne nur einen Makel zog sich der gesamte Boden durch die Halle. Fast wäre sie auf die Knie gegangen und hätte den Steinboden einmal angefasst. „Ich sehe nichts Interessantes.“, kam es nachdenklich von der Seite und natürlich von keinem anderen als Rue. Shaelyn musste mit den Augen rollen und besah den gebeugten jungen Mann neben sich. „Also ich konnte da unzählige Bilder und Formen erkennen. Siehst du es nicht?“ Der Schwarzhaarige starrte sie nun skeptisch an. „Nein. … Aber vielleicht sollte man deine Augen noch einmal untersuchen lassen. Nur zur Vorsicht.“ „Nein, das liegt einfach nur daran, dass du gar keine Fantasie hast.“ Shaelyn erinnerte sich da gern an die Wolken am Himmel. Sie musste grinsen. „Wenn man will, sieht man überall schöne Sachen.“ „Mit anderen Worten, du bist selbstverliebt.“, meinte Rue gelassen, woraufhin sie in Unverständnis die Augenbrauen zusammenzog. „Wieso das denn?“ „Ich sehe nur mein Spiegelbild auf dem Boden.“ Abermals musste sie seufzen. „Vergiss' es... Du weißt eigentlich ganz genau was ich meine.“ „Vielleicht.“ „Ganz vielleicht. Und waren deine Worte vor nicht gerade wenigen Minuten, dass wir keine Zeit haben? Immerhin hast du viel zu erledigen.“ Rue zog, aus ihrer Überzeugung bewusst, überrascht seine Augenbrauen an. „Richtig.“ Nach der kleinen Diskussion, ging Rue in eine Richtung, in der sie selbstverständlich folgte. „Wo liegt dein Hauptproblem?“, wandte er sich überraschend beim Gehen an sie. Shaelyn überlegte kurz. „Eigentlich alles. Die Verfassung aber schlimmer. Da blicke ich nicht richtig durch.“ Rue blieb urplötzlich stehen, sodass sie fast stolperte als sie es ihm gleich tat. Er deutete auf ein großes Bild. Sie sah es sich aufmerksam an. Ein altes Gemälde, auf der lauter Menschen aus der Renaissance Zeit etwas zu diskutieren schienen. Dieses Bild hatte sie auch in ihrem Geschichtsbuch gesehen. „Du solltest dir ab jetzt Notizen machen.“, gab er ihr den Hinweis, den sie sich zu Herzen nahm. Aus ihrer Umhängetasche kramte sie den kleinen Notizblock und fischte sich einen Kugelschreiber aus der Mappe. Bereit für Notizen, blickte sie ihn ernst an. „Ich bin bereit, Herr Ryuzaki.“ Natürlich war seine Reaktion diesmal anders: Er starrte sie schlicht an. Immerhin hatte sie ein wenig Spaß daran gefunden. Er begann mit den grundlegenden Dingen und es entwickelte sich mehr wie ein Frage- und Ratespiel, als dass Rue direkt mit den Antworten heraus rückte. So zog es sich fast anderthalb Stunden hin und ihr Notizblock sah nie unordentlicher aus. Ständig wurde etwas gestrichen, an den Seiten eilig etwas hineingekritzelt und letztendlich doch wieder gestrichen. Entnervt und schon mit leichten Kopfschmerzen bestraft, setzte sie sich auf einer der Banken im schier endlosen Museum. „Eine Pause bitte.“, ächzte Shaelyn, während sie ein paar verirrte Strähnen aus dem Gesicht wischte. In diesem Augenblick wurde ihr das Notizbuch aus der Hand gerissen. Überrascht blickte sie zu Rue an ihrer Seite hinüber, der ihre teilweisen unleserlichen Texte überflog. Vorsichtig strich er mit den Fingerkuppen über die aufgeschlagene Seite. Er dachte wohl nach. Das nahm Shaelyn jedenfalls an. „Es sieht ganz danach aus, als wäre die Stunde erfolglos verlaufen.“ Man konnte sogar Unzufriedenheit aus seiner Stimme entnehmen. Shaelyn war sich allerdings keiner Schuld bewusst. „Sei nicht so streng. In der Zeit hast du so viel von irgendwas gesprochen, dass ich nicht mitkam.“ „Irgendwas. Ich verstehe.“, ließ er grübelnd nachklingen und bedachte sie mit einem fast strafenden Blick. Shaelyn zuckte mit den Schultern. „Du verwirrst mich. Kaum habe ich eine halbwegs richtige Antwort gegeben, beginnst du mit Neuem. So schnell kapier ich das einfach nicht.“, gab sie ehrlich von sich. Sie wollte ja lernen. Und liebend gerne von ihm. Aber er war zu schnell. Viel zu viel in der kurzen Zeit. Er konnte und wusste viel. Aber zum Lehrer schien er nicht geboren zu sein. „Ich...“, begann sie entschuldigend und nahm mit Bedacht, und unter genaues Beobachten seinerseits, das Notizbuch wieder an sich. „will es ja können. Ich freue mich, dass du mir das beibringst. Aber ich brauch Pausen.“ Shaelyn lehnte sich etwas vor und besah ihn weiter von der Seite. Er entgegnete ihr mit einem nichtssagenden Ausdruck. Doch ein Lächeln zierte ihr Gesicht. „Wenn du also einverstanden bist, lass' uns das langsam angehen. Mir bleibt ja noch genug Zeit für die nächste Prüfung.“ Sie ließ kurz Stille einkehren, ehe sie erneut den Mund öffnete. „Hiermit verspreche ich, dass ich die nächste Prüfung dank deiner Hilfe ohne Probleme schaffen werde. Klingt das ausreichend genug für dich?“ Rue hatte ihre ganzen Worte mit Aufmerksamkeit verfolgt. Anscheinend dachte er über all das nach, denn eine Antwort von ihm brauchte einen Moment. „Und in dem Fall, dass du es nicht schaffst?“ Überrumpelt blinzelte sie einige Male. „Werde ich schon nicht. Und wenn doch...“ Jetzt überlegte sie selbst angestrengt. Was fragte er auch danach? Und wenn er so misstrauisch war, dann überließ sie ihm die Wahl der Strafe. „Dann kannst du dir eine Strafe ausdenken. … Naja. Ich denke, das enttäuschte Gesicht von meinem Opa wäre Strafe genug...“ Shaelyn sah auf den makellosen Boden, in dem sich die gläserne Kuppel über ihr spiegelte. Natürlich wäre ihr Großvater total enttäuscht und das allein würde ausreichen. Sie wollte ihn nicht noch einmal hängen lassen. Ihr Fehlschlag heute nagte an ihr. Wie sie so hatte durchfallen können. Der Blick des Lehrers war beschämend gewesen und die ständigen Gedanken an Rue. Vor wenigen Stunden noch saß sie völlig fertig in der Bibliothek und weinte. Plötzlich war das Gesicht von Joel vor ihrem inneren Auge. Sie fühlte gleich seine Arme um ihren Körper. Direkt strich sie sich unwohl ihren linken Arm. Es war falsch gewesen Joel so nah an sich heran zu lassen. Es fühlte sich an, als habe sie etwas sehr schlimmes getan. Dabei hatte er sie nur trösten wollen. Aber es war so, als hätte sie Rue hintergangen. Shaelyn kannte dieses starke, seltsame Gefühl nicht. „Shaelyn.“, sprach L die sichtlich abwesende Shaelyn an. Da gab es weiterhin etwas, was sie beschäftigte. Shaelyn verheimlichte ihm was. Sie blickte ihn beklemmt von der Seite an, ehe sie versuchte es zu kaschieren. Ein aufgezwungenes kleines Lächeln lag auf ihren Lippen. „Schon gut. Ich dachte nur an... den Test und Opa.“ Sie war eine ausgesprochen schlechte Lügnerin. „Gibt es etwas, was du mir sagen willst?“, fragte er ohne Hemmungen, woraufhin sie seinem Blick auswich und sich unsicher einige schwarze Haarsträhnen hinters Ohr strich. „Ehrlich gesagt will ich nicht darüber reden. Wäre das okay?“ L gab sich damit nicht zufrieden. Wenn sie Probleme hatte, was sie ganz offensichtlich hatte, sollte sie darüber sprechen. Belastungen ließen sich nicht durch reines Schweigen lösen. Zumindest galt dies für Shaelyn. Sie sollte sich auf ihre schulischen Leistungen konzentrieren. „Ich denke nicht, Shaelyn.“ Die Engländerin blickte traurig zu ihm hinüber. Ein Umstand, der ihn weiter misstrauisch werden ließ. Es hatte deutlich etwas mit ihm zu tun. Das sagte nicht nur seine Spürnase. „Es ist ja sowieso sinnlos dich davon überzeugen zu wollen, dass alles halb so wild ist. Aber ich möchte wirklich nicht darüber sprechen. Bitte akzeptiere das.“ Ihre Worte waren klar. Sie war nicht bereit über das Problem zu sprechen. Und wenn der Detektiv in solch einer Situation ohnehin nicht schon genug überfragt war, trieb ihn seine Neugier weiter dazu nachzuhaken. L konnte es nicht für sich beruhen lassen. Vor allem da er selbst involviert schien. Shaelyn fühlte sich zunehmend in die Ecke gedrängt. Rue würde wohl nicht aufhören nachzufragen. Sie konnte es sogar etwas verstehen. Immerhin wollte sie auch wissen was los war, wenn ihn etwas beschäftigte. Oder sogar bedrückte. Was bisher nur einmal vorkam, aber es änderte nichts daran. Doch trug sie tiefe Angst in sich. Was, wenn sie davon erzählen würde? Käme er sich dann betrogen vor, weil sie ihr Versprechen gebrochen hatte? Aber war es nicht das Mindeste ihm davon zu erzählen? Sie wollte ihn nicht kränken. Und eigentlich hielt sich sich an ihre Versprechen. Dass Joel ausgerechnet auf diese Schule ging, konnte sie unmöglich vorher wissen. Es hatte sie auch nie interessiert wo er zur Schule ging. Er war ein Freund mit dem sie hin und wieder sprach. Außerdem war Schule nie ein Thema, über das man gerne sprach. Wie sollte sie es also wirklich vorher wissen? Dann ließ er sich ebenso wenig abschütteln wie Rue. Nein, eigentlich war Rue der schlimmere, aber Joel war mit seiner Freundlichkeit kaum abzuwehren. Sie müsste ihn heftig vor dem Kopf stoßen. Und das hatte er nicht verdient. Was sollte sie tun? Was verlangte Rue von ihr? Er erwartete noch immer eine Antwort. Still beobachtete er sie. Shaelyn wäre wohl niemals in der Lage etwas vor ihm zu verheimlichen. Sie spürte die Schuld ihm gegenüber. Von Anfang an wusste sie, dass die Zeit dafür kommen würde. Es war nur eine Frage der Zeit. Und jene war natürlich sehr schnell gekommen. „Lass uns das bitte woanders klären, okay? Nicht hier im Museum. Wenn wir Zuhause sind, dann sag ich dir was los ist. Wärst du damit einverstanden? Ich sage dir alles, was du wissen willst.“, sagte sie langsam und mit viel Unwohlsein. Welches sich nicht besserte. Denn Rue rührte sich nicht. Nicht einmal ein Blinzeln war zu sehen. Dachte er wieder einmal nach? Aber was hätte er für eine Wahl? Er konnte sie schlecht zwingen gerade hier und jetzt davon zu erzählen. Doch über was musste er so nachdenken? Und das wieder an diesem einen Tag? Unsicher kaute sie auf ihrer Unterlippe. Spannung baute sich auf. Und das mit jeder weiteren schweigenden Sekunde. Und endlich schien er antworten zu wollen, weshalb sie auf seine Lippen sah. Plötzlich begann der Boden zu vibrieren und die Bilder an der Wand klapperten. Auf der Stelle riss Shaelyn ihren Kopf um und klammerte sich an die ebenso bebende Bank. Ein paar Menschen schrien erschrocken auf. Blickte sie sich panisch um und konnte kaum auf der Bank ruhig sitzen. Unerwartet wurde sie am Oberarm gepackt und auf die Beine gezogen. Sie blickte voller Furcht in das konzentrierte Gesicht von Rue, der vor ihr stand. Ohne weiter darüber auch nur nachdenken zu können, fasste er schließlich ihre Hand und zog sie eilig mit sich. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Was passierte hier?! Sie hatte Mühe sich richtig auf den Beinen zu halten. Im Freien angekommen, und das keine zwei Minuten später, stoppte Rue. Wie auch all die anderen Menschen, die aus dem Gebäude geflüchtet waren. Das Beben war langsam vereppt. Shaelyn schnaufte extrem aufgeregt und außer Atem. Rue war so schnell gewesen, dass ihre Lungen weh taten. Allmählich klärte sich ihr Verstand. War das ein Erdbeben gewesen?! So plötzlich, ohne auch nur eine Vorwarnung! Sie dachte, gleich würde alles einstürzen! Was war Kalifornien für ein fürchterlicher Ort?! Shaelyn sah sich um und erkannte noch ein paar andere, die so in Panik geraten waren. Kleine Kinder weinten und hielten sich an ihre Mütter fest. Und unter all den aufgeregten Menschen wirkte Rue fehl am Platz. Er war sehr gefasst, als wüsste er einfach damit umzugehen. Als wüsste er genau, was man machen müsste. Er hatte die Situation sofort erkannt und gehandelt. „Was... was war das?! Ein Erdbeben, oder?“, wandte sie sich an Rue, der vor ihr stand. Natürlich war es eines gewesen, aber sie konnte es kaum fassen. Es ging so schnell. Es kam so unerwartet. Rue richtete sein Augenmerk nun auf sie. „Ja.“ „Das... ist ja schrecklich.“, hauchte sie noch immer mit rasendem Herzschlag. In England war so etwas nie vorgekommen. Da hörte man es aus Nachrichten und Zeitungsberichten. Aber hautnah ein Erdbeben zu erleben war unglaublich. Und sicher kein Ereignis, was man gern erlebte. „Kein Grund zur Sorge.“, sagte Rue und es stieß gleich auf Unverständnis bei ihr. „Wie? Also ich fand das schon sehr besorgniserregend! Da wünsch' ich mir mein England zurück!“ „Das war ein sehr schwaches Erdbeben. Und hier nicht unüblich, Shaelyn.“ Seine dunkle Stimme war ruhig und sein Blick teilte ihr ebenso Gelassenheit mit. Dennoch war sie noch zu sehr durch den Wind. „Was soll das heißen? Das kommt hier mal öfter vor? Und noch sehr schwach? Das fand' ich gar nicht!“ „Richtig. Du solltest dich daran gewöhnen. In der letzten Nacht gab es ein kleines Vorbeben.“ Davon hatte sie gar nichts mitbekommen. War das möglicherweise genau dann, als sie ein wenig schlafen konnte? Sicher. Sonst wäre sie voller Panik nach unten gerannt und hätte nach Rue gesucht. Aber es musste wirklich ein kaum vorhandenes Beben gewesen sein. Bei dem leichten Schlaf wäre sie sicher sofort aufgeschreckt. Ob sie sich je daran gewöhnen könnte? Es klang, als wäre ein Erdbeben alltäglich. War es das hier? Die Menschen um sie herum wirkten nicht so als wäre es so häufig. Shaelyn versuchte sich zu beruhigen. Als sie dann nach ihrer schief sitzenden Tasche greifen wollte, fiel ihr schließlich etwas auf. Irritiert starrte sie auf die Hand von Rue, die ihre noch immer hielt. War er doch nicht ganz bei der Sache? Er hätte doch sonst sicherlich bemerkt, dass er sie noch immer an der Hand hielt. Beschweren wollte Shaelyn sich bestimmt nicht. Und wenn sie ehrlich war, wollte sie am liebsten von ihm in den Arm genommen werden. L rechnete jeden Moment mit einem minimalen Nachbeben. Das mit garantierter Wahrscheinlichkeit auftreten würde. Weshalb er auf der Hut war, jedoch Shaelyn nicht davon unterrichtete. Er musste ihre Panik nicht noch steigern. „Du guckst so konzentriert...“, ließ sie anmerken und L hob eine Augenbraue an. Sie musterte sein Gesicht genau. Offensichtlich rätselte sie, was ihn beschäftigte. Ehe der Grund wieder erzitterte. Ein kurzes und einmaliges, aber deutliches, Beben. Ebenso deutlich wie ihr überstürzter Überfall um seinen Hals. Panisch drückte sie ihr Gesicht gegen seine Brust und atmete schwer. Für einen Moment erstarrte er. Sie suchte Sicherheit bei ihm. In diesem Fall verwehrte er ihre Nähe nicht. L belog sich wieder einmal selbst. „... Ich will wieder Heim.... nach England.“, nuschelte sie angsterfüllt, das ihn augenblicklich zum Nachdenken anregte. L konnte ihre Aussage verstehen. Ihre Heimat war frei von derartigen Katastrophen. Heimat. Ein Wort, das er selbst seit einiger Zeit nicht mehr so betrachten konnte, wie er es jetzt tat. Das Erdbeben war ein Anstoß. Dennoch war Shaelyn es, die ihm dieses Wort anders nahe brachte. Die Bedeutung war simpel und auch nie ein Gedanke wert gewesen. Und trotz dieser einfachen Bedeutung nahm es eine andere Sichtweise bei ihm an. Shaelyn lehrte ihm die richtige Betrachtungsweise. L zog seine Augenbrauen leicht zusammen. Ein befremdlicher Gedanke. Ein Klingeln riss sie und Rue aus den Gedanken. Gleich fasste er an ihren Oberarm und zeigte ihr, dass sie loslassen sollte. Zögerlich folgte sie seiner Aufforderung und nahm widerwillig Abstand. Natürlich wollte sie weiterhin sein Herz an ihrem Ohr schlagen hören. Seine Wärme spüren und seine Geborgenheit genießen. Sie konnte sich bei ihm geschützt fühlen. Eine Stütze, bei der sie bei jeder Erschütterung sicheren Halt fand. Es war ihr schwer gefallen loszulassen. Rue griff in seine Hosentasche und holte sein Handy heraus. Shaelyn konnte sich denken wer jetzt anrief und verhielt sich ohnehin ruhig. Ihr Großvater hatte sich bestimmt Sorgen gemacht. Nach ein paar wenigen Worten war das Gespräch schon beendet, woraufhin Rue das Handy wieder wegsteckte. „Geht es Opa gut?“, fragte sie und fühlte sich unbehaglich. „Ja. Watari wird uns gleich abholen.“ Überrascht blinzelte Shaelyn. „Schon? Gehen wir nicht wieder rein und lernen weiter?“ „Nein. Wir werden es aufschieben müssen.“ „Aha... und wann kann ich wieder auf deine Hilfe zählen?“, hakte sie interessiert nach und sah mit an, wie er wieder seine Daumenkuppe an den Mund führte. „Gegen Abend ließe es sich einrichten. Genau wie ein weiterführen des Gespräches.“ Shaelyn schluckte gleich. Das war aber nicht das, was sie wollte. Er hatte es nicht vergessen – sie bei der Aufregung dafür umso mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)