All the Wrong Reasons von Xynn (... are they the Right Decisions?) ================================================================================ Kapitel 25: Showdown -------------------- Hallo und da bin ich wieder, nach einem halben Jahr Pause. Ich langweile euch mal nicht damit, was bei mir alles so los war. Daher habt einfach viel Spaß mit dem neuen Kapitel :) Und die Wortanzahl wird erst einmal eine Ausnahme bleiben... 27.000 Wörter sind doch arg viel. ____ Teil 2 des Kapitels „Rue … ?“, fragte Shaelyn vorsichtig an, überkam ihr dabei eine Gänsehaut. Sein Blick … er sah sie ganz genau an. So intensiv, dass ihr der Atem wich und der Puls in die Höhe schoss. Als er dann seinen Mund schwach öffnete, rechnete sie fest mit Worten – doch verließ nichts seine Kehle. Wagte sie es sich nicht etwas weiteres zu sagen, oder auch nur zu denken. War sie auch nur noch kaum dazu in der Lage. Alles spielte verrückt. Flucht war sinnlos. Die Handschellen taten ihren Sinn. Wie sollte sie nun schon widerstehen können? Ganz als wusste Rue es, wandte er sich urplötzlich um, sodass sie irritiert auf die Rückseite seines schwarzen Shirts starrte. Erst musste sie realisieren was gerade passierte – oder auch passiert wäre. Dementsprechend fiel ihr überhaupt nichts ein, was sie sagen oder machen konnte. Sie stierte einfach nur auf seinen Rücken, den er weiterhin zur Schau stellte. Als dann doch eine kleine Weile verging, ohne, dass etwas stattfand, nahm Shaelyn sich zusammen. Ein leises Räuspern verließ ihren Mund. „... ähm... Rue?“ Das Schweigen des Schwarzhaarigen erfüllte nach wie vor den Raum. Biss sie sich umgehend nervös auf ihre Unterlippe. Was sollte sie tun? Vorsichtig hob sie ihre freie Hand an, streckte sie nach ihm aus. Vielleicht ging es ihm auch nicht gut? Viel zu schnell sorgte sie sich um die Menschen, die sie gern hatte – oder auch so bedingungslos wie Rue liebte. Es stimmte einfach etwas nicht mit ihm. Das spürte sie tief in ihrem Herzen. Hätte er nicht ganz anders reagiert, wenn er alles so wie immer wäre? Wieso sagte er bloß nie etwas? Warum war Rue nur so kompliziert? L knabberte angestrengt an seinem Daumennagel, an dem es eigentlich rein gar nichts mehr zu knabbern gäbe. Er brauchte dringend eine Auszeit – eine für seinen Kopf und auch Selbstbeherrschung. Plötzlich rasselte die Kette leise, bemerkte er wie die Spanne zwischen den Schellen kleiner wurde. Viel zu spät jedoch für eine Reaktion, da schon ihre Hand vorsichtig seinen Rücken berührte. Strich sie sachte mit ihren Fingern bis hinauf zu seiner Schulter – jagte ihm ihre zarte Berührung Schauer über den Körper. Jede einzelne Faser war wie angeregt, wartend darauf, dass nächste Berührungen folgten. Ließ L es sich schließlich gefallen, als sie ihn mit sanfter Gewalt zu sich umdrehte. Sofort blickte sie ihn überrascht an, was ihn augenblicklich wachsam stimmte. „Du... hast ja ein bisschen Farbe im Gesicht...“, folgte es perplex von Shaelyn. „Ist dir nicht gut? Ist es vielleicht zu warm?!“ Automatisch nahm sie ihre Hand von seiner Schulter, fasste ihm an seine Wange. Sie war warm. Und alleine die Tatsache, dass er überhaupt Farbe im Gesicht annehmen konnte, war eine Besonderheit. Was war nur los? „Ha...s...“ Sie hielt gleich den Atem an, als sie den unruhigen Blick von Rue auffing – und ihr Herz überschlug sich. Es begann heftig in ihrem Magen zu kribbeln. Das vertraute Gefühl von Leichtigkeit – das Gefühl, dass einfach alles um sie herum egal war. Spürte sie das übermächtige Pochen in ihrer Brust und jede noch so kleine Gänsehaut die über ihren Körper hereinbrach. Ihre Lippen bebten. Und jeglicher Gedanke war weit entfernt. Ein Wunsch jedoch blieb. Jener, der sich zu erfüllen schien. Fühlbar nah. So wie sein warmer Atem ihrem Gesicht. Eine sachte Verbindung wurde geschaffen, die fast zerbrechlich wirkte. Behutsam und liebevoll. Kaum mehr als ein Hauch – dennoch existent. Shaelyn schloss versunken ihre Augen, ließ sich einfach ins Unendliche treiben. Sogleich fuhr sie mit ihrer Hand von seiner Wange an den Nacken, zog ihn ein Stückchen näher – nur um den Kuss etwas zu verstärken, den er ebenso sehnlich erwiderte. Wie sollte sie jetzt noch seinen Worten glauben schenken? Er musste mehr für sie empfinden... viel mehr. War es denn möglich solch einen zärtlichen Kuss vorzutäuschen? Sie spürte, dass er sie auch begehrte. Zu deutlich, da es nicht bei dieser zurückhaltenden Berührung blieb. So ließ er einen Moment von ihren Lippen ab, nur um sie danach erneut mit den seinen zu versiegeln. Jedes mal ein wenig inniger, jedes Mal ein wenig ungestümer. Es war, als vergewisserte er sich, ob sie jeden seiner einzelnen Küsse erwiderte – und sie tat nichts lieber als dem nachzukommen, schließlich auch als er ihren Mund ganz in Besitz nahm. Es war so süß. So süß, wie damals schon einmal... Ein leises Keuchen klang in seinen Ohren nach, verriet es ihm nicht nur ihre Gefälligkeit – sondern auch seine Anfälligkeit ihrerseits. Viel zu verlockend war der Impuls sich ihr weiter zu nähern, alles zu kosten was sie ihm willig anbot. Denn wäre ihm ein Gedanke geblieben, hieße es, dass er noch Verstand besaß – was der Situation entsprechend kaum wahrscheinlich war. War es viel mehr der Drang auszuleben, was er unterdrückte. Das, was er schon zu lang ersehnte und nicht im Stande war es zuzulassen: Ihre Nähe. Unweigerlich Nähe, die er niemals zuvor gebraucht hatte. War es nun sein tatsächlicher Wunsch und Drängen sie ganz für sich zu haben – und das für immer an seiner Seite. Sie sollte nur ihm gehören. Wenn es da nicht eine Schwierigkeit gäbe. Eine sehr große, die ihn dazu zwang auf Abstand zu bleiben. Trotz dessen, und vielleicht gerade deshalb, war es die Liebe, die alles in Vergessenheit brachte – zumindest für diese Augenblicke. So war auch L eine bloße Marionette der Liebe. Wie viele große Menschen vor ihm. Geblendet, eingenommen, schließlich verführt und endgültig erliegen. Und das wohl schlimmste daran war, dass L all das bewusst erlebte – und trotz dessen nichts dagegen ausrichten konnte. Erschrocken sog Shaelyn die Luft heftiger ein, als Rue seinen Arm um ihren Rücken legte und sie an sich drückte – sich dabei aufrichtete, sodass der leidenschaftliche Kuss nur für eine Sekunde unterbrochen wurde. Stellte sie sich ein wenig auf die Zehenspitzen, hob den Kopf an. Zeigte es ihr erst jetzt, wie groß Rue tatsächlich war. Wie groß er die ganze Zeit über gewesen war... „Sicher, dass sie hier oben waren?“, hakte Joel nach, der das ratlose Gesicht von Dustin betrachtete. „Aber ja doch! Genau hier.“ Dustin deutete verwirrt auf die Stelle vor sich. Joel standen die Sorgenfalten auf der Stirn. Ihm war gar nicht wohl. Irgendwas war hier los. Er konnte Shaelyn weder unten, noch oben finden. Es war, als wäre sie vom Erdboden verschluckt. Seltsam genug, da Neujahr nicht mehr als zwei Stunden entfernt war. Das war nicht die Zeit jetzt schon die Biege zu machen. Dustin quietschte auf. „Was ist, wenn sie in einem der Zimmer sind und unartige Dinge tun?“ Gleich hielt sich der Junge die Hand dramatisch vor dem Mund. Angesichts der Aussage, stand Joel nun der Schock im Gesicht. Das konnte nicht wahr sein. War das nicht völlig idiotisch? Noch am Abend wirkte alles harmlos. Nicht ein Kuss, eine Annäherung oder sonstiges in der Richtung war zu beobachten gewesen. Und ja, er wusste mittlerweile, dass Shaelyn in diesen seltsamen Typen verknallt war. Er hätte blind sein müssen um das nicht über den Abend bemerkt zu haben. So wie Shaelyn den Kerl angesehen hatte, bestand kein Zweifel. Dennoch kein Grund, dass sie plötzlich so weit ging. Oder war sie zu naiv? Der Typ spielte ganz sicher mit ihr und sie bemerkte es nicht einmal. Umgehend drehte er sich um und riss voller Aufregung die erste Türe auf. Und hinter dieser Tür verbarg sich nichts. Das Elternschlafzimmer war noch immer so unangetastet wie als das Zimmer verlassen wurde. Gleich schloss er die Tür wieder und ging auf ein anderes Zimmer zu, nun verfolgt von Dustin, dem die Neugierde im Gesicht stand. „Du stehst auf die Kleine, oder?“, wandte sich dann dieser an Joel, der kurz inne hielt. Dustin lächelte breit. „Sieht man dir an der Nasenspitze an. Jetzt wirst du sogar ganz rot!“ „Lass' das.“, kam es dann Joel verärgert über die Lippen. Er konnte dem Getue nichts abgewinnen. „Also ich hab nichts dagegen, dass du auf das Mädchen stehst. Ich hab da eh eher Interesse an dem Typen.“, meinte Dustin gelassen und wurde sofort von Joel entrüstet angestarrt. „Das ist ja ekelhaft!“ Angewidert verzog der Brünette das Gesicht. Denn die Vorstellung war einfach nur widerlich. Das wollte er sich bestimmt nicht weiter anhören! Joel schüttelte sich einmal. „Na, nicht so gemein sein. Ich beschwere mich auch nicht über das dickbrüstige Mädchen.“ Dustin stemmte seine Hände an die Hüfte, war er dabei etwas beleidigt. Was Joel allerdings ignorierte und einfach die nächste Tür öffnete – woraufhin er gleich von allen guten Geistern verlassen wurde. Er traute seinen Augen nicht. Und er hörte knapp hinter sich ein panisches Luftholen. Da standen sie. Eng umschlungen, wild herum knutschend und ließen sich nicht einmal davon stören, dass jemand hereingeplatzt war. Der Wut war fast nicht standzuhalten, wie sie Joel traf. „Ey!“, rief er umgehend laut dazwischen, das auch anzukommen schien. L ließ von Shaelyns Lippen ab und wandte seinen Kopf zum Störenfried – was auch Shaelyn tat. Dustin lugte vorsichtig hinter Joel vor. Momente, in denen der Kopf wieder begann richtig zu arbeiten. Zumindest war das bei L der Fall, weshalb er kurz regelrecht einfror. Er brauchte eine sofortige Bedenksekunde. Denn war die Lage und auch die Konsequenzen des kurzen Intermezzos problematisch. „W-Wenn es nichts Wichtiges ist, kannst du dann wieder gehen … ?“, fragte Shaelyn hastig und etwas unsicher. Offensichtlich war sie noch ganz verwirrt. „Damit er dich weiter verarscht?!“, wetterte Joel lautstark, bekam jedoch gleich einen scharfen Blick von Shaelyn zugeworfen. Nun war sie voll bei der Sache. Überraschenderweise nahm L seinen Arm von ihr und hob ihn an; so als würde er sich melden. Alle starrten ihn unmittelbar an. „Es ist üblich, dass man zuvor anklopft.“, kam es L ungeniert über die Lippen, woraufhin alle verstärkt blinzelten. Ein kurzes Schweigen breitete sich aus. Ehe Joel den Kopf schüttelte und versuchte es zu ignorieren. Sogleich setzte er zum Sprechen an. Schnitt jedoch L prompt dazwischen. „Dieses Zimmer ist besetzt.“, verließ es hart, aber ruhig seine Kehle, ehe er eine unschuldige Miene aufsetzte. „Deswegen würde ich vorschlagen, dass du und deine Begleitung ein anderes aufsucht.“ Ein winziges, aber dennoch vorhandenes Grinsen zeichnete sich auf den Lippen des Detektiven ab. „Ich steh nicht auf Dustin! Klar?!“ „Was gibt es dann für ein Problem?“, hakte L seelenruhig nach. „Du!“, rief Joel noch immer in Rage. „Lass' deine schmierigen Finger von Shae! Du nutzt sie nur aus!“ L fixierte Joel, ehe ihm die Sicht genommen wurde. Shaelyn hielt ihre Hand vor seinen Augen. „Ruhe!“, schnaufte sie und L fasste direkt an ihre Hand und zog sie hinunter. „Er nutzt mich nicht aus, klar?! Und was geht dich das an, Joel?! Ich kann selbst auf mich aufpassen!“ „Plötzlich knutscht ihr herum? Überleg' doch selbst mal. Der will dich nur ins Bett kriegen! Sonst will der doch nichts!“ „Du spinnst doch!“, fauchte Shaelyn, nun ebenfalls wütend. „Falsch.“, durchbrach die deutliche dunkle Stimme Ls die aufgeheizte Stimmung – abermals richteten sich alle Augenpaare auf ihn. „Sie ist meine Freundin.“ Für einen flüchtigen Moment, war es totenstill – zumindest zwischen den Dreien, denn im Erdgeschoss wurde munter weiter gefeiert. Plötzlich meldete sich Dustin zu Wort. „Was mach ich dann noch hier?“ Mit einem Schulterzucken verließ er die Truppe und ging zur Party zurück. Joel allerdings stand dort, wusste nicht, was er sagen oder denken sollte. „Ist... das wahr?“ Noch während Joel diese Frage stellte, fiel Shaelyn L glücklich um den Hals. „Ja, ist es.“, bestätigte der Schwarzhaarige noch einmal betonend – und keine Sekunde später wandte sich Joel um und verließ das Zimmer mit einem lauten Knall der Türe. Umgehend fasste er an die Schulter von Shaelyn und brachte sie so zum Abstand nehmen. Verstört blickten ihn die waldgrünen Augen an. „W-Was?“, brachte sie konfus über die Lippen. L zögerte tatsächlich für wenige Sekunden. Es war wohl sein Gewissen, das an ihn appellierte. „Das war eine Lüge.“ Umgehend verlor ihr Gesicht jeglichen Ausdruck. Shaelyn stierte ihn an, öffnete etwas ihren Mund. Für wenige Momente war sie völlig weggetreten. „Heißt das,...“, begann sie mit atemloser Stimme. „dass das gerade alles … nichts bedeutet hat? Aber du...“ Sie fasste sich an den Kopf, blickte verwirrt von einem Punkt im Raum zum Nächsten. Er schwieg dazu. Wusste der Detektiv auch nicht, was er hätte dazu sagen sollen. Zählte lediglich die Klarstellung der Sachlage. Plötzlich riss sie sich von seiner Hand am Arm los und starrte wütend in seine Augen. „Du hast mich doch geküsst!“, führte sie ungehalten an. „Und nicht nur einmal! Du hast es immer wieder gemacht! Das kannst du nicht abstreiten!“ L begann in alter Manier entspannt an seinem Daumennagel zu kauen. „Das tue ich auch nicht.“ „Warum hast du es dann gemacht?!“ „Ich habe mich hinreißen lassen.“, bekam sie die nüchterne Antwort vorgesetzt, woraufhin sie gleich voller Entsetzen die Augen weit aufriss. „Bitte was?!“ „Warum so verärgert?“, setzte er nun fraglich an – das auf wenig Verständnis traf. „Tickst du noch richtig?! Warum ich so verärgert bin?! Is' das nicht klar?! Du spielst ja tatsächlich mit mir!“, schrie sie, presste dabei ihre Hand auf ihre Brust. „Bin ich nur ein Spielball für dich?! Glaubst du, dass du einfach machen kannst, wonach dir ist?! Ich habe Gefühle! Gefühle für dich! Und gerade deswegen tut es mir so weh, wenn du mich verletzt!“ Und abermals brachte er sie zum Weinen. „Es ist okay, wenn du mich ignorierst! Wenn du gemein bist, und es ist okay, wenn du abblockst! Aber was nicht okay ist, wenn du so grausam zu mir bist! Das habe ich nicht verdient, Rue... Ich will nur fair behandelt werden...“ Shaelyn wischte sich eilig ein paar Tränen aus dem Gesicht, schluchzte sie auch hastig. Wenn es je einen Moment gab, an dem er sich überfordert gefühlt hatte, dann war jener spätestens heute eingetroffen. Auch wenn er längst wusste, wie er das Blatt wendete, fühlte er so etwas wie Ratlosigkeit. Eine emotionale Aufwallung, die er mehr als unangenehm empfand. L kratzte sich am Hinterkopf. Er würde derartiges wohl niemals erfassen können. Eine frustrierende Feststellung. „Shaelyn.“, begann er ruhig, was jedoch die Schwarzhaarige sofort unterbrechen wollte. Sie hob ihre Hand an und winkte ab. „Lass es einfach. Lass mich einfach zukünftig in Ruhe. Damit bin ich am Glücklichsten.“, kam es ihr gefasster über die Lippen. „Und ich werde Opa einfach fragen, ob ich irgendwo eine kleine Wohnung bekomme, oder in eine WG ziehen kann. Ich will nicht mehr und ich kann auch nicht mehr. … Du bist so ein kalter … so eine kalte Maschine.“, besserte sie sich zuletzt aus. Ihre Hoffnungen schienen nun vollkommen gebrochen zu sein. L war endgültig zu weit gegangen – dennoch wäre es nicht typisch für ihn das einzusehen. Ebenso der stechende Schmerz im Brustkorb, der jedoch viel zu präsent war um es ignorieren zu können – was ihm bewies, dass ihre Worte ihn nicht absolut kalt ließen. „Du solltest mir zuhören.“, schnitt er trotz allem unerschrocken an. Nicht eine Regung verriet ihn. „Ne, danke. Ich bin bedient. Und ich werde Emma bitten die dämlichen Handschellen abzunehmen. War sowieso eine blöde Idee.“, sprach sie einfach und lachte bitter auf. „Ich weiß sowieso nicht was ich an dir finde. Bescheuert, das ich daran geglaubt habe, dass in dir ja vielleicht doch mehr Gefühl steckt. Was dir wichtig ist, ist doch nur deine was-weiß-ich-Arbeit und deine Pflichten, die du brav einhältst. Und sonst machst du dir einen Spaß aus mir und was ich empfinde.“ Sie sprach ihm gegenüber offen – und wenn er all die Punkte einmal genauer betrachtete, besaß sie im Grunde Recht. Allerdings machte er sich daraus keinen Spaß. L wusste nicht richtig damit umzugehen. Er konnte es nicht kontrollieren, so wie sonst alles in seinem Leben. Es war ein ewiges Hin und Her. Als sie sich dann abwenden wollte, packte er umgehend ihr Handgelenk. Direkt wehrte sie sich heftig. „Fass' mich nicht an!“ Erschrocken gluckste Shaelyn auf, als er ihr näher kam. Schienen auch all ihre Versuche sich loszureißen, zu scheitern. Das ohnehin sinnlos war – noch immer waren sie aneinander gekettet. „Ich mag es nicht, wenn man mir nicht zuhört.“, verließ es ernst den Mund des Detektiven, während er sie anstarrte. „Schön für dich!“, zischte sie unbeeindruckt und starrte dabei eisern zurück. „Mich kannst du einfach so herum schubsen! Das lass ich mir nicht gefallen!“ „Beruhige dich.“ „Ich denk' gar nicht dran!“ Shaelyn steigerte sich immer weiter hinein. „Wenn du dich beruhigen würdest, wärst du in der Lage nachzudenken. Dann würde dir etwas wichtiges Auffallen.“ Nun verstört schüttelte sie den Kopf, musterte genauer das weiterhin regungslose Gesicht von L. „Was soll ich da nachdenken? Ist liegt doch alles klar auf der Hand.“ „Wenn ich, laut deiner Aussage, eine kalte Maschine bin, wie hätte ich mich dann hinreißen lassen können?“ Perplex von seiner Äußerung, zog sie ihre Augenbrauen stark zusammen. „... Das ist doch total egal. Du hast gelogen! Gelogen damit, dass du mein Freund bist!“ „Richtig.“, stimmte er entspannt zu und ließ ihr Handgelenk los. Abermals verließ jeglicher Ausdruck ihr Gesicht – diesmal jedoch, da sie begann zu verstehen. „Was willst du genau damit sagen?“, hakte sie eilig nach. An dieser Stelle konnte L sich ein kurzes Seufzen nicht verkneifen. „Was gibt es daran nicht zu verstehen? Dass es mich hat hinreißen lassen, sollte dir Aussage genug sein. Ich bin nicht unempfänglich für … so etwas.“ L sprach es offensichtlich nicht gern an. Unerwartet blickte sie ihn erbost an, sodass er aufmerksam wurde. „Aha. Das heißt, du willst mich doch nur für irgendwelche Schweinerein?! Wäre ich nur dafür gut genug?!“ Angesichts dieser Mitteilung zog er seinen Mund in eine Gerade. Es machte wohl keinen Sinn ihr das so darzulegen. Die Zeit war reif für direkte Worte – oder eher Worte, die sie verstand. „Es könnte die Wahrscheinlichkeit bestehen, dass ich mich in dich verliebe, Shaelyn.“ Jene Schwarzhaarige fror für Sekunden ein. Entweder wollte sie tief im Boden versinken, oder auf Wolke Sieben schweben. Sogleich hielt sie sich die Stirn, ganz so als ob ihr der Kopf schmerzen würde. „I-Ich... muss mich setzen.“ Ohne auf Rue zu achten, setzte sie sich in Bewegung und nahm auf der Bettkante platz – wie Rue es ihr gleich tat. Eine peinliche Stille trat ein. Zumindest empfand es Shaelyn so. Konnte sie auch nicht anders als erst einmal zu schweigen. Wenn sie nur daran dachte, was sie ihm wieder an den Kopf geworfen hatte. Natürlich war sie auch jetzt noch etwas wütend, jedoch mehr auf sich selbst. Rue hatte Recht. Ja, sie hatte nicht nachgedacht. Aber wieso musste er es auch genau so sagen, dass sie es zwangsläufig missverstand. Warum sagte er nicht gleich was los war? „Rue... Ich...“, begann sie, mied dabei seinen Blick, den sie deutlich auf sich spürte. „Ist das … also meinst du das ernst?“ Verunsichert biss sie auf ihre Unterlippe. Was war schon Wahrheit? Für Rue war die Wahrheit etwas Anderes. Außerdem log er ohne Rot zu werden, oder auch nur mit der Wimper zu zucken. Wer sagte ihr also, dass er es diesmal ernst meinte? Wollte er sich nur aus der Affäre ziehen? Und er sagte schließlich auch, dass die Möglichkeit bestand, nicht, dass sie eintreten würde. Sie stieg da nicht durch! Aber wenn sie doch an den Kuss dachte... Es musste schon etwas daran sein, dass es ihm gefiel. „Ja.“ „Also hast du mich geküsst, weil es dir gefallen hat … ?“ Zögerlich wagte sie mit kribbelnden Bauch einen Blick zur Seite, kreuzte unmittelbar den seinen. „... Das ist anzunehmen.“ Ein schwaches Lächeln schlich sich gleich in ihr Gesicht. „Und weil es dir gefällt, glaubst du, dass mehr aus uns werden könnte?“ „Wahrscheinlich.“ „Das sind ziemlich undeutliche Antworten.“ „Ja.“ „... Ein 'Ja' ist in dem Zusammenhang auch ziemlich undeutlich.“ „Dann ein...“ Rue musterte kurz die Zimmerdecke, ehe er sich erneut an sie wandte. „'Stimmt'.“ Umgehend musste sie leise kichern. „Das ist dasselbe!“ Rue gab ihr keine Antwort darauf. Stattdessen hoben sich für kurze Zeit minimal seine Mundwinkel. Es sah fast so aus als lächelte er. Viel zu schwach um es genau sagen zu können. Allerdings für Shaelyn deutlich genug. Laut stieß sie die Luft aus. Jedes Mal aufs Neue schaffte er es sie zu beschwichtigen. Selbst mit solch ungewisse Aussagen – oder mit einem so milden Lächeln, das er viel zu selten zeigte. „Warum aber hast du gesagt, dass ich deine Freundin bin?“, wollte sie umgehend wissen. Immerhin sagte man so was nicht einfach so. Er musste doch wieder einen wichtigen Grund haben. Soviel wusste sie immerhin schon. „Die Gelegenheit war gegeben.“ Überrascht hob sie die Augenbrauen an. „Hm? Wie meinst du das? Damit sollte man eigentlich nicht scherzen...“ Das zeigte der Streit zuvor. „Dustin“, meinte Rue dann, was sie noch weiter verwirrte. „Dustin? … Dustin!“ Natürlich! Aber wieso sollte er dann wirklich sagen, dass sie ein Paar wären? Joel war dabei und das führte nur zu weiteren Lügen. Er dachte jetzt immerhin ebenfalls, dass sie mit Rue zusammen war. Sowieso machte Shaelyn gerade mit Rue gemeinsame Sache – so sah es jedenfalls aus. „Du willst also ein Liebespaar vorspielen? Wieso der Ganze aufwand?“ „Wie bereits gesagt: Es war günstig.“ „Du bist echt bekloppt. Ich kapier' das alles nicht....“, sprach sie mit einem knappen Kopfschütteln. Ehe sie begann zu grinsen – Ein so breites Grinsen, das Rue mit Bedenken beäugte. „Dafür, dass die Lüge aufrecht gehalten werden soll, verlange ich was! Wäre ja ganz schön blöd von mir, wenn ich daraus nicht auch meinen Vorteil schlage!“ „Das gefällt mir nicht.“, legte der Schwarzhaarige offen, zog dabei auch ein kaum begeistertes Gesicht. „So sind die Regeln. Also dafür, dass Dustin, Joel und der Rest der Leute denken, dass wir ein Paar sind, muss auch was dafür getan werden. Und auch als Entschädigung... Tust du das nicht, wirst du noch sehen was du davon hast.“ Shaelyn grinste weiter vor sich her – wenngleich ihre Gesichtszüge mehr gefährliches anmutete. Wenn Rue meinte, er könnte mit ihr tun und lassen was er wollte, dann sollte er auch die Retourkutsche dafür kassieren. Wie er bereits vermutet hatte, kam nichts Gutes dabei heraus. Shaelyn verlangte mehr. Viel mehr, als er sich leisten konnte. Und ihre Reaktion sagte ihm, dass er auf der Hut sein musste. War sie immer wieder in der Lage Dummes anzustellen – und er musste dafür gerade Stehen. Allerdings konnte er ihre Drohung nicht ignorieren. Oft genug hatte sie bewiesen, dass er sie nicht unterschätzen sollte. Sollte er auf ihren Vorschlag eingehen, war es zu steuern. Unabsehbar allerdings wenn sie Rachegelüste verspürte. L wog einen Moment ab. „Für die Dauer des Aufenthaltes werde ich deinen Partner mimen.“, lenkte er schließlich rational ein, während er misstrauisch beobachtete, wie sie sich mehr zu seiner Seite setzte. Seine Intuition schlug Alarm. „Allerdings solltest du es nicht-“ Shaelyn lehnte sich, ohne seine Worte zu beachten, an seine Seite und legte ihren Kopf an seine Schulter. Sofort war ihre Körperwärme deutlich zu fühlen. Leicht erschrocken darüber und auch etwas verkrampft, starrte er auf ihren Kopf an seiner Schulter. „Auch wenn es gemein von dir war, Rue... Es tut mir leid.“, sprach sie leise. „Was ich gesagt habe war … nicht gut.“, hing sie bedrückt an, während sie sich leicht regte. Konnte L gleich darauf wahrnehmen, wie sie sachte mit ihren Fingerkuppen über seinen Handrücken strich, was er umgehend gezielt mit seinen schwarzen Pupillen verfolgte. Löste das Streicheln einen angenehmen Schauder aus. L senke schwach seine Augenlider. „Du hast eine ziemlich große Hand, Rue. Meine sieht neben deine so klein aus.“, kam es etwas vergnügt von Shaelyn. Urplötzlich fasste Rue nach ihrer Hand, sodass sie kurz zusammen zuckte – und auch mit dem Streicheln automatisch stoppte. Direkt blickte sie erschrocken auf und entgegnete seinem starren Augenpaar. Hatte sie etwas Falsches getan? War er vielleicht böse auf sie? Warum sagte er nichts? Wieso konnte sie bloß nur so selten eine Regung in seinem Gesicht erkennen? Unsicher wartete sie auf eine Antwort, oder überhaupt auf einen Laut seinerseits. Jener jedoch ausblieb. Das Luftholen wurde schwer und die Aufregung stieg ins Unermessliche. ... Was war los? Öffnete sie gerade ihren Mund, wandte er seinen durchdringenden Blick ab, wusste sie auch sofort warum. Die Kette rasselte leise, als Rue ihre Hand anhob, drückte er danach seine Handfläche gegen die ihre. Nun war der Unterschied klar zu sehen – ihre Hand war so klein im Vergleich zu seiner. „Das liegt sehr wahrscheinlich daran, dass du eine Frau bist.“, ließ er nüchtern, mit Blick auf die Hände gerichtet, verlauten und sie stutzte, starrte ihn dann direkt an. Rue, jener sich ihr dann wieder zu wandte, erwiderte daraufhin ihr Stieren. „Ach? Echt?“, sprang sie trocken auf seinen Kommentar an. „Hätte ich ohne deine Feststellung gar nicht bemerkt.“, sprach Shaelyn nun sarkastisch. „Und ich hätte ohne deine Bemerkung nicht bemerkt, dass es einen Unterschied zwischen der Größe unserer Hände gibt.“, konterte er doch tatsächlich mit einem regungslosen Ausdruck, jedoch genauso voller Sarkasmus. „Pah!“, rief sie eingeschnappt und zog ihre Hand hastig von der seinen, jedoch nicht bedenkend, dass diese kleine Kette sie noch immer verband. Dementsprechend gab Rue einen unzufriedenen Laut von sich als sie seine Hand ruppig mitriss. „Das war unnötig.“ „Dann sei nicht so frech zu mir.“ Shaelyn streckte ihm kurz ihre Zunge raus, ehe sie sich abwandte. Rue war wirklich taktlos. Dabei hatte sie doch gar nichts schlimmes getan. Aber je mehr sie so abweisend dort saß, desto mehr stieg der Zweifel an. Denn eigentlich wollte sie die Stimmung in eine andere Richtung lenken. Da er nun so reagiert hatte, kroch die Angst hoch, er habe ihr nicht verziehen. Was sie gesagt hatte, war gar wirklich unfair gewesen. Zwar hätte er es viel eher auflösen können, trotzdem rechtfertigte das nicht ihr Gesagtes. Shaelyn seufzte. Sie musste einsehen, dass ihre Sturheit gerade falsch war. Infolgedessen drehte sie sich um. „Ich...“, begann sie dann zögerlich, wurde allerdings in der nächsten Sekunde von Rue unterbrochen: „Schon gut. Mittlerweile bin ich daran gewöhnt.“ Überrascht blickte sie ihn abermals an. War das jetzt so leicht gewesen, zu erkennen, was sie ihm sagen wollte? Und was sollte das überhaupt bedeuten; er war mittlerweile daran gewöhnt?! Da wollte sie sich abermals entschuldigen und bekam so eine Antwort! Er hätte sie ja wenigstens ausreden lassen können! Immerhin hatte es sie Überwindung gekostet. „Du bist echt ein Blödmann!“, warf sie ihm an den Kopf. L verzog nicht eine Miene. „Daran bin ich ebenfalls mittlerweile gewöhnt.“ „Was ist das denn für ein Scheiß? Das ist doch nicht ernst gemeint gewesen, oder?“, meinte Emma perplex und starrte auf den Ring, welchen Amber ihr vor die Nase hielt. „Doch!“, meinte jene, während sie den Ring ihrer Freundin gab. „Das geht mal gar nicht!“, beschwerte sich die Brünette und blickte verärgert auf den Plastikring. „Der hat dir echt so einen Schrott geschenkt? Der hat aber Nerven.“ „Ja und das beste daran war, dass er noch meinte, ich soll mich jetzt glücklich schätzen. Nicht alle Freundinnen bekommen Schmuck von ihrem Macker geschenkt.“ Fassungslos gab Emma den wertvollen Ring zurück. Dieser verschwand schnell in der kleinen Handtasche der Blonden. „... Da fehlen ja selbst mir die Worte... Da kann man mal sehen wie viel du ihm wert bist. Ich hoffe du hast ihm einen Arschtritt verpasst.“ „Und ob! Seh' ich so aus als ob ich das nötig habe? Es gibt genug Typen mit denen ich Ausgehen kann.“ Emma fasste sich an die Schläfe. Wie konnte Ambers Freund nur so eine Nummer abziehen? So viel Dummheit hatte sie selten gesehen. Bei dem Stichwort, gesehen, zischte auch schon Joel an ihr vorbei, sodass sie aufmerksam wurde. Ihr Bruder sah wütend aus. So wütend, dass sie den Eindruck hatte, er würde gleich mit dem Kopf durch die Wand. „Warte mal kurz. Ich glaub, ich muss mal kurz nach meinem Bruder sehen.“ Amber sah sich kurz nach jenem in der Menge um, nickte daraufhin nur. Gleich nahm die Amerikanerin die Verfolgung auf. „Joel?!“, rief sie ihm nach, schien nur nicht bei der lauten Musik anzukommen. Dann in der hintersten Ecke des Hauses, stoppte er schließlich und sie trat mit Vorsicht zu ihm. „Joel?“ Der junge Mann wandte sich auch gleich sauer an sie. „Hau' ab!“ „Was ist denn passiert?“, hakte sie besorgt nach. „Lass' mich einfach in Ruhe!“, blaffte er sie aufgebracht an, sodass sie die Hände anhob. „Wow, halt jetzt mal. Komm' mal runter. Ich hab' dir nichts getan.“ „Dieser Typ! Dieses Arschloch!“ Emma standen buchstäblich die Fragezeichen in den Augen. Welcher Typ? Meinte er nun seinen allseitsbeliebten Klassenkameraden? „Ist Gordon hier aufgetaucht? Oder wen meinst du jetzt?“ „Diese Vogelscheuche! Er spielt mit ihr! Und sie ist so naiv und fällt auf den Typen rein!“, kam es ungehalten von ihm, woraufhin Emma sofort ganz bei der Sache war. „Rue? Was war los?“ „Er hat mit ihr geknutscht! Und wer weiß was er noch alles getan hätte und gerade mit ihr tut! Das ist ekelhaft!“ Völlig verwirrt blinzelte die Brünette zunächst einige male. Rue hat mit Shaelyn geknutscht? „... echt?“ Irgendwie wollte sie nicht recht daran glauben. Auch wenn sie ihre Freundin mit ihm verkuppeln wollte, dachte sie, dass es noch dauern würde. Allerdings schienen sie doch schon recht schnell bei der Sache zu sein. Na, so unschuldig war das kleine Mäuschen gar nicht. „Nein! Ist alles nur Fantasie! … Natürlich! Wie ich es dir gesagt habe!“ „Also... du hast sie dabei erwischt wie sie geknutscht haben?“ Joel zog seine Augenbrauen noch enger zusammen. „Ja?! Was sage ich denn die ganze Zeit?!“ „Okay, erst mal kommst du was runter. Rue ist zwar echt... seltsam, aber so wie ich ihn bisher kennengelernt habe ist er nicht so der Typ der mit Frauen spielt...“ Und wenn er es doch tat, dann blühte ihm die Strafe des Jahrhunderts! Was sie jedoch weniger dachte. „Sie wäre jetzt wohl seine Freundin... was weiß denn ich?!“ Noch weiter überrascht über das Ganze öffnete sie die Augen mehr. Das war ja allerhand. „Jetzt lass mich einfach in Ruhe! Dieser Penner kotzt mich so an!“ Entgegen dem Wunsch ihres Bruders blieb Emma. Joel war verletzt und natürlich wütend. So wollte sie ihn dort nicht zurücklassen. Also stellte sie sich still neben ihrem Bruder. Was sollte man auch dazu sagen? Emma freute sich für Shaelyn. Aber es war auch traurig, dass Joel eben doch keine Chance bekam. „Sieht denn keiner was für ein Mistkerl er ist? Der lügt doch wenn er den Mund aufmacht! Er ist herablassend, eingebildet und eiskalt!“ „... aber er ist der, den Shaelyn liebt.“, beendete Emma ruhig seine Aussage, woraufhin er auch direkt die Faust ballte. Ja, es tat ihm sehr weh – aber es war die Wahrheit. Daran konnte er nichts ändern. „Wenn er Shaelyn auch nur ein Haar krümmt, brech' ich ihm sämtliche Knochen!“ Emma klopfte ihrem Bruder auf die Schulter. „Dann machen wir das zusammen! Darauf kannst du wetten!“ Für einen flüchtigen Moment lächelte er. In der Zwischenzeit hatte Shaelyn Rue dazu überredet nach den Feuerwerkskörpern zu schauen. Immerhin wollte sie dieses Jahr gebührend hinein feiern. Und das ging natürlich nicht ohne ein ordentliches Feuerwerk! „Also viel Auswahl ist ja echt nicht mehr hier...“, seufzte Shaelyn und besah sich die Kisten in der Garage, in denen fast gähnende Leere herrschte. Bis auf wenige Knaller und zwei Pakete Knallfrösche, die auch noch geöffnet waren, war nichts mehr da. Ausgenommen der Raketen, die nicht jeder so mit sich herum tragen konnte. Selbst als sie sich bückte und unter den anderen Kisten blickte, war es dasselbe. „Für den Zweck wird es genügen.“, gab Rue plötzlich von der Seite zum Besten. Umgehend wandte sie ihren Kopf zu ihm. „Welchen Zweck? Das Feiern des neuen Jahres? Man knallt doch immer mit viel Krach.“ Rue blickte sie überrascht an. Nun war sie verstört. Verstand sie etwas falsch? „Richtig. Das hat seinen Ursprung. Kennst du diesen nicht?“ Es klang fast wie ein Vorwurf, weshalb sie mit der Zunge schnalzte und sich aufrichtete. „Man knallt, weil es halt Tradition ist?“ „Du feierst diesen Tag, ohne den tatsächlichen Anlass zu kennen?“, hakte er weiter nach, während er wieder damit begann an seinem Daumennagel zu knabbern. „... anscheinend. Könntest du mich also mit deiner Allwissenheit beglücken? Oder willst du noch weiter fragen wieso und warum und überhaupt?“, meinte Shaelyn genervt und wandte sich Rue nun ganz zu. Jener war, natürlich wie sonst, unbeeindruckt von ihrem Gesagten. Lässig begann er zu sprechen: „Der Ursprung liegt im Animismus. Zu den damaligen primitiven Zeiten war es ein Fest zum Vertreiben böser Geister. Deshalb dieser Krach. Und es wird wohl ausreichend sein, wenn du etwas dazu beiträgst. Schließlich ist es doch im Ganzen gedacht. Deine Freunde hier haben sich offensichtlich schon gut mit Schwarzpulver eingedeckt.“ Einerseits überrascht über diese Erklärung und doch etwas eingeschnappt angesichts seines Tonfalls, blieb sie zunächst ruhig. In dieser stillen Minute starrte sie ihn schlicht an – was er ebenso erwiderte. „Okay, ich weiß du hast was im Köpfchen... aber ich hab ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass du das weißt. Immerhin hast du auch letztes Jahr nicht den Eindruck gemacht, dass es dich interessiert.“ Sie konnte sich gut daran erinnern. Er hatte daran überhaupt kein Interesse gezeigt. Sie musste ihn sogar mehr oder weniger überreden. „Man schnappt so einiges auf.“, antwortete er letztlich nüchtern. Ja, gerade so, als wäre es das normalste auf der Welt. „Wenn ich irgendwas 'aufschnappe', dann ist das aber nicht lange im Kopf.“ „Alles eine Sache des Denkvermögens.“ Shaelyn verengte ihre Augen, trat auch einen Schritt näher. „Willst du mir etwas mitteilen?“ „... Das ist anzunehmen. Immerhin ist die Sprache ein Mittel des Kommunizierens.“ Ihr Mundwinkel zuckte. Hielt er sie für doof? Abermals reizte er sie. Warum tat er das? Hatte sie ihm etwas getan? Er musste doch wissen, dass er sie damit verärgerte! „Irgendwann... irgendwann Rue, dann werde ich einen fürchterlichen Rachefeldzug führen. Und DU bist auf meiner roten Liste ganz oben!“, wetterte sie todernst und bohrte ihren Zeigefinger in seine Wange – Rue blieb ausdruckslos, wenngleich er seinen Mund öffnete. „Das ist unangenehm.“ „Ja, das hoffe ich doch! Du sollst es spüren! Das ist keine leere Versprechung!“, drohte sie ihm mit Nachdruck. „Wenn deine Rache genauso überlegt wie dein jetziger Schachzug ist, dann werde ich wohl nichts zu Befürchten haben.“ … Sprachlos starrte sie ihn für einen Moment an. Was hatte er eben emotionslos von sich gegeben?! Er legte es darauf an! Was hatte er nur, dass er heute so … unausstehlich war?! Sie zog ein Stück ihren Finger zurück. „Kann es sein, dass du ein klein bisschen streitsüchtig bist?“ „Möglich.“ Verwundert und auch verwirrt über seine Antwort, legte sie den Kopf etwas schief. Seit wann war er denn launisch? Sie hatte fest mit einem Nein gerechnet, selbst wenn das eine Lüge gewesen wäre. Da stimmte etwas nicht. Ob es sich diesmal lohnte ihn danach zu fragen? Die Wut wich der Unsicherheit. „Dann muss es ja etwas gewaltiges sein. Für gewöhnlich bist du schnell wieder gefasst. Und vor allem nicht launisch oder gereizt.“, stellte sie laut fest, was ihn aber nicht zu interessieren schien. Shaelyn hatte den Eindruck, dass er gar nicht da war. Er blickte sie genau an und doch nicht. Oder war es nur eine Einbildung? Hatte er auch wieder begonnen an seinem Daumennagel zu kauen. Sollte sie sich nun wirkliche Sorgen machen … ? Die Unruhe legte sich nicht. Ein Zustand, der ihn nicht klar denken ließ. Für die Zukunft sollte L sich merken, dass er sehr empfänglich für ihre Reize geworden war. Mehr als die Tage und Wochen zuvor. Anscheinend bewirkte die Annäherung zuvor nur einen Anstieg seiner Begierde. Anders konnte sich das der Detektiv nicht erklären. Denn alleine nur der Anblick ihres Rückens und Gesäßes brachte ihn auf Gedanken, die er für klüger hielt zu unterdrücken. Je länger sie vor seiner Nase herum tanzte, wurde die Verlockung größer – und er wusste um den unvergleichlichen süßen Geschmack. L stieß an seine Grenzen. Bisher konnte er keiner so süßen Versuchung widerstehen. Unruhig biss er sich auf den Daumennagel – wusste er doch, dass Shaelyn ihn ebenso begehrte. Ihr Keuchen wiederholte sich in seinem Kopf. Nicht nur dieses, denn schließlich bestand die Anziehung nicht alleine aus körperlichem Verlangen. Ihr Lächeln im Garten war ebenso unvergessen. Zerstreut über die vielen Erinnerungen, die durch seinen Kopf jagten, biss er erneut in seinen Daumennagel. Dieses Mal knackte es lautstark. Jetzt war die Aufregung nur angestiegen. L musste gezielter seine Gedanken beherrschen – wenn es denn möglich war. Der Meisterdetektiv hegte ernsthafte Zweifel. „Rue? … Noch da?“, sprach sie ihn vorsichtig an, was ihn etwas aus den Gedanken holte. „... Ja.“, verließ es äußerst ruhig seinen Mund. Er besaß die Gelegenheit alles zu ändern. Und doch war er sich bewusst, dass es unmöglich war – noch dazu das er immer schwächer wurde. Das Glas, welches sie trennte, bekam Risse. Shaelyn war dabei dem legendären L Bedenken in seiner Lebensweise aufzuzeigen. War er bereits an einem Punkt wo er sich fragte, ob es nicht noch eine zweite Seite gab. Ein privates zu seinem beruflichem Leben. Nein, das war keine Option. L durfte keine Zweifel an seiner Lebensweise haben. Ein Gefühl war vergänglich. Seine Lebensaufgabe nicht. Davon abgesehen, dass es für Shaelyn große Gefahr darstellte – oder er sie jemals einweihen konnte. L war nicht in der Lage zu entscheiden – hatte er es bereits lange vor Shaelyn entschieden. „Ich hab aber nicht den Eindruck...“, meinte sie ehrlich. „Bist du dir sicher, dass du nicht mit mir darüber sprechen magst?“ „Ja.“, folgte es prompt von ihm, sodass sie stutzte. „Das ging ja schnell...“ Nun wirkte sie traurig, da sie enttäuscht die Mundwinkel nach unten zog. L betrachtete es kurz, nahm schließlich seinen Daumen vom Mund und setzte ihn sachte an ihrem Mundwinkel an, den er leicht nach oben zog. Er mochte es nicht, wenn sie betrübt war. „Du solltest lächeln.“ Überrascht über seine Reaktion, blickte sie stumm an, fasste auch gleich behutsam nach seiner Hand. „Kann ich nicht, wenn ich weiß, dass du mir nichts anvertraust. Es ist traurig, wenn du mich anschweigst. Ich weiß so wenig über dich und dann sehe ich, dass dich etwas beschäftigt. Aber du willst immer alles alleine mit dir ausmachen. Warst du immer so allein? Hat dir nie jemand einfach nur zugehört? Oder hast du auch schon so früh damit aufgehört mit dem Erzählen? … Ich würde nie etwas weitererzählen was du nicht willst, Rue.“ L wich ihrem traurigen und zugleich liebevollen Blick aus. Sie mochte damit recht haben, dennoch ging er kein Risiko ein. Es war ausgeschlossen. L würde und konnte es nicht aussprechen. Bevor er dies verriet musste er sich zu 100 Prozent sicher sein, dass es notwendig war – und die Wahrscheinlichkeit war schwindend gering das dies je eintreffen würde. Shaelyn umfasste seine Hand deutlicher und ließ sie mit der ihren sinken. „Ja... ich weiß schon. Du magst einfach nicht. … Ich kann dich ja schlecht dazu zwingen...“, lachte sie zuletzt freudlos leise auf. „Du bist wirklich sehr still, Rue. Ich würde wirklich gerne so viel über dich wissen... Eigentlich alles...“ Mit Zögern blickte L sie erneut an, musste dabei feststellen, dass sie den Boden betrachtete. Es trat eine Stille ein – denn würde L nichts auf ihre Worte erwidern. Es war ein merkwürdiges Gefühl Shaelyn derart traurig zu sehen. Es schmerzte zum zweiten Mal an diesem Tag in seiner Brustgegend. Es änderte jedoch trotz allem nichts an seiner Haltung. Shaelyn verstand es nicht. Was mochte nur in der Vergangenheit alles passiert sein? Wieso war er so geworden wie er heute war? Durch das Jahr hatte sie einen guten Einblick von ihm gewinnen können, doch noch längst nicht genug. Hatte sie beobachten können wie zurückgezogen er lebte. Völlig abgeschnitten vom Rest der Welt … . Geradezu so als flüchtete er vor dem Leben. Als wäre er unsichtbar. Nicht existent für alle Menschen. Dennoch war gerade er es, um der sich ihre Welt drehte. Für sie war er da. Und sie wollte an seinem Dasein teilhaben. Ein Stückchen seiner seltsamen Welt werden. Wollte sie den Weg durch seinen bizarren Irrgarten finden – ganz gleich ob sie sich an einer der Dornenbüsche schnitt. War sie entschlossen den langen Pfad zu gehen. Ob sie sich überhaupt bewusst war, was genau Rue ihr bedeutete? Shaelyn konnte es nicht erfassen. Zu tief reichte dieses Gefühl der Verbundenheit. War sie zu naiv? Vielleicht war sie das – doch kümmerte es sie wenig. Alles was sie wollte war Rue – mit all seinen seltsamen Marotten. Ja, wie konnte sie sich nur in so einen schrulligen Kerl verlieben? „Shaelyn, sieh mich an.“, vernahm sie die ruhige Stimme Rues. Allerdings wollte sie nicht aufsehen. Viel zu viel war in ihrem Kopf. Und letztlich wollte sie nicht in seine großen Augen sehen, die sie immer wieder um den Finger wickelten. Ja, vielleicht war sie ja wirklich auch nur eine Spielfigur. Eine, die er steuern konnte wohin er wollte. Das war ein merkwürdiges Gefühl. „Nein... ich mag nicht.“ „Folglich willst du für den Rest des Abends auf den Boden sehen?“ „... Ja.“ Sie selbst wusste, wie blöd es sich anhörte! Aber was sollte sie schon anderes sagen. Er hatte ja recht. Sie konnte es nicht den gesamten Abend über und sie liebte seine Augen ebenso wie den Rest an ihm. Als er seine Hand von der ihren löste, besah sie sich diese umgehend. Gleich war ihr klar weshalb er dies getan hatte, da kniff sie schon in Panik ihre Augen zusammen. Rue hob ihr Kinn mit Bedacht an, sodass sie eigentlich in seine dunklen Tiefen hätte sehen müssen. „Warum hast du deine Augen geschlossen?“, kam nun die Frage von ihm und sie konnte eindeutig Verwirrung heraus hören. Was sollte sie antworten? Besser sie blieb bei der Wahrheit, alles andere durchschaute er sowieso. Trotzdem kam es ihr schwer über die Lippen. Voller Nervosität zögerte sie. „Weil … ich nicht in deine Augen gucken will!“ „Weshalb? Stimmt etwas mit ihnen nicht?“ „Nein.... Es ist nur... Ich finde sie schön! Deshalb!“, meinte sie prompt und war versucht einen Moment lang zu spähen, da Rue seine Hand von ihrem Kinn nahm. Voller Herzrasen wartete sie auf ein Wort von ihm, jedoch gab er darauf nichts wider. Zumindest ließ er ein paar Sekunden verstreichen. „Was spricht demnach dagegen?“ Rue war die Neugierde anzuhören. Shaelyn hatte seine ganze Aufmerksamkeit. „Dann bekommst du mich nur wieder 'rum und steuerst mich so wie es dir passt. Das will ich nicht...“, meinte sie mit einem Murren und hörte ein undefinierbares Geräusch, das auf jeden Fall von Rue stammen musste. War das eine Art Seufzer? Ganz neugierig geworden öffnete sie ein Augenlid langsam. Zu Gesicht bekam sie ein sehr seltenes Ereignis – was sogleich noch heftigeres Herzschlagen auslöste und auch meldeten sich die Schmetterlinge aufgeregt in ihrem Bauch. Waren ihre Augen schlagartig beide offen. Rue zeigte ihr ein Lächeln. Ein Lächeln, was sie nie zuvor gesehen hatte. Er wirkte ehrlich amüsiert – auch wenn es nur ein kleines Lächeln war, aber es war eins! Ganz deutlich zu erkennen! Kein Grinsen was er hin und wieder zeigte. In diesem Moment fühlte sie sich ihm viel näher als all die Wochen und Monate zuvor. Endlich lächelte er sie an. Offen und aufrichtig. Es war ein Rue, wie sie ihn bisher nie gesehen hatte und es gefiel ihr zweifelsohne. Direkt erwiderte sie seine Geste. Der Ärger war verflogen, wie auch ihre Traurigkeit. Geblieben war diese unbeschreibliche Wärme. Die Sonne ging sprichwörtlich auf. Hatte sie es vielleicht geschafft ihn weiter aufzutauen? Jedenfalls hatte er sie zum Lächeln gebracht – so wie er es gewollt hatte. Diese Tatsache bestärkte ihre Mimik. Egal ob es nur seine Augen, seine Worte oder Gestik war: Er bekam sie immer herum. Eine Erkenntnis die sie längst nicht mehr wütend stimmte. Warum auch? Sein Lächeln versiegte, blieb ein nichtssagender Ausdruck zurück als ob er immer da gewesen wäre, der Shaelyn trotz allem nicht weiter davon abhielt ihn traumhaft anzulächeln. Auch wenn seines zuvor eher intuitiv zum Vorschein gekommen war, so hatte es geholfen. Sie war beruhigt. Ein einfacher Gesichtsausdruck, der viel Wirkung zeigte. L müsste sich erst noch daran gewöhnen. Schließlich war seine Arbeit nicht mit derlei Dingen zu bewältigen. Und er musste zugeben, dass es doch recht entspannend war – was allerdings nicht hieß, dass er es ab jetzt ständig tun würde. Es bliebe eine Ausnahme. Dennoch war es fremdartig. „Weißt du was, Rue?“ L zog seine, kaum unter der Haarpracht auszumachenden, Augenbrauen an. „Was?“ „In Zukunft werde ich etwas ändern müssen! Ich kaufe mir eine Kamera und halte alle seltenen Momente fest.“ Ihr Lächeln nahm an Sanftheit zu. „Dann hätte ich jetzt dein wunderschönes Lächeln auf ein Foto. Und weißt du was ich damit machen würde?“ Der Schwarzhaarige blickte Shaelyn starr an. „Du wirst es mir ohnehin sagen.“, kam es neutral aus seinem Mund. Und statt dass sie verärgert reagierte, lachte sie vergnügt auf. „Wie recht du hast. … Aber nur wenn du näher kommst verrate ich es dir.“ L erinnerte sich augenblicklich an den Park. Damals stellte sie ebenfalls die Bedingung, dass sie es ihm nur ins Ohr flüstern würde. Heute musste er um einiges mehr auf Hut sein als zu diesem Zeitpunkt. „Das halte ich für keine gute Idee.“, gab er direkt nüchtern seinen Teil dazu, woraufhin sie eine kleine Schnute zog. „Na, wenn du meinst... Dann verrate ich eben nicht was ich damit machen würde.“ Es war eine komplett belanglose Sache – und trotzdem interessierte es ihn. War es nicht unter normalen Umständen völlig gleich was sie mit einem Bild von ihm anstellte? Nun wollte er selbst das wissen. Eine derart unbedeutende Angelegenheit. Was konnte man auch mit einem solchen Foto anstellen? L war etwas konfus darüber. „Also ich weiß nicht was du denkst, aber du tust es ziemlich offensichtlich.“, ließ es ihn wach werden. „Ich fragte mich, was daran so bemerkenswert sein sollte.“, versuchte er sie etwas anzustacheln, was jedoch ganz seinen Effekt verfehlte. Umgehend musste der Detektiv feststellen, dass Shaelyn in Stimmung war. Ihr Grinsen jedenfalls mutete doch stark dazu an. „Hm... Ja, das wüsstest du ja dann. Zu schade, dass du es nicht interessant findest.“ Es war ein Kinderspiel heraus zu hören, dass sie wusste, dass es ihn doch interessierte. Alleine das er darauf eingestiegen war, war der beste Beweis. … Und wer sagte, dass er es nicht bewusst tat? Zwar mochte diese Gefühlsregung stark sein, doch verlor L nicht vollständig die Kontrolle. Zumindest was diese Art von Reaktionen betraf. L hob seine freie Hand an und deutete mit dem Zeigefinger auf sein Ohr. „Dann solltest du dir nicht zu viel Zeit lassen um es mir mitzuteilen.“ Shaelyn war überrascht. „Wie jetzt? Jetzt muss ich zu dir kommen? Ich dachte, du willst was von mir wissen?“ Natürlich lag seine Vermutung von beginn an richtig: Sie war in Stimmung. „Verstehe. Dann muss ich allerdings ablehnen.“ Ein Schnauben war von ihr zu hören, woraufhin sich seine Mundwinkel schwach anhoben. Im selben Zug senkte er seine Hand. „Das ist nicht fair!“ „So? Was spricht dagegen zu mir zu kommen?“, betonte er bewusst. Und Shaelyn biss an – sie war interessiert. „Naja, wenn du das so sagst... aber dann bekommst du ja wieder deinen Willen, obwohl du ja was von mir willst und ich eigentlich ja was will!“ „Scharfsinnig.“, kommentierte L sie ungeniert. Umgehend bekam er einen bösen Blick zugeworfen, rechnete aber nicht damit dass sie sein schwarzes Shirt am Brustkorb packte und ruppig zu sich riss. Ihr heißer Atem war unmittelbar am Ohr zu spüren, ebenso ihre Lippen, welche sie daran lehnte. In diesem Moment war das kraftvolle Schlagen seines Herzens fast unerträglich. „Wer ist jetzt zu wem gekommen?“, flüsterte sie zart gegen sein Ohr, strich nur weiter mit ihrem warmen Luftzug darüber. Starr geworden, probierte der Detektiv seine Gedanken und Empfindungen zu ordnen. Stieg ihm nur ihr süßer Duft in die Nase, was es etwas schwieriger gestaltete. „Willst du mir nichts sagen? ... Oder dich wehren?“, lauschte er gebannt ihren Worten, ehe ein leiser sehnlicher Seufzer von ihr zu vernehmen war. Stellten sich unmittelbar die kleinen Härchen im Nacken auf. Diese Frau trieb ihn immer wieder aufs Neue an seine Grenzen – und er ließ es zu seinem eigenen Überraschen und Verhängnis zu. L war für gewöhnlich um einiges konsequenter – wenn es sich denn nicht um Shaelyn handelte. Ihm war längst die Sicht, mit der er sonst alles klar erkennen konnte, genommen. Alles gelang ihm weiterhin problemlos. Nur dieses Eine nicht... L musste mittlerweile einsehen, dass er es nicht bezwingen konnte. Es mussten sich andere Wege finden lassen. „... und dann riechst du noch so gut.“, wisperte sie hingerissen und sog hörbar die Luft ein. War es an dem Punkt nicht nur Shaelyn welche berauscht war. Unweigerlich war es jene tiefe Anziehung, die ihm seinen einzigen Schwachpunkt offenbarte. Der unaufhörliche Kreis des Lebens. Nur dafür geschaffen den Fortbestand der Menschheit zu garantieren. War diese Gefühlsregung im Grunde nichts anderes als das und er war vollkommen machtlos dagegen. Das alles konnte L wahrnehmen, darüber stundenlang sinnieren, allerdings niemals dagegen ankämpfen. Oft genug hatte er dies versucht. Die Niederlage war auf ganzer Linie zu erwarten. „Scheiße!“ Ein Wortlaut, der sowohl L als auch Shaelyn aufschreckte. Im Türrahmen stehend eine Emma, die ihre rechte Hand an die Wange legte. Sie sah geschockt und gleichermaßen ratlos aus. Doch viel mehr beschäftigte L die Frage, weshalb permanent jemand hineinplatzte – nicht, dass er dies jetzt verfluchen würde. Immerhin war es bekanntlich Rettung in letzter Sekunde. „Los! Ab ins Auto! Ich will jetzt nicht, dass Joel euch so sieht...“ Und ohne dass es Wiederworte hätte geben können, kam die Brünette auf sie zu und scheuchte sie regelrecht in Richtung Geländewagen. Shaelyn war in heller Panik und leistete gern den Anweisungen von Emma folge, doch L blieb felsenfest stehen, da half auch kein Ziehen an der Kette. Er verstand die Aufregung nicht. Dementsprechend kam es schnell zum Stopp. „Was machst du denn da?!“, verließ es hektisch den Mund von Shaelyn. „Warum die Hysterie?“ „Na, du hast doch selbst gesehen wie wütend er war! Wir müssen ja nicht noch Öl ins Feuer gießen.“, erklärte sich Shaelyn rasch, was für L allerdings erst recht kein Grund war in das Auto zu steigen. „Genau! Ungünstig! Ihr könnt auch noch Zuhause oder in sonstigen ungesehenen Ecken übereinander herfallen!“, pflichtete Emma bei. Angesichts der Wortwahl blickte L sie schief von der Seite an, was den Frauen allerdings nicht gefiel. „Na mach schon! Ich mach euch auch die Handschellen los... die braucht ihr ja eh nicht mehr. Also auf!“ Das jedoch hörte sich nach einem guten Argument an, weshalb sich der Detektiv mit Ruhe in Bewegung setzte. Shaelyn öffnete den Geländewagen an den Hintertüren und schlüpfte mit L durch. Kaum war er im Gefährt, wurde die Türe geschlossen. Mit einem Handzeichen der Brünetten sollten sie sich ducken. Nicht zu spät, da sich jemand in die Garage begab. „Was machst du da?“, fragte auch gleich Joel seine Schwester, jene am Wagen stand. Emma lachte nervös auf. „N-Nichts! Ich hatte nur eben noch mal im Wagen nachgesehen ob auch alle Knaller und so hier stehen.“, war es gedämpft von Außen zu hören. Shaelyn starrte Rue unentwegt in die großen Augen, die ihr ziemlich nahe waren. Geduckt verweilten sie nun also auf der Hinterbank – und noch immer mit den Handschellen an. Draußen fand ein kleines Gespräch statt, was jedoch in den Hintergrund rückte. „Ich glaube, dass das -“ Shaelyn legte Rue sofort die Hand auf den Mund. Trotz allem sprach er weiter, wenn auch genuschelt: „nicht nötig ist.“ „Psst!“ „Das ist ein sehr unreifes Verhalten.“ Verärgert darüber, dass Rue nicht seinen Mund hielt und was er überhaupt wieder sagte, nahm sie ihre Hand von diesem und drückte ihm aus reinem Impuls ihre Lippen auf. Stille trat auf jeden Fall ein, allerdings beruhigte sie sich dadurch nicht sonderlich – und Rue sah entsetzt aus. Als er sich auch von der überstürzten Aktion wieder befreien wollte, fasste sie grob an seinen Nacken. Drückte ihn somit nur mehr an sich. Hoffentlich kassierte sie dafür nicht Ärger. Aber was hielt er auch nicht seinen Mund?! Da musste sie eben schnell etwas machen! Schritte waren zu hören, welche näher ans Auto kamen. „Warte! Ähm wir brauchen nicht noch was kaufen fahren!“ „Was ist denn los mit dir? Nervös oder so? Ist doch keine große Sache eben noch was einkaufen zu fahren.“ „Doch... wir haben wohl noch genug davon gebunkert!“ „... Warum sagst du das nicht sofort?“ „Vergessen. Also lass uns jetzt die richtigen Getränke mixen gehen! Geh schon mal vor, ich wollte noch mal was abchecken.“ „Wenn du meinst. Aber komm mal was runter. Die Leute reißen schon nicht das Haus ab... naja noch nicht.“ Sobald die Garagentür wieder ins Schloss fiel und Shaelyn locker ließ, nahm L eilig Abstand. „Du hast doch einen Knall!“, meckerte Shaelyn ihn direkt an. Blinzelte er umgehend einmal in Unverständnis. Im Angesicht dieser Situation hätte er alles Recht sich zu beschweren – nicht sie. „Da sollen wir hier ruhig sein und du plapperst 'rum!“ „Das ist kein Grund dazu dich so aufzudrängen.“, entgegnete L. „W-Was?! Wenn du nicht deinen Mund halten kannst, ist das nicht mein Problem!“ „Gut, ich verstehe. Dann sollte es auch nicht mein Problem sein, wenn Joel diese Schmierenkomödie mitansieht.“ „... Bitte was? Schmierenkomödie?“ L konnte sofort sehen, dass es Shaelyn gekränkt hatte. Nun, vielleicht hatte er sich unpassend ausgedrückt. Für wenige Sekunden starrte sie regungslos in sein Gesicht, ehe sie traurig begann zu sprechen: „Ich wusste ja, dass es keine tolle Show ist... aber dass du es so abwertend siehst... Dann können wir es auch gleich ganz lassen.“ „... Hallo? Leute?“, mischte sich Emma ein, jene an der geöffneten Autotür stand. „Alles klar bei euch?“ „Nein. Überhaupt nichts ist okay.“, flüsterte Shaelyn verletzt. L kaute auf seinem Daumennagel. Es war nicht seine Absicht gewesen sie zu kränken. Was sollte er jetzt weiter dazu sagen? Höchst wahrscheinlich verschlimmerte es das nur. „Ähm ... kommt mal raus, dann mach ich die Dinger ab.“ Nachdem die Handschellen klickten und abgenommen wurden, rieb L sich zunächst das geschundene Handgelenk. Zwar war es mit Plüsch überzogen gewesen, trotz allem auf Dauer sehr unbequem. Shaelyn allerdings eilte gleich aus der Garage, was der Schwarzhaarige still beobachtete. Ein Klatsch auf den Hinterkopf folgte fast zeitnah, sodass er sich entsetzt an die Stelle fasste und sich nach Emma umdrehte. Jene sah sauer aus. Leidvoll rieb er sich den Hinterkopf. „Was hab ich dir gesagt? Du sollst sie nicht verletzen! Ich weiß nicht was du angestellt hast, aber wenn du ihr nicht gleich nachläufst, setzt es noch was! Geh' dich sofort entschuldigen! Und wenn du das nicht machst, sag ich meinem Bruder Bescheid. Er kümmert sich sicherlich gern um Shae.“ Verstimmt hatte er sich den Vortrag angehört. Mochte er es nicht, wenn man so mit ihm sprach – insbesondere wenn es sich um eine fremde Person handelte. Und noch weniger gefiel es ihm, dass sie ihn versuchte zu erpressen. Er war L, demnach kam man seinen Aufforderungen nach – nicht umgekehrt. „Du solltest dich daraus halten.“, verließ es äußerst ernst seinen Mund, woraufhin Emma ihn entgeistert anstarrte. „Diese Angelegenheit übertrifft bei weitem deine Autorität. Folglich wärst du mir sehr verbunden, wenn du es in Zukunft unterlassen würdest dich einzumischen. Und … noch etwas.“ L bedachte Emma mit einem strengen Blick. „Solltest du nochmals auf die Idee kommen, mir zu nahe zu kommen, werde ich es zu verhindern wissen.“ Ohne auf eine Antwort ihrerseits zu warten, verließ er den Raum. Beim ersten Vortrag war er noch tolerant gewesen, nun streckte sie zu weit den Arm heraus. „... alles klar. Der war sauer.“, meinte Emma völlig verstört und blickte auf die Türe, durch die er gerade eben gegangen war. Dieser Mann war keinesfalls harmlos und sie hatte kurze Zeit die Angst in sich gespürt. Besonders das intensive gefährliche Starren hatte dazu beigetragen und zuletzt nicht auch seine Drohung. Vielleicht war er auch nur gereizt, weil es einen Streit zwischen Shaelyn und ihm gab. Aber sie hatte deutlich gefühlt wo ihr Platz war. Und langsam bekam sie einen Einblick wie kompliziert das alles schien. Es war laut, es roch nach Zigaretten und es waren ausschließlich Idioten um ihm herum als er nach Shaelyn Ausschau hielt. Seine Laune war auf einem Tiefpunkt und offensichtlich war mit dem Mixen das Ausschenken alkoholischer Getränke gemeint gewesen. Dies war fest eingerechnet, auch wenn Shaelyn von einer Feier ohne das Rauschmittel geworben hatte. Es war eine Feier unter Jugendlichen. Nicht mit dem Spiritus zu rechnen wäre schlichtweg dumm gewesen – und nur ein weiterer guter Grund gewesen sie zu begleiten. Denn die Hemmungen der Leute schwand rapide und er mitten in der Menge. Er war versucht der Party ein Ende zu bereiten – schließlich war Alkohol unter Minderjährigen und auch jung Erwachsenen in den USA verboten. Die Polizei hatte gerade ohnehin viel zu tun. Es war nicht der einzige illegale Alkoholkonsum in dieser Nacht. Dennoch: Es wäre für L ein Fingerschnipsen. Dafür müsste er sich lediglich an die richtige Stelle wenden, auch ohne seinen gewichtigen Namen, den er dafür ohnehin nie gebrauchen würde. Mit dem Betreten des Flurs war Shaelyn in der Küche geortet – und zu keiner Überraschung Joel an ihrer Seite. Was ihm jedoch gleich unangenehm aufstieß war das Glas in ihrer Hand. An die Leute im Gang vorbei, schlich er sich gewissermaßen von Hinten an und schnappte Shaelyn gleich das Glas aus der Hand, in der eine dunkle Flüssigkeit schwappte. Die Engländerin wandte sich umgehend erschrocken um, wie es Joel tat und L roch erst einmal misstrauisch an dem Getränk. „Hast du sie noch alle?! Was willst du hier?!“, spie Shaelyn erbost. L allerdings überprüfte noch skeptisch das Getränk, überging somit ihre wütenden Worte. „Was ist darin?“, war somit seine kühle Frage. „Cola! Was denn sonst?!“ „Lass' sie in Frieden.“, mischte sich Joel ein, woraufhin der Detektiv sein Augenmerk auf jenen richtete. „Ich glaube, das Ganze geht dich nichts an. Demnach solltest du dich zu deinen trinkenden Kumpanen gesellen.“, meinte L fast beiläufig während er doch der Flüssigkeit einen kleinen Geschmackstest unterzog. Es war tatsächlich nur Cola. Shaelyn schien noch vernünftig genug gewesen zu sein, weshalb er es zuließ dass sie ihm das Glas wieder entriss. Trat plötzlich Joel einen Schritt auf ihn zu, sodass L doch seine volle Aufmerksamkeit dem Brünetten schenken musste. Dementsprechend wich er mit Leichtigkeit dem Packen des Jüngeren nach hinten aus. L hob seinen Zeigefinger an, mit welchem er schwach schwenkte und tadelnd meinte: „Na, Na. Ich würde es an deiner Stelle nicht machen.“ In diesem Moment schnitt Shaelyn ein, indem sie Joel am Arm fasste und ihn damit zurück hielt. „Seid ihr übergeschnappt oder so?! Ihr wollt euch doch nicht ernsthaft prügeln, oder?!“ L führte seinen Zeigefinger zum Mund, beobachtete das Geschehen mehr als er sich angesprochen fühlte. Er war nicht derjenige der Derartiges begonnen hatte. „Dem muss man mal sein arrogantes Maul stopfen!“, kam es in Rage vom Brünetten. Längst waren ein paar Gäste in der Küche aufmerksam geworden, wie auch im Flur hinter L. „Ist das unter euch Kerlen so?! Immer gleich draufhauen?!“ „Eine andere Option steht ihm auch nicht zur Verfügung.“, kommentierte L es gelassen, spielte darauf deutlich auf die Intelligenz von Joel an. Was Wiedererwarten zum Wutstau bei Joel führte. Wie der bekanntliche Tropfen der das Fass zum Überlaufen brachte - da konnte Shaelyn Joel auch nicht zurückhalten. Mit einem Mal riss jener sich von ihr frei und schlug nach L. Der Detektiv allerdings duckte sich blitzschnell tief, sodass Joel durch die Wut, die kein Ziel fand, die Balance verlor. Ein gekonnter Griff an die Hüfte und L beförderte Joel über seinen Rücken mit einem lauten Poltern auf den Boden. Joel war nach wie vor kein nennenswerter Gegner für ihn – auf keiner seiner Ebenen. Einige Leute kamen angelaufen und besahen sich das Spektakel. „Ey, Alter! Der Freak hat dich voll abzogen!“, lachte sofort einer der Jungs auf, während er auf Joel hinab blickte. L jedoch interessierte sich weder für die Sprüche, die einsetzten, noch das Gelächter – denn Shaelyn bedachte ihn mit einem solch verabscheuenden Blick, dass er alles andere ausblendete. Sie trat die wenigen Schritte auf ihn zu und kaum hatte er sich erhoben, verpasste Shaelyn ihm eine Ohrfeige, anschließend schleuderte sie ihm das restliche bisschen Cola ins Gesicht. „Widerlich.“, sprach sie hart und ging an ihm vorbei. Mit roter Wange und mit Cola überschüttet, blickte L ihr nach, hielt sich dabei die Wange. „Tja, da ist wohl keiner ein Gewinner, was?“, meinte ein anderer vergnügt. „Sei' doch nicht so fies! Was kann denn der komische Typ dafür, wenn Joel auf ihn losgeht?“, meinte ein Mädchen zu dem jungen Mann zuvor. Auch das ignorierte L. In diesem Fall hatte Shaelyn nicht das letzte Wort – und wieder musste er ihr hinterherlaufen. „Verdammte Scheiße!“, schrie Joel auf, jener sich längst aufgesetzt hatte sich aber das Handgelenk hielt. „Was is'?“, fragte ein anderer Brünetter, der sich zu Joel kniete. „Ich hab mir das beschissene Handgelenk beim Aufprall angeknackst! Dieser Wichser!“ „Komm' runter. Wir sollten dann mal lieber zum Krankenhaus.“, antwortete der junge Mann. Umgehend starrte Joel ihn an. „Bist du bescheuert, Ethan? Ich kann doch nicht im Krankenhaus hocken, wenn das neue Jahr anfängt.“ Ethan fasste an das Gelenk von Joel. Ein Aufschrei war unmittelbar zu hören. „Pech gehabt. Muss aber sein.“ „Das wird dem Penner noch leid tun.“ Ethan sah ihn schief an. „Nach der Aktion würd' ich eher meinen, dass du aufpassen sollst. Ein gut gemeinter Rat von mir. Und jetzt los.“ L war Shaelyn durch die Haustür gefolgt, bekam sie auf dem Rasen vor dem Haus zu fassen. „Hau' ab! Lass' mich in Ruhe!“ „Nein.“ „Doch!“ Sie wehrte sich erbittert, auch wenn sie schon lange wusste, dass es nichts brachte. Wie schon so oft. „Was habe ich falsch gemacht?“, fragte L in Unverständnis, was Shaelyn dazu brachte sich umzudrehen und ihn wütend anzufunkeln. „W-Was du falsch gemacht hast?!“, stutzte sie aufgebracht. „Alles! Den ganzen Tag schon!“ Das war L zu hoch. Weshalb plötzlich der ganze Tag? Er fand darin keinen Sinn. Ebenso weshalb sie so aufgebracht war. „Was ist nur los mit dir?!“, schrie sie ihn unter Tränen an. L war tatsächlich etwas verstört, was sich an seinem Ausdruck zeigte. Die Frage konnte er besser an sie richten. „Mal bist du so und mal so! Ich versteh' das alles nicht! Und zu guter Letzt prügelst du dich auch noch!“ „Das war nicht mein Verschulden.“ „Oh doch! Du hast ihn doch provoziert! Oder nicht?! Hm?!“ Ja, das musste er einräumen. Und ihm war klar gewesen, dass Joel darauf nur so antworten würde – immerhin hatte er es zuvor ausgesprochen. „Wie zwei Streithähne, die aufeinander einhacken müssen! Warum?! Wieso müsst ihr das?!“ „Ich halte ihn für keinen guten Umgang.“, meinte L entspannt, unbeeindruckt von ihrer Lautstärke. Shaelyn blickte ihn umgehend entgeistert an. „Kein guter Umgang? Tickst du noch richtig?! Was soll an Joel nicht okay sein?! … Oder bist du einfach nur eifersüchtig?! Erträgst du es nicht, dass ich mit anderen Männern Kontakt habe?!“ „Deine zweite Theorie ist sehr unwahrscheinlich.“, erwiderte er nüchtern. „Ja?! Warum dann der ganze Aufstand?! Emma ist immerhin okay, obwohl sie ja die Schwester ist! Sag es mir einfach! Dann findet sich eine bessere Lösung als so miteinander umzuspringen!“ L schwieg dazu. Ohnehin machte es so kaum Zweck weiter zu diskutieren. Shaelyn musste sich zunächst beruhigen. „Was soll das?! Wieso sagst du plötzlich nichts mehr?!“ „In deinem Zustand macht eine Unterhaltung kaum Sinn. Daher solltest du dich erst etwas beruhigen.“ Entgeistert starrte sie ihn an. „Ach? Und du denkst, wenn du das sagst, wird es besser, oder was?! Vergiss' es einfach!“, warf sie ihm vor den Kopf, sodass er kurz inne hielt. „... Vermutlich hast du Recht. Entschuldige mich.“, kam es resolut von ihm. L ließ, unter ihrem fassungslosen Blick, von ihrem Arm ab. „Was... heißt das?“, fragte sie plötzlich wankend im Gemüt, da sie den ernst seiner Worte deutlich verstand – was L allerdings nicht beachtete. Es war Zeit für einen anderen Weg, jenen er hätte längst einschlagen sollen. Mit Wut und doch Angst sah sie mit an, wie Rue einfach mit den Händen in den Hosentaschen an ihr vorbei lief – geradewegs auf den Bürgersteig zu. Völlig unbeteiligt. Als hätte dieses Gespräch nie stattgefunden. Was hatte er vor?! Und was sollte das alles überhaupt?! Warum ließ er sie hier stehen? Shaelyn wusste nicht mehr weiter. Was sollte sie tun? Er ging ohne weiter auf sie zu achten weg. War es das Ende? Reichte es ihm endgültig mit ihr? War sie zu streng gewesen? Zu viele Fragen drängten sich gleichzeitig in ihren Kopf, fühlte sie dazu den stechenden Schmerz ihres Herzens. Rue hatte so gleichgültig geklungen... und es tat ihr so sehr weh. Sie wollte doch nur verstanden werden. Und doch waren all ihre Worte umsonst. Rue erfasste so wenig von dem, was in ihr vorging. Es war, als redeten sie weit aneinander vorbei. Wieso aber hatte es dazu kommen müssen? War sie am Ende doch Schuld daran? Hatte sie den ganzen Tag über nur das was sie wollte gesehen? Vielleicht war er gar nicht so anders als er es sonst war, sondern war ihre Sicht total durcheinander gekommen. Von seinen Zurückweisungen und doch wieder Annäherungen. Waren seine Worte nicht gewesen, dass sie Chancen bei ihm besaß? Waren jene nun völlig vertan? Mit einem so sinnlosen Streit? Es fühlte sich ganz danach an und verstärkte nur weiter das starke Ziehen in ihrer Brust. Natürlich wusste Shaelyn, dass Rue sich nur verteidigt hatte. Doch war sie noch so sauer. Und selbstverständlich reagierte er so. Seine Worte waren immer recht dreist. Daran war kein Unterschied zu sonst. Hatte sie schlicht überreagiert? Gereizt von all den Situationen? Es war nie einfach mit Rue und wenn sie an all die Dinge in der Vergangenheit dachte, war sie diejenige gewesen, die Fehler gemacht hatte. Rue besaß immer einen Grund. … Ja, sie hatte eine riesen Dummheit begangen. Und wenn sie sah, wie alleine er den Bürgersteig entlang ging, kam es ihr noch dümmer vor. Er war alleine. Immer zu war er einsam. Wie konnte sie da erwarten, dass er mit Gesellschaft gut zu recht kam? War er geprägt von ständigem Misstrauen. Dass er nun also ihr Begleiter an diesem Abend war, zeigte doch nur, dass er sich sorgte, auf seine eigene Art – obwohl er solche Veranstaltungen nicht mochte. Sie musste ihn zurück holen und sich letztendlich entschuldigen. Wie oft hatte sie dies schon bei ihm getan … Ob es je ein Ende finden würde? Allerdings hatte sie nun ein Problem. Die Schuhe besaßen etwas Absatz, mit denen sie kaum Rennen konnte. Notgedrungen zog sie diese aus und warf sie unbeachtet auf den Boden. Das Gras an ihren nackten Füßen war kühl, jedoch stellte das noch lange keinen Grund dar sie jetzt aufzuhalten. Mit einem Sprint war sie auch schon nach wenigen Sekunden bei ihm, fasste auch sofort nach seinem Shirt am Rücken. Etwas außer Atem, zog sie daran. „Warte... Rue.“ Der Schwarzhaarige wandte sich nicht zu ihr um, was sie nur weiter verunsicherte. Aber zumindest hatte er angehalten. „Es tut mir leid.“, sprach sie leise. „I-Ich bin nur so durcheinander und weiß nicht weiter. Erst sagst du so schöne Dinge, dass mir ganz warm wird und dann sagst du, dass es nur eine Schmierenkömodie sei. Das hat mir weh getan. Ich seh das alles überhaupt nicht so. Weil... auch wenn es gespielt ist, bedeutet es mir was. D-Dann hast du noch … Naja ich meine, dann warst du nicht so freundlich und hast Joel so aufgezogen. War ja dann klar, dass er auf dich losgeht und ich fand es halt nicht toll. Es tut mir leid. Ja? Bitte rede mit mir.“ Unruhig schluckte sie einen Kloß in ihrem Hals hinunter. Verging Zeit. Und sie dachte es wären Stunden, dabei nur Sekunden die verstrichen. Trotz allem eine sehr lange Zeitspanne. Sie fühlte sich schrecklich. „Bitte geh' nicht weg... Bleib hier...“, flehte sie nach dieser endlos langen Stille. „I-Ich mach auch alles was du willst! Aber bitte bleib bei mir.“ Ein Satz, der ihn anscheinend erreichte. Langsam wandte er seinen Kopf samt Oberkörper zu ihr um – und das so, dass sie nicht den Eindruck gewinnen konnte, es sei gesund. Rue hob seinen Zeigefinger an. „Es gäbe da eine Sache.“, führte er ruhig an, als habe er nur auf diese Gelegenheit gewartet. Umgehend blinzelte sie einige Male hektisch. „Was?“ Eine weitere Pause entstand, in welcher er sie mit seinen großen dunklen Augen anstarrte. Nervös biss sie sich auf ihre Unterlippe. Er machte das extra so spannend! „Ich will diese Marzipanschweine. Allerdings diesmal deutlich mehr davon.“, äußerte er seinen Wunsch mit einem kleinen Grinsen, weshalb sie irritiert kurz darauf stierte. Die Marzipanschweine. Sie schienen ihm gut geschmeckt zu haben... Aber das war alles? Das konnte nicht alles gewesen sein. „Tja, äh... sicher.“ „Und mit mehr Geschmacksvariationen.“ „... Ist das alles?“ „Fürs Erste, ... ja.“, meinte er nachdenklich, woraufhin sie doch kurz die Augen verdrehte. Sie wusste es. Besser sie freundete sich jetzt schon mit dem Gedanken an, dass sie dafür noch längere Zeit geradestehen musste. Bestimmt wollte er sich Zeit nehmen um sich etwas richtig gemeines einfallen zu lassen. Verdient hätte sie es ja. Das musste sie zähneknirschend zugeben. „Gibt es einen besonderen Grund, weshalb du keine Schuhe trägst?“, deutete Rue nun mit dem Finger auf ihre nackten Füße. Shaelyn ließ verwundert von seinen Shirt ab, sodass er sich endlich zu ihr drehen konnte. „Wie soll ich dir denn schnell nachkommen, wenn ich Schuhe mit Absätze trage? Da würde ich ja nur hinfallen.“, antwortete sie wahrheitsgemäß und erntete einen interessierten Blick von ihm. „Warum trägst du dann derartige Schuhe? Wären bequeme nicht folglich nützlicher?“ Shaelyn stemmte die Hände an die Hüfte. „Klar, soll ich solche ausgelutschten Teile wie du tragen?“ „Die sind außerordentlich bequem. Willst du es mal ausprobieren?“ Direkt hob sie ihre Hände an und winkte ab. „Ne, vielen Dank.“, schoss es ihr aus dem Mund. „Hm...“, verließ es versunken die Kehle von Rue. Fragend blickte Shaelyn den Schwarzhaarigen an, jener wiederum ihre Füße musterte. „Allerdings ist es nicht ratsam barfuß über die Straße zu laufen.“ Umgehend stutzte sie. „Das sagt mir ausgerechnet der Mensch, der ständig barfuß herumläuft?“ „Hast du einmal beobachten können, dass ich barfuß vor die Türe gehe?“ „Hab ich je gesehen, dass du vor die Tür gehst?“, konterte sie direkt, was Rue aufblicken ließ. Seine schwarzen Opale fesselten sie gleich. Eine Gänsehaut breitete sich überall aus. Ob er wusste, dass er sie einfach nur so ansehen musste und sie alles vergaß? „Offensichtlich nicht oft genug. Obwohl ich mich doch an ein paar Momente erinnern kann, bei denen du mitanwesehend warst.“, zerriss es ihre Traumwelt. Kurz orientierungslos blinzelte sie. „Weißt du,... das ist so lange her. Hin oder her. Wie wäre es, wenn du öfter mal mit mir raus gehst? Dann kannst du mich gleich davon -“ „Abgelehnt.“ „Du hast mich ja nicht einmal aussprechen lassen!“ „Das würde nichts an meiner Aussage ändern.“, gab er ungerührt zurück. Shaelyn schnaufte einmal. „Na gut, dann halt nicht.“, meinte sie geschlagen. Sie wollte sich jetzt nicht wieder wegen so einer Kleinigkeit mit ihm streiten. Denn trotz allem fühlte sie sich erleichtert. Er schien zumindest nicht mehr böse zu sein – oder was auch immer er gewesen war. Auch wenn sie das Gefühl beschlich, dass das alles viel zu leicht war. Ob sich mehr dahinter versteckte? Nein, sie dachte besser nicht darüber nach. Als Rue schließlich einen Schritt auf sie zu kam, weitete sie die Augen. Und mit einem kleinen Aufschrei und rasendem Herzen fand sie sich schon auf seinen Armen wider. Geschockt von der schnellen Aktion, starrte sie hoch in sein Gesicht – was keinerlei Reaktion aufwies. „Ähm... Was m-machst du da?!“, fragte sie hastig während sie in sein Shirt griff. „Ich trage meine Freundin.“, meinte er gelassen und sie sog heftig die Luft ein. Sie musste sich verhört haben. „Ich will nicht dafür verantwortlich sein, dass du dir eine Erkältung zuziehst.“, erklärte er nun rational, was sie völlig durcheinander brachte. Rue schenkte ihr einen kurzen Blick. „Watari wäre nicht erfreut.“, hing er an, was bei ihr nun das besagte Klingeln auslöste. Er machte das nur, weil er sonst Ärger von ihrem Großvater bekam! Und dann machte er sich auch noch einen Spaß! „Du bist ja richtig nett und total selbstlos.“, grummelte Shaelyn scherzhaft. „Danke. Ich fasse das als ein Kompliment auf.“, erwiderte er trocken. Shaelyn seufzte. „Wie auch immer...“ Und entgegen jeder Erwartung, zeichnete sich ein kleines Lächeln auf seinen Lippen ab – zum zweiten Mal an diesem Abend. Rue war eben ganz anders. Weshalb sie die kurze Strecke auf seinen Armen umso mehr genoss. Zu gern wäre sie wirklich seine Freundin. Ganz egal wie oft und stark sie sich stritten – an ihrem Gefühl würde sich nie etwas ändern. Und genau mit diesem guten Gefühl lehnte sie ihren Kopf stärker gegen seine Schulter. Nahm sie dabei nur deutlicher seinen Geruch auf. Minze, welche noch immer faszinierend duftete. Ob es wohl sein Shampoo war? Oder er einfach nur zu viele Pfefferminzbonbons naschte? Neugierig blickte sie an seinem Hals hinauf. Die vielen wilden Strähnen hingen ihm vors Gesicht und verdeckten auch sein Ohr, auf welches sie schauen müsste. Sie brauchte nur seinen Kopf etwas zu sich herunter ziehen und einmal an den Haaren schnuppern. Unschlüssig biss sie sich auf die Unterlippe. Sollte sie? „Du... Rue?“, flüsterte sie weiterhin in Richtung Ohr, hatte auch gleich seine Aufmerksamkeit. Sein Kopf war leicht zu ihr gewandt, sodass die Haare durch die Bewegung sie mehr im Gesicht kitzelten. „Ja?“ „Das war schon alles. Danke.“, erwiderte sie vergnügt und ehe er angemessen darauf reagieren konnte, streckte sie sich etwas vor und roch an seiner unbändigen Mähne. Rue blieb auf der Stelle stehen, wovon Shaelyn wenig wahrnahm. Es war sein Shampoo... „Was machst du da?“, war seine, sehr offensichtlich, konfuse Frage. Shaelyn musste kichern. „Ich beschnuppere meinen Freund, weil der nämlich gut riecht.“ Rue wandte plötzlich seinen Kopf ab und sah wieder vor sich. „Hey, nicht abhauen.“, beschwerte Shaelyn sich milde und hob ihre Hand an, mit jener sie unter den Strähnen an seinem Ohr strich. Verwundert schob sie die erstaunlich weichen Haare beiseite – sodass sie gleich die vielen kleinen aufgestellten Härchen am Hals bemerkte. „Hast du Gänsehaut?“, fragte sie umgehend aus reinem Reflex und Überraschung. „Nein.“ „Wieso seh' ich dann eine?“ Es entstand eine kleine Pause. In der die Schwarzhaarige schmunzelte, sah dabei zu, wie seine Gänsehaut schwand. „Fällt dir keine Lüge mehr ein?“, stichelte sie etwas und erhielt keine Antwort. Keine Antwort war eben auch eine und sie wollte es genau wissen. Abermals streckte sie sich vor und berührte mit heftig klopfenden Herzen diesmal mit ihren Lippen seinen Hals. Sachte und sanft, kaum mehr ein Hauch – und doch war die Reaktion um ein vielfaches deutlicher. Konnte sie spüren, wie Rue sich für einen winzigen Augenblick durchschüttelte. Shaelyn war sprachlos. Das hatte sie nicht erwartet. Mit der Gänsehaut, die folgte, natürlich, aber nicht damit. „... Rue?“, verließ es mit Aufregung ihren Mund, den sie nicht ganz schließen konnte. Warum reagierte er so heftig darauf? War es nur die Stelle... oder sie? Oder beides? „Bitte unterlasse das.“, bat er sie im ruhigen Tonfall, das selbst sie vollkommen erstaunte. Nach der Reaktion konnte er kaum gelassen sein! „... Bist du so empfindlich am Hals?“ „Möglich. Allerdings unterlasse es bitte.“ Das war nun schon das zweite Bitte in zwei Sätzen. Selbst Shaelyn war das suspekt, aber so wie er es sprach, war es ihm ernst. Jetzt war sie verunsichert. Am liebsten würde sie weitermachen. Aber sie wollte ihn nicht verärgern. Besser sie ließ es bleiben. „...E-Entschuldige.“, gab sie leise von sich und zog ihre Hand zurück. Rue setzte sich für das letzte Stück wieder in Bewegung. „Ich war nur so neugierig... tut mir leid.“ L schwieg zu ihrer aufrichtigen Aussage – ihm saß noch immer die Attacke in den Knochen, weshalb er sich versuchte zu beruhigen. Er wusste, dass sie Tatendrang besaß und ohne Nachdenken handelte, dennoch hatte er nicht mit derartiges gerechnet. Es würde in Zukunft ein Memo an sich selbst sein; doch L musste Shaelyn zu den Schuhen tragen. Störte ihn die Tatsache sehr, dass sie sich schmutzig an den Füßen machte. Ganz abgesehen von Watari, der nicht erfreut wäre, wenn sie erkältet im Bett lag. Es war um diese Uhrzeit recht kühl. Jedoch wenn er ihre Körpertemperatur fühlte, war ihr sicher alles andere als kalt. „Du Rue... ähm.“, begann Shaelyn auf seinen Armen vorsichtig. Auch wenn es nicht danach aussah, hörte er aufmerksam ihren Worten zu. „Wenn man dich so sieht. Also allgemein, dann käme man nicht auf die Idee, dass du eigentlich total reinlich bist. Ich hab am Anfang ja genauso gedacht. Wie jetzt eigentlich all die anderen die dich nicht so kennen wie ich.“ L warf Shaelyn einen kurzen, aber stechenden Blick zu. Woraufhin sie gleich nervös zurück starrte. „War nicht böse gemeint! Nur du siehst halt nicht so aus, der viel wert auf Körperhygiene legt... Ich hab mich das schon oft gefragt und mich gewundert. Besonders... dass du wirklich penibel mit dir selbst bist.“ „Ich lege wert auf Sauberkeit, allerdings nicht auf die Meinung anderer. “, gab er tonlos als Antwort. „Folglich ziehe ich das an, was es mir gefällt. Deswegen solltest du die Menschen nicht nach ihrem ersten Erscheinungsbild beurteilen. Sieh genauer hin. Wenn du das berücksichtigst, wirst du schneller erkennen wie dein Gegenüber tickt.“ L stoppte bei ihren Schuhen auf der Wiese und war dabei Shaelyn abzusetzen, wenn sie sich nicht fest an ihn klammerte. „Warte!“, rief sie auch prompt dazwischen, weshalb er sie starr ansah. Ihre grünen Augen blickten ihn neugierig an. „Ich... Ich habe dich so oft beobachtet und genau hingesehen. Aber trotzdem weiß ich immer noch nicht wie du drauf bist...“, führte sie an, ehe sie begann ihn lieblich anzulächeln. „Denkst du, ich werde eines Tages einmal alles von dir wissen?“ L hielt den Augenkontakt aufrecht, musste dabei feststellen, dass selbst ihre Augen ihn anzulächeln schienen. Fragte er sich in demselben Moment ob dies möglich war. Vielleicht war es einfach nur ihre natürliche Art, die jede Unwahrheit gleich im Keim erstickte und ihr Gemüt zum Ausdruck untermalte. „Möglich.“ Und das war eine glatte Lüge. Ob es nun Gewohnheit war zu lügen, oder einfach nur ihr Lächeln war, das ihn dazu verleitete eben genau das zu sagen: Es war alles nur eine einzige Lüge. Es gab keine Zukunft mit Shaelyn. Und diese wieder aufgerufene Erkenntnis schmerzte in seiner Brust. „Du siehst irgendwie … traurig aus. Deine Augen sind so seltsam leer. Geht es dir gut?“, fragte die junge Frau auf seinen Armen besorgt, welche trotz allem ein gutes Gespür für seine Innenwelt besaß. Wie sie es immer schaffte, zu bemerken, wenn ihn etwas beschäftigte – es war für den Detektiven rätselhaft. „Ich habe nachgedacht. Nichts weiter.“ „Meinst du es ist wirklich okay?“ „Ja. Und langsam solltest du loslassen, damit ich dich absetzen kann.“, meinte er trotz ihrem Blick, jener nichts anderes als Unglauben ausdrückte. Doch sie erwiderte nichts, sondern ließ still von seinem schwarzen Shirt ab. Nachdem L Shaelyn abgesetzte hatte, zog sie ihre Schuhe schnell an. Dabei entging selbst dem unsensiblen Meisterdetektiv nicht, das etwas in der Luft lag. Gleich begann er wieder damit an seinem Daumennagel zu kauen. Es stimmte ihn nachdenklich. Das eben gesagte wie auch erlebte. Allerdings, auch wenn er noch so nachdenken konnte, war Shaelyn noch immer an einigen Stellen unüberschaubar, trotz ihrem ehrlichen Charakter. Diese junge Frau war selbst L ein kleines Mysterium – welches er zumindest teilweise gelöst hatte. Andererseits verstand er in der jetzigen Situation ihre Stimmung nicht. Überhaupt stimmte etwas seit geraumer Zeit nicht – das sagte ihm sein eigenes Gespür. „Also kann ich davon ausgehen, dass du für heute immer noch mein Freund bist?“, durchbrach sie schließlich die Stille. L zog eine Augenbraue an. Sie machte einen Themenwechsel. „Ja. Abgemacht ist abgemacht.“ „Oh, das freut mich.“, lachte sie mit einem breiten Lächeln. L war konfus. Eben noch war er der Ansicht gewesen, dass sie nicht gut aufgelegt war. Er würde es herausfinden. „Allerdings...“, begann er und ihr verging schlagartig das Lächeln. War er auch dabei ein Wort in seinem Mund zu formen, als in seinem Augenwinkel Joel auftauchte. Jener begleitet von einem anderen jungen Mann. Sie verließen das Haus, fiel L auch umgehend auf wie Joel seine Hand hielt. Ehe Shaelyn seinem Blick folgen konnte und bemerken würde, dass Joel sich verletzt hatte, fasste er an ihren Nacken und drückte ihr seine Lippen auf. Nicht sonderlich sachte, aber reichte es aus um sie träumen zu lassen und seinen Plus sprunghaft zu beschleunigen. Es war der Blick des jungen Mannes, der ihm unter dem Kuss ein Grinsen entlockte. Mit der Tatsache, Joel würde denken, dass Shaelyn ihm einfach verzieh und sich nicht einmal um seine Verletzung kümmerte, gab er sich zufrieden. Es war dem besten Detektiv und mächtigsten Mann der Welt eine Genugtuung der ganz anderen Art. Und rein menschlich – und männlich – gesehen, kennzeichnete L nur seine Frau. Wenn auch mit unfairen und unsittlichen Mitteln. Denn ungeachtet seinem Entschluss, sie nicht an seiner Seite zu haben, war er zu selbstsüchtig sie einem anderen zu überlassen. Der Kuss dauerte kaum mehr als wenige Augenblicke und war ein perfektes Mittel zum Zweck, musste L doch Shaelyn kurzzeitig festhalten. Beinahe wäre sie ihm weggeknickt. Völlig atemlos schnappte sie unverständlicherweise nach Luft. „Wenn du mich nochmal so überfällst, sterbe ich...“, hauchte sie mit hoch roten Wangen. Ihr ganzes Gesicht signalisierte ihm, dass sie alleine von dieser Berührung berauscht war, was er nur zu genau studierte. Sie machte sich nicht einmal Gedanken weshalb er so handelte. Viel mehr warf sie ihm einen verlockenden Blick zu. Spätestens jetzt ließ er urplötzlich die Finger von ihr. Shaelyn war prompt die bloße Enttäuschung anzusehen. „Gibt es keine Fortsetzung?“ „Nein.“ „Warum?“, verließ es mit einer Schnute ihren Mund. L deutete nebensächlich auf das Auto an der Straße, welches gestartet wurde. „Das Publikum fehlt.“ Nun konnte sie auch nicht mehr ausmachen, wer genau sich in dem Wagen befand. „Heißt das...“, wandte sie sich nun mit einem Grinsen an ihn. „Dass wenn wir wieder im Haus sind, du weitermachst?“ „Unwahrscheinlich.“ „War ja klar... Wäre zu schön gewesen.“ „Kann es sein, dass du dir nicht im Klaren darüber bist, was ich alles bedenkenlos mit dir anstellen könnte?“, fragte er unerschrocken, erhielt daraufhin nur ein zweideutiges Grinsen. „Wer weiß? Du hast es ja bisher nicht getestet.“ Entweder sie lud ihn geradezu dazu ein es wirklich herauszufinden, oder sie testete seine Reaktion. L hielt ersteres für wahrscheinlicher und gleichermaßen versetzte es ihn in große Skepsis. Hatte sie wirklich nichts getrunken? Shaelyn war im Normalfall nicht derart direkt. Das würde auch ihre Reaktionen und Aktionen seit dem verlassen des Hauses erklären. „Kann es unter Umständen sein, dass du doch etwas getrunken hast?“ „Und wenn?“ Das war für ihn ein eindeutiges Geständnis. Ihre Gesichtsregung zeigte es ihm zu genüge. Ihre tägliche Medizin bewirkte offensichtlich eine Beschleunigung der Wirkung des Alkohols. In diesem Falle war es gefährlich. Außerdem war sie nicht an Alkohol gewohnt. „Wie viel?“, hakte er ernst nach und sie grinste frech. „Der Herr weiß also gleich, dass ich was getrunken habe? Die Cola war doch ohne Alkohol. Hast du selbst getestet.“ L verstand keinen Spaß darin. Es gab genug Möglichkeiten. Schließlich hatte er sie nicht sofort gefunden – Zeit war demnach genug vorhanden gewesen. „Shaelyn, ich wiederhole mich ungern. Wie viel?“ „Ach, nur son' kleines Fläschen. War echt süß. Wirkt so was so schnell? Es war doch nur ganz wenig.“ Die Wirkung des kleinen Fläschens war immer deutlicher zu erkennen. „Deine Medikamente hat es um ein viel Faches beschleunigt und verstärkt. Hinzu bist du nicht an Alkohol gewohnt. Daher solltest du nun ins Bett.“ „Was?! Kommt nicht in Frage! Ich trinke auch nichts mehr, macht ja dann keinen Unterschied! War doch nur ein kleines Bisschen.“ „Das reicht aus. Ich werde Watari verständigen -“ Ohne, dass er überhaupt zu ende sprechen konnte, griff sie in seine Hosentaschen – und fischte sein Handy heraus. „Ohne mich! An diesem Abend gehörst du alleine mir! Und das lass ich mir bestimmt nicht nehmen!“, meckerte sie freiheraus, während er versuchte sich sein Mobiltelefon wieder anzueignen. Die Szene erinnerte an die Schale, die er damals versuchte wieder zu ergattern. Und er scheiterte ebenso. „Nichts da! Aber du kannst ruhig länger so nah bleiben.“, äußerte sie kichernd und nahm etwas Abstand. „Und damit du nicht auf blöde Ideen kommst, werde ich mal das Handy verschwinden lassen.“ L glaubte nicht daran, was er dann sah. Ohne zu zögern ließ sie das Handy in ihrem Ausschnitt verschwinden. Verärgert starrte er auf ihr Dekolleté. „Also, du hast die Wahl. Du fasst mir an die Brust, oder du spielst für den Rest des Abends meinen Freund.“ Und L hatte den Eindruck, dass ihr beides lieb gewesen wäre. Wütend auf sich, dass er nicht genug auf sie Acht gegeben hatte, biss er auf seinen Daumennagel. Ihr an die Brust zu fassen war sicher nicht die beste Lösung... allerdings wäre es eine Option. „Ich bin nicht der einzige, der ein Handy mit sich führt. Außerdem befindet sich ein Telefon im Haus.“ „Untersteh' dich! Was ist schon so schlimm daran meinen Freund zu mimen und gleichzeitig, dass ich was angeschwipst bin?! Komm' schon... sei kein Spielverderber.“, meinte sie vergnügt, das ihn weniger amüsiert stimmte. „Das ist nicht witzig, Shaelyn. Sollte deine Medikamente schon eine solche Wirkung zeigen, wäre es ratsam, dass du dich ausruhst und im Notfall ins Krankenhaus gefahren wirst.“ „Ach was, so schlimm ist es schon nicht. Und du bist doch die ganze Zeit bei mir, was soll mir also schon passieren? Also bitte, lass uns hier wenigstens bis kurz nach Neujahr bleiben.“ Sie machte ihm hübsche Augen – was unter den Umständen jedoch keine Wirkung zeigte. „Nein. Du wirst mit mir nach Hause fahren.“, erwiderte er streng, duldete somit keine Wiederworte. Ihr Ausdruck veränderte sich schlagartig. Mit einem bösen Blick, verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Und ich sage, dass wir bleiben.“, sagte sie stur, unbeeindruckt seiner deutlichen Anweisung. „Was willst du schon machen. Mich verschleppen oder was? Du weißt, dass man mir besser nicht krumm kommt.“ Es war ein Ton ihm gegenüber, an dem L nicht gewohnt war und auch nicht tolerierte. Shaelyn war trotzig – jetzt um einiges hartnäckiger. „Das wäre eine Idee und ich werde deinen Großvater davon in Kenntnis setzen müssen, dass du dich weigerst.“ „Du kannst mir so viel mit Opa drohen wie du willst.“ Sie streckte ihm kindisch die Zunge heraus. „Selbst Opa ist lockerer als du. Der sieht das alles gar nicht so engstirnig.“ „Für dein Alter solltest du dich erwachsener benehmen, Shaelyn. Und du täuscht dich. Er wird es nicht dulden, dass du dich betrinkst.“ L senkte kurz den Blick und steckte sich die Hände in die Hosentaschen, holte aus seiner rechten etwas Süßes heraus – das Shaelyn ihm gleich abnahm, sodass er sie mit seinen Augen fixierte. Zu seinem Überraschen blickte sie ihn nun konfus an. „Willst du mir eigentlich gerade sagen, dass du es sonst Opa verheimlichst?“ „Ja.“ „... Du bist ganz schön gerissen. Was ist wenn Opa dich danach fragt?“ „Lasse ich ein paar unwichtige Details aus.“, fügte er gelassen an und kramte nach dem nächsten gleichen Bonbon in der Tasche. „Du bist eigentlich echt voll der Mistkerl. ….“, begann sie verdächtig ruhig, ehe sie anfing zu grinsen. Das war wie üblich kein gutes Zeichen. Schnell ließ er das neue Bonbon in den Mund verschwinden. „Machen wir einen weiteren Deal.“ Der Detektiv hob eine Augenbraue an. Jetzt war er neugierig was sie ihm überhaupt anbieten konnte. „Du wirst hier mit mir bis kurz nach Neujahr bleiben. So wie gehabt mein Freund mimen. Und Opa nichts sagen.“ Soweit hatte sie ihre Bedingungen gestellt, folgte der nun der interessantere Teil. „Im Gegenzug... gib ich dir die Garantie, dass ich mich, sofern es mir immer möglich ist, von Joel distanziere. Na? Deal?“ Aufgeschlossen hob L nun beide Augenbrauen an. Das war tatsächlich etwas, woraus er seinen Nutzen ziehen konnte. Nun musste nur abgewogen werden. Zum Einen behielt sie recht damit, dass er ohnehin an ihrer Seite wäre, falls etwas vorfallen sollte. Zudem war es kaum mehr eine Stunde, die es zu überbrücken galt. Des weiteren konnte er ihre Worte genau herausfiltern. Die Betonung lag deutlich auf; wenn es ihr möglich war. Das garantierte unter keinen Umständen eine völlige Abwendung. Dennoch war er davon überzeugt, dass zumindest ein Quäntchen Wahrheit in ihren Worten steckte – ganz abgesehen von ihrem angetrunkenen Zustand. Schließlich wollte sie ihm gefallen und hätte es im Nachhinein auch ohne diesen Deal getan – wenn wohl nicht so direkt. Und sie hielt sich an ihre Abmachungen. Eine Verpflichtung die sie damit einging und ihm tatsächlich gewährleistete, dass sie es durchzog. Gut, er war überzeugt. „Einversta-“ L zog den Vokal in die Länge, da sich Shaelyn um seinen Hals fiel und ihn schließlich einmal ungestüm auf den Mund küsste. Fast einen Herzanfall erleidend, stellte er weiterhin fest: Sie war sehr enthemmt im angetrunkenen Zustand. „Guck nicht so geschockt! Du bist heute mein! Da gibt es nichts zu meckern.“, lachte sie amüsiert auf. „Ein Geben und Nehmen, richtig?“, fügte sie breit lächelnd hinzu, woraufhin L die Augenlider zur Hälfte senkte. „Richtig.“ „Und weißt du was?“, kam es begeistert von ihr. „Was?“, kam es dann wiederum weniger begeistert vom Detektiven. „Ich werde auch brav sein.“, meinte sie mit einem Lächeln, während sie sich wieder normal vor ihm stellte. Ohne dass er etwas darauf antwortete, hob er seine Hand an, kurz darauf auch seine andere, was sie gleich aufmerksam verfolgte – bis hin zu ihrem Ausschnitt, den er mit einem Zeigefinger etwas aufzog und mit dem anderen Zeigefinger und Daumen zwischen ihrem Busen auf Tuchfühlung ging. Nicht nur, dass sich ihr Herz überschlug, sondern sie es kaum mehr wagte zu atmen. Er fasste ihr tatsächlich an den Busen – seelenruhig und gelassen. Ehe er das Handy aus ihrem Dekolleté fischte, glaubte sie gleich ohnmächtig zu werden. Jede Stelle die er auch noch so flüchtig berührte, hinterließ eine heiße Spur auf ihrer Haut. Es war die Hitze, dir ihr immer mehr zu Kopf stieg und völlig benebelte – und sie hatte das Gefühl er ließ sich mehr Zeit als er brauchte. Setzte ihr Atem für wenige Sekunden aus, als er nicht nur sein Handy zu fassen bekam. Gefesselt von seinen dunklen Augen, die sie förmlich durchbohrten als er sie anblickte, wurden ihre Knie weich. Hilflos keuchte sie fast nach Luft. Und obwohl Rue es nur aus Rache tat – wollte sie, dass er nicht aufhörte. Ganz gleich ob es das richtige war. Ihr Kopf war voll von Dingen, die sie längst nicht mehr steuern konnte. „Das brauchst du nicht mehr für mich zu tragen.“, waren seine Worte, als er seine Finger von ihr nahm und das Handy in die Tasche zurück steckte. Mit Faszination betrachtete L ihr Gesicht. Lag in ihrem Ausdruck eine Mischung aus Verwirrung, Scham und beim Letzteren öffnete er etwas weiter die Augen. War es Sehnsucht, die er deutlich herauslesen konnte. Bei nun dieser Erkenntnis darüber, knabberte er gleich angestrengt an seinem Daumennagel. „Wir sollten hinein gehen.“, gab L umgehend beherrscht von sich. Die Situation begann kritisch zu werden – denn selbst L nahm diese seltsame Aufregung wahr, die ihn nun einzuholen schien. Fast greifbar wie schwer die Luft wurde als sie für einen Moment auf ihre Unterlippe biss. Gespannt starrte er auf ihre Lippen während sie begann jene zu öffnen. „Küss mich. Jetzt.“, flüsterte sie auffordernd, ging sie schon einen Schritt auf ihn zu – doch bevor sie ihm nahe genug kam, reagierte L. Mit einem Ausweichschritt nach hinten, und rasendem Puls, brachte er genug Abstand. „Nein.“, verdeutlichte er noch seine Geste, welche Wirkung ihr gleich stark anzusehen war. Enttäuscht wich Shaelyn seinem Blick aus und verschränkte die Arme vor der Brust. L versuchte sich zwischenzeitlich zu besinnen. Rechnete er jedoch nicht mit ihrem schnellen Abgang, den sie unvermittelt Richtung Haus antrat. Erneut hatte er sie gekränkt, weshalb er sich unschlüssig am Hinterkopf kratzte. Und nicht zuletzt flüchtete sie ein weiteres Mal vor ihm – was sie allmählich unterlassen sollte. Emma hatte schon nach Shaelyn Ausschau gehalten als sie diese sah, wie sie die Treppen, mit einem bedrückten Gesichtsausdruck, hoch stieg. Da war wieder was vorgefallen und das war sicherlich nicht nur wegen ihrem Bruder, der auf dem Weg ins Krankenhaus war. Überhaupt? Was hatte sich Joel dabei gedacht? Wenn sie ihrer Freundin richtig zugehört hatte, dann war er selbst daran schuld gewesen. Aber ganz offensichtlich brauchte Shaelyn gerade jemanden der ihr zuhörte, weshalb sie diese Gedanken erst einmal beiseite schob. Denn glücklich, oder zumindest zufrieden, sah anders aus. Demnach bahnte Emma sich den Weg nach oben frei. Aus reiner Intuition klopfte sie erst bei sich am Zimmer an, ehe sie langsam die Türe öffnete. Fand Emma wie erwartet die Engländerin auf ihrem Bett vor, mit dem Rücken zu ihr liegend und die Beine angezogen. „Shae …. ?“, fragte sie vorsichtig an und erhielt ein Schniefen als Antwort. Langsam trat die Brünette ein und schloss hinter sich die Türe. War die Stimmung beklemmend und Behutsamkeit gefragt. So setzte die Amerikanerin sich auf das Bett, legte dabei ihre Hand auf Shaelyns Schulter. „Was ist denn los?“, war somit ihre erste Frage. „... Ich möchte alleine sein.“, kam es schwach zurück, womit Emma jedoch bereits gerechnet hatte. Die Brünette seufzte leise. „Das glaube ich dir nicht. Möchtest du nicht lieber darüber sprechen?“ „Nein...“ Ein weiteres Schniefen folgte und Emma öffnete gleich den kleinen Nachttisch, aus welchem sie ein Paket Taschentücher holte. „Hier, nimm erst mal ein Taschentuch.“, sagte Emma und hielt ihr hilfsbereit das Paket hin, das gleich von Shaelyn in die Hand genommen wurde. Sogleich setzte sich die Schwarzhaarige auf und Emma konnte in ihr verweintes Gesicht blicken. „Was hat er wieder getan? Erst gehst du wütend aus der Garage und jetzt sitzt du hier und weinst.“ Shaelyn sah sie kurz von der Seite an, ehe sie die Tränen mit einem Tuch wegwischte. „Wir sind gar nicht wirklich zusammen.“, gab die Schwarzhaarige leise von sich, woraufhin Emma sie irritiert ansah. Wie meinte sie das jetzt? „Nicht zusammen?“ „Ja, nicht zusammen. Das war nur eine Lüge von ihm....“ Prompt stand die Wut in Emmas Gesicht. Wie konnte er Shaelyn nur so etwas antun?! „Was fällt dem Arsch ein?! Dem... werd' ich es zeigen!“ „Schon gut, Emma!“, beschwichtigte Shaelyn sie direkt und hielt Emma zurück. „Ich habe mich selbst darauf eingelassen...“ Zunächst blinzelte die Brünette einige Male. „ … Trotzdem! Damit macht man keine Spielchen! Er weiß doch, dass du ihn liebst. Langsam glaube ich wirklich, dass du die Finger von dem Arsch lassen solltest.“, meinte Emma in Rage und schlug die Beine übereinander. Shaelyn lächelte für einen kurzen Augenblick gequält. „Eigentlich ist er ein guter Mensch.“ Ganz gleich, wie oft er sie zurückwies – sie liebte ihn. Nur tat es ihr so weh, wenn er so deutlich seine Ablehnung zeigte. Wie konnte er dann so kühl und unnahbar sein? Wenn sie doch schon öfter erlebte, dass er anders sein konnte. Shaelyn verstand es nicht. Und je mehr sie darüber nachdachte, desto verwirrter war sie. „Ein guter Mensch? Wo? Hab' ich bisher nicht gesehen. Alles was ich gesehen habe war ein Kerl, der gerne seine Spiele treibt und das auf deine Kosten!“ Ein wissendes Lächeln lag kurz auf Shaelyns Lippen. Dass Rue gern seine Spiele machte, wusste sie. Dennoch besaß er auch schöne Seiten. Seiten, die wohl kaum jemand kennenlernte. „Kannst du dich an die Blumen im Krankenhaus erinnern... ?“, fragte Shaelyn schließlich mit einem zarten Lächeln an. Alleine der Gedanke hellte ihre triste Welt auf. Kam gleich ein Brummen von der Brünetten. „Ja, das war lieb von ihm und-“ „Ich habe dir das bisher nie erzählt... aber er hat mein Leben gerettet. Er hat sein eigenes Leben dafür riskiert. … Wenn er also nicht wäre, wäre ich heute nicht mehr da.“, verließ es in Erinnerung schwelgend ihren Mund. Der Gedanke alleine schnürte ihre Brust ein. Ein so unangenehmes Gefühl, dass sie kurz kräftig Luft holte. „Was... was ist passiert?“, schnitt Emma entsetzt an. „Ich wurde gefangen genommen. Gefesselt in einem Keller liegend, war der einzige Gedanke mein Tod. Haben sie mir die Rippen gebrochen, mir Drogen verabreicht. Rue konnte nicht wissen wo ich war, doch trotzdem fand er mich und befreite mich. Ganz alleine. Und überwältigte die zwei Typen, als wir flohen. Da verlor ich mein Augenlicht... und hier.“ Shaelyn rückte den Träger des Kleides zur Seite und offenbarte eine kleine Narbe. „Hier wurde ich angeschossen.“, endete Shaelyn und sofort fasste Emma sich fassungslos an die Wange. „Unglaublich... und er hat dich wirklich ganz alleine da raus geholt?“ Die Engländerin nickte und setzte den Träger wieder auf die richtige Stelle. „... Unfassbar. Ich meine, ich wusste ja nicht... Ich muss kurz nachdenken.“ „Weißt du, Rue ist ein wirklich guter Mensch. Er hat zwar viele Macken, aber das macht nichts. Weiß ich ja, dass er oft gemein ist, aber er meint es sicher nicht so. Jedenfalls glaube ich das, weil sicher kann man sich ja nie bei ihm sein.“ Das Lächeln kehrte in ihrem Gesicht zurück. „Alleine dass er mir die Kette geschenkt hat, zeigt viel von ihm. Er weiß, dass ich Vanille gern hab'. Außerdem hält er nicht viel von Geburtstagen und Geschenken, macht mir aber trotzdem eins.“ Shaelyn lachte leise auf. „Und er kann so schön Lächeln. Gerade weil er es so extrem selten tut, ist es was so besonderes. Dann ist er offen. Zeigt, was er wirklich fühlt. Sonst verschleiert er es immer. … Rue ist kompliziert und überhaupt so schwer zu verstehen. Er meint es einfach nicht böse. Ich will nur viel mehr von ihm und kann mich nicht zurückhalten.“ Ja, sie konnte sich nicht zusammennehmen. Wenn er bei ihr war, wollte sie ihm nahe sein. Wollte sie seine Aufmerksamkeit für sich alleine. Es war kaum zu steuern was sie tat – und das musste Rue einfach überfordern. Er fühlte nicht so wie sie und statt dass sie ihm den Freiraum ließ, bedrängte sie ihn weiter. Besonders, wenn sie durch den Alkohol noch weiter berauscht wurde. So konnte nie etwas aus ihnen werden – oder überhaupt etwas. Und das war das Traurige, was sie gerade hatte weinen lassen. War es doch jede einzelne Sekunde, die sie immer mit ihm zusammen sein wollte. Immer das warme Gefühl zu spüren, wenn er sie berührte. Rue traf keine Schuld. „Ja, ich verstehe dich langsam, Shae.“, waren schließlich die Worte von Emma zu vernehmen, die sie aus den Gedanken rissen. Die Amerikanerin blickte sie ernst an. „Rue ist nicht einfach irgendjemand für dich. Nicht nur, weil du in ihn verliebt bist, sondern weil das noch ganz andere Wurzeln hat. Euch verbindet etwas mehr. Das habe ich glaube ich eingesehen.“ Zufrieden lächelte Shaelyn, stoppte allerdings, als Emma den Finger drohend hob. „Auch wenn ich das eingesehen habe, sollte sich Rue mal warm anziehen. Das gibt ihm aber trotzdem noch nicht das Recht dich so zu behandeln. Egal was für Macken der Kerl hat, der muss doch sehen, dass er dich damit verletzt. Er sollte dich sanfter behandeln.“ Kurz verwirrt über die Ansage ihrer Freundin, lachte Shaelyn letztendlich auf. Nun war Emma verwirrt und öffnete abermals die Lippen. „Was ist daran so komisch?“ „Emma... Rue kann einfach nicht anders. Ich weiß das mittlerweile. Der ist so. Ich muss nur lernen besser damit klarzukommen.“ Misstrauisch wurde Shaelyn beäugt. „Du willst dich ihm also anpassen?“ Die Schwarzhaarige schüttelte den Kopf, während sich ein versunkenes Lächeln auf ihre Lippen schlich. „Nein,... ich will ihm entgegenkommen.“ Emma lächelte nun ebenfalls. „Was anderes. Was war denn da los gewesen zwischen Joel und Rue?“ Überrascht hob Shaelyn ihre Braunen an. „... Rue hatte deinen Bruder provoziert und der ist dann auf Rue los. Der ist nur ausgewichen und hat Joel über den Rücken auf den Boden geworfen.“ „Hm... Und dann bricht Joel sich gleich das Handgelenk?“ Geschockt darüber, riss die Engländerin ihre Augen auf. Joel hatte sich dabei das Handgelenk gebrochen?! Das wusste sie gar nicht! „Was?!“ „Du wusstest das nicht? Er ist doch zum Krankenhaus. Wird das neue Jahr mit Warten beginnen.“ „Oh... Mist. Das... wollte...“ Da fiel ihr urplötzlich der Kuss mit Rue ein. War das also Joel gewesen, der wegfuhr? Kurz zuckte ihre rechte Augenbraue. Jetzt stellte sie sich die Frage, ob der Kuss deshalb war. Rue hatte kurz weggesehen, bevor er sie überfallen hatte. Nun ja, es gehörte mit zur Tarnung gerade vor Joel zu küssen. Trotzdem. Sie hätte ja sofort gesehen, dass es ihm nicht gut ging. Hieß das nicht auch, dass es Rue gesehen und gewusst haben musste? „Ja?“ „S-Schon gut.“ Besser sie vergaß ganz schnell die Gedanken. Vielleicht dachte sie sich einfach nur zu viel dabei. „Ich sollte mich dann besser bei ihm entschuldigen, wenn ich ihn das nächste mal treffe.“ „Hm?“, fragte Emma verwundert an. „Naja, ich bin halt Joel über den Weg gelaufen und dann habe ich mit ihm gesprochen. Wäre ich ihm nicht über den Weg gelaufen, hätte er jetzt ein gesundes Handgelenk.“, gab sie ein wenig schuldig von sich, woraufhin aber Emma begann zu lachen. „Shae! Also echt. Wenn hier einer Schuld hat, dann ist das Joel, oder dein toller Kerl. Aber du bestimmt nicht.“ Ein scharfer Seitenblick traf die Brünette. „Hey, sag das nicht so gemein. Rue ist toll.“ „Ja ja, ich weiß schon.“, antwortete Emma belustigt. „Der Typ, in dem man verliebt ist, ist immer toll.“ Ein erneuter strenger Blick später, hob die Brünette ergebend ihre Hände hoch. „Das stimmt schon... aber du hast auch Recht, Shae.“ Bei diesen Worten legte die Angesprochene den Kopf leicht schief. Emma fuhr mit einem sachten Lächeln fort: „Dass er sein Leben für dich riskiert hat, zeigt wirkliche Selbstlosigkeit. Es beeindruckt mich echt. Außerdem zeigt er damit, dass du ihm am Herzen liegst. Immerhin riskiert man nicht für irgendwem sein Leben, oder?“ Shaelyn begann verträumt in sich hinein zu lächeln. Hatte auch ihr Herz einen großen Sprung getan. Denn das was Emma sagte, machte ihr weiter bewusst, dass sie tatsächlich etwas Besonderes für Rue sein musste. Sie war nicht irgendjemand in seinem Leben. Ohne Vorwarnung wurde die Türe geöffnet, sodass beide junge Frauen zusammenzuckten. Eine gebückte, sehr unzufriedene Person, die beide jungen Frauen mit einem intensiven Starren strafte, stand dort. Direkt schluckte Shaelyn einen dicken Kloß herunter. Hoffentlich war er nicht allzu sauer. Besser sie riss sich jetzt zusammen. Bevor auch Rue etwas sagen konnte, erhob sich Emma. „Ähm, ich lass euch besser mal alleine!“, meinte sie schnell und ging zur Türe, quetschte sich gleich darauf an Rue vorbei – jener ohne Regung weiterhin im Türrahmen stand. Sein stechender Blick galt Shaelyn, die völlig erstarrte. Sie hatte Angst, dass wenn sie sich bewegte, er eventuell nur böser wurde. Sah sie schließlich krampfhaft mit an wie er in den Raum trat und seelenruhig hinter sich die Türe schloss. Irgendwie hatte sie gar kein gutes Gefühl – weshalb sie sich die dünne Decke schnappte und kurzerhand diese über sich zog. Es war als würde sie damit versuchen die bösartigen Geister abzuhalten. Oder zumindest den bösen Rue daran zu hindern, sauer auf sie zu sein. „Shaelyn.“ Seine dunkle Stimme veranlasste sie gleich dazu sich den Saum der Decke enger zu sich zu ziehen. Sie wusste nicht was sie tun oder sagen sollte. Es tat ihr leid, dass sie sich abermals so dumm benommen hatte. Und auch jetzt tat sie wieder etwas unüberlegtes. Was sollte diese dünne Decke schon abhalten? Rue bestimmt nicht – doch tat sich nichts. Kam nicht einmal ein Geräusch von ihm. Unsicher, ob er wirklich noch da stand, begann sie auf ihrer Unterlippe zu beißen. Ob sie nachsehen sollte? Ob das vielleicht nur eine Falle war um sie hervorzulocken? War er dann überhaupt wütend auf sie, wenn er sich so Zeit ließ? … Konnte er wirklich einfach gegangen sein? Verwirrt über die Fragen und auch Zweifel in ihrem Kopf, ließ sie ihren Griff um die Decke lockerer. War es jetzt verkehrt nachzusehen? Entgegen ihres miesen Bauchgefühls, zog sie die Bettdecke etwas hoch, sodass sie genau auf das sehen müsste, was vor dem Bett stand – und dort war nichts. Erschrocken darüber, riss sie gleich die gesamte Decke von sich. Ungläubig starrte sie in die Leere des Zimmers, lehnte sich dabei weit vor, sodass sie sich auf beiden Händen auf dem Bett abstützte. „W-wo...“, entwich es ihr leise und vollkommen desorientiert. Wenn er gegangen wäre, dann hätte sie es doch hören müssen?! Fantasierte sie jetzt schon?! Aber Emma war doch extra wegen Rue gegangen. Sie musste ihn auch gesehen haben! Entsetzt hielt sie den Atem an. Ohne Vorwarnung rückte ein wilder Haarschopf hervor - und ebenfalls lugten zwei dunkle Augen über dem Bettrand hervor. Rue hatte sich vor dem Bett versteckt?! Ungläubig kreuzte sie den festen Blick von Rue. Wie hatte das überhaupt gepasst? Ein seltsames Bild formte sich in ihrem Kopf, sodass sie unwillkürlich grinsen musste. Was machte er da unten? „Gut, du scheinst wieder bei Laune zu sein. Wäre nun ein Gespräch im Bereich des Wahrscheinlichen?“, verließ es fast schon sarkastisch seinen Mund, woraufhin sie plötzlich kichern musste. „Du bist verrückt!“, lachte Shaelyn. „Was machst du da unten?“ Rue zog eine Augenbraue an, verließ seine Position aber in keinster Weise. „Gegenfrage: Was hast du versucht mit der Bettdecke zu bezwecken?“ Verdutzt setzte sie sich auf, ehe sie verlegen beiseite sah. Er hatte schon Recht. Ihre Aktion war genauso verrückt gewesen, wie sein Versteckspiel. „Na,... ich wollte mich halt verstecken. Ich weiß, war auch blöd von mir...“ Ein winziges Grinsen zeichnete sich auf seinen schmalen Lippen ab. Ja, sie hatte es begriffen. „Wunderbar.“, meinte er schließlich und erhob sich, nur um sich kurz darauf auf das Bett zu setzen. „Ich mache dir einen Vorschlag, Shaelyn.“ Gleich besah sie Rue von der Seite, der grübelnd an die Zimmerdecke starrte. „Du läufst nicht mehr davon und hast für den Rest des Tages noch etwas Spaß, ganz ohne ein Kommentar zu dem was sich vorhin abspielte. Im Gegenzug...“ Nun wandte er seinen Kopf zu ihr, bedachte sie mit einem ernsten Blick. Jetzt schluckte sie automatisch. „Im Gegenzug wirst du dich benehmen, mir keine Probleme verursachen und die Sache mit dem Schlittschuhlaufen vergessen.“ Irritiert blinzelte sie. Die Sache mit dem Schlittschuhlaufen? Aber... das war doch eine Abmachung! „Ich verstehe ja die ersten zwei Punkte, aber mit dem letzten bin ich definitiv nicht einverstanden! Das war eine Abmachung. Ich habe gewonnen und durfte mir was aussuchen.“ „Dann suche dir von mir aus etwas anderes aus.“, meinte er nebensächlich, während er an seinem Daumennagel nagte, was sie für wenige Augenblicke fassungslos machte. War er so strikt dagegen? Hatte er vielleicht Angst davor? Eigentlich hielt er sich an die Abkommen – dass er es jetzt aber wieder aufrollte und die Gelegenheit nutzte es rückgängig zu machen, stimmte sie nun mehr nachdenklich als wütend. Natürlich hatte sie sich darauf gefreut. Schließlich ging sie gern Eislaufen, besonders dann mit Rue. Aber es schien im gar nicht zu gefallen. Warum? Ob das Nachfragen klappen würde? „... Wieso kein Eislaufen?“ Sein Starren war eisern und sie konnte sich an diesem Punkt sicher sein, dass er keine Antwort geben würde. Es machte sie etwas traurig. War vielleicht doch mehr dahinter, dass er es nicht wollte? Shaelyn seufzte. „Schade, … eigentlich habe ich mich sehr darauf gefreut. Aber wenn du es so sehr nicht willst.“ Es war deutlich an ihrer Stimme und auch Gesichtsausdruck auszumachen, dass sie enttäuscht war. Aber was sollte sie schon tun? Dann sollte sie besser etwas anderes wählen. Nur was? „Naja dann... ah! Ich habs!“, meinte sie schließlich enthusiastisch. „Hollywood! Ich will den Walk of Fame mit dir sehen! Ist doch hier in Los Angeles und wollte ich sowieso mal hin. Außerdem gibt es da bestimmt auch so viele schöne Dinge zu gucken. Was sagst du? Ist doch okay, oder nicht?“ Ob das 'Okay' war, daran zweifelte sie wenige Momente später. Er schien scharf nachzudenken. Aber was sollte daran nicht in Ordnung sein? Es war nur ein Tag, an dem sie zusammen umherliefen und redeten. Vielleicht in das ein oder andere Geschäft gingen. „Einverstanden.“, ließ er schließlich verlauten, was sie vor Vorfreude lächeln ließ. Und wenn sie es gründlich bedachte, war das doch besser als das Eislaufen. Ein ganzer Tag war länger als ein-zwei wenige Stunden Eislaufen! Ob er das auch mit bedacht hatte … ? Seit dem Beschluss, es ginge nun zum Walk of Fame, statt in die Eishalle, lächelte Shaelyn ununterbrochen. War ihr somit von Beginn an klar gewesen, dass sie nun mehr Zeit zur Verfügung hatte. Dies war selbstverständlich mit eingerechnet gewesen, denn so war das Angebot für sie noch verlockender. Dennoch hatte er kein Anzeichen einer Gefahr entdeckt. Ein Tag in der Stadt war angenehmer als auf dem Eis zu stehen. L wählte demnach das kleinere Übel. Und sie hatte weiterhin die Bedingung bedacht, dass es nicht direkt mit ihm zu tun hatte. Demnach würde er sie ebenso in die Stadt begleiten, wie eigentlich zum Eislaufen. So oder so: Er musste für seine Niederlage geradestehen. Ebenso für die Abmachungen, die für diesen Abend galten. So folgte er still Shaelyn, jene den Weg zur Garage anschlug. Als sie dann vor den Kisten stand und hineinsah, seufzte sie lautstark. „Da ist jetzt ja nur npch ein Paket Knallfrösche... Und jetzt?“, wandte sie sich zuletzt an ihn, auch wenn sie sich selbst mehr die Frage stellte als ihm. „Dann hab' ich das richtige für euch!“, mischte sich eine bekannte Stimme ein, die L sowie Shaelyn aufmerksam machten. Emma stand am Nebeneingang der Garage und grinste. „Die Anderen waren halt schneller als ihr....“, setzte sie fort, ehe sie näher trat und auch weiter sprach: „Aber zum Glück bin ich ja noch da.“ L verzog keine Miene darauf. Shaelyn hingegen war begeistert. „Seht mal her...“ Mit einem breiten Grinsen zückte sie eine längere Schachtel, die sie wohl in die hintere Tasche gesteckt haben musste. Misstrauisch beäugte L die Schachtel, als schon Shaelyn seufzte. „Das sind doch nur Wunderkerzen...“ „Eben. Genau das richtige für euch...“ „Du meinst wohl, die nimmt kein anderer, hm?“, meinte Shaelyn etwas verärgert. Emma grinste unbeeindruckt weiter. „Doch, klar! Aber das passt doch zu euch!“ „Hm... weil man sich an den Dingern verbrennen kann? Versteh den Wink schon...“, kommentierte die Engländerin, woraufhin L etwas grinsen musste. „Siehst du. Rue grinst schon, also kann es ja nur stimmen.“, ärgerte Emma Shaelyn mit einem Lachen. Gleich fing der Detektiv sich einen kurzen gefährlichen Seitenblick von Shaelyn ein – was ihn unbeeindruckt ließ. „Also entweder die tollen Kerzen, oder die Knallfrösche. Was darfs sein?“, fragte Emma nun konkret, sodass Shaelyn tief ausatmete. „Ja, die Kerzen. Gib schon her.“ Zufrieden übergab Emma die Wunderkerzen, allerdings nicht ohne einen Kommentar. „Das ist eure weitere Strafe. Dafür, dass ihr den Garten unter Wasser gesetzt habt.“ „... unfair. Dafür waren doch die Handschellen gewesen.“ „Die ich euch abgenommen habe, weil ich dachte, ihr wärt ein Paar.“ Umgehend wanderten die dunklen Pupillen Ls zu Shaelyn, die sich auf der Stelle sichtlich unwohl fühlte. „Äh... ja. Schon gut! Danke!“, lachte die Schwarzhaarige unsicher. „Alles klar, dann bis gleich zum Showdown.“ Emma ging zügig – und ehe L seinen Mund öffnete, kam Shaelyn ihm zuvor. „Tut mir leid! Ich hab's ihr gesagt... ja! Ich weiß, es sollte ja keiner wissen, dass das ein Schauspiel ist... aber ich hab's ihr einfach gesagt, okay?! Bitte nicht böse sein!“, flehte sie ihn direkt an. Wenn es Emma wusste, war auch bald Joel eingeweiht. Ein logischer Schluss, der ihn missmutig stimmte. „I-Ich hab halt ein wenig Frust abgelassen und dann hab ich es ihr gesagt... Ist doch jetzt nicht so schlimm oder? Ich meine, wir machen das doch eh nur wegen Dustin... ?“ L kramte in seiner Hosentasche nach einem Bonbon, den er gleich darauf fand und zu erst einmal unter den flehentlichen Augen Shaelyns verputzte. Nach einer kleinen Pause, setzte er zum Sprechen an: „Sie wäre ohnehin bald von selbst darauf gekommen.“ Das wäre sie spätestens beim nächsten Besuch. Dennoch nicht all zu bald. Doch sich daran nun aufzuhängen, war unnütz. Außerdem wäre es nur verdächtig etwas anderes zu sagen. Stand die Erleichterung Shaelyn direkt im Gesicht. „Es war keine Absicht... Wirklich nicht.“ „Schon gut, Shaelyn.“ Ihm wurde ein süßes Lächeln geschenkt, das ihn dazu zwang die nächste Süßigkeit zu sich zu nehmen. „Sag mal, wie viel hast du noch von dem Süßen in deinen Taschen?“, fragte sie dann irritiert, während sie zusah, wie er sich mit Nascherein vollstopfte. Sie wusste ja, dass seine Taschen riesig waren, trotzdem musste doch irgendwann mal Schluss sein? Und irgendwie hatte er in den letzten 30 Minuten verstärkt daran gearbeitet den Vorrat aufzubrauchen. War er nervös? Oder wie sollte sie das verstehen? Seine Augen starrten sie still an, sodass sie es einfach nur erwidern konnte. „Willst du auch?“ Es war eine sehr ruhige, dunkle Stimme, die sie verunsicherte. Wie sollte sie das verstehen? Da war das starke Gefühl, er meinte eigentlich etwas völlig anderes. Dabei war die Frage eindeutig. Auf irgendeine Weise wurde sie nervös, verstärkend trug sein Blick dazu bei. „I-Ich weiß nicht?“ Ein winziges und vor allem geheimnisvolles Grinsen legte sich auf seine Lippen. Dann griff er abermals in seine Tasche und hielt ihr die geschlossene Hand vor, die gleich besah. Zaghaft hob sie die ihre an, zuckte kurz zurück als er die Finger löste. Auf seiner Handfläche lag ein einzelnes, in Papier gehülltes, Bonbon. „Die letzte Süßigkeit.“, vernahm sie seine Stimme, ehe sie aufsah und das sichtlich aufgeregt. „D...Dann lieber-“ „Es ist ein Vanille-Bonbon.“, unterbrach er sie, woraufhin ihr Herz nur heftiger schlug. Vanille. Warum hatte alles mit Vanille zu tun? Warum betonte er es so? Und warum machte es sie so nervös? Es war nur eine Süßigkeit, die er ihr vorhielt! Mit roten Wangen und einem stockenden Atem, lächelte sie zögernd. „Willst du das Bonbon denn nicht?“ Was sie dann hörte, verwunderte sie nur mehr. „Wie ich bereits einmal sagte: Das beste hebe ich mir bis zum Schluss auf.“ Shaelyn holte tief Luft. Ja, er hatte es schon einmal gesagt. Und auch wie damals hatte sie das Gefühl, es sei etwas anderes gemeint gewesen. Sie versuchte ihre Aufregung zu überspielen. Es war ohnehin komisch, wieso sie wegen so etwas so nervös wurde. „Dann hast du ja jetzt die Gelegenheit.“, meinte sie weiterhin lächelnd. „Ja. Allerdings ...“ Rue schloss seine Finger wieder um das Bonbon. Aufgeregt blickte sie auf seinen Mund, der sich nochmals öffnete: „wäre es auch ein Jammer.“ Konfus starrte sie hoch zu ihm. „Wieso?“ „Wenn ich das Bonbon jetzt essen würde, dann wäre nichts mehr für später übrig. So genieße ich noch etwas mehr diese Süßigkeit.“ Mit diesen Worten steckte er die Süßigkeit wieder in die Tasche und grinste dabei. Vollkommen verwirrt, dachte sie über das eben gesagte nach. Was zur Hölle hatte er damit gemeint?! Als er sich dann zum Gehen abwenden wollte, packte sie ihn am Arm. „Warte mal! Und was ist, wenn ich das Bonbon jetzt gern haben würde?“ Ein Seitenblick von ihm ließ sie nur mehr grübeln – Er amüsierte sich. Über was auch immer! Sie wollte es auch wissen! „Dieses Bonbon ist alleine für mich reserviert.“ Argwöhnisch zog sie ihre Augenbrauen zusammen. „Und wieso?“ „Weil ich darüber verfüge.“ „Und wer sagt das?“ „... Ich. Und alleine ich entscheide, was damit passiert. Wann ich es esse, wie lange ich mir dafür Zeit nehme oder es überhaupt vernasche.“ „Wieso... solltest du die Süßigkeit nicht essen?“ Seine Augen blitzten kurz auf, sodass sie nur noch neugieriger wurde. Irgendwas lief hier. „Das ist mein Geheimnis.“, antwortete er schließlich. Sprachlos ließ sie von seinem Arm ab und brauchte ein paar Sekunden zum Nachdenken. War das größte Geheimnis eigentlich er selbst. Wieso machte er nun so ein großes Thema aus diesem Bonbon?! Sollte er es doch einfach essen, wenn es doch für ihn ist. Er konnte sich doch genug andere solcher Bonbons kaufen und haufenweise essen. Jetzt wollte sie dieses Bonbon unbedingt! Natürlich kam Shaelyn nicht dahinter – denn ansonsten hätte L dieses Thema niemals angeschnitten. Obwohl es streng genommen nicht schwer war das zu begreifen. Zumindest aus seiner Sicht. „Halt mal. Sagtest du nicht, dass ich auch was haben kann?“ L zog eine Augenbraue an. „Ja.“ „Ja, also her mit dem Vanillezeug.“ „Das war nicht auf dieses Vanillezeug bezogen.“ „Ah?“ „Wenn du willst, kannst du Zuhause alles haben.“ „... aber nicht dieses Bonbon?“ „Richtig.“ „Das ist gemein! Erst machst du mich wild auf das Zeug und dann bekomme ich es nicht!“ L musste zugeben, dass es ihm etwas Spaß bereitete. „Das ist nicht mein Problem.“, kam es dennoch ohne eine weitere Miene zu verziehen. „Ach komm! Sei kein Frosch!“ „... Frosch?“, fragte nun L tatsächlich irritiert. „Sagt man so. Lenk' nicht ab. … Oder muss ich mir den Bonbon selbst holen?“ „Soll das ein weiterer Versuch sein mir nahe zu kommen?“ „... Vielleicht?!“, meinte sie nun kampflustig, das ihn in Bereitschaft versetzte. L hatte sehr wohl gelernt bei derartigen Situationen mit Shaelyn auf der Hut zu sein. Wäre nicht das erste Mal, dass sie sich auf ihn stürzte. „Ich bin der Meinung, dass du dich etwas zügeln solltest.“ „Wieso? Du bist noch mein Freund.“ L griff nur kurz darauf die Hand von Shaelyn, welche sie nach ihm ausstreckte. Bei dieser Gelegenheit wandte er sich zu ihr um. Jedoch war L überrascht als er den herausfordernden Gesichtsausdruck von Shaelyn las. „Irgendwie mag ich es ja, wenn du so konsequent bist.“ Das war sicherlich nicht das was er erwartet hatte. Sie lächelte ihm frech ins Gesicht, machte dabei keine Anstalten ihre Hand zu befreien. „Was ist, wenn ich meine andere Hand ausstrecke? Hältst du sie dann auch so fest? Was willst du dann gegen den Rest von mir unternehmen?“ Eine ausgesprochen gute Frage, die L nicht beantworten konnte. War es weder seine Absicht sie zu verletzen, noch nahe kommen zu lassen. Plötzlich lachte Shaelyn auf und zog ihre Hand vorsichtig zurück – was L auch zuließ. „Ich seh' schon, du bist entsetzt.“, sagte sie amüsiert. „Ich hole mir das Bonbon schon noch. Aber nicht hier... Immerhin habe ich genug Zeit. Du solltest dich aber darauf einstellen, dass es bald sein wird!“ Eine klare Ansage ihrerseits, die er tatsächlich ernst nehmen musste. Praktisch musste er jede Minute, gar Sekunde damit rechnen. Und das würde er auch, denn käme niemals Infrage ihr das Bonbon auszuhändigen. „Da du dazu wohl nichts mehr zu sagen hast, lass und besser wieder ins Haus gehen. Ich habe schrecklichen Durst. Und achja...“ L war schon dabei seine Tasche zu verteidigen, als sie ihm dann lachend die Schachtel hin hielt. „Nervös?“ Shaelyn machte sich einen großen Spaß daraus, was ihn nur unzufrieden den Mund verziehen ließ. „Die Schachtel, Rue. ... Die solltest du nehmen. Du hast zumindest Platz dafür.“ Mit einem Kichern von Shaelyn begleitet, nahm er die Schachtel an sich und steckte sie in die hintere Hosentasche. Dass sie sich so auf seine Kosten amüsierte, würde nicht ohne Folgen bleiben. „.... Richtig.“, ließ er gelassen anklingen, sodass sie aufmerksam wurde. „Denn nur mein Handy ist gerade klein genug, um in deinen Ausschnitt zu passen.“ Augenblicklich fasste sie sich an ihr Dekolleté, als würde sie seine Blicke damit blocken wollen. Außerdem schien ihr plötzlich ziemlich warm zu sein. Ihre Wangen nahmen einen Rotton an. Wich Shaelyn auch gleich seinen Blick aus. „... Lass uns einfach gehen.“ „Eine brillante Idee.“, kommentierte er mit einem Grinsen und erhobenen Zeigefinger eifrig, erhielt daraufhin auch nur einen Seitenblick. Sie sollte mittlerweile wissen, dass er sich nichts gefallen ließ. Mit einem kräftigen Schluck unter den prüfenden Blicken Rues, trank sie von dem Colaglas in ihrer Hand. Die Gedanken waren erfolgreich vertrieben gewesen, seit Rue jedoch wieder mit dem Handy ankommen musste, waren sie abermals da. Aber sagte er denn nicht, dass er das nicht kommentieren würde? Ja, was eigentlich? Auf was hatte er das bezogen? Geschlagen seufzte sie. Er sagte, zu dem was sich abgespielt hatte. Zählte die Busenattacke dazu? Shaelyn wusste es nicht. Hätte sie denn nicht längst lernen müssen genauer nachzufragen? Viel zu voreilig stimmte sie dem allen zu. „Was beschäftigt dich?“, holte sie die neutrale Frage von Rue aus den Gedanken. Gleich blickte sie zu ihm. „Nichts.... Es ist nur, dass du eigentlich alles bekommst, was du willst. Und ich nur zu blöd bin. Immer manipulierst du mich und ich merke das, wenn überhaupt, erst viel später.“ „Und wie kommst du zu diesem Schluss?“, hakte er interessiert, mit dem Zeigefinger am Mund, nach. „Na, das mit dem Handy gerade in der Garage. Du sagtest in Emmas Zimmer zu mir, dass du nichts davon kommentierst. Dabei … hast du es getan. Nur hast du gar nicht genau gesagt, was du kommentierst und was nicht. Ich bin einfach nur darauf eingestiegen ohne Nachzufragen, weil von meiner Sicht aus alles klar war.“, berichtete sie ihm ihr Leid, ganz ignorierend, dass noch weitere in der Küche standen. Obwohl es auch ganz egal war. Die ganzen Leute waren mit sich selbst oder anderen beschäftigt – und die Musik noch immer laut war. Rue nahm seinen Finger von seinem Mund und tippte nur kurz darauf auf ihre Stirn. Irritiert versuchte sie auf die Hand über ihr zu starren. „Du hast dazu gelernt.“, war sein erster Satz, den sie unter Umständen auch negativ auslegen könnte... „Du beginnst damit die Dinge zu hinterfragen und dein Handeln in Zukunft zu verändern.“ Rue senkte seinen Zeigefinger, sodass sie erneut in seine emotionslose Miene blicken konnte. „...Wieso meinst du, dass das besser ist?“ „Es ist nie verkehrt zunächst an etwas zu Zweifeln, Shaelyn. Das hindert dich daran etwas Dummes anzustellen.“ Nachdenklich blinzelte sie einige Male, blickte dabei zur Seite. Das alles hieß einfach nur, dass sie mehr Fragen stellen sollte um sich zu vergewissern. Um wirklich sicher zu gehen, damit sie wirklich nichts Dummer mehr anstellte. Ja, wenn sie zurück dachte, dann hatte sie mit der Zeit schon was dazu gelernt. Und das auch nur, weil Rue bei ihr war. Mit einem breiten Lächeln wandte sie sich ihm wieder zu. „Ja, du hast Recht, Rue! Danke, dass du mir das so... klar sagst. Das hilft mir wirklich sehr.“ Und wenn Shaelyn sich nicht irrte, dann schienen seine Mundwinkel zumindest ein klein wenig nach oben zu wandern. „Play time!“, rief auf einmal jemand durch die Küche. Verdutzt drehte Shaelyn sich um und sah wie die Anderen begeistert die Küche Richtung Wohnzimmer verließen. War nun los? Unsicher blickte sie Rue an, der nur fragend zurück stierte. Die Musik vereppte. Ein kleines Piepsen war zu hören und kurz darauf, wie jemand ein Mikrofon in die Hand nahm. „Ist das Ding jetzt an?“, fragte Emma wohl jemanden zu ihrer Seite, ehe sie kicherte. „Also Leute! Kommt mal alle ins Wohnzimmer!“ Neugierig geworden folgte Shaelyn dem Ruf – und Rue natürlich daraufhin auch. „Es ist jetzt Play Time! Und auch wie dieses Jahr, gibt es was zu gewinnen!“ Emma stand auf dem Couchtisch, der zur Seite geschoben war, sodass die Mitte des Wohnzimmers mehr Platz bot – wenn nicht schon viele Partygäste dort stehen würden. Ein paar der Jungs grölten auch gleich los. Shaelyn versuchte durch die Menge hindurchzusehen, sah allerdings nur den Kopf von Emma. „Heute gibt es einen Gutschein von 30$ zu gewinnen! Im Kaufhaus in der Innenstadt. Also ist für jeden was dabei!“ „Und was müssen wir machen?!“, schrie einer der Jugendlichen durch die Menge, der gleich einen Klaps auf den Hinterkopf bekam. „Idiot. Das sagt sie schon noch.“, mischte sich ein anderer Kerl daneben ein. Emma lachte. „Das Spiel für dieses Jahr heißt: Mumien wickeln! Bildet Zweiergruppen und jede Gruppe bekommt eine Klopapierrolle! Einer von der Gruppe wird so schnell es geht von dem anderen eingewickelt! Wer am Schnellsten fertig ist, bekommt den Gutschein. Alles klar? Die Leute, die keinen Bock haben, solange bitte in den Garten.“ Eine Ansage, der gleich ein paar Jugendlichen folgten. Etwas übersichtlicher, konnte nun Shaelyn auch ganz ins Wohnzimmer treten. Emma sprang vom Tisch herunter und überreichte dem jungen Mann an der Anlage das Mikrofon. Schließlich drehte sie sich um und besah sich die Leute, die übrig waren. „Also, alle die Mitmachen, zu mir.“, trommelte sie die restlichen Partygäste ein. Unschlüssig, ob Shaelyn da überhaupt mitmachen sollte, blieb sie zunächst stehen. Eigentlich hätte sie schon Lust daran teilzunehmen. Ob sie Rue fragen sollte? Ein scheuer Blick nach Links und prompt öffnete Rue seinen Mund: „Nein.“ Völlig überrascht und von seinem deutlichen Nein angestachelt, wandte sie sich mit den Armen vor der Brust um. Und sowieso?! Wie konnte er das mitbekommen haben?! „Ich habe nicht einmal gefragt.“ „Es bleibt bei einem Nein.“ „Ich hab nur geguckt.“ „Ausreichend genug.“, folgte es umgehend. Dann endlich drehte er auch seinen Kopf in ihre Richtung. „Außerdem frage ich mich, was du mit 30$ willst. Ich denke, dein Taschengeld ist zureichend genug.“ Skeptisch legte sie den Kopf schief. „Als ob es mir um die 30$ ginge. Alleine der Spielspaß zählt doch. Könnte also genauso gut ein Gutschein mit 1$ sein....“ Sie versuchte es wenigstens ihn zu überzeugen. Auch wenn das eigentlich sinnlos war. Ihn nun deswegen die ganze Zeit über zu nerven, brachte nichts – immerhin begann das Spiel gleich. Rue sah unerwartet zur Seite, woraufhin Shaelyn seinem Blick folgte. „Na, ihr Zwei? Interesse an dem Spielchen?“ „Ja – Nein.“, kam es im Chor von Shaelyn und Rue. „Uneinig?“, lachte Emma und hielt eine Papierrolle hoch. „Macht doch einfach mit. Ist doch nur ein kleines Spiel, was die Stimmung weiter auflockert.“ Rue sah wenig angetan aus, was Shaelyn für einen Moment daran zweifeln ließ, ob sie es ihm wirklich zumuten sollte. Wollte sie deshalb gerade absagen, da kam Emma ihr zuvor. „Wenn ihr mitmacht, dann zeige ich euch einen Platz, wo ihr ganz ungestört seid und den besten Ausblick auf das Feuerwerk haben werdet. Weil wenn es bald losgeht, ist im Garten die Hölle los. Zumal schon ein paar betrunken sind. Ein Tipp, geht nicht auf die Toilette hier unten...“ Die Amerikanerin lächelte zuletzt zurückhaltend – was fast völlig in Vergessenheit geriet. Hörte Shaelyn das Wort Ungestört und den besten Ausblick. Blitzschnell wandte sie sich zu Rue um und fasste an seinem Arm. Erschrocken riss Rue seine schon großen Augen weiter auf. „Bitte!“, flehte sie. Entgegen jeder Hoffnung erhielt sie nur ein weiteres deutliches: „Nein.“ „Ach komm! Bitte! Ja? Bitte!“ Als darauf nicht einmal ein Nein folgte, machte sie eisern weiter. „Bitte! Bitte! Bitte! D-Du kannst auch das Bonbon kampflos haben, ja?!“ Verstört über die Aussage Shaelyns legte nun Emma den Kopf schief. „Wie ich bereits sagte. Nein.“, äußerte Rue einen Ton schärfer. „So kaltherzig zu seiner eigenen Freundin?“, mischte sich plötzlich eine ganz andere Person ein – die niemand geringeres als Dustin war. Alle Augenpaare auf ihn gerichtet, zog er eine Augenbraue an. Shaelyn grinste. Blieb Rue denn jetzt noch eine Wahl? Dustin war wie vom Himmel geschickt – jetzt zumindest! L konnte mit Fug und Recht behaupten, dass dieser Abend zunehmend an seinen kostbaren Nerven zerrte. Gab es bisher wenig Situationen in denen er sich so geschlagen geben musste – und das schien nicht das Ende des Ganzen zu werden. Alleine der Gedanke, an einem ganz ungestörten Ort mit Shaelyn zu stehen, warf berechtigte Bedenken auf. Langsam keimte die Befürchtung auf, das Leben selbst war das, was ihm Probleme verursachte. Keineswegs seine Arbeit, der er gewissenhaft nachging und das bisher ohne einen einzigen Makel. Gab es auch keine Herausforderung in diesem Bereich. Seine Herausforderung lag offenkundig bei … einer Gefühlsregung. „Ich wickele dich also ein, Rue.“ Als einer seiner Namen fiel, klärte sich sein Blick auf. Shaelyn stand mit der Papierrolle in der Hand vor ihm und grinste. Bei diesem Anblick, besserte sich nicht im Geringsten seine Laune. „Oder willst du das lieber machen? Also mich einwickeln?“ „...“ L blieb still – gefiel ihm weder das eingewickelt werden, noch das Einwickeln selbst. „Was ist? Sag schon.“ „Es ist mir gleich.“, kam es frustriert vom Detektiven, der seine Gemütsregung damit offen zur Schau stellte. Shaelyn lächelte daraufhin vorsichtig. „So schlimm ist es schon nicht. Halte einfach den Anfang von der Papierrolle fest, dann geht es ganz schnell.“ Ohne einen weiteren Mucks, folgte L schließlich Shaelyn auf die Startposition neben den anderen Teilnehmern. „Und ähm... noch eine Bitte. Könntest du dich gerade hinstellen? So gebückt wie du bist, kann ich das schlecht...“ „Sonst noch eine Bitte?“, hakte er trocken nach, was sie eher als Anlass sah zu lachen. „Ein Kuss wäre nicht schlecht!“ L stellte sich daraufhin, ihren Satz ignorierend, aufrecht und bei der Gelegenheit knackte diesmal lautstark seine Wirbelsäule, was gleich ein paar verstörte Blicke anzog. „Ich glaube, du solltest dich mal öfter Strecken...“, meinte Shaelyn skeptisch, während sie ihm das erste Stück des Papiers hinhielt, welches er mit dem Zeigefinger und Daumen festhielt. „Und ich glaube, du wirst in Zukunft keine Party mehr besuchen.“ Verdutzt starrte sie in seine Augen. „Was? Wieso? Willst du... nicht mehr meinen Aufpasser spielen?“ „Das auch.“ Sie setzte zu einem Wort an, wurde jedoch von Emma unterbrochen: „Also, alle bereit? Die Regeln sind ja wohl klar! Die Mumie darf nur das Papier halten. Das gilt für alle! Sollte wer schummeln, wird derjenige sowieso disqualifiziert. Tja, ansonsten wer am Schnellsten die ganze Rolle verbraucht hat, der gewinnt. Dann.... Drei …. Zwei …. Eins. Los!“ Dem würde sie es zeigen! So ein fieser Kerl! Shaelyn rollte direkt das Papier um Rue, hocharbeitend zum Kopf. War auch gleich sein verärgerter Gesichtsausdruck unter dem weißen Toilettenpapier verschwunden, als sie es um seinen Kopf rollte. Ganz gleich, ob sie Zeit dadurch verlor und sich aufstellte! Einzig seine Nase schaute aus den Lagen heraus und sie musste doch für einen Moment kichern, bevor sie den Weg wieder nach unten einschlug. Neben sich hörte sie, wie einer seinen Partner anheizte, er sollte schneller machen, während ein anderer auf fluchte, weil er das Papier gerissen hatte. Auch Shaelyn hätte es beinahe geschafft es einreißen zu lassen als sie Rue doch ziemlich nahe kam. Fast drückte sie jedes Mal ihren Kopf an seine Brust, als sie um seinen Rücken wickelte, da er sich wieder ein Stück bückte. Nervös geworden, fiel ihr fast die Rolle aus der Hand als schon einer schrie, dass er erster wäre. „Ende! … Wir haben einen Gewinner!“, rief auch umgehend Emma durch den Raum. Etwas Grimmig, riss sie die Rolle ab. Es wäre nicht so, dass sie das Geld unbedingt wollte, sondern sie verloren hatte. Gleich befreiten sich die Mumien aus ihren Papiergefängnissen, doch Rue rührte sich kein Stück, was Shaelyn vorahnen ließ. Ob sie ihn jetzt befreien sollte? Wieso machte er das nicht selbst? … Ob er böse war? Zaghaft hob sie ihre Hand an und zog an einen der Lagen im Gesicht – hervor kam ein starres Augenpaar, dass das ihre fixierte. Nur selten löste noch sein Blick Unbehagen aus... jetzt war ihr sehr unwohl. Shaelyn wich einen Schritt zurück als Rue sich dazu entschloss das restliche Papier zu entfernen. Langsam nahm er ein längeres Stück nach dem nächsten in die Finger, ehe er alle Lagen zwischen seinen Fingern gesammelt hatte – ohne ein Wort, und noch immer mit solch intensiven Starren, ließ er das Papier über Shaelyn los. Verstört, und sehr verwirrt, starrte sie zu Rue. „W-Was...? Und vor allem wieso?“ „Spaß an der Freude.“, antwortete er unüberhörbar sarkastisch, mit demselben durchbohrenden Blick, dass ihr nur einen unangenehmen Schauer über den Rücken jagen ließ. Die Grenze der Toleranz war offensichtlich bei ihm erreicht. Hätte sie ihn doch besser nicht dazu bringen sollen? Shaelyn wich seinem Blick aus und sah betreten zu Boden, während sie das Papier langsam vom Kopf strich. „Na?! Hat wohl nicht geklappt, was?“, kam Emma dazwischen – allerdings erstarb ihr Grinsen, als sie die Stimmung aufschnappte. „Alles klar bei euch?“ Die Engländerin schüttelte den Kopf und fasste sich an den Nacken. „Jaja, alles klar.“ Jeder Idiot hätte bemerkt, dass etwas nicht stimmte – dennoch hielt sich Emma diesmal daraus. Allgemein hatte sie den Eindruck, dass die beiden mehr miteinander sprechen sollten. Ideal dafür war jetzt der Ort, an den sie die beiden genau jetzt schicken würde. „Ich seh schon, da hängt eine gewaltige Gewitterwolke über euch. Wir wärs, wenn ihr Zwei dann mal hinauf auf den Dachboden geht? Ein klasse Ort um mal über alles zu sprechen und das Feuerwerk zu genießen. Und keine Angst, dahin verirrt sich für gewöhnlich wirklich niemand.“, versuchte es Emma versöhnlich, was allerdings nicht den gewünschten Effekt erzielte, oder sie das Gefühl hatte, dass Rue ihr überhaupt zugehört hatte – Er starrte nach wie vor die Engländerin an. Shaelyn zumindest lächelte vorsichtig in ihre Richtung. „Danke, Emma.“ Es war die bedrückte Tonlage, der der Amerikanerin mehr Sorge bereitete. Ob die beiden tatsächlich zueinander passten? Ständig hatten sie sich in den Haaren. Und dann plötzlich gab es den Anschein, sie wären das ideale Paar. Emma wusste bei dieser komplizierten Beziehung nicht weiter. Und bei Rue wusste sie ohnehin nicht, was das alles zu bedeuten hatte. Sie musste seufzen. „Hört mal. Auch du, Rue.“, sprach sie ihn nun direkt und deutlich genug an – was ihr allerdings nur einen kleinen Seitenblick von ihm einbrachte. Zumindest hatte sie nun das Gefühl, er hörte zu. Auch wenn ihre Anwesenheit ihn wohl offensichtlich störte. „Ihr Zwei solltest mal offen miteinander reden. Das sollte ein wenig eure Probleme bessern.“ „Die Wahrscheinlichkeit, es brächte etwas, ist … unbedeutend gering.“, meldete sich unerwartet Rue mit einem skeptischen Tonfall zu Wort und hob seine Hand an. Er deutete mit dem Zeigefinger nebensächlich auf Shaelyn. „Sie ist die Wurzel allem Bösen.“ Umgehend war Shaelyn verdutzt, ehe sie sich wütend zu ihm drehte und seine Hand zur Seite schubste. Rue blickte sie erneut an. „Das ist doch Schwachsinn! Du bist doch der, der total daneben ist! Ständig verwirrst du mich, weil du nicht klar sagst, was Sache ist! Du stichelst mich doch erst an! Und von deinen bekloppten Ideen mal abgesehen, hm?! Oder deine seltsamen -“ „Ich denke, das ist tatsächlich nicht der richtige Ort, um derartiges zu besprechen.“, unterbrach Rue sie ruhig, dennoch bestimmt. Zuhörer waren das, was L mit gewisser Sicherheit nicht wollte. Weder ihre amerikanische Freundin, noch der Rest des Pöbels sollten ein Wort davon mitbekommen. Jedoch interessierte es Shaelyn weniger – zu seinem großen Missfallen. „Nicht? Du fängst doch schon wieder an! Obwohl ich schon ein schlechtes Gewissen dir gegenüber hatte! Und dann muss ich meinen Mund halten, wenn du mich als Wurzel allem Bösen bezeichnest?! Sehe ich nicht ein!“, meckerte sie starrköpfig, während sich seine Augenbrauen immer weiter zusammenzogen. Allerdings war ihm ihr schlechtes Gewissen neu. Bisher war er der festen Ansicht gewesen, es bereitete ihr schon den gesamten Abend Spaß. „Dann guck' dir doch eine neue Blöde aus!“, provozierte sie ihn weiter und dies laut genug, sodass ohnehin schon mehr neugierige Idioten ihre Nasen in seinen privaten Angelegenheiten steckten. „Was willst du schon machen, um mich am Ausplaudern zu hindern, hm?!“ Es reichte ihm endgültig. Sie wollte es offensichtlich nicht anders. Gleich und völlig ohne Vorwarnung packte er die aufschreiende Shaelyn an den Seiten und hievte sie gnadenlos über seine linke Schulter. „Bist du bescheuert?! Runter! Lass mich sofort runter!“ Unerbittlich trommelte sie auf seinen Rücken, hielt er sie allerdings konsequent fest. Mit einem kurzen Blick auf Emma gerichtet, die völlig überrumpelt dort stand, öffnete er seinen Mund: „Entschuldige uns. Es müssen Probleme unter vier Augen besprochen werden.“ Irritiert und unter den Rufen von Shaelyn, nickte Emma. „Ähh... zum Dachboden geht es durch die Tür oben am Ende des Ganges. Eine kleine Wendeltreppe...“ Es wäre nicht Shaelyn gewesen, wenn sie nicht weiterhin versuchte sich zu befreien – und das über den ganzen Weg hinauf. Er zwang sie dazu mit ihm zu kommen! Ganz egal ob sie das wollte oder nicht! Was bildete er sich ein?! Rue sollte sie loslassen! „Rücksichtsloser Kerl! Lass mich runter! Das wirst du noch bereuen! Das schwöre ich dir!“ Von ihm kam natürlich, wie die unzähligen Rufe und Drohungen zuvor, keine Antwort zurück. Er schleppte sie einfach hoch! Sie kam sich wie ein großer Sack Kartoffeln vor! „Unglaublich, dass ich mich in so einen Mistkerl wie dich verliebt habe! Skrupellos, egoistisch und total dreist: Das bist genau du!“ Shaelyn konnte hören, wie er die Türe öffnete. Sicherlich würde er die Türe auch noch abschließen! Nur damit sie nicht entkommen oder jemand anderes herein kommen konnte! Sie hatte schließlich auch recht damit, als er sich halb umdrehte und sie zur Seite blickte, war der Schlüssel auch schon im Schloss gedreht. Den Schlüssel steckte er sich natürlich ein! Noch wütender als zuvor, verengte sie ihre Augen zu Schlitzen. Direkt zog sie sein schwarzes Shirt am Rücken hoch und kniff ihn dort – allerdings staunte sie nicht schlecht, als nicht einmal ein Mucks von ihm kam. Also wiederholte sie es noch einmal. „Das wird dir nicht helfen, Shaelyn.“, war seine dunkle und gefühllose Stimme zu hören, was ihr durch Mark und Bein ging. Sie musste schlucken. Angst mischte sich nun unter die Wut. Verzweifelt probierte sie abermals sich zu befreien, scheiterte sie ein weiteres Mal schmählich. Als Rue dann die Wendeltreppe in Angriff nahm, schwärmte ihr immer schlimmeres. Selbst wenn ihr jetzt danach war, ihn zu erwürgen, wollte sie gleichzeitig davon rennen. Doch wie sollte sie flüchten, wenn er schon den Fluchtweg vorsorglich verriegelt hatte?! Oben angekommen knarrte gleich eine alte Holzdiele, die ihre Panik und auch Wut weiter schürte. Die Türangel quietschte als Rue die Türe zum Dachboden öffnete, und flog ihr gleich der Staub in die Nase. Urplötzlich stoppte er – und sie fand sich mit einem kleinen Aufschrei mit ihrem Gesäß auf etwas Weichem wider. Zunächst irritiert, befühlte sie den Untergrund, der sich als ein altes Sofa mit einer Stoffplane herausstellte. Und das viel wichtigere war, dass er sie quasi von seiner Schulter gepackt nach unten geworfen hatte! Weicher Untergrund hin oder her! Er hat sie geworfen! Der Zorn überwog. „Spinnst du eigentlich?! Ging es nicht etwas sanfter?!“ Sein intensives Starren schüchterte sie demnach nicht im Geringsten ein. Rue begann an seinem Daumennagel zu kauen. „Du bist bequem gelandet. Wo ist das Problem?“ „Mein Problem bist du! Was soll das?!“ „Mir gefällt nicht, wie du dich benimmst. Insbesondere mir gegenüber. Ich erwarte mehr Respekt von dir.“ „Sagt der Richtige! Ich behandele dich mit so viel Respekt, wie es mir passt! Du hast nämlich auch keinen vor mir! Wieso sollte ich dir da welchen huldigen?! Ich, und ich meine ich, habe ja schon Bedenken gehabt und wollte mich entschuldigen, dich zum Spiel quasi gezwungen zu haben! Aber du …. du versaust es nur!“ Shaelyn stand vom staubigen Untergrund auf und wollte ihm mit dem Zeigefinger auf die Brust drücken, schnappte nicht Rue blitzschnell ihre Hand. „Ich kann es nicht leiden, wenn man mich abschätzig behandelt – und das schon zum wiederholten Male an diesem Tag.“, verließ es scharf seine Kehle, was Shaelyn zurück zucken ließ. Er war L. Nicht irgendjemand gewöhnliches. Ihm zollte man Achtung und jene war es, die er nun wenigstens etwas von Shaelyn einforderte. Ihre Spielchen vom gesamten Tag reichten ihm. Zu oft hatte er es bei ihr durchgehen lassen. Sie musste einige Dinge an ihm respektieren. Darunter zählte stark seine Privatsphäre, die er sonst mit keinem außer seinem Vertrauten und mittlerweile etwas mit Shaelyn teilte. „Es geht absolut niemanden etwas an, was wir untereinander vereinbart noch ausdiskutiert haben. Folglich behalte alles für dich was mich betrifft.“ Sie war verstummt, erwiderte stumpf sein Stieren. Man konnte ihr ansehen, dass sie begann nachzudenken und ihre Wut immer mehr schwand. „War das verständlich genug?“, fragte er nachdrücklich nach, das sie nicht recht mitzubekommen schien. „... Warum?“, kam es dann leise von ihr, was ihn skeptisch stimmte. „Was?“ „Warum ist dir das so wichtig? Wieso ist es so ein riesiges Geheimnis was wir miteinander beredet haben?“ „Ich habe meine Gründe.“ „Ist das alles, was du dazu sagen kannst? … Ich könnte dich viel besser verstehen, wenn ich wüsste, wer du wirklich bist. Dann verärgere ich dich bestimmt nicht mehr so sehr und weiß wie ich mich zu verhalten habe. Aber wenn du alles im Dunkeln lässt, kann ich nie wissen was ich machen soll. Du hast mir zum Beispiel nie gesagt, dass es dir so unglaublich wichtig ist, dass ich meinen Mund über alles was dich betrifft halten soll. Sonst war es dir auch immer egal, hast ja wirklich ungerührt gewirkt. Wie soll ich das alles wissen?“ „Bisher waren unsere Gespräche privat. Und für gewöhnlich hält man derartiges auch privat.“ L überging wie sonst auch ihren Versuch mehr über ihn herauszufinden. Er würde ihr unter keinen Umständen von seiner Verpflichtung berichten. Weder zu diesem Zeitpunkt, noch jemals in der Zukunft. Aber sie besaß Recht damit. Es wäre eine völlig andere Perspektive, wenn sie von seiner Berufung wüsste … und auch von seinem Namen. Rue war nur ein weiteres Pseudonym. „Beantworte mir meine Frage jetzt ehrlich.“, begann sie ruhig und zog ihre Hand zurück. Rue blickte sie aufmerksam an. „Wenn ich von deinem großen Geheimnis wüsste. Egal wie auch immer. Denkst du, ich würde immer noch an deiner Seite sein wollen?“ Ja, das wollte sie wissen. Wäre es ein so schlimmes Geheimnis, sodass sie ihn nicht mehr haben wollte? Auch wenn es für sie unmöglich schien – vielleicht war es ja doch so fatal. Würde es so extrem ihr Leben ändern? Was sollte das sein? So oft dachte sie darüber nach. Und das tat auch Rue, jener anscheinend nachdenklich ins Leere starrte. Wenn er so darüber nachdenken musste, musste es doch was fatales sein, oder? „Diese Frage kann ich dir nicht beantworten.“ „Weil du nicht kannst, oder nicht willst?“ „Weil ich es nicht kann.“ Verwirrt darüber schüttelte sie unmerklich ihren Kopf. Ganz so, als wolle sie die Gedanken abschütteln. Gelang es ihr nur kaum. Es war enttäuschend, tief verletzend. Hatte sie mit einem Ja, oder zumindest Nein gerechnet. Aber nicht wieder mit einer Antwort, die absolut nichts aussagte. Selbst wenn sie ihn noch immer so stark liebte, waren Zweifel in ihrem Kopf. Was konnte so gravierend sein, dass es einfach alles änderte? Ihr und auch sein Leben? Wieso konnte er es nicht einfach sagen? Das war das, was sie nicht verstand, was sie immer aufs Neue so verletze. Hatte sie das Gefühl umherzuirren. Nicht wissend, wo das Ziel lag, welches im tiefen Nebel verborgen war. Bedrückt wandte sich Shaelyn von Rue ab, ging durch den schmalen Gang, an all den zugedeckten Dingen vorbei, zum großen Fenster, welches teilweise von Spinnweben verdeckt war. Dennoch ließ es genug Licht hinein – und Emma hatte nicht gelogen. Die Aussicht war sehr schön, wenn sie das Grau zumindest von der Scheibe ignorierte. Waren schon ein paar bunte Lichter in der Ferne zu sehen. Es gab eben überall auf der Welt Menschen, die gerne schon vorher ins Jahr starteten. Und wie auch im Jahr zuvor kam sie sich allein vor. Vielleicht sogar ein Stück mehr. Nachdenklich starrte L auf die staubigen Holzdielen zu seinen Füßen, knabberte währenddessen angestrengt auf seinen Daumennagel. Shaelyn hatte ihm eine Frage gestellt, die er sich noch immer versuchte selbst zu beantworten. Doch ganz gleich wie die Antwort lautete, es war eine überflüssige Frage. Trotz dieser Erkenntnis konnte L diese eine Frage nicht unbeachtet zur Seite schieben. Es war wie sonst auch seine Selbstanalyse die ihm aufzeigte, dass derartige Themen einen gewissen Raum in seiner Welt einnahmen. Ganz gleich ob es ein sinnloser Gedankengang war. L verschwendete schon seit längerem Gedanken an derartiges. Sein Blick glitt langsam zu Shaelyn hinüber. Dort, im Mondschein stehend, blickte sie bedrückt aus dem Fenster. Es war ein unangenehmes Ziehen in der Brust zu spüren – änderte es jedoch nichts an seinem Wille. Ein Kompromiss war unmöglich einzugehen. Galt es auszuharren – zu warten, bis seine starke Neigung zu ihr schwand. Und das würde sie. Irgendwann einmal. Darauf spekulierte der Detektiv zumindest. Anderes wäre unzulässig. So wenige Augenblicke vor dem neuen Jahr und Shaelyn kämpfte mit sich. Wieder einmal, diesmal jedoch aus einem anderen Grund. Auch wenn er nichts genaues sagen konnte, so wusste sie genug, dass es die Art von Beziehung, die sich wünschte, wohl nie existieren wird. Ihr Traum wie eine Seifenblase platzte. Obwohl er ihr selbst erst an diesem Abend so viel Hoffnung machte... Warum tat er das, wenn er selbst wusste, dass es niemals passieren würde? Wieso nur küsste er sie, immer wieder. Und das so bestimmend, als wüsste er genau was er tat? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es nur gespielt war. Dass er nur mit ihr spielte. Wieso sollte er das tun? Er war jemand, der gern seine Spiel trieb. Doch … nicht so? Was wusste sie schon genau von ihm? Es war genau der Punkt. Vielleicht fiel sie wirklich nur auf ihn hinein – aber wieso wollte sie immer noch in seinen Armen liegen? Trotz seiner Antwort gerade und der Einsicht, dass er ihr fälschliche Hoffnungen gemacht hatte, wollte sie ihn nach wie vor. Kein Stück weniger. Shaelyn hielt sich kurz die Hand vor dem Mund und gluckste auf. Liebe machte auf alle Fälle blind und dumm. Alleine diese Erleuchtung besserte ihre Laune. Aber was sollte sie schon gegen ihre Gefühle tun? Es war, wie es war... Das Knarzen hinter ihr ließ sie über die Schulter blicken. Rue kam, wie immer gebückt und Händen in den Hosentaschen, näher, bedachte sie gleich mit seinem unverkennbaren starren Blick. Hätte er sein weißes Shirt angehabt, wäre ihr der nächste Gedanke sicher nicht eingefallen. So schien ihm die Schwärze fast zu folgen. „Weißt du, wenn du so auf mich zukommen würdest und ich dich nicht kennen würde, dann würde ich voller Panik aufschreien. Man könnte dich mit einem wahnsinnigen Killer verwechseln.“ Sein Ausdruck änderte sich, während er neben ihr zum Halt kam. Er sah etwas verstört aus. „Wie kommst du zu diesem Schluss?“ Sie lachte für einen Moment auf. „Rue... du weißt ganz genau, wieso ich das gesagt habe.“ „Ja, … ich schätze schon.“, gab er, offensichtlich, gespielt nachdenklich von sich. „Und wäre ich tatsächlich dieser Jemand, so säßest du wie ein Vogel im Käfig.“ „Oder wie ein Insekt in deinem Spinnennetz. Oder einfach nur in deiner Falle.“, ergänzte Shaelyn leicht amüsiert. Sie müsste nur ein wenig albern und es war fast als gäbe es all die Probleme nicht. „Bin ich das nicht sowieso?“ Sein Mundwinkel zuckte für einen winzigen Augenblick. „Ich bin dir ganz hilflos ausgeliefert. So oder so.“ Rue antwortete nicht, reichte schon der Ausdruck in seinem Gesicht. Ein kleines aber aussagekräftiges Grinsen. Zumindest war er jetzt amüsiert. Eigentlich, wenn sie jetzt daran dachte, dann zeigte er ihr häufiger wenn in ihm überhaupt was vorging. Das sollte sie doch positiv auffassen, oder nicht? Es hieße doch, dass er ihr gegenüber offener war. Es fühlte sich gut an. Shaelyn lächelte ihn unbefangen an, was er unerwartet entspannend fand. Sagte es ihm, dass sie bei besserer Laune war. Was natürlich auch ihre Aussagen ausgedrückt hatten. Dennoch war dieser Druck leichter, der auf seinen Brustkorb gedrückt hatte. War die Tatsache, dass es rein durch ein Lächeln gemindert wurde, seltsam. L versuchte schon nicht mehr, diese Art von Empfindung zu hinterfragen. Es lief immer wieder auf ein und dieselbe Frage hinaus, deren Lösung nicht zu finden war. Beschäftigte jedoch den Meisterdetektiv weiterhin exzessiv die Frage, weshalb er wankelmütig wurde. Seine Beschlüsse nichts bedeuteten, wenn es zu bestimmten Situationen kam. Es war keine Charaktereigenschaft die er besaß. Sein Wille war fest – bei ihr allerdings in manchen Momenten zu schwach. Das war das, was L unter keinen Umständen verstand und immerzu missbilligte. „Sag, wie viel Uhr haben wir jetzt? Da werden immer mehr Raketen in den Himmel geschossen.“, drang es an seine Ohren, was ihn aus den Gedanken holte. Sie sah aus dem Fenster, schien nur wenig erkennen zu können, da sie nahe an die Scheibe ging. L holte geistesgegenwärtig ein Tuch aus seiner Tasche, mit dem er einmal über die verstaubte Glasscheibe wischte. Ein Kichern war zu hören. Umgehend drehte er seinen Kopf in Shaelyns Richtung. Waldgrüne Augen blickten ihn neugierig und vergnügt an. „Was hast du denn noch alles in der Tasche? Und seit wann überhaupt ein Taschentuch... das so aussieht, als ob es meinem Opa gehören würde?“ „Gut erkannt.“, kam es nüchtern vom Detektiven, der nun das von Staub überladenen Taschentuch an seinen Fingerspitzen festhielt und kritisch begutachtete. Das könnte er sicher nicht mehr in seine Tasche stecken. „Und wieso hast du es jetzt in der Tasche?“ „Reine Sorgfalt deines Großvaters. Und es war tatsächlich einmal nützlich.“, meinte er anschließend überrascht. Ihr helles Lachen veranlasste ihn dazu sie abermals anzusehen. „Passt zu ihm. Und was hast du jetzt mit dem schmutzigen Tuch vor? Verbrennen vielleicht?“ „Das ist eine Überlegung wert.“, verließ sarkastisch seinen Mund, woraufhin Shaelyn erneut lächelte. „Gib halt her das Teil. Ich staub' es was ab und dann ist es wie neu.“ L hatte da seine Zweifel, überreichte aber gern das schmutzige Tuch. „Und in der Zwischenzeit guckst du mal auf die Zeit.“, meinte sie ernster und nahm sich den Stoff vor. Ein paar mal klopfte sie mit ihrer Hand darauf, was den grauen Dunst wieder im Raum verteilte. Stellvertretend dazu tat L ihr den Gefallen und holte sein Handy hervor. „Noch fünf Minuten bis Mitternacht.“ „Gu-“ Ein kräftiges Niesen ließ L zusammenzucken. Gleich besah er Shaelyn, jene sich mit dem Handrücken die Nase rieb. „Man... die Scheibe ist bestimmt schon seit Jahren nicht mehr saubergemacht worden. Unglaublich, das Tuch ist immer noch voll schw-“ „Gesundheit.“ Shaelyn blickte ihn erstaunt an. „D-Danke.“ Sie hatte nicht damit gerechnet – und er auch nicht. Misstrauisch über seine selbsttätige Reaktion, hob er eine Augenbraue an. Untypisch. Rue nahm ihr plötzlich das Stofftuch ab, berührte dabei flüchtig ihre Hand. Ein flüchtiger Kontakt, der ihr Herz stolpern ließ. In Unverständnis biss sie sich auf ihre Unterlippe und nahm den Blick von Rue, jener sich das Tuch nun doch in die Tasche steckte. Es war gerade gar nichts aufregendes passiert und ohnehin war es ein beiläufiges Berühren. Wieso war sie plötzlich so nervös? Weil er ihr Gesundheit gewünscht hatte? Es klang zwar vollkommen emotionslos, dennoch war es ihm über die Lippen gekommen, auf welche sie einen kleinen Blick warf. „Ähm... wie viele Minuten waren das noch gleich?“, versuchte sie ihre Gedanken beiseite zu drängen, hatte dabei wirklich schon vergessen, welche Zahl er ihr genannt hatte. „Fünf.“ „Fünf...“, kam es nachklingend von ihr, sodass sein Ausdruck zur Verwirrung wechselte. Und wenn sie sich nicht irrte, dann fühlte sie plötzlich irgendwas an ihrem Bein?! Aufgeschreckt, sprang sie Rue gewissermaßen auf die Arme, der sie aus Reflex gerade noch halten konnte. „DA!“, kreischte sie außer sich fast in sein Ohr. „Was?!“ L wäre beinahe an einem Herzanfall gestorben, noch dazu schmerzte sein Ohr. „DA WAR WAS AN MEINEM BEIN!? BESTIMMT EINE FETTE SPINNE!“ L hielt seinen Kopf etwas von dem ihren fern, da sie das Schreien nicht unterlassen konnte, suchte allerdings umgehend den Boden nach einer besagten Spinne ab – denn unrecht hatte Shaelyn nicht. Es waren vereinzelte Vogelspinnenarten in Kalifornien angesiedelt. Nur gab es ein Problem. Es war nicht hell genug um ein so dunkles Tier zu sehen. Außerdem waren diese Tiere sehr flink. „Ich will sofort vom Dachboden runter!“, rief sie weiter, ehe auch L die Augen weitete. Da war auch was an seinem Bein. Deutlich genug an seiner Wade. Direkt drehte er sich um und entdeckte das Tier. „Was ist?! Was ist?!“, fragte Shaelyn panisch, während sie sich noch fester an ihn krallte. „... Das vermeintliche Spinnentier ist eine Katze.“ Ihr Klammern um seinen Hals ließ schlagartig nach. Shaelyn entspannte sich deutlich. „...Was?“ „Es ist diese rote Katze.“ „...Blümchen? Was macht sie hier oben?“ Sie lehnte sich zur Seite, sodass sie hinunter sehen konnte. „Ja... das ist sie.“ „Da das geklärt ist, besteht auch kein Grund mehr dich zu tragen.“, kam es neutral vom Detektiven und stellte Shaelyn auf ihre eigenen Füße. Gleich strich sie sich verlegen den Oberarm und wich seinem Blick aus. Sofort begann L wieder an seinem Daumennagel zu knabbern. „Tut mir leid. Nur so dicke Spinnen machen mir angst. Und bei den ganzen Spinnweben hier oben... Du bist halt mein Retter...“ Ihre grünen Iriden suchten vorsichtig nach Blickkontakt – jenen sie mit einem hinreißenden Lächeln fand. Und es traf genau in sein Herz. Wehrlos, fasste er sich an die linke Brustseite, die so stark pochte, dass er nur noch das wahrnahm. Diese Empfindung raubte ihm mit Leichtigkeit seinen hoch geschätzten Verstand. Es kribbelte überall auf ihrer Haut. Irgendetwas passierte gerade. Eine Spannung, die sie kaum Luft schnappen ließ. Rue starrte sie wie sonst auch an. Es war verrückt, wenn sie sich jetzt dabei dachte, etwas in seinen großen schwarzen Augen erkennen zu können. Drückte doch der Rest seines Gesichts Teilnahmslosigkeit aus. Und trotz dessen war sie so versucht ihn nochmals mit einem Kuss zu überfallen. Jetzt, kurz vor dem Ende dieses Jahres. So viel hatte sie an diesem Tag falsch gemacht – und warnte sie inständig ihre innere Stimme – doch konnte sie nichts für das so heftige Gefühl, dass sie hilflos machte. Wie konnte sie ihre Liebe ihm gegenüber verleugnen? Sie konnte den Drang nicht aushalten – ihre Willensstärke reichte dafür niemals aus. Shaelyn wollte seine Nähe und Wärme spüren. Und wie konnte es auch jemals falsch sein, wenn man sich so unsäglich zu jemanden hingezogen fühlte? Ohne auch nur einen Augenblick länger zu versuchen standzuhalten, beanspruchte Shaelyn voller Leidenschaft den schwarzhaarigen jungen Mann vor sich. Jener die Augen sofort vollkommen aufriss und wie gelähmt dort stand. L fühlte ihre warmen vollen Lippen auf die seinen, ihren heißen Atem auf seinem Gesicht. Zog sie ihn mit ihren Armen um den Hals nur mehr zu sich – presste ihm stärker ihre Lippen auf. Wie könnte L je widerstehen, wenn ihm die süßeste Sünde alles offen darbot. Sich dazu aufdrängte, das Verbrechen zu begehen. Und schließlich war es ebenso sein verborgener Wunsch, ihr jetzt ein wenig näher zu kommen – wenigstens für diesen kurzen Moment. Entgegen aller seiner am Tag, oder vor wenigen Minuten, beschlossenen Vorhaben. So erlitt er wieder einmal eine herbe Niederlage – gegen sich selbst. War er nicht fähig der Verlockung zu entkommen. Demnach war ihr glücklicher Seufzer nur zu erwarten, als er ihre temperamentvolle Geste im selben Maß erwiderte. Regelrecht dazu zwang, den von ihr begonnenen Kuss zu vertiefen und das noch während er sie in seine Arme zog. Und war es nicht nur ihr hilfloses und sehnsüchtiges Keuchen, das sich in sein Gedächtnis brannte, sondern auch ihr gleichzeitiges Fordern nach mehr. L konnte seine Finger nicht von dieser Frau lassen. Sie musste fantasieren – und doch stieg sie vollkommen darauf ein. Egal was das alles zu bedeuten hatte: Sie wollte niemals aufhören und es am Liebsten noch weiter steigern. Dachte sie längst nicht mehr nach, sondern ließ sich von Rue führen. Gab er die Richtung vor, bestimmte das Tempo. Welches sich plötzlich abschwächte. Unsicherheit ergriff sie sofort, öffnete sie daraufhin etwas ihre Augenlider. Begegnete sie unmittelbar seinem Blick. Einem Blick, der sie von der ersten Sekunde an fesselte und nicht daran zweifeln ließ, dass er es doch so schnell beenden wollte. Nein, es war nun ein sanftes, warmes Gefühl. Genau das, was diese Berührung in diesem Augenblick war. Ein zärtlicher Hauch, jener sie nochmals davon treiben ließ und ihr aufs Neue bewies, wie sanft Rue sein konnte. Saßen all ihre Hoffnungen darin, dass er auch fortan diese Seite mit ihr teilen würde. Was würde sie alles dafür geben, wenn er ihr nur einmal flüsterte, dass er sie liebte. Das genauso sehr wie sie ihn... L ließ von ihren verbotenen süßen Lippen ab, besah ihr Gesicht, welchem ihm so nahe war. Shaelyn war leicht benommen, blickte sie ihn verträumt und sehnlich an. Erwartungsvoll, so als erhoffe sie sich mehr. L hatte eine weitere Dummheit begangen. Sein größter Feind war er selbst. Lernte er aus allem – nur beging er immer wieder erneut diesen einen verhängnisvollen Fehler. Als Shaelyn ihren Mund öffnete, lauschte er aufmerksam in die ungewöhnlich laute Nacht. „M-Möchtest du nicht weitermachen?“, kam es ihr über die zitternden Lippen, die er daraufhin vorsichtig mit dem Daumen berührte. Shaelyn schloss daraufhin schwach ihre Augen, schien seine behutsame Annäherung sehr zu genießen, was er mit Vorliebe beobachtete. „Du kennst meine Antwort, Shaelyn.“ Der dunkle Ton seiner Stimme vibrierte in ihren Ohren wider und brachte eine Gänsehaut mit sich. Auch wenn sie langsam seine Worte begriff, so war sie noch völlig in ihrer Traumwelt. Natürlich kannte sie die Antwort. Doch war es nie verboten zu träumen. Ja, es mag für ihn kein bedeutungsvoller Kuss gewesen sein, doch war er es für sie. Ja, sie hatte Rue nur wieder zu etwas gedrängt, was er gar nicht so wollte. Was aber sollte sie tun? Und sogar jetzt war er noch so nah. Spürte sie seinen warmen Atem im Gesicht... als sie jäh verschreckt zusammenzuckte. Ein lauter Knall nahe dem Fenster war ohrenbetäubend und hatte selbst Rue aufschrecken lassen. Geschockt stierte sie direkt aus dem Fenster und musste feststellen, dass überall bunte Lichter zu sehen waren. Der ganze Himmel war erfüllt von glitzernden Formen und Farben. Es war Neujahr! Ein Lächeln schlich sich in ihr Gesicht. Denn das neue Jahr konnte schließlich nicht besser anfangen … und sie hatte es gar nicht bemerkt. Als L die geistige Abwesenheit von Shaelyn wahrnahm, nutzte er die Gelegenheit und nahm Abstand. Zunächst hatte es den Anschein, sie beachtete es nicht und sah dem Spektakel draußen zu. „Weißt du, Rue. Wenn du in Zukunft nicht aufpasst, fresse ich dich noch auf.“, meinte sie schließlich vergnügt und schenkte ihm ein ebenso belustigtes Lächeln. Und wahrscheinlich behielt sie mit dieser Aussage recht – wenn er sie nicht vorher fraß. „Das werden wir sehen.“, kam es ihm somit geheimnisvoll über die Lippen. Shaelyn lachte kurz auf, ohne zu wissen, was wirklich in diesem Satz steckte. Denn anderenfalls wäre sie ihm abermals um den Hals gefallen. Allerdings war es bedenklich, was er für einen Gedanken hegte. L traute in diesem Falle sich selbst nicht mehr. Denn nach wie vor hatte er nicht vor eine Bindung mit ihr einzugehen. „Hol mal die Wunderkerzen raus! Ich will auch ein bisschen Krach machen!“, kam es dann hastig und mit einem Grinsen von ihr, woraufhin er die längliche Schachtel aus seiner hinteren Hosentasche zog und ihr kommentarlos reichte. Shaelyn öffnete direkt die Schachtel und holte zwei Kerzen und die Streichhölzer heraus. „Was ist dein Vorsatz fürs neue Jahr?“, fragte sie ihn noch beim Anzünden der Kerzen. L blickte kurz nachdenklich in die Luft, ehe er seinen Mund öffnete: „Was ist deiner?“, war die Gegenfrage, die sie aufblicken ließ. „Meiner? Hm... Dass alles so klappt, wie ich es mir vorstelle! Und dafür leg ich mich ins Zeug!“ Shaelyn übergab ihm mit einem kleinen Zwinkern eine Wunderkerze und lächelte offen. L zog nur eine Augenbraue an. Ihre Ehrlichkeit war ehrenwert, allerdings machte es das nicht besser. Das alles bedeutete eine menge Arbeit für ihn. „Eine Frage noch, Rue.“ Interessiert blickte L von der Wunderkerze auf, die er zwischen seinem Daumen und Zeigefinger hielt. „Warum hast du wieder zurück geküsst und das auch noch so … leidenschaftlich?“, stellte sie ihm neugierig die Frage, mit der er schon vorher gerechnet hatte. „War das nicht meine Pflicht als Alibifreund?“, stellte er schuldlos die Gegenfrage, woraufhin Shaelyn umgehend auflachte. „War ja klar... Komisch nur, dass hier gar kein Publikum ist.“ Und bei diesem Wort, mischte sich jemand vollkommen anderes ein: Blümchen, jene sich am Bein von L rieb und laut schnurrte. ____ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)