All the Wrong Reasons von Xynn (... are they the Right Decisions?) ================================================================================ Kapitel 17: Limit ----------------- Ein Kuss ist magisch. Er reißt uns mit, lenkt uns ganz instinktiv. Knipst unseren Verstand aus. Verführt uns unbewusst zu mehr. Löst dabei eine ganze Flut Schmetterlinge aus, welcher man nicht standhalten kann. Das Herz hämmert unkontrolliert in der Brust und man fürchtet keine Luft mehr zu bekommen. Die Hitze steigt einem immer mehr zu Kopf. Nur wenn es wirklich Liebe ist, ist ein Kuss magisch. War es nun also genau das? Liebe. Kein Wort hat mehr Bedeutungen als dieses. Jeder empfindet sie anders. Es ist das, was man damit verbindet. Die Liebe zu seinem eigenen Kind. Die Liebe zur Natur. Die Liebe für Süßes. Die Liebe zu seinem Haustier. Und natürlich die Liebe zu seinem Partner, einem bestimmtem Menschen, den man nicht aus seinen Gedanken verbannen kann, egal wie oft man es versucht. Jeder erfährt Liebe. Es lässt uns weiter wachsen. Ob es nun eine glückliche oder unglückliche Liebe ist. Ein Leben ganz ohne dieses Gefühl ist nicht dasselbe. Was wären wir ohne eine tiefe Zuneigung zu irgendetwas? Die Liebe verändert alles. Es lässt uns spüren, dass wir da sind. Es zeigt uns das, was uns fehlt, das, ... wonach wir uns offen sehnen. Es schmeckte süß. Zucker, er war überall zu entdecken. Ganz so als aß man Zuckerwatte. Nein, diese Süße war nicht zu vergleichen. Es war viel mehr als das. Es machte abhängig. Vom ersten Moment an. Vollkommen gefangen. Außerstande diesen oder einen weiteren Gedanken weiterzuführen. Shaelyn schlang ihre Arme um seinen Nacken, zog L weiter zu sich hinunter, fuhr dabei mit ihrer Hand in sein dichtes Haar. Zeigte sie ihm deutlich wie sehr sie ihn wollte; wie sehr es ihr gefiel. Und er tat nichts anderes als sich bereitwillig darauf einzulassen. Einzulassen auf ihre Nähe, ihren Kuss und das heftige Kribbeln in seinem Bauch. Welches unaufhörlich zunahm, immer wilder zu werden schien, ebenso der Kuss, jener bereits viel leidenschaftlicher geworden war. Es war völlig außer Kontrolle geraten und … es fühlte sich unvergleichlich an. Alles, einfach alles. Der Gedanke ob es richtig war stellte sich in diesem Augenblick keiner der beiden, die dort eng umschlungen nicht voneinander lassen konnten, ganz so als würde der Morgen nicht mehr existieren. Und wenn es so passieren würde, wäre das nicht vollends unbedeutend? Gab es noch eine Welt außerhalb dieser vier Wände? „Entschuldigung.“ Eine strenge Stimme war zu hören, die nur vom alten Herren stammen konnte. Jener stand am Türrahmen, hatte bereits versucht mit einem Räuspern Aufmerksamkeit zu erlangen, was kläglich gescheitert war. Nun jedoch war es anders. Urplötzlich, so als habe Shaelyn sich verbrannt, zog sie ihren Kopf zurück, hielt dabei ihre Hand vor ihrem Mund. Blankes Entsetzen spiegelte sich in ihrem Gesicht wider. Sie erkannte sich selbst nicht mehr. Was hatte sie getan? Und vor allem warum? Tränen stiegen ihr in die trüben Augen. Das war alles nicht das, was sie gewollt hatte. Oder sie war sich dem nicht bewusst. Bewusst, was sie wirklich wollte. Überrumpelt von den Gedanken die sie erfassten, ging sie rückwärts, hielt sich dabei die Hände vor der Brust, in welcher eine große Aufregung herrschte. Längst hatte L sie losgelassen, war er selbst wie erschreckt. Über sich, die Wendung und nicht zuletzt was es für Konsequenzen haben würde. War er ein so schwacher Mensch, dass er nicht widerstehen konnte? Oder wäre es keinem einzigen gelungen? Er hätte es abblocken müssen. Nun war er nicht mehr als der Mann, der er war. Keine großen Titel. Keine Maschine die funktionieren musste. Er war der Mensch, L Lawliet, welcher tief in seinem Inneren weggeschlossen war und nun seinen Tribut forderte. Ihm dabei unmissverständlich klar machte, dass es Dinge gab, die er nicht so lenken konnte, wie er es sich zum Entschluss gemacht hatte. Nichts konnte sich dem entgegen stellen. Auch nicht dem eisernen Willen von L. „Warte, Shaelyn. Überstürze nichts ...“ Der alte Mann versuchte seine Enkelin aufzuhalten, was ihm nicht recht gelang, da sie aus dem Zimmer eilte. In ihrem Zustand konnte sie nicht darauf los rennen. Vielleicht stolperte sie oder stieß sich. So folgte er ihr in den Flur, sah wie sie in ihr Zimmer flüchtete und dabei die Tür hart ins Schloss schlug. Zumindest war sie unbeschadet in ihrem Raum angekommen. Gleich auch wurde die Tür verriegelt und er begriff, dass sie nun für sich sein wollte. Sehr wahrscheinlich sogar für eine ganze Weile. „Sie hätten Sie nicht damit überraschen sollen.“, verließ es bündig den Mund von Watari, als dieser wieder das Wohnzimmer betrat. Nun hatte er alles Recht dazu sich zu äußern, das wusste ebenso der Detektiv. Dieser stand nun am Fenster, blickte starr hinaus und fixierte keinen Punkt, während er an seinem Daumennagel knabberte. So wie er an seinem Nagel kaute, war es sein Verstand, der an ihm nagte – und all die logischen Schlussfolgerungen seiner Handlung vernichtete. Was er getan, nein, worauf er sich eingelassen hatte, war nicht mit Logik zu erklären. „Ich habe sie nicht überrascht. Das hat sie alleine getan.“, erwiderte L matt und wandte seinen Kopf nun zu Watari, der deutlich verwirrt schien. L jedoch wie immer wirkte, als sei dieser Kuss nie geschehen. „Sie hat mich geküsst, nicht anders herum.“ Mehr als verwundert zog der alte Mann seine Braunen hoch. „Sie meinen,.. Shaelyn hat besonderen Gefallen an Ihnen gefunden?“ L seufzte auf diese Frage hin, kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf und starrte seinen Vertrauten eindringlich an. „Nein, das halte ich für unwahrscheinlich. Es war zu beginn ein Versehen. Sie hat meine Körperhaltung nicht korrekt berechnet.“ „Weshalb hat sie es dann jedoch weiter fortgeführt?“ Eine Stille trat ein. „ ... Das kann ich nicht beantworten.“, murmelte L vor sich her und drehte Watari erneut den Rücken zu, während er mit seinem Zeigefinger geistesabwesend über seine Unterlippe strich. Die einzige Reaktion, die etwas von ihm verriet. Vielleicht hatte L Unrecht. Eventuell steckte doch mehr dahinter. Ließ man sich denn auf einen solchen Kuss ein, wenn man rein gar nichts empfinden würde? L wusste es wirklich nicht. Dazu fehlte ihm die Erfahrung, um zu einem eindeutigen Schluss zu kommen. Aber ihm gefiel die Vorstellung, dass Shaelyn, auch wenn die Wahrscheinlichkeit nur gering war, mehr für ihn empfand. Das konnte er nicht abstreiten. Zeit verstrich. Der Frühling wurde zum Sommer. Der Sommer zum Herbst. Der Herbst zum Winter. Die Welt nahm ihren natürlichen Lauf. Doch das Einzige was sich wirklich veränderte war die Jahreszeit. Mittlerweile konnte Shaelyn ohne Bedenken die Wohnung begehen, so als würde sie jedes Objekt vor sich sehen. Auch machten einige alltägliche Dinge ihr nicht mehr so viele Probleme. Der Duschgang zählte eindeutig dazu. Da sie sich lange nicht mehr scheute vor die Tür zu gehen, begleitete sie sogar ihren Großvater oft bei den Einkäufen. Gleichzeitig lernte sie diesen besser kennen und er schätzte ihre Anwesenheit. Dennoch belastete sie etwas schwer. Denn eines hatte sich nicht verändert: Rue. Seit diesem einen Tag hatte sie ihn nicht mehr angesprochen. Nein, sie hatte ihn gemieden. Shaelyn konnte es sich nicht erklären. Es war die pure Angst. Angst vor Rue. Alles an ihm war für sie beängstigend. Man konnte es nicht richtig in Worte fassen was sie fühlte. So war es die Furcht vor seiner Stimme, welche etwas auslösen könnte was sie nicht begreifen würde. Seine Nähe, die sie vielleicht wieder so unbedacht handeln ließ. Oder einfach die Anwesenheit und die quälenden Fragen in ihrem Kopf. Es brannte auf ihrer Zunge. Aber sie traute sich nicht zu fragen. Seit Monaten nicht, was sie weiter bedrückte. Manchmal spürte sie noch immer seine Lippen. Warm, sanft... dann diesen winzigen Augenblick, als aus der irrtümlichen Berührung mehr wurde. Wer hatte damit begonnen? Sie wusste es nicht. Plötzlich hatte er jedoch damit begonnen den Druck zu erwidern. Und das nachdem sie nicht Abstand nahm? Hatte sie sich ihm so aufgedrängt? Was ihr in Erinnerung blieb war dieser einzigartige Geruch, den er verströmte. Die angenehme Wärme in seinen Armen, weshalb sie sich ihm weiter entgegen drückte. Seine Finger an ihrem Nacken, was ihr einen Schauer durch den Körper jagte. Das etwas klebrige auf seinen Lippen, was sie dazu verleitete zu probieren und sich als purer Zucker herausstellte. Dann öffnete er schwach seine Lippen und sie schmeckte Himbeeren. Sie wollte mehr davon. Viel mehr. Und dieser leise Seufzer... stammte er von ihr? War er von ihm gewesen? Ihr war so furchtbar heiß. Aber sie war der Überzeugung Rue war ebenso wie sie unvorbereitet da hinein gerutscht. Hatte eventuell genauso kopflos drauf los geküsst, einfach aus dem Moment heraus. Er hatte bestimmt keine Gefühle für sie, wie sie für ihn, oder? Genau das war es. Die Frage, ob sie nicht doch mehr für ihn empfinden würde. Shaelyn verstand die Welt nicht mehr. War er gar kein Bruder für sie? War das alles nur eine schlechte Art zu verbergen, was wirklich vor sich ging? Aber sie würde es doch wissen? Unmöglich, sie konnte sich doch nicht in diesen eigenartigen, gemeinen, dreisten Wirrkopf verliebt haben. Erneut fasste sie sich an die linke Brustseite. Wenn sie alleine daran dachte, dann wurde ihr ganz schwindlig. Und auch der Gedanke, dass es ihr erster Kuss – richtiger erster Kuss war, stieg ihr ebenso zu Kopf. Ja, sie hatte einen Freund gehabt, aber war er ihr schnell zu aufdringlich. Es war also bei einem einfachen Kuss geblieben. Das erschreckende daran war, dass sie viel mehr bei Rue empfunden hatte, als bei ihrem damaligen Freund. Sicher war das nicht normal. Es sollte aufhören! Alles war plötzlich so verdammt schwer und kompliziert. Und auch wenn sie nicht fragte und sich damit quälte, verletzte es sie ebenso, dass Rue absolut nichts sagte. Er fragte nichts. Doch einmal war er auf sie zugekommen – und sie war geflüchtet. So lebten sie zwar in einer Wohnung, aber hörten nichts voneinander, als gäbe es sie nicht mehr. Wartete er vielleicht nur auf sie, dass sie jetzt zu ihm kam? Sie hatte es provoziert. Aber nach so vielen Monaten konnte sie schlecht einfach wieder auf ihn zugehen. Es war wie ein Teufelskreis. Gefangen in einem Rad, das sich immer weiter drehte. Alles nahm seinen Lauf. Wo war ihr Mut hin? „Geht es dir nicht gut?“, hörte sie von der Seite, weshalb sie den Kopf hob. Jetzt drangen auch wieder all die Geräusche zu ihr durch. Der Automotor, die anderen Wagen auf der Straße. Sie saß auf dem Beifahrersitz. Begleitete ihren Großvater bei einem Einkauf. „Ich weiß nicht, Opa.“, verließ es mutlos ihren Mund. Sie sprach schon seit einiger Zeit Watari so vertraut an, da er ihr auch immer näher stand. Shaelyn hatte ihn vollkommen akzeptiert und nannte ihn gerne so. „Was ist es denn? Vielleicht kann ich dir helfen.“ Kurz zögerte die Schwarzhaarige. Möglicherweise konnte er ihr helfen. War es auch vermutlich noch die einzige Chance. „Es ist wegen Rue.“ Alleine dieser Satz war ausreichend genug für den alten Mann. Dieser hatte es sich nun schon seit diesem besagten Tag mit angesehen. Zunächst war Shaelyn nicht aus ihrem Zimmer gekommen, und als sie es tat, ignorierte sie danach den Detektiven vollständig. Jener hatte versucht auf sie zu zugehen, wurde allerdings eines besseren Belehrt. Es war nicht ein Wort gefallen und doch merkte man, dass sie Abstand suchte, das nur weil sie seine Anwesenheit wahrnahm. Watari wusste, es war der falsche Zeitpunkt. Hatte dennoch nichts dazu geäußert. Solch ein Problem ließ sich nicht schnell und einfach aufklären, wie ein Fall, den L Tag täglich rasch abtat. Es erforderte Feingefühl, einen guten Moment und Geduld. Und er war viel zu angespannt gewesen und hatte es zu früh klären wollen. Shaelyn war sich nicht sicher und brauchte eben jene Zeit. Auch wenn Watari sah, wie beide zugleich litten. Er konnte und durfte sich nicht einmischen – nicht solange keiner dazu bereit war. Und dies brauchte solange es eben nötig war, auch wenn es für Monate so sein sollte. Wie es nun der Umstand war. „Denkst du, ... du kannst ihn mal für mich ansprechen? Ich glaube, ich habs' total versaut.“ „Das hast du nicht, Shaelyn.“, antwortete er ihr ehrlich und sachte, woraufhin sie verwundert den Kopf schief legte. „Es ist bestimmt zu spät.“ „Dazu ist es nie zu spät, glaube mir.“ „Ich traue mich aber nicht... das war so peinlich.“, nuschelte sie nun betreten und spielte nervös mit ihren Fingern. „Das muss es nicht sein. Versuche es Ryuzaki verstehen zu lassen. Er wird dich anhören.“ „Ich weiß, er hört mir zu. Das hat er wirklich immer getan... aber das sag ich auch gar nicht. Sondern wie ich ihm vielleicht auch Tut mir leid, sagen kann. Man kann das nicht einfach vergessen und es tut mir wirklich unheimlich leid. Ich bin an allem Schuld...“ Die offensichtliche Verzweiflung brachte Watari zum Nachdenken. Und auch, dass sie klar davon sprach, dass es nur ihre Schuld wäre. Deutlich verstand der alte Mann, dass Shaelyn nicht wahrgenommen hatte wie L fühlte – und das, obwohl er es nicht hätte offensichtlicher machen können. Das was sie begriffen hatte war einzig der Fehler, nicht das was sich noch dahinter verbarg. Oder war es ein Schutzmechanismus? Verschloss sie sich davor? Es musste einen bestimmten Grund geben. „Ich werde dir behilflich sein.“ Sofort fuhr Shaelyn in ihrem Sitz herum und fasste an den Arm ihres Großvaters. „Vielen lieben Dank, Opa!“ „Ich habe auch schon einen Vorschlag zu machen.“ Watari musste lächeln. Er wusste genau wie er ihr helfen konnte, wenn es um eine Entschuldigung ging. „Was ist es?“, fragte sie begeistert nach. Und so war der Plan der Versöhnung, so wie sie es dann schließlich nannte, in Vorbereitung. „Sie sind spät, Watari.“, merkte L an, als sein Vertrauter in die Wohnstube trat. Im der Regel brauchten die Besorgungen nicht lange, selbst wenn Shaelyn ihn begleitete. Somit musste etwas vorgefallen sein. Sein Gespür ließ nie nach und er hatte für gewöhnlich immer Recht. So auch in diesem Fall, da alleine das Lächeln von Watari zu freundlich wirkte. Der Detektiv nahm seinen starren Blick vom alten Herren und stapelte nun konzentriert weiter an seinem Zuckerturm vor sich, welcher auf dem Henkel und Tassenrand halt fand. Geduldig wartete L darauf, dass eine Erklärung folgte. „Dafür gibt es auch einen Grund, wie Sie sicherlich schon wissen.“ Der Schwarzhaarige öffnete schon seinen Mund, als Watari fortfuhr: „Shaelyn hatte ein besonderes Anliegen. Was sie Ihnen auch gleich darlegen möchte.“ Augenblicklich hielt L inne den nächsten Zuckerwürfel platzieren zu wollen. „Sie will zu mir?“, hakte er sofort nach und drehte seinen Kopf ungesund zur Seite, sodass er nun Watari einen durchdringenden Seitenblick schenken konnte. „Ja, das wünscht sie.“ L verengte schwach die Augen, währenddessen schob er sich das Zuckerstück in den Mund, welches er noch zwischen die Fingerkuppen gehalten hatte. Jetzt war er gespannt, was folgen sollte. Sogleich verließ Watari die Wohnstube, da von L keinen Widerspruch getan wurde, was hieß, dass er eine Zusage bekommen hatte. Auch wenn er bereits vorher wusste, dass der Detektiv nicht ablehnen würde, wäre ein Ankündigen das Mindeste gewesen. Zumal der junge Mann sich nun vorbereiten konnte, was Watari für sehr wichtig hielt. „Du weißt, was du zu tun hast?“, fragte der alte Mann seine Enkelin, die nun ein zögerliches Nicken von sich gab. Auch schluckte sie den großen Kloß hinunter, der in ihrem Hals einfach stecken blieb. Sie war sich nicht mehr so sicher. Was ist, wenn er wütend auf sie war? Würde er doch ihre Entschuldigung annehmen? Würde es so wie damals werden? Shaelyn wollte keine Veränderung. Es sollte alles so bleiben wie vor dem ...Ereignis. Jetzt ließ ihr Mut noch mehr nach und sie bekam kalte Füße. Am Liebsten würde sie davon rennen! „Shaelyn?“ Vorsichtig sprach ihr Großvater sie an und sie zuckte stark zusammen. Man konnte es ihr deutlich ansehen. Es fehlten nur noch Schweißperlen auf ihrer Stirn. „Ich hab Angst... i-ich mach' bestimmt alles falsch!“, sagte sie in Panik und wischte sich angespannt die Haare aus dem Gesicht. Ihr Großvater lächelte schwach, legte eine Hand auf ihre Schulter, damit sie sich beruhigte. „Keine Sorge. Beruhige dich erst einmal. Wenn du es noch nicht kannst, dann ist es nicht schlimm.“ „Aber jetzt ist alles vorbereitet... nächstes Mal da... Ich..“ Shaelyn stockte, dann schnappte sie sich das Tablett, welches auf der Anrichte stand. „Jetzt oder nie!“, sprach sie fest, auch wenn man sah, dass ihr zum Heulen zumute war. Watari zog seine Stirn kraus. Ob es wirklich eine gute Idee war? Aber sie musste den Mut finden, auch wenn er Verständnis hatte, falls sie nicht gehen wollte. So ließ er sie aus der Küche gehen, mit einem besonderen Auge auf sie. Ihre kleinen wackligen Schritte sahen riskant aus. Das war mit Abstand der schlimmste Weg – vor allem längste – den sie je gegangen war, obwohl es nur wenige Schritte ins Wohnzimmer waren. Wenn sie dachte, all die Fragen und Zweifel wären viele gewesen, erschlugen sie sie jetzt. Trotz allem brachte es absolut nichts, sich nun weitere Sorgen zu machen. Shaelyn musste es tun – und zwar jetzt! Sonst würde sie es wahrscheinlich nie tun. Der erste Schritt ins Zimmer war als löste es eine Lawine aus. Sie rechnete mit seiner Stimme, das Geräusch, dass er sich bewegte. Doch es blieb still. So still, dass sie sich fragte, ob er gar nicht im Raum war. Schlafen konnte er nicht, da Watari sie schließlich angekündigt hatte. War er also geflüchtet vor sie? Nein, das konnte sie sich nicht vorstellen. „Du solltest vorsichtig sein.“ Ein Satz der sie zum abrupten Stehen veranlasste. Schon merkte sie, wir ihr das Tablett aus der Hand genommen wurde. „Halt, da... das. Ich meine in der Schachtel da.“, plapperte sie durcheinander und verblieb auf der Stelle, so als habe sie Angst in Berührung mit ihm zu kommen, wenn sie weiter ging. Sie konnte sich nicht konzentrieren, also wusste sie nicht ganz wo er sich aufhielt. Außerdem hatte sie es schon mal falsch eingeschätzt, weshalb sie nun auch in der Patsche saß. „Was ist in der Schachtel?“, folgte es in einer nüchternen Tonlage, was sie weiter daran zweifeln ließ, ob er überhaupt solche Fragen hatte wie sie. War er gar nicht verunsichert? Also steckte wirklich nichts dahinter? Shaelyn war verwirrt. Schon hörte sie wie das Tablett abgestellt wurde. „... ein Versuch dich gnädig zu stimmen.“ L verengte kurz seine Augen leicht. „Gibt es dafür einen guten Grund?“ „Du... bist nicht böse auf mich?“ „Warum sollte ich das?“, gab er ihr umgehend als rasche Antwort. Er hatte es nicht vergessen und betonte es damit sogar bedeutend. So sehr, dass sich die Furcht vor ihm nur weiter steigerte. Wie angewurzelt blieb sie weiter stehen und nahm dabei wahr, wie Rue die Schachtel öffnete. Stark sog sie die Luft ein und wartete auf eine Antwort von ihm. Hoffentlich hatte sie alles richtig gemacht, denn ein wenig erbost war er schon. Das merkte man ihm einfach an. Oder er verbarg es offensichtlich nicht. Das war es. Er musste es absichtlich tun, damit sie sich weiter schuldig fühlte. Und wie schuldig sie war... „Angenommen.“, durchbrach es plötzlich die Ruhe und Shaelyn hob beide Augenbrauen an. Auch wenn eine große Pause dazwischen war, so dachte sie nicht daran, so leicht eine Zusage zu bekommen. Stellte er keine Bedingungen? Aber er war doch noch sauer? „W-Wirklich?“ „Ja.“ „Also … ist dann wieder alles beim Alten? Praktisch vergangen und egal? So als wäre nie was passiert?“ Shaelyn schien erfreut und wollte nur weiter sichergehen, weshalb sich ihre Fragen überschlugen. L hingegen war weniger erfreut. Niemals könnte er das vergessen. Was er auch nicht tun konnte über die Monate. So wie sie darüber sprach, war es für sie pure Erleichterung. Hatte sie keine Fragen? War sie sich nicht bewusst was wirklich geschehen war? Versuchte sie krampfhaft alles zu übersehen, oder war sie tatsächlich so stumpf? Nein, irgendetwas war nicht richtig. Da gab es einen besonderen Grund und diesen würde der Detektiv herausfinden. So blind konnte sie nicht sein. „Sind das all deine Fragen, oder gibt es da noch etwas?“, kam es ihm gelassen über die Lippen und kaute unmittelbar danach an seinem Fingernagel, dann setzte er sich auf den Sessel und bedachte den Inhalt der Schachtel mit großen Augen. Augenblicklich fühlte die Schwarzhaarige sich unwohl. Sie kannte ihn lange genug um nicht zu wissen, was diese Tonlage bedeutete. Ganz gezielt fragte er nach diesem Vorfall... das was sie auch Tag für Tag nicht los ließ. „N-Nein. Ich wüsste nicht was.“ „...“ Das hatte er sich gedacht. Und er glaubte ihren Worten selbstverständlich nicht. „Doch etwas gibt es.“ Direkt starrte er zu ihr hinauf, gefasst auf jene Fragen. Natürlich hatte er sich passende Antworten bereits zurecht gelegt. „Gefällt dir die Torte? Den Schriftzug hab ich selbst gemacht. Opa sagt, der ist nicht ganz so schief geworden.“ Jetzt war er tatsächlich überrascht. Sie war schlecht darin etwas zu überspielen. Was selbst ihr auffiel. Sie hatte es völlig vermasselt. „Ach, vergiss das einfach. Ich geh besser. Das war blöd von mir.“, sagte sie eilig und ein wenig erbost, woraufhin sie sich herum drehte. Vielleicht war es doch einfach das Beste so. Aber warum tat es dann in ihrer Brust so weh? „Es hat mich gefreut.“ Es waren nicht mehr als leise Worte und doch hörte sie diese deutlich in ihren empfindlichen Ohren. Shaelyn hielt in ihren Schritten inne. Unschlüssig ob es wirklich die Wahrheit war, die er ausgesprochen hatte, zögerte sie. Es hatte sich ehrlich angehört. Konnte sie es denn beurteilen was er wie meinte? Seit wann konnte sie genau sagen, wann er nicht log? Doch was für einen Grund hätte er? Oder war es die tiefe Hoffnung, die sie in sich trug? Jene, die sie nun so glücklich machte? Shaelyn nahm einen tiefen Atemzug, wandte sich allerdings nicht herum, als sie begann zu sprechen: „Ich weiß, dass es jetzt sicher seltsam klingt was ich dir sage aber...“ Umgehend faltete sie ihre Hände ineinander, drehte ihren Oberkörper, während sich ein mildes Lächeln bildete. „Ich möchte nichts Verlieren.“ L zog stark seine Augenbrauen zusammen und starrte sie intensiv an. Ihre Worte verrieten ihm viel und doch nichts. Sie sprach in Rätseln. Was wollte sie nicht verlieren? Ihn als Freund? Vielleicht auch etwas vollkommen Anderes. Denn sicher war, dass ihre Antwort viel verbarg. Alleine wie sie es ausgesprochen hatte. „Was möchtest du nicht verlieren?“, fragte nun der Detektiv aufdringlich, als erneut am Daumennagel kaute. Die Schwarzhaarige wandte sich wieder nach vorn, senkte ihren Kopf etwas. Irgendwie wusste sie, dass er nachfragen würde. „Alles.“ Ein Wort, das ihn weiter ins Grübeln brachte. Was setzte sie aufs Spiel? Wenn er annehmen würde, sie empfand so wie er, und sie es offen aussprach, dann bestünde die Möglichkeit alles zu verlieren. Oder war es die Angst altes zu verlieren, was sie so gern hatte, wenn man diesen Tag nicht vergaß? L war überfragt. Unerwartet betrat Watari das Wohnzimmer. Dies musste einen guten Grund haben, denn würde er diese Unterhaltung niemals stören, falls es nicht wichtig wäre. Und ehe der Schwarzhaarige seinen Mund öffnete, sprach der alte Mann auch schon: „Entschuldigen Sie die Störung, aber ich habe ein wichtiges Telefonat erhalten. Wir werden umgehend nach Los Angeles ziehen müssen.“ Nicht nur Shaelyn schien überrascht. Denn L wüsste nichts von einem Umzug. „Nach Los Angeles... in die USA?“, hakte Shaelyn verwundert nach und L bekam große Augen. „Gut, bereiten Sie alles vor. Doch zunächst werde ich die Torte verspeisen. Dann … können wir aufbrechen.“, gab der Detektiv von sich und machte sich gleich mit einem Grinsen an sein Projekt. Verdattert stand Shaelyn im Wohnzimmer. Was passierte hier? Und wieso sagte man ihr nichts? So langsam regte sie die Geheimniskrämerei auf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)